Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung,
Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden
Organisationen
Kapitel 6: Das
Militäreisenbahnwesen
(Eisenbahnen und Schiffahrt)
(Forts.)
Oberst Stefan v. Velsen
5. Die Hauptaufgaben des
Heeres-Transportwesens während des Krieges.
Die strategische Ausnutzung der Eisenbahnen.
Wohl hatten Moltke und Schlieffen
gelehrt, daß in der neuen Periode der
Kriegführung, in der sich Europa seit 1870 befindet, strategische
Bewegungen der Millionenheere der Gegenwart nur auf den Eisenbahnen
ausführbar sind, und daß die Kampfkraft dieser Massenheere von
ihrer engen Verbindung mit den Eisenbahnen durchaus abhängig ist. Wie
umstürzend aber dieser Einfluß der Eisenbahnen auf die ganze
Kriegführung einwirkte, sollte die Welt erst in vollem Umfange im
Weltkriege erkennen. Die Militärwissenschaft vor dem Kriege und, von ihr
beeinflußt, die deutsche höhere Führung sahen in den
Eisenbahnen zunächst noch in erster Linie die Nachschubstraße, was
sie auch in früheren Kriegen allein gewesen war.
Zum Glück für Deutschland stand an der Spitze des
Feldeisenbahnwesens in dem Oberst, späteren General Groener der Mann,
der die strategische Bedeutung der Eisenbahnen erkannt und durchdacht hatte. Er
wußte, daß dieser Aufgabe der Eisenbahnen der Vorrang mit allen
Mitteln gegen die der Truppe näherliegenden Versorgungsinteressen
erkämpft werden mußte. Er besaß aber auch den Weitblick und
die Energie, das Kriegswerkzeug "Eisenbahn" überall auf höchste
Leistungsfähigkeit zu bringen und so zu erhalten. Wie den Legionen Roms
der römische Straßenerbauer, wie Napoleon seinen Heeren durch die
Chausseen in der erhöhten Beweglichkeit eine Verstärkung ihrer
Kampfkraft gab, so waren auch die gewaltigen Eisenbahnbauten, die Groener auf
allen Kriegsschauplätzen anordnete, in erster Linie strategisch gedacht.
Die Offensive im Westen bis zur Marneschlacht.
Bei der den Krieg einleitenden Operation in Frankreich haben die Bahnen leider
den an den Feind stürmenden Heeren nicht die strategische
Unterstützung [240] gewähren
können, zu denen sie wohl befähigt gewesen wären. Es will
scheinen, als ob das Problem der Marneschlacht stark mitbestimmend von diesem
Gesichtspunkt aus betrachtet werden sollte. - Eine Abhilfe im
Schlieffenschen Sinne wäre es wohl gewesen, sofort nach beendetem
Aufmarsch - wenn dieser einmal so wie 1914 angeordnet
war - mehrere Armee-Korps des linken Flügels auf den drei
großen zweigleisigen Transportstraßen des Rheins und der Eifel in
dichtester Zugfolge hinter den rechten Heeresflügel zu werfen. In knapp 3
Tagen hätten mindestens 3 Armee-Korps, für welche bei Mainz und
südlich die Wagenreserven bereitstanden, bei Aachen vormarschbereit
stehen können, um dem Flügel, mit dem man siegen wollte, als
zweite Staffel zu folgen. Mit ihnen und mit dem Garde-Reserve- und XI.
Armee-Korps, die nicht nach Ostpreußen abtransportiert werden durften,
wäre der deutsche rechte Heeresflügel, so wie es die
tatsächlichen Verhältnisse auf feindlicher Seite jetzt erkennen lassen,
wohl allen Gefahren gewachsen gewesen. Selbst wenn man bedenkt, daß
das französische Bahnnetz schnelle operative Verschiebungen nach dem
linken französischen Flügel gestattete. Nach den vierjährigen
Erfahrungen aber in der operativen Verwendung moderner Massenheere
möchte man es für richtig halten, wenn die deutschen Armeen etwa
nach Erreichen der Linie
Amiens - St. Quentin - Hirson - Sedan Halt
gemacht, sich neu gruppiert und ihre rückwärtigen Verbindungen
geordnet hätten. Der Nachteil allerdings, daß die geschlagenen
feindlichen Verbände wieder aufgefrischt, und daß der feindliche
linke Flügel planmäßig verstärkt wurde, mußte in
den Kauf genommen werden. Dafür aber hätte man, basiert auf die
belgischen und nordfranzösischen Bahnen, verstärkt mit allen den
technischen Kampfmitteln, die 1914 auf 250 km von den Bahnendpunkten
entfernt gar nicht mitgeführt werden konnten, den Feldzugsabschnitt mit
günstigeren Aussichten eröffnen können, der den
Entscheidungskampf mit dem auf Paris gestützt operierenden Feinde
bringen mußte.
Tatsächlich war 1914 im Westen nach beendetem Aufmarsch von einer
planmäßigen strategischen Ausnutzung der Eisenbahnen nicht mehr
die Rede.
Der Feldzug 1914 in Ostpreußen (Gumbinnen, Tannenberg,
Schlacht an den Masurischen Seen).
Im Osten war zunächst nur eine Bereitstellung der 8. Armee in breiter Front
längs der deutsch-russischen Grenze vorgesehen. Bis zum 11. August
waren eingetroffen:
die beiden Divisionen des Landwehrkorps bei Lublinitz
und Ostrowo,
6. Landwehr-Brigade bei
Gnesen,
3. Reserve-Division bei
Hohensalza,
40. Landwehr-Brigade bei
Goßlershausen,
XVII. Armeekorps bei
Deutsch-Eylau,
XX. Armeekorps bei
Allenstein,
[241]
I. Reservekorps bei Angerburg und Nordenburg,
I. Armeekorps und 1.
Kavallerie-Division bei Gumbinnen,
2. Landwehrbrigade bei Tilsit.
Ein Aufmarsch, wie ihn Schlieffen kennzeichnet, d. h. ein Heranführen bis
zu den Eisenbahnendpunkten, von denen aus die Korps und Divisionen ihren
Platz in der Schlachtordnung erreichen, sollte erst erfolgen, wenn die Russen den
Vormarsch antraten und ein Ziel für die allein auf der operativen und
taktischen Beweglichkeit begründete deutsche Überlegenheit boten.
Operative Beweglichkeit gewährten die ostpreußischen Eisenbahnen
völlig, die, wie der später zu schildernde Aufmarsch zur
Winterschlacht in Masuren bewiesen hat, in der Lage waren, hochgespannte
Forderungen zu bewältigen.
Entgegen den an das Oberkommando der 8. Armee herantretenden Anregungen,
die Vormärsche nach Polen hinein zur Erwägung stellten, blieb dies
der Schlieffenschen Anschauung treu, daß erst ein entscheidender Schlag
gegen die russische Niemen-Armee die Freiheit zu weiteren Entschlüssen
gewähren mußte. Für diese Offensive kam nach dem
Eisenbahnnetz die Versammlung eines starken Stoßflügels um
Lötzen oder ein Aufmarsch um Insterburg in Frage. Ersterer
Entschluß mit der Absicht, die russische Armee von Kowno und auf die
Memel abzudrängen, wäre Schlieffensch gewesen. Die Eisenbahn
hätte die überraschende Versammlung von mehreren Divisionen in
wenigen Tagen hier gestattet; das XX. Armeekorps wäre mit
Fußmarsch heranzuziehen gewesen.
Die tatsächlich angeordnete Verschiebung der 3. Reserve-Division und der
6. Landwehr-Brigade nach Lötzen am 12. und 13. August mit 20
Zügen täglich und des XVII. Armeekorps mit 40 Zügen
täglich über Korschen und über Königsberg nach
Insterburg, wo es vom 14. bis 18. August auslud, führte am 20. August zur
Frontalschlacht bei Gumbinnen. Sie wurde vor gefallener Entscheidung
deutscherseits abgebrochen.
Für den auf die Nachricht vom Vormarsch starker russischer Kräfte
vom Narew her beschlossenen Rückzuge hinter die Weichsel wurden
verladen:
3. Reserve-Division: Truppen: Angerburg,
Nordenburg;
Kolonnen und Trains:
Lötzen, Stürlack, Rastenburg.
I. Armeekorps: Insterburg, Norkitten, Wehlau, Tapiau,
Königsberg.
Wie aus diesem so eingeleiteten Rückzuge der neue Oberbefehlshaber
Hindenburg und sein Generalstabschef Ludendorff der sieben
Armeekorps starken russischen Narew-Armee in der Schlacht von Tannenberg ein
Cannä bereiteten, ist bekannt. Die rechtzeitige Bereitstellung zum Angriff
war nur durch planmäßiges Zusammenstimmen von
Fußmärschen und Bahntransporten möglich. Während
die Stoßgruppe des linken Flügels (XVII. Armeekorps, I.
Reservekorps, 6. Landwehr-Brigade), auf das Schlachtfeld marschierend, erst vom
26. August ab eingreifen konnte, mußte die Mitte (XX. Armeekorps und die
[242] Landwehr-,
Landsturm- und Ersatztruppen des Generals v. Unger), bis dahin schon seit
dem 23. August hinhaltend fechtend, den 100 km breiten Raum von Neidenburg bis zum Spirdingsee decken. Ihr konnte zunächst nur die 3.
Reserve-Division nach Allenstein als Flügelstaffel zugeführt werden,
die dort am 23. August auslud. Erst während der Schlacht von Tannenberg
traf dann noch am 27. und 28. August die
Landwehr-Division v. d. Goltz mit der Eisenbahn bei Bissellen
westlich Allenstein ein. Inzwischen aber war auf dem rechten Flügel eine
Angriffsgruppe gebildet durch das von seinem Transport hinter die Weichsel
abgedrehte I. Armeekorps, das vom 23. bis 26. August bei
Deutsch-Eylau und südlich ausgeladen wurde, und durch die aus
Festungsbesatzungen zusammengestellte Brigade v. Mülmann, die
sich bei Strasburg sammelte.
Die Eisenbahntransporte für Tannenberg haben nur zu einem geringen Teile
zum Erfolge beigetragen; es war in erster Linie ein Verdienst der Führung,
die den ungebrochenen Wert ihrer Truppe zu erkennen und in ungeheurem
Wagnis, den siegreichen Rennenkampf in Flanke und Rücken, aus dem
Rückzug einen beiderseits umfassenden Angriff gegen die
überlegene Narew-Armee zu gestalten wußte. Die
Transportanforderungen waren nicht groß; daß sie nur mit mancherlei
Stockungen bewältigt werden konnten, lag an dem Flüchtlingsstrom,
der sich auf die Eisenbahn ergossen hatte. Es ist das eine kaum abwendbare
Schwierigkeit, mit der bei Operationen im eigenen Lande, die ein Ausweichen
bedingen, gerechnet werden muß.
Die aus dem Westen herangeführten Verstärkungen trafen erst nach
der Schlacht von Tannenberg ein. Sie wurden vom 2. bis 6. September
ausgeladen:
XI. Armeekorps in Osterode, Bissellen, Allenstein;
Garde-Reservekorps in Mühlhausen, Güldenboden;
8. Kavallerie-Division in Mohrungen, Wormditt.
Die Gruppierung der so verstärkten 8. Armee, aus der am 4. September
zum Angriff gegen Rennenkampf angetreten wurde, fand nur durch
Fußmarsch statt.
Der Herbstfeldzug 1914 in Polen.
Nach dem unglücklichen Ausgang der Schlacht von
Rawa-Ruska und der zweiten Schlacht von Lemberg waren die
österreichisch-ungarischen Armeen Mitte September 1914 in vollem
Rückzuge auf den San. Politische und militärische Gründe
verlangten ihre unmittelbare Unterstützung durch deutsche Truppen. Nach
der allgemeinen Lage war nur Generaloberst v. Hindenburg, dessen
Truppen zur gleichen Zeit in der Verfolgung der russischen
Niemen-Armee die ostpreußische Ostgrenze überschritten, zu dieser
Unterstützung verfügbar. Während eine schwache 8. Armee
die Verfolgung fortsetzte, wurde aus
Garde-Reserve-, XI., XVII. und XX. Armeekorps, den Hauptreserven Thorn
[243] und Posen, der 8.
Kavallerie-Division und den erforderlichen Etappenformationen die 9. Armee
gebildet.
Über 800 km waren diese Kräfte von den Bundesgenossen entfernt.
Wirksam aber konnten diese nur aufgenommen werden, wenn es schnell gelang,
einen Gegenstoß auf ihrem bedrohten Nordflügel zu
führen.
In der Nacht vom 16. zum 17. September begannen die Einladungen um
Korschen - Lötzen und um
Wehlau - Königsberg. Schon am 28. September, als die
russischen Heeresberichte den Rückzug der Österreicher hinter den
Dunajec und die Eroberung der Karpathenpässe meldeten, trat die deutsche
9. Armee aus der Linie Krakau - Kreuzburg zur Entlastungsoffensive
an. Auf den beiden Transportstraßen:
Korschen - Thorn - Gnesen - Jarotschin -
Kreuzburg und Königsberg - Dirschau -
Schneidemühl - Posen - Breslau -
Kattowitz - Krakau waren 750 Truppenzüge, dazu
Verpflegungszüge, Munitionszüge und zahlreiche Einzeltransporte in
knapp 14 Tagen durchgeführt. Zum Vergleich für den Umfang
moderner Heeresbewegungen sei erwähnt, daß der gesamte deutsche
Aufmarsch 1870 gegen Frankreich 1492 Truppentransporte, also nicht ganz die
doppelte Zugzahl, beanspruchte.
Die Offensive der 9. Armee, der sich der österreichisch-ungarische linke
Heeresflügel anschloß, führte bis dicht vor Iwangorod und
Warschau, konnte aber gegenüber der gewaltigen russischen
Überzahl nicht durchdringen. Am 18. Oktober mußte das
Armee-Oberkommando den Entschluß zum Zurückgehen,
zunächst in die Linie Radom - Lowicz, fassen. Große
Erfolge waren aber doch erzielt; von dem zusammenbrechenden
österreichisch-ungarischen Heer in Galizien wurden starke Kräfte auf
die 9. Armee abgezogen, und die gegen sie eingesetzten drei russischen Armeen
waren zunächst einmal 200 km von dem wichtigen oberschlesischen
Kohlengebiete zum Stehen gebracht worden. Die aus eigenem Entschluß
und in voller Ordnung weichende 9. Armee aber war in der Lage, die polnischen
Bahnen westlich der Weichsel so nachhaltig zu zerstören, daß die
Russen nur langsam folgen konnten.
Die gründliche Loslösung vom Feinde und die mit dem Erreichen der
deutschen Grenze wieder ermöglichte Ausnutzung eines
leistungsfähigen Bahnnetzes gab der 9. Armee die operative
Bewegungsfreiheit, um zu neuem Schlage gegenüber dem russischen
rechten Flügel auszuholen. Er sollte aus der Linie
Jarotschin - Thorn umfassend angegriffen werden, während an
die Stelle der 9. Armee die k. u. k. 2. Armee trat, die aus den
Karpathen mit der Bahn in die Gegend von Lublinitz und Kreuzburg
geführt wurde.
Zum Angriff wurden vom Oberbefehlshaber Ost 8
Infanterie-Divisionen und Etappen-Formationen aus Schlesien, 4
Infanterie-Divisionen und Etappen-Formationen aus Ostpreußen
herangeführt. Von den aus dem Westen erbetenen Verstärkungen
konnten nur 3 Kavallerie-Divisionen rechtzeitig zur Verfügung gestellt
werden. Am 5. November begannen in Ostpreußen, am 6. November
[244] in Schlesien die
Einladungen, am 15. November waren die Ausladungen beendet. In 10 Tagen
waren nahe an 800 Truppentransportzüge in die Flanke der Russen
geführt, die ihrerseits, durch die Zerstörung des polnischen
Bahnnetzes operativ unbeweglich, in tastendem, schrittweisem Vorgehen in der
alten Richtung auf Oberschlesien begriffen waren.
Um aber einen Begriff von der Leistungsfähigkeit eines modernen
Eisenbahnnetzes für strategische Verschiebungen zu geben, sei hier
einschaltend bemerkt, daß eisenbahntechnisch an Stelle der täglich 80
Züge gut täglich das Doppelte in den gleichen Aufmarschraum
hätte befördert werden können. Selbst in diesen vorwiegend
landwirtschaftlichen Provinzen, Posen und Westpreußen, hätten zu
gleichzeitiger Benutzung 5 zweigleisige und 3 eingleisige Bahnen zur
Verfügung gestanden. - Es waren also Fragen der Bereitstellung,
nicht der Heranführung, wenn nicht stärkere, für einen
entscheidenden Sieg westlich Warschau vielleicht ausreichende Kräfte
für die Offensive, zu der der linke Flügel am 11. November antrat,
bereitstanden.
Die zweite Welle, die den nach glänzenden Anfangserfolgen festgelaufenen
Angriff über Lodz hinaus bis zur Bzura und Rawka vorwärts trug,
wurde erst in der Zeit vom 23. November bis 7. Dezember an der deutschen
Grenze ausgeladen, nur schwache Teile konnten in den späteren Tagen auf
der normalspurigen Bahn Thorn - Warschau einige Stationen
über Alexandrowo hinaus vorgeführt werden. Es wurden
antransportiert: 7 Infanterie-Divisionen aus dem Westen und 1
Infanterie-Division, 1 Kavallerie-Division aus Ostpreußen, in im ganzen rd.
600 Truppentransportzügen.
An der Bzura und Rawka, nur noch brückenkopfartig auf dem westlichen
Weichselufer vorgeschoben, konnte der russische rechte Flügel sich halten,
der Mitte September das österreichisch-ungarische Heer durch umfassenden
Angriff vernichtend bedroht hatte, und der Anfang November mit 3 Armeen in
langsamem, aber, wie es schien, unaufhaltsamem Vorgehen auf Oberschlesien
gewesen war. Großes war erreicht. Kraftvoll, schnell und unbemerkt vom
Feinde durchgeführte Heeresverschiebungen mit der Eisenbahn hatten diese
Erfolge ermöglicht.
Die Winterschlacht in Masuren.
Die Ostkämpfe im Jahre 1914 hatten nur zwei Formen der strategischen
Heerestransporte gebracht: Die operative Verschiebung von Armeen auf
demselben Kriegsschauplatz und die Heranführung von
Verstärkungen (Korps und Divisionen) vom Westen nach dem Osten. Die
Aufstellung neuer Kräfte um die Jahreswende 1914/15 sollte die
Gelegenheit geben, durch die Heranführung einer starken neuen Armee die
auch im Osten zum Stellungskrieg erstarrte Kampffront wieder in Bewegung zu
bringen.
[245] Ihr Einsatz
mußte um so wirksamer sein, je besser es gelang, sie schnell und
überraschend zu schlagartigem Vorgehen bereitzustellen. Die
günstigste Gelegenheit hierzu bot der russische Nordflügel, der auf
ostpreußischem Boden der hinter der Seenlinie und Angerapp sich
verteidigenden schwachen 8. Armee gegenüberlag. Hier konnten auf dem
leistungsfähigen, im erprobten Betriebe der Eisenbahndirektion
Königsberg befindlichen deutschen Bahnnetz 130 Züge täglich
zuverlässig geleistet werden.
Mit dieser Eisenbahnleistung war es möglich, die neue 10. Armee mit dem
XXI. Armeekorps aus dem Westen und dem XXXVIII., dem XXXIX. und dem
XXXX. Reservekorps, die in der Heimat neu aufgestellt waren, dazu die
erforderliche schwere Artillerie, Einzelformationen und Etappenformationen in
den wenigen Tagen vom 2. bis 8. Februar auf beiden Flügeln der 8. Armee
auszuladen. 3 Korps marschierten in der Linie
Gumbinnen - Tilsit auf, während zu dem am rechten
Flügel der 8. Armee westlich Rudczanny ausladenden XXXX.
Reservekorps noch aus Polen die 5.
Garde-Infanterie-Brigade und das XX. Armeekorps herangeführt
wurden.
Der ganz außerordentlich hochgespannten, aber auch glänzend
durchgeführten Leistung der Eisenbahnen entsprach der erste Erfolg der 8.
und 10. Armee. Daß er nicht weiter in Flanke und Rücken des
russischen Heeres eindrang, lag neben den gewaltigen Schwierigkeiten, die
ungünstiges Wetter und russische Wege entgegenstellten, daran, daß
die Russen in der Lage waren, starke Kräfte mit der Eisenbahn in die
Gegend von Ostrolenka und von dort auf Prasznisz zum Gegenstoß gegen
den deutschen rechten Flügel zu führen.
Bemerkenswert ist der Unterschied eines solchen Eisenbahnaufmarsches
während der Operation gegenüber dem planmäßigen, im
Frieden sorgfältig vorbereiteten ersten Aufmarsch. Seine Einleitung kann
nicht mit einem einheitlichen Aufmarschprogramm hervortreten, sie muß
improvisieren und eine Fülle von Einzelmaßnahmen und
Einzeltransporten zu dem schlagartigen Aufmarsch an der von der obersten
Heeresleitung bezeichneten Stelle verdichten.
Zur Winterschlacht in Masuren mußten zunächst Ende Dezember von
jedem Infanterie-Bataillon der vier neu aufgestellten Korps (das XXXXI.
Reservekorps kam nach dem Westen) 300 Mann einschließlich 10
Unteroffiziere mit kriegserfahrenen Soldaten der Westfront ausgetauscht werden.
