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Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung, Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden Organisationen

  Kapitel 6: Das Militäreisenbahnwesen
(Eisenbahnen und Schiffahrt)
  (Forts.)

Oberst Stefan v. Velsen

5. Die Hauptaufgaben des Heeres-Transportwesens während des Krieges.

Die strategische Ausnutzung der Eisenbahnen.

Wohl hatten Moltke und Schlieffen gelehrt, daß in der neuen Periode der Kriegführung, in der sich Europa seit 1870 befindet, strategische Bewegungen der Millionenheere der Gegenwart nur auf den Eisenbahnen ausführbar sind, und daß die Kampfkraft dieser Massenheere von ihrer engen Verbindung mit den Eisenbahnen durchaus abhängig ist. Wie umstürzend aber dieser Einfluß der Eisenbahnen auf die ganze Kriegführung einwirkte, sollte die Welt erst in vollem Umfange im Weltkriege erkennen. Die Militärwissenschaft vor dem Kriege und, von ihr beeinflußt, die deutsche höhere Führung sahen in den Eisenbahnen zunächst noch in erster Linie die Nachschubstraße, was sie auch in früheren Kriegen allein gewesen war.

Zum Glück für Deutschland stand an der Spitze des Feldeisenbahnwesens in dem Oberst, späteren General Groener der Mann, der die strategische Bedeutung der Eisenbahnen erkannt und durchdacht hatte. Er wußte, daß dieser Aufgabe der Eisenbahnen der Vorrang mit allen Mitteln gegen die der Truppe näherliegenden Versorgungsinteressen erkämpft werden mußte. Er besaß aber auch den Weitblick und die Energie, das Kriegswerkzeug "Eisenbahn" überall auf höchste Leistungsfähigkeit zu bringen und so zu erhalten. Wie den Legionen Roms der römische Straßenerbauer, wie Napoleon seinen Heeren durch die Chausseen in der erhöhten Beweglichkeit eine Verstärkung ihrer Kampfkraft gab, so waren auch die gewaltigen Eisenbahnbauten, die Groener auf allen Kriegsschauplätzen anordnete, in erster Linie strategisch gedacht.


Die Offensive im Westen bis zur Marneschlacht.

Bei der den Krieg einleitenden Operation in Frankreich haben die Bahnen leider den an den Feind stürmenden Heeren nicht die strategische Unterstützung [240] gewähren können, zu denen sie wohl befähigt gewesen wären. Es will scheinen, als ob das Problem der Marneschlacht stark mitbestimmend von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet werden sollte. - Eine Abhilfe im Schlieffenschen Sinne wäre es wohl gewesen, sofort nach beendetem Aufmarsch - wenn dieser einmal so wie 1914 angeordnet war - mehrere Armee-Korps des linken Flügels auf den drei großen zweigleisigen Transportstraßen des Rheins und der Eifel in dichtester Zugfolge hinter den rechten Heeresflügel zu werfen. In knapp 3 Tagen hätten mindestens 3 Armee-Korps, für welche bei Mainz und südlich die Wagenreserven bereitstanden, bei Aachen vormarschbereit stehen können, um dem Flügel, mit dem man siegen wollte, als zweite Staffel zu folgen. Mit ihnen und mit dem Garde-Reserve- und XI. Armee-Korps, die nicht nach Ostpreußen abtransportiert werden durften, wäre der deutsche rechte Heeresflügel, so wie es die tatsächlichen Verhältnisse auf feindlicher Seite jetzt erkennen lassen, wohl allen Gefahren gewachsen gewesen. Selbst wenn man bedenkt, daß das französische Bahnnetz schnelle operative Verschiebungen nach dem linken französischen Flügel gestattete. Nach den vierjährigen Erfahrungen aber in der operativen Verwendung moderner Massenheere möchte man es für richtig halten, wenn die deutschen Armeen etwa nach Erreichen der Linie Amiens - St. Quentin - Hirson - Sedan Halt gemacht, sich neu gruppiert und ihre rückwärtigen Verbindungen geordnet hätten. Der Nachteil allerdings, daß die geschlagenen feindlichen Verbände wieder aufgefrischt, und daß der feindliche linke Flügel planmäßig verstärkt wurde, mußte in den Kauf genommen werden. Dafür aber hätte man, basiert auf die belgischen und nordfranzösischen Bahnen, verstärkt mit allen den technischen Kampfmitteln, die 1914 auf 250 km von den Bahnendpunkten entfernt gar nicht mitgeführt werden konnten, den Feldzugsabschnitt mit günstigeren Aussichten eröffnen können, der den Entscheidungskampf mit dem auf Paris gestützt operierenden Feinde bringen mußte.

Tatsächlich war 1914 im Westen nach beendetem Aufmarsch von einer planmäßigen strategischen Ausnutzung der Eisenbahnen nicht mehr die Rede.


Der Feldzug 1914 in Ostpreußen (Gumbinnen, Tannenberg, Schlacht an den Masurischen Seen).

Im Osten war zunächst nur eine Bereitstellung der 8. Armee in breiter Front längs der deutsch-russischen Grenze vorgesehen. Bis zum 11. August waren eingetroffen:
      die beiden Divisionen des Landwehrkorps bei Lublinitz und Ostrowo,
            6. Landwehr-Brigade bei Gnesen,
            3. Reserve-Division bei Hohensalza,
            40. Landwehr-Brigade bei Goßlershausen,
            XVII. Armeekorps bei Deutsch-Eylau,
            XX. Armeekorps bei Allenstein,
[241]       I. Reservekorps bei Angerburg und Nordenburg,
            I. Armeekorps und 1. Kavallerie-Division bei Gumbinnen,
            2. Landwehrbrigade bei Tilsit.

Ein Aufmarsch, wie ihn Schlieffen kennzeichnet, d. h. ein Heranführen bis zu den Eisenbahnendpunkten, von denen aus die Korps und Divisionen ihren Platz in der Schlachtordnung erreichen, sollte erst erfolgen, wenn die Russen den Vormarsch antraten und ein Ziel für die allein auf der operativen und taktischen Beweglichkeit begründete deutsche Überlegenheit boten. Operative Beweglichkeit gewährten die ostpreußischen Eisenbahnen völlig, die, wie der später zu schildernde Aufmarsch zur Winterschlacht in Masuren bewiesen hat, in der Lage waren, hochgespannte Forderungen zu bewältigen.

Entgegen den an das Oberkommando der 8. Armee herantretenden Anregungen, die Vormärsche nach Polen hinein zur Erwägung stellten, blieb dies der Schlieffenschen Anschauung treu, daß erst ein entscheidender Schlag gegen die russische Niemen-Armee die Freiheit zu weiteren Entschlüssen gewähren mußte. Für diese Offensive kam nach dem Eisenbahnnetz die Versammlung eines starken Stoßflügels um Lötzen oder ein Aufmarsch um Insterburg in Frage. Ersterer Entschluß mit der Absicht, die russische Armee von Kowno und auf die Memel abzudrängen, wäre Schlieffensch gewesen. Die Eisenbahn hätte die überraschende Versammlung von mehreren Divisionen in wenigen Tagen hier gestattet; das XX. Armeekorps wäre mit Fußmarsch heranzuziehen gewesen.

Die tatsächlich angeordnete Verschiebung der 3. Reserve-Division und der 6. Landwehr-Brigade nach Lötzen am 12. und 13. August mit 20 Zügen täglich und des XVII. Armeekorps mit 40 Zügen täglich über Korschen und über Königsberg nach Insterburg, wo es vom 14. bis 18. August auslud, führte am 20. August zur Frontalschlacht bei Gumbinnen. Sie wurde vor gefallener Entscheidung deutscherseits abgebrochen.

Für den auf die Nachricht vom Vormarsch starker russischer Kräfte vom Narew her beschlossenen Rückzuge hinter die Weichsel wurden verladen:
      3. Reserve-Division: Truppen: Angerburg, Nordenburg;
            Kolonnen und Trains: Lötzen, Stürlack, Rastenburg.
      I. Armeekorps: Insterburg, Norkitten, Wehlau, Tapiau, Königsberg.

Wie aus diesem so eingeleiteten Rückzuge der neue Oberbefehlshaber Hindenburg und sein Generalstabschef Ludendorff der sieben Armeekorps starken russischen Narew-Armee in der Schlacht von Tannenberg ein Cannä bereiteten, ist bekannt. Die rechtzeitige Bereitstellung zum Angriff war nur durch planmäßiges Zusammenstimmen von Fußmärschen und Bahntransporten möglich. Während die Stoßgruppe des linken Flügels (XVII. Armeekorps, I. Reservekorps, 6. Landwehr-Brigade), auf das Schlachtfeld marschierend, erst vom 26. August ab eingreifen konnte, mußte die Mitte (XX. Armeekorps und die [242] Landwehr-, Landsturm- und Ersatztruppen des Generals v. Unger), bis dahin schon seit dem 23. August hinhaltend fechtend, den 100 km breiten Raum von Neidenburg bis zum Spirdingsee decken. Ihr konnte zunächst nur die 3. Reserve-Division nach Allenstein als Flügelstaffel zugeführt werden, die dort am 23. August auslud. Erst während der Schlacht von Tannenberg traf dann noch am 27. und 28. August die Landwehr-Division v. d. Goltz mit der Eisenbahn bei Bissellen westlich Allenstein ein. Inzwischen aber war auf dem rechten Flügel eine Angriffsgruppe gebildet durch das von seinem Transport hinter die Weichsel abgedrehte I. Armeekorps, das vom 23. bis 26. August bei Deutsch-Eylau und südlich ausgeladen wurde, und durch die aus Festungsbesatzungen zusammengestellte Brigade v. Mülmann, die sich bei Strasburg sammelte.

Die Eisenbahntransporte für Tannenberg haben nur zu einem geringen Teile zum Erfolge beigetragen; es war in erster Linie ein Verdienst der Führung, die den ungebrochenen Wert ihrer Truppe zu erkennen und in ungeheurem Wagnis, den siegreichen Rennenkampf in Flanke und Rücken, aus dem Rückzug einen beiderseits umfassenden Angriff gegen die überlegene Narew-Armee zu gestalten wußte. Die Transportanforderungen waren nicht groß; daß sie nur mit mancherlei Stockungen bewältigt werden konnten, lag an dem Flüchtlingsstrom, der sich auf die Eisenbahn ergossen hatte. Es ist das eine kaum abwendbare Schwierigkeit, mit der bei Operationen im eigenen Lande, die ein Ausweichen bedingen, gerechnet werden muß.

Die aus dem Westen herangeführten Verstärkungen trafen erst nach der Schlacht von Tannenberg ein. Sie wurden vom 2. bis 6. September ausgeladen:

    XI. Armeekorps in Osterode, Bissellen, Allenstein;
    Garde-Reservekorps in Mühlhausen, Güldenboden;
    8. Kavallerie-Division in Mohrungen, Wormditt.

Die Gruppierung der so verstärkten 8. Armee, aus der am 4. September zum Angriff gegen Rennenkampf angetreten wurde, fand nur durch Fußmarsch statt.


Der Herbstfeldzug 1914 in Polen.

Nach dem unglücklichen Ausgang der Schlacht von Rawa-Ruska und der zweiten Schlacht von Lemberg waren die österreichisch-ungarischen Armeen Mitte September 1914 in vollem Rückzuge auf den San. Politische und militärische Gründe verlangten ihre unmittelbare Unterstützung durch deutsche Truppen. Nach der allgemeinen Lage war nur Generaloberst v. Hindenburg, dessen Truppen zur gleichen Zeit in der Verfolgung der russischen Niemen-Armee die ostpreußische Ostgrenze überschritten, zu dieser Unterstützung verfügbar. Während eine schwache 8. Armee die Verfolgung fortsetzte, wurde aus Garde-Reserve-, XI., XVII. und XX. Armeekorps, den Hauptreserven Thorn [243] und Posen, der 8. Kavallerie-Division und den erforderlichen Etappenformationen die 9. Armee gebildet.

Über 800 km waren diese Kräfte von den Bundesgenossen entfernt. Wirksam aber konnten diese nur aufgenommen werden, wenn es schnell gelang, einen Gegenstoß auf ihrem bedrohten Nordflügel zu führen.

In der Nacht vom 16. zum 17. September begannen die Einladungen um Korschen - Lötzen und um Wehlau - Königsberg. Schon am 28. September, als die russischen Heeresberichte den Rückzug der Österreicher hinter den Dunajec und die Eroberung der Karpathenpässe meldeten, trat die deutsche 9. Armee aus der Linie Krakau - Kreuzburg zur Entlastungsoffensive an. Auf den beiden Transportstraßen: Korschen - Thorn - Gnesen - Jarotschin - Kreuzburg und Königsberg - Dirschau - Schneidemühl - Posen - Breslau - Kattowitz - Krakau waren 750 Truppenzüge, dazu Verpflegungszüge, Munitionszüge und zahlreiche Einzeltransporte in knapp 14 Tagen durchgeführt. Zum Vergleich für den Umfang moderner Heeresbewegungen sei erwähnt, daß der gesamte deutsche Aufmarsch 1870 gegen Frankreich 1492 Truppentransporte, also nicht ganz die doppelte Zugzahl, beanspruchte.

Die Offensive der 9. Armee, der sich der österreichisch-ungarische linke Heeresflügel anschloß, führte bis dicht vor Iwangorod und Warschau, konnte aber gegenüber der gewaltigen russischen Überzahl nicht durchdringen. Am 18. Oktober mußte das Armee-Oberkommando den Entschluß zum Zurückgehen, zunächst in die Linie Radom - Lowicz, fassen. Große Erfolge waren aber doch erzielt; von dem zusammenbrechenden österreichisch-ungarischen Heer in Galizien wurden starke Kräfte auf die 9. Armee abgezogen, und die gegen sie eingesetzten drei russischen Armeen waren zunächst einmal 200 km von dem wichtigen oberschlesischen Kohlengebiete zum Stehen gebracht worden. Die aus eigenem Entschluß und in voller Ordnung weichende 9. Armee aber war in der Lage, die polnischen Bahnen westlich der Weichsel so nachhaltig zu zerstören, daß die Russen nur langsam folgen konnten.

Die gründliche Loslösung vom Feinde und die mit dem Erreichen der deutschen Grenze wieder ermöglichte Ausnutzung eines leistungsfähigen Bahnnetzes gab der 9. Armee die operative Bewegungsfreiheit, um zu neuem Schlage gegenüber dem russischen rechten Flügel auszuholen. Er sollte aus der Linie Jarotschin - Thorn umfassend angegriffen werden, während an die Stelle der 9. Armee die k. u. k. 2. Armee trat, die aus den Karpathen mit der Bahn in die Gegend von Lublinitz und Kreuzburg geführt wurde.

Zum Angriff wurden vom Oberbefehlshaber Ost 8 Infanterie-Divisionen und Etappen-Formationen aus Schlesien, 4 Infanterie-Divisionen und Etappen-Formationen aus Ostpreußen herangeführt. Von den aus dem Westen erbetenen Verstärkungen konnten nur 3 Kavallerie-Divisionen rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden. Am 5. November begannen in Ostpreußen, am 6. November [244] in Schlesien die Einladungen, am 15. November waren die Ausladungen beendet. In 10 Tagen waren nahe an 800 Truppentransportzüge in die Flanke der Russen geführt, die ihrerseits, durch die Zerstörung des polnischen Bahnnetzes operativ unbeweglich, in tastendem, schrittweisem Vorgehen in der alten Richtung auf Oberschlesien begriffen waren.

Um aber einen Begriff von der Leistungsfähigkeit eines modernen Eisenbahnnetzes für strategische Verschiebungen zu geben, sei hier einschaltend bemerkt, daß eisenbahntechnisch an Stelle der täglich 80 Züge gut täglich das Doppelte in den gleichen Aufmarschraum hätte befördert werden können. Selbst in diesen vorwiegend landwirtschaftlichen Provinzen, Posen und Westpreußen, hätten zu gleichzeitiger Benutzung 5 zweigleisige und 3 eingleisige Bahnen zur Verfügung gestanden. - Es waren also Fragen der Bereitstellung, nicht der Heranführung, wenn nicht stärkere, für einen entscheidenden Sieg westlich Warschau vielleicht ausreichende Kräfte für die Offensive, zu der der linke Flügel am 11. November antrat, bereitstanden.

Die zweite Welle, die den nach glänzenden Anfangserfolgen festgelaufenen Angriff über Lodz hinaus bis zur Bzura und Rawka vorwärts trug, wurde erst in der Zeit vom 23. November bis 7. Dezember an der deutschen Grenze ausgeladen, nur schwache Teile konnten in den späteren Tagen auf der normalspurigen Bahn Thorn - Warschau einige Stationen über Alexandrowo hinaus vorgeführt werden. Es wurden antransportiert: 7 Infanterie-Divisionen aus dem Westen und 1 Infanterie-Division, 1 Kavallerie-Division aus Ostpreußen, in im ganzen rd. 600 Truppentransportzügen.

An der Bzura und Rawka, nur noch brückenkopfartig auf dem westlichen Weichselufer vorgeschoben, konnte der russische rechte Flügel sich halten, der Mitte September das österreichisch-ungarische Heer durch umfassenden Angriff vernichtend bedroht hatte, und der Anfang November mit 3 Armeen in langsamem, aber, wie es schien, unaufhaltsamem Vorgehen auf Oberschlesien gewesen war. Großes war erreicht. Kraftvoll, schnell und unbemerkt vom Feinde durchgeführte Heeresverschiebungen mit der Eisenbahn hatten diese Erfolge ermöglicht.


Die Winterschlacht in Masuren.

Die Ostkämpfe im Jahre 1914 hatten nur zwei Formen der strategischen Heerestransporte gebracht: Die operative Verschiebung von Armeen auf demselben Kriegsschauplatz und die Heranführung von Verstärkungen (Korps und Divisionen) vom Westen nach dem Osten. Die Aufstellung neuer Kräfte um die Jahreswende 1914/15 sollte die Gelegenheit geben, durch die Heranführung einer starken neuen Armee die auch im Osten zum Stellungskrieg erstarrte Kampffront wieder in Bewegung zu bringen.

[245] Ihr Einsatz mußte um so wirksamer sein, je besser es gelang, sie schnell und überraschend zu schlagartigem Vorgehen bereitzustellen. Die günstigste Gelegenheit hierzu bot der russische Nordflügel, der auf ostpreußischem Boden der hinter der Seenlinie und Angerapp sich verteidigenden schwachen 8. Armee gegenüberlag. Hier konnten auf dem leistungsfähigen, im erprobten Betriebe der Eisenbahndirektion Königsberg befindlichen deutschen Bahnnetz 130 Züge täglich zuverlässig geleistet werden.

Mit dieser Eisenbahnleistung war es möglich, die neue 10. Armee mit dem XXI. Armeekorps aus dem Westen und dem XXXVIII., dem XXXIX. und dem XXXX. Reservekorps, die in der Heimat neu aufgestellt waren, dazu die erforderliche schwere Artillerie, Einzelformationen und Etappenformationen in den wenigen Tagen vom 2. bis 8. Februar auf beiden Flügeln der 8. Armee auszuladen. 3 Korps marschierten in der Linie Gumbinnen - Tilsit auf, während zu dem am rechten Flügel der 8. Armee westlich Rudczanny ausladenden XXXX. Reservekorps noch aus Polen die 5. Garde-Infanterie-Brigade und das XX. Armeekorps herangeführt wurden.

Der ganz außerordentlich hochgespannten, aber auch glänzend durchgeführten Leistung der Eisenbahnen entsprach der erste Erfolg der 8. und 10. Armee. Daß er nicht weiter in Flanke und Rücken des russischen Heeres eindrang, lag neben den gewaltigen Schwierigkeiten, die ungünstiges Wetter und russische Wege entgegenstellten, daran, daß die Russen in der Lage waren, starke Kräfte mit der Eisenbahn in die Gegend von Ostrolenka und von dort auf Prasznisz zum Gegenstoß gegen den deutschen rechten Flügel zu führen.

Bemerkenswert ist der Unterschied eines solchen Eisenbahnaufmarsches während der Operation gegenüber dem planmäßigen, im Frieden sorgfältig vorbereiteten ersten Aufmarsch. Seine Einleitung kann nicht mit einem einheitlichen Aufmarschprogramm hervortreten, sie muß improvisieren und eine Fülle von Einzelmaßnahmen und Einzeltransporten zu dem schlagartigen Aufmarsch an der von der obersten Heeresleitung bezeichneten Stelle verdichten.

