Bd. 5: Der österreichisch-ungarische
Krieg
Kapitel 13: Die Kämpfe im Osten
1916 (Forts.)
Feldmarschalleutnant Max Hoen, Direktor des Wiener Kriegsarchivs
3. Erste russische
Entlastungsoffensive.
Doch auch der Aufmarsch der Streitkräfte der Verbündeten erlitt
empfindliche Störungen durch die Vorgänge an der russischen Front.
Rußland hatte in der am 17. August abgeschlossenen
Militärkonvention die Verpflichtung übernommen, während
der Mobilisierung und Versammlung der rumänischen Feldarmee eine
äußerst energische Tätigkeit an der ganzen
österreichisch-ungarischen Front zu entfalten. Für Brussilow war es
keineswegs leicht, seine Armeen nach den Blutopfern der verwichenen drei
Monate zu erneuerten großen Angriffen aufzupeitschen.
Menschen- und Materialverbrauch zwangen zur Beschränkung. So wurde
Letschitzki angespornt, mit dem Südflügel der 9. Armee die den Weg
nach Siebenbürgen sperrende 7. Armee zu bedrängen.
Schtscherbatschews 7. Armee sollte ihre Anstrengungen namentlich gegen den
vom Zawalow an der Zlota Lipa über Horozanka an den Dnjestr
abgebogenen Südflügel der Südarmee General der Infanterie
Graf Bothmer richten, Sacharows 11. gegen den Nordflügel der
Südarmee und den Südflügel der 2. Armee, Generaloberst
v. Böhm-Ermolli, im Quellgebiet der Strypa, Kaledins 8. Armee und
Bezobrazows Armeeabteilung endlich mit ihren auf engem Raum massierten 23
Divisionen die Mitte der Heeresgruppe Generaloberst v. Linsingen, die 4.
Armee, Generaloberst v. Tersztyanszki, in der Richtung gegen Sokal und
Wladimir Wolynskij durchbrechen.
Nicht schon am Tage der Unterzeichnung der Militärkonvention, wie die
Rumänen erwarteten, sondern erst am 31. August vermochten Brussilows
Unterführer den Befehl in die Tat umzusetzen. Dies führte bei der 4.
Armee zur 1. Schlacht bei Szelwow-Swiniuchy; im ersten Ansturm brachen die
Russen beim Korps Szurmay
sowohl am Nordflügel der 70.
Infanteriedivision Feldmarschalleutnant v. Sorsich nächst Szelwow,
als auch am Südflügel der 11. Generalmajor v. Metz
nächst Swiniuchy in die Stellung ein. Flankierender Gegenstoß der
benachbarten deutschen 10. Landwehr-Infanteriedivision warf den Feind bei
Szelwow wieder hinaus. Bei Swiniuchy gelang dies nur teilweise und die Russen
benutzten diesen Erfolg am 1. September, obzwar sie am Vortag schon 5000
Leichen vor der 11. Infanteriedivision hatten liegen lassen, um einen
mächtigen Angriff zu führen, der sie in Swiniuchy eindringen
ließ. Alsbald aber in beiden Flanken gefaßt, wandten sie sich zur
Flucht, zahlreiche Gefangene in den Händen des Gegners lassend. Da auch
die übrigen Angriffe gegen die Front der 4. Armee unter schweren
Verlusten scheiterten, mußte Kaledin am 2. eine Atempause einstellen. Am
3. versuchte er nochmals südlich [255] Szelwow und
südlich Swiniuchy sein Glück. Nach heißem erbitterten Ringen
war den Generalen Szurmay und Beckmann ein voller Erfolg beschieden, womit
die Schlacht ihr Ende nahm.
Nicht besser erging es Sacharow in der Schlacht bei
Zborow - Perepelniki. Am 31. August drängten die Russen, als sie gegen
die Gruppe Generalleutnant Eben der 2. Armee und die 32. Infanteriedivision,
Generalmajor v. Willerding, am Nordflügel der Südarmee
anstürmten, wohl letztere zurück und fingen den Gegenstoß
auf. Am 1. September aber nahm ihnen Generalleutnant Melior mit Truppen der
2. Armee den Raumgewinn von 5 km Tiefe wieder ab. Sacharow
bestürmte am 2. wieder die ganze Front, holte sich jedoch eine
gründliche Abweisung. Die Verteidiger, meist deutsche Truppen (115.,
195., 197. Infanteriedivision), stürmten den Weichenden nach und
fügten ihnen große Verluste zu. Nochmals jagte der Kommandant der
11. Armee nach starker Artillerievorbereitung am 3. und 5. seine Infanterie in
vielen Wellen wiederholt zum Angriff vor, ohne einen Erfolg buchen zu
können.
Gefährlicher gestaltete sich der Ansturm Schtscherbatschews gegen die
Südflanke der Südarmee in der bis 8. September währenden
ersten Schlacht an der Narajowka. Die stark gelichteten Truppen des VI. Korps
Feldmarschalleutnant v. Fabini und des XIII. Korps Feldmarschalleutnant
v. Csicserics hatten schwere Kämpfe zu bestehen. Das
Heeresgruppen-Kommando General der Kavallerie Erzherzog Karl warf von der
3. Armee die deutsche 105. und 119. Infanteriedivision in den Kampf, der sich
sehr verlustreich gestaltete. Die Reste des XIII. Korps mußten zeitweise zu
notdürftiger Retablierung aus der Front gezogen werden, deren Mitte
beiderseits Horozanka eine Einbuchtung erlitt. Vom 2. September an griff die
Schlacht auch auf das Korps Hofmann hinüber, das um die
Lysonia-Höhe südöstlich Brzezany schwer zu ringen hatte.
Das bayrische 4. Infanterieregiment mußte eilends herbeigeholt und zur
Unterstützung eingesetzt werden. Der 5. September wurde zu einem
Großkampftag an der Südflanke. Die deutsche 105. Infanteriedivision
und der rechte Flügel des VI. Korps in der Gegend von Horozanka
mußten dem mächtigen Drucke nachgeben. Große Verluste und
der Mangel an Reserven nötigten zur Rücknahme der
Südflanke in die Linie
Halicz - Bolszowce - Narajowka bis südlich Lipnica
dolna, dann nordöstlich abbiegend an die Zlota Lipa.
Diese Bedrängnis der Südarmee hatte die verbündeten
Heeresleitungen schon am 2. September veranlaßt, die auf der Fahrt nach
Siebenbürgen begriffene deutsche 3.
Garde-Infanteriedivision dahin abzulenken. Sie begann zur Zeit des
Rückzuges einzutreffen und griff gleich in die Kämpfe ein, die sich
vom 6. bis 8. bei Halicz, an der Narajowka und in der Front zwischen diesem
Gewässer und der Zlota Lipa entspannen. Die vorzügliche Haltung
der nunmehr unter einheitliches Kommando des Generals der Infanterie
v. Gerok gestellten verbündeten Truppen, unter welchen sich auch
das türkische [256] XV. Korps besonders
auszeichnete, machte alle Anstrengungen der Russen zu Schanden, die allein in
den beiden letzten Schlachttagen gegen 25 000 liegen ließen.