Gleichzeitig wurde an der Westfront durch Bildung von Batterien zu 4
Geschützen die Feldartillerie für die neuen Korps aufgestellt und
dann in die Heimat überführt. Ende Januar wurden ferner diejenigen
Einzelformationen in Marsch gesetzt oder zur Eingliederung in die
Eisenbahnmarschkolonne bereitgestellt, die unmittelbar, meist von der Westfront
aus, in das Aufmarschgebiet der neuen Armeen geleitet wurden:
Bahnhofskommandanturen, Etappenhilfsbäckereikolonnen,
Infanterie-Munitionskolonnen, schwere Batterien mit
Fußartillerie-Munitions- [246] kolonnen,
Korpsbrückentrains, Telegraphen-, Funker-, Luftschiffer-,
Fliegerformationen, Etappenbehörden, -Truppen und -Kolonnen. Mit dem
vom 29. Januar abends ab aus Gegend La Fère
abzubefördernden XXI. Armeekorps, das inzwischen durch das aus der
Heimat zugeführte XXXXI. Reservekorps abgelöst war, begann dann
der Aufmarsch, mit dem die Abbeförderung der drei Reservekorps aus der
Heimat so in Einklang zu bringen war und in den die Einzeltransporte so
eingegliedert werden mußten, daß eine geschlossene
Transportbewegung von 130 Zügen täglich in der Nacht vom 1. zum
2. Februar mit den Anfängen die Weichsel überschritt.
Im Gegensatz zum ersten planmäßigen Aufmarsch des Heeres, bei
dem nach Beendigung der Ausladungen eine gewisse Ruhepause für die
Eisenbahn eintrat, folgte dem Aufmarsch zur Winterschlacht in Masuren eine
ständige Verschiebung starker Kräfte nach Ostpreußen. So
wurden noch im Februar 1 Infanterie-Division - 5 gemischte
Infanterie-Brigaden - 2 Kavallerie-Divisionen zugeführt.
Die Offensive gegen Rußland 1915.
Bei ihr trat die operative Bedeutung der Eisenbahnen zunächst in der
gleichen Weise in Erscheinung, wie bei den Transporten zur Winterschlacht in
Masuren. Zur Durchbruchsschlacht von
Gorlice - Tarnow östlich Krakau wurden auf drei
Transportstraßen in erster Linie 6 Divisionen aus dem Westen mit im
ganzen 60 Zügen täglich herangeführt; der Abtransport begann
am 17. April. Als zweite Staffel folgte, mit den Einladungen am 25. April
beginnend, ein Armeekorps, und eine weitere Division rollte, nachdem am 2. Mai
die Schlacht geschlagen war, am 3. Mai mit ihren Anfängen aus dem
Westen ab.
Bemerkenswert bei der Heranführung der 11. Armee waren die
Maßnahmen, um dem feindlichen Nachrichtendienst das Erkennen der
großen operativen Bewegung und ihres Zieles zu erschweren. Es wurde
neben ihr durch Landsturmtruppen und Ersatztransporte eine geschlossene
Transportbewegung vom Osten nach dem Westen vorgetäuscht. Die
Transporte der 11. Armee selbst wurden über Posen, Berlin und Stettin
nach Ostpreußen bearbeitet, einige an ihrer Spitze eingelegte
Landsturmbataillone wurden zur Täuschung tatsächlich dorthin
weitergefahren. Die Anfänge der Armee selbst wurden in den drei
vorgenannten Orten dann über Oberschlesien nach Galizien abgedreht.
Auch im weiteren Verlauf der Offensive spielte die Eisenbahn zunächst als
Zubringer der für die Fortführung des Angriffes notwendigen
Kräfte die schon mehrfach dargestellte, wichtige Rolle. Ganz eigenartig
wurden erst wieder die Zusammenhänge zwischen Strategie und
Eisenbahnen fühlbar, als über die Weiterführung der
Offensive, nach dem Fall Lembergs am 22. Juni, entschieden werden
mußte.
[247] Bei dem von der
deutschen Obersten Heeresleitung angeordneten Vorgehen der Heeresgruppe
Mackensen zwischen Bug und Weichsel und der Armee v. Gallwitz
beiderseits Prasznisz waren die Eisenbahnverhältnisse wenig
günstig.
Die Heeresgruppe Mackensen hatte die zweigleisige Bahn
Krakau - Przemysl - Lemberg, die vorwiegend durch deutsche
Eisenbahnbautruppen frühzeitig wieder hergestellt war, als Basis. Die von
ihr an die Grenze zwischen Bug und Weichsel führenden Bahnen waren
für die Versorgung starker Truppen völlig unzureichend. Eine
erhebliche Zahl von Eisenbahnbaukompagnien mußte eingesetzt werden,
um ihre Bahnhöfe für einigen Verkehr zu erweitern; nennenswerte
Verbesserungen konnten aber erst nach Monaten erzielt werden. An sie
schloß sich ein eisenbahnloser Raum von
70 - 80 km Tiefe an, bis bei Cholm und Lublin die
breitspurige russische Eisenbahn erreicht wurde; etwas günstiger lagen die
Verhältnisse dicht östlich des Bug, wo die Zweigbahn von Kowel
nach Wladimir Wolynsk sich den galizischen Bahnen auf etwa 50 km
näherte.
In diesem eisenbahnlosen Raum wurde nur die sehr flüchtig hergestellte
russische Kriegsbahn Rozwadow - Lublin vorgefunden, die eine
durchgreifende Verbesserung erforderte. Sehr starke Eisenbahnbaukräfte
mußten eingesetzt werden, um Feldbahnen von Belzec nach Cholm und von
Uhnow nach Norden gegen den Bug zu bauen. Trotzdem gelang es nicht, der
Heeresgruppe den für die Durchführung der Angriffe notwendigen
Nachschub in ausreichender Menge zuzuführen.
Besonders fühlbar wurde weiterhin, daß es mit Erreichen der
russischen Eisenbahn Cholm - Lublin noch nicht gelang, die
Wiederherstellungsarbeiten in größerem Umfange aufzunehmen. Es
war nicht möglich, stärkere Baukräfte mit ihrem Material
heranzubringen.
Ähnlich lagen die Verhältnisse im Angriffsraum der Armee Gallwitz.
Hier war die auf dem äußersten rechten Flügel gelegene,
damals noch eingleisige Bahn Illowo - Warschau die einzige
Verbindung zwischen dem deutschen und dem russischen Eisenbahnnetz, mit
deren nachhaltiger Unterbrechung an der Narewbrücke innerhalb der
Festung Nowo Georgiewsk gerechnet werden mußte. An sie schloß
sich bis zur Bahn Lyck - Bialystok ein 150 km breiter und 70
bis 100 km tiefer Raum, in dem jede Verbindung zwischen den
ostpreußischen Eisenbahnen und der russischen Bahn
Tluscz - Ostrolenka - Lapy fehlte. Um hier der Armee
Gallwitz den Nachschub zuführen zu können, mußte neben
einigen Verlängerungen von Feldbahnen ein Vollbahnneubau von
Willenberg nach Ostrolenka unternommen werden. Trotz Einsatz starker
Eisenbahnbaukräfte, die Vorzügliches leisteten, gelang es auch hier
der Eisenbahn nicht, der vorgehenden Armee genügend dicht zu folgen.
Wäre die Fortsetzung der Offensive in Galizien und Ostpreußen mehr
von den beiden Flügeln aus erfolgt, so hätten die
Eisenbahnverhältnisse zweifellos günstiger gelegen. Im Süden
bestanden von Lemberg über
Brody - Radzi- [248] wilow nach
Sdolbunowo und von Tarnopol über Wolotschisk nach Proskurow
leistungsfähige Vollbahnverbindungen zwischen Galizien und der Ukraine,
beide ohne besonders schwierige Kunstbauten, die erstgenannte auf der
Wasserscheide zwischen Bug und Seret sogar mit besonders günstigen
Verhältnissen für die
Wiederherstellung. - Die Bahnen an der ostpreußischen
Südostgrenze waren an die russischen schon im Frieden über
Wirballen - Kowno und über
Lyck - Prostken - Grajewo - Bialystok angeschlossen.
Eine weitere Verbindung war im Frühjahre 1915 von Marggrabowa nach
Suwalki hergestellt worden, die in den russischen Bahnen von Suwalki nach
Grodno und von Suwalki nach Olita ihre Fortsetzung fand. Bei Kowno, Olita und
Grodno mußte allerdings mit der Zerstörung der recht bedeutenden
Niemen-Brücken gerechnet werden. Die Bahn
Lyck - Bialystok mit ihren Fortsetzungen auf
Brest-Litowsk und Wolkowisk konnte dagegen für die Wiederherstellung
nur unerhebliche Schwierigkeiten bringen.
Die gleichen Baukräfte, die zwischen Bug und Weichsel und bei der Armee
Gallwitz in Richtung auf Ostrolenka verwendet wurden, hätten beim
Einsatz im Süden Richtung
Schepetowka - Sdolbunowo und im Norden Richtung
Wolkowisk - Lida - Molodetschno den vorgehenden Armeen
dicht folgen können.
Auch für die Neugruppierung der Armeen zur Fortführung der
Offensive war das Eisenbahnnetz günstiger, wenn die
Stoßkräfte mehr nach den Flügeln und damit an den
großen leistungsfähigen Eisenbahnen, die nach Rußland
hineinführten, versammelt wurden.
Die Eisenbahnlage auf russischer Seite war folgende: Die militärisch
wichtigsten Eisenbahnverbindungen lagen hinter den Flügeln des
russischen Heeres, von den Ausgangsstellungen eines Angriffes des
deutsch-österreichisch-ungarischen Nord- und Südflügels
nicht allzu weit entfernt. Näheres ergibt die nachstehende
Übersicht:
Hinter
welchem
Teil der
russischen
Front? |
|
Strecke |
|
Wieviel
Gleise? |
|
Entfernung von dem Nord-
und Südflügel der
deutsch-österreichisch-
ungarischen Front
Anfang Juli 1915 in km |
|
Hinter
dem
Nordflügel |
Petersburg - Wilna - Grodno - Warschau |
2gleisig |
80 |
Bologoje - Polozk - Molodetschno -
Sjedlez |
2gleisig |
150 |
Moskau - Minsk - Baranowitschi - Brest
Litowsk |
2gleisig |
230 |
|
Hinter dem
Südflügel |
Kiew - Kasatin - Rowno - Kowel |
2gleisig |
165 |
|
Hinter der
Mitte |
Moskau - Bryansk - Gomel - Pinsk - Brest
Litowsk |
nur strecken-
weise 2gleisig |
320 |
Kiew - Korosten - Sarny - Kowel |
1gleisig |
300 |
[249] Die Heeresgruppe
Mackensen und die Armee Gallwitz haben ihren Angriff trotz der
ungünstigen Eisenbahnverhältnisse auf nahe an 300 km
über ihre Stellungen vom Anfang Juli 1915 vorzutreiben vermocht.
Es bleibt allerdings zu berücksichtigen, daß bei einer Verlegung des
Angriffes nach den beiden Flügeln die russische Heeresleitung über
ein leistungsfähiges Eisenbahnnetz zwischen Bug und Weichsel und an der
Narew-Front frei verfügen konnte. So hätte die russische Mitte die
operative Beweglichkeit behalten, um auf der inneren Linie
Gegenstöße zur Bedrohung der angreifenden deutschen Flügel
in Flanke und Rücken zu führen, wenn sie moralisch und technisch
hierzu noch fähig war.
Zusammenfassend kann vom Standpunkte der Eisenbahnen zu den beiden
Plänen für die Fortführung der Offensive gesagt werden,
daß für den Angriff von den beiden Flügeln aus die
Eisenbahnverhältnisse wesentlich günstiger lagen. Wie die beiden
Pläne für die übrigen Kriegsmittel, besonders für die
Kampftruppe, operativ zu bewerten sind, kann hier nicht untersucht werden.
Das Operationsziel der von der deutschen Obersten Heeresleitung geführten
Offensive waren die feindlichen Hauptkräfte, während das Ziel des
Angriffs mit den beiden Flügeln zunächst nur die vier
Haupteisenbahnlinien, die das russische Heer mit dem Hinterland verbanden,
gewesen waren. Wie aber würde sich der Zustand des russischen Heeres
gestaltet haben, wenn ihm nur noch die beiden mittelmäßigen
Eisenbahnen über Pinsk und über Sarny als Verbindung mit der
Heimat blieben? Konnten nicht bei der Abhängigkeit moderner
Massenheere von den Eisenbahnen in einem solchen Fall die Eisenbahnen des
Feindes ein vollwertiges Operationsziel sein?
Die Operationen in der Türkei und die
Eisenbahnen.
Auf die Rolle, die die Türkei im Weltkriege spielen konnte, haben die
Eisenbahnen einen ausschlaggebenden Einfluß ausgeübt. Die
Türkei war nach Menschenzahl, militärischen Eigenschaften eines
großen Teils ihrer Bevölkerung und durch die Tatkraft ihrer
führenden Männer ein wertvoller Bundesgenosse. Der volle Einsatz
ihrer Kraft aber ist an dem unzureichenden Eisenbahnnetz gescheitert.
Für die wichtige defensive Aufgabe, die der Türkei zunächst
und vor allem zufiel - durch Sperrung der Dardanellen die Versorgung
Rußlands mit Kriegsgerät zu
verhindern - reichten die Zufuhrbahnen nach Konstantinopel
notdürftig aus. Als es nach der Niederwerfung Serbiens im Herbst
1915 - über Ungarn, die Donau und
Bulgarien - möglich wurde, der
Dardanellen-Verteidigung Munition, schwere Artillerie und Pionierformationen
zuzuführen, warteten die Engländer das Eingreifen deutscher
Verstärkungen nicht ab. Sie räumten auf Gallipoli am 19./20.
Dezember 1915 die nördliche, und in der Nacht vom 8. zum 9. Januar 1916
die südliche Landungsstelle.
[250] Im Januar 1916 gelang
es nach Beseitigung der umfangreichen Zerstörungen auf der Strecke
Nisch - Sofia die unmittelbare Eisenbahnverbindung mit der
Türkei herzustellen. Sie gestattete anfangs nur
7 - 10 Züge wöchentlich für die Türkei.
Mit nachdrücklicher deutscher Unterstützung wurde ihre
Leistungsfähigkeit bis Mitte 1917 auf 20 Nachschubzüge
wöchentlich erhöht, neben denen noch einige Truppenzüge
gefahren werden konnten. Es ist dabei zu berücksichtigen, daß allein
die von der Türkei geforderte Kohle 2/3 der Nachschubzüge
beanspruchte, so daß die Heranführung von Heeresgerät und
Eisenbahnmaterial immer noch stark beschränkt blieb. Es genügte
aber, die Dardanellenverteidigung derart zu verstärken, daß die
Entente bis zum Abschluß des Krieges auf weitere Unternehmungen gegen
Konstantinopel verzichtete.
Die Stoßkraft der Türkei und ihre wirksame offensive Lage
gegenüber wichtigen Gebieten des englischen Weltreiches (Ägypten
und Indien) und gegenüber dem für die russische Kriegswirtschaft
durch den Mineralölbezirk von Baku bedeutungsvollen Kaukasusgebiet
konnten dagegen wegen der völlig unzureichenden Verkehrswege niemals
zur Entwicklung kommen. Angriffe, die trotzdem nach allen drei Fronten
(Ägypten, Mesopotamien, Kaukasus) versucht wurden, sind trotz guter
Leistungen der türkischen Soldaten und hervorragender Mitarbeit deutscher
Offiziere und deutscher Truppen, besonders der verschiedensten Spezialtruppen,
an dem unzureichenden Bahnnetz gescheitert.
Die Stammlinie für alle diese Unternehmungen war die anatolische Bahn
von Haidar Pascha (gegenüber von Konstantinopel) nach Konia mit der
Abzweigung von Eskischehir nach Angora und die Bagdadbahn. Beide waren
eingleisig und besaßen eine recht beschränkte
Leistungsfähigkeit. Die Bagdadbahn von Konia bis Aleppo war 1914 noch
am Taurus und Amanus-Gebirge unvollendet. Die Fertigstellung dieser technisch
ungewöhnlich schwierigen Teilstücke, die die Baugesellschaft
während der Abschnürung der Türkei von den
Mittelmächten nur wenig zu fördern vermocht hatte, konnte erst vom
Frühjahr 1916 ab wieder mit Unterstützung durch deutsche
Eisenbahnbautruppen aufgenommen werden. Zunächst mußten sie
allerdings als Landetappe auf schwierigsten Gebirgsstraßen mit
Kraftwagenkolonnen umgangen werden. Hiermit war nur eine Nutzlast von
200 t täglich zu erzielen, eine Menge, die an den
Verhältnissen des westlichen Kriegsschauplatzes gemessen, nur 1/3 des Tagesbedarfes einer
einzigen Division darstellt. Mit der Herstellung des Feldbahnbetriebs über
den Amanus im Sommer 1916 und über den Taurus Ende Januar 1917
konnte die Leistung der Etappe etwa vervierfacht werden. Nach Erweiterung der
Feldbahntunnel auf Vollbahnprofil konnten später auch über 60
Lokomotiven und 600 Wagen in zerlegtem Zustande in das südlich des
Amanus gelegene Vollbahnnetz transportiert werden. Am 1. August 1917 endlich
konnte die Vollbahnstrecke über den Amanus in Betrieb genommen
werden, während der Taurusabschnitt bis zum Zusammenbruch der
Türkei unvollendet blieb.
[248a]
Kleinbahnzug auf einer Station im
Amanusgebirge.
|
[251] Nach dieser
eingehenderen Schilderung der Stammlinie, auf der alle Angriffsunternehmungen
der Türkei basierten, seien die weiteren Verbindungen nach den
Kriegsschauplätzen unter Gegenüberstellung der feindlichen
Nachschublinien kurz skizziert:
Palästinafront: Von Aleppo bis Rejak eingleisige, wenig
leistungsfähige Vollspurbahn, anschließend von Rejak bis Nabulus,
etwa 80 km nördlich Jerusalem, Schmalspurbahn (1,05 m
Spurweite). Von dort bis an den Suezkanal etwa 500 km Landetappe. Erst
im Laufe des Krieges konnte allmählich die Schmalspurbahn bis auf etwa
die Hälfte dieser Entfernung, bis Hafir el Audje, vorgetrieben werden.
Demgegenüber verfügten die Engländer über den
gesicherten Seeweg und in Ägypten über die leistungsfähige
Vollspurbahn Alexandria - Ismailija nach Suez und nach Port Said.
Als sie ihrerseits zur Offensive gegen die türkischen Truppen in
Palästina schritten, ließen sie ihrem methodischen Vorgehen eine
Schmalspurbahn in Kapspur folgen, so daß ihre Armee die Operationen in
Palästina kampfkräftig zu eröffnen vermochte.
Front in Mesopotamien: Die Eisenbahnetappe nach diesem
Kriegsschauplatz hörte bei Kriegsbeginn an der Euphratbrücke der
Bagdadbahn bei Dscherabulus, 120 km nordöstlich Aleppo, auf. An
sie schloß sich eine Landetappe von 700 km Länge an, eine
Entfernung gleich der von den Alpen bis zur Nordsee. Bei Samara wurde das von
Bagdad aus vor dem Kriege fertiggestellte Endstück der Bagdadbahn
erreicht. Da an dieser Strecke nur die für den Vorbau erforderlich
gewesenen Betriebsmittel vorhanden waren, war die Leistungsfähigkeit
entsprechend gering. Im Herbst 1914 und Anfang 1915 gelang es noch, die
Strecke von Dscherabulus bis Ras el Ain und von Samara bis nach Tekrit mit dem
bereits vorhanden gewesenen Oberbaumaterial fertigzustellen und so die
Landetappe noch um 250 km zu verkürzen. Immerhin behielten die
Engländer wesentlich günstigere Verbindungen. Sie fuhren in
Seeschiffen auf dem Schatt el Arab bis Basra; von dort bis Bagdad konnten auf
dem Tigris 350 t-Dampfer verkehren, die die Strecke
Basra - Bagdad in 4 - 5 Tagen zurücklegten.
Kaukasusfront: Von dem Endpunkt der anatolischen Bahn bei Angora
war eine Landetappe von über 700 km Länge zu
überwinden, da die russische maritime Überlegenheit auf dem
Schwarzen Meer den Seeverkehr
Konstantinopel - Trapezunt unterband. Die Russen dagegen
verfügten, neben dem gesicherten Verkehr auf dem Schwarzen Meer,
über die leistungsfähige Eisenbahn in Breitspur von Tiflis über
Alexandropol nach Kars und nach Dschulfa.
Es würde über den Rahmen dieser Untersuchungen hinausgehen, die
Operationen auf den drei Kriegsschauplätzen näher zu besprechen.
Die Schilderung der vom Zentrum des Reiches zu ihnen führenden
Verkehrswege läßt es verstehen, daß die türkischen
Armeen modernen Gegnern nicht gewachsen waren, die Menschen und Material
in reicherer Menge schneller heranbringen [252] konnten. Die
Mißerfolge der großgedachten türkischen Operationen sind
eine lehrreiche Bestätigung der Grundwahrheit, daß die Eisenbahnen
ein Kriegswerkzeug, ein selbständiger, wichtiger, unentbehrlicher Teil der
Kraft eines Heeres geworden sind.
Der Rumänische Feldzug 1916.