Zur Winterschlacht in Masuren mußten zunächst Ende Dezember von jedem Infanterie-Bataillon der vier neu aufgestellten Korps (das XXXXI. Reservekorps kam nach dem Westen) 300 Mann einschließlich 10 Unteroffiziere mit kriegserfahrenen Soldaten der Westfront ausgetauscht werden. Gleichzeitig wurde an der Westfront durch Bildung von Batterien zu 4 Geschützen die Feldartillerie für die neuen Korps aufgestellt und dann in die Heimat überführt. Ende Januar wurden ferner diejenigen Einzelformationen in Marsch gesetzt oder zur Eingliederung in die Eisenbahnmarschkolonne bereitgestellt, die unmittelbar, meist von der Westfront aus, in das Aufmarschgebiet der neuen Armeen geleitet wurden: Bahnhofskommandanturen, Etappenhilfsbäckereikolonnen, Infanterie-Munitionskolonnen, schwere Batterien mit Fußartillerie-Munitions- [246] kolonnen, Korpsbrückentrains, Telegraphen-, Funker-, Luftschiffer-, Fliegerformationen, Etappenbehörden, -Truppen und -Kolonnen. Mit dem vom 29. Januar abends ab aus Gegend La Fère abzubefördernden XXI. Armeekorps, das inzwischen durch das aus der Heimat zugeführte XXXXI. Reservekorps abgelöst war, begann dann der Aufmarsch, mit dem die Abbeförderung der drei Reservekorps aus der Heimat so in Einklang zu bringen war und in den die Einzeltransporte so eingegliedert werden mußten, daß eine geschlossene Transportbewegung von 130 Zügen täglich in der Nacht vom 1. zum 2. Februar mit den Anfängen die Weichsel überschritt.

Im Gegensatz zum ersten planmäßigen Aufmarsch des Heeres, bei dem nach Beendigung der Ausladungen eine gewisse Ruhepause für die Eisenbahn eintrat, folgte dem Aufmarsch zur Winterschlacht in Masuren eine ständige Verschiebung starker Kräfte nach Ostpreußen. So wurden noch im Februar 1 Infanterie-Division - 5 gemischte Infanterie-Brigaden - 2 Kavallerie-Divisionen zugeführt.


Die Offensive gegen Rußland 1915.

Bei ihr trat die operative Bedeutung der Eisenbahnen zunächst in der gleichen Weise in Erscheinung, wie bei den Transporten zur Winterschlacht in Masuren. Zur Durchbruchsschlacht von Gorlice - Tarnow östlich Krakau wurden auf drei Transportstraßen in erster Linie 6 Divisionen aus dem Westen mit im ganzen 60 Zügen täglich herangeführt; der Abtransport begann am 17. April. Als zweite Staffel folgte, mit den Einladungen am 25. April beginnend, ein Armeekorps, und eine weitere Division rollte, nachdem am 2. Mai die Schlacht geschlagen war, am 3. Mai mit ihren Anfängen aus dem Westen ab.

Bemerkenswert bei der Heranführung der 11. Armee waren die Maßnahmen, um dem feindlichen Nachrichtendienst das Erkennen der großen operativen Bewegung und ihres Zieles zu erschweren. Es wurde neben ihr durch Landsturmtruppen und Ersatztransporte eine geschlossene Transportbewegung vom Osten nach dem Westen vorgetäuscht. Die Transporte der 11. Armee selbst wurden über Posen, Berlin und Stettin nach Ostpreußen bearbeitet, einige an ihrer Spitze eingelegte Landsturmbataillone wurden zur Täuschung tatsächlich dorthin weitergefahren. Die Anfänge der Armee selbst wurden in den drei vorgenannten Orten dann über Oberschlesien nach Galizien abgedreht.

Auch im weiteren Verlauf der Offensive spielte die Eisenbahn zunächst als Zubringer der für die Fortführung des Angriffes notwendigen Kräfte die schon mehrfach dargestellte, wichtige Rolle. Ganz eigenartig wurden erst wieder die Zusammenhänge zwischen Strategie und Eisenbahnen fühlbar, als über die Weiterführung der Offensive, nach dem Fall Lembergs am 22. Juni, entschieden werden mußte.

[247] Bei dem von der deutschen Obersten Heeresleitung angeordneten Vorgehen der Heeresgruppe Mackensen zwischen Bug und Weichsel und der Armee v. Gallwitz beiderseits Prasznisz waren die Eisenbahnverhältnisse wenig günstig.

Die Heeresgruppe Mackensen hatte die zweigleisige Bahn Krakau - Przemysl - Lemberg, die vorwiegend durch deutsche Eisenbahnbautruppen frühzeitig wieder hergestellt war, als Basis. Die von ihr an die Grenze zwischen Bug und Weichsel führenden Bahnen waren für die Versorgung starker Truppen völlig unzureichend. Eine erhebliche Zahl von Eisenbahnbaukompagnien mußte eingesetzt werden, um ihre Bahnhöfe für einigen Verkehr zu erweitern; nennenswerte Verbesserungen konnten aber erst nach Monaten erzielt werden. An sie schloß sich ein eisenbahnloser Raum von 70 - 80 km Tiefe an, bis bei Cholm und Lublin die breitspurige russische Eisenbahn erreicht wurde; etwas günstiger lagen die Verhältnisse dicht östlich des Bug, wo die Zweigbahn von Kowel nach Wladimir Wolynsk sich den galizischen Bahnen auf etwa 50 km näherte.

In diesem eisenbahnlosen Raum wurde nur die sehr flüchtig hergestellte russische Kriegsbahn Rozwadow - Lublin vorgefunden, die eine durchgreifende Verbesserung erforderte. Sehr starke Eisenbahnbaukräfte mußten eingesetzt werden, um Feldbahnen von Belzec nach Cholm und von Uhnow nach Norden gegen den Bug zu bauen. Trotzdem gelang es nicht, der Heeresgruppe den für die Durchführung der Angriffe notwendigen Nachschub in ausreichender Menge zuzuführen.

Besonders fühlbar wurde weiterhin, daß es mit Erreichen der russischen Eisenbahn Cholm - Lublin noch nicht gelang, die Wiederherstellungsarbeiten in größerem Umfange aufzunehmen. Es war nicht möglich, stärkere Baukräfte mit ihrem Material heranzubringen.

Ähnlich lagen die Verhältnisse im Angriffsraum der Armee Gallwitz. Hier war die auf dem äußersten rechten Flügel gelegene, damals noch eingleisige Bahn Illowo - Warschau die einzige Verbindung zwischen dem deutschen und dem russischen Eisenbahnnetz, mit deren nachhaltiger Unterbrechung an der Narewbrücke innerhalb der Festung Nowo Georgiewsk gerechnet werden mußte. An sie schloß sich bis zur Bahn Lyck - Bialystok ein 150 km breiter und 70 bis 100 km tiefer Raum, in dem jede Verbindung zwischen den ostpreußischen Eisenbahnen und der russischen Bahn Tluscz - Ostrolenka - Lapy fehlte. Um hier der Armee Gallwitz den Nachschub zuführen zu können, mußte neben einigen Verlängerungen von Feldbahnen ein Vollbahnneubau von Willenberg nach Ostrolenka unternommen werden. Trotz Einsatz starker Eisenbahnbaukräfte, die Vorzügliches leisteten, gelang es auch hier der Eisenbahn nicht, der vorgehenden Armee genügend dicht zu folgen.

Wäre die Fortsetzung der Offensive in Galizien und Ostpreußen mehr von den beiden Flügeln aus erfolgt, so hätten die Eisenbahnverhältnisse zweifellos günstiger gelegen. Im Süden bestanden von Lemberg über Brody - Radzi- [248] wilow nach Sdolbunowo und von Tarnopol über Wolotschisk nach Proskurow leistungsfähige Vollbahnverbindungen zwischen Galizien und der Ukraine, beide ohne besonders schwierige Kunstbauten, die erstgenannte auf der Wasserscheide zwischen Bug und Seret sogar mit besonders günstigen Verhältnissen für die Wiederherstellung. - Die Bahnen an der ostpreußischen Südostgrenze waren an die russischen schon im Frieden über Wirballen - Kowno und über Lyck - Prostken - Grajewo - Bialystok angeschlossen. Eine weitere Verbindung war im Frühjahre 1915 von Marggrabowa nach Suwalki hergestellt worden, die in den russischen Bahnen von Suwalki nach Grodno und von Suwalki nach Olita ihre Fortsetzung fand. Bei Kowno, Olita und Grodno mußte allerdings mit der Zerstörung der recht bedeutenden Niemen-Brücken gerechnet werden. Die Bahn Lyck - Bialystok mit ihren Fortsetzungen auf Brest-Litowsk und Wolkowisk konnte dagegen für die Wiederherstellung nur unerhebliche Schwierigkeiten bringen.

Die gleichen Baukräfte, die zwischen Bug und Weichsel und bei der Armee Gallwitz in Richtung auf Ostrolenka verwendet wurden, hätten beim Einsatz im Süden Richtung Schepetowka - Sdolbunowo und im Norden Richtung Wolkowisk - Lida - Molodetschno den vorgehenden Armeen dicht folgen können.

Auch für die Neugruppierung der Armeen zur Fortführung der Offensive war das Eisenbahnnetz günstiger, wenn die Stoßkräfte mehr nach den Flügeln und damit an den großen leistungsfähigen Eisenbahnen, die nach Rußland hineinführten, versammelt wurden.

Die Eisenbahnlage auf russischer Seite war folgende: Die militärisch wichtigsten Eisenbahnverbindungen lagen hinter den Flügeln des russischen Heeres, von den Ausgangsstellungen eines Angriffes des deutsch-österreichisch-ungarischen Nord- und Südflügels nicht allzu weit entfernt. Näheres ergibt die nachstehende Übersicht:

Hinter
welchem
Teil der
russischen
Front?

Strecke
Wieviel
Gleise?
Entfernung von dem Nord-
und Südflügel der
deutsch-österreichisch-
ungarischen Front
Anfang Juli 1915 in km

Hinter
dem
Nordflügel
Petersburg - Wilna - Grodno - Warschau 2gleisig   80
Bologoje - Polozk - Molodetschno - Sjedlez 2gleisig 150
Moskau - Minsk - Baranowitschi - Brest Litowsk 2gleisig 230

Hinter dem
Südflügel
Kiew - Kasatin - Rowno - Kowel 2gleisig 165

Hinter der
Mitte
Moskau - Bryansk - Gomel - Pinsk - Brest Litowsk nur strecken-
weise 2gleisig
320
Kiew - Korosten - Sarny - Kowel 1gleisig 300

[249] Die Heeresgruppe Mackensen und die Armee Gallwitz haben ihren Angriff trotz der ungünstigen Eisenbahnverhältnisse auf nahe an 300 km über ihre Stellungen vom Anfang Juli 1915 vorzutreiben vermocht.

Es bleibt allerdings zu berücksichtigen, daß bei einer Verlegung des Angriffes nach den beiden Flügeln die russische Heeresleitung über ein leistungsfähiges Eisenbahnnetz zwischen Bug und Weichsel und an der Narew-Front frei verfügen konnte. So hätte die russische Mitte die operative Beweglichkeit behalten, um auf der inneren Linie Gegenstöße zur Bedrohung der angreifenden deutschen Flügel in Flanke und Rücken zu führen, wenn sie moralisch und technisch hierzu noch fähig war.

Zusammenfassend kann vom Standpunkte der Eisenbahnen zu den beiden Plänen für die Fortführung der Offensive gesagt werden, daß für den Angriff von den beiden Flügeln aus die Eisenbahnverhältnisse wesentlich günstiger lagen. Wie die beiden Pläne für die übrigen Kriegsmittel, besonders für die Kampftruppe, operativ zu bewerten sind, kann hier nicht untersucht werden.

Das Operationsziel der von der deutschen Obersten Heeresleitung geführten Offensive waren die feindlichen Hauptkräfte, während das Ziel des Angriffs mit den beiden Flügeln zunächst nur die vier Haupteisenbahnlinien, die das russische Heer mit dem Hinterland verbanden, gewesen waren. Wie aber würde sich der Zustand des russischen Heeres gestaltet haben, wenn ihm nur noch die beiden mittelmäßigen Eisenbahnen über Pinsk und über Sarny als Verbindung mit der Heimat blieben? Konnten nicht bei der Abhängigkeit moderner Massenheere von den Eisenbahnen in einem solchen Fall die Eisenbahnen des Feindes ein vollwertiges Operationsziel sein?


Die Operationen in der Türkei und die Eisenbahnen.

Auf die Rolle, die die Türkei im Weltkriege spielen konnte, haben die Eisenbahnen einen ausschlaggebenden Einfluß ausgeübt. Die Türkei war nach Menschenzahl, militärischen Eigenschaften eines großen Teils ihrer Bevölkerung und durch die Tatkraft ihrer führenden Männer ein wertvoller Bundesgenosse. Der volle Einsatz ihrer Kraft aber ist an dem unzureichenden Eisenbahnnetz gescheitert.

Für die wichtige defensive Aufgabe, die der Türkei zunächst und vor allem zufiel - durch Sperrung der Dardanellen die Versorgung Rußlands mit Kriegsgerät zu verhindern - reichten die Zufuhrbahnen nach Konstantinopel notdürftig aus. Als es nach der Niederwerfung Serbiens im Herbst 1915 - über Ungarn, die Donau und Bulgarien - möglich wurde, der Dardanellen-Verteidigung Munition, schwere Artillerie und Pionierformationen zuzuführen, warteten die Engländer das Eingreifen deutscher Verstärkungen nicht ab. Sie räumten auf Gallipoli am 19./20. Dezember 1915 die nördliche, und in der Nacht vom 8. zum 9. Januar 1916 die südliche Landungsstelle.

[250] Im Januar 1916 gelang es nach Beseitigung der umfangreichen Zerstörungen auf der Strecke Nisch - Sofia die unmittelbare Eisenbahnverbindung mit der Türkei herzustellen. Sie gestattete anfangs nur 7 - 10 Züge wöchentlich für die Türkei. Mit nachdrücklicher deutscher Unterstützung wurde ihre Leistungsfähigkeit bis Mitte 1917 auf 20 Nachschubzüge wöchentlich erhöht, neben denen noch einige Truppenzüge gefahren werden konnten. Es ist dabei zu berücksichtigen, daß allein die von der Türkei geforderte Kohle 2/3 der Nachschubzüge beanspruchte, so daß die Heranführung von Heeresgerät und Eisenbahnmaterial immer noch stark beschränkt blieb. Es genügte aber, die Dardanellenverteidigung derart zu verstärken, daß die Entente bis zum Abschluß des Krieges auf weitere Unternehmungen gegen Konstantinopel verzichtete.

Die Stoßkraft der Türkei und ihre wirksame offensive Lage gegenüber wichtigen Gebieten des englischen Weltreiches (Ägypten und Indien) und gegenüber dem für die russische Kriegswirtschaft durch den Mineralölbezirk von Baku bedeutungsvollen Kaukasusgebiet konnten dagegen wegen der völlig unzureichenden Verkehrswege niemals zur Entwicklung kommen. Angriffe, die trotzdem nach allen drei Fronten (Ägypten, Mesopotamien, Kaukasus) versucht wurden, sind trotz guter Leistungen der türkischen Soldaten und hervorragender Mitarbeit deutscher Offiziere und deutscher Truppen, besonders der verschiedensten Spezialtruppen, an dem unzureichenden Bahnnetz gescheitert.

Die Stammlinie für alle diese Unternehmungen war die anatolische Bahn von Haidar Pascha (gegenüber von Konstantinopel) nach Konia mit der Abzweigung von Eskischehir nach Angora und die Bagdadbahn. Beide waren eingleisig und besaßen eine recht beschränkte Leistungsfähigkeit. Die Bagdadbahn von Konia bis Aleppo war 1914 noch am Taurus und Amanus-Gebirge unvollendet. Die Fertigstellung dieser technisch ungewöhnlich schwierigen Teilstücke, die die Baugesellschaft während der Abschnürung der Türkei von den Mittelmächten nur wenig zu fördern vermocht hatte, konnte erst vom Frühjahr 1916 ab wieder mit Unterstützung durch deutsche Eisenbahnbautruppen aufgenommen werden. Zunächst mußten sie allerdings als Landetappe auf schwierigsten Gebirgsstraßen mit Kraftwagenkolonnen umgangen werden. Hiermit war nur eine Nutzlast von 200 t täglich zu erzielen, eine Menge, die an den Verhältnissen des westlichen Kriegsschauplatzes gemessen, nur 1/3 des Tagesbedarfes einer einzigen Division darstellt. Mit der Herstellung des Feldbahnbetriebs über den Amanus im Sommer 1916 und über den Taurus Ende Januar 1917 konnte die Leistung der Etappe etwa vervierfacht werden. Nach Erweiterung der Feldbahntunnel auf Vollbahnprofil konnten später auch über 60 Lokomotiven und 600 Wagen in zerlegtem Zustande in das südlich des Amanus gelegene Vollbahnnetz transportiert werden. Am 1. August 1917 endlich konnte die Vollbahnstrecke über den Amanus in Betrieb genommen werden, während der Taurusabschnitt bis zum Zusammenbruch der Türkei unvollendet blieb.

Kleinbahnzug auf einer Station im Amanusgebirge.
[248a]      Kleinbahnzug auf einer Station im Amanusgebirge.

[251] Nach dieser eingehenderen Schilderung der Stammlinie, auf der alle Angriffsunternehmungen der Türkei basierten, seien die weiteren Verbindungen nach den Kriegsschauplätzen unter Gegenüberstellung der feindlichen Nachschublinien kurz skizziert:

Palästinafront: Von Aleppo bis Rejak eingleisige, wenig leistungsfähige Vollspurbahn, anschließend von Rejak bis Nabulus, etwa 80 km nördlich Jerusalem, Schmalspurbahn (1,05 m Spurweite). Von dort bis an den Suezkanal etwa 500 km Landetappe. Erst im Laufe des Krieges konnte allmählich die Schmalspurbahn bis auf etwa die Hälfte dieser Entfernung, bis Hafir el Audje, vorgetrieben werden. Demgegenüber verfügten die Engländer über den gesicherten Seeweg und in Ägypten über die leistungsfähige Vollspurbahn Alexandria - Ismailija nach Suez und nach Port Said. Als sie ihrerseits zur Offensive gegen die türkischen Truppen in Palästina schritten, ließen sie ihrem methodischen Vorgehen eine Schmalspurbahn in Kapspur folgen, so daß ihre Armee die Operationen in Palästina kampfkräftig zu eröffnen vermochte.

Front in Mesopotamien: Die Eisenbahnetappe nach diesem Kriegsschauplatz hörte bei Kriegsbeginn an der Euphratbrücke der Bagdadbahn bei Dscherabulus, 120 km nordöstlich Aleppo, auf. An sie schloß sich eine Landetappe von 700 km Länge an, eine Entfernung gleich der von den Alpen bis zur Nordsee. Bei Samara wurde das von Bagdad aus vor dem Kriege fertiggestellte Endstück der Bagdadbahn erreicht. Da an dieser Strecke nur die für den Vorbau erforderlich gewesenen Betriebsmittel vorhanden waren, war die Leistungsfähigkeit entsprechend gering. Im Herbst 1914 und Anfang 1915 gelang es noch, die Strecke von Dscherabulus bis Ras el Ain und von Samara bis nach Tekrit mit dem bereits vorhanden gewesenen Oberbaumaterial fertigzustellen und so die Landetappe noch um 250 km zu verkürzen. Immerhin behielten die Engländer wesentlich günstigere Verbindungen. Sie fuhren in Seeschiffen auf dem Schatt el Arab bis Basra; von dort bis Bagdad konnten auf dem Tigris 350 t-Dampfer verkehren, die die Strecke Basra - Bagdad in 4 - 5 Tagen zurücklegten.

Kaukasusfront: Von dem Endpunkt der anatolischen Bahn bei Angora war eine Landetappe von über 700 km Länge zu überwinden, da die russische maritime Überlegenheit auf dem Schwarzen Meer den Seeverkehr Konstantinopel - Trapezunt unterband. Die Russen dagegen verfügten, neben dem gesicherten Verkehr auf dem Schwarzen Meer, über die leistungsfähige Eisenbahn in Breitspur von Tiflis über Alexandropol nach Kars und nach Dschulfa.

Es würde über den Rahmen dieser Untersuchungen hinausgehen, die Operationen auf den drei Kriegsschauplätzen näher zu besprechen. Die Schilderung der vom Zentrum des Reiches zu ihnen führenden Verkehrswege läßt es verstehen, daß die türkischen Armeen modernen Gegnern nicht gewachsen waren, die Menschen und Material in reicherer Menge schneller heranbringen [252] konnten. Die Mißerfolge der großgedachten türkischen Operationen sind eine lehrreiche Bestätigung der Grundwahrheit, daß die Eisenbahnen ein Kriegswerkzeug, ein selbständiger, wichtiger, unentbehrlicher Teil der Kraft eines Heeres geworden sind.