Letschitzki drückte am 28. August die 3. Kavalleriedivision auf die
beiderseits des Pantyrpasses zurück. Während er die beiden
nächsten Tage zur Vorbereitung des großen Angriffes gegen die 7.
Armee verwendete, nahm ihm die eben eingetroffene deutsche 117.
Infanteriedivision die Höhe Kukul südöstlich des
Jablonica-Passes ab. Am 31. August begannen die russischen Angriffe gegen die
das Tal der Goldenen Bistritz deckenden Höhen und jene östlich des
Weißen Czeremosz, womit die große Septemberschlacht in den
Waldkarpathen eingeleitet wurde. Das Kraftaufgebot des Feindes veranlaßte
den Generalleutnant v. Conta sofort, die auf
unverhältnismäßig breiter Front verteilte deutsche 200.
Infanteriedivision im Gebiet des Schwarzen Cseremosz in die kürzere Linie
Pnewnie - Ludowa - Czernahora-Rücken
zurückzunehmen. Die Schwierigkeit des Nachschubes verbot hier die
Verwendung stärkerer Kräfte, so daß den wenigen deutschen
Truppen gegenüber den über bessere Verbindungen
verfügenden Russen schwere Tage beschieden waren.
Ab 1. September erstreckte sich die Schlacht nahezu über die ganze Front.
Das I. Korps, bald darauf vom Feldzeugmeister v. Scheuchenstuel, an
Stelle des zum Kommandanten der 7. Armee ernannten General der Kavallerie
Freiherr v. Kirchbach, übernommen, mußte sich in
wechselvollen Kämpfen der Angriffe auf die Grenzhöhen beim
Pantyr- und Jablonica-Paß erwehren, Contas rechter Flügel, 40.
Honved-Infanteriedivision und deutsche 1. Infanteriedivision, im Gebiete des
Capul und des Tomnatic, das XI. Korps Feldmarschalleutnant
v. Habermann insbesondere südwestlich Fundul moldovi, wo die 8.
Kavalleriedivision, Generalmajor v. Schnehen, schwer um ihre Stellungen
ringen mußte. Ansammlungen starker rumänischer Kräfte
südöstlich Dornawatra ließen baldige Angriffe gegen die rechte
Flanke, die einstweilen von der 11. Honved-Kavalleriedivision, Generalmajor
Czitó, schütter besetzte Front bis zur Dreiländerecke,
gewärtigen.
Vom 4. September an wurde die inzwischen von der 200. Infanteriedivision
besetzte neue Stellung in wütenden Angriffen berannt, ab 6. auch die rechte
Flanke des XI. Korps. Überall waren die Verbündeten auf die
hartnäckigste Verteidigung angewiesen, nur beim Pantyrpaß
vermochte die 3. Kavalleriedivision, Generalmajor Kopiczek, im Gegenangriff
Raum gegen Rafailowa zu gewinnen. Sehr empfindlich waren die Stellungen, die
das Tal der goldenen Bistritz und damit die letzte Querverbindung nördlich
des Hauptkammes der Karpathen deckten. Hier mußte buchstäblich
um jedes Grabenstück, das verloren ging, gerauft werden, bis es dem
Feinde wieder entrissen war. Ein sonst wenig belangreicher Durchbruch
hätte den Verlust der ganzen Stellung und den Rückzug hinter den
Karpathenkamm nach sich gezogen. Überdies galt [257] es, das für die
Rüstungsindustrie unentbehrliche Manganbergwerk bei Jacobeny
zu schützen.
Tag für Tag gab es Massenstürme an allen Teilen der Front,
nächtliche Angriffe, erbitterte Nahkämpfe, um die Stellungen zu
behaupten oder zurückzugewinnen. Am 7. ging der Tomnatic verloren, am
8. die südlich gelegene Höhe, so daß sich diese Gruppe der
deutschen 1. Infanteriedivision über die ungarische Grenze hinter das
Cibotal zurückziehen mußte. Sehr bald bedurfte die 7. Armee
namhafter Verstärkungen, weshalb die 5.
Honved-Kavalleriedivision und die bayerische 10. Infanteriedivision statt nach
Siebenbürgen zu ihr geleitet wurden.
4. Aufmarsch der Verbündeten in
Siebenbürgen.
Das 1. Armeekommando in Siebenbürgen, jeden Augenblick des endlichen
Losbrechens der Rumänen gewärtig, wartete indessen
sehnsüchtig auf Verstärkungen. Drei Angriffsrichtungen erschienen
besonders bedrohlich: durch das Strelltal gegen die wichtige Eisenbahn im
Marostal, gegen die breite Lücke zwischen der Hermannstädter
Gruppe und der 71. Infanteriedivision bei Fogaras, endlich im oberen Marostal,
wo die Unterbrechung der Verbindung mit der 7. Armee und das Aufrollen der
für den äußersten Fall vorbereiteten
Hauptverteidigungsstellung drohte.
Es wirkte daher sehr beruhigend, als vom 4. September an die deutsche 187.
Infanteriedivision in Mühlbach, vom 5. an die 1. Kavalleriedivision,
Generalmajor v. Ruiz, und die drei Reiterregimenter der deutschen 3.
Kavalleriedivision, Generalleutnant Graf Schmettow, in Hatszeg einzutreffen
begannen. Die Reiterei rollte sofort nach Elisabethstadt an der Gr. Kokel
weiter, um sich zur Schließung der Lücke bereitzustellen. Von der
187. Infanteriedivision besetzten Detachements den
Eisernen-Tor-Paß an der Eisenbahn von Karansebes nach Hatszeg und Piski
an der Einmündung des Strell in das Marostal.
In das nördliche Siebenbürgen rollten zu gleicher Zeit die 1.
Landsturm-Husarenbrigade, Oberst v. Csecsi, die als Rückhalt der
61. Infanteriedivision nach Parajd im Ursprungsgebiet der Kl. Kokel
bestimmt wurde, dann die 39. Honved-Infanteriedivision, Generalmajor Molnar,
die jedoch erst der Retablierung bedurfte und vorläufig nordwestlich Szasz
(Sächsisch) Regen um Teke aufmarschierte. Sie sollte sich den
Rumänen entgegenwerfen, falls diese aus dem oberen Marostal
herausbrechen sollten.
General der Infanterie v. Arz hatte den Entschluß gefaßt, die
lückenhafte Front im Anschluß an die 7. Armee vom
Nordflügel an zu festigen, am Südflügel aber eine Gruppe
für den Stoß in des Feindes Flanke bereitzustellen, wobei das
zögernde Vordringen der Rumänen erlaubte, die Auswaggonierung
weit nach Osten, in den Raum um Mühlbach zu verlegen. Die
Untätigkeit [258] der Rumänen bei
Hermannstadt ermöglichte Arz die Aushilfe, die in Reserve hinter die 51.