Der Feldzug gegen Rumänien 1916 gestattet noch einmal, an einer
übersichtlichen, abgeschlossenen Operation den Zusammenhang von
Strategie und Eisenbahn klar zu überblicken.
Während die Kräfte Deutschlands und
Österreich-Ungarns im Westen und Osten auf das schärfste
angespannt waren (Somme, Baranowitschi, Galizien, Görz), glaubte
Rumänien seine Zeit gekommen, um mit der Aussicht, die Entscheidung
gegen die Mittelmächte herbeizuführen, einzugreifen. An sich befand
es sich strategisch in keiner vorteilhaften Lage; die Wallachei mit der Hauptstadt
und dem wichtigen Erdölgebiet von Campina wurde von den
Mittelmächten umklammert. Diese aber waren nicht imstande, diesen
Vorteil ihrer Lage auszunutzen. Als Rumänien am 27. August den Krieg
erklärte, standen nur drei stark geschwächte
österreichisch-ungarische Infanterie-Divisionen mit wenigen, schlecht
organisierten Grenzschutztruppen in Siebenbürgen; eine
bulgarisch-türkische Armee mit einem schwachen deutschen Detachement
war an der Donau in der Versammlung begriffen. Das schon fast fertig
mobilisierte rumänische Heer hatte die Vorhand. Mit dem sofortigen
Antreten zu einer Offensive nach Siebenbürgen, um die
20 - 90 km breiten transsylvanischen Alpen zu
durchschreiten, ehe deutsche und österreichisch-ungarische
Verstärkungen heran sein konnten, mußte gerechnet werden.
Dagegen war anzunehmen, daß eine unmittelbare Unterstützung der
kampfungewohnten rumänischen Truppen durch russische Verbände
nicht sofort erfolgen würde. Hierzu stand an leistungsfähigen
Eisenbahnen nur die Strecke Bender - Jassy zur Verfügung,
die aber sehr erheblich für den sich weiter nach Süden ausdehnenden
russischen Flügel in der Moldau benutzt werden mußte. Auf die
Strecke Bender - Reni war militärisch kaum zu rechnen.
Außerdem war der Spurwechsel zwischen Rußland und
Rumänien und damit die Notwendigkeit, russische Verstärkungen
aus dem an sich schon schwachen rumänischen
Lokomotiv- und Wagenpark zu bedienen, ein Hindernis für die schnelle
Verschiebung russischer Kräfte nach der Wallachei.
Der zuerst zwischen den Hauptquartieren der Mittelmächte vereinbarte
Plan, den Gegenangriff mit dem Hauptstoß über die Donau von
Bulgarien her zu führen, mußte aufgegeben werden. Mit der Leistung
der beiden Zubringerlinien, 5 höchstens 6 Züge täglich auf der
Strecke Nisch - Sofia und 2 Züge täglich auf der
Transbalkanbahn, die die türkischen Divisionen heranführte, war es
nicht möglich, den Aufmarsch und die Versorgung ausreichend starker
Kräfte durchzuführen. Die Eisenbahnverhältnisse zwangen,
den Haupt- [253] druck nach
Siebenbürgen zu legen und hier wieder zum Verzicht auf die im
östlichen Teil Siebenbürgens von der
österreichisch-ungarischen Heeresleitung vorbereitete Stellung. Auch hier
mußte man zu spät kommen, da östlich der Maros zum
Aufmarsch höchstens 19 Züge täglich zur Verfügung
gestanden hätten.
Günstiger lagen die Verhältnisse für einen Aufmarsch in der
Linie Karansebes - Marosillye - Brad - Koloczvar,
für den der k. u. k. Feldeisenbahnchef fünf, allerdings
sämtlich eingleisige Transportstraßen mit im ganzen 55 Zügen
täglich bestimmen konnte.
Auf Grund dieser Verhältnisse, gegen die alle sonstigen Absichten und
Erwägungen zurückstehen mußten, ordnete die deutsche
Oberste Heeresleitung, an deren Spitze inzwischen Generalfeldmarschall
v. Hindenburg mit dem 1. Generalquartiermeister Ludendorff
getreten war, den Aufmarsch in dieser Linie an. Welche Gedanken diesem Befehl
zugrunde lagen, zeigt am besten die Direktive, die die deutschen, die Ausladungen
leitenden Offiziere in Arad und Koloczvar erhielten. Sie lautete: "Nicht in
Umfassung hineinfahren. Erst westlich geschlossene Verbände schaffen
zum Vormarsch. Deutsche Kräfte sollen nicht kleckerweise eingesetzt
werden. Leitender Gedanke: Massierung gegen rumänischen linken
Flügel."
Bis zum 5. September aber wurde erkannt, daß für den erwarteten
schnellen Einmarsch in Siebenbürgen weder die rumänische Truppe
noch ihre Führung geeignet waren. An der siebenbürgischen Front
hatten die Rumänen nur zögernd und schwerfällig
vorgefühlt, und südlich der Donau hatten Truppe und Führung
bei den ersten Zusammenstößen geradezu kläglich versagt.
Daraufhin wurde der Entschluß geändert und die Ausladungen
entsprechend verlegt. Es wurde an der siebenbürgischen Ostfront, an der
das von den Rumänen zu durchschreitende Gebirge in mehreren von Nord
nach Süd laufenden Zügen durchschnittlich 100 km breit ist,
eine Defensivfront möglichst weit nach Osten vorgeschoben. An der
siebenbürgischen Südgrenze aber, gegenüber den
Ausgängen aus den transsylvanischen Alpen, wurden die neu eintreffenden
Kräfte zum Angriff auf die noch getrennten rumänischen Kolonnen
bereitgestellt. Ausgeladen wurde nun die Masse der Infanterie nordwestlich
Hermannstadt, die Kavallerie, zur Herstellung der Verbindung mit der
Defensivfront, östlich davon in der Gegend von
Schäßburg. - Nur die Ausnutzung der Eisenbahnen
gegenüber den in schwerfälligen Märschen aus dem Gebirge
heraustretenden Rumänen gestattete die rechtzeitige Umgruppierung, die
Ende Oktober zum Sieg bei Hermannstadt, Anfang November zum Sieg bei
Kronstadt führte. Als während der Bereitstellung zum Angriff eine
westlich Hermannstadt durch den
Szurduk-Paß vorgehende rumänische Kolonne die Ausladungen zu
stören drohte, konnten zu ihrer offensiven Abwehr in den Gefechten bei
Petroseny deutsche Kräfte nicht nur rechtzeitig mit der Eisenbahn
herangeführt werden, sondern es konnte [254] die gleiche 187.
Infanterie-Division auch wieder mit der Eisenbahn zur Schlacht bei Hermannstadt
zur Stelle sein.
Nach den Siegen bei Hermannstadt und Kronstadt lag der Entschluß nahe,
vom Rotenturm-Paß bis zum Bodza-Paß in südlicher Richtung
weiter anzugreifen, um mit den über die Donau vorzuführenden
Truppen des Generalfeldmarschalls v. Mackensen bei oder östlich
Bukarest die Vereinigung zu suchen. Die Offensive über die
transsylvanischen Alpen aber lief sich gegenüber dem durch sein hier
günstiges Bahnnetz schnell sich verstärkenden rumänischen
Widerstand fest.
Die deutsche Oberste Heeresleitung faßte darauf den Entschluß,
über den weit westlich gelegenen Szurduk-Paß den Einbruch in die
Wallachei zu führen, um dann südlich des Gebirges ostwärts
vorgehend den aus der Linie
Hermannstadt - Kronstadt weiter angreifenden Divisionen die
Pässe zu öffnen. Zum Szurduk-Paß führte die sehr
leistungsfähige Bahn von Piski nach dem Kohlengebiete von Petroseny.
Auf ihr konnten schon bis zum 21. Oktober stärkere Kräfte zum
Angriffe bereitgestellt werden. Als diese aber am 28. Oktober einen
Rückschlag erlitten, wurden bis zum 13. November zwei weitere
Divisionen zahlreiche schwere Artillerie und Sonderformationen zu neuem
planmäßigem Angriffe herangeführt. Am 14. November wurde
zum erfolgreichen Durchbruch durch den
Szurduk-Paß angetreten, während gleichzeitig bei Petroseny noch
eine Division als Verfügungstruppe für diese Angriffsgruppe
ausgeladen wurde.
Die taktische Ausnutzung der Eisenbahnen.
Wenn bei den weiten Räumen des Weltkriegsschauplatzes die Eisenbahnen
in erster Linie als ein Mittel zur Durchführung operativer Absichten in die
Erscheinung traten, so haben sie doch auch eine erhebliche Bedeutung für
die eigentliche Kampfführung besessen. In unzähligen Fällen
forderte die Kampfhandlung selbst die Heranführung von Truppen mit der
Bahn, und der Verlauf des Kampfes wurde durch die auf diesem Wege
herangeführten Truppen in unmittelbarer Weise beeinflußt.
Eine ausgesprochene taktische Bedeutung wird der Eisenbahn in Kampfgebieten
mit hochentwickelten Verkehrsverhältnissen im Bewegungskriege immer
zufallen, und so finden sich auch im Westen bis zum Erstarren der Front im
Stellungskampf eine Anzahl von Beispielen für ihre taktische
Ausnutzung:
Noch während des Aufmarsches wurde das bei Straßburg
bereitstehende XV. Armeekorps mit der Bahn in das Oberelsaß gefahren,
um zusammen mit dem auf dem rechten Rheinufer in Ausladung begriffenen XIV.
Armeekorps den Vorstoß der Franzosen aus Belfort abzuwehren. Am
Morgen des 8. August erging der Befehl zum Abtransport des XV. Armeekorps
nach Rufach und Colmar an die Linienkommandantur Z in
Straßburg; am Abend befand sich ein großer Teil des Korps bereits im
Anrollen nach dem Gefechtsfelde. Die [255] Ausladungen wurden
bald nach Süden weiter vorverlegt, so daß die Truppen in das sich am
10. August bei Sennheim entwickelnde Gefecht z. T. unmittelbar im
Anschluß an die Ausladung eingreifen konnten.
Nach dem Rückzug der Franzosen auf Belfort verlangte das
Armee-Oberkommando 7 in Erwartung größerer Kämpfe in
Lothringen die Heranführung des XIV. und XV. Armeekorps an den in
Gegend Saarburg stehenden linken Flügel der 6. Armee. Schon am 17.
August standen das XIV. Armeekorps bei Arzweiler und Lützelburg, das
XV. bei Wasselnheim an der Strecke
Molsheim - Zabern zu weiterer Verwendung
bereit. - Noch während der Durchführung dieser Transporte
hatte die Eisenbahn Gelegenheit, ihre Verwendbarkeit zu unmittelbarer
Einwirkung auf eine Kampfhandlung zu beweisen. Als der Anfang des XIV.
Armeekorps am 14. August mittags Straßburg erreichte, traf dort die
Nachricht einer starken Bedrohung des bei Schirmeck stehenden Grenzschutzes
ein. Durch sofortiges Abdrehen des Anfangs der Eisenbahnmarschkolonne von
Straßburg nach Molsheim standen nach kurzer Zeit 1 Brigadestab, 4
Bataillone, 2 Eskadrons, 3 Batterien und 3
Maschinengewehr-Kompagnien in Greßweiler und Mutzig zur
Unterstützung des Grenzschutzes bereit.
Die taktische Verwendung der Eisenbahnen im Bewegungskriege nahm noch
größeren Umfang an, als es galt, den rechten Flügel des
deutschen Heeres zu stützen und demnächst seine Umfassung durch
den Gegner zu vereiteln. Die notwendigen großen Transportleistungen
mußten auf den eben erst wiederhergestellten feindlichen Eisenbahnen
durchgeführt werden.
Vom 23. bis 26. August wurde das aus Schleswig-Holstein herangeführte
IX. Reservekorps in Löwen und Landen ausgeladen. Am 7. September
setzte der Transport der 7. Kavallerie-Division aus Lothringen über
Aachen - Brüssel - Mons ein; ihr folgten das XV.
Armeekorps, in das das Armee-Oberkommando 7 eingeschoben war, das
XXI. Armeekorps, das XIV. Reservekorps, die 5. Bayerische
Landwehr-Brigade und schließlich Teile der Etappe. Die Ausladungen
konnten immer weiter nach Süden und schließlich bis nahe hinter die
Kampflinie verlegt werden. Das XV. Armeekorps war auf diese Weise noch
rechtzeitig zur Stelle, um Mitte September die Gefahr eines feindlichen Einbruchs
zwischen der 1. und 2. Armee abzuwenden.
Auf einer zweiten Transportstraße über
Metz - Luxemburg - Marloie nach der Gegend
südöstlich Namur - die dortige Maasbrücke war noch
zerstört - wurden zu gleicher Zeit das I. und II. bayerische
Armeekorps mit dem Armee-Oberkommando 6, die 4.
Ersatz-Division, die 60. Landwehr-Brigade und Teile der Etappe der 6. Armee
abbefördert.
Im Oktober 1914 waren die Eisenbahnen dann noch einmal berufen, in diesen
Kämpfen des deutschen rechten Flügels Truppen zum unmittelbaren
Einsatz in die Schlacht bereitzustellen. Die in der Heimat neugebildeten
Reservekorps [256] wurden in der Zeit
zwischen dem 14. und 19. Oktober auf vier Transportstraßen mit je 20
Zügen täglich in die Linie
Gent - Zaltegem - Ath vorgeführt. Diese einem
Aufmarsch entsprechende Leistung wurde von den erst eben in Betrieb
genommenen Bahnen mit größter Pünktlichkeit erledigt.
Ganz andersartige Verhältnisse für die taktische Ausnutzung der
Eisenbahnen brachte der Stellungskrieg. Mit der Zunahme der
zermürbenden Einflüsse des Grabenkrieges machte sich das
Bedürfnis nach Ablösung ermüdeter Kräfte in
steigendem Maße geltend. Verbände aus bewegten Kampffronten
mußten nach ruhigeren Abschnitten oder in die Etappengebiete verlegt,
ausgeruhte oder in der Heimat neu aufgestellte an die Front gebracht, Reserven
aus ausgesparten oder an anderer Stelle entbehrlich werdenden Truppen
bereitgestellt werden. Alle diese Verschiebungen wurden fast ausschließlich
mit Hilfe der Eisenbahnen ausgeführt. So entstand hinter den Fronten eine
unaufhörliche Bewegung von kleineren und größeren
Truppeneinheiten auf der Eisenbahn, deren Summe selbst auf dem
hochentwickelten belgischen und nordfranzösischen Bahnnetz kaum hinter
dem Verkehr der Friedenszeit zurückblieb.
Neben diesen regelmäßigen taktischen Transporten des
Stellungskrieges aber brachten besondere Kampfhandlungen jedesmal eine
verstärkte taktische Inanspruchnahme der Eisenbahn.
In erster Linie die Abwehr feindlicher Angriffe. - Die stete Abwehrbereitschaft
auf jedem Teil der Front zeitigte die "Bereitschaftszüge" für die
Verfügungstruppen erster Linie, mit deren Hilfe sie in kürzester Zeit
an die Front rollen konnten. Unzählige Male ist auf diese Weise ein
feindlicher Vorstoß im Keime erstickt
worden. - Ähnlich war der Abtransport größerer
Verbände, die zur Verfügung der Armeen, Heeresgruppen oder der
Obersten Heeresleitung "abgestellt" waren, vorbereitet; er konnte wenige Stunden
nach erteiltem Befehl zur Ausführung kommen.
Die Abwehr wuchs aus einfachen Verhältnissen zur Abwehrschlacht von
mehrmonatiger Dauer. War die Abwehr der Angriffe im Westen im
Frühjahr 1915 (Champagne, Lorettohöhe, zwischen Maas und
Mosel) eisenbahntechnisch noch einfach gewesen, so traten Ende September 1915
(Artois und Champagne) schon größere Aufgaben an die Eisenbahn
heran. Außer dem Vorwerfen der ersten zur Hand befindlichen Divisionen
und schweren Artillerie waren die eben aus dem Osten eintreffenden Divisionen
der Garde und des X. Armeekorps zur 6. und 3. Armee heranzuführen. Der
erste nicht unbedenkliche feindliche Einbruch wurde so aufgefangen.
Im Osten stellte der Sommer 1916 den Eisenbahnen die ersten großen
Abwehraufgaben. Die Brussilow-Offensive riß am 4. Juni eine Lücke
von 50 km Breite in die österreichische Front südlich der
Bahn Kiew - Kowel. Der Frontabschnitt hatte auf
österreichischer Seite ein nur schwach entwickeltes Bahnnetz. Die wenigen
Reserven der Heeresgruppe Linsingen und der
Süd- [257] armee wurden in Eile
herangeführt und fingen den russischen Stoß in
rückwärtigen Stellungen vorläufig auf. Andere Kräfte
sollten beschleunigt zusammengefahren werden, um gegen die Nordflanke des
russischen Angriffsbogens ihrerseits anzugreifen. Nach der Eisenbahnentwicklung
war hierzu die Gegend von Kowel am günstigsten. Innerhalb 12 Tagen
wurden versammelt: aus dem Westen 3 Divisionen, von der Ostfront und aus dem
General-Gouvernement Warschau Truppen in Stärke von
2 - 3 Divisionen, dazu an österreichisch-ungarischen
Kräften weitere 2 - 3 Divisionen. Allein aus dem Westen und
dem General-Gouvernement Warschau wurden vom 11. bis 18. Juni nach Kowel,
Cholm und Wladimir Wolynsk 296 Züge
herangefahren. - Der Einsatz dieser Truppen brachte den russischen Angriff
zum Stehen.
Kaum war ein Teil der wenigen Reserven der Westfront nach dem Osten
abgerollt, als sich im Westen die ersten Anzeichen der Offensive an der Somme
bemerkbar machten. Schon Mitte Juni wurden der 2. Armee mehrere Divisionen
als Verfügungstruppen zugeführt. Als das feindliche Feuer sich
verstärkte, wurden eine größere Zahl leichter
Feldhaubitz-Batterien und weitere aus der 7. und 3. Armee entnommenen
Reserven herangebracht. Durch die Bereitstellung von Leermaterial in den
Gegenden, in denen weitere Einladungen in Frage kamen, und durch Bearbeitung
mehrerer Entwürfe war die Zuführung von Reserven vorbereitet.
Mit dem Einsetzen des feindlichen Infanterieangriffs am 1. Juli wurde dies sofort
notwendig. Von diesem Tage bis zum 8. Juli wurden Truppen in Stärke von
10 Divisionen in 494 Zügen und schwere und leichte Batterien
außerhalb des Divisionsverbandes in 98 Zügen mit der Eisenbahn zur
Verfügung gestellt.
Mit dieser ersten Leistung setzte die sich noch lange hinziehende Bewegung aus
der Angriffsfront von Verdun nach der Somme ein. Die erzielten hohen
Transportleistungen beruhten auf einem in seinen Zubringern nicht
ungünstigen Bahnnetz. Fünf zweigleisige Eisenbahnen liefen in einer
das Schlachtfeld in der Entfernung von
2 - 3 Tagemärschen umziehenden Ringbahn:
Cambrai - Busigny - St. Quentin - Tergnier
zusammen. Von ihr führte allerdings nur eine leistungsfähige
Stichbahn, die Linie Cambrai - Peronne, auf das Schlachtfeld. Sie
hat aber mit 55 - 60 Truppenzügen täglich und dem
starken Nachschub auch weitgehende Erwartungen übertroffen.
Nach kurzer Pause setzte vom 10. bis 29. Juli der Antransport von 11 frischen
Divisionen zur Somme und als Gegenbewegung der Abtransport von 8
abgekämpften Divisionen ein. So führten bis zum November 1916
die Bahnen dem Schlachtfeld an der Somme ununterbrochen frische Kräfte
im Austausch gegen erholungsbedürftige zu, und zwar erfolgten diese
Transporte trotz der feindlichen Einwirkung mit erstaunlicher
Pünktlichkeit, da der Eisenbahnbetrieb zu jener Zeit noch nicht
überspannt, Personal und Material noch frisch waren.
[258] Die
Doppel-Abwehrschlacht an der Aisne und in der Champagne 1917 setzte nicht mit
einer plötzlichen hohen Transportleistung ein, da die tiefgestaffelten
Divisionen schon zur Verteidigung bereitstanden, als der Gegner am 16. April
1917 zum Infanterieangriff vorging. Die Ablösung aber brachte bald eine
starke Bewegung und Gegenbewegung. Im Laufe des ersten Kampfmonats
wurden der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz 43 Divisionen zugeführt
und von ihr abbefördert, während für den Austausch der nicht
im Divisionsverband stehenden Formationen vom 17. April bis 31. Mai 426
Züge gezählt wurden.
Schon im Juni begannen dann die Transporte zum Kampffeld am
Wytschaete-Bogen, wo die bis zum Ende des Jahres dauernde Flandernschlacht
ihre Einleitung fand. Sie bildet den Höhepunkt der Anforderungen, die auf
deutscher Seite in Abwehrkämpfen an die Eisenbahnen gestellt wurden.
Vom 15. Juni bis 15. November wurden im Gebiet der angegriffenen 4. Armee
3942 Züge für Divisionen, 1854 für Artillerie und 795
für sonstige Truppentransporte, zusammen 6591 Vollzüge gefahren.