Der Rumänische Feldzug 1916.

Der Feldzug gegen Rumänien 1916 gestattet noch einmal, an einer übersichtlichen, abgeschlossenen Operation den Zusammenhang von Strategie und Eisenbahn klar zu überblicken.

Während die Kräfte Deutschlands und Österreich-Ungarns im Westen und Osten auf das schärfste angespannt waren (Somme, Baranowitschi, Galizien, Görz), glaubte Rumänien seine Zeit gekommen, um mit der Aussicht, die Entscheidung gegen die Mittelmächte herbeizuführen, einzugreifen. An sich befand es sich strategisch in keiner vorteilhaften Lage; die Wallachei mit der Hauptstadt und dem wichtigen Erdölgebiet von Campina wurde von den Mittelmächten umklammert. Diese aber waren nicht imstande, diesen Vorteil ihrer Lage auszunutzen. Als Rumänien am 27. August den Krieg erklärte, standen nur drei stark geschwächte österreichisch-ungarische Infanterie-Divisionen mit wenigen, schlecht organisierten Grenzschutztruppen in Siebenbürgen; eine bulgarisch-türkische Armee mit einem schwachen deutschen Detachement war an der Donau in der Versammlung begriffen. Das schon fast fertig mobilisierte rumänische Heer hatte die Vorhand. Mit dem sofortigen Antreten zu einer Offensive nach Siebenbürgen, um die 20 - 90 km breiten transsylvanischen Alpen zu durchschreiten, ehe deutsche und österreichisch-ungarische Verstärkungen heran sein konnten, mußte gerechnet werden. Dagegen war anzunehmen, daß eine unmittelbare Unterstützung der kampfungewohnten rumänischen Truppen durch russische Verbände nicht sofort erfolgen würde. Hierzu stand an leistungsfähigen Eisenbahnen nur die Strecke Bender - Jassy zur Verfügung, die aber sehr erheblich für den sich weiter nach Süden ausdehnenden russischen Flügel in der Moldau benutzt werden mußte. Auf die Strecke Bender - Reni war militärisch kaum zu rechnen. Außerdem war der Spurwechsel zwischen Rußland und Rumänien und damit die Notwendigkeit, russische Verstärkungen aus dem an sich schon schwachen rumänischen Lokomotiv- und Wagenpark zu bedienen, ein Hindernis für die schnelle Verschiebung russischer Kräfte nach der Wallachei.

Der zuerst zwischen den Hauptquartieren der Mittelmächte vereinbarte Plan, den Gegenangriff mit dem Hauptstoß über die Donau von Bulgarien her zu führen, mußte aufgegeben werden. Mit der Leistung der beiden Zubringerlinien, 5 höchstens 6 Züge täglich auf der Strecke Nisch - Sofia und 2 Züge täglich auf der Transbalkanbahn, die die türkischen Divisionen heranführte, war es nicht möglich, den Aufmarsch und die Versorgung ausreichend starker Kräfte durchzuführen. Die Eisenbahnverhältnisse zwangen, den Haupt- [253] druck nach Siebenbürgen zu legen und hier wieder zum Verzicht auf die im östlichen Teil Siebenbürgens von der österreichisch-ungarischen Heeresleitung vorbereitete Stellung. Auch hier mußte man zu spät kommen, da östlich der Maros zum Aufmarsch höchstens 19 Züge täglich zur Verfügung gestanden hätten.

Günstiger lagen die Verhältnisse für einen Aufmarsch in der Linie Karansebes - Marosillye - Brad - Koloczvar, für den der k. u. k. Feldeisenbahnchef fünf, allerdings sämtlich eingleisige Transportstraßen mit im ganzen 55 Zügen täglich bestimmen konnte.

Auf Grund dieser Verhältnisse, gegen die alle sonstigen Absichten und Erwägungen zurückstehen mußten, ordnete die deutsche Oberste Heeresleitung, an deren Spitze inzwischen Generalfeldmarschall v. Hindenburg mit dem 1. Generalquartiermeister Ludendorff getreten war, den Aufmarsch in dieser Linie an. Welche Gedanken diesem Befehl zugrunde lagen, zeigt am besten die Direktive, die die deutschen, die Ausladungen leitenden Offiziere in Arad und Koloczvar erhielten. Sie lautete: "Nicht in Umfassung hineinfahren. Erst westlich geschlossene Verbände schaffen zum Vormarsch. Deutsche Kräfte sollen nicht kleckerweise eingesetzt werden. Leitender Gedanke: Massierung gegen rumänischen linken Flügel."

Bis zum 5. September aber wurde erkannt, daß für den erwarteten schnellen Einmarsch in Siebenbürgen weder die rumänische Truppe noch ihre Führung geeignet waren. An der siebenbürgischen Front hatten die Rumänen nur zögernd und schwerfällig vorgefühlt, und südlich der Donau hatten Truppe und Führung bei den ersten Zusammenstößen geradezu kläglich versagt.

Daraufhin wurde der Entschluß geändert und die Ausladungen entsprechend verlegt. Es wurde an der siebenbürgischen Ostfront, an der das von den Rumänen zu durchschreitende Gebirge in mehreren von Nord nach Süd laufenden Zügen durchschnittlich 100 km breit ist, eine Defensivfront möglichst weit nach Osten vorgeschoben. An der siebenbürgischen Südgrenze aber, gegenüber den Ausgängen aus den transsylvanischen Alpen, wurden die neu eintreffenden Kräfte zum Angriff auf die noch getrennten rumänischen Kolonnen bereitgestellt. Ausgeladen wurde nun die Masse der Infanterie nordwestlich Hermannstadt, die Kavallerie, zur Herstellung der Verbindung mit der Defensivfront, östlich davon in der Gegend von Schäßburg. - Nur die Ausnutzung der Eisenbahnen gegenüber den in schwerfälligen Märschen aus dem Gebirge heraustretenden Rumänen gestattete die rechtzeitige Umgruppierung, die Ende Oktober zum Sieg bei Hermannstadt, Anfang November zum Sieg bei Kronstadt führte. Als während der Bereitstellung zum Angriff eine westlich Hermannstadt durch den Szurduk-Paß vorgehende rumänische Kolonne die Ausladungen zu stören drohte, konnten zu ihrer offensiven Abwehr in den Gefechten bei Petroseny deutsche Kräfte nicht nur rechtzeitig mit der Eisenbahn herangeführt werden, sondern es konnte [254] die gleiche 187. Infanterie-Division auch wieder mit der Eisenbahn zur Schlacht bei Hermannstadt zur Stelle sein.

Nach den Siegen bei Hermannstadt und Kronstadt lag der Entschluß nahe, vom Rotenturm-Paß bis zum Bodza-Paß in südlicher Richtung weiter anzugreifen, um mit den über die Donau vorzuführenden Truppen des Generalfeldmarschalls v. Mackensen bei oder östlich Bukarest die Vereinigung zu suchen. Die Offensive über die transsylvanischen Alpen aber lief sich gegenüber dem durch sein hier günstiges Bahnnetz schnell sich verstärkenden rumänischen Widerstand fest.

Die deutsche Oberste Heeresleitung faßte darauf den Entschluß, über den weit westlich gelegenen Szurduk-Paß den Einbruch in die Wallachei zu führen, um dann südlich des Gebirges ostwärts vorgehend den aus der Linie Hermannstadt - Kronstadt weiter angreifenden Divisionen die Pässe zu öffnen. Zum Szurduk-Paß führte die sehr leistungsfähige Bahn von Piski nach dem Kohlengebiete von Petroseny. Auf ihr konnten schon bis zum 21. Oktober stärkere Kräfte zum Angriffe bereitgestellt werden. Als diese aber am 28. Oktober einen Rückschlag erlitten, wurden bis zum 13. November zwei weitere Divisionen zahlreiche schwere Artillerie und Sonderformationen zu neuem planmäßigem Angriffe herangeführt. Am 14. November wurde zum erfolgreichen Durchbruch durch den Szurduk-Paß angetreten, während gleichzeitig bei Petroseny noch eine Division als Verfügungstruppe für diese Angriffsgruppe ausgeladen wurde.


Die taktische Ausnutzung der Eisenbahnen.

Wenn bei den weiten Räumen des Weltkriegsschauplatzes die Eisenbahnen in erster Linie als ein Mittel zur Durchführung operativer Absichten in die Erscheinung traten, so haben sie doch auch eine erhebliche Bedeutung für die eigentliche Kampfführung besessen. In unzähligen Fällen forderte die Kampfhandlung selbst die Heranführung von Truppen mit der Bahn, und der Verlauf des Kampfes wurde durch die auf diesem Wege herangeführten Truppen in unmittelbarer Weise beeinflußt.

Eine ausgesprochene taktische Bedeutung wird der Eisenbahn in Kampfgebieten mit hochentwickelten Verkehrsverhältnissen im Bewegungskriege immer zufallen, und so finden sich auch im Westen bis zum Erstarren der Front im Stellungskampf eine Anzahl von Beispielen für ihre taktische Ausnutzung:

Noch während des Aufmarsches wurde das bei Straßburg bereitstehende XV. Armeekorps mit der Bahn in das Oberelsaß gefahren, um zusammen mit dem auf dem rechten Rheinufer in Ausladung begriffenen XIV. Armeekorps den Vorstoß der Franzosen aus Belfort abzuwehren. Am Morgen des 8. August erging der Befehl zum Abtransport des XV. Armeekorps nach Rufach und Colmar an die Linienkommandantur Z in Straßburg; am Abend befand sich ein großer Teil des Korps bereits im Anrollen nach dem Gefechtsfelde. Die [255] Ausladungen wurden bald nach Süden weiter vorverlegt, so daß die Truppen in das sich am 10. August bei Sennheim entwickelnde Gefecht z. T. unmittelbar im Anschluß an die Ausladung eingreifen konnten.

Nach dem Rückzug der Franzosen auf Belfort verlangte das Armee-Oberkommando 7 in Erwartung größerer Kämpfe in Lothringen die Heranführung des XIV. und XV. Armeekorps an den in Gegend Saarburg stehenden linken Flügel der 6. Armee. Schon am 17. August standen das XIV. Armeekorps bei Arzweiler und Lützelburg, das XV. bei Wasselnheim an der Strecke Molsheim - Zabern zu weiterer Verwendung bereit. - Noch während der Durchführung dieser Transporte hatte die Eisenbahn Gelegenheit, ihre Verwendbarkeit zu unmittelbarer Einwirkung auf eine Kampfhandlung zu beweisen. Als der Anfang des XIV. Armeekorps am 14. August mittags Straßburg erreichte, traf dort die Nachricht einer starken Bedrohung des bei Schirmeck stehenden Grenzschutzes ein. Durch sofortiges Abdrehen des Anfangs der Eisenbahnmarschkolonne von Straßburg nach Molsheim standen nach kurzer Zeit 1 Brigadestab, 4 Bataillone, 2 Eskadrons, 3 Batterien und 3 Maschinengewehr-Kompagnien in Greßweiler und Mutzig zur Unterstützung des Grenzschutzes bereit.

Die taktische Verwendung der Eisenbahnen im Bewegungskriege nahm noch größeren Umfang an, als es galt, den rechten Flügel des deutschen Heeres zu stützen und demnächst seine Umfassung durch den Gegner zu vereiteln. Die notwendigen großen Transportleistungen mußten auf den eben erst wiederhergestellten feindlichen Eisenbahnen durchgeführt werden.

Vom 23. bis 26. August wurde das aus Schleswig-Holstein herangeführte IX. Reservekorps in Löwen und Landen ausgeladen. Am 7. September setzte der Transport der 7. Kavallerie-Division aus Lothringen über Aachen - Brüssel - Mons ein; ihr folgten das XV. Armeekorps, in das das Armee-Oberkommando 7 eingeschoben war, das XXI. Armeekorps, das XIV. Reservekorps, die 5. Bayerische Landwehr-Brigade und schließlich Teile der Etappe. Die Ausladungen konnten immer weiter nach Süden und schließlich bis nahe hinter die Kampflinie verlegt werden. Das XV. Armeekorps war auf diese Weise noch rechtzeitig zur Stelle, um Mitte September die Gefahr eines feindlichen Einbruchs zwischen der 1. und 2. Armee abzuwenden.

Auf einer zweiten Transportstraße über Metz - Luxemburg - Marloie nach der Gegend südöstlich Namur - die dortige Maasbrücke war noch zerstört - wurden zu gleicher Zeit das I. und II. bayerische Armeekorps mit dem Armee-Oberkommando 6, die 4. Ersatz-Division, die 60. Landwehr-Brigade und Teile der Etappe der 6. Armee abbefördert.

Im Oktober 1914 waren die Eisenbahnen dann noch einmal berufen, in diesen Kämpfen des deutschen rechten Flügels Truppen zum unmittelbaren Einsatz in die Schlacht bereitzustellen. Die in der Heimat neugebildeten Reservekorps [256] wurden in der Zeit zwischen dem 14. und 19. Oktober auf vier Transportstraßen mit je 20 Zügen täglich in die Linie Gent - Zaltegem - Ath vorgeführt. Diese einem Aufmarsch entsprechende Leistung wurde von den erst eben in Betrieb genommenen Bahnen mit größter Pünktlichkeit erledigt.

Ganz andersartige Verhältnisse für die taktische Ausnutzung der Eisenbahnen brachte der Stellungskrieg. Mit der Zunahme der zermürbenden Einflüsse des Grabenkrieges machte sich das Bedürfnis nach Ablösung ermüdeter Kräfte in steigendem Maße geltend. Verbände aus bewegten Kampffronten mußten nach ruhigeren Abschnitten oder in die Etappengebiete verlegt, ausgeruhte oder in der Heimat neu aufgestellte an die Front gebracht, Reserven aus ausgesparten oder an anderer Stelle entbehrlich werdenden Truppen bereitgestellt werden. Alle diese Verschiebungen wurden fast ausschließlich mit Hilfe der Eisenbahnen ausgeführt. So entstand hinter den Fronten eine unaufhörliche Bewegung von kleineren und größeren Truppeneinheiten auf der Eisenbahn, deren Summe selbst auf dem hochentwickelten belgischen und nordfranzösischen Bahnnetz kaum hinter dem Verkehr der Friedenszeit zurückblieb.

Neben diesen regelmäßigen taktischen Transporten des Stellungskrieges aber brachten besondere Kampfhandlungen jedesmal eine verstärkte taktische Inanspruchnahme der Eisenbahn.

In erster Linie die Abwehr feindlicher Angriffe. - Die stete Abwehrbereitschaft auf jedem Teil der Front zeitigte die "Bereitschaftszüge" für die Verfügungstruppen erster Linie, mit deren Hilfe sie in kürzester Zeit an die Front rollen konnten. Unzählige Male ist auf diese Weise ein feindlicher Vorstoß im Keime erstickt worden. - Ähnlich war der Abtransport größerer Verbände, die zur Verfügung der Armeen, Heeresgruppen oder der Obersten Heeresleitung "abgestellt" waren, vorbereitet; er konnte wenige Stunden nach erteiltem Befehl zur Ausführung kommen.

Die Abwehr wuchs aus einfachen Verhältnissen zur Abwehrschlacht von mehrmonatiger Dauer. War die Abwehr der Angriffe im Westen im Frühjahr 1915 (Champagne, Lorettohöhe, zwischen Maas und Mosel) eisenbahntechnisch noch einfach gewesen, so traten Ende September 1915 (Artois und Champagne) schon größere Aufgaben an die Eisenbahn heran. Außer dem Vorwerfen der ersten zur Hand befindlichen Divisionen und schweren Artillerie waren die eben aus dem Osten eintreffenden Divisionen der Garde und des X. Armeekorps zur 6. und 3. Armee heranzuführen. Der erste nicht unbedenkliche feindliche Einbruch wurde so aufgefangen.

Im Osten stellte der Sommer 1916 den Eisenbahnen die ersten großen Abwehraufgaben. Die Brussilow-Offensive riß am 4. Juni eine Lücke von 50 km Breite in die österreichische Front südlich der Bahn Kiew - Kowel. Der Frontabschnitt hatte auf österreichischer Seite ein nur schwach entwickeltes Bahnnetz. Die wenigen Reserven der Heeresgruppe Linsingen und der Süd- [257] armee wurden in Eile herangeführt und fingen den russischen Stoß in rückwärtigen Stellungen vorläufig auf. Andere Kräfte sollten beschleunigt zusammengefahren werden, um gegen die Nordflanke des russischen Angriffsbogens ihrerseits anzugreifen. Nach der Eisenbahnentwicklung war hierzu die Gegend von Kowel am günstigsten. Innerhalb 12 Tagen wurden versammelt: aus dem Westen 3 Divisionen, von der Ostfront und aus dem General-Gouvernement Warschau Truppen in Stärke von 2 - 3 Divisionen, dazu an österreichisch-ungarischen Kräften weitere 2 - 3 Divisionen. Allein aus dem Westen und dem General-Gouvernement Warschau wurden vom 11. bis 18. Juni nach Kowel, Cholm und Wladimir Wolynsk 296 Züge herangefahren. - Der Einsatz dieser Truppen brachte den russischen Angriff zum Stehen.

Kaum war ein Teil der wenigen Reserven der Westfront nach dem Osten abgerollt, als sich im Westen die ersten Anzeichen der Offensive an der Somme bemerkbar machten. Schon Mitte Juni wurden der 2. Armee mehrere Divisionen als Verfügungstruppen zugeführt. Als das feindliche Feuer sich verstärkte, wurden eine größere Zahl leichter Feldhaubitz-Batterien und weitere aus der 7. und 3. Armee entnommenen Reserven herangebracht. Durch die Bereitstellung von Leermaterial in den Gegenden, in denen weitere Einladungen in Frage kamen, und durch Bearbeitung mehrerer Entwürfe war die Zuführung von Reserven vorbereitet.

Mit dem Einsetzen des feindlichen Infanterieangriffs am 1. Juli wurde dies sofort notwendig. Von diesem Tage bis zum 8. Juli wurden Truppen in Stärke von 10 Divisionen in 494 Zügen und schwere und leichte Batterien außerhalb des Divisionsverbandes in 98 Zügen mit der Eisenbahn zur Verfügung gestellt.

Mit dieser ersten Leistung setzte die sich noch lange hinziehende Bewegung aus der Angriffsfront von Verdun nach der Somme ein. Die erzielten hohen Transportleistungen beruhten auf einem in seinen Zubringern nicht ungünstigen Bahnnetz. Fünf zweigleisige Eisenbahnen liefen in einer das Schlachtfeld in der Entfernung von 2 - 3 Tagemärschen umziehenden Ringbahn: Cambrai - Busigny - St. Quentin - Tergnier zusammen. Von ihr führte allerdings nur eine leistungsfähige Stichbahn, die Linie Cambrai - Peronne, auf das Schlachtfeld. Sie hat aber mit 55 - 60 Truppenzügen täglich und dem starken Nachschub auch weitgehende Erwartungen übertroffen.

Nach kurzer Pause setzte vom 10. bis 29. Juli der Antransport von 11 frischen Divisionen zur Somme und als Gegenbewegung der Abtransport von 8 abgekämpften Divisionen ein. So führten bis zum November 1916 die Bahnen dem Schlachtfeld an der Somme ununterbrochen frische Kräfte im Austausch gegen erholungsbedürftige zu, und zwar erfolgten diese Transporte trotz der feindlichen Einwirkung mit erstaunlicher Pünktlichkeit, da der Eisenbahnbetrieb zu jener Zeit noch nicht überspannt, Personal und Material noch frisch waren.

[258] Die Doppel-Abwehrschlacht an der Aisne und in der Champagne 1917 setzte nicht mit einer plötzlichen hohen Transportleistung ein, da die tiefgestaffelten Divisionen schon zur Verteidigung bereitstanden, als der Gegner am 16. April 1917 zum Infanterieangriff vorging. Die Ablösung aber brachte bald eine starke Bewegung und Gegenbewegung. Im Laufe des ersten Kampfmonats wurden der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz 43 Divisionen zugeführt und von ihr abbefördert, während für den Austausch der nicht im Divisionsverband stehenden Formationen vom 17. April bis 31. Mai 426 Züge gezählt wurden.

Schon im Juni begannen dann die Transporte zum Kampffeld am Wytschaete-Bogen, wo die bis zum Ende des Jahres dauernde Flandernschlacht ihre Einleitung fand. Sie bildet den Höhepunkt der Anforderungen, die auf deutscher Seite in Abwehrkämpfen an die Eisenbahnen gestellt wurden.