Honved-Infanteriedivision zurückgenommene 143. Infanteriebrigade am 7.
September mit Bahn hinter die 39. Honved-Infanteriedivision nach Lechnitz zu
verschieben, wo Feldmarschalleutnant v. Hefelle mit dazustoßenden
Verstärkungen die 72. Infanteriedivision formieren sollte.
Die deutsche Oberste Heeresleitung brachte statt der bayerischen 10. die 89.
Infanteriedivision zur Verstärkung des Nordflügels heran. Für
die 3. Garde-Infanteriedivision war ursprünglich die bei der Heeresgruppe
Erzherzog Karl in Aufstellung befindliche 208. Infanteriedivision als Ersatz in
Aussicht genommen. Die dauernd gespannte Lage bei der Südarmee
ließ hiervon absehen. Nebst der Alpenkorpsdivision, Generalleutnant
v. Krafft, kam schließlich die 76.
Reserve-Infanteriedivision zum Südflügel. Das
Armee-Oberkommando Teschen machte nach dem glücklichen Ausgang
der Schlacht bei Szelwow - Swiniuchy die 37.
Honved-Infanteriedivision, Generalmajor Haber, frei, die am Nordflügel
zur Verbindung mit der 7. Armee eingesetzt werden sollte. Auf alle diese
Verstärkungen war indessen erst von Mitte September an zu rechnen.
Schon am 6. ergriff der Nordflügel der Rumänen, die Nordarmee,
gegen die 61. Landsturm-Infanteriedivision die Offensive. So bewundernswert die
Haltung der zusammengewürfelten Truppen des Generalmajors Grallert
war, konnten sie doch in der lockeren Aufstellung ihrer Gruppen gegenüber
dreifache Übermacht in einem die Umfassung und Umgehung
begünstigenden, meist bewaldeten Gelände dem Feinde keinen Halt
gebieten. Immer wieder Stellung nehmend, wurden sie in täglichen
Gefechten bis 11. September beträchtlich zurückgedrückt. Das
Gros der 19. Landsturm-Gebirgsbrigade, Oberst Szabo, auf der Straße
Csik-Szereda - Szekely-Udvarhely bis
Szt.-Egyhazas Olahfalu, ein Teil der Gyergyo-Gruppe an die oberste
Kl. Kokel in eine Stellung östlich Parajd, wo die
Landsturm-Husaren und ein kombiniertes bosnisch-herzegovinisches Regiment,
Oberst Maxon, eingesetzt wurden, der andere Teil der
Gyergyo-Gruppe unter Oberstleutnant Hettinger in das nach Szasz Regen
führende Görgeny-Tal bis Fancsal, endlich das Gros der 16.
Landsturm-Gebirgsbrigade, Oberst Bernatsky - nur 4½ Bataillone
auf halbem Stande, gegen die eine ganze Division vorging - im oberen Marostal
bei Palota. Zum Glück schalteten die Rumänen jetzt abermals eine
Ruhepause ein. General der Infanterie v. Arz raffte alle verfügbaren
Kräfte zusammen, um seine wichtige Ostfront zu stützen: 72.
Infanteriedivision hinter die Gruppe Bernatsky im Marostal, 39. Infanteriedivision
östlich und südöstlich Szasz Regen hinter die Gruppen im
Tale des Görgeny und bei Parajd. Die Gruppe Szabo wurde der 71.
Infanteriedivision unterstellt, die den Auftrag erhielt, im Altabschnitt
Fogaras - Homorod nur 5 Bataillone, 1 Schwadron und 2 Batterien
zu belassen - ein gewiß großes Wagnis angesichts der seit 8.
jenseits der Alt gegenüberstehenden 3. und 4.
Infanteriedivision - das Gros aber nordwärts in [259] der Gegend von
D. Kreutz zu versammeln, einerseits um einen etwaigen Vorstoß der
in die Gegend östlich des Homorod vorgerückten rumänischen
6. Infanteriedivision und 2. Kavalleriedivision in die Lücke zwischen 71.
Infanteriedivision und Gruppe Szabo abzuwehren, andererseits um vielleicht dem
Feinde, wenn er letztere nach Szekely - Udvarhely
zurückdrängen sollte, in die Flanke zu fallen.
Die rumänische Gruppe bei Petroseny, verstärkte 11.
Reserve-Infanteriedivision, hatte schon am 5. Erkundungsvorstöße
gegen die Stellung westlich Merisor unternommen. Am 7. eröffnete sie ein
den ganzen Tag währendes Artilleriefeuer und durchbrach abends die
Talstellung in 4 km Breite. Oberst Berger machte zwar mit vier Bataillonen
einen erfolgreichen Angriff und drang bis 8. früh bis über die
Ausgangsstellung der Rumänen vor, erhielt aber die Nachricht, daß
sein Westflügel von der Höhe Tulisa verdrängt sei. Er trat
hierauf den Rückzug in einem Abschnitt südöstlich Puj an.
Generalleutnant v. Staabs (XXXIX. Reservekorps) schickte sofort zwei
deutsche Bataillone und vier Batterien als Verstärkung. Die
Rumänen folgten nicht, sondern begnügten sich, ihre alte Stellung im
Tale noch stärker zu befestigen. Ohne Kampf konnten die
verbündeten Truppen unter Befehl des Kommandanten der 187.
Infanteriedivision, Generalleutnant Sunkel, am 12. in die Linien westlich Merisor
einrücken. Durch Erstürmung der Höhe nördlich der
Tulisa in der Flanke gesichert, überwältigten die Verbündeten
nach Eintreffen von weiteren zwei deutschen Bataillonen die uneinnehmbar
scheinende Talstellung der Rumänen am 14. September, nahmen am 16. die
Höhe Tulisa und jagten diese rumänische Gruppe nach Eingreifen
von drei Bataillonen des Alpenkorps bis 20. aus dem Lande.
Mittlerweile hatte sich die Hermannstädter Gruppe der Rumänen am
10. zu rühren begonnen. Sie schob sich östlich und westlich
Hermannstadt vor, um die 51. Honved-Infanteriedivision zu
überflügeln, sah aber ihrem Tatendrange bald durch die beiderseits
des Haarbaches heranrückenden Reiter des Generalleutnants Graf
Schmettow und die am Westflügel eintreffenden Teile der 187.
Infanteriedivision enge Grenzen gesetzt.
Die rumänische 2. Armee raffte sich in der Nacht vom 14. zum 15. zu
einem großen Schlage gegen den Alt-Abschnitt
Homorod - Fogaras auf, dessen schwache Besetzung ihr infolge des
fleißigen Kundschaftsdienstes ihrer Konnationalen nicht unbekannt war.
Tatsächlich gelang es der 3. und 4. Division, an mehreren Stellen
über den Fluß zu kommen und die Verteidiger zum raschen
Rückzug gegen Schäßburg zu nötigen. Die
Rumänen nutzten ihren Erfolg jedoch nicht aus, da Vorgänge an
beiden Flügeln sie zur Vorsicht mahnten. Westlich Fogaras stand die 6.