Entsprechend dem Anschwellen und Abebben der feindlichen Angriffe verteilen
sich diese Zahlen naturgemäß nicht gleichmäßig auf die
durch 5 Monate dauernde Schlacht. Jede Anstrengung des Feindes, die deutsche
Front zu durchbrechen, zeitigte besonders hohe Transportleistungen. An der
Spitze steht in dieser Beziehung der Zeitraum des 3. Großkampfes vom 20.
September bis Anfang November, in dem gefahren wurden an Divisionen 1729,
an Artillerie 647, an sonstigen Truppentransporten 268, zusammen 2644
Vollzüge. Besonders traten in diesem Abschnitt die Großkampftage
am 29. September mit 87, am 1. Oktober mit 90, am 7. Oktober mit 91, am 12.
und 20. Oktober mit 85 Vollzügen hervor.
Der außerordentliche Bedarf an frischen, kampfkräftigen Divisionen
und Einzelformationen von anderen Fronten mußte seine Wirkung auf den
ganzen westlichen Kriegsschauplatz ausüben; es ergab sich daraus ein
monatelanges, ununterbrochenes Zuströmen und Abfließen von
Truppen zur und von der Angriffsfront. Allein im Monat Oktober 1917 waren auf
dem westlichen Kriegsschauplatz 82 Divisionen auf dem Schienenweg unterwegs.
Die Gesamtzahl der im Oktober durch Transportbefehle angeordneten
Truppenvollzüge betrug 3850.
Das Bild würde ohne eine Betrachtung des Nachschubs
unvollständig sein. Obwohl die 4. Armee für einen Großkampf
zunächst gut ausgerüstet war, mußten ihre
Nachschubforderungen allein durch das Anwachsen ihrer
Verpflegungsstärke auf 800 000 Mann und 200 000 Pferde
allmählich ins Riesenhafte steigen. Im Oktober bedurfte die 4. Armee zu
ihrem Unterhalt der Vorführung von täglich 52
Nachschubzügen (darunter 10 Munitionszüge) zu durchschnittlich 35
Wagen bis zu den Spitzen-Bahnhöfen. Konnte diese Leistung infolge der
Truppenzüge auch nur vorübergehend durchgehalten werden, so
[259] betrug doch Anfang
November der Durchschnitt der an den Spitzenbahnhöfen ausgeladenen
Eisenbahnwagen täglich 1400. Diese Leistung muß um so
höher bewertet werden, als sämtliche Bahnhöfe bis tief in das
Hinterland hinein das Ziel feindlicher Fliegerangriffe
und - soweit erreichbar - auch täglicher
Artilleriebeschießung waren.
Unbekümmert um die Verluste führten die Eisenbahnen monatelang
der Front neue Kräfte zu und trugen damit nicht zum geringsten dazu bei,
ihre Widerstandskraft aufrechtzuerhalten. Die nachstehenden Tabellen geben
einen Eindruck von der den Eisenbahnen in einer neuzeitlichen Abwehrschlacht
zufallenden Aufgaben. In der Zeit vom 15. Juni bis 15. November wurden der
Flandern-Front zugeführt und von ihr abgefahren:
Formationen |
Zulauf
|
Ablauf |
Infanterie-Divisionen |
77 |
63 |
Fußartillerie-Bataillone |
76 |
70 |
Feldartillerie-Abteilungen |
65 |
65 |
Einzelne schwere Batterien |
96 |
119 |
Einzelne leichte Batterien |
40 |
36 |
Pionier- und Minenwerfer-Kompagnien |
52 |
33 |
Maschinengewehr-Scharfschützen-Abteilungen |
30 |
36 |
Flieger-Abteilungen bzw. -Staffeln |
36 |
14 |
Nachrichten-Abteilungen bzw. -Züge |
31 |
20 |
Kraftwagenkolonnen |
16 |
5 |
Munitionskolonnen |
101 |
65 |
Proviant-, Fuhrpark- und Bäckereikolonnen |
56 |
52 |
Armierungs- und Straßenbau-Kompagnien |
24 |
12 |
Arbeiter- und Gefangenen-Abteilungen |
18 |
12 |
Einzelne höhere Stäbe |
18 |
32 |
Sonstige geschlossene Formationen |
56 |
43 |
Im gleichen Abschnitt wurden bis zu den Spitzenbahnhöfen gebracht:
Nachschub |
Wagen |
Munition |
39 424 |
Verpflegung |
51 481 |
Pioniergerät |
41 100 |
Baustoffe |
79 146 |
Kohlen |
13 869 |
Heizöl |
2 543 |
Heeresgerät |
14 622 |
|
|
Zusammen 242 185 |
Das Jahr 1917 brachte auch den Eisenbahnen an der Ost- und Westfront zwei sich
ähnelnde taktische Aufgaben, bei denen der Verteidiger aus der
Ab- [260] wehr eines feindlichen
Durchbruchversuchs zum Angriff überging, nachdem er ausreichende
Kräfte mit der Bahn herangeführt hatte. So haben die
Julikämpfe bei Zlotschow und die Tankschlacht im November bei Cambrai
eine gewisse Verwandtschaft.
Seitdem sich Ende Juni die ersten Anzeichen einer russischen Offensive gegen die
Heeresgruppe Böhm-Ermolli bemerkbar machten, war die deutsche Oberste
Heeresleitung, in richtiger Einschätzung der
Kerenski-Truppen, entschlossen, die Gelegenheit zu einem Gegenangriff
auszunutzen. Im Westen wurden 6 Divisionen so bereitgestellt, daß
unmittelbar nach Eintreffen des Befehls mit ihrem Abtransport auf zwei
Marschstraßen begonnen werden konnte. Als am 1. Juli der russische
Angriff losbrach, hatte der Ablauf der Westdivisionen bereits am Vorabend
planmäßig eingesetzt. Rechtzeitig war im Osten der vor einem
Angriff meist unvermeidliche Truppenaustausch mit der Bahn erledigt und auch
ein höheres Maß an Nachschub nach vorn gebracht worden. Als die
Anfänge der Eisenbahnmarschkolonne bei Lemberg eintrafen, fanden sie
daher die zur Front führenden Auslaufstrecken
verhältnismäßig frei. 4 Divisionen sollten mit den
Anfängen gleichzeitig in erster Linie eintreffen. Somit wurden 3 Divisionen
mit je 6, eine 4. mit 8 Zügen täglich, an der Spitze außerdem 3
Bataillone schwerer Artillerie auf Lemberg in Marsch gesetzt. Die
Durchführung durch Deutschland und der Einbruch auf dem
östlichen Kriegsschauplatz mußte für diese 26 Züge
täglich auf zwei Straßen erfolgen: über
Kalisch - Brest-Litowsk - Cholm und über die
galizische Bahn über Krakau. Der ersten Marschstaffel folgten 2 weitere
Divisionen mit höheren Zugzahlen, diesen "geschlossenen Bewegungen"
die große für einen modernen Angriff unentbehrliche Zahl von
Sonderformationen, ihnen wiederum eine dritte und vierte Staffel von 5
Infanterie- und 1 Kavallerie-Division und diesen eine starke Artilleriebewegung;
diese sich mit steigenden Nachschubforderungen vermischenden starken
Truppentransporte mußten von einem wenig leistungsfähigen
Bahnnetz verarbeitet werden: die zweigleisige Stammstrecke
Krakau - Krasne - Zlotschow zergliederte sich nach der Front
zwar in mehrere eingleisige Bahnen, ihre Leistungen mußten aber ihrer
Anlage entsprechend gering bleiben.
Obwohl inzwischen bei der österreichischen 3. Armee südlich des
Dnjestr durch den erfolgreichen Angriff der Russen eine kritische Lage
eingetreten war, und im letzten Augenblick umfangreiche
Transportänderungen für die anrollenden Angriffstruppen notwendig
wurden, waren diese mit ihren fechtenden Truppen doch am 18. Juli abends
zwischen Zborow und dem Sereth zum Angriff in Richtung Tarnopol versammelt;
dieser konnte am 19. Juli beginnen.
Den gesteigerten Kampf- und entwickelteren Verkehrsverhältnissen der
Westfront entsprechend drängten sich die Ereignisse bei Cambrai zeitlich
mehr zusammen. Der Gegner hatte sich von der Anstrengung seines Angriffes
selbst [261] kaum erholt, als ihn der
Gegenstoß des von ihm wohl als erschöpft angesehenen Verteidigers
unvermutet traf.
Die Aufmerksamkeit der Westfront war noch durch die schweren Kämpfe
an der Laffaux-Ecke und die noch immer weiterglimmende
Flandern-Schlacht gefesselt, als am 20. November 1917 ein englischer, durch
zahlreiche Tankgeschwader wirksam unterstützter Angriff gegen die nur
schwach besetzte Stellung südwestlich Cambrai losbrach. Reserven in
greifbarer Nähe standen kaum zur Verfügung. Die gerade aus dem
Osten anrollende und bei Cambrai in der Ausladung begriffene 107. Division war
fast allein zur Stelle, um den ersten Stoß aufzufangen. Teile von ihr wurden
nach drei- bis viertägiger Bahnfahrt unvermittelt auf das Kampffeld
geworfen. Kraftwagenkolonnen, um Reserven benachbarter Armeen
heranzuführen, fehlten. Nur der Antransport mit der Bahn kam in
Frage.
Am 20. abends waren bereits 3 Divisionen mit je 16 und 20 Zügen
täglich, ferner eine Artilleriebewegung von 36 Zügen, am 21.
morgens 2 weitere Divisionen mit je 16 Zügen täglich im Anrollen
zur 2. und zum Südflügel der 6. Armee. Eine weitere im Abtransport
nach Norden befindliche Division wurde angehalten und zu ihrem Ausgangspunkt
zurückgebracht. Der ersten Welle mußte unmittelbar eine zweite
folgen: schwere Artillerie, Maschinengewehr-Abteilungen, Flieger,
Pionier-Formationen, Kolonnen und eine der zunehmenden Stärke der
Armee entsprechende Zahl von Munitions- und Etappen-Zügen.
Aber über das Bedürfnis der Abwehr hinaus wollte die Oberste
Heeresleitung ausreichende Kräfte zum Gegenangriff bei der 2. Armee
versammeln. So wurden vom 21. November abends bis zum 30. November
früh, dem Tage des Gegenstoßes, 8 weitere Divisionen mit
zusammen 215 Zügen auf das Schlachtfeld gebracht. Dazwischen liefen
von allen Seiten kommende zahlreiche Einzeltransporte. In der Zeit vom
Einsetzen des feindlichen Angriffs bis zum deutschen Gegenstoß am 30.
November, d. h. in zehn Tagen erhielt die angegriffene Front 1071
Truppenvollzüge zugeführt. Doch schon setzten neue Anforderungen
ein. Gelang der eigene Angriff, sollten neue Divisionen den Erfolg ausbeuten. 4
Divisionen und das für sie benötigte Leermaterial wurden
bereitgestellt. Auf Abruf trafen sie vom 30. November abends bis zum 2.
Dezember morgens mit zusammen 92 Zügen beinahe
fahrplanmäßig auf dem Gefechtsfeld ein. Abwehr und Angriff waren
hier in der Tat nur mit Hilfe der Eisenbahnen zur Möglichkeit
geworden.
Der Stellungskrieg, in dem jahrelang auszuharren die unglückliche
Entwicklung der Kriegslage das deutsche Heer verdammt hatte, brachte es mit
sich, daß die Abwehrschlachten die Angriffsschlachten in West und Ost
überwiegen mußten. Abgesehen von dem Durchbruch von
Tarnow - Gorlice, dem serbischen und dem rumänischen
Feldzug, die als Operationen mit weiter strategischer [262] Wirkung an anderer
Stelle behandelt wurden, traten auf deutschen Fronten große Angriffe aus
dem Stellungskrieg im Osten nur im Herbst 1917 bei Riga, im Westen 1916 bei
Verdun und in den Offensiven des Jahres 1918 hervor.
Der Übergang über die Düna oberhalb Riga und damit die
Wegnahme dieser Stadt waren auf dem Moment der Überraschung
aufgebaut. Auf dem hinter diesem Frontabschnitt nur schwach entwickelten, fast
durchweg eingleisigen Bahnnetz mußten 7
Infanterie- und 1 Kavallerie-Division sowie zahlreiche Einzeltransporte in den
vier Wochen vom 3. bis 31. August herangebracht werden. Der Antransport von
460 Truppenvollzügen verlief reibungslos, am 31. August standen die
Angriffs-Divisionen vormarschbereit, am 1. September wurde die Düna
überschritten, am 3. September Riga genommen.
Größer in ihren Zielen und umfangreicher in bezug auf die Menge der
zum Angriff zusammenzubringenden
Truppen- und Materialzüge waren die im Westen unternommenen
Offensiven. Verdun brachte auf der Westfront den Eisenbahnen die erste
große Gelegenheit, durch schnelles Heranbringen starker Kräfte die
Führung in ihrer Absicht, den Gegner zu überraschen, zu
unterstützen. - In starker Welle mußten in den letzten drei
Wochen vor dem ursprünglich in Aussicht genommenen Angriffstermin
(12. Februar) die Massen des Nachschubs mit rund 860 Zügen und in
gleichfalls sich gegen Ende steigernder Bewegung die von anderen Fronten
kommenden 150 Batterien und 3 Armee-Korps mit zusammen 550
Vollzügen hinter die Angriffsfront gebracht werden. Der in die Tage vom 5.
bis 6. Februar fallende Eisenbahnaufmarsch der 3
Armee-Korps mit 80 Zügen täglich und die gleichzeitige
Heranführung von täglich durchschnittlich 40
Nachschubzügen stellten an die Eisenbahnen besonders hohe
Anforderungen. Sie wurden ohne jede größere Reibung
bewältigt, und pünktlich standen Angriffstruppe und alles, dessen sie
zu dem bevorstehenden Angriffe bedurfte, auf dem östlichen
Maas-Ufer bereit.
Die letzte und neben der Flandern-Schlacht auch größte
Transportleistung im Weltkriege war auf deutscher Seite schließlich
für den Aufmarsch zu den Offensiven des Jahres 1918 zu bewältigen.
Der am 31. März beginnende Angriff aus der Linie
Arras - La Fère, für dessen Vorbereitung nur
eine verhältnismäßig geringe Zeitspanne zur Verfügung
stand, stellte die großartigste Kraftanstrengung des deutschen Heeres
dar.
Angesichts der hohen Bedürfnisse der Angriffs-Armeen an Nachschub
konnte der ursprüngliche Plan, den Armeen diesen zunächst
zuzuführen und im Anschluß daran die Angriffstruppen kurz vor dem
eigentlichen Angriff bereitzustellen , nicht aufrechterhalten werden. Die beiden
Bewegungen mußten ineinandergreifen, ein Umstand, der den Betrieb der
Bahn bedeutend erschweren mußte. Während der Nachschub zum
größten Teil aus der Heimat, zum kleineren Teil aus dem besetzten
Gebiet vorzuführen war, mußten die Angriffstruppen [263] vom rechten und linken
Flügel der Westfront, aus dem Osten und Südosten, teils aus der
Front selbst, teils aus rückwärtigen Gebieten, von
Übungsplätzen usw. dem Angriffsabschnitte zugeführt
werden.
Es waren demnach hohe Transportleistungen auf den Etappen-Straßen mit
einer starken Bewegung von Truppentransporten, die die
Etappen-Straßen zum Teil schnitten, zum Teil mit ihnen zusammenfielen,
in Übereinstimmung zu bringen.
Nachstehende Zahlen geben einen ungefähren Überblick über
die in der Vorbereitungszeit, von Mitte Februar bis zum 1. März im Westen
für den Aufmarsch in Ansatz gebrachten
Nachschub- und Truppentransporte.
I. |
Täglicher Nachschub aus der Heimat nach
Nordfrankreich und Belgien |
125 |
Züge |
II. |
Täglicher Nachschub aus dem besetzten Gebiete nach
der Front |
69 |
" |
III. |
Truppenzüge aus der Heimat, von anderen
Kriegsschauplätzen
und zu Verschiebungen an der Westfront, täglich |
35 |
" |
IV. |
Personenzüge aus der Heimat |
14 Vollzüge |
|
|
|
Lokalverkehr im besetzten Gebiet rund |
30 "
|
|
|
|
Eisenbahndienstkohle |
39 "
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
täglich 83
|
83 |
" |
|
|
|
|
täglich Sa. 312 Züge |
Im zweiten Teil der Vorbereitungszeit, d. h. vom 1. bis 20. März, war
neben diesen, mehr oder weniger nur der Nachschubversorgung und
dem laufenden Truppenaustausch der in Nordfrankreich und Belgien stehenden
Armeen dienenden Zügen der eigentliche Truppenaufmarsch mit der
Eisenbahn zu bewältigen. In Ansatz gebracht waren hierfür auf sechs
Transportstraßen je 24 Züge täglich, so daß an den
Tagen der Höchstbelastung 144 Truppenzüge zu befördern
waren; von den vorstehend unter III. aufgeführten 35 Truppenzügen
waren indessen 25 auf diese Zahl in Anrechnung zu bringen. Zu leisten blieben
demnach:
a) |
Laufender Verkehr für Nachschub, Truppenaustausch,
öffentlicher Verkehr usw. (312 weniger 25) |
287 |
Züge |
b) |
Truppenaufmarsch |
144 |
" |
|
|
|
täglich Sa. 431 Züge |
Die sehr kurze Zeit, welche den Eisenbahnen zur Verfügung stand, sich
für ihren Dienstbereich auf diese Gewaltleistung vorzubereiten, gestattete
es [264] in der Folge nicht,
diese Forderungen vollkommen zu erfüllen. Immerhin wurden von den in
Ansatz gebrachten Zügen etwa 80 v. H. gefahren,
nämlich:
a) |
im Zeitabschnitt vom 15. bis 28. Februar (täglich
rund 250) |
3 500 |
Vollzüge |
b) |
im Zeitabschnitt vom 1. bis 20. März (tägl. rd. 345) |
6 900 |
" |
|
|
|
Sa. 10 400 Vollzüge |
Der Ausfall mußte auf Kosten des Nachschubs gehen, da eine
Zurückstellung von Truppen ausgeschlossen war. In der Tat waren auch am
20. März, am Tage vor dem Angriff, alle Truppen richtig bei den
Angriffsarmeen eingetroffen, von dem geforderten Nachschub auch alle
diejenigen Teile, die zur Führung der Offensive unbedingt erforderlich
waren.
Angesichts dieser hohen Beanspruchung der Eisenbahnen des westlichen
Kriegsschauplatzes muß es als eine besondere Leistung bezeichnet werden,
daß sie noch in der Lage waren, unmittelbar nach dem Beginn der Offensive
in der Zeit vom 21. bis 25. März dem Kampffelde zwischen Arras und
La Fère außer dem laufenden Bedarf noch 9 weitere
Divisionen und 171 Eisenbahnzüge mit Munition zuzuführen.
Wenn auch der Eisenbahnaufmarsch zur ersten Offensive 1918 das
Höchstmaß an Transportleistung in diesem Jahr im Westen darstellte,
so waren die sich nun anschließenden weiteren Offensiven, nämlich
am 9. April westlich Lille, am 27. Mai am Chemin des Dames, am 9. Juni
bei Noyon und am 15. Juli westlich und östlich Reims doch auch mit
außerordentlichen Anforderungen an den Eisenbahnbetrieb verbunden.
Trotz der sich allmählich an vielen Stellen bemerkbar machenden
Überspannung des Transportapparats gelang es indessen doch in allen
Lagen, die Truppe und ihren Bedarf an Kampfmitteln rechtzeitig bald an dieser,
bald an jener Stelle der Front bereitzustellen.
Das Bild dessen, was die Eisenbahnen im Weltkriege im Dienste der
Führung geleistet haben, bliebe unvollständig, wollte man nicht auch
der Rolle gedenken, die die Bahnen bei planmäßigem Ausweichen
und bei der Aufgabe von Stellungen gespielt haben.
Als die Oberste Heeresleitung am 5. Februar 1917 die Räumung des
Frontabschnittes im Westen zwischen Arras und Soissons und das
Zurückgehen in die Siegfriedstellung für den 16. März befahl,
war es Aufgabe der Eisenbahnen, die Rückführung alles
Kriegsgeräts und alles sonst für die Kriegführung brauchbaren
Materials, sowie von rund 140 000 Landeseinwohnern aus der
Räumungszone zu übernehmen.
Eine neue eigenartige Aufgabe trat hiermit an sie heran; handelte es sich doch
darum, große Transportleistungen auf einem Bahnnetz zu bewältigen,
das gleichzeitig in seinen westlichen Teilen abgebaut werden mußte, und
von [265] dem nur einige wenige
Strecken bis zum letzten Tag erhalten werden konnten. Gleichzeitig mußte
die an der Front stehende Truppe bis zum letzten Augenblick versorgt, und es
mußte mit der Notwendigkeit gerechnet werden, sie bei feindlichem Angriff
mit allem Nötigen zu versehen. Die Geheimhaltung der Frontverlegung
bedurfte nebenher besonderer Vorsichtsmaßnahmen. Trotz dieser
erschwerenden Umstände verlief die Räumung
planmäßig. Sie umfaßte in der Zeit bis zum 15. März
1917
an Kriegsgerät usw. jeder Art (außer Eisenbahnmaterial) |
17 939 |
Wagen |
an Eisenbahnmaterial |
11 711 |
" |
an Zügen für Landeseinwohner |
7 522 |
" |
|
|
zusammen: 37 172 Wagen |
Gleichzeitig verlangte die Versorgung des zurückzunehmenden
Frontabschnittes und der Ausbau der Siegfriedstellung eine "Gegenbewegung"
von 45 177 Wagen.