Vom 15. Juni bis 15. November wurden im Gebiet der angegriffenen 4. Armee 3942 Züge für Divisionen, 1854 für Artillerie und 795 für sonstige Truppentransporte, zusammen 6591 Vollzüge gefahren. Entsprechend dem Anschwellen und Abebben der feindlichen Angriffe verteilen sich diese Zahlen naturgemäß nicht gleichmäßig auf die durch 5 Monate dauernde Schlacht. Jede Anstrengung des Feindes, die deutsche Front zu durchbrechen, zeitigte besonders hohe Transportleistungen. An der Spitze steht in dieser Beziehung der Zeitraum des 3. Großkampfes vom 20. September bis Anfang November, in dem gefahren wurden an Divisionen 1729, an Artillerie 647, an sonstigen Truppentransporten 268, zusammen 2644 Vollzüge. Besonders traten in diesem Abschnitt die Großkampftage am 29. September mit 87, am 1. Oktober mit 90, am 7. Oktober mit 91, am 12. und 20. Oktober mit 85 Vollzügen hervor.

Der außerordentliche Bedarf an frischen, kampfkräftigen Divisionen und Einzelformationen von anderen Fronten mußte seine Wirkung auf den ganzen westlichen Kriegsschauplatz ausüben; es ergab sich daraus ein monatelanges, ununterbrochenes Zuströmen und Abfließen von Truppen zur und von der Angriffsfront. Allein im Monat Oktober 1917 waren auf dem westlichen Kriegsschauplatz 82 Divisionen auf dem Schienenweg unterwegs. Die Gesamtzahl der im Oktober durch Transportbefehle angeordneten Truppenvollzüge betrug 3850.

Das Bild würde ohne eine Betrachtung des Nachschubs unvollständig sein. Obwohl die 4. Armee für einen Großkampf zunächst gut ausgerüstet war, mußten ihre Nachschubforderungen allein durch das Anwachsen ihrer Verpflegungsstärke auf 800 000 Mann und 200 000 Pferde allmählich ins Riesenhafte steigen. Im Oktober bedurfte die 4. Armee zu ihrem Unterhalt der Vorführung von täglich 52 Nachschubzügen (darunter 10 Munitionszüge) zu durchschnittlich 35 Wagen bis zu den Spitzen-Bahnhöfen. Konnte diese Leistung infolge der Truppenzüge auch nur vorübergehend durchgehalten werden, so [259] betrug doch Anfang November der Durchschnitt der an den Spitzenbahnhöfen ausgeladenen Eisenbahnwagen täglich 1400. Diese Leistung muß um so höher bewertet werden, als sämtliche Bahnhöfe bis tief in das Hinterland hinein das Ziel feindlicher Fliegerangriffe und - soweit erreichbar - auch täglicher Artilleriebeschießung waren.

Unbekümmert um die Verluste führten die Eisenbahnen monatelang der Front neue Kräfte zu und trugen damit nicht zum geringsten dazu bei, ihre Widerstandskraft aufrechtzuerhalten. Die nachstehenden Tabellen geben einen Eindruck von der den Eisenbahnen in einer neuzeitlichen Abwehrschlacht zufallenden Aufgaben. In der Zeit vom 15. Juni bis 15. November wurden der Flandern-Front zugeführt und von ihr abgefahren:

    Formationen       Zulauf       Ablauf
    Infanterie-Divisionen 77 63
    Fußartillerie-Bataillone 76 70
    Feldartillerie-Abteilungen 65 65
    Einzelne schwere Batterien 96 119  
    Einzelne leichte Batterien 40 36
    Pionier- und Minenwerfer-Kompagnien 52 33
    Maschinengewehr-Scharfschützen-Abteilungen 30 36
    Flieger-Abteilungen bzw. -Staffeln 36 14
    Nachrichten-Abteilungen bzw. -Züge 31 20
    Kraftwagenkolonnen 16   5
    Munitionskolonnen 101   65
    Proviant-, Fuhrpark- und Bäckereikolonnen 56 52
    Armierungs- und Straßenbau-Kompagnien 24 12
    Arbeiter- und Gefangenen-Abteilungen 18 12
    Einzelne höhere Stäbe 18 32
    Sonstige geschlossene Formationen 56 43

Im gleichen Abschnitt wurden bis zu den Spitzenbahnhöfen gebracht:

    Nachschub Wagen
    Munition 39 424
    Verpflegung 51 481
    Pioniergerät 41 100
    Baustoffe 79 146
    Kohlen 13 869
    Heizöl 2 543
    Heeresgerät           14 622

    Zusammen 242 185

Das Jahr 1917 brachte auch den Eisenbahnen an der Ost- und Westfront zwei sich ähnelnde taktische Aufgaben, bei denen der Verteidiger aus der Ab- [260] wehr eines feindlichen Durchbruchversuchs zum Angriff überging, nachdem er ausreichende Kräfte mit der Bahn herangeführt hatte. So haben die Julikämpfe bei Zlotschow und die Tankschlacht im November bei Cambrai eine gewisse Verwandtschaft.

Seitdem sich Ende Juni die ersten Anzeichen einer russischen Offensive gegen die Heeresgruppe Böhm-Ermolli bemerkbar machten, war die deutsche Oberste Heeresleitung, in richtiger Einschätzung der Kerenski-Truppen, entschlossen, die Gelegenheit zu einem Gegenangriff auszunutzen. Im Westen wurden 6 Divisionen so bereitgestellt, daß unmittelbar nach Eintreffen des Befehls mit ihrem Abtransport auf zwei Marschstraßen begonnen werden konnte. Als am 1. Juli der russische Angriff losbrach, hatte der Ablauf der Westdivisionen bereits am Vorabend planmäßig eingesetzt. Rechtzeitig war im Osten der vor einem Angriff meist unvermeidliche Truppenaustausch mit der Bahn erledigt und auch ein höheres Maß an Nachschub nach vorn gebracht worden. Als die Anfänge der Eisenbahnmarschkolonne bei Lemberg eintrafen, fanden sie daher die zur Front führenden Auslaufstrecken verhältnismäßig frei. 4 Divisionen sollten mit den Anfängen gleichzeitig in erster Linie eintreffen. Somit wurden 3 Divisionen mit je 6, eine 4. mit 8 Zügen täglich, an der Spitze außerdem 3 Bataillone schwerer Artillerie auf Lemberg in Marsch gesetzt. Die Durchführung durch Deutschland und der Einbruch auf dem östlichen Kriegsschauplatz mußte für diese 26 Züge täglich auf zwei Straßen erfolgen: über Kalisch - Brest-Litowsk - Cholm und über die galizische Bahn über Krakau. Der ersten Marschstaffel folgten 2 weitere Divisionen mit höheren Zugzahlen, diesen "geschlossenen Bewegungen" die große für einen modernen Angriff unentbehrliche Zahl von Sonderformationen, ihnen wiederum eine dritte und vierte Staffel von 5 Infanterie- und 1 Kavallerie-Division und diesen eine starke Artilleriebewegung; diese sich mit steigenden Nachschubforderungen vermischenden starken Truppentransporte mußten von einem wenig leistungsfähigen Bahnnetz verarbeitet werden: die zweigleisige Stammstrecke Krakau - Krasne - Zlotschow zergliederte sich nach der Front zwar in mehrere eingleisige Bahnen, ihre Leistungen mußten aber ihrer Anlage entsprechend gering bleiben.

Obwohl inzwischen bei der österreichischen 3. Armee südlich des Dnjestr durch den erfolgreichen Angriff der Russen eine kritische Lage eingetreten war, und im letzten Augenblick umfangreiche Transportänderungen für die anrollenden Angriffstruppen notwendig wurden, waren diese mit ihren fechtenden Truppen doch am 18. Juli abends zwischen Zborow und dem Sereth zum Angriff in Richtung Tarnopol versammelt; dieser konnte am 19. Juli beginnen.

Den gesteigerten Kampf- und entwickelteren Verkehrsverhältnissen der Westfront entsprechend drängten sich die Ereignisse bei Cambrai zeitlich mehr zusammen. Der Gegner hatte sich von der Anstrengung seines Angriffes selbst [261] kaum erholt, als ihn der Gegenstoß des von ihm wohl als erschöpft angesehenen Verteidigers unvermutet traf.

Die Aufmerksamkeit der Westfront war noch durch die schweren Kämpfe an der Laffaux-Ecke und die noch immer weiterglimmende Flandern-Schlacht gefesselt, als am 20. November 1917 ein englischer, durch zahlreiche Tankgeschwader wirksam unterstützter Angriff gegen die nur schwach besetzte Stellung südwestlich Cambrai losbrach. Reserven in greifbarer Nähe standen kaum zur Verfügung. Die gerade aus dem Osten anrollende und bei Cambrai in der Ausladung begriffene 107. Division war fast allein zur Stelle, um den ersten Stoß aufzufangen. Teile von ihr wurden nach drei- bis viertägiger Bahnfahrt unvermittelt auf das Kampffeld geworfen. Kraftwagenkolonnen, um Reserven benachbarter Armeen heranzuführen, fehlten. Nur der Antransport mit der Bahn kam in Frage.

Am 20. abends waren bereits 3 Divisionen mit je 16 und 20 Zügen täglich, ferner eine Artilleriebewegung von 36 Zügen, am 21. morgens 2 weitere Divisionen mit je 16 Zügen täglich im Anrollen zur 2. und zum Südflügel der 6. Armee. Eine weitere im Abtransport nach Norden befindliche Division wurde angehalten und zu ihrem Ausgangspunkt zurückgebracht. Der ersten Welle mußte unmittelbar eine zweite folgen: schwere Artillerie, Maschinengewehr-Abteilungen, Flieger, Pionier-Formationen, Kolonnen und eine der zunehmenden Stärke der Armee entsprechende Zahl von Munitions- und Etappen-Zügen.

Aber über das Bedürfnis der Abwehr hinaus wollte die Oberste Heeresleitung ausreichende Kräfte zum Gegenangriff bei der 2. Armee versammeln. So wurden vom 21. November abends bis zum 30. November früh, dem Tage des Gegenstoßes, 8 weitere Divisionen mit zusammen 215 Zügen auf das Schlachtfeld gebracht. Dazwischen liefen von allen Seiten kommende zahlreiche Einzeltransporte. In der Zeit vom Einsetzen des feindlichen Angriffs bis zum deutschen Gegenstoß am 30. November, d. h. in zehn Tagen erhielt die angegriffene Front 1071 Truppenvollzüge zugeführt. Doch schon setzten neue Anforderungen ein. Gelang der eigene Angriff, sollten neue Divisionen den Erfolg ausbeuten. 4 Divisionen und das für sie benötigte Leermaterial wurden bereitgestellt. Auf Abruf trafen sie vom 30. November abends bis zum 2. Dezember morgens mit zusammen 92 Zügen beinahe fahrplanmäßig auf dem Gefechtsfeld ein. Abwehr und Angriff waren hier in der Tat nur mit Hilfe der Eisenbahnen zur Möglichkeit geworden.

Der Stellungskrieg, in dem jahrelang auszuharren die unglückliche Entwicklung der Kriegslage das deutsche Heer verdammt hatte, brachte es mit sich, daß die Abwehrschlachten die Angriffsschlachten in West und Ost überwiegen mußten. Abgesehen von dem Durchbruch von Tarnow - Gorlice, dem serbischen und dem rumänischen Feldzug, die als Operationen mit weiter strategischer [262] Wirkung an anderer Stelle behandelt wurden, traten auf deutschen Fronten große Angriffe aus dem Stellungskrieg im Osten nur im Herbst 1917 bei Riga, im Westen 1916 bei Verdun und in den Offensiven des Jahres 1918 hervor.

Der Übergang über die Düna oberhalb Riga und damit die Wegnahme dieser Stadt waren auf dem Moment der Überraschung aufgebaut. Auf dem hinter diesem Frontabschnitt nur schwach entwickelten, fast durchweg eingleisigen Bahnnetz mußten 7 Infanterie- und 1 Kavallerie-Division sowie zahlreiche Einzeltransporte in den vier Wochen vom 3. bis 31. August herangebracht werden. Der Antransport von 460 Truppenvollzügen verlief reibungslos, am 31. August standen die Angriffs-Divisionen vormarschbereit, am 1. September wurde die Düna überschritten, am 3. September Riga genommen.

Größer in ihren Zielen und umfangreicher in bezug auf die Menge der zum Angriff zusammenzubringenden Truppen- und Materialzüge waren die im Westen unternommenen Offensiven. Verdun brachte auf der Westfront den Eisenbahnen die erste große Gelegenheit, durch schnelles Heranbringen starker Kräfte die Führung in ihrer Absicht, den Gegner zu überraschen, zu unterstützen. - In starker Welle mußten in den letzten drei Wochen vor dem ursprünglich in Aussicht genommenen Angriffstermin (12. Februar) die Massen des Nachschubs mit rund 860 Zügen und in gleichfalls sich gegen Ende steigernder Bewegung die von anderen Fronten kommenden 150 Batterien und 3 Armee-Korps mit zusammen 550 Vollzügen hinter die Angriffsfront gebracht werden. Der in die Tage vom 5. bis 6. Februar fallende Eisenbahnaufmarsch der 3 Armee-Korps mit 80 Zügen täglich und die gleichzeitige Heranführung von täglich durchschnittlich 40 Nachschubzügen stellten an die Eisenbahnen besonders hohe Anforderungen. Sie wurden ohne jede größere Reibung bewältigt, und pünktlich standen Angriffstruppe und alles, dessen sie zu dem bevorstehenden Angriffe bedurfte, auf dem östlichen Maas-Ufer bereit.

Die letzte und neben der Flandern-Schlacht auch größte Transportleistung im Weltkriege war auf deutscher Seite schließlich für den Aufmarsch zu den Offensiven des Jahres 1918 zu bewältigen. Der am 31. März beginnende Angriff aus der Linie Arras - La Fère, für dessen Vorbereitung nur eine verhältnismäßig geringe Zeitspanne zur Verfügung stand, stellte die großartigste Kraftanstrengung des deutschen Heeres dar.

Angesichts der hohen Bedürfnisse der Angriffs-Armeen an Nachschub konnte der ursprüngliche Plan, den Armeen diesen zunächst zuzuführen und im Anschluß daran die Angriffstruppen kurz vor dem eigentlichen Angriff bereitzustellen , nicht aufrechterhalten werden. Die beiden Bewegungen mußten ineinandergreifen, ein Umstand, der den Betrieb der Bahn bedeutend erschweren mußte. Während der Nachschub zum größten Teil aus der Heimat, zum kleineren Teil aus dem besetzten Gebiet vorzuführen war, mußten die Angriffstruppen [263] vom rechten und linken Flügel der Westfront, aus dem Osten und Südosten, teils aus der Front selbst, teils aus rückwärtigen Gebieten, von Übungsplätzen usw. dem Angriffsabschnitte zugeführt werden.

Es waren demnach hohe Transportleistungen auf den Etappen-Straßen mit einer starken Bewegung von Truppentransporten, die die Etappen-Straßen zum Teil schnitten, zum Teil mit ihnen zusammenfielen, in Übereinstimmung zu bringen.

Nachstehende Zahlen geben einen ungefähren Überblick über die in der Vorbereitungszeit, von Mitte Februar bis zum 1. März im Westen für den Aufmarsch in Ansatz gebrachten Nachschub- und Truppentransporte.

    I. Täglicher Nachschub aus der Heimat nach Nordfrankreich und Belgien     125 Züge
    II. Täglicher Nachschub aus dem besetzten Gebiete nach der Front 69 "
    III. Truppenzüge aus der Heimat, von anderen Kriegsschauplätzen
    und zu Verschiebungen an der Westfront, täglich
    35 "
    IV. Personenzüge aus der Heimat 14 Vollzüge
    Lokalverkehr im besetzten Gebiet rund 30       "      
    Eisenbahndienstkohle 39       "      

    täglich 83               83 "

    täglich Sa. 312 Züge

Im zweiten Teil der Vorbereitungszeit, d. h. vom 1. bis 20. März, war neben diesen, mehr oder weniger nur der Nachschubversorgung und dem laufenden Truppenaustausch der in Nordfrankreich und Belgien stehenden Armeen dienenden Zügen der eigentliche Truppenaufmarsch mit der Eisenbahn zu bewältigen. In Ansatz gebracht waren hierfür auf sechs Transportstraßen je 24 Züge täglich, so daß an den Tagen der Höchstbelastung 144 Truppenzüge zu befördern waren; von den vorstehend unter III. aufgeführten 35 Truppenzügen waren indessen 25 auf diese Zahl in Anrechnung zu bringen. Zu leisten blieben demnach:

    a) Laufender Verkehr für Nachschub, Truppenaustausch,    
    öffentlicher Verkehr usw. (312 weniger 25)
    287 Züge
    b) Truppenaufmarsch 144 "

    täglich Sa. 431 Züge

Die sehr kurze Zeit, welche den Eisenbahnen zur Verfügung stand, sich für ihren Dienstbereich auf diese Gewaltleistung vorzubereiten, gestattete es [264] in der Folge nicht, diese Forderungen vollkommen zu erfüllen. Immerhin wurden von den in Ansatz gebrachten Zügen etwa 80 v. H. gefahren, nämlich:

    a) im Zeitabschnitt vom 15. bis 28. Februar (täglich rund 250)     3 500 Vollzüge
    b) im Zeitabschnitt vom 1. bis 20. März (tägl. rd. 345) 6 900 "

    Sa. 10 400 Vollzüge

Der Ausfall mußte auf Kosten des Nachschubs gehen, da eine Zurückstellung von Truppen ausgeschlossen war. In der Tat waren auch am 20. März, am Tage vor dem Angriff, alle Truppen richtig bei den Angriffsarmeen eingetroffen, von dem geforderten Nachschub auch alle diejenigen Teile, die zur Führung der Offensive unbedingt erforderlich waren.

Angesichts dieser hohen Beanspruchung der Eisenbahnen des westlichen Kriegsschauplatzes muß es als eine besondere Leistung bezeichnet werden, daß sie noch in der Lage waren, unmittelbar nach dem Beginn der Offensive in der Zeit vom 21. bis 25. März dem Kampffelde zwischen Arras und La Fère außer dem laufenden Bedarf noch 9 weitere Divisionen und 171 Eisenbahnzüge mit Munition zuzuführen.

Wenn auch der Eisenbahnaufmarsch zur ersten Offensive 1918 das Höchstmaß an Transportleistung in diesem Jahr im Westen darstellte, so waren die sich nun anschließenden weiteren Offensiven, nämlich am 9. April westlich Lille, am 27. Mai am Chemin des Dames, am 9. Juni bei Noyon und am 15. Juli westlich und östlich Reims doch auch mit außerordentlichen Anforderungen an den Eisenbahnbetrieb verbunden. Trotz der sich allmählich an vielen Stellen bemerkbar machenden Überspannung des Transportapparats gelang es indessen doch in allen Lagen, die Truppe und ihren Bedarf an Kampfmitteln rechtzeitig bald an dieser, bald an jener Stelle der Front bereitzustellen.

Das Bild dessen, was die Eisenbahnen im Weltkriege im Dienste der Führung geleistet haben, bliebe unvollständig, wollte man nicht auch der Rolle gedenken, die die Bahnen bei planmäßigem Ausweichen und bei der Aufgabe von Stellungen gespielt haben.

Als die Oberste Heeresleitung am 5. Februar 1917 die Räumung des Frontabschnittes im Westen zwischen Arras und Soissons und das Zurückgehen in die Siegfriedstellung für den 16. März befahl, war es Aufgabe der Eisenbahnen, die Rückführung alles Kriegsgeräts und alles sonst für die Kriegführung brauchbaren Materials, sowie von rund 140 000 Landeseinwohnern aus der Räumungszone zu übernehmen.

Eine neue eigenartige Aufgabe trat hiermit an sie heran; handelte es sich doch darum, große Transportleistungen auf einem Bahnnetz zu bewältigen, das gleichzeitig in seinen westlichen Teilen abgebaut werden mußte, und von [265] dem nur einige wenige Strecken bis zum letzten Tag erhalten werden konnten. Gleichzeitig mußte die an der Front stehende Truppe bis zum letzten Augenblick versorgt, und es mußte mit der Notwendigkeit gerechnet werden, sie bei feindlichem Angriff mit allem Nötigen zu versehen. Die Geheimhaltung der Frontverlegung bedurfte nebenher besonderer Vorsichtsmaßnahmen. Trotz dieser erschwerenden Umstände verlief die Räumung planmäßig. Sie umfaßte in der Zeit bis zum 15. März 1917

    an Kriegsgerät usw. jeder Art (außer Eisenbahnmaterial)       17 939 Wagen
    an Eisenbahnmaterial 11 711 "
    an Zügen für Landeseinwohner 7 522 "

    zusammen: 37 172 Wagen

Gleichzeitig verlangte die Versorgung des zurückzunehmenden Frontabschnittes und der Ausbau der Siegfriedstellung eine "Gegenbewegung" von 45 177 Wagen.