Kavalleriebrigade der 1. Kavalleriedivision, die wohl von einer
überflügelnd vorgehenden Kolonne anfänglich hinter Calboru
zurückgedrängt wurde, dann aber die Rumänen, trotzdem sie
sich auch eines [260]
Übergangsversuches in der schwach besetzten Front bei Kl. Schenk
zu erwehren hatte, derart anfiel, daß diese sich gegen Fogaras
zurückzogen und der ganze linke Flügel der 2. Armee sich bedroht
fühlte.
Generalmajor Goldbach hatte das Gros seiner 71. Infanteriedivision am 14. in den
Raum nördlich Mehburg geführt. Am folgenden Morgen erfuhr er
von dem Vorstoß der Rumänen gegen seine Gruppe an der Alt und
von einem nächtlichen Angriff des Südflügels der Nordarmee,
7. Infanteriedivision und 15. Brigade der 8., gegen die Gruppe der 19.
Landsturm-Gebirgsbrigade Szabo bei Szt.-Egyhazas-Olahfalu. Gleichzeitig kam
aber auch die Meldung, daß eine lange Kolonne auf der Straße
über Katzendorf nach Süden marschiere. Anscheinend hatten die
Rumänen auf das Gelingen der direkten Altforcierung keine großen
Hoffnungen gesetzt und die 6. Infanteriedivision zum flankierenden Eingreifen
heranbeordert. Generalmajor Goldbach entschloß sich sofort, diesen Feind
mit der geringen Streitmacht, die ihm nach Belassung der Deckungstruppen gegen
Osten verfügbar blieb, zu überfallen. In den Nachmittagsstunden
erstürmte das Szekler Infanterieregiment Nr. 82 eine Höhe
westlich Katzendorf, die von einem Flankendeckungsdetachement der 6.
Infanteriedivision besetzt worden war. Dessen Batterie wurde erbeutet. Die Tat
wirkte wie ein Griff in ein Hornissennest. Von allen Seiten, sogar im
Rücken griffen die Truppen der 6. Infanteriedivision an, ohne die sich rasch
lichtende Heldenschar überwältigen zu können. Erst die
Nachricht, daß Oberst Szabo von der Übermacht in eine Stellung
nordöstlich Szekely-Udvarhely zurückgedrängt worden war,
und vor allem böse Kunde über das Schicksal der vom
Alt-Abschnitt zurückgeworfenen Gruppe veranlaßten den
Generalmajor Goldbach, bei Morgengrauen des 16. in die Gegend
D. Kreutz - Erkedt zurückzugehen und den Oberst
Szabo zur Stellungnahme beiderseits der Gr. Kokel, südwestlich
Szekely-Udvarhely anzuweisen, um eine halbwegs geschlossene Front
herzustellen. Der Schrecken von Katzendorf war aber der rumänischen 2.
Armee derart in die Glieder gefahren, daß sie nach Erreichen der ersten
verteidigungsfähigen Stellung westlich der Alt stehen blieb.
5. Zweite russische
Entlastungsoffensive.
Die zögernde Kriegführung der Rumänen, die übrigens
samt ihren russischen und serbischen Helfern am 14. September in der
Dobrudscha eine schwere Niederlage zu verzeichnen hatten, mag den Russen
wenig gefallen haben. Sie spornten ihre neuen Verbündeten an, wenigstens
mit der Nordarmee energisch vorzugehen, und versprachen, auch ihrerseits einen
größtmöglichen Druck auszuüben.
Kaledin leitete die zweite Schlacht bei Szelwow-Swiniuchy am 15. mit einer
schweren Beschießung des Korps Szurmay ein; am 16. griffen 4 Korps,
darunter 4 Gardedivisionen, die Armeegruppe Litzmann in tiefgegliederten
[261] Massen wiederholt an.
Die ganze Front von Zaturcy bis südlich Swiniuchy wies die Russen ab,
ohne Reserven einzusetzen. Am 19. nachmittags und abends scheiterten abermals
die heftigsten Anstürme. Trotz aller Opfer setzten die Russen am 20. ihre
Angriffe fort, gelangten diesmal bei Szelwow und östlich Swiniuchy in die
Gräben, wurden aber an erstgenannter Stelle wieder hinausgeworfen, womit
die Schlacht am 21. schloß. Die Gräben östlich Swiniuchy
wurden ihnen am 27. abgenommen.
Sacharow griff den Südflügel der 2. Armee am 16. und 17. nach
achtstündiger Artillerievorbereitung an. Nach sehr erbitterten
Kämpfen blieben die Verteidiger, 14. Infanteriedivision, Generalmajor
v. Szende, deutsche 195. und 197. Infanteriedivision, unter Generalleutnant
v. Eben, in der Schlacht bei Perepelniki siegreich. Noch einmal versuchte
die russische 11. Armee am 23., 24. und 25. in der Schlacht bei Zborow, den
Angriff nach mehrtägiger Artillerievorbereitung auf breiterer Front von
Zborow bis zum obersten Sereth ansetzend, ihr Glück. Nach Scheitern
mehrerer Massenstürme gelang ihnen nordöstlich Perepelniki beim
Südflügel des IV. Korps, Feldmarschalleutnant Hordt, ein Einbruch,
den jedoch der Gegenangriff der Verbündeten unter Generalleutnant Melior
bald wettmachte.
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Schtscherbatschew belegte am Vormittag des 16. den Südflügel der
Südarmee vom Dnjestr bis in die Gegend Brzezany mit starkem
Artilleriefeuer und trieb nachmittags seine Massen gegen die von deutschen
Truppen und vom türkischen XV. Korps besetzte Stellung vor. Die Mitte
südlich Lipnicadolna wurde zurückgedrängt und mußte
auf das westliche Narajowka-Ufer zurück genommen werden. Die Russen
durften sich des Erfolges nicht lange freuen. General der Infanterie
v. Gerok faßte seine Reserven zu einem Gegenstoß zusammen,
der bis 17. abends den größten Teil der verlorenen Stellung
zurückgewann. Russische Wiedereroberungsversuche und Ausgestaltung
des Raumgewinnes bei Gerok füllten die Zeit bis 21., an welchem Tage die
zweite Schlacht an der Narajowka ihr Ende nahm. Die Türken, vom
Feldmarschalleutnant Hofmann unterstützt, hatten den russischen
Anfangserfolg bald wettgemacht. Sie mußten am 24. noch einen heftigen
Angriff bei Saranczuki an der Zlota Lipa abwehren.