In schroffstem Gegensatz zu dieser in jeder Beziehung vorher durchgearbeiteten
Räumungsbewegung standen die im Sommer 1918 infolge der
Großangriffe der Entente notwendig werdenden Transportbewegungen zur
Zurückführung wertvollen Gutes aus und hinter den unmittelbar
bedrohten Frontabschnitten. Zu den durch eigene Offensiven und durch die
Abwehr feindlicher Angriffe bis aufs Äußerste gesteigerten
Transportleistungen traten hier plötzlich und unvorbereitet neue Aufgaben
an die Eisenbahnen heran, die durch zahlreiche Begleiterscheinungen ganz
außergewöhnliche Anforderungen an den Betrieb stellten. Der
Verlust der leistungsfähigsten Frontbahnhöfe, die ununterbrochene
Beunruhigung der Verladebahnhöfe durch feindliches Fernfeuer, die
systematisch durchgeführten Fliegerangriffe auf alle wichtigen
Eisenbahnknotenpunkte brachten ungeahnte Schwierigkeiten mit sich. Es bedurfte
der ganzen Aufopferung des nunmehr ständig "in vorderster Linie"
arbeitenden Eisenbahnpersonales vom geringsten Arbeiter bis zum
höchsten Beamten, um der hier gestellten Aufgabe gerecht zu werden.
Manches Mal waren indessen die Ereignisse an der Front stärker als der
beste Wille; beladene Zugteile und Lokomotiven, durch feindliches Fernfeuer
abgeschnitten, mußten dann dem Feinde in die Hände fallen. Nicht
minder schwierig wie die Verladung und Abbeförderung des
Räumungsgutes aus der vordersten Linie war es, das Gut dem
gewünschten Punkte der neuen Stellung zuzuführen. Dauernde
Höchstleistungen an Truppentransporten, ununterbrochener
Großkampf an vielen Fronten, die Unmöglichkeit der schnellen
Entladung und die Überspannung des Transportapparats mußten
allmählich auf allen Strecken eine Anhäufung von
Räumungszügen hervorrufen, die eine schnelle Weiterführung
unmöglich machte. Der Wunsch, die Eisenbahnen im Rücken frei zu
erhalten, führte schließ- [266] lich dazu, das
irgendwie Entbehrliche der Heimat, und nur das durchaus Notwendige der neuen
Stellung zuzuführen, weniger Wichtiges aber dem Feinde zu
überlassen. Die Tatsache, daß beim weiteren Vordringen des Gegners
im Oktober 1918 und nach Räumung des besetzten Gebietes zahlreiche
beladene Eisenbahnzüge dem Angreifer als Beute zufielen, findet hierin
seine Erklärung.
In allen Kriegen haben Angriffe auf die rückwärtigen Verbindungen
des Feindes eine Rolle gespielt; sie waren häufig das entscheidende Mittel,
den Gegner zum Zurückgehen zu veranlassen. Solange Eisenbahnen in den
Dienst der Kriegführung gestellt worden sind, hat daher auch der Angriff
auf Eisenbahnen eine besondere Bedeutung gefunden. Die Verhältnisse des
Weltkrieges in Verbindung mit seinen neuzeitlichen Mitteln mußten auch
auf diesem Gebiete neue Erscheinungsformen zeitigen.
Der Stellungskrieg, der den Angriff von Flanke und Rücken gegen die
rückwärtigen Verbindungen unmöglich machte, brachte den
Angriff auf Eisenbahnen aus der Luft und die Beschießung aller durch
Artilleriefeuer erreichbaren Bahnanlagen. Bei der Wichtigkeit, die den "modernen
Marschstraßen" einer Armee gerade bei der Abwehr eines Angriffs im
Stellungskriege zukommt, war der Angreifer genötigt, diese
Anmarschstraßen des Verteidigers durch Fliegerangriffe und Fernfeuer
soweit wie möglich unbrauchbar zu machen. Das planmäßige
Einschießen gegen Ausladepunkte, Brücken, Tunnels usw., die
Fliegerangriffe auf wichtige Knotenpunkte und Munitionsbahnhöfe wurden
damit allmählich zu einem untrüglichen Anzeichen für den
bevorstehenden Großangriff. Indessen waren Fliegerangriffe gegen
Bahnanlagen bis zu einer gewissen Tiefe hinter der Front gegen Ende des Krieges
zu einer solchen Gewohnheitserscheinung geworden, daß sich der Betrieb
auf allen größeren Bahnhöfen nur noch unter dieser
ständigen Bedrohung abspielte. Die durch den Angriff hervorgerufenen
Betriebsstörungen waren - besonders wenn Munitionszüge zur
Explosion gebracht wurden - von erheblichem Umfang; sie konnten jedoch
dank der Pflichttreue des Eisenbahnpersonals den Betrieb niemals zum Erliegen
bringen.
Bei der Bedeutung, die die Eisenbahnen im Weltkriege für die Versorgung
und Ergänzung der Truppen gewonnen haben, ist es nicht
überraschend, daß auf eisenbahnarmen Kriegsschauplätzen die
Kriegführung sich mehr oder weniger nur um den Besitz der wenigen
vorhandenen Verkehrswege drehte. Wo gekämpft wurde, geschah es in
Anlehnung an die vorhandenen Eisenbahnen; ihr Besitz war entscheidend
für die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der
Durchführung weiterer Operationen. Diese Erscheinung ist bei dem
Vormarsch der deutschen Truppen in der Ukraine in besonderer Weise
hervorgetreten. Seine Durchführung wurde in erster Linie durch die Absicht
und den Willen bestimmt, die Eisenbahnen des Landes fest in die Hand zu
bekommen. Die Ausführung wurde schließlich zu einem nach
taktischen Gesichtspunkten gegliederten Vormarsch auf der
Eisen- [267] bahn selbst, in dem
behelfsmäßige Panzerzüge, Kampfzüge und
Kampfzuggruppen, die mit Truppen aller Waffen besetzt waren, die taktischen
Einheiten darstellten.
Dienstlicher Reiseverkehr. Urlauberverkehr.
Ersatzzuführung.
Dem Bedürfnis der militärischen Dienststellen nach
mündlicher Aussprache diente in den ersten Kriegswochen der
Personenkraftwagen; nach Übergang zum Stellungskrieg mußte bei
der Zunahme des Verkehrs die Eisenbahn an seine Stelle treten.
Das Verkehrsbedürfnis bestand einmal innerhalb des Kriegsschauplatzes
zur Verbindung zwischen Truppe, Kommandobehörde und Etappe und
innerhalb dieser Kreise, sodann nach persönlicher Fühlung mit der
Heimat, dem Nährboden des Feldheeres. So bildete sich ein zweifacher
dienstlicher Reiseverkehr heraus, ein lokaler innerhalb des Kriegsschauplatzes
durch Militärlokalzüge, teilweise auch schnellfahrende
Personenzüge und ein durchgehender mit der Heimat, dem
D-Züge mit Speise- und Schlafwagen dienten. Je nach dem
Verkehrsbedürfnis, das mit der zunehmenden Vielgestaltigkeit der
Kriegführung, dem Anwachsen des Heeres und der fortschreitenden
Ausnutzung der besetzten Gebiete wuchs, und nach dem Eisenbahnnetz war seine
Dichte auf den einzelnen Kriegsschauplätzen verschieden. Auf diese Weise
entwickelte sich unmittelbar hinter der Front ein Verkehr, der durchaus das
Gepräge des Friedensverkehrs trug. Das am meisten in die Augen fallende
Beispiel bildet wohl der Balkanzug zwischen Berlin und Konstantinopel, der mit
einer Fahrtzeit von 59½ Stunden das abgesperrte Mitteleuropa mit
dem Orient wieder verband.
Aber den Umfang können nachstehende Zahlen einen allgemeinen Anhalt
bieten. Die Leistungen in Wagenachskilometern im Personenverkehr betrugen
monatlich:
a) Westlicher
Kriegsschauplatz. |
|
II. Halbjahr 1915: |
zwischen |
25 010 000 |
und |
41 810 000 |
|
1916: |
" |
29 130 000 |
" |
44 180 000 |
1917 (bis Ende Sept.): |
" |
28 420 000 |
" |
45 320 000 |
b) Östlicher Kriegsschauplatz. |
|
Letztes Vierteljahr 1915: |
zwischen |
9 400 000 |
und |
24 500 000 |
|
1916: |
" |
30 800 000 |
" |
48 200 000 |
1917 (bis Ende Sept.): |
" |
23 800 000 |
" |
39 300 000 |
c) Südöstlicher Kriegsschauplatz. |
|
Letztes Vierteljahr 1915: |
zwischen |
200 000 |
und |
600 000 |
|
1916: |
" |
1 300 000 |
" |
5 900 000 |
1917 (bis Ende Sept.): |
" |
5 100 000 |
" |
7 500 000 (in Serbien) |
|
" |
200 000 |
" |
10 700 000 (in Rumänien) |
[268] Die früheren
Kriege kannten keinen regelmäßigen Urlauberverkehr. Auch im
Anfange des Weltkrieges sträubte sich das soldatische
Pflichtbewußtsein dagegen; aber mit seiner fortschreitenden
Verlängerung mußte aus volkswirtschaftlichen Gründen die
regelmäßige Beurlaubung eingeführt und der sich hieraus
ergebende Verkehr großer Massen verkehrstechnisch geregelt werden;
handelte es sich doch dabei allein auf dem westlichen Kriegsschauplatze, dessen
Verhältnisse als die schwierigsten den folgenden Ausführungen
zugrunde gelegt sind, z. B Ende 1917 um einen täglichen Verkehr
von 30 000 Mann in jeder Richtung, für den 21
Urlauberschnellzugspaare erforderlich waren.
Zunächst waren die Urlauber auf die für den dienstlichen
Reiseverkehr eingerichteten Züge verwiesen, die durch
Vor- und Nachzüge den Verkehr zu bewältigen suchten. Schon im
Sommer 1915 aber mußte man zur Einführung besonderer
Militärurlauberschnellzüge mit
30 - 40, später 60 Achsen und mit günstigen
Anschlüssen an die Züge des öffentlichen Verkehrs in der
Heimat schreiten. Der Urlauberverkehr hatte recht erhebliche betriebliche
Schwierigkeiten zur Folge. Sie entstanden hauptsächlich dadurch,
daß die Urlauber auf die schneller fahrenden
D-Züge übergingen und sie durch ihren Massenandrang aus dem
Fahrplan brachten.
Strenge Vorschriften über die Benutzung der D-Züge und
Kontrollmaßnahmen durch Zugpatrouillen hatten keinen durchgreifenden
Erfolg. Die Schwierigkeiten wuchsen sogar mit der Verstärkung der
Westfront im Jahre 1917 und im Winter 1917/18; zeitweise wurden sie so
erheblich, daß zu dem sehr unerwünschten Mittel der Urlaubssperre
gegriffen werden mußte. Bis zum Schluß des Krieges wurde kein
Mittel gefunden, durch das auf dem westlichen Kriegsschauplatz eine
einigermaßen reibungslose Abwicklung des Urlauberverkehrs erzielt
werden konnte.
An den anderen Fronten wickelte sich der Urlauberverkehr nach ähnlichen
Grundsätzen wie im Westen ab, aber bei den geringeren
Truppenstärken nicht mit so großen Schwierigkeiten. Die Zahl der
Militärurlauberschnellzüge betrug im Osten Ende 1917 16
Züge täglich. Auch auf dem südöstlichen
Kriegsschauplatz haben die Bahnen die großen Bedürfnisse des
Urlauberverkehrs befriedigen können.
Die Ersatzzuführung unterschied sich grundsätzlich von der des
Krieges 1870/71. Dort wurden die Ersatztransporte von den einzelnen
Truppenteilen für sich je nach Bedürfnis in Marsch gesetzt; vom
Eisenbahnendpunkt weit hinter der Front der operierenden Armeen suchten sie im
Fußmarsch von Etappenkommandantur zu Etappenkommandantur ihren
Truppenteil zu erreichen, manchmal in abenteuerlichen Irrfahrten. Die
Massenverhältnisse des Weltkrieges, bei denen die Bahnen in die
Unterkunftsräume hineinführten, ließen [269] einen derartigen
Einzelverkehr nicht zu; hier mußte straffes Zusammenfassen eintreten. Das
System der Ersatzzuführung paßte sich der Organisation des
übrigen Nachschubs an: Zusammenfassen zu größeren
Transporten an einem Sammelpunkt in der Nähe der Grenze,
Vorführen in geschlossenen Zügen möglichst nahe hinter die
Front, von hier Ausstrahlen zu den einzelnen Truppenverbänden.
Für eine oder mehrere Armeen war ein Ersatzsammelbahnhof
möglichst in der Nähe der Grenze bestimmt. Da nicht jeden Tag
für eine Armee ein geschlossener Ersatzzug aufkam, wurde das System des
Wochenfahrplans eingeführt, d. h. die Ersatzsammelzüge
verkehrten nur an bestimmten Tagen der Woche. Zu ihnen waren
Anschlußzüge aus den Standorten der Ersatztruppenteile festgelegt.
Auf den Ersatzsammelbahnhöfen wurden die aus allen Teilen des Reiches
ankommenden Ersatztransporte auf ihre Richtigkeit geprüft, zu einem
Gesamttransport unter einem Haupttransportführer zusammengestellt und
in die richtigen Ersatzsammelzüge verladen. Hinter der Front befand sich
ein Ersatzverteilerbahnhof, auf dem der Ersatzsammelzug aufgelöst wurde
und die Ersatztransporte mit Frontzügen den Truppenverbänden
zugeführt wurden.
Für den östlichen und südöstlichen Kriegsschauplatz
ergaben sich bei dem geringeren Ersatzbedarf gewisse Vereinfachungen. So
konnte häufig auf geschlossene Ersatzsammelzüge von den
Ersatzsammelbahnhöfen, die zum Teil mit den Sammelstationen
zusammenfielen, verzichtet werden, und es genügte die Einstellung
einzelner Wagen in bestimmte Etappenzüge, die in ihrem Fahrplane durch
Verpflegungs- und Tränkaufenthalte auf die Beförderung von
Mannschaften und Pferden eingerichtet waren.
Als Beispiel für den Umfang der Ersatzzuführung mag ein beliebiger
Monat herausgegriffen werden, in dem die Ereignisse und die Ausdehnung der
Kriegsschauplätze noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hatten, der
Juli 1916.
|
| Offiziere und
Mannschaften |
Pferde |
Westen |
| 219 233 |
7 127 |
Osten |
| 92 769 |
5 341 |
Balkan |
| 2 271 |
4 |
|
|
|
|
| zus. 314 273 |
12 472 |
Das ist nahezu die Mannschaftsstärke der preußischen Armee beim
Aufmarsch 1870/71. Die Gesamtersatzzuführung 1870/71 betrug bis zum 9.
Mai 1871 überhaupt nur 140 170 Offiziere und Mannschaften,
12 743 Pferde.
Die Ausnutzung der Eisenbahnen und Wasserstraßen für
die Heeresversorgung.
Die Transportorganisation für die Heeresversorgung beruhte auf den
Erfahrungen des Krieges 1870/71. Auf dieser Grundlage war die Zuführung
des Nachschubs, von richtigen Grundgedanken über die Ausnützung
der Eisen- [270] bahnen und
Wasserstraßen ausgehend, im Frieden bearbeitet worden. Die praktische
Durchführung aber mußte schon bald eine ungeahnte
Weiterentwicklung erfahren.
Das Heer von 1870/71 war klein, kaum eine halbe Million stark, mit einfachen
Waffen und Hilfsmitteln ausgestattet; eine noch wenig entwickelte Technik hatte
Waffen und Ausrüstung noch nicht kompliziert. Das Heer war dadurch
bedürfnisloser; was es für mehrere Tage brauchte, ließ sich in
seinen Pferdekolonnen unterbringen. Der wichtigste Teil des Nachschubs war die
Verpflegung; doch konnte man nie in unüberwindliche Schwierigkeiten
kommen, da die verhältnismäßig kleinen und sich meist
über weite Landstriche verteilenden Armeen zur Not aus dem Lande leben
konnten; der Munitionsverbrauch hielt sich in erträglichen Grenzen, denn
der Bewegungskrieg brachte viele
Marsch- und nur wenig Schlachttage mit Munitionsverbrauch; die
Ausrüstung war einfach, dementsprechend ihre Auffüllung. So war
man im allgemeinen vom Nachschub auf den Eisenbahnen weniger beengt; nur
wo in den Belagerungen der Stellungskrieg mit seinen umfangreichen
Bedürfnissen an Kampfmitteln auftrat, machte sich die Abhängigkeit
von den rückwärtigen Verbindungen auf den Eisenbahnen
empfindlich geltend.
Der Weltkrieg brachte ein Sechsmillionenheer auf den Plan. Die
zahlenmäßige Steigerung allein ist aber noch nicht das
ausschlaggebende. Daß ein zwölfmal so großes Heer
zwölfmal mehr Verpflegung braucht, ist ein einfaches Rechenexempel. Die
grundlegenden Umwälzungen lagen weit mehr in der veränderten Art
der Kriegführung mit gesteigerten Kampfmitteln und der dadurch bedingten
Vielgestaltigkeit des Heeres, ferner in dem stärkeren Verbrauch aller
Hilfsmittel und dem dadurch gesteigerten Auffrischungsbedürfnis.
Der Stellungskampf, der den Krieg zu einem einzigen Schlachttage mit
fortwährendem Menschen-, Munitions- und Materialverbrauch machte, gab
dem Weltkriege sein charakteristisches Gepräge, nicht minder die
Führung auf einem halben Dutzend Kriegsschauplätzen mit
grundverschiedenen Anforderungen. Neben die strategische Führung trat
erfindend die Wissenschaft, ausführend die Technik, verwertend die
Organisation, und so entstanden immer neue
Kampf- und Hilfsmittel, vom Flieger in der Luft bis zum Mineur unter der Erde
und dem Taucher der Unterwasserschneideabteilung im Wasser, vom
weittragenden Ferngeschütz bis zum schweren Minenwerfer und zur
Maschinenpistole, von der Fliegerbombe bis zur Gelbkreuzmunition und dem
tankdurchschlagenden Infanteriegeschoß, von der Kamera des Bildfliegers
bis zum Schallmeß- und dem Abhorchgerät, von der
Funksprucheinrichtung im Flugzeug bis zum Erdfunker und der
Meldewurfgranate, von der Gasmaske und dem Stahlhelm des
Maschinengewehrschützen im Granatloch vor Ypern bis zum Schneeschuh
des Alpenkorpsjägers auf den Schneefeldern der Alpen und dem
Nackenschutz des Asienkämpfers am Toten Meer.
[271] So wuchs der
Nachschub nicht nur in seinem Umfange, sondern vor allem auch in seiner
Zusammensetzung; die Versorgung wurde kompliziert. Weit mehr als
früher war das Heer auf seine Basis, auf die Erzeugungsstätten dieser
zahllosen Bedürfnisse, und auf eine schnell und sicher wirkende
Verbindung mit ihr angewiesen. Die Massenheere wurden damit
schwerfällig, ihre Leitung durch den Nachschub und seine
Nachführungsmöglichkeiten weit mehr als früher beengt.
Zu den operativen und taktischen Aufgaben der Eisenbahnen trat damit noch die
der Heeresversorgung. In ihrem engen Zusammenhang mit der Vorbereitung und
Durchführung der Operationen hat diese Aufgabe gegenüber
früher an Bedeutung gewonnen; in ihrer technischen Durchführung
aber wurde sie weitaus das schwierigere Problem. Es gipfelte schließlich
gerade bei der Heeresversorgung in dem nervenaufreibenden Kampf um den
Ausgleich zwischen Anforderungen und Leistungsmöglichkeit.
Wie sich in der Ausnutzung der Eisenbahnen und Wasserstraßen für
die Heeresversorgung die Verhältnisse seit 1870/71 geändert, wie sie
sich während des Krieges mit der steigenden Kräfteanspannung
fortentwickelt haben, wie die Zuführung des Nachschubs Vorbereitung und
Durchführung von Operationen beeinflußt, mag kurz an einigen
Beispielen erläutert werden.
In der Zeit vom 1. Oktober bis 17. November 1870 (48 Tage) liefen auf der
über Weißenburg - Nancy führenden
Eisenbahn-Etappenlinie der 3. Armee in Nancy aus Richtung Weißenburg
ein:
insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . |
289 Züge = 6 Züge täglich, |
davon |
Munitionszüge |
17 Züge |
|
" |
Proviantzüge |
74 " |
|
" |
Armee- und Lazarettbedürfnisse |
3 " |
|
" |
leere Sanitätszüge |
10 " |
|
|
|
|
|
Nachschub insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . |
104 Züge = 2,2 Züge täglich. |
Die Übersicht zeigt, daß die Verpflegung den breitesten Raum
einnimmt, der Nachschub an Ausrüstung, Material usw., der im
Weltkriege die erste Rolle spielte, überhaupt kaum ins Gewicht fällt.
Selbstverständlich können diese Zahlen nicht als Normalzahlen
angesehen werden; sie sollen lediglich ein Beispiel dafür sein, in welch
annäherndem Umfang der Nachschub die Eisenbahnen beanspruchte.