In schroffstem Gegensatz zu dieser in jeder Beziehung vorher durchgearbeiteten Räumungsbewegung standen die im Sommer 1918 infolge der Großangriffe der Entente notwendig werdenden Transportbewegungen zur Zurückführung wertvollen Gutes aus und hinter den unmittelbar bedrohten Frontabschnitten. Zu den durch eigene Offensiven und durch die Abwehr feindlicher Angriffe bis aufs Äußerste gesteigerten Transportleistungen traten hier plötzlich und unvorbereitet neue Aufgaben an die Eisenbahnen heran, die durch zahlreiche Begleiterscheinungen ganz außergewöhnliche Anforderungen an den Betrieb stellten. Der Verlust der leistungsfähigsten Frontbahnhöfe, die ununterbrochene Beunruhigung der Verladebahnhöfe durch feindliches Fernfeuer, die systematisch durchgeführten Fliegerangriffe auf alle wichtigen Eisenbahnknotenpunkte brachten ungeahnte Schwierigkeiten mit sich. Es bedurfte der ganzen Aufopferung des nunmehr ständig "in vorderster Linie" arbeitenden Eisenbahnpersonales vom geringsten Arbeiter bis zum höchsten Beamten, um der hier gestellten Aufgabe gerecht zu werden. Manches Mal waren indessen die Ereignisse an der Front stärker als der beste Wille; beladene Zugteile und Lokomotiven, durch feindliches Fernfeuer abgeschnitten, mußten dann dem Feinde in die Hände fallen. Nicht minder schwierig wie die Verladung und Abbeförderung des Räumungsgutes aus der vordersten Linie war es, das Gut dem gewünschten Punkte der neuen Stellung zuzuführen. Dauernde Höchstleistungen an Truppentransporten, ununterbrochener Großkampf an vielen Fronten, die Unmöglichkeit der schnellen Entladung und die Überspannung des Transportapparats mußten allmählich auf allen Strecken eine Anhäufung von Räumungszügen hervorrufen, die eine schnelle Weiterführung unmöglich machte. Der Wunsch, die Eisenbahnen im Rücken frei zu erhalten, führte schließ- [266] lich dazu, das irgendwie Entbehrliche der Heimat, und nur das durchaus Notwendige der neuen Stellung zuzuführen, weniger Wichtiges aber dem Feinde zu überlassen. Die Tatsache, daß beim weiteren Vordringen des Gegners im Oktober 1918 und nach Räumung des besetzten Gebietes zahlreiche beladene Eisenbahnzüge dem Angreifer als Beute zufielen, findet hierin seine Erklärung.

In allen Kriegen haben Angriffe auf die rückwärtigen Verbindungen des Feindes eine Rolle gespielt; sie waren häufig das entscheidende Mittel, den Gegner zum Zurückgehen zu veranlassen. Solange Eisenbahnen in den Dienst der Kriegführung gestellt worden sind, hat daher auch der Angriff auf Eisenbahnen eine besondere Bedeutung gefunden. Die Verhältnisse des Weltkrieges in Verbindung mit seinen neuzeitlichen Mitteln mußten auch auf diesem Gebiete neue Erscheinungsformen zeitigen.

Der Stellungskrieg, der den Angriff von Flanke und Rücken gegen die rückwärtigen Verbindungen unmöglich machte, brachte den Angriff auf Eisenbahnen aus der Luft und die Beschießung aller durch Artilleriefeuer erreichbaren Bahnanlagen. Bei der Wichtigkeit, die den "modernen Marschstraßen" einer Armee gerade bei der Abwehr eines Angriffs im Stellungskriege zukommt, war der Angreifer genötigt, diese Anmarschstraßen des Verteidigers durch Fliegerangriffe und Fernfeuer soweit wie möglich unbrauchbar zu machen. Das planmäßige Einschießen gegen Ausladepunkte, Brücken, Tunnels usw., die Fliegerangriffe auf wichtige Knotenpunkte und Munitionsbahnhöfe wurden damit allmählich zu einem untrüglichen Anzeichen für den bevorstehenden Großangriff. Indessen waren Fliegerangriffe gegen Bahnanlagen bis zu einer gewissen Tiefe hinter der Front gegen Ende des Krieges zu einer solchen Gewohnheitserscheinung geworden, daß sich der Betrieb auf allen größeren Bahnhöfen nur noch unter dieser ständigen Bedrohung abspielte. Die durch den Angriff hervorgerufenen Betriebsstörungen waren - besonders wenn Munitionszüge zur Explosion gebracht wurden - von erheblichem Umfang; sie konnten jedoch dank der Pflichttreue des Eisenbahnpersonals den Betrieb niemals zum Erliegen bringen.

Bei der Bedeutung, die die Eisenbahnen im Weltkriege für die Versorgung und Ergänzung der Truppen gewonnen haben, ist es nicht überraschend, daß auf eisenbahnarmen Kriegsschauplätzen die Kriegführung sich mehr oder weniger nur um den Besitz der wenigen vorhandenen Verkehrswege drehte. Wo gekämpft wurde, geschah es in Anlehnung an die vorhandenen Eisenbahnen; ihr Besitz war entscheidend für die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Durchführung weiterer Operationen. Diese Erscheinung ist bei dem Vormarsch der deutschen Truppen in der Ukraine in besonderer Weise hervorgetreten. Seine Durchführung wurde in erster Linie durch die Absicht und den Willen bestimmt, die Eisenbahnen des Landes fest in die Hand zu bekommen. Die Ausführung wurde schließlich zu einem nach taktischen Gesichtspunkten gegliederten Vormarsch auf der Eisen- [267] bahn selbst, in dem behelfsmäßige Panzerzüge, Kampfzüge und Kampfzuggruppen, die mit Truppen aller Waffen besetzt waren, die taktischen Einheiten darstellten.


Dienstlicher Reiseverkehr. Urlauberverkehr. Ersatzzuführung.

Dem Bedürfnis der militärischen Dienststellen nach mündlicher Aussprache diente in den ersten Kriegswochen der Personenkraftwagen; nach Übergang zum Stellungskrieg mußte bei der Zunahme des Verkehrs die Eisenbahn an seine Stelle treten.

Das Verkehrsbedürfnis bestand einmal innerhalb des Kriegsschauplatzes zur Verbindung zwischen Truppe, Kommandobehörde und Etappe und innerhalb dieser Kreise, sodann nach persönlicher Fühlung mit der Heimat, dem Nährboden des Feldheeres. So bildete sich ein zweifacher dienstlicher Reiseverkehr heraus, ein lokaler innerhalb des Kriegsschauplatzes durch Militärlokalzüge, teilweise auch schnellfahrende Personenzüge und ein durchgehender mit der Heimat, dem D-Züge mit Speise- und Schlafwagen dienten. Je nach dem Verkehrsbedürfnis, das mit der zunehmenden Vielgestaltigkeit der Kriegführung, dem Anwachsen des Heeres und der fortschreitenden Ausnutzung der besetzten Gebiete wuchs, und nach dem Eisenbahnnetz war seine Dichte auf den einzelnen Kriegsschauplätzen verschieden. Auf diese Weise entwickelte sich unmittelbar hinter der Front ein Verkehr, der durchaus das Gepräge des Friedensverkehrs trug. Das am meisten in die Augen fallende Beispiel bildet wohl der Balkanzug zwischen Berlin und Konstantinopel, der mit einer Fahrtzeit von 59½ Stunden das abgesperrte Mitteleuropa mit dem Orient wieder verband.

Aber den Umfang können nachstehende Zahlen einen allgemeinen Anhalt bieten. Die Leistungen in Wagenachskilometern im Personenverkehr betrugen monatlich:

    a) Westlicher Kriegsschauplatz.
    II. Halbjahr 1915: zwischen 25 010 000 und 41 810 000
    1916: " 29 130 000 " 44 180 000
    1917 (bis Ende Sept.): " 28 420 000 " 45 320 000

    b) Östlicher Kriegsschauplatz.
    Letztes Vierteljahr 1915: zwischen   9 400 000 und 24 500 000
    1916: " 30 800 000 " 48 200 000
    1917 (bis Ende Sept.): " 23 800 000 " 39 300 000

    c) Südöstlicher Kriegsschauplatz.
    Letztes Vierteljahr 1915: zwischen      200 000 und      600 000
    1916: "   1 300 000 "   5 900 000
    1917 (bis Ende Sept.): "   5 100 000 "   7 500 000 (in Serbien)
    "      200 000 " 10 700 000 (in Rumänien)

[268] Die früheren Kriege kannten keinen regelmäßigen Urlauberverkehr. Auch im Anfange des Weltkrieges sträubte sich das soldatische Pflichtbewußtsein dagegen; aber mit seiner fortschreitenden Verlängerung mußte aus volkswirtschaftlichen Gründen die regelmäßige Beurlaubung eingeführt und der sich hieraus ergebende Verkehr großer Massen verkehrstechnisch geregelt werden; handelte es sich doch dabei allein auf dem westlichen Kriegsschauplatze, dessen Verhältnisse als die schwierigsten den folgenden Ausführungen zugrunde gelegt sind, z. B Ende 1917 um einen täglichen Verkehr von 30 000 Mann in jeder Richtung, für den 21 Urlauberschnellzugspaare erforderlich waren.

Zunächst waren die Urlauber auf die für den dienstlichen Reiseverkehr eingerichteten Züge verwiesen, die durch Vor- und Nachzüge den Verkehr zu bewältigen suchten. Schon im Sommer 1915 aber mußte man zur Einführung besonderer Militärurlauberschnellzüge mit 30 - 40, später 60 Achsen und mit günstigen Anschlüssen an die Züge des öffentlichen Verkehrs in der Heimat schreiten. Der Urlauberverkehr hatte recht erhebliche betriebliche Schwierigkeiten zur Folge. Sie entstanden hauptsächlich dadurch, daß die Urlauber auf die schneller fahrenden D-Züge übergingen und sie durch ihren Massenandrang aus dem Fahrplan brachten.

Strenge Vorschriften über die Benutzung der D-Züge und Kontrollmaßnahmen durch Zugpatrouillen hatten keinen durchgreifenden Erfolg. Die Schwierigkeiten wuchsen sogar mit der Verstärkung der Westfront im Jahre 1917 und im Winter 1917/18; zeitweise wurden sie so erheblich, daß zu dem sehr unerwünschten Mittel der Urlaubssperre gegriffen werden mußte. Bis zum Schluß des Krieges wurde kein Mittel gefunden, durch das auf dem westlichen Kriegsschauplatz eine einigermaßen reibungslose Abwicklung des Urlauberverkehrs erzielt werden konnte.

An den anderen Fronten wickelte sich der Urlauberverkehr nach ähnlichen Grundsätzen wie im Westen ab, aber bei den geringeren Truppenstärken nicht mit so großen Schwierigkeiten. Die Zahl der Militärurlauberschnellzüge betrug im Osten Ende 1917 16 Züge täglich. Auch auf dem südöstlichen Kriegsschauplatz haben die Bahnen die großen Bedürfnisse des Urlauberverkehrs befriedigen können.

Die Ersatzzuführung unterschied sich grundsätzlich von der des Krieges 1870/71. Dort wurden die Ersatztransporte von den einzelnen Truppenteilen für sich je nach Bedürfnis in Marsch gesetzt; vom Eisenbahnendpunkt weit hinter der Front der operierenden Armeen suchten sie im Fußmarsch von Etappenkommandantur zu Etappenkommandantur ihren Truppenteil zu erreichen, manchmal in abenteuerlichen Irrfahrten. Die Massenverhältnisse des Weltkrieges, bei denen die Bahnen in die Unterkunftsräume hineinführten, ließen [269] einen derartigen Einzelverkehr nicht zu; hier mußte straffes Zusammenfassen eintreten. Das System der Ersatzzuführung paßte sich der Organisation des übrigen Nachschubs an: Zusammenfassen zu größeren Transporten an einem Sammelpunkt in der Nähe der Grenze, Vorführen in geschlossenen Zügen möglichst nahe hinter die Front, von hier Ausstrahlen zu den einzelnen Truppenverbänden.

Für eine oder mehrere Armeen war ein Ersatzsammelbahnhof möglichst in der Nähe der Grenze bestimmt. Da nicht jeden Tag für eine Armee ein geschlossener Ersatzzug aufkam, wurde das System des Wochenfahrplans eingeführt, d. h. die Ersatzsammelzüge verkehrten nur an bestimmten Tagen der Woche. Zu ihnen waren Anschlußzüge aus den Standorten der Ersatztruppenteile festgelegt. Auf den Ersatzsammelbahnhöfen wurden die aus allen Teilen des Reiches ankommenden Ersatztransporte auf ihre Richtigkeit geprüft, zu einem Gesamttransport unter einem Haupttransportführer zusammengestellt und in die richtigen Ersatzsammelzüge verladen. Hinter der Front befand sich ein Ersatzverteilerbahnhof, auf dem der Ersatzsammelzug aufgelöst wurde und die Ersatztransporte mit Frontzügen den Truppenverbänden zugeführt wurden.

Für den östlichen und südöstlichen Kriegsschauplatz ergaben sich bei dem geringeren Ersatzbedarf gewisse Vereinfachungen. So konnte häufig auf geschlossene Ersatzsammelzüge von den Ersatzsammelbahnhöfen, die zum Teil mit den Sammelstationen zusammenfielen, verzichtet werden, und es genügte die Einstellung einzelner Wagen in bestimmte Etappenzüge, die in ihrem Fahrplane durch Verpflegungs- und Tränkaufenthalte auf die Beförderung von Mannschaften und Pferden eingerichtet waren.

Als Beispiel für den Umfang der Ersatzzuführung mag ein beliebiger Monat herausgegriffen werden, in dem die Ereignisse und die Ausdehnung der Kriegsschauplätze noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hatten, der Juli 1916.

    Offiziere und
    Mannschaften
         Pferde
    Westen       219 233 7 127
    Osten   92 769 5 341
    Balkan     2 271 4

    zus. 314 273       12 472

Das ist nahezu die Mannschaftsstärke der preußischen Armee beim Aufmarsch 1870/71. Die Gesamtersatzzuführung 1870/71 betrug bis zum 9. Mai 1871 überhaupt nur 140 170 Offiziere und Mannschaften, 12 743 Pferde.


Die Ausnutzung der Eisenbahnen und Wasserstraßen für die Heeresversorgung.

Die Transportorganisation für die Heeresversorgung beruhte auf den Erfahrungen des Krieges 1870/71. Auf dieser Grundlage war die Zuführung des Nachschubs, von richtigen Grundgedanken über die Ausnützung der Eisen- [270] bahnen und Wasserstraßen ausgehend, im Frieden bearbeitet worden. Die praktische Durchführung aber mußte schon bald eine ungeahnte Weiterentwicklung erfahren.

Das Heer von 1870/71 war klein, kaum eine halbe Million stark, mit einfachen Waffen und Hilfsmitteln ausgestattet; eine noch wenig entwickelte Technik hatte Waffen und Ausrüstung noch nicht kompliziert. Das Heer war dadurch bedürfnisloser; was es für mehrere Tage brauchte, ließ sich in seinen Pferdekolonnen unterbringen. Der wichtigste Teil des Nachschubs war die Verpflegung; doch konnte man nie in unüberwindliche Schwierigkeiten kommen, da die verhältnismäßig kleinen und sich meist über weite Landstriche verteilenden Armeen zur Not aus dem Lande leben konnten; der Munitionsverbrauch hielt sich in erträglichen Grenzen, denn der Bewegungskrieg brachte viele Marsch- und nur wenig Schlachttage mit Munitionsverbrauch; die Ausrüstung war einfach, dementsprechend ihre Auffüllung. So war man im allgemeinen vom Nachschub auf den Eisenbahnen weniger beengt; nur wo in den Belagerungen der Stellungskrieg mit seinen umfangreichen Bedürfnissen an Kampfmitteln auftrat, machte sich die Abhängigkeit von den rückwärtigen Verbindungen auf den Eisenbahnen empfindlich geltend.

Der Weltkrieg brachte ein Sechsmillionenheer auf den Plan. Die zahlenmäßige Steigerung allein ist aber noch nicht das ausschlaggebende. Daß ein zwölfmal so großes Heer zwölfmal mehr Verpflegung braucht, ist ein einfaches Rechenexempel. Die grundlegenden Umwälzungen lagen weit mehr in der veränderten Art der Kriegführung mit gesteigerten Kampfmitteln und der dadurch bedingten Vielgestaltigkeit des Heeres, ferner in dem stärkeren Verbrauch aller Hilfsmittel und dem dadurch gesteigerten Auffrischungsbedürfnis.

Der Stellungskampf, der den Krieg zu einem einzigen Schlachttage mit fortwährendem Menschen-, Munitions- und Materialverbrauch machte, gab dem Weltkriege sein charakteristisches Gepräge, nicht minder die Führung auf einem halben Dutzend Kriegsschauplätzen mit grundverschiedenen Anforderungen. Neben die strategische Führung trat erfindend die Wissenschaft, ausführend die Technik, verwertend die Organisation, und so entstanden immer neue Kampf- und Hilfsmittel, vom Flieger in der Luft bis zum Mineur unter der Erde und dem Taucher der Unterwasserschneideabteilung im Wasser, vom weittragenden Ferngeschütz bis zum schweren Minenwerfer und zur Maschinenpistole, von der Fliegerbombe bis zur Gelbkreuzmunition und dem tankdurchschlagenden Infanteriegeschoß, von der Kamera des Bildfliegers bis zum Schallmeß- und dem Abhorchgerät, von der Funksprucheinrichtung im Flugzeug bis zum Erdfunker und der Meldewurfgranate, von der Gasmaske und dem Stahlhelm des Maschinengewehrschützen im Granatloch vor Ypern bis zum Schneeschuh des Alpenkorpsjägers auf den Schneefeldern der Alpen und dem Nackenschutz des Asienkämpfers am Toten Meer.

[271] So wuchs der Nachschub nicht nur in seinem Umfange, sondern vor allem auch in seiner Zusammensetzung; die Versorgung wurde kompliziert. Weit mehr als früher war das Heer auf seine Basis, auf die Erzeugungsstätten dieser zahllosen Bedürfnisse, und auf eine schnell und sicher wirkende Verbindung mit ihr angewiesen. Die Massenheere wurden damit schwerfällig, ihre Leitung durch den Nachschub und seine Nachführungsmöglichkeiten weit mehr als früher beengt.

Zu den operativen und taktischen Aufgaben der Eisenbahnen trat damit noch die der Heeresversorgung. In ihrem engen Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung der Operationen hat diese Aufgabe gegenüber früher an Bedeutung gewonnen; in ihrer technischen Durchführung aber wurde sie weitaus das schwierigere Problem. Es gipfelte schließlich gerade bei der Heeresversorgung in dem nervenaufreibenden Kampf um den Ausgleich zwischen Anforderungen und Leistungsmöglichkeit.

Wie sich in der Ausnutzung der Eisenbahnen und Wasserstraßen für die Heeresversorgung die Verhältnisse seit 1870/71 geändert, wie sie sich während des Krieges mit der steigenden Kräfteanspannung fortentwickelt haben, wie die Zuführung des Nachschubs Vorbereitung und Durchführung von Operationen beeinflußt, mag kurz an einigen Beispielen erläutert werden.

In der Zeit vom 1. Oktober bis 17. November 1870 (48 Tage) liefen auf der über Weißenburg - Nancy führenden Eisenbahn-Etappenlinie der 3. Armee in Nancy aus Richtung Weißenburg ein:

    insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Züge = 6 Züge täglich,
    davon Munitionszüge 17 Züge
    " Proviantzüge 74   "    
    " Armee- und Lazarettbedürfnisse       3   "    
    " leere Sanitätszüge 10   "    

    Nachschub insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Züge = 2,2 Züge täglich.

Die Übersicht zeigt, daß die Verpflegung den breitesten Raum einnimmt, der Nachschub an Ausrüstung, Material usw., der im Weltkriege die erste Rolle spielte, überhaupt kaum ins Gewicht fällt. Selbstverständlich können diese Zahlen nicht als Normalzahlen angesehen werden; sie sollen lediglich ein Beispiel dafür sein, in welch annäherndem Umfang der Nachschub die Eisenbahnen beanspruchte.