Die fortdauernde Karpathenschlacht erhob sich am 16. zur vollen Höhe. An
der Dreiländerecke, an der ganzen Front des Karpathenkorps und auf dem
Pantyrpaß tobte der Kampf mit besonderer Heftigkeit. Gerade rechtzeitig
traf die 30. Infanteriedivision, Generalmajor Jesser, von der 3. Armee ein, in deren
stille Front die Reste des XIII. Korps von der Südarmee verlegt worden
waren. Bald folgte auch die 59. Infanteriedivision, Generalmajor Kroupa, um den
gleich dem Karpathenkorps schwer bedrängten Abschnitt
Jacobeny - Capul, nunmehr I. Korps, zu stützen. Bis 20.
währte dieses heiße allgemeine Ringen, das den Russen im
Ludowagebiet, namentlich aber in der [262] Gegend von Kirlibaba
manche Erfolge brachte. Der angestrebte gelang ihnen aber nicht. Gegen Kirlibaba
richteten sich Letschitzkis Anstrengungen in den folgenden Tagen, auch die
50 km breite Front der deutschen 200. Infanteriedivision lockte ihn immer
wieder zu neuen Vorstößen, doch drang er nirgends durch.
Trotz dieser Ermunterung hielt sich die Offensive der rumänischen
Nordarmee in bescheidenen Grenzen. General Presan ließ nur seine Mitte,
die gegen Parajd und im Görgenytal angesetzten Kolonnen zum Angriff
vorgehen. Die Gruppe Oberst Csecsi wurde am 17. und 18. ein wenig
zurückgedrückt, die Gruppe Oberstleutnant Hettinger nach
rühmlichem Widerstand am 18. am folgenden Tage bis Libanfalva
geworfen. Daß die starke rumänische Kolonne im oberen Marostal
untätig blieb, erklärt sich aus Besorgnissen um die rechte Flanke
infolge der bisherigen geringen Fortschritte im Kelemengebirge. Hier hatte Major
Ziegler mit einem schwachen Bataillon ausgedienter Gendarmen die Verteidigung
übernommen. Den Aufstieg von Belbor gegen den über
2000 m aufragenden Rücken Ptr. Pisciu
(Vrf. Retitis) - Kelemen Isvoru hatten die Rumänen
nicht gewagt. Am 15. gingen sie nun diese Stellung aus dem Marostal in der
Flanke an und eroberten die Höhe Ptr. Pisciu. Am 16. drangen sie
auf dem westwärts ziehenden Rücken bis zur Höhe Petrosul
vor, wo der nördlich zur Dreiländerecke ziehende Rücken vom
Hauptrücken abzweigt. Feldmarschalleutnant v. Habermann, obzwar
gerade selbst in der rechten Flanke des XI. Korps, der dünn besetzten
Stellung Dorna Watra - Dreiländerecke, heftig angegriffen,
raffte einige Hundert abgesessene Reiter und Landstürmler zusammen, um
dem Feinde den Weg über den Rücken zur Dreiländerecke zu
sperren. General der Infanterie v. Arz sandte den Oberstleutnant Sander mit
dem Bataillon VII/73 und Gebirgsartillerie auf die Höhe Bistricioara, um
den Feind auf dem Hauptrücken anzugreifen. Im Gebirge herrschte bereits
große Kälte, Erfrierungen minderten die Streiterzahl. Heftiges
Schneetreiben schloß die Wirkung der Artillerie nahezu aus. Trotzdem
wurden die auf dem Hauptrücken vordringenden Rumänen
zurückgeworfen und ihr Besitz auf den Petrosul eingegrenzt, woran die
Gegenstöße des Feindes am 18. und 19. nichts änderten. Die
Gruppe wurde am 19. dem Feldmarschalleutnant v. Habermann unterstellt,
dem die 73. Brigade, Oberst Hodula (2800 Feuergewehre), der mittlerweile
bei der 1. Armee angelangten 37. Honved-Infanteriedivision zugewiesen wurde,
um die wichtige Nachschublinie der 7. Armee von Borgo Prund in das
Dornatal verläßlich sichern zu können. In Sommermonturen
und ohne Ausrüstung, bedurften die Truppen einiger Tage, um
operationsbereit zu werden. Als es endlich soweit war, erheischte die Not bei
Kirlibaba ihre Verwendung beim I. Korps.
Der starke Druck der Rumänen im Görgenytal und an der oberen Kl.
Kokel veranlaßte den General der Infanterie v. Arz, das Gros der 37.
Honved- [263] Infanteriedivision,
Generalmajor Haber, bei Szasz Regen hinter der 39. bereitzustellen, die
mittlerweile eingetroffene deutsche 89. Infanteriedivision, die ursprünglich
die 1. Infanteriedivision verstärken sollte, in den Raum östlich
Maros-Vasarhely zu ziehen, von wo sie sowohl zur Hauptreserve bei Szasz
Regen, als auch zur 71. Infanteriedivision leicht gelangen konnte, falls die
Rumänen dort aus ihrer unbegreiflichen Untätigkeit erwachen
sollten.
6. Wiedereroberung
Siebenbürgens.2
Am 18. traf auf dem Kriegsschauplatz General
der Infanterie v. Falkenhayn ein,
der am folgenden Tage das 9. Armeekommando aufstellte. Ihm unterstanden die
Gruppe Orsova, nunmehr vom 10. Kavalleriebrigade-Kommando, Oberst Szivo,
befehligt, die Gruppen Petroseny und Hermannstadt, das Kavalleriekorps
Generalleutnant Graf Schmettow im Alt-Abschnitt bis Fogaras und die auf den
wenig leistungsfähigen Bahnen Siebenbürgens herangebrachten
Verstärkungen, Alpenkorpsdivision und 76.
Reserve-Infanteriedivision. Der von den verbündeten Heeresleitungen
vereinbarte Kriegsplan hielt sich im Rahmen der bisherigen Auffassung: 1. Armee
verzögert im Anschluß an die 7. Armee den Vormarsch des Feindes
und leistet äußerstenfalls zähesten Widerstand in den
vorbereiteten und von den Reserven noch auszugestaltenden Stellungen Szasz
Regen - Mikhaza - Kibed, dann Kl. Kokel, bzw. hinter
der Maros. 9. Armee schlägt den bei Hermannstadt eingebrochenen Feind
und wendet sich dann im Verein mit dem Südflügel der 1. Armee
gegen die rumänische 2. Armee.
Die 9. Armee konnte nicht vor dem 25. September für den geplanten Schlag
bereitstehen. Die Sicherung ihres Rückens war zunächst die
wichtigste Aufgabe der 1. Armee, die durch Fliegermeldungen Kunde von
großen Truppenansammlungen im Raume südöstlich
Szekely-Udvarhely erhielt. Somit drohte die Gefahr eines feindlichen Einbruches
in das Tal der Großen Kokel. Dies bewog den General der Infanterie
v. Arz, die 89. Infanteriedivision nach Schäßburg in Marsch zu
setzen. Sie und die 71. Infanteriedivision, die mit dem inzwischen eingetroffenen
2. Husarenregiment die Verbindung zu der in die Linie
Kl. Schenk - Bekokten abgebogenen Flanke des
Kavalleriekorps Graf Schmettow hergestellt hatte, wurden nunmehr vom
Generalleutnant v. Morgen (I. Reservekorps) befehligt. Der
Nordflügel von Parajd bis zur oberen Maros und die 1½
Infanteriedivisionen Hauptreserve (alles zusammen 20 000 Feuergewehre)
wurden dem von der Südarmee eingelangten VI. Korpskommando
Feldmarschalleutnant v. Fabini unterstellt.