Das gleiche gilt für die nachfolgende Übersicht, die die
tägliche Durchschnittsleistung der Eisenbahnen im Nachschub aus einer
Januarwoche des Jahres 1916 berechnet, also aus einer Zeit, in der die
spätere Hochspannung in der Kriegführung noch nicht eingetreten
war.
[272]
a) Westen. |
4. Armee:
|
18 Züge
|
(darunter 5 Verpflegungszüge, 1 Viehzug, 1 Munitionszug, 2
Pioniermaterialzüge, 7 Züge für Stellungsbau, 2 Züge
für Wegebau). |
6. Armee: |
16 Züge. |
|
2. Armee: |
12 Züge |
(6 für Verpflegung, Futtermittel, Vieh und Munition, 6 für
Kohlen, Holz, Pioniergerät, Baustoffe und gemischte Ladungen). |
7. Armee: |
17 Züge. |
|
3. Armee: |
21 Züge |
(darunter 9 Schotterzüge). |
5. Armee: |
36 Züge |
(11 Nachschubzüge, 12 Munitionszüge, 3 Züge mit
Baumaterial, 9 mit Schotter, 4 mit Ersatzmannschaften). |
Armee-Abteilung Strantz: |
18 Züge. |
|
Armee-Abteilung A: |
17 Züge. |
|
Armee-Abteilung Gaede: |
4 Züge. |
|
b) Osten. |
8. Armee: |
3-5 Züge. |
|
Armee-Abteilung Scholtz: |
6 Züge. |
|
10. Armee: |
10½ Züge |
(5 Verpflegungszüge einschl. Rauhfutter und Hafer, 4,3 Züge
mit Sammelgut, 1 Ersatzzug, ¼ Munitionszug). |
9. Armee: |
2-3 Züge, |
außerdem wöchentlich 1 Ersatz-, 1
Feldbahnmaterialzug. |
Armee‑Abteilung Woyrsch: |
4-5 Züge, |
außerdem wöchentlich 2 Munitionszüge. |
Bugarmee: |
5-6 Züge |
(3-4 Nachschubzüge einschl. Gerät, 1 Kohlenzug, 1
Ersatzzug). |
Südarmee: |
13 Züge |
(5 Züge mit Sammelgut, 5 Verpflegungszüge einschl. Vieh und
Futtermittel, 3 Munitionszüge), außerdem wöchentlich 1
Holzzug. |
c) Südosten. |
11. Armee: |
8-9 Züge |
(6-7 Nachschubzüge einschl. Gerät, 1 Kohlen-, 1
Ersatzzug). |
Man darf aus solchen Durchschnittsberechnungen, die nicht auf völlig
einheitlichen Grundlagen beruhen, nicht zu weitgehende Schlüsse ziehen;
immerhin zeigen sie doch folgendes allgemeine Bild: im Westen bedingt die
angespanntere Kriegführung stärkeren Nachschub, der durch ein
leistungsfähiges Bahnnetz [273] bewältigt wird;
im Osten und Südosten äußert einerseits der Stillstand der
Operationen während des Winters seinen Einfluß, andererseits setzen
die erst im Ausbau zu größerer Leistungsfähigkeit begriffenen
Bahnen der Stärke des Nachschubs gewisse Grenzen. Im ganzen zeigt sich
eine erheblich stärkere Beanspruchung der Bahnen als 1870/71.
Der Stellungskrieg bringt den im Bewegungskrieg unbekannten Begriff des
Massengüterverkehrs in die Nachschubbewegung durch seine
Massenanforderungen an Material für den Stellungsbau; einen Begriff
hierüber geben die Transportleistungen beim Bau der Siegfriedstellung, die
zur Kürzung der Front in der Linie
Arras - St. Quentin -
La Fère - St. Condé angelegt wurde. Hierzu
wurden in der Zeit von Mitte Oktober 1916 bis Mitte März 1917, in der die
Bahnen ohnehin schon durch den vermehrten Nachschub der in schwerem
Kampfe stehenden 1. und 2. Armee und durch umfangreiche Truppentransporte
stark beansprucht waren, lediglich an Baustoffmengen zugeführt:
a) mit der Eisenbahn (Wagen zu 15 t) |
|
Kies |
|
Pioniergerät, Förderbahn-
gerät, Baugerät |
1. Armee: |
9 000 Wagen |
|
8 250 Wagen |
2. Armee: |
6 500 " |
|
7 000 " |
6. Armee: |
5 000 " |
|
3 100 " |
7. Armee: |
6 600 " |
|
5 400 " |
|
|
|
27 100 Wagen |
|
23 750 Wagen |
|
50 850 Wagen. |
b) mit Schiff (zu 250 t durchschnittlich) |
1. Armee: |
38 000 t |
|
|
2. Armee: |
30 000 t |
|
|
6. Armee: |
30 000 t |
|
|
7. Armee: |
10 000 t |
|
|
|
|
|
|
|
108 000 t |
|
|
Bis zu welcher Höhe die Transportanforderungen bei der immer weiter
steigenden Anspannung aller Kräfte schließlich stiegen, zeigt die
Frühjahrsoffensive 1918 im Westen.
Ein Überblick über die Gesamttransportleistungen ist schon bei
Behandlung der taktischen Ausnutzung der Eisenbahnen auf Seite 262ff. gegeben.
Hier seien noch für den Nachschub folgende Angaben nachgetragen. Das
Transportprogramm von Mitte Februar bis 1. März sah folgende
Tagesleistungen vor:
[274]
a) aus der Heimat |
Etappenzüge |
68 Züge |
Postzüge |
4 " |
Lazarettzüge |
4 " |
Mannschaftsersatz |
8 " |
Pferdeersatz |
10 " |
Betriebsstoffe |
1 " |
Artillerie-, Maschinengewehr-, Flugzeuggerät, Fahrzeuge usw. |
6 " |
Eisenbahn-Oberbaumaterial |
4 " |
Güterzüge mit Einzelsendungen |
12 " |
Rauhfutter und Baracken |
4 " |
Munition (1 Eisenbahnzug = 2 Munitionszüge) |
4 " |
|
|
|
125 Züge |
b) aus dem besetzten Gebiet. |
Schotter für die Armeen |
14 Züge |
Schotter für Eisenbahnbau |
14 " |
Kohle für die Armeen |
20 " |
Munition (1 Eisenbahnzug = 2 Munitionszüge) |
8 " |
Kriegswirtschaftliche Transporte |
3 " |
Einzelsendungen innerhalb der Armee- und Etappengebiete |
10 " |
|
|
|
69 Züge |
Von besonderem Interesse sind auch die Transportleistungen für Munition,
von deren reichlichem Bestand nicht zuletzt der Erfolg der Offensive abhing. In
der Zeit vom 20. Februar bis 20. März, also zum Teil noch vor der Zeit,
für die das obige Transportprogramm aufgestellt war, waren zu fahren:
1. Aus der Heimat
|
120 |
Eisenbahnzüge |
= 240
|
Mun.-Züge für Offensive u. laufenden Bedarf |
2. Aus dem besetzten Gebiet |
222½ |
" |
= 445 |
Mun.-Züge für Offensive |
3. Vom 19.-24. Febr. außer-
dem aus der Heimat |
172 |
" |
= 344 |
Mun.-Züge |
|
|
|
|
|
zusammen |
514½ |
Eisenbahnzüge |
= 1029 |
Mun.-Züge |
Außer der Eisenbahn hatte auch der Wasserweg seinen reichlichen Anteil zu
leisten.
Die vorstehenden Zahlen zeigen den Wandel seit 1870/71. Die Massenheere mit
ihren gesteigerten Bedürfnissen waren weitgehend von der Verbindung mit
ihrer Basis abhängig; selbst da, wo, wie im Westen, 70% des
Gesamttonnenbedarfs des Materialnachschubs im besetzten Gebiet gewonnen
wurde, war der Nachschub bei seinem Umfang nur unter voller Anspannung des
Bahn- und Wasserweges der Truppe zuführbar. Operationen bedurften
daher ein- [275] gehender Vorbereitung
des Nachschubs und seiner Heranführung. Die erforderliche Zeit
mußte dazu gelassen werden.
Nun waren ja für die Frühjahrsoffensive 1918 einem Feinde
gegenüber, der über alle Hilfsmittel der Welt verfügte, ganz
außerordentliche Vorbereitungen nötig, die einen besonders
umfangreichen Nachschub bedingten. An ruhigen Fronten war er geringer. Die
Voraussetzungen auf den einzelnen Kriegsschauplätzen und innerhalb der
Abschnitte jedes einzelnen Kriegsschauplatzes waren so verschieden, daß
die Festsetzung eines Normalnachschubbedarfs nicht möglich ist; immerhin
gibt die nachstehende Übersicht wenigstens allgemeine Anhaltspunkte; sie
berechnet auf Grund der Erfahrungen vor Verdun und in den Sommeschlachten
den Tagesbedarf für das Gebiet eines Divisionsabschnitts mit gleichzeitiger
Versorgung des Hintergeländes in etwa 20 km Tiefe für den
Stellungskampf auf dem westlichen Kriegsschauplatze:
Nachschub |
|
Durchschnittlicher
Tagesbedarf bei |
ruhiger Front |
|
Kampfhandlungen |
|
Zahl der
Vollbahnwagen |
|
t |
Zahl der
Vollbahnwagen |
|
t |
|
Munition |
4 - 7,6 |
60 - 115 |
|
32 |
460 |
Verpflegung |
8 - 11,6 |
80 - 120 |
|
10 |
110 |
Pioniergerät |
4 - 10 |
51 - 110 |
|
13 |
180 |
Holz |
3 - 5 |
28 - 46 |
|
15 |
150 |
Kohlen, Verschiedenes |
2 - 8 |
26 - 100 |
Straßenschotter |
5 - 15 |
60 - 95 |
Material für Bau von Stellungen |
5 - 10 |
65 - 130 |
|
zusammen |
31 - 67,2 |
370 - 716 |
|
70 |
900 |
|
durchschnitt-
lich 500 t |
|
Im Bewegungskriege, in dem die zahlreichen Sonderforderungen des
Stellungskampfes wegfielen, und einem Feinde gegenüber, der wie
z. B. die Russen, eine technisch weniger hochgespannte
Kriegführung zuließ, waren die Bedürfnisse der Massenheere
immer noch so beträchtlich, daß ihre rechtzeitige und ausreichende
Nachführung, namentlich die Munitionsversorgung, ein
leistungsfähiges Eisenbahnnetz zur Voraussetzung hatte; wo dieses fehlte,
war vorauszusehen, daß der Nachschub auf Schwierigkeiten stoßen
und den Verlauf der Operationen ungünstig beeinflussen mußte.
Typisch hierfür ist der Sommerfeldzug gegen Rußland 1915, der am
2. Mai mit dem Durchbruch bei Gorlice begann und allmählich nach
Norden hin die gesamte Front der Verbündeten bis an die Ostsee gegen
Osten in Bewegung setzte.
Auf dem rechten Flügel geboten nach dem Durchbruch von Gorlice (2.
Mai) und der Erstürmung des Brückenkopfes von Jaroslau (15. Mai)
die Nachschub- [276] schwierigkeiten dem
unaufhaltsamen Vorgehen schon am San einen Halt und gestatteten die
Wiederaufnahme der Vorwärtsbewegung erst Anfang Juni. Schon nach der
Einnahme von Lemberg (22. Juni) mußte ein neuer Stop eingelegt werden,
und bei dem von Ende Juli ab erfolgenden Vorgehen der Heeresgruppe
Mackensen zwischen Bug und Weichsel waren die Eisenbahnen nicht mehr in der
Lage, den Nachschub heranzubringen.
Auch bei der 12. und 8. Armee, die von der Südgrenze Ostpreußens
her zwischen Weichsel und Schkwa (12. Armee) und Schkwa und Pissa (8.
Armee) gegen den Narew und dann in östlicher Richtung weiter
vordrangen, machte sich, je weiter man sich von den Eisenbahnendpunkten
entfernte, die Wirkung der sich immer schwieriger und unzureichender
gestaltenden Versorgung auf die Kampfhandlungen geltend. General Ludendorff
schreibt darüber in seinen Kriegserinnerungen:
"Die Nachschubverhältnisse
wurden von Tag zu Tag ungünstiger, namentlich bei der 12. Armee, die
sich von ihren Eisenbahnendpunkten immer weiter entfernte... Was wir an
Fahrzeugen hatten, wurde vornehmlich zur Munitionsnachfuhr benutzt. Unsere
erschöpfte Infanterie brauchte, wenn sie angreifen sollte, um so mehr
artilleristische Unterstützung, je weiter sie nach Osten kam. Mit
zunehmender Entfernung wuchs die Schwierigkeit, Munition vorzubringen. So
verlangsamten sich die Kampfhandlungen und
ermatteten."
Für die über Kowno vorgehende 10. Armee lagen die
Verhältnisse ähnlich, da die Verwendung der Masse der
Eisenbahnbautruppen an anderen Stellen eine genügend schnelle
Wiederherstellung der Eisenbahn
Wirballen - Kowno - Wilna nicht gestattete.
Am linken Flügel, wo die Niemen-Armee - auf die Vollbahn bei
Laugszargen mit anschließender Feldbahn nach Kielmy, auf die kurz vor
Operationsbeginn notdürftig fertiggestellte Bahn
Memel - Prekuln und den Hafen Libau
basiert - nach Litauen und Kurland vordrang, gestaltete sich die Versorgung
um so schwieriger, als die Armee infolge zahlreicher Abgaben an die 8. und 10.
Armee nicht über genügend Kolonnen, namentlich für die
Munitionsergänzung, verfügte, um die immer mehr zunehmende
Entfernung bis zu den Eisenbahnendpunkten zu überbrücken. So
mußten auch hier die Operationen eine gewisse Unterbrechung zur
Festigung der rückwärtigen Verbindungen erfahren und in ihrer
Durchführung durch die zunehmenden Schwierigkeiten in der
Nachführung des Nachschubs verlangsamt werden.
Es ist begreiflich, daß überall da, wo, wie im Feldzug gegen
Rußland 1915, im Verlauf der Operationen die Verbindung mit der
Eisenbahn abriß, Führung wie Truppe sehnsüchtig auf ihre
Wiederanknüpfung warteten, die die Ergänzung der immer geringer
werdenden Munitions- und Mannschaftsbestände, die Zuführung der
Verpflegung, die Auffrischung der hart mitgenommenen Bekleidung und
Ausrüstung rascher und sicherer bewerkstelligen konnte, als dies bei
Überbrückung weiter Strecken auf schlechten Wegen durch
Kolonnen [277] möglich war.
Ebenso erklärlich ist es, daß diese Sehnsucht zur Ungeduld wurde, je
länger sich das Einsetzen eines regelmäßigen und
ausreichenden Nachschubs verzögerte. Und doch mußte damit von
vornherein gerechnet werden, je geringer die ursprüngliche
Leistungsfähigkeit der Strecken, je nachhaltiger ihre Zerstörung war,
oder wo gar die Operationen in eisenbahnlose Gebiete geführt wurden. Es
war eine auf falschen Voraussetzungen beruhende Hoffnung, wenn mit der
Wiederherstellung besonders ins Auge fallender Zerstörungen und mit der
Ankunft der umnagelnden Bauspitze hinter der Front sofort das volle Einsetzen
des Nachschubs erwartet wurde. Um die Bahnen hierfür erst
leistungsfähig zu machen, bedurfte es außer der Wiederherstellung
zerstörter Anlagen noch umfangreicher Arbeiten, insbesondere
Bahnhofsausbauten; diese erforderten stets geraume Zeit.
Mit den Grundsätzen einer zweckmäßigen Ausnutzung der
Eisenbahnen, die den Einklang zwischen Anforderungen und
Leistungsfähigkeit fordern, war es nicht zu vereinen, wenn, wie im Osten
1915 nach dem Übergang zum Stellungskrieg, auf diese erst
allmählich in ihrer Leistungsfähigkeit wachsenden Bahnen der
inzwischen in der Heimat angestaute Nachschub in einem größeren
Umfang losgelassen wurde, als die am wenigsten leistenden Auslaufstrecken und
die Abfuhrmöglichkeiten durch Kolonnen verarbeiten konnten. Die Folge
war eine Zurückstauung des Nachschubs, oft tief bis ins Heimatgebiet
hinein. Sie erzeugte die bekannte "Verstopfung der Eisenbahnen" mit der
unbeabsichtigten Wirkung, daß der Nachschub nunmehr erst recht ins
Stocken kam. So kam es, daß sich im Winter 1915/16 die Bahnen der
Ostprovinzen, insbesondere Ostpreußens, immer mehr mit
Nachschubzügen anfüllten, die nicht weiter vorgeführt werden
konnten und lange auf Ablauf warten mußten, daß dadurch die
Bahnhöfe vollgestellt und zur Aufnahme der immer neu hinzukommenden
Züge unfähig wurden, die nunmehr in gleicher Weise die
rückwärtigen Bahnhöfe verseuchten. So entstand durch
Überfüllung eine gefährliche Desorganisation des Verkehrs.
Sie findet sich während des Krieges immer wieder, auch auf dem
leistungsfähigen Bahnnetz des Westens, überall da, wo eine
Überforderung an die Auslaufstrecken rückwirkend den Nachschub
bis in die Heimat hinein anstaute; und man muß hierin mit eine der
Ursachen erblicken, die zu den schweren Verkehrsstörungen in der Heimat
beigetragen haben.
Wo, wie im Osten, die Eisenbahnen erst nach längerer Zeit imstande waren,
die gesamte Last des Nachschubs zu tragen, hätten Mittel und Wege
gefunden werden müssen, ihr bis dahin einen Teil der Last abzunehmen.
Die im Eisenbahnkrieg in Vergessenheit geratene
Land-Etappenstraße hätte hier helfen können; nicht als
Verbindung zwischen Eisenbahnendpunkt und Front, sondern tief im Hinterland,
unter Umständen noch im Heimatgebiet an die Eisenbahn
anknüpfend und neben ihr, nicht bloß in ihrer Verlängerung,
herführend. Zum mindesten wäre es dann möglich gewesen,
die am wenigsten das Stilliegen [278] vertragenden
Mannschafts- und Pferde-Ersatztransporte zur Entlastung der Bahn auf ihr
vorzuführen. Voraussetzung hierfür wäre aber gewesen,
daß eine klare Erkenntnis von der Leistungsfähigkeit des Bahnnetzes
die planmäßige Vorbereitung der
Land-Etappenstraße schon bei der Anlage der Operationen ins Auge
faßte.
Es ist in diesem Zusammenhang wiederholt die Frage aufgeworfen worden, wie
weit Offensivoperationen sich von der Eisenbahn entfernen können, bis sie
durch das Abreißen des Nachschubs zum Stillstand kommen. Für den
Osten, wo die schlechten Wegeverhältnisse besonders ins Gewicht fallen,
wurden zunächst 120 km als Höchstgrenze angenommen, wie
General Ludendorff in seinen Kriegserinnerungen angibt; tatsächlich ist
aber diese Grenze weit überschritten worden. Die Frage läßt
sich allgemein überhaupt nicht beantworten; die Verhältnisse des
Kriegsschauplatzes und seine Straßenanlagen, die verfügbaren
Hilfsmittel und insbesondere die Art der planmäßig für die
Überbrückung getroffenen Vorbereitungen sind dabei
maßgebend. Wer über die Straßen Frankreichs und die
Kraftfahrmittel einer Entente verfügte, hätte sich bei
planmäßiger Vorbereitung wohl noch erheblich weiter als im Osten
von der Bahn zu entfernen vermocht. Wenn die Franzosen im Februar 1916 auf
der 60 km langen Strecke
Bar-le-Duc - Verdun mit über 6800 Kraftwagen täglich
durchschnittlich 13 000 Personen und 7000 t Güter
beförderten, so kann daraus gefolgert werden, daß eine
Überbrückung auch weiter Entfernungen bei ausreichenden
Hilfsmitteln, planmäßiger Vorbereitung und günstigen
Straßenverhältnissen für vorübergehende Zeit wohl
möglich ist. Es darf aber nicht übersehen werden, daß ein
dichter Lastkraftwagenverkehr die Straßendecke ganz außerordentlich
beansprucht. Die Instandhaltung erfordert nicht nur zahlreiche Baukräfte,
sondern auch gewaltige Schottermengen. Wo diese nicht, wie bei Verdun, an der
Fahrstraße gewonnen werden können, erfordern sie selbst soviel
Beförderungsmittel, daß über eine begrenzte Entfernung hinaus
der Lastkraftwagenverkehr sich selbst aufzehrt.
Die Sammlung, Vorführung und Verteilung eines so umfangreichen und
vielgestaltigen Nachschubs für die verschiedenen Kriegsschauplätze
konnte neben eingehender verkehrstechnischer Regelung nur durch eine straffe
einheitliche Organisation gewährleistet werden. Ihr Grundgedanke war, den
Nachschub in der Heimat in der Nähe der Grenze zu sammeln, ihn zu
ordnen, ihn von dort in geschlossenen Zügen auf den Kriegsschauplatz
hinter die Armee bis zu einem bestimmten Punkte vorzuführen, ihn da
für die einzelnen empfangenden Verbände zu zerlegen und diesen
unter Benutzung weiterer Vollbahnstrecken, des
Feld- und Förderbahnnetzes oder durch Kolonnen zuzuführen. Der
Grundgedanke war richtig und hat sich bewährt; er wurde im Laufe des
Krieges immer weiter entwickelt, zu dem Zweck, den stark beanspruchten Betrieb
zu entlasten, die Eisenbahn dadurch leistungsfähig zu erhalten und so die
Sicherheit der Versorgung zu gewährleisten.
[279] Die Sammlung des
Nachschubs verfolgte einen doppelten Zweck: einmal brauchte man in
möglichster Nähe des Kriegsschauplatzes, aber doch so weit entfernt,
daß die Wechselfälle des Krieges keine Einwirkung ausüben
konnten, ein großes Vorratslager der wichtigsten Kriegsbedürfnisse,
aus dem man rasch den Bedarf an die Front vorholen konnte. So entstand in der
"Sammelstation" ein erstes Staubecken, in das Güter aus der Heimat
zugefahren und ausgeladen und aus dem Güter für die Front wieder
eingeladen und abgefahren wurden. Die Sammelstation bestand aus einer Reihe
von Magazinen: dem Proviantdepot mit Marketendereiabteilung für
Verpflegungsmittel, dem Materialiendepot für Materialbedürfnisse
aller Art, dem Sammel-Sanitätsdepot für Sanitätsmaterial, dem
Bekleidungsdepot für Bekleidung und dem später aufgehobenen
Liebesgabendepot zur Sammlung von Liebesgaben, ausnahmsweise auch einem
Viehdepot. Für jede Sammelstation war ein bestimmtes Soll an
Vorräten vorgeschrieben, das durch rechtzeitige Ergänzung aus dem
Landesinnern dauernd einzuhalten war.
Jeder Armee war eine Sammelstation zugewiesen; für die Auswahl waren
Lage und Leistungsfähigkeit der Sammelstation bestimmend. Im
allgemeinen hatte eine Sammelstation nur eine, bei geringen Armeestärken
auch zwei Armeen zu versorgen; große Armeestärken machten aber
auch die Zuweisung zweier Sammelstationen auf eine Armee nötig. Die
Verteilung auf die Kriegsschauplätze war zur Erzielung kurzer
Transportwege so geregelt, daß die Sammelstationen für den
westlichen Kriegsschauplatz zumeist am Rhein, für den östlichen
Kriegsschauplatz in den Ostprovinzen, für den Südosten in Sachsen
und Bayern lagen.
Die Sammlung an der Grenze hatte ferner einen verkehrstechnischen Zweck. Der
Nachschub konnte nicht ohne weiteres an die Verkehrstechnik des
öffentlichen Verkehrs anknüpfen. Bei der Notwendigkeit der
Geheimhaltung und den fortdauernden Truppenverschiebungen war der
Aufenthalt des Empfängers dem Absender unbekannt. Es mußte
daher eine Zwischenstelle eingeschaltet werden, an die die Sendungen adressiert
wurden und die - dauernd über die Aufenthaltsorte der Front und
Etappenformationen unterrichtet - für Umbehandlung und
Weiterleitung an den Empfänger sorgte. So entstand für jede Armee
eine "Weiterleitungsstelle", eine Verkehrseinrichtung, die aus
Zweckmäßigkeitsgründen auf dem Bahnhof der zur gleichen
Armee gehörigen Sammelstation eingesetzt wurde. Um Umwege zu
vermeiden, die bei der Lage mancher Aufkommgebiete zu den
Weiterleitungsstellen eintreten mußten, wurden an geeignet gelegenen
Bahnhöfen "Hilfsweiterleitungsstellen" eingerichtet mit den Aufgaben der
Weiterleitungsstellen, aber ohne örtliche Vereinigung mit einer
Sammelstation.
So ergab sich eine zweifache Art des Nachschubs: Güter, die in die
Magazine der Sammelstation zuflossen, entladen und später bei Bedarf an
der Front [280] wieder abgefahren
wurden, und Güter, die, ohne den Eisenbahnwagen zu verlassen, die
Weiterleitungsstelle lediglich zur verkehrstechnischen Umbehandlung auf dem
Wege zur Front passierten.
Sammelstationen und Weiterleitungsstellen bildeten nachschubtechnisch
gleichzeitig die Grenze zwischen Heimat und Kriegsschauplatz.
In der Heimat wurden die einzelnen Bestandteile des Nachschubs entweder
zunächst in Magazinen oder Depots gesammelt oder gingen von den
Erzeugungsorten (Fabriken) unmittelbar zu den Weiterleitungsstellen. Da
insbesondere mit der Sammlung der
Futter- und Verpflegungsmittel in den Ersatzmagazinen und mit ihrer
späteren Vorführung in die Proviantdepots nicht selten Umwege und
Rückläufe und dadurch unwirtschaftliche Wagenläufe
verbunden waren, hätte es eine Schonung des Transportapparats bedeutet,
wenn auf diese erste Magazinierung verzichtet, die Ersatzmagazine durch
Landbezirke (Bezirke der stellvertretenden
Korps-Intendanturen) ersetzt und eine Anzahl solcher Nachschubbezirke je nach
Größe der in ihnen enthaltenen Bestände den einzelnen
Armeen unter Berücksichtigung ihrer Lage und der Verbindungen zugeteilt
worden wäre. Aus organisatorischen Gründen ließ sich dieser
Gedanke jedoch im Laufe des Krieges nicht mehr durchführen.
Die Bahnhöfe der Sammelstationen und Weiterleitungsstellen hatten
umfangreiche Rangierarbeiten durchzuführen und wurden in stets weiter
steigendem Maße beansprucht. Zu ihrer betrieblichen Entlastung bildete
sich das Verfahren heraus, Massensendungen gleicher Art, wie Munition,
Rauhfutter, Zement, Pioniergerät, Stacheldraht,
Artillerie- und Fliegergerät, Holz, schon im Entstehungsgebiet zu
geschlossenen Zügen mit einheitlicher
Ladung - unter Umständen unter Festlegung bestimmter, nicht
wechselnder Sammelbahnhöfe - zu vereinigen und sie unter
Umgehung der Weiterleitungsstellen unmittelbar nach dem Kriegsschauplatz zu
führen. Da sich ferner das Bedürfnis herausstellte, auch an gewissen
Massengütern Vorratslager mit ähnlichem Zweck, wie die
Sammelstationen, in der Nähe der Grenze zu haben, so entwickelten sich in
den Holzsammelstationen, Heeres-Pionierparks und Viehsammelstellen
Sondersammelstationen, die wesentlich zur Entlastung der Weiterleitungsstellen
beitrugen.
[280a]
Eisenbahnstation hinter der Front im
Westen.
|
Die Sammelstation war mit der Armee durch eine bestimmte Eisenbahnlinie, die
Eisenbahn-Etappenlinie, verbunden. Wo mehrere Armeen auf die gleiche
Etappenstraße angewiesen waren, war dies ein durch die Dürftigkeit
des Eisenbahnnetzes veranlaßter Notbehelf. Die
Eisenbahn-Etappenlinie bildete gleichzeitig den Rückweg für den
Abschub; er diente als Gegenbewegung zum Nachschub einer wirtschaftlichen
Ausnutzung der Lokomotivkräfte.
Von der Sammelstation und Weiterleitungsstelle wurde der Nachschub auf dieser
Eisenbahn-Etappenlinie in geschlossenen Militärzügen zur Front
vorgeführt.
[281] Die
Durchführung in geschlossenen Zügen erfolgte bis hinter die
Armeefront zur "Frontverteilungsstelle". Diese hatte eine doppelte Aufgabe
ähnlich derjenigen der Sammelstation und Weiterleitungsstelle: Sie bildete
einmal ein zweites Staubecken dicht hinter der Front, bestehend aus Magazinen
mit den wichtigsten Bedürfnissen; sodann zerlegte sie den in geschlossenen
Zügen ankommenden Nachschub in Gruppen nach den einzelnen
Empfängern und sorgte für die Weiterleitung an das
endgültige Ziel. Wo die Transportrücksichten es gestatteten, wurde
die Frontverteilungsstelle am Etappenhauptort, dem Sitz der wichtigsten
Etappenbehörden, eingerichtet. Wo jedoch, wie im Westen, der
Zufluß namentlich an Massengütern derartig umfangreich war,
daß ein einziger Bahnhof betrieblich den Rangieranforderungen nicht
gewachsen sein konnte, oder wo ein genügend leistungsfähiger
Bahnhof überhaupt nicht zur Verfügung stand, wurde die Aufgabe
der Frontverteilungsstelle auf mehrere Bahnhöfe verteilt, die ganz
bestimmtes Gut aufzunehmen hatten; so entstanden
Frontverteilungsbahnhöfe für Verpflegung, Pioniergerät,
Munition, Kohle usw.
Vom Frontverteilungsbahnhof wurde der Nachschub auf den Spitzenstrecken zu
den Ausladebahnhöfen vorbefördert, wo er entweder mit Kolonnen
abgeholt oder mit Feld- und Förderbahnen den Truppen zugeführt
wurde.
Für die Verteilung des Nachschubs war es bahntechnisch günstig,
wenn die Spitzenstrecken parallel mit der Stellung hinter der Front entlang liefen;
es war dann unter einfachen Verhältnissen möglich, bereits auf der
Weiterleitungsstelle die Züge in Gruppen nach den Ausladestellen zu
rangieren, so daß man dann die Auslaufstrecke nur aufzurollen brauchte.
Betrieblich war dies günstig, da die Rangierarbeit auf den
Frontverteilungsstellen in vielen Fällen wegfiel. Diese Anlage der Bahnen,
die sich im Osten an verschiedenen Stellen vorfand, hatte jedoch den Nachteil,
daß bei einem Rückschlag an der Front die ganze Auslaufstrecke
verlorengehen konnte, und der Nachschub bei einem dünnen Eisenbahnnetz
weit hinten in großer Entfernung von der neuen Front ausgeladen werden
mußte. Militärisch war es deshalb günstiger, wenn von der
Frontverteilungsstelle mehrere Stichbahnen nach den verschiedenen Teilen der
Front vorfühlten, so daß bei einer Änderung der Lage nur ein
Zurückverlegen der Ausladebahnhöfe auf den gleichen Strecken zu
erfolgen hatte.
Das wichtigste Problem der Heeresversorgung blieb der Ausgleich zwischen
Anforderungen und Leistungsfähigkeit und die Notwendigkeit, zur
Aufrechterhaltung eines geordneten, nicht überspannten Betriebes eine
gewisse Stetigkeit in die Zuführung zu bringen, da stoßweise
Anforderungen schwere betriebliche Störungen zur Folge hatten. Als
Regulator und gleichzeitig als Barometer für Störungen wirkte hier
die Sammelstation mit der Weiterleitungsstelle. Die Nachführung
mußte sich geregelt vollziehen, wenn der Zufluß zur Sammelstation
der Abnahme an der Front entsprach. War er stärker, dann mußte es
zu Rückstauungen kommen, die sich bis tief in die Heimat hinein [282] verkehrsstörend
geltend machten. Zur Regulierung diente bei starkem Verkehr das sogenannte
Abrufverfahren. Der Beauftragte des Chefs des Feldeisenbahnwesens bei der
Armee bezeichnete - unter Umständen durch Dringlichkeitslisten,
die die einzelnen Teile des Nachschubs in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit
vorschrieben - nach den Bedürfnissen der Front, der Eisenbahnlage
und der Lage in der Sammelstation der Linienkommandantur der Sammelstation
den zur Vorführung an die Front bestimmten Nachschub; diese holte sich
dann die ihr von den Linienkommandanturen im Reichsinnern telegraphisch
angebotenen Nachschubtransporte dem Bedürfnis und der
Abbeförderungsmöglichkeit entsprechend heran und schob sie nach
vorne. Gewiß war ein solches Verfahren umständlich und belastete
den Telegraphen; aber es war das einzige sicher wirkende Mittel, um die
Nachführung des Nachschubs fest in der Hand der
Militär-Eisenbahnbehörden zu belassen.
Die Beförderung der Post erfolgte in Bahnpostwagen mit
planmäßigen Personen- und Schnellzügen, in besonderen
Postzügen oder in Postpackwagen mit den Etappenzügen.
Privatpakete übergab die Post auf den Sammelpaketämtern an die
Eisenbahnbehörden. Sie beförderten sie zu den "Paketstellen" der
Militär-Eisenbahnverkehrsämter auf dem Kriegsschauplatze. Diese
veranlaßten die Vorbeförderung zu den Ausladebahnhöfen, wo
die Abholung durch Truppenkommandos erfolgte.
Der Paketverkehr vom Kriegsschauplatze nach der Heimat erfolgte in
ähnlicher Weise durch Aufgabe der Pakete bei den
Güterabfertigungen oder Militär-Güterstellen der
Ausladebahnhöfe und Rückbeförderung über die
Paketstellen zu den Militär-Paketämtern, von denen aus die Post
für Weiterleitung an den Adressaten sorgte.
Der Abschub diente in erster Linie kriegswirtschaftlichen Interessen und wird im
Zusammenhang mit der Kriegswirtschaft Erwähnung finden. Hier soll nur
auf die Zurückführung der Verwundeten und Kranken eingegangen
werden. Ihr dienten Lazarett-, Hilfslazarett- und Vereinslazarettzüge
für liegende, Leichtkrankenzüge für sitzende Kranke.
Hinter der Front waren an den Bahnhöfen von den
Kranken-Transportabteilungen Krankensammelstellen mit
Lagerungs- und Übernachtungsgelegenheit eingerichtet, auf denen die
Beladung der Züge erfolgte. Die Liniengebiete der Heimat wurden
allmonatlich nach der Zahl der in ihren Reservelazaretten verfügbaren
Betten auf die Etappeninspektionen verteilt; den Liniengebieten wurden die
Lazarett- usw. Züge nach dem Lazarettverteilungsplan
zugeführt; die weitere Verteilung auf die Reservelazarette regelte sodann
die Linien-Kommandantur nach Maßgabe der verfügbaren
Betten.
Die Leichtkrankenzüge mit sitzenden Kranken verkehrten im
Pendelverkehr zwischen Front und Reichsgrenze (Leichtkrankenzüge der
Etappeninspektion); hier wurden die Kranken vom
Sanitäts-Transportkommissar, der die Grenzgruppe der [283]
Kranken-Transportabteilung darstellte, übernommen und in besonderen
"Leichtkrankenzügen des Sanitäts-Transportkommissars" nach dem
erwähnten Lazarettzug-Verteilungsplan in das Inland
überführt, wo ihre Verteilung auf die Lazarette, wie bei den
Lazarettzügen, durch die Linienkommandanturen erfolgte.
Es leuchtet ohne weiteres ein, daß die Versorgung eines
Sechsmillionenheeres auf weit entfernt liegenden Kriegsschauplätzen mit
der immer mehr zunehmenden Anspannung der Kriegführung die Bahnen
schließlich bis an die äußerste Grenze der
Leistungsmöglichkeit beanspruchen mußte. Eine wesentliche
Entlastung brachte hier der Wasserweg, besonders als sich allmählich das
anfänglich nicht überall vorhandene Verständnis für die
Notwendigkeit seiner weitgehenden Ausnutzung unter dem Drucke der
Verhältnisse geltend machte.
Auf dem östlichen Kriegsschauplatz hat die Ostsee mit ihren
Ausladehäfen Libau, Windau, später auch Riga und Reval,
wesentlich zur Versorgung des nördlichen Frontteils beigetragen; Niemen
und Weichsel wurden herangezogen, soweit es diese nichtregulierten
Ströme erlaubten. Auch auf kleineren Flüssen entwickelte sich ein
Lokalverkehr.
Auf dem südöstlichen Kriegsschauplatz hat die Donau einen
wesentlichen Anteil daran, daß der durch die wenig leistungsfähigen
österreichisch-ungarischen Bahnen nur mit Mühe bewältigte
Nachschub der Truppe in vollem Umfange zugeführt werden konnte.
Auf dem westlichen Kriegsschauplatz, wo die Bahnanforderungen am
größten, das Wassernetz am günstigsten waren, wurde unter
Leitung der Militär-Kanaldirektion die Bahn in weitgehender Weise
entlastet, wie später zahlenmäßig erläutert wird. Die
günstigen Wasserverkehrsverhältnisse gestatteten stellenweise, wie
vor Arras auf der Scarpe, sogar eine Vorführung des Nachschubs bis ins
Trichterfeld.
In der Heimat, wo das Wasserstraßennetz hauptsächlich zur
Füllung der Ersatzmagazine und Sammelstationen, aber auch zur
Durchführung von Massentransporten, wie Schotter, Kies,
Rauhfutter usw., nach den Kriegsschauplätzen ausgenutzt wurde,
brachten die durch die unermüdliche Tätigkeit der
Schiffahrtsabteilung von Monat zu Monat gesteigerten Verkehrsleistungen dem
bis zum äußersten beanspruchten Eisenbahnapparat eine merkliche,
dankbar begrüßte Entlastung, ohne die das
Gesamttransportbedürfnis von Heimat und Front wohl nicht zu befriedigen
gewesen wäre.
Eisenbahnen und Wasserstraßen in ihren
Zusammenhängen mit der Kriegswirtschaft.
Frühere Kriege kennen eine Kriegswirtschaft im modernen Sinne nicht. Die
Kriege wurden ausschließlich mit militärischen Machtmitteln durch
die Heere geführt. Nur die Vernichtung des feindlichen Heeres, nicht auch
die Niederzwingung der feindlichen Bevölkerung durch die Vernichtung
ihrer Existenzbedingungen, war das Ziel der Kriegführung.
[284] Die Heere waren
verhältnismäßig klein und in ihren Hilfsmitteln einfach.
Deshalb hielt sich auch alles das, dessen das Heer zur Erhaltung seiner
Schlagfertigkeit bedurfte, in engen Grenzen.
Zur grundsätzlichen Änderung dieser Verhältnisse im
Weltkriege trat hinzu, daß in den drei Jahrzehnten vor dem Kriege die
Entwicklung der Verkehrsverhältnisse in der Volksernährung und in
der Industrie dazu geführt hatte, auf die Ansammlung von Vorräten
zu verzichten, sich vielmehr auf die Zufuhr aus dem Auslande einzustellen.
Diese empfindliche Stelle traf die englische Blockade. Sie wollte die
Bevölkerung aushungern und die Industrie lahmlegen.
Um ihre Wirkung abzuschwächen, mußten die angrenzenden
neutralen Länder, die Verbündeten Deutschlands und das besetzte
Gebiet herangezogen werden. Die Einfuhr, die im Frieden vorwiegend über
die Seehäfen erfolgte, kam nun in der Hauptsache über die trockene
Grenze. Da sie aber nur einen Bruchteil des ganzen deutschen Bedarfs deckte,
mußten die knappen Bestände von zentraler Stelle aus bewirtschaftet
und verteilt werden.
So entstanden durch Umstellung der Verkehrsbeziehungen vermehrte und stark
veränderte Anforderungen an den Transportapparat. Ihre Regelung war in
erster Linie Aufgabe der Eisenbahnverwaltungen; das von ihnen zu diesem Zweck
am 1. Juli 1917 ins Leben gerufene Generalverkehrsamt beim preußischen
Minister der öffentlichen Arbeiten hat die größten
Schwierigkeiten zu beseitigen vermocht. - Die Mitarbeit der
Militär-Eisenbahnbehörden war unentbehrlich. In erster Linie
mußten die Transportanforderungen für rein militärische und
die für kriegswirtschaftliche Zwecke in Einklang gebracht werden. Weiter
standen die kriegswirtschaftliche Ausnutzung der besetzten Gebiete und die aus
ihr sich ergebenden Transporte in unlösbarem Zusammenhang mit den
gleichen Transporten in der Heimat.
Nachfolgend sollen zunächst einige statistische Angaben, die den bis Mitte
1917 vorliegenden Untersuchungen des Professor Dr.
Tießen: Die Massengüterbewegung in Deutschland
entnommen sind, ein Bild davon geben, welchen Einfluß die Umstellung
der deutschen Wirtschaft im Kriege auf den Gesamtverkehr hatte.
Kohle. Sie stand in der Bedeutung für die Industrie und ebenso
bei der Transportierung an erster Stelle:
|
1913 |
1915 |
1916 |
Gesamtbelastung d. deutschen Eisenbahnen mit
Gütertransporten (in Millionen t) |
500,5 |
367,6 |
415,63 |
darunter Steinkohle, Koks, Braunkohle (in Millionen t) |
198,3 |
148,2 |
166,3 |
Betriebsleistung der deutschen Eisenbahnen (in Millionen t/km) |
62 500 |
58 600 |
72 500 |
davon für Steinkohle, Koks, Braunkohle |
29 800 |
24 900 |
34 200 |
[285] Die Tabelle zeigt ein
Sinken der zu befördernden Menge, ein Ansteigen der aufzuwendenden
Betriebsleistung. Die früher mit englischer Kohle versorgten
Küstengebiete mußten von der Ruhr und aus Oberschlesien versorgt
werden. Hinzu traten die wesentlichen Betriebsaufwendungen für die
Zufuhr von Kohlen nach Österreich-Ungarn, Bulgarien und der
Türkei, später auch nach der Ukraine. Besonders fühlbar aber
waren die unwirtschaftlichen Verkehrsbeziehungen im inneren Verkehr; erst
nachdem lange Zeit Abhilfemaßnahmen gewirkt hatten, gelang es, eine
tägliche Ersparnis von rund 737 000 t/km an der Ruhr, von
rund 170 000 t/km im mitteldeutschen Revier zu erzielen.