Das gleiche gilt für die nachfolgende Übersicht, die die tägliche Durchschnittsleistung der Eisenbahnen im Nachschub aus einer Januarwoche des Jahres 1916 berechnet, also aus einer Zeit, in der die spätere Hochspannung in der Kriegführung noch nicht eingetreten war.

[272]
a) Westen.
4. Armee:
18 Züge
(darunter 5 Verpflegungszüge, 1 Viehzug, 1 Munitionszug, 2 Pioniermaterialzüge, 7 Züge für Stellungsbau, 2 Züge für Wegebau).
6. Armee: 16 Züge.
2. Armee: 12 Züge (6 für Verpflegung, Futtermittel, Vieh und Munition, 6 für Kohlen, Holz, Pioniergerät, Baustoffe und gemischte Ladungen).
7. Armee: 17 Züge.
3. Armee: 21 Züge (darunter 9 Schotterzüge).
5. Armee: 36 Züge (11 Nachschubzüge, 12 Munitionszüge, 3 Züge mit Baumaterial, 9 mit Schotter, 4 mit Ersatzmannschaften).
Armee-Abteilung Strantz: 18 Züge.
Armee-Abteilung A: 17 Züge.
Armee-Abteilung Gaede: 4 Züge.

b) Osten.
8. Armee: 3-5 Züge.
Armee-Abteilung Scholtz: 6 Züge.
10. Armee: 10½ Züge (5 Verpflegungszüge einschl. Rauhfutter und Hafer, 4,3 Züge mit Sammelgut, 1 Ersatzzug, ¼ Munitionszug).
9. Armee: 2-3 Züge, außerdem wöchentlich 1 Ersatz-, 1 Feldbahnmaterialzug.
Armee‑Abteilung Woyrsch: 4-5 Züge, außerdem wöchentlich 2 Munitionszüge.
Bugarmee: 5-6 Züge (3-4 Nachschubzüge einschl. Gerät, 1 Kohlenzug, 1 Ersatzzug).
Südarmee: 13 Züge (5 Züge mit Sammelgut, 5 Verpflegungszüge einschl. Vieh und Futtermittel, 3 Munitionszüge), außerdem wöchentlich 1 Holzzug.

c) Südosten.
11. Armee: 8-9 Züge (6-7 Nachschubzüge einschl. Gerät, 1 Kohlen-, 1 Ersatzzug).

Man darf aus solchen Durchschnittsberechnungen, die nicht auf völlig einheitlichen Grundlagen beruhen, nicht zu weitgehende Schlüsse ziehen; immerhin zeigen sie doch folgendes allgemeine Bild: im Westen bedingt die angespanntere Kriegführung stärkeren Nachschub, der durch ein leistungsfähiges Bahnnetz [273] bewältigt wird; im Osten und Südosten äußert einerseits der Stillstand der Operationen während des Winters seinen Einfluß, andererseits setzen die erst im Ausbau zu größerer Leistungsfähigkeit begriffenen Bahnen der Stärke des Nachschubs gewisse Grenzen. Im ganzen zeigt sich eine erheblich stärkere Beanspruchung der Bahnen als 1870/71.

Der Stellungskrieg bringt den im Bewegungskrieg unbekannten Begriff des Massengüterverkehrs in die Nachschubbewegung durch seine Massenanforderungen an Material für den Stellungsbau; einen Begriff hierüber geben die Transportleistungen beim Bau der Siegfriedstellung, die zur Kürzung der Front in der Linie Arras - St. Quentin - La Fère - St. Condé angelegt wurde. Hierzu wurden in der Zeit von Mitte Oktober 1916 bis Mitte März 1917, in der die Bahnen ohnehin schon durch den vermehrten Nachschub der in schwerem Kampfe stehenden 1. und 2. Armee und durch umfangreiche Truppentransporte stark beansprucht waren, lediglich an Baustoffmengen zugeführt:

    a) mit der Eisenbahn (Wagen zu 15 t)
    Kies       Pioniergerät, Förderbahn-
    gerät, Baugerät
    1. Armee:       9 000 Wagen 8 250 Wagen
    2. Armee: 6 500     "       7 000     "      
    6. Armee: 5 000     "       3 100     "      
    7. Armee: 6 600     "       5 400     "      

    27 100 Wagen   23 750 Wagen  
    50 850 Wagen.

    b) mit Schiff (zu 250 t durchschnittlich)
    1. Armee: 38 000 t
    2. Armee: 30 000 t
    6. Armee: 30 000 t
    7. Armee: 10 000 t

    108 000 t  

Bis zu welcher Höhe die Transportanforderungen bei der immer weiter steigenden Anspannung aller Kräfte schließlich stiegen, zeigt die Frühjahrsoffensive 1918 im Westen.

Ein Überblick über die Gesamttransportleistungen ist schon bei Behandlung der taktischen Ausnutzung der Eisenbahnen auf Seite 262ff. gegeben.

Hier seien noch für den Nachschub folgende Angaben nachgetragen. Das Transportprogramm von Mitte Februar bis 1. März sah folgende Tagesleistungen vor:

[274]

    a) aus der Heimat
    Etappenzüge 68 Züge
    Postzüge 4   "    
    Lazarettzüge 4   "    
    Mannschaftsersatz 8   "    
    Pferdeersatz 10   "    
    Betriebsstoffe 1   "    
    Artillerie-, Maschinengewehr-, Flugzeuggerät, Fahrzeuge usw. 6   "    
    Eisenbahn-Oberbaumaterial 4   "    
    Güterzüge mit Einzelsendungen 12   "    
    Rauhfutter und Baracken 4   "    
    Munition (1 Eisenbahnzug = 2 Munitionszüge) 4   "    

    125 Züge
    b) aus dem besetzten Gebiet.
    Schotter für die Armeen 14 Züge
    Schotter für Eisenbahnbau 14   "    
    Kohle für die Armeen 20   "    
    Munition (1 Eisenbahnzug = 2 Munitionszüge) 8   "    
    Kriegswirtschaftliche Transporte 3   "    
    Einzelsendungen innerhalb der Armee- und Etappengebiete 10   "    

    69 Züge

Von besonderem Interesse sind auch die Transportleistungen für Munition, von deren reichlichem Bestand nicht zuletzt der Erfolg der Offensive abhing. In der Zeit vom 20. Februar bis 20. März, also zum Teil noch vor der Zeit, für die das obige Transportprogramm aufgestellt war, waren zu fahren:

1. Aus der Heimat
120 Eisenbahnzüge = 240
Mun.-Züge für Offensive u. laufenden Bedarf
2. Aus dem besetzten Gebiet 222½ " = 445 Mun.-Züge für Offensive
3. Vom 19.-24. Febr. außer-
    dem aus der Heimat
172 " = 344 Mun.-Züge


zusammen 514½ Eisenbahnzüge = 1029 Mun.-Züge

Außer der Eisenbahn hatte auch der Wasserweg seinen reichlichen Anteil zu leisten.

Die vorstehenden Zahlen zeigen den Wandel seit 1870/71. Die Massenheere mit ihren gesteigerten Bedürfnissen waren weitgehend von der Verbindung mit ihrer Basis abhängig; selbst da, wo, wie im Westen, 70% des Gesamttonnenbedarfs des Materialnachschubs im besetzten Gebiet gewonnen wurde, war der Nachschub bei seinem Umfang nur unter voller Anspannung des Bahn- und Wasserweges der Truppe zuführbar. Operationen bedurften daher ein- [275] gehender Vorbereitung des Nachschubs und seiner Heranführung. Die erforderliche Zeit mußte dazu gelassen werden.

Nun waren ja für die Frühjahrsoffensive 1918 einem Feinde gegenüber, der über alle Hilfsmittel der Welt verfügte, ganz außerordentliche Vorbereitungen nötig, die einen besonders umfangreichen Nachschub bedingten. An ruhigen Fronten war er geringer. Die Voraussetzungen auf den einzelnen Kriegsschauplätzen und innerhalb der Abschnitte jedes einzelnen Kriegsschauplatzes waren so verschieden, daß die Festsetzung eines Normalnachschubbedarfs nicht möglich ist; immerhin gibt die nachstehende Übersicht wenigstens allgemeine Anhaltspunkte; sie berechnet auf Grund der Erfahrungen vor Verdun und in den Sommeschlachten den Tagesbedarf für das Gebiet eines Divisionsabschnitts mit gleichzeitiger Versorgung des Hintergeländes in etwa 20 km Tiefe für den Stellungskampf auf dem westlichen Kriegsschauplatze:




    Nachschub
    Durchschnittlicher Tagesbedarf bei
    ruhiger Front Kampfhandlungen

    Zahl der
    Vollbahnwagen
    t Zahl der
    Vollbahnwagen
    t

    Munition 4 -   7,6 60 - 115 32 460
    Verpflegung 8 - 11,6 80 - 120 10 110
    Pioniergerät 4 - 10   51 - 110 13 180
    Holz 3 -   5   28 -   46 15 150
    Kohlen, Verschiedenes 2 -   8   26 - 100
    Straßenschotter 5 - 15   60 -   95
    Material für Bau von Stellungen   5 - 10   65 - 130

    zusammen   31 - 67,2 370 - 716   70 900

    durchschnitt-
    lich 500 t

Im Bewegungskriege, in dem die zahlreichen Sonderforderungen des Stellungskampfes wegfielen, und einem Feinde gegenüber, der wie z. B. die Russen, eine technisch weniger hochgespannte Kriegführung zuließ, waren die Bedürfnisse der Massenheere immer noch so beträchtlich, daß ihre rechtzeitige und ausreichende Nachführung, namentlich die Munitionsversorgung, ein leistungsfähiges Eisenbahnnetz zur Voraussetzung hatte; wo dieses fehlte, war vorauszusehen, daß der Nachschub auf Schwierigkeiten stoßen und den Verlauf der Operationen ungünstig beeinflussen mußte. Typisch hierfür ist der Sommerfeldzug gegen Rußland 1915, der am 2. Mai mit dem Durchbruch bei Gorlice begann und allmählich nach Norden hin die gesamte Front der Verbündeten bis an die Ostsee gegen Osten in Bewegung setzte.

Auf dem rechten Flügel geboten nach dem Durchbruch von Gorlice (2. Mai) und der Erstürmung des Brückenkopfes von Jaroslau (15. Mai) die Nachschub- [276] schwierigkeiten dem unaufhaltsamen Vorgehen schon am San einen Halt und gestatteten die Wiederaufnahme der Vorwärtsbewegung erst Anfang Juni. Schon nach der Einnahme von Lemberg (22. Juni) mußte ein neuer Stop eingelegt werden, und bei dem von Ende Juli ab erfolgenden Vorgehen der Heeresgruppe Mackensen zwischen Bug und Weichsel waren die Eisenbahnen nicht mehr in der Lage, den Nachschub heranzubringen.

Auch bei der 12. und 8. Armee, die von der Südgrenze Ostpreußens her zwischen Weichsel und Schkwa (12. Armee) und Schkwa und Pissa (8. Armee) gegen den Narew und dann in östlicher Richtung weiter vordrangen, machte sich, je weiter man sich von den Eisenbahnendpunkten entfernte, die Wirkung der sich immer schwieriger und unzureichender gestaltenden Versorgung auf die Kampfhandlungen geltend. General Ludendorff schreibt darüber in seinen Kriegserinnerungen:

      "Die Nachschubverhältnisse wurden von Tag zu Tag ungünstiger, namentlich bei der 12. Armee, die sich von ihren Eisenbahnendpunkten immer weiter entfernte... Was wir an Fahrzeugen hatten, wurde vornehmlich zur Munitionsnachfuhr benutzt. Unsere erschöpfte Infanterie brauchte, wenn sie angreifen sollte, um so mehr artilleristische Unterstützung, je weiter sie nach Osten kam. Mit zunehmender Entfernung wuchs die Schwierigkeit, Munition vorzubringen. So verlangsamten sich die Kampfhandlungen und ermatteten."

Für die über Kowno vorgehende 10. Armee lagen die Verhältnisse ähnlich, da die Verwendung der Masse der Eisenbahnbautruppen an anderen Stellen eine genügend schnelle Wiederherstellung der Eisenbahn Wirballen - Kowno - Wilna nicht gestattete.

Am linken Flügel, wo die Niemen-Armee - auf die Vollbahn bei Laugszargen mit anschließender Feldbahn nach Kielmy, auf die kurz vor Operationsbeginn notdürftig fertiggestellte Bahn Memel - Prekuln und den Hafen Libau basiert - nach Litauen und Kurland vordrang, gestaltete sich die Versorgung um so schwieriger, als die Armee infolge zahlreicher Abgaben an die 8. und 10. Armee nicht über genügend Kolonnen, namentlich für die Munitionsergänzung, verfügte, um die immer mehr zunehmende Entfernung bis zu den Eisenbahnendpunkten zu überbrücken. So mußten auch hier die Operationen eine gewisse Unterbrechung zur Festigung der rückwärtigen Verbindungen erfahren und in ihrer Durchführung durch die zunehmenden Schwierigkeiten in der Nachführung des Nachschubs verlangsamt werden.

Es ist begreiflich, daß überall da, wo, wie im Feldzug gegen Rußland 1915, im Verlauf der Operationen die Verbindung mit der Eisenbahn abriß, Führung wie Truppe sehnsüchtig auf ihre Wiederanknüpfung warteten, die die Ergänzung der immer geringer werdenden Munitions- und Mannschaftsbestände, die Zuführung der Verpflegung, die Auffrischung der hart mitgenommenen Bekleidung und Ausrüstung rascher und sicherer bewerkstelligen konnte, als dies bei Überbrückung weiter Strecken auf schlechten Wegen durch Kolonnen [277] möglich war. Ebenso erklärlich ist es, daß diese Sehnsucht zur Ungeduld wurde, je länger sich das Einsetzen eines regelmäßigen und ausreichenden Nachschubs verzögerte. Und doch mußte damit von vornherein gerechnet werden, je geringer die ursprüngliche Leistungsfähigkeit der Strecken, je nachhaltiger ihre Zerstörung war, oder wo gar die Operationen in eisenbahnlose Gebiete geführt wurden. Es war eine auf falschen Voraussetzungen beruhende Hoffnung, wenn mit der Wiederherstellung besonders ins Auge fallender Zerstörungen und mit der Ankunft der umnagelnden Bauspitze hinter der Front sofort das volle Einsetzen des Nachschubs erwartet wurde. Um die Bahnen hierfür erst leistungsfähig zu machen, bedurfte es außer der Wiederherstellung zerstörter Anlagen noch umfangreicher Arbeiten, insbesondere Bahnhofsausbauten; diese erforderten stets geraume Zeit.

Mit den Grundsätzen einer zweckmäßigen Ausnutzung der Eisenbahnen, die den Einklang zwischen Anforderungen und Leistungsfähigkeit fordern, war es nicht zu vereinen, wenn, wie im Osten 1915 nach dem Übergang zum Stellungskrieg, auf diese erst allmählich in ihrer Leistungsfähigkeit wachsenden Bahnen der inzwischen in der Heimat angestaute Nachschub in einem größeren Umfang losgelassen wurde, als die am wenigsten leistenden Auslaufstrecken und die Abfuhrmöglichkeiten durch Kolonnen verarbeiten konnten. Die Folge war eine Zurückstauung des Nachschubs, oft tief bis ins Heimatgebiet hinein. Sie erzeugte die bekannte "Verstopfung der Eisenbahnen" mit der unbeabsichtigten Wirkung, daß der Nachschub nunmehr erst recht ins Stocken kam. So kam es, daß sich im Winter 1915/16 die Bahnen der Ostprovinzen, insbesondere Ostpreußens, immer mehr mit Nachschubzügen anfüllten, die nicht weiter vorgeführt werden konnten und lange auf Ablauf warten mußten, daß dadurch die Bahnhöfe vollgestellt und zur Aufnahme der immer neu hinzukommenden Züge unfähig wurden, die nunmehr in gleicher Weise die rückwärtigen Bahnhöfe verseuchten. So entstand durch Überfüllung eine gefährliche Desorganisation des Verkehrs. Sie findet sich während des Krieges immer wieder, auch auf dem leistungsfähigen Bahnnetz des Westens, überall da, wo eine Überforderung an die Auslaufstrecken rückwirkend den Nachschub bis in die Heimat hinein anstaute; und man muß hierin mit eine der Ursachen erblicken, die zu den schweren Verkehrsstörungen in der Heimat beigetragen haben.

Wo, wie im Osten, die Eisenbahnen erst nach längerer Zeit imstande waren, die gesamte Last des Nachschubs zu tragen, hätten Mittel und Wege gefunden werden müssen, ihr bis dahin einen Teil der Last abzunehmen. Die im Eisenbahnkrieg in Vergessenheit geratene Land-Etappenstraße hätte hier helfen können; nicht als Verbindung zwischen Eisenbahnendpunkt und Front, sondern tief im Hinterland, unter Umständen noch im Heimatgebiet an die Eisenbahn anknüpfend und neben ihr, nicht bloß in ihrer Verlängerung, herführend. Zum mindesten wäre es dann möglich gewesen, die am wenigsten das Stilliegen [278] vertragenden Mannschafts- und Pferde-Ersatztransporte zur Entlastung der Bahn auf ihr vorzuführen. Voraussetzung hierfür wäre aber gewesen, daß eine klare Erkenntnis von der Leistungsfähigkeit des Bahnnetzes die planmäßige Vorbereitung der Land-Etappenstraße schon bei der Anlage der Operationen ins Auge faßte.

Es ist in diesem Zusammenhang wiederholt die Frage aufgeworfen worden, wie weit Offensivoperationen sich von der Eisenbahn entfernen können, bis sie durch das Abreißen des Nachschubs zum Stillstand kommen. Für den Osten, wo die schlechten Wegeverhältnisse besonders ins Gewicht fallen, wurden zunächst 120 km als Höchstgrenze angenommen, wie General Ludendorff in seinen Kriegserinnerungen angibt; tatsächlich ist aber diese Grenze weit überschritten worden. Die Frage läßt sich allgemein überhaupt nicht beantworten; die Verhältnisse des Kriegsschauplatzes und seine Straßenanlagen, die verfügbaren Hilfsmittel und insbesondere die Art der planmäßig für die Überbrückung getroffenen Vorbereitungen sind dabei maßgebend. Wer über die Straßen Frankreichs und die Kraftfahrmittel einer Entente verfügte, hätte sich bei planmäßiger Vorbereitung wohl noch erheblich weiter als im Osten von der Bahn zu entfernen vermocht. Wenn die Franzosen im Februar 1916 auf der 60 km langen Strecke Bar-le-Duc - Verdun mit über 6800 Kraftwagen täglich durchschnittlich 13 000 Personen und 7000 t Güter beförderten, so kann daraus gefolgert werden, daß eine Überbrückung auch weiter Entfernungen bei ausreichenden Hilfsmitteln, planmäßiger Vorbereitung und günstigen Straßenverhältnissen für vorübergehende Zeit wohl möglich ist. Es darf aber nicht übersehen werden, daß ein dichter Lastkraftwagenverkehr die Straßendecke ganz außerordentlich beansprucht. Die Instandhaltung erfordert nicht nur zahlreiche Baukräfte, sondern auch gewaltige Schottermengen. Wo diese nicht, wie bei Verdun, an der Fahrstraße gewonnen werden können, erfordern sie selbst soviel Beförderungsmittel, daß über eine begrenzte Entfernung hinaus der Lastkraftwagenverkehr sich selbst aufzehrt.

Die Sammlung, Vorführung und Verteilung eines so umfangreichen und vielgestaltigen Nachschubs für die verschiedenen Kriegsschauplätze konnte neben eingehender verkehrstechnischer Regelung nur durch eine straffe einheitliche Organisation gewährleistet werden. Ihr Grundgedanke war, den Nachschub in der Heimat in der Nähe der Grenze zu sammeln, ihn zu ordnen, ihn von dort in geschlossenen Zügen auf den Kriegsschauplatz hinter die Armee bis zu einem bestimmten Punkte vorzuführen, ihn da für die einzelnen empfangenden Verbände zu zerlegen und diesen unter Benutzung weiterer Vollbahnstrecken, des Feld- und Förderbahnnetzes oder durch Kolonnen zuzuführen. Der Grundgedanke war richtig und hat sich bewährt; er wurde im Laufe des Krieges immer weiter entwickelt, zu dem Zweck, den stark beanspruchten Betrieb zu entlasten, die Eisenbahn dadurch leistungsfähig zu erhalten und so die Sicherheit der Versorgung zu gewährleisten.