[264] Bis zum Beginn der
Schlacht bei Hermannstadt gab es noch recht bewegte Augenblicke. Von allen
Vorgängen auf verbündeter Seite durch einheimische
Rumänen genau unterrichtet, gedachte der Befehlshaber der sogenannten
Alt-Gruppe, die Angriffsvorbereitungen am 22. durch große
Vorstöße in nordwestlicher Richtung über Orlat und
östlich Hermannstadt zu stören. Im Gefecht bei Orlat holte er sich
eine blutige Abweisung. Kritischer gestaltete sich der andere, von 24 Bataillonen
geführte Angriff gegen den Westflügel des Kavalleriekorps
Schmettow. Wohl hielten die deutschen Reiter, von der 51.
Honved-Infanteriedivision unterstützt, bei Schellenberg stand, doch wurde
die dünn besetzte Linie der k. u. k. 7. Kavalleriebrigade gegen
Holzmengen zurückgedrückt. Die Rumänen, durch
große Verluste abgeschreckt, nutzten ihren Vorteil nicht aus, sondern traten
sogar den Rückzug an.
Die rumänische Schyl-Gruppe, auf 20 Bataillone verstärkt, erfuhr
sofort, daß die gegenüberstehenden Deutschen bis auf 2 Bataillone
und 2 Batterien gegen Hermannstadt abzogen und begannen am 23. die
schütteren Postierungen beim Vulkanpaß und im Szurdukdefilee zu
berennen. Erst am 25. gelang es ihnen, während die Verteidiger der
Haupteingänge unerschütterlich standhielten, weit westlich und
östlich über das Gebirge zu dringen. Nun mußten die
Verteidiger in die Stellung bei Petroseny zurück. Der Zwischenfall durfte
indessen die bereits weitgediehenen Vorbereitungen zur Entscheidungsschlacht
nicht stören. Die 144. Brigade mußte weiteres Vordringen
verzögern, bis die vom Isonzo anrollende 2. Gebirgsbrigade, Oberst
Panzenböck, heran war. Sie hat denn auch diesen Erwartungen in den
nachfolgenden heftigen Kämpfen um die Höhe Tulisa
entsprochen.
Auch die rumänische 2. Armee begann sich im Vorgefühl
folgenschwerer Ereignisse zu rühren. Am 24. wurde eine Kompagnie des
kroatischen Honvedbataillons V/27, zur Sicherung auf eine Höhe westlich
Kanyad, im Raume zwischen dem Gros der 71. Infanteriedivision und der
Gruppe Szabo bei Szekely-Udvarhely vorgeschoben, von sechsfacher
Übermacht wiederholt bestürmt. Erst die am folgenden Tage
angesetzten 3 Bataillone vermochten den tapferen Verteidigern die Höhe zu
entreißen. Gleichzeitig trieben starke rumänische Kräfte auch
die weiter südlich bei Mehburg aufgestellten Sicherungsposten
zurück.
Zu besonderer Kraftentfaltung raffte sich die rumänische Nordarmee auf.
Die Gruppe im Marostal sandte am 26. stärkere Kräfte zur Deckung
der Nordflanke gegen den Hauptrücken des Kelemengebirges vor.
Während hier alle Angriffe scheiterten, wurde die Gruppe Oberst Bernatsky
nachmittags beiderseits umfaßt, bis Ratosnya geworfen, hier am 27.
durchbrochen, so daß sie bis Deda weichen mußte. Der Angriff auf
die Hauptstellung bei Szasz Regen schien unmittelbar bevorzustehen, weshalb
Feldmarschalleutnant v. Fabini die 72. Infanteriedivision und das Gros der
37. Honved-Infanteriedivision (74. Bri- [265] gade) die von Szasz
Regen über den Poi Tomi zum Hauptrücken des Kelemengebirges
ziehende Höhenlinie besetzen ließ. Die Rumänen
drängten jedoch nicht nach, sondern warfen sich auf die Gruppen
Oberstleutnant Hettinger, Oberst Csecsi und Szabo. Unter heftigen
Kämpfen, immer wieder umfaßt, mußten sie bis 30. in die
vorbereitete Hauptstellung zwischen Maros und Kleiner Kokel, sowie in den
Abschnitt bei Szekely-Keresztur an der Gr.-Kokel weichen.
Honved-Maschinengewehr-Abteilung im Kampfe bei
Predeal.
[256a]
Zerstörte rumänische Stellungen bei
Predeal.
|
Am 28. September trat auch das Gros der rumänischen 2. Armee, um den
Entlastungsstoß der 4. Infanteriedivision südlich der Alt gegen
Hermannstadt in der Nordflanke zu decken, zum allgemeinen Angriff zwischen
der Eisenbahn Kronstadt - Schäßburg und Fogaras an.
Die Sicherungen der 71. Infanteriedivision wurden zurückgedrückt,
die k. u. k. 6. Kavalleriebrigade in der Flankenstellung westlich
Fogaras am Nordflügel umgangen und nach heftigen Kämpfen zum
Rückzug gezwungen. General der Infanterie v. Falkenhayn hatte die
89. Infanteriedivision in der Absicht, sie zur Schlacht bei Hermannstadt
heranzuziehen, von Schäßburg nach Jakobsdorf marschieren lassen.
Nun beorderte er sie in die Lücke zwischen dem Kavalleriekorps und der
71. Infanteriedivision, in den Raum um Bekokten. Die Rumänen setzten am
29. den Angriff fort. Die 71. Infanteriedivision und die anschließend
eingesetzten Teile der 89. Infanteriedivision hielten ihre Stellung, die 6.
Kavalleriebrigade aber wurde bis in die Linie
Sachsenhausen - Agnethlen zurückgetrieben.
Unverzüglich stießen die Reserven der 89. Infanteriedivision in die
nördliche Flanke des Feindes und erzielten einen durchschlagenden Erfolg.
Die Rumänen stellten nicht nur den Angriff ein, sondern zogen sich
stellenweise zurück. Sie hatten die Schlacht bei Fogaras vergeblich
geschlagen.
Am selben Abend war die Schlacht bei Hermannstadt siegreich beendet, die
rumänische Alt-Gruppe zersprengt und vernichtet. Die rumänische 2.