Erzverkehr: 1913 wurden 8,4 Millionen t über die
Rheinmündung eingeführt, davon 4,9 Millionen t aus
Skandinavien. Letztere wurden während des Krieges auf die
Ostseehäfen und die deutschen Nordseehäfen verteilt; es wurden von
hier aus 1915 dem Ruhrrevier 3 728 000 t, Oberschlesien
380 000 t zugeführt. Diese Einfuhr betrug 1916
4 052 857 t und stieg 1917 auf
5 138 067 t.
Ersatz für die fehlenden Mengen boten das besetzte Gebiet und die
verbündeten Länder. Die Masse kam aus dem Erzbecken von
Longwy und Briey:
|
Becken von Briey |
Becken von Longwy |
1914 |
8 418 t |
29 372 t |
1915 |
1 339 522 t |
350 692 t |
1916 |
2 243 847 t |
298 644 t |
1917 (bis einschließlich August) |
2 540 610 t |
364 626 t |
Aus dem in Polen liegenden Erzvorkommen erhielt Oberschlesien jährlich
etwa 150 000 t. Von Serbien wurden vom April 1916 bis Ende
September 1917 12 331 Wagen Erze eingeführt.
Die Umstellung der Erzversorgung zeigt ebenfalls, besonders wenn man das
Verhältnis der t-Belastung zu der t/km-Belastung in jedem Jahre vergleicht,
wesentliche Mehrleistungen bei den Eisenbahnen:
|
1913 |
1915 |
1916 |
Gesamtbelastung der deutschen Eisenbahnen im
Massen-
güterverkehr durch Erz und
Schrott (in Millionen t) |
26,1 |
24,6 |
26,29 |
Betriebsbelastung durch Erz und Schrott (in Mill. t/km) |
3550 |
4700 |
4900 |
Die Besserung ab 1916 ist der Heranziehung des Wassertransports durch die
Schiffahrtsabteilung zu verdanken.
Getreide: Im Frieden ging das ostdeutsche Getreide in erheblichem
Umfang nach den Seehäfen; Westdeutschland dagegen wurde vorwiegend
über die Häfen: Bremen, Duisburg, Mannheim versorgt. Im Kriege
mußte sich, besonders beim Fehlen eines durchlaufenden Kanalweges, zum
Ausgleich eine starke Ost-Westbewegung auf der Eisenbahn entwickeln. Hierzu
kam, daß die geringen aus dem Osten und Südosten
(Rumänien) zu beschaffenden Zuschußmengen ebenfalls mit der
Eisenbahn zugeführt werden mußten. Die Mehrbelastung der
Eisenbahnen zeigt die nachstehende Tabelle.
[286]
|
1913 |
1915 |
1916 |
Mengenbelastung der deutschen Eisenbahnen mit Getreide
und Mehl im Massengüterverkehr
(in Millionen t) |
20,19 |
15,41 |
18,29 |
Betriebsleistung für Getreide und Mehltransporte (in Millionen t/km)
|
1950 |
2350 |
3450 |
Die mittlere Betriebsbelastung (km pro 1 t) der Getreidetransporte betrug
1913
96 km
1915 150
km
1916
200,1 km
war also um 109 v. H. gestiegen.
Kartoffeln: Bei ihnen entwickelten sich ähnliche
Verhältnisse besonders dadurch, daß im industriellen Westen infolge
Verminderung der verfügbaren Getreidemengen der Bedarf an Kartoffeln
für die menschliche Ernährung stieg:
|
1913 |
1915 |
1916 |
Gesamtbelastung der deutschen Bahnen
durch den Kartoffelverkehr
(in Millionen t) |
4,51 |
6,44 |
8,32 |
Betriebsbelastung der Eisenbahnen durch den
Kartoffelverkehr (in Millionen t/km) |
650 |
1450 |
2050 |
Die mittlere Betriebsbelastung (km pro 1 t) betrug:
1913
144 km
1915 225
km
1916 246
km
Die Steigerung betrug somit gegenüber der Friedenszeit 71 v. H.
Auf die vorstehend skizzierten, ganz außerordentlichen Erschwerungen des
heimischen Eisenbahnbetriebs konnten die
Militär-Eisenbahnbehörden nur mittelbar Einfluß nehmen,
indem Truppen- und Nachschubtransporte die neuen Verhältnisse
berücksichtigten. Wesentlich war auch die Mitarbeit der
Schiffahrtsabteilung des Chefs des Feldeisenbahnwesens, die einen erheblichen
Teil des Massengüterverkehrs auf das Wasser ableitete und seine
Durchführung dort organisierte.
Unmittelbaren Einfluß übten die
Militär-Eisenbahnbehörden auf die Transporte der Kriegsindustrie
aus. An den mit der Munitionserzeugung zusammenhängenden Transporten
soll der Aufgabenkreis erläutert werden.
Beim Preßstahlgeschoß z. B. führte der Fertigungsweg vom
Stahlwerk über das Preßwerk und das Bearbeitungswerk zur
Füllstelle und von letzterer zum Artilleriedepot, von wo nach Einsetzen der
Zünder die Versendung an die Front erfolgte. Solange die Verteilung der
Aufträge den Geschoßfabriken überlassen war, erfolgte sie
nach ihren geschäftlichen Beziehungen zu den einzelnen Fabriken ohne
Rücksicht auf die Transportverhältnisse. Es kam vor, daß ein
Geschoß vom Stahlwerk Essen zum Preßwerk nach Berlin, zum
Bearbeitungswerk nach Landsberg a. d. W. und
schließlich zur Füllstelle wieder nach Essen ging, [287] Gesamttransportweg
1280 km. Preßwerke bei Bremen wurden von Stahlwerken in
Oberschlesien, Preßwerke in Dresden dagegen von Stahlwerken des
Ruhrreviers versorgt.
Die Militär-Eisenbahnbehörden konnten darauf einwirken, daß
bei Verteilung der Aufträge eine Berücksichtigung der
Transportwege stattfand. Allerdings mußten dabei technische
Rücksichten, z. B. die zum Teil aufeinander abgestimmte
Fabrikation einzelner Firmen, beachtet werden.
Die Verkehrsregelung für die kriegswirtschaftlichen Transporte der
besetzten Gebiete lag vollständig in der Hand der
Militär-Eisenbahnbehörden. Die Erztransporte, die fast
ausschließlich deutschen Werken zugeführt wurden, sind schon
erwähnt. Bei der Kohle war umgekehrt das Streben, die Kampffront und
das besetzte Gebiet aus den feindlichen Bergwerken zu versorgen, um diese in der
ersten Zeit notwendig gewesenen Massentransporte aus der Heimat zu vermeiden.
Die Kohlenverteilung an das Heer, an die Eisenbahnen, die kriegswirtschaftlichen
Betriebe, Gas- und Elektrizitätswerke, Privatindustrie und
Zivilbevölkerung erfolgte lediglich nach Transportrücksichten.
In den Kohlenbecken von Lüttich, Charleroi und Mons wurde geleistet:
|
Sept. bis
Dez. 1915 |
1916 |
Jan. bis
Sept. 1917 |
Geförderte Menge (in t) |
5 400 000 |
16 938 300 |
10 292 100 |
Davon mit der Eisenbahn abgefahren (in t) |
3 472 000 |
10 202 000 |
6 246 000 |
Im Osten wurde die Kohle des polnischen Dombrowa-Beckens und des
Braunkohlengebiets von Zawiercie und Lazy aus Transportrücksichten
südlich der Linie
Lyck - Bialystok - Slonim verwendet, im übrigen nach
Deutschland abgeführt, während die Versorgung des besetzten
Gebietes nördlich dieser Linie von Deutschland aus, vorwiegend
über See, erfolgte.
Es wurden geleistet: |
April bis
Dez. 1915 |
1916 |
Jan. bis
Sept. 1917 |
Geförderte Menge (in t) |
1 133 000 |
2 819 000 |
1 943 000 |
Davon mit der Eisenbahn abgefahren (in t) |
1 114 000 |
2 353 000 |
1 621 000 |
Der südliche Kriegsschauplatz war, mit Ausnahme einer geringen
Förderung in Serbien, ganz auf Zufuhren aus Deutschland angewiesen,
was - trotz Ausnutzung der
Donau - die Eisenbahn stark belastete.
Die Entwicklung eigener Kriegsindustrien im besetzten Gebiet ist mit aus
Transportrücksichten erfolgt. Im Westen war dies in weitestem Umfange
möglich. Es gelang, aus den verschiedenartigsten Betrieben Belgiens und
Nordfrankreichs 70% des gesamten Materialbedarfs der Westfront unmittelbar
zuzuführen. So konnte der Materialnachschub der Westfront an Kohle,
Schotter, Bauholz usw. im September 1917 mit durchschnittlich
täglich 296 Zügen aus dem besetzten Gebiet und mit nur 82
Zügen aus der Heimat befriedigt [288] werden. - Im
Osten kam eine derartige kriegswirtschaftliche Ausnutzung des besetzten Gebietes
nicht in Frage. In größeren Mengen lieferte es nur Verpflegung und
Holz für die Front. Letzteres mußte auch, so unerwünscht es
vom Transportstandpunkt aus war, in erheblichem Umfang der Westfront
zugeführt werden. - Im Südosten war Rumänien das
kriegswirtschaftlich wichtigste Gebiet, aber vorwiegend als Rohstofflieferant
für die Heimat. Bei der Ausfuhr stand an erster Stelle das Getreide, von
dem in den ersten neun Monaten des Jahres 1917 95 208 Wagen
abbefördert wurden. An zweiter Stelle kam Holz, von dem in der gleichen
Zeit 20 082 Wagen für den Weitertransport auf der Donau
abgefahren wurden. Der Menge nach an dritter Stelle folgte Erdöl, von dem
in dem genannten Zeitraume 12 944 Wagen zur Ausfuhr gelangten.
Die aus allen den eben geschilderten wirtschaftlichen Umwälzungen sich
ergebenden neuen Verkehrsbeziehungen wären leichter in richtige Bahnen
zu lenken gewesen, wenn eine planmäßige Umstellung der deutschen
Wirtschaft möglich gewesen wäre. Diese Möglichkeit wurde
vielfach angezweifelt und auf die freie, natürliche und darum im innersten
Kern wirtschaftliche Entwicklung der Friedenswirtschaft und ihrer
Verkehrsbeziehungen hingewiesen. Dabei wurden aber wohl grundsätzliche
Unterschiede übersehen. Die Konkurrenz mit den vielen freien
Mitbewerbern auf dem heimischen Wirtschaftsmarkt und seine Beziehungen zum
Weltmarkt zwingen im Frieden jeden Aufwand im Herstellungsprozeß
minutiös zu berechnen; dabei wird natürlich auch jeder Pfennig
überflüssiger Transportkosten festgestellt und durch
zweckmäßigere Maßnahmen beseitigt. Dieser schärfste
Regulator fehlte einer für die dringenden Bedürfnisse des Heeres
arbeitenden Kriegsindustrie, ebenso aber auch einer Kriegswirtschaft, die knappe
Vorräte nach viel zwingenderen Gesichtspunkten, als nach der reinen
Wirtschaftlichkeit, verteilen mußte.
Den fehlenden selbsttätigen Regulator hätte die behördliche
Beeinflussung und, wenn nötig, der behördliche Zwang ersetzen
müssen. Diese Aufgaben auf dem Gebiet des Transportwesens waren
(neben den Eisenbahnverwaltungen) auch Sache des Feldeisenbahnchefs.
Für sie waren beide leider bei Beginn des Krieges fast unvorbereitet. Erste
Anregungen auf diesem Gebiet waren zwar auf Veranlassung des damaligen
Chefs der Eisenbahnabteilung, Oberstleutnant Groener, vom Generalstab
aus ergangen. Sie hatten aber noch nicht über die ersten
Vorerörterungen mit den Zivilbehörden hinaus und nur zu einigen
selbständigen Maßnahmen der Eisenbahnabteilung, wie
Milchversorgung, Versorgung der Großstädte und Kohlenversorgung
der Industrie während Mobilmachung und Aufmarsch, geführt. So
kamen die getroffenen Maßnahmen meist erst als Korrekturen schon
eingerissener Mißstände zur Wirksamkeit.
Sie bestanden hauptsächlich in einer Beobachtung des Transportvorgangs
durch das General-Verkehrsamt und die kriegswirtschaftliche Abteilung des
[289] Feldeisenbahnchefs
und in der Abstellung unwirtschaftlicher und verkehrsstörender Transporte,
während es durch rechtzeitige Mitarbeit bei der wirtschaftlichen
Umstellung möglich gewesen wäre, die Bedürfnisse von
Betrieb und Verkehr von vornherein ausschlaggebend zu
berücksichtigen. - Auch die weitere Maßnahme, die
Ablenkung des Massengüterverkehres auf das Wasser, setzte erst von 1916
ab ein. Zu diesem Zeitpunkt aber war die nicht pflegsam genug behandelte
Binnenschiffahrt nicht mehr auf der Höhe ihrer
Leistungsfähigkeit.
Eisenbahnen und Wasserstraßen und die
Demobilmachung.
Schon seit dem Jahre 1917 wurden beim Feldeisenbahnchef die ersten
Vorbereitungen für die Demobilmachung bearbeitet; sie waren im
September 1918 abgeschlossen. Die Rückführung des Heeres nach
Abschluß des Waffenstillstandes konnte jedoch infolge der Bedingungen
desselben nicht in der vorgesehenen Weise erfolgen. Ohne die Vertrautheit aber
mit den zu erwartenden Aufgaben und ohne einzelne Vorbereitungen, wie die
Zugverbindungen für Demobilmachungstransporte, das System der
Rückführung der Materialzüge nach
Auflösungsbahnhöfen, Verteilung der Demobilmachungslager auf
die einzelnen Korpsbezirke, hätte der im Waffenstillstand geforderte
Rückmarsch zur Auflösung geführt.
Als im Westen von Anfang Oktober ab die Armeen in die
Antwerpen - Maas-Stellung zurückgingen, wurde die
Abbeförderung von Räumungszügen aus Nordfrankreich und
Belgien notwendig. Es wurden auf den Auflösungsbahnhöfen
gezählt:
vom 12. bis 31. Oktober |
10 448 Wagen |
vom 1. bis 15. November |
13 063 " |
Der Waffenstillstandsvertrag vom 11. November 1918 traf für die
Eisenbahnen, trotzdem die Räumung so gut eingeleitet war, im
ungünstigsten Zeitpunkt ein. Schon in Friedenszeiten bringt der November
mit seinen Getreide-, Kartoffel- und Rübentransporten starke
Verkehrsschwierigkeiten. Sie wurden jetzt im besetzten Gebiet und in den
westdeutschen Eisenbahn-Direktionsbezirken durch die Versprengten und
Abgekommenen, die auf den Bahnhöfen Züge anhielten und
ausraubten, und durch Eingriffe der Soldatenräte noch sehr erheblich
gesteigert.
Trotzdem konnte der Versorgungsapparat der Armee aufrechterhalten werden,
indem sofort mit Ausnahme von Verpflegung, Betriebsstoffen, Bekleidung und
Lazarettzügen jeder Verkehr zur Front eingestellt wurde. Vom 15.
November ab gelang es, auch in die Abbeförderung die notdürftigste
erste Ordnung hineinzubringen. Der Abtransport der Verwundeten und Kranken
konnte glatt bewältigt werden. Weiter wurden diejenigen Formationen zum
[290] Bahntransport
bestimmt, die (wie unbespannte Batterien, Lazarette, Behörden,
Eisenbahn- und Etappenformationen) nicht mit Fußmarsch die Rheinlinie
erreichen konnten. Schließlich wurden einzelne Materialien (Leder,
wichtige Arzneimittel, Betriebsstoffe) zur Beförderung zugelassen, die die
Heimat dringend gebrauchte.
Vom 19. November ab, als die Anfänge der Armeen die Landesgrenze
erreichten, wurde der Versuch gemacht, Divisionen aus dem linksrheinischen
Gebiet abzubefördern. Es gelang nur, 13 Divisionen bis Ende November
von dort abzufahren. Am Rhein staute sich das große Heer der Deserteure,
der Versprengten, Einzelformationen, Etappenformationen, die mit Gewalt ihren
Transport in die Heimat durchsetzten. Die Lage der Eisenbahnbeamten diesen
Leuten gegenüber war vielfach eine verzweifelte; es blieb nur übrig,
zunächst diese zuchtlose Masse, so gut es ging, abzuschieben. Allein aus
Köln mußten täglich
30 - 40 solcher wilden Transporte gefahren werden.
Mit Überschreiten des Rheins am 27. November kam der Abtransport der
Divisionen in geordnete Bahnen. Zur Gewinnung von Lokomotiven und Wagen
wurden Personen- und Güterverkehr aufs äußerste
eingeschränkt. Die Transportbearbeitung durch die nach Berlin verlegte
Eisenbahn-Transportabteilung des Westens und die Bvgs (Bevollmächtigte
Generalstabsoffiziere des Feldeisenbahnchefs) und Bbas (Beauftragte des
Feldeisenbahnchefs) erfolgte wie im Kriege. Die Zugzahl für die
planmäßige Abbeförderung der Divisionen des Westheeres
betrug:
vom 19. November bis 1. Dezember |
40 - 80 Züge täglich, |
vom 1. bis 10. Dezember |
98 "
" |
vom 11. bis 20. Dezember |
bis 110 " " |
Von da ab sank wieder die Zugzahl, einmal wegen der durch den Waffenstillstand
erzwungenen Lokomotiven- und Wagenabgabe an die Entente, die am 14.
Dezember begann; dann aber mußten auch Lokomotiven und Wagen
für den Osten frei gemacht werden. Neben den Transporten der
Divisionstruppen wurden zahlreiche Einzeltransporte abgefahren, im ganzen vom
19. November 1918 bis 18. Januar 1919 5 707 Transporte, also
durchschnittlich am Tage 100.
Zum Vergleich sei erwähnt, daß während des Aufmarsches
1914 täglich 560 Aufmarschzüge über die
Rheinbrücken, 650 westlich des Rheins gefahren wurden. Es ist allerdings
zu berücksichtigen, daß während der Demobilmachung ein
beschränkter Personenverkehr und die Gütertransporte für
Lebensmittel- und Kohlenversorgung aufrechterhalten wurden. Immerhin war es
stark fühlbar, daß Zusammenbruch und Revolution die Disziplin des
Heeres und die Pflichttreue der Eisenbahner erschüttert hatten; damit waren
die Grundlagen der bisher so glänzenden Leistungen des
Militäreisenbahnwesens im Weltkriege ins Wanken gekommen.
[291] Auch im Osten begann
schon vor dem Waffenstillstand ein geregelter Räumungsverkehr, der mit
nicht unerheblichen Mengen auch über See geleitet wurde. Bevor aber die
Rückführung des Ostheeres einsetzte, wurde durch den
unrühmlichen Zusammenbruch der deutschen Truppen im Gebiet des
Generalgouvernements Warschau eine planmäßige
Abbeförderung überhaupt in Frage gestellt. So war das ganze Ostheer
auf die wenigen ostpreußischen Bahnen zusammengedrängt;
für die Truppen in der Ukraine aber war die letzte mögliche
Bahnverbindung über
Brest-Litowsk - Bialystok - Prostken von Westen durch die
Polen, von Osten durch die Bolschewiken schwer gefährdet. Dabei wurde
ihr Abtransport durch einen ukrainischen Aufstand gegen die bisherige
Hetmansregierung erheblich verzögert. Bis Mitte Dezember wurden
täglich nur zwei bis drei Züge über
Brest-Litowsk weitergeführt, dann aber stieg die tägliche Zugzahl auf
sechs bis sieben. Anfang Februar 1919 wurde der letzte Transport der
Ukrainetruppen in Brest übergeben. Dann räumte die
Militär-Eisenbahndirektion 6 in
Brest-Litowsk planmäßig ihr Gebiet und zog sich mit allem Personal
und Material in die Heimat zurück. Nur die 15.
Landwehr-Division war in Nicolajew durch ukrainische Aufständische
abgeschnitten und mußte über Konstantinopel abgefahren
werden. - Daß der Abtransport des Ostheeres überhaupt
gelang, ist den für diese Aufgabe zuerst gebildeten Freikorps und dem
pflichttreuen Ausharren der Eisenbahner der
Militär-Eisenbahndirektion 6 zu danken.
Der Abtransport der deutschen Truppen und Eisenbahnformationen aus dem
Südosten hatte mit dem Zusammenbruch der Türkei und Bulgariens
schon Ende September 1918 begonnen. Aus der Türkei konnte ein Teil
über Nicolajew durch die Ukraine die Heimat erreichen. Die restliche
Masse wurde zunächst bei Konstantinopel interniert und im Frühjahr
und Sommer 1919 erst nach vielen Schwierigkeiten über See nach
Deutschland abgefahren.
Für die Truppen aus Serbien und Rumänien war wegen der
ausbrechenden Revolution in Ungarn und in Österreich ein
planmäßiger Abtransport unmöglich. Unter Ausnutzung der
aus den Gebieten der Militär-Eisenbahndirektion 7, 9 und 10
zurückgeführten deutschen Lokomotiven und Wagen, durch
besondere Zahlungen an das Eisenbahnpersonal, durch viel Mühe, Bitten
und Verhandeln der Offiziere des Feldeisenbahnchefs in Wien und Budapest bei
den verschiedensten Ministerien, durch Hergabe deutscher Kohle nach
Österreich, der Tschechoslowakei und Ungarn gelang es aber doch, bis
Ende 1918 den Durchtransport zu erreichen.
|