[279] Die Sammlung des Nachschubs verfolgte einen doppelten Zweck: einmal brauchte man in möglichster Nähe des Kriegsschauplatzes, aber doch so weit entfernt, daß die Wechselfälle des Krieges keine Einwirkung ausüben konnten, ein großes Vorratslager der wichtigsten Kriegsbedürfnisse, aus dem man rasch den Bedarf an die Front vorholen konnte. So entstand in der "Sammelstation" ein erstes Staubecken, in das Güter aus der Heimat zugefahren und ausgeladen und aus dem Güter für die Front wieder eingeladen und abgefahren wurden. Die Sammelstation bestand aus einer Reihe von Magazinen: dem Proviantdepot mit Marketendereiabteilung für Verpflegungsmittel, dem Materialiendepot für Materialbedürfnisse aller Art, dem Sammel-Sanitätsdepot für Sanitätsmaterial, dem Bekleidungsdepot für Bekleidung und dem später aufgehobenen Liebesgabendepot zur Sammlung von Liebesgaben, ausnahmsweise auch einem Viehdepot. Für jede Sammelstation war ein bestimmtes Soll an Vorräten vorgeschrieben, das durch rechtzeitige Ergänzung aus dem Landesinnern dauernd einzuhalten war.

Jeder Armee war eine Sammelstation zugewiesen; für die Auswahl waren Lage und Leistungsfähigkeit der Sammelstation bestimmend. Im allgemeinen hatte eine Sammelstation nur eine, bei geringen Armeestärken auch zwei Armeen zu versorgen; große Armeestärken machten aber auch die Zuweisung zweier Sammelstationen auf eine Armee nötig. Die Verteilung auf die Kriegsschauplätze war zur Erzielung kurzer Transportwege so geregelt, daß die Sammelstationen für den westlichen Kriegsschauplatz zumeist am Rhein, für den östlichen Kriegsschauplatz in den Ostprovinzen, für den Südosten in Sachsen und Bayern lagen.

Die Sammlung an der Grenze hatte ferner einen verkehrstechnischen Zweck. Der Nachschub konnte nicht ohne weiteres an die Verkehrstechnik des öffentlichen Verkehrs anknüpfen. Bei der Notwendigkeit der Geheimhaltung und den fortdauernden Truppenverschiebungen war der Aufenthalt des Empfängers dem Absender unbekannt. Es mußte daher eine Zwischenstelle eingeschaltet werden, an die die Sendungen adressiert wurden und die - dauernd über die Aufenthaltsorte der Front und Etappenformationen unterrichtet - für Umbehandlung und Weiterleitung an den Empfänger sorgte. So entstand für jede Armee eine "Weiterleitungsstelle", eine Verkehrseinrichtung, die aus Zweckmäßigkeitsgründen auf dem Bahnhof der zur gleichen Armee gehörigen Sammelstation eingesetzt wurde. Um Umwege zu vermeiden, die bei der Lage mancher Aufkommgebiete zu den Weiterleitungsstellen eintreten mußten, wurden an geeignet gelegenen Bahnhöfen "Hilfsweiterleitungsstellen" eingerichtet mit den Aufgaben der Weiterleitungsstellen, aber ohne örtliche Vereinigung mit einer Sammelstation.

So ergab sich eine zweifache Art des Nachschubs: Güter, die in die Magazine der Sammelstation zuflossen, entladen und später bei Bedarf an der Front [280] wieder abgefahren wurden, und Güter, die, ohne den Eisenbahnwagen zu verlassen, die Weiterleitungsstelle lediglich zur verkehrstechnischen Umbehandlung auf dem Wege zur Front passierten.

Sammelstationen und Weiterleitungsstellen bildeten nachschubtechnisch gleichzeitig die Grenze zwischen Heimat und Kriegsschauplatz.

In der Heimat wurden die einzelnen Bestandteile des Nachschubs entweder zunächst in Magazinen oder Depots gesammelt oder gingen von den Erzeugungsorten (Fabriken) unmittelbar zu den Weiterleitungsstellen. Da insbesondere mit der Sammlung der Futter- und Verpflegungsmittel in den Ersatzmagazinen und mit ihrer späteren Vorführung in die Proviantdepots nicht selten Umwege und Rückläufe und dadurch unwirtschaftliche Wagenläufe verbunden waren, hätte es eine Schonung des Transportapparats bedeutet, wenn auf diese erste Magazinierung verzichtet, die Ersatzmagazine durch Landbezirke (Bezirke der stellvertretenden Korps-Intendanturen) ersetzt und eine Anzahl solcher Nachschubbezirke je nach Größe der in ihnen enthaltenen Bestände den einzelnen Armeen unter Berücksichtigung ihrer Lage und der Verbindungen zugeteilt worden wäre. Aus organisatorischen Gründen ließ sich dieser Gedanke jedoch im Laufe des Krieges nicht mehr durchführen.

Die Bahnhöfe der Sammelstationen und Weiterleitungsstellen hatten umfangreiche Rangierarbeiten durchzuführen und wurden in stets weiter steigendem Maße beansprucht. Zu ihrer betrieblichen Entlastung bildete sich das Verfahren heraus, Massensendungen gleicher Art, wie Munition, Rauhfutter, Zement, Pioniergerät, Stacheldraht, Artillerie- und Fliegergerät, Holz, schon im Entstehungsgebiet zu geschlossenen Zügen mit einheitlicher Ladung - unter Umständen unter Festlegung bestimmter, nicht wechselnder Sammelbahnhöfe - zu vereinigen und sie unter Umgehung der Weiterleitungsstellen unmittelbar nach dem Kriegsschauplatz zu führen. Da sich ferner das Bedürfnis herausstellte, auch an gewissen Massengütern Vorratslager mit ähnlichem Zweck, wie die Sammelstationen, in der Nähe der Grenze zu haben, so entwickelten sich in den Holzsammelstationen, Heeres-Pionierparks und Viehsammelstellen Sondersammelstationen, die wesentlich zur Entlastung der Weiterleitungsstellen beitrugen.

Eisenbahnstation hinter der Front im Westen.
[280a]      Eisenbahnstation hinter der Front im Westen.

Die Sammelstation war mit der Armee durch eine bestimmte Eisenbahnlinie, die Eisenbahn-Etappenlinie, verbunden. Wo mehrere Armeen auf die gleiche Etappenstraße angewiesen waren, war dies ein durch die Dürftigkeit des Eisenbahnnetzes veranlaßter Notbehelf. Die Eisenbahn-Etappenlinie bildete gleichzeitig den Rückweg für den Abschub; er diente als Gegenbewegung zum Nachschub einer wirtschaftlichen Ausnutzung der Lokomotivkräfte.

Von der Sammelstation und Weiterleitungsstelle wurde der Nachschub auf dieser Eisenbahn-Etappenlinie in geschlossenen Militärzügen zur Front vorgeführt.

[281] Die Durchführung in geschlossenen Zügen erfolgte bis hinter die Armeefront zur "Frontverteilungsstelle". Diese hatte eine doppelte Aufgabe ähnlich derjenigen der Sammelstation und Weiterleitungsstelle: Sie bildete einmal ein zweites Staubecken dicht hinter der Front, bestehend aus Magazinen mit den wichtigsten Bedürfnissen; sodann zerlegte sie den in geschlossenen Zügen ankommenden Nachschub in Gruppen nach den einzelnen Empfängern und sorgte für die Weiterleitung an das endgültige Ziel. Wo die Transportrücksichten es gestatteten, wurde die Frontverteilungsstelle am Etappenhauptort, dem Sitz der wichtigsten Etappenbehörden, eingerichtet. Wo jedoch, wie im Westen, der Zufluß namentlich an Massengütern derartig umfangreich war, daß ein einziger Bahnhof betrieblich den Rangieranforderungen nicht gewachsen sein konnte, oder wo ein genügend leistungsfähiger Bahnhof überhaupt nicht zur Verfügung stand, wurde die Aufgabe der Frontverteilungsstelle auf mehrere Bahnhöfe verteilt, die ganz bestimmtes Gut aufzunehmen hatten; so entstanden Frontverteilungsbahnhöfe für Verpflegung, Pioniergerät, Munition, Kohle usw.

Vom Frontverteilungsbahnhof wurde der Nachschub auf den Spitzenstrecken zu den Ausladebahnhöfen vorbefördert, wo er entweder mit Kolonnen abgeholt oder mit Feld- und Förderbahnen den Truppen zugeführt wurde.

Für die Verteilung des Nachschubs war es bahntechnisch günstig, wenn die Spitzenstrecken parallel mit der Stellung hinter der Front entlang liefen; es war dann unter einfachen Verhältnissen möglich, bereits auf der Weiterleitungsstelle die Züge in Gruppen nach den Ausladestellen zu rangieren, so daß man dann die Auslaufstrecke nur aufzurollen brauchte. Betrieblich war dies günstig, da die Rangierarbeit auf den Frontverteilungsstellen in vielen Fällen wegfiel. Diese Anlage der Bahnen, die sich im Osten an verschiedenen Stellen vorfand, hatte jedoch den Nachteil, daß bei einem Rückschlag an der Front die ganze Auslaufstrecke verlorengehen konnte, und der Nachschub bei einem dünnen Eisenbahnnetz weit hinten in großer Entfernung von der neuen Front ausgeladen werden mußte. Militärisch war es deshalb günstiger, wenn von der Frontverteilungsstelle mehrere Stichbahnen nach den verschiedenen Teilen der Front vorfühlten, so daß bei einer Änderung der Lage nur ein Zurückverlegen der Ausladebahnhöfe auf den gleichen Strecken zu erfolgen hatte.

Das wichtigste Problem der Heeresversorgung blieb der Ausgleich zwischen Anforderungen und Leistungsfähigkeit und die Notwendigkeit, zur Aufrechterhaltung eines geordneten, nicht überspannten Betriebes eine gewisse Stetigkeit in die Zuführung zu bringen, da stoßweise Anforderungen schwere betriebliche Störungen zur Folge hatten. Als Regulator und gleichzeitig als Barometer für Störungen wirkte hier die Sammelstation mit der Weiterleitungsstelle. Die Nachführung mußte sich geregelt vollziehen, wenn der Zufluß zur Sammelstation der Abnahme an der Front entsprach. War er stärker, dann mußte es zu Rückstauungen kommen, die sich bis tief in die Heimat hinein [282] verkehrsstörend geltend machten. Zur Regulierung diente bei starkem Verkehr das sogenannte Abrufverfahren. Der Beauftragte des Chefs des Feldeisenbahnwesens bei der Armee bezeichnete - unter Umständen durch Dringlichkeitslisten, die die einzelnen Teile des Nachschubs in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit vorschrieben - nach den Bedürfnissen der Front, der Eisenbahnlage und der Lage in der Sammelstation der Linienkommandantur der Sammelstation den zur Vorführung an die Front bestimmten Nachschub; diese holte sich dann die ihr von den Linienkommandanturen im Reichsinnern telegraphisch angebotenen Nachschubtransporte dem Bedürfnis und der Abbeförderungsmöglichkeit entsprechend heran und schob sie nach vorne. Gewiß war ein solches Verfahren umständlich und belastete den Telegraphen; aber es war das einzige sicher wirkende Mittel, um die Nachführung des Nachschubs fest in der Hand der Militär-Eisenbahnbehörden zu belassen.

Die Beförderung der Post erfolgte in Bahnpostwagen mit planmäßigen Personen- und Schnellzügen, in besonderen Postzügen oder in Postpackwagen mit den Etappenzügen.

Privatpakete übergab die Post auf den Sammelpaketämtern an die Eisenbahnbehörden. Sie beförderten sie zu den "Paketstellen" der Militär-Eisenbahnverkehrsämter auf dem Kriegsschauplatze. Diese veranlaßten die Vorbeförderung zu den Ausladebahnhöfen, wo die Abholung durch Truppenkommandos erfolgte.

Der Paketverkehr vom Kriegsschauplatze nach der Heimat erfolgte in ähnlicher Weise durch Aufgabe der Pakete bei den Güterabfertigungen oder Militär-Güterstellen der Ausladebahnhöfe und Rückbeförderung über die Paketstellen zu den Militär-Paketämtern, von denen aus die Post für Weiterleitung an den Adressaten sorgte.

Der Abschub diente in erster Linie kriegswirtschaftlichen Interessen und wird im Zusammenhang mit der Kriegswirtschaft Erwähnung finden. Hier soll nur auf die Zurückführung der Verwundeten und Kranken eingegangen werden. Ihr dienten Lazarett-, Hilfslazarett- und Vereinslazarettzüge für liegende, Leichtkrankenzüge für sitzende Kranke.

Hinter der Front waren an den Bahnhöfen von den Kranken-Transportabteilungen Krankensammelstellen mit Lagerungs- und Übernachtungsgelegenheit eingerichtet, auf denen die Beladung der Züge erfolgte. Die Liniengebiete der Heimat wurden allmonatlich nach der Zahl der in ihren Reservelazaretten verfügbaren Betten auf die Etappeninspektionen verteilt; den Liniengebieten wurden die Lazarett- usw. Züge nach dem Lazarettverteilungsplan zugeführt; die weitere Verteilung auf die Reservelazarette regelte sodann die Linien-Kommandantur nach Maßgabe der verfügbaren Betten.

Die Leichtkrankenzüge mit sitzenden Kranken verkehrten im Pendelverkehr zwischen Front und Reichsgrenze (Leichtkrankenzüge der Etappeninspektion); hier wurden die Kranken vom Sanitäts-Transportkommissar, der die Grenzgruppe der [283] Kranken-Transportabteilung darstellte, übernommen und in besonderen "Leichtkrankenzügen des Sanitäts-Transportkommissars" nach dem erwähnten Lazarettzug-Verteilungsplan in das Inland überführt, wo ihre Verteilung auf die Lazarette, wie bei den Lazarettzügen, durch die Linienkommandanturen erfolgte.

Es leuchtet ohne weiteres ein, daß die Versorgung eines Sechsmillionenheeres auf weit entfernt liegenden Kriegsschauplätzen mit der immer mehr zunehmenden Anspannung der Kriegführung die Bahnen schließlich bis an die äußerste Grenze der Leistungsmöglichkeit beanspruchen mußte. Eine wesentliche Entlastung brachte hier der Wasserweg, besonders als sich allmählich das anfänglich nicht überall vorhandene Verständnis für die Notwendigkeit seiner weitgehenden Ausnutzung unter dem Drucke der Verhältnisse geltend machte.

Auf dem östlichen Kriegsschauplatz hat die Ostsee mit ihren Ausladehäfen Libau, Windau, später auch Riga und Reval, wesentlich zur Versorgung des nördlichen Frontteils beigetragen; Niemen und Weichsel wurden herangezogen, soweit es diese nichtregulierten Ströme erlaubten. Auch auf kleineren Flüssen entwickelte sich ein Lokalverkehr.

Auf dem südöstlichen Kriegsschauplatz hat die Donau einen wesentlichen Anteil daran, daß der durch die wenig leistungsfähigen österreichisch-ungarischen Bahnen nur mit Mühe bewältigte Nachschub der Truppe in vollem Umfange zugeführt werden konnte.

Auf dem westlichen Kriegsschauplatz, wo die Bahnanforderungen am größten, das Wassernetz am günstigsten waren, wurde unter Leitung der Militär-Kanaldirektion die Bahn in weitgehender Weise entlastet, wie später zahlenmäßig erläutert wird. Die günstigen Wasserverkehrsverhältnisse gestatteten stellenweise, wie vor Arras auf der Scarpe, sogar eine Vorführung des Nachschubs bis ins Trichterfeld.

In der Heimat, wo das Wasserstraßennetz hauptsächlich zur Füllung der Ersatzmagazine und Sammelstationen, aber auch zur Durchführung von Massentransporten, wie Schotter, Kies, Rauhfutter usw., nach den Kriegsschauplätzen ausgenutzt wurde, brachten die durch die unermüdliche Tätigkeit der Schiffahrtsabteilung von Monat zu Monat gesteigerten Verkehrsleistungen dem bis zum äußersten beanspruchten Eisenbahnapparat eine merkliche, dankbar begrüßte Entlastung, ohne die das Gesamttransportbedürfnis von Heimat und Front wohl nicht zu befriedigen gewesen wäre.


Eisenbahnen und Wasserstraßen in ihren Zusammenhängen mit der Kriegswirtschaft.

Frühere Kriege kennen eine Kriegswirtschaft im modernen Sinne nicht. Die Kriege wurden ausschließlich mit militärischen Machtmitteln durch die Heere geführt. Nur die Vernichtung des feindlichen Heeres, nicht auch die Niederzwingung der feindlichen Bevölkerung durch die Vernichtung ihrer Existenzbedingungen, war das Ziel der Kriegführung.

[284] Die Heere waren verhältnismäßig klein und in ihren Hilfsmitteln einfach. Deshalb hielt sich auch alles das, dessen das Heer zur Erhaltung seiner Schlagfertigkeit bedurfte, in engen Grenzen.

Zur grundsätzlichen Änderung dieser Verhältnisse im Weltkriege trat hinzu, daß in den drei Jahrzehnten vor dem Kriege die Entwicklung der Verkehrsverhältnisse in der Volksernährung und in der Industrie dazu geführt hatte, auf die Ansammlung von Vorräten zu verzichten, sich vielmehr auf die Zufuhr aus dem Auslande einzustellen.

Diese empfindliche Stelle traf die englische Blockade. Sie wollte die Bevölkerung aushungern und die Industrie lahmlegen.

Um ihre Wirkung abzuschwächen, mußten die angrenzenden neutralen Länder, die Verbündeten Deutschlands und das besetzte Gebiet herangezogen werden. Die Einfuhr, die im Frieden vorwiegend über die Seehäfen erfolgte, kam nun in der Hauptsache über die trockene Grenze. Da sie aber nur einen Bruchteil des ganzen deutschen Bedarfs deckte, mußten die knappen Bestände von zentraler Stelle aus bewirtschaftet und verteilt werden.

So entstanden durch Umstellung der Verkehrsbeziehungen vermehrte und stark veränderte Anforderungen an den Transportapparat. Ihre Regelung war in erster Linie Aufgabe der Eisenbahnverwaltungen; das von ihnen zu diesem Zweck am 1. Juli 1917 ins Leben gerufene Generalverkehrsamt beim preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten hat die größten Schwierigkeiten zu beseitigen vermocht. - Die Mitarbeit der Militär-Eisenbahnbehörden war unentbehrlich. In erster Linie mußten die Transportanforderungen für rein militärische und die für kriegswirtschaftliche Zwecke in Einklang gebracht werden. Weiter standen die kriegswirtschaftliche Ausnutzung der besetzten Gebiete und die aus ihr sich ergebenden Transporte in unlösbarem Zusammenhang mit den gleichen Transporten in der Heimat.

Nachfolgend sollen zunächst einige statistische Angaben, die den bis Mitte 1917 vorliegenden Untersuchungen des Professor Dr.  Tießen: Die Massengüterbewegung in Deutschland entnommen sind, ein Bild davon geben, welchen Einfluß die Umstellung der deutschen Wirtschaft im Kriege auf den Gesamtverkehr hatte.

Kohle. Sie stand in der Bedeutung für die Industrie und ebenso bei der Transportierung an erster Stelle:

1913 1915 1916
Gesamtbelastung d. deutschen Eisenbahnen mit Gütertransporten (in Millionen t) 500,5 367,6 415,63
darunter Steinkohle, Koks, Braunkohle (in Millionen t) 198,3 148,2 166,3
Betriebsleistung der deutschen Eisenbahnen (in Millionen t/km) 62 500   58 600   72 500
davon für Steinkohle, Koks, Braunkohle 29 800 24 900 34 200

[285] Die Tabelle zeigt ein Sinken der zu befördernden Menge, ein Ansteigen der aufzuwendenden Betriebsleistung. Die früher mit englischer Kohle versorgten Küstengebiete mußten von der Ruhr und aus Oberschlesien versorgt werden. Hinzu traten die wesentlichen Betriebsaufwendungen für die Zufuhr von Kohlen nach Österreich-Ungarn, Bulgarien und der Türkei, später auch nach der Ukraine. Besonders fühlbar aber waren die unwirtschaftlichen Verkehrsbeziehungen im inneren Verkehr; erst nachdem lange Zeit Abhilfemaßnahmen gewirkt hatten, gelang es, eine tägliche Ersparnis von rund 737 000 t/km an der Ruhr, von rund 170 000 t/km im mitteldeutschen Revier zu erzielen.