Armee dachte nur daran, sich zur Verteidigung einzurichten und den
Rückzug der Trains einzuleiten. Die Nordarmee griff am 1. Oktober mit
ihrer südlichen Kolonne die Gruppe bei Szekely-Keresztur an, mit der
Mitte die Hauptstellung zwischen Maros und Kl. Kokel. Hier hatte sich die
schüttere Linie der Verteidiger bis 4. zahlreicher Angriffe zu erwehren, an
der Kl. Kokel auch noch am 5. Oktober. Die Erfolge der Rumänen
bei Magyaros zwangen dazu, die im Marostal abgelöste und im Marsch zur
19. Gebirgsbrigade befindliche, eben erst notdürftig retablierte 16.
Gebirgsbrigade, Oberst Bernatsky, zum erfolgreichen Gegenstoß
anzusetzen. Wie sich bald zeigte, dienten die Kämpfe nur dazu, den
rumänischen Trains einen Vorsprung für den schwierigen
Rückzug durch das Gebirge zu verschaffen, da die rumänische
Heeresleitung ihr Spiel in Siebenbürgen bereits verloren gab und lediglich
darauf bedacht war, die Grenzhöhen zu erreichen, um ihr eigenes Land zu
decken.
General der Infanterie v. Falkenhayn hatte inzwischen den Vormarsch gegen
Kronstadt eingeleitet, an dem die seit 30. September ihm operativ
unter- [266] stellte 1. Armee mit
ihrem Südflügel, 89. und 71. Infanteriedivision unter Generalleutnant
v. Morgen, mitwirken sollte. Ohne sich um den gegenüberstehenden
überlegenen Feind viel zu kümmern, zog Generalmajor Goldbach
das Gros der 71. Infanteriedivision am Südflügel bei Denndorf
zusammen, um bald zum Vormarsch bereit zu sein. Das Vorgehen des I.
Reservekorps Morgen stieß am 2. auf heftigen Widerstand. Die 89.
Infanteriedivision, ganz unerwartet von der rumänischen 3. und 6.
Infanteriedivision westlich Bekokten angefallen, mußte
zurückweichen, im Anschluß daran auch das Gros der 71.
Infanteriedivision; doch war dies die letzte Regung des Feindes vor Antritt des
Rückzuges. Am 3. konnte die Verfolgung aufgenommen werden. Am 4. trat
das Korps in den Verband der 9. Armee.
Bis 4. waren auch die Kämpfe bei Petroseny siegreich abgeschlossen. Die
2. Gebirgsbrigade säuberte zuerst den Höhenrücken beiderseits
Tulisa vom Feinde und entriß ihm sodann den Stützpunkt des linken
Flügels seiner die 144. Brigade hart bedrängenden Talfront, worauf
die Rumänen fluchtartig auf die Grenzhöhen entwichen.
Minder günstig fiel der Versuch des Obersten Szivo aus, die Abgabe
rumänischer Truppen von der Gruppe Orsova zu jener am Schyl zu einem
Angriff auszunutzen. Die von 3 Hilfsmonitoren unterstützten, längs
der Donau am 1. Oktober vorgehenden 4 Bataillone drangen nicht durch. Am 4.
antworteten die Rumänen mit einem Gegenstoß, der zur
Zurücknahme des Südflügels zwang.
7. Dritte und vierte russische
Entlastungsoffensive.
Die Niederlage der Rumänen bei Hermannstadt äußerte sofort
ihre Rückwirkung auf die russische Front. Wohl war die Armee Letschitzki,
die bis zum 28. ihre Angriffe in der Karpathenschlacht fortgesetzt hatte, zu sehr
ausgeblutet, um noch weitere Opfer bringen zu können. Doch Brussilow
trieb Kaledin, Sacharow und Schtscherbatschew zu neuen Anstrengungen an.
Kaledin belegte die Front der 4. Armee am 1. Oktober mit schwerem Feuer,
vermochte aber die Infanterie noch nicht aus ihren Gräben herauszubringen.
Am 2. kurz nach Tagesanbruch brüllte ein Geschützorkan, wie er
sonst nur an der französischen Front erlebt wurde. Um 9 Uhr
vormittags begann ein mächtiger Angriff, dessen besondere Wucht sich
gegen den Raum bei Swiniuchy richtete. Mit Stock, Peitsche, Maschinengewehren
und selbst Geschützfeuer wurden die braunen Massen 17mal gegen die
Gruppe Beckmann und das Korps Szurmay, 12mal gegen das X. Korps,
Feldmarschalleutnant v. Csanady, vorgetrieben. Auch der
Südflügel des deutschen X. Korps hatte um eine Höhe
nordöstlich Zaturcy schwer zu ringen. Der 3. brachte wieder große
Kämpfe, nachmittags viermalige Stürme an der ganzen Front.
Abermals blühte den Russen kein Erfolg. Am 4. tobte wohl das
Artilleriefeuer, die Anstürme waren aber schwächer und [267] gelangten
günstigstenfalls bis vor die Hindernisse. Mit einem ergebnislosen
Abendangriff gegen die deutsche 20. Infanteriedivision bei Kisielin am 5. endete
diese dritte Schlacht bei Szelwow-Swiniuchy.
Sacharow fiel am 30. September die inneren Flügel des V. Korps Goglia
und des XVIII. Czibulka beiderseits der Straße
Brody - Zloczow an. Die bis zu sieben Malen wiederholten Angriffe
führten nur beim Infanterieregiment Nr. 67 zu einem Einbruch, den
ein Gegenangriff bis 1. Oktober früh ausbesserte. Mit vergeblichen
Anstürmen beiderseits der Eisenbahn nach Lemberg schloß diese
zweite Schlacht bei Brody.
Schtscherbatschew suchte sich diesmal den vorspringenden Winkel der Front der
Südarmee, südlich Brzezany, zum Durchbruch aus. Das
türkische XV. Korps wurde am 30. September vom III. kaukasischen
übel zugerichtet, behauptete aber seine Stellung. Feldmarschalleutnant
Hoffmanns 55. Infanteriedivision, Generalmajor v. Unschuld, verlor einen
Teil der ersten Linie, hielt aber die zweite und riegelte den Einbruch ab. Am 1.
und 2. Oktober machten die Russen hier die größten Anstrengungen,
ihren Erfolg auszunutzen, doch vermochten sie sich der viel umstrittenen
Höhe Lysonia nicht zu bemächtigen. So reihte sich auch die Schlacht
bei Brzezany der langen Folge ergebnisloser russischer
Menschenschlächtereien an.
Rasch hintereinander kamen Unglücksnachrichten vom rumänischen
Kriegsschauplatz in die russischen Hauptquartiere. Am 18. September war die
Offensive der bulgarischen 3. Armee vor den die Eisenbahn
Cernawoda - Küstendze deckenden Stellungen der bedeutend
verstärkten rumänischen 3. Armee zum Stehen gekommen. Es
mußten deutsche und türkische Verstärkungen abgewartet
werden. General Averescu wollte jedoch nicht nur verteidigen, sondern zum
Gegenangriff übergehen. Um Kräfte der Bulgaren abzuziehen und sie
für ihr Land besorgt zu machen, ließ er in der Nacht zum 30.
September zwischen Giurgevo und Tutrakan bei Rahovo eine Brücke
über die Donau schlagen und eine verstärkte Division, die so
bezeichnete Südarmee, über den Strom gehen. Am 1. Oktober schritt
er selbst in der Dobrudscha zum Angriff, der ihm aber keinen Erfolg brachte.
Noch schlimmer endete das Abenteuer bei Rahovo. Die
österreichisch-ungarische Donauflottille, die sich den Rumänen
schon seit Kriegsbeginn durch ihre Unternehmungslust unangenehm bemerkbar
gemacht hatte, beschädigte am 2. Oktober die Brücke und unterbrach
sie am 3. gänzlich, so daß die von allen Seiten angefallene
Südarmee nur noch an Rettung dachte und vernichtet wurde, soweit sie
nicht auf Kähnen heimfand.
[264b]
Episode aus der Schlacht bei Kronstadt
1916.
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Das XXXIX. Reservekorps der deutschen 9. Armee warf am 5. Oktober den
Südflügel der rumänischen 2. Armee, der ihm hinter der Sinca
den Weg versperren wollte, in der Schlacht am Geisterwalde. Am 7. begann die
Schlacht bei Kronstadt, die sich am 9. zum Siege der Verbündeten
gestaltete. Allerdings hatte es die Masse der 2. Armee verstanden, in das
Grenzgebirge zu entkommen, [268] wo drei aus der
Dobrudscha herangezogene Divisionen zur Aufnahme bereitstanden. Am 19.
Oktober begann der Angriff der Verbündeten in der Dobrudscha, der ihnen
bis 25. nebst einem vollen Sieg den Besitz der Eisenbahn
Küstendze - Cernavoda bescherte.
Brussilow tat wieder sein möglichstes, die Niederlagen im Süden mit
Angriffen wett zu machen. Viel vermochte er aber aus seinen Armeen nicht
herauszubringen, die soeben in einer Umgruppierung begriffen waren, um den
Südflügel zu verstärken. Die durch Vereinigung der
Garde-Armeeabteilung Bezobrazow und der bisherigen 8. Armee entstandene
"besondere Armee" Romejko Gurko schlug am 8. eine vierte Schlacht bei
Szelwow-Swiniuchy, in der die gewohnten russischen Massenstürme
ziemlich leicht zum Scheitern gebracht wurden. Gefangene klagten über
Übermüdung, Verpflegsnot, demoralisierende Wirkung der
großen Verluste in den zahlreichen abgeschlagenen Angriffen. In der
Folgezeit begnügte sich Romejko Gurko mit lebhafter
Artillerietätigkeit und Minenkampf. Vereinzelte Vorstöße, bald
da, bald dort, an der langen Front von Lobaczewka bis zum mittleren Stochod
unternommen, litten kläglich Schiffbruch. Romejko Gurkos
überstarke "besondere Armee" war ausgeblutet und der rumänische
Kriegsschauplatz verzehrte alle verfügbaren Kräfte und
Ersätze.
Sacharow versuchte am 5. Oktober wieder einen Durchbruch längs der
Straße Brody - Zloczow. Nach ausgiebiger Verwendung von
Gasgranaten stürmten die Russen erfolglos fünfmal bei Jasionow
gegen das V. Korps Feldmarschalleutnant v. Goglia. Beim IV. Korps
Feldmarschalleutnant Hordt hatte am frühen Morgen das Infanterieregiment
Nr. 71 eine russische Vorstellung erstürmt. Nördlich davon
gelang es den Russen beim nachfolgenden großen Angriff wohl, in die
Stellung einzubrechen, doch wurden sie bald wieder vertrieben.
Schwächere Vorstöße am 15. Oktober wurden abgewiesen.
Kleinere Vorfeldkämpfe, hier und da erhöhte Tätigkeit der
Artillerie traten fortan an die Stelle großer Gefechtshandlungen, woran sich
auch nichts änderte, als an Stelle Sacharows, der Ende Oktober das
Kommando der Donauarmee in der Dobrudscha übernahm, General
Klembowski trat.
Schtscherbatschew leitete am 5. Oktober mit sieben Divisionen einen
Massendurchbruch zwischen Narajowka und Zlota Lipa ein (3. Schlacht an der
Narajowka). Als es hier nicht glückte, rannte er am 6. gegen die Stellungen
um Brzezany an, wo sich die Kämpfe um einzelne Gräben bis 8.
hinzogen. Am 15. erfolgte beiderseits der unteren Narajowka ein neuerlicher
Ansturm. Trotz der empfindlichen Niederlage wurde am 16. abermals ein
Massenansturm südlich Lipnica dolna unternommen, der einen bis
tief in die Nacht währenden Kampf auslöste. Die Russen erlitten
wieder schwere Verluste. General der Infanterie v. Gerok kehrte jetzt den
Spieß um, ging am 19. selbst zum Angriff über, der das westliche
Narajowka-Ufer bis 22. vom Feinde völlig säuberte und [269] die am 16. September
verlorene Stellung wieder in den Besitz der deutschen Truppen brachte. Noch
einmal setzte Schtscherbatschew seine zusammengeschmolzenen Kräfte zu
einer größeren Aktion an, als ihm am 30. Oktober ein deutscher
Vorstoß einige hundert Meter Gräben östlich
Lipnica dolna entriß und die Türken südlich
Mieczyszczow gleichfalls ihre Stellung verbesserten. Am folgenden Nachmittag
eröffnete die Artillerie ein kräftiges Feuer, und abends
stürmten russische Massen sechsmal gegen die 49.
Reserve-Infanteriedivision und dreimal gegen die Türken. Am 2. November
brandete die braune Flut noch siebenmal gegen die verlorene Stellung bei
Lipnica dolna, dann war es mit der Offensivkraft der russischen 7. Armee
zu Ende, die sich fortan auf Artillerie- und Minenwerfertätigkeit
beschränkte.
Kaledin, die neue 8. Armee zwischen Stanislau und dem Ludowagebiet
befehligend, führte sich am 9. Oktober mit einigen Angriffen gegen den
Pantyrpaß ein, welche die mittlerweile von der Südarmee hierher
verlegte 12. Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant v. Hinke, im Verein
mit der 3. Kavalleriedivision abwehrte.
Der so hoffnungsvoll begrüßte Eintritt Rumäniens in den Krieg
hatte den Russen Enttäuschung über Enttäuschung gebracht.
Statt entlastet zu werden, mußte Brussilow Hekatomben opfern, um die
Rumänen zu entlasten, die immer stürmischer nach
Übernahme eines Teiles ihrer Front drängten und nach
Verstärkungen in der Dobrudscha schrien. Kein Wunder, daß
Friedensgerüchte aufflatterten, deren Verwirklichung angeblich nur von der
Erfüllung der hochgespannten russischen Geldforderungen abhing. Die
Proklamierung des Königreiches Polen am 4. November zerstörte
dann allerdings für einige Zeit die Friedensneigung des Zaren.
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