Erzverkehr: 1913 wurden 8,4 Millionen t über die Rheinmündung eingeführt, davon 4,9 Millionen t aus Skandinavien. Letztere wurden während des Krieges auf die Ostseehäfen und die deutschen Nordseehäfen verteilt; es wurden von hier aus 1915 dem Ruhrrevier 3 728 000 t, Oberschlesien 380 000 t zugeführt. Diese Einfuhr betrug 1916 4 052 857 t und stieg 1917 auf 5 138 067 t.

Ersatz für die fehlenden Mengen boten das besetzte Gebiet und die verbündeten Länder. Die Masse kam aus dem Erzbecken von Longwy und Briey:

    Becken von Briey    Becken von Longwy
    1914 8 418 t       29 372 t      
    1915 1 339 522 t       350 692 t      
    1916 2 243 847 t       298 644 t      
    1917 (bis einschließlich August)     2 540 610 t       364 626 t      

Aus dem in Polen liegenden Erzvorkommen erhielt Oberschlesien jährlich etwa 150 000 t. Von Serbien wurden vom April 1916 bis Ende September 1917 12 331 Wagen Erze eingeführt.

Die Umstellung der Erzversorgung zeigt ebenfalls, besonders wenn man das Verhältnis der t-Belastung zu der t/km-Belastung in jedem Jahre vergleicht, wesentliche Mehrleistungen bei den Eisenbahnen:

    1913 1915 1916
    Gesamtbelastung der deutschen Eisenbahnen im Massen-    
          güterverkehr durch Erz und Schrott (in Millionen t)
    26,1 24,6 26,29
    Betriebsbelastung durch Erz und Schrott (in Mill. t/km) 3550    4700    4900

Die Besserung ab 1916 ist der Heranziehung des Wassertransports durch die Schiffahrtsabteilung zu verdanken.

Getreide: Im Frieden ging das ostdeutsche Getreide in erheblichem Umfang nach den Seehäfen; Westdeutschland dagegen wurde vorwiegend über die Häfen: Bremen, Duisburg, Mannheim versorgt. Im Kriege mußte sich, besonders beim Fehlen eines durchlaufenden Kanalweges, zum Ausgleich eine starke Ost-Westbewegung auf der Eisenbahn entwickeln. Hierzu kam, daß die geringen aus dem Osten und Südosten (Rumänien) zu beschaffenden Zuschußmengen ebenfalls mit der Eisenbahn zugeführt werden mußten. Die Mehrbelastung der Eisenbahnen zeigt die nachstehende Tabelle.

[286]

    1913 1915 1916
    Mengenbelastung der deutschen Eisenbahnen mit Getreide
          und Mehl im Massengüterverkehr (in Millionen t)
    20,19 15,41 18,29
    Betriebsleistung für Getreide und Mehltransporte (in Millionen t/km)     1950    2350    3450

Die mittlere Betriebsbelastung (km pro 1 t) der Getreidetransporte betrug

    1913                   96 km
    1915                   150 km
    1916                   200,1 km

war also um 109 v. H. gestiegen.

Kartoffeln: Bei ihnen entwickelten sich ähnliche Verhältnisse besonders dadurch, daß im industriellen Westen infolge Verminderung der verfügbaren Getreidemengen der Bedarf an Kartoffeln für die menschliche Ernährung stieg:

    1913 1915 1916
    Gesamtbelastung der deutschen Bahnen
          durch den Kartoffelverkehr (in Millionen t)    
    4,51 6,44 8,32
    Betriebsbelastung der Eisenbahnen durch den
          Kartoffelverkehr (in Millionen t/km)
    650    1450    2050

Die mittlere Betriebsbelastung (km pro 1 t) betrug:

    1913                   144 km
    1915                   225 km
    1916                   246 km

Die Steigerung betrug somit gegenüber der Friedenszeit 71 v. H.

Auf die vorstehend skizzierten, ganz außerordentlichen Erschwerungen des heimischen Eisenbahnbetriebs konnten die Militär-Eisenbahnbehörden nur mittelbar Einfluß nehmen, indem Truppen- und Nachschubtransporte die neuen Verhältnisse berücksichtigten. Wesentlich war auch die Mitarbeit der Schiffahrtsabteilung des Chefs des Feldeisenbahnwesens, die einen erheblichen Teil des Massengüterverkehrs auf das Wasser ableitete und seine Durchführung dort organisierte.

Unmittelbaren Einfluß übten die Militär-Eisenbahnbehörden auf die Transporte der Kriegsindustrie aus. An den mit der Munitionserzeugung zusammenhängenden Transporten soll der Aufgabenkreis erläutert werden.

Beim Preßstahlgeschoß z. B. führte der Fertigungsweg vom Stahlwerk über das Preßwerk und das Bearbeitungswerk zur Füllstelle und von letzterer zum Artilleriedepot, von wo nach Einsetzen der Zünder die Versendung an die Front erfolgte. Solange die Verteilung der Aufträge den Geschoßfabriken überlassen war, erfolgte sie nach ihren geschäftlichen Beziehungen zu den einzelnen Fabriken ohne Rücksicht auf die Transportverhältnisse. Es kam vor, daß ein Geschoß vom Stahlwerk Essen zum Preßwerk nach Berlin, zum Bearbeitungswerk nach Landsberg a. d. W. und schließlich zur Füllstelle wieder nach Essen ging, [287] Gesamttransportweg 1280 km. Preßwerke bei Bremen wurden von Stahlwerken in Oberschlesien, Preßwerke in Dresden dagegen von Stahlwerken des Ruhrreviers versorgt.

Die Militär-Eisenbahnbehörden konnten darauf einwirken, daß bei Verteilung der Aufträge eine Berücksichtigung der Transportwege stattfand. Allerdings mußten dabei technische Rücksichten, z. B. die zum Teil aufeinander abgestimmte Fabrikation einzelner Firmen, beachtet werden.

Die Verkehrsregelung für die kriegswirtschaftlichen Transporte der besetzten Gebiete lag vollständig in der Hand der Militär-Eisenbahnbehörden. Die Erztransporte, die fast ausschließlich deutschen Werken zugeführt wurden, sind schon erwähnt. Bei der Kohle war umgekehrt das Streben, die Kampffront und das besetzte Gebiet aus den feindlichen Bergwerken zu versorgen, um diese in der ersten Zeit notwendig gewesenen Massentransporte aus der Heimat zu vermeiden. Die Kohlenverteilung an das Heer, an die Eisenbahnen, die kriegswirtschaftlichen Betriebe, Gas- und Elektrizitätswerke, Privatindustrie und Zivilbevölkerung erfolgte lediglich nach Transportrücksichten.

In den Kohlenbecken von Lüttich, Charleroi und Mons wurde geleistet:

    Sept. bis
    Dez. 1915

       1916
    Jan. bis
    Sept. 1917
    Geförderte Menge (in t) 5 400 000 16 938 300 10 292 100
    Davon mit der Eisenbahn abgefahren (in t)     3 472 000    10 202 000    6 246 000

Im Osten wurde die Kohle des polnischen Dombrowa-Beckens und des Braunkohlengebiets von Zawiercie und Lazy aus Transportrücksichten südlich der Linie Lyck - Bialystok - Slonim verwendet, im übrigen nach Deutschland abgeführt, während die Versorgung des besetzten Gebietes nördlich dieser Linie von Deutschland aus, vorwiegend über See, erfolgte.

    Es wurden geleistet: April bis
    Dez. 1915

       1916
    Jan. bis
    Sept. 1917
    Geförderte Menge (in t) 1 133 000 2 819 000 1 943 000
    Davon mit der Eisenbahn abgefahren (in t)     1 114 000    2 353 000    1 621 000

Der südliche Kriegsschauplatz war, mit Ausnahme einer geringen Förderung in Serbien, ganz auf Zufuhren aus Deutschland angewiesen, was - trotz Ausnutzung der Donau - die Eisenbahn stark belastete.

Die Entwicklung eigener Kriegsindustrien im besetzten Gebiet ist mit aus Transportrücksichten erfolgt. Im Westen war dies in weitestem Umfange möglich. Es gelang, aus den verschiedenartigsten Betrieben Belgiens und Nordfrankreichs 70% des gesamten Materialbedarfs der Westfront unmittelbar zuzuführen. So konnte der Materialnachschub der Westfront an Kohle, Schotter, Bauholz usw. im September 1917 mit durchschnittlich täglich 296 Zügen aus dem besetzten Gebiet und mit nur 82 Zügen aus der Heimat befriedigt [288] werden. - Im Osten kam eine derartige kriegswirtschaftliche Ausnutzung des besetzten Gebietes nicht in Frage. In größeren Mengen lieferte es nur Verpflegung und Holz für die Front. Letzteres mußte auch, so unerwünscht es vom Transportstandpunkt aus war, in erheblichem Umfang der Westfront zugeführt werden. - Im Südosten war Rumänien das kriegswirtschaftlich wichtigste Gebiet, aber vorwiegend als Rohstofflieferant für die Heimat. Bei der Ausfuhr stand an erster Stelle das Getreide, von dem in den ersten neun Monaten des Jahres 1917 95 208 Wagen abbefördert wurden. An zweiter Stelle kam Holz, von dem in der gleichen Zeit 20 082 Wagen für den Weitertransport auf der Donau abgefahren wurden. Der Menge nach an dritter Stelle folgte Erdöl, von dem in dem genannten Zeitraume 12 944 Wagen zur Ausfuhr gelangten.

Die aus allen den eben geschilderten wirtschaftlichen Umwälzungen sich ergebenden neuen Verkehrsbeziehungen wären leichter in richtige Bahnen zu lenken gewesen, wenn eine planmäßige Umstellung der deutschen Wirtschaft möglich gewesen wäre. Diese Möglichkeit wurde vielfach angezweifelt und auf die freie, natürliche und darum im innersten Kern wirtschaftliche Entwicklung der Friedenswirtschaft und ihrer Verkehrsbeziehungen hingewiesen. Dabei wurden aber wohl grundsätzliche Unterschiede übersehen. Die Konkurrenz mit den vielen freien Mitbewerbern auf dem heimischen Wirtschaftsmarkt und seine Beziehungen zum Weltmarkt zwingen im Frieden jeden Aufwand im Herstellungsprozeß minutiös zu berechnen; dabei wird natürlich auch jeder Pfennig überflüssiger Transportkosten festgestellt und durch zweckmäßigere Maßnahmen beseitigt. Dieser schärfste Regulator fehlte einer für die dringenden Bedürfnisse des Heeres arbeitenden Kriegsindustrie, ebenso aber auch einer Kriegswirtschaft, die knappe Vorräte nach viel zwingenderen Gesichtspunkten, als nach der reinen Wirtschaftlichkeit, verteilen mußte.

Den fehlenden selbsttätigen Regulator hätte die behördliche Beeinflussung und, wenn nötig, der behördliche Zwang ersetzen müssen. Diese Aufgaben auf dem Gebiet des Transportwesens waren (neben den Eisenbahnverwaltungen) auch Sache des Feldeisenbahnchefs.

Für sie waren beide leider bei Beginn des Krieges fast unvorbereitet. Erste Anregungen auf diesem Gebiet waren zwar auf Veranlassung des damaligen Chefs der Eisenbahnabteilung, Oberstleutnant Groener, vom Generalstab aus ergangen. Sie hatten aber noch nicht über die ersten Vorerörterungen mit den Zivilbehörden hinaus und nur zu einigen selbständigen Maßnahmen der Eisenbahnabteilung, wie Milchversorgung, Versorgung der Großstädte und Kohlenversorgung der Industrie während Mobilmachung und Aufmarsch, geführt. So kamen die getroffenen Maßnahmen meist erst als Korrekturen schon eingerissener Mißstände zur Wirksamkeit.

Sie bestanden hauptsächlich in einer Beobachtung des Transportvorgangs durch das General-Verkehrsamt und die kriegswirtschaftliche Abteilung des [289] Feldeisenbahnchefs und in der Abstellung unwirtschaftlicher und verkehrsstörender Transporte, während es durch rechtzeitige Mitarbeit bei der wirtschaftlichen Umstellung möglich gewesen wäre, die Bedürfnisse von Betrieb und Verkehr von vornherein ausschlaggebend zu berücksichtigen. - Auch die weitere Maßnahme, die Ablenkung des Massengüterverkehres auf das Wasser, setzte erst von 1916 ab ein. Zu diesem Zeitpunkt aber war die nicht pflegsam genug behandelte Binnenschiffahrt nicht mehr auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit.


Eisenbahnen und Wasserstraßen und die Demobilmachung.

Schon seit dem Jahre 1917 wurden beim Feldeisenbahnchef die ersten Vorbereitungen für die Demobilmachung bearbeitet; sie waren im September 1918 abgeschlossen. Die Rückführung des Heeres nach Abschluß des Waffenstillstandes konnte jedoch infolge der Bedingungen desselben nicht in der vorgesehenen Weise erfolgen. Ohne die Vertrautheit aber mit den zu erwartenden Aufgaben und ohne einzelne Vorbereitungen, wie die Zugverbindungen für Demobilmachungstransporte, das System der Rückführung der Materialzüge nach Auflösungsbahnhöfen, Verteilung der Demobilmachungslager auf die einzelnen Korpsbezirke, hätte der im Waffenstillstand geforderte Rückmarsch zur Auflösung geführt.

Als im Westen von Anfang Oktober ab die Armeen in die Antwerpen - Maas-Stellung zurückgingen, wurde die Abbeförderung von Räumungszügen aus Nordfrankreich und Belgien notwendig. Es wurden auf den Auflösungsbahnhöfen gezählt:

    vom 12. bis 31. Oktober 10 448 Wagen
    vom 1. bis 15. November         13 063     "

Der Waffenstillstandsvertrag vom 11. November 1918 traf für die Eisenbahnen, trotzdem die Räumung so gut eingeleitet war, im ungünstigsten Zeitpunkt ein. Schon in Friedenszeiten bringt der November mit seinen Getreide-, Kartoffel- und Rübentransporten starke Verkehrsschwierigkeiten. Sie wurden jetzt im besetzten Gebiet und in den westdeutschen Eisenbahn-Direktionsbezirken durch die Versprengten und Abgekommenen, die auf den Bahnhöfen Züge anhielten und ausraubten, und durch Eingriffe der Soldatenräte noch sehr erheblich gesteigert.

Trotzdem konnte der Versorgungsapparat der Armee aufrechterhalten werden, indem sofort mit Ausnahme von Verpflegung, Betriebsstoffen, Bekleidung und Lazarettzügen jeder Verkehr zur Front eingestellt wurde. Vom 15. November ab gelang es, auch in die Abbeförderung die notdürftigste erste Ordnung hineinzubringen. Der Abtransport der Verwundeten und Kranken konnte glatt bewältigt werden. Weiter wurden diejenigen Formationen zum [290] Bahntransport bestimmt, die (wie unbespannte Batterien, Lazarette, Behörden, Eisenbahn- und Etappenformationen) nicht mit Fußmarsch die Rheinlinie erreichen konnten. Schließlich wurden einzelne Materialien (Leder, wichtige Arzneimittel, Betriebsstoffe) zur Beförderung zugelassen, die die Heimat dringend gebrauchte.

Vom 19. November ab, als die Anfänge der Armeen die Landesgrenze erreichten, wurde der Versuch gemacht, Divisionen aus dem linksrheinischen Gebiet abzubefördern. Es gelang nur, 13 Divisionen bis Ende November von dort abzufahren. Am Rhein staute sich das große Heer der Deserteure, der Versprengten, Einzelformationen, Etappenformationen, die mit Gewalt ihren Transport in die Heimat durchsetzten. Die Lage der Eisenbahnbeamten diesen Leuten gegenüber war vielfach eine verzweifelte; es blieb nur übrig, zunächst diese zuchtlose Masse, so gut es ging, abzuschieben. Allein aus Köln mußten täglich 30 - 40 solcher wilden Transporte gefahren werden.

Mit Überschreiten des Rheins am 27. November kam der Abtransport der Divisionen in geordnete Bahnen. Zur Gewinnung von Lokomotiven und Wagen wurden Personen- und Güterverkehr aufs äußerste eingeschränkt. Die Transportbearbeitung durch die nach Berlin verlegte Eisenbahn-Transportabteilung des Westens und die Bvgs (Bevollmächtigte Generalstabsoffiziere des Feldeisenbahnchefs) und Bbas (Beauftragte des Feldeisenbahnchefs) erfolgte wie im Kriege. Die Zugzahl für die planmäßige Abbeförderung der Divisionen des Westheeres betrug:

    vom 19. November bis 1. Dezember 40 - 80 Züge täglich,
    vom 1. bis 10. Dezember             98       "         "
    vom 11. bis 20. Dezember         bis 110    "         "

Von da ab sank wieder die Zugzahl, einmal wegen der durch den Waffenstillstand erzwungenen Lokomotiven- und Wagenabgabe an die Entente, die am 14. Dezember begann; dann aber mußten auch Lokomotiven und Wagen für den Osten frei gemacht werden. Neben den Transporten der Divisionstruppen wurden zahlreiche Einzeltransporte abgefahren, im ganzen vom 19. November 1918 bis 18. Januar 1919 5 707 Transporte, also durchschnittlich am Tage 100.

Zum Vergleich sei erwähnt, daß während des Aufmarsches 1914 täglich 560 Aufmarschzüge über die Rheinbrücken, 650 westlich des Rheins gefahren wurden. Es ist allerdings zu berücksichtigen, daß während der Demobilmachung ein beschränkter Personenverkehr und die Gütertransporte für Lebensmittel- und Kohlenversorgung aufrechterhalten wurden. Immerhin war es stark fühlbar, daß Zusammenbruch und Revolution die Disziplin des Heeres und die Pflichttreue der Eisenbahner erschüttert hatten; damit waren die Grundlagen der bisher so glänzenden Leistungen des Militäreisenbahnwesens im Weltkriege ins Wanken gekommen.

[291] Auch im Osten begann schon vor dem Waffenstillstand ein geregelter Räumungsverkehr, der mit nicht unerheblichen Mengen auch über See geleitet wurde. Bevor aber die Rückführung des Ostheeres einsetzte, wurde durch den unrühmlichen Zusammenbruch der deutschen Truppen im Gebiet des Generalgouvernements Warschau eine planmäßige Abbeförderung überhaupt in Frage gestellt. So war das ganze Ostheer auf die wenigen ostpreußischen Bahnen zusammengedrängt; für die Truppen in der Ukraine aber war die letzte mögliche Bahnverbindung über Brest-Litowsk - Bialystok - Prostken von Westen durch die Polen, von Osten durch die Bolschewiken schwer gefährdet. Dabei wurde ihr Abtransport durch einen ukrainischen Aufstand gegen die bisherige Hetmansregierung erheblich verzögert. Bis Mitte Dezember wurden täglich nur zwei bis drei Züge über Brest-Litowsk weitergeführt, dann aber stieg die tägliche Zugzahl auf sechs bis sieben. Anfang Februar 1919 wurde der letzte Transport der Ukrainetruppen in Brest übergeben. Dann räumte die Militär-Eisenbahndirektion 6 in Brest-Litowsk planmäßig ihr Gebiet und zog sich mit allem Personal und Material in die Heimat zurück. Nur die 15. Landwehr-Division war in Nicolajew durch ukrainische Aufständische abgeschnitten und mußte über Konstantinopel abgefahren werden. - Daß der Abtransport des Ostheeres überhaupt gelang, ist den für diese Aufgabe zuerst gebildeten Freikorps und dem pflichttreuen Ausharren der Eisenbahner der Militär-Eisenbahndirektion 6 zu danken.

Der Abtransport der deutschen Truppen und Eisenbahnformationen aus dem Südosten hatte mit dem Zusammenbruch der Türkei und Bulgariens schon Ende September 1918 begonnen. Aus der Türkei konnte ein Teil über Nicolajew durch die Ukraine die Heimat erreichen. Die restliche Masse wurde zunächst bei Konstantinopel interniert und im Frühjahr und Sommer 1919 erst nach vielen Schwierigkeiten über See nach Deutschland abgefahren.

Für die Truppen aus Serbien und Rumänien war wegen der ausbrechenden Revolution in Ungarn und in Österreich ein planmäßiger Abtransport unmöglich. Unter Ausnutzung der aus den Gebieten der Militär-Eisenbahndirektion 7, 9 und 10 zurückgeführten deutschen Lokomotiven und Wagen, durch besondere Zahlungen an das Eisenbahnpersonal, durch viel Mühe, Bitten und Verhandeln der Offiziere des Feldeisenbahnchefs in Wien und Budapest bei den verschiedensten Ministerien, durch Hergabe deutscher Kohle nach Österreich, der Tschechoslowakei und Ungarn gelang es aber doch, bis Ende 1918 den Durchtransport zu erreichen.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte