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Bd. 5: Der österreichisch-ungarische Krieg

  Kapitel 13: Die Kämpfe im Osten 1916   (Forts.)
Feldmarschalleutnant Max Hoen, Direktor des Wiener Kriegsarchivs

2. Eintritt Rumäniens in den Krieg.

Die Sorge wegen Rumäniens war im bisherigen Verlaufe des Weltkrieges zu oft wiedergekehrt, als daß die um die Mitte des Jahres 1916 sich mehrenden Kassandrarufe vollen Glauben hätten finden können. War man doch daran gewöhnt, daß jede für die Mittelmächte ungünstige Wendung des Krieges die Kriegslust Bratianus und Take Ionescus, sowie ihrer zahlreichen Anhänger schürte, die Zuneigung der Königin zur Entente schärfer hervortreten ließ. Die Abneigung der Bauern, also der weitaus überwiegenden Masse der Bevölkerung, sich in Kriegsabenteuer einzulassen, die Sympathien der von Peter Carp geführten Konservativen für die Mittelmächte, die schwer zu behebenden Mängel in der kriegstechnischen Ausrüstung und endlich die Hemmungen, die dem König Ferdinand als Hohenzollern innewohnen mußten, erwiesen sich als mächtige Gegengewichte, die das halbgezückte Schwert immer wieder in die Scheide zurücksinken ließen.

Namentlich die deutsche Regierung glaubte Rumäniens wenigstens in dem Sinne sicher zu sein, daß es seine Neutralität, wenn auch zu Zeiten mit scharfer Spitze gegen die Mittelmächte, nicht eher aufgeben werde, als bis eine durchgreifende Wendung des Krieges das Königreich in die Zwangslage versetzte, andernfalls bei der Teilung der Beute zu kurz zu kommen. Man hegte sogar lange Zeit die seit König Carols Hinscheiden wohl ganz vergebliche Hoffnung, Rumänien auf seine Seite zu bringen, trotzdem Peter Carp sein anfangs 1915 gestelltes Angebot, um den Preis der südlichen Bukowina bis zur Suczawa und Beßarabiens das Königreich zum Krieg gegen Rußland zu bewegen, zur Glanzzeit der Gorlice-Offensive auf die Verpflichtung zur Neutralität einschränkte, wobei er noch ein größeres Stück der Bukowina und die Einführung der Autonomie in Siebenbürgen verlangte.

Als der Gesandte Graf Czernin am 28. Juni 1916 aus Bukarest meldete, Rumänien bereite sich politisch und militärisch auf das Losschlagen vor, der 21. August bedeute den kritischen Tag der Entscheidung, wurde dies deutscherseits als Übertreibung aufgefaßt. Die dem Nachrichtendienst des Armee-Oberkommandos Teschen gelungene Ermittlung, daß Vereinbarungen wegen des [247] Kriegsausbruches am 15. August alten oder neuen Kalenders im Zuge seien, fand gleichfalls wenig Glauben, führte aber schließlich am 29. Juli, nachdem Österreich-Ungarn die ersten dürftigen Verteidigungsvorbereitungen eingeleitet hatte, zu einer Besprechung der beiden Generalstabschefs und eines Vertreters Bulgariens in Pleß. Von der zutreffenden Voraussetzung ausgehend, daß Rumänien im Kriegsfalle seine Hauptkraft gegen Siebenbürgen werfen würde, sagte General der Infanterie v. Falkenhayn Unterstützung der Verteidigung mit deutschen Truppen und namentlich mit schwerer Artillerie zu. Bulgarien willigte ein, eine Armee zur Verfügung zu stellen, mit welcher Generalfeldmarschall v. Mackensen, dem auch deutsche Truppen, dann österreichisch-ungarische Pioniere und die Donauflottille zugesagt wurden, den Stoß in den Rücken des neuen Feindes führen sollte. So dringlich es scheinen mochte, sofort über die Donau in die Walachei einzubrechen, mußte die Besitznahme der Dobrudscha mindestens bis zur Eisenbahn Cernavoda - Küstendze und der rumänischen Stützpunkte Tutrakan und Silistria auf dem Südufer der Donau vorangehen, um den Rücken der Armee und Bulgarien vor einer rumänisch-russischen Offensive zu schützen. Diesen Vereinbarungen trat in den folgenden Tagen Enver Pascha bei, der türkische Waffenhilfe zusagte.

Für Österreich-Ungarn war es bei der damaligen höchst gespannten Kriegslage im Nordosten und Südwesten keineswegs leicht, eine neue Armee zur Verteidigung Siebenbürgens gleichsam aus dem Boden zu stampfen. Zu den schon am 20. Juli zum Abrollen nach Siebenbürgen bestimmten beiden stark abgekämpften Heereskörpern (61. Landsturm-Infanteriedivision und 11. Honved-Kavalleriedivision) traten am 15. August noch die eigentlich nur brigadestarke, in den Kämpfen bei Kolomea arg hergenommenen 51. Honved-Infanteriedivision und das bei Olyka - Luck stark zerzauste Szekler Infanterieregiment Nr. 82. Außerdem wurden die in Ungarn befindlichen oder dahin verlegten neuaufgestellten Marschbataillone, ungarischen Landsturm-, österreichischen und ungarischen Etappenbataillone, schließlich die in drei Bataillone unter Führung ihrer Ingenieure und Beamten formierten Arbeiter der Kohlengruben von Petroseny in fünf Brigaden zusammengefaßt, bzw. zur Verstärkung der 61. Landsturm-Infanteriedivision verwendet. Die Etappen- und Bergwerksbataillone waren meist mit russischen Beutegewehren bewaffnet, die Munition vielfach so schlecht, daß nur jeder fünfte und selbst zehnte Schuß losging. Der Landsturm, bisher größtenteils im Sicherungsdienst verwendet, bestand aus den ältesten Jahrgängen. Die zugeteilte Artillerie, eben erst bei den Ersatzformationen aufgestellt, war vorwiegend mit altem Material ausgerüstet.

Den Befehl über diese noch im Werden befindliche Streitmacht erhielt das neuerrichtete 1. Armeekommando, an dessen Spitze der bewährte Führer des VI. Korps, General der Infanterie v. Arz, ein gebürtiger Siebenbürger, trat. Die 71. Infanteriedivision übernahm ein anderer genauer Kenner des [248] Landes, Generalmajor Goldbach, bisher Kommandant der von ihm in Siebenbürgen aufgestellten, aber in Wolhynien gänzlich zerschlagenen 70. Infanteriedivision.

Der Gebirgswall der transsylvanischen Alpen, der Siebenbürgen von Rumänien trennt, ist von kleineren Abteilungen wohl an zahllosen Stellen zu überschreiten, doch bleiben die Bewegungen größerer Heereskörper an wenige Einfallslinien, meist Durchbrüche der in Siebenbürgen entspringenden, in die Donau oder den Moldauer Sereth mündenden Gewässer, gebunden. Da die Rumänen hinsichtlich ihrer anfänglichen Angriffslust etwa wie die Italiener eingeschätzt wurden, hoffte das Armee-Oberkommando Teschen, selbst bei überfallsartigem Kriegsbeginn im allgemeinen die Grenze halten zu können, was den ungarischen Ministerpräsidenten Grafen Tisza zu dem voreiligen Ausspruch verleitete, daß den Rumänen kein ungarischer Akazienbaum in die Hände fallen werde.

Der ungünstige Ausgang der Schlacht bei Görz und die dadurch bedingten Maßnahmen zur Verstärkung der Isonzofront brachten die Verteidigungsvorbereitungen in Siebenbürgen etwas ins Stocken. Die vorläufig noch recht geringe Streitkraft und der Gedanke, daß die seit längerer Zeit wenigstens hinsichtlich der Truppen vollständig auf Kriegsfuß befindlichen Rumänen vielleicht doch größere Stoßkraft aufbringen könnten, als die Italiener, weckten schließlich Befürchtungen, ob die Verteidigung der langen Grenze durchführbar sein werde. Es mußte angenommen werden, daß die Rumänen ihre Offensive über die Südgrenze Siebenbürgens führen, an der Ostgrenze und bei Orsova nur demonstrieren würden. Ein Stoß mit eng zusammengehaltener Kraft gegen Kronstadt fand fünf gute Marschlinien über das Gebirge und deckte gleichzeitig die Landeshauptstadt Bukarest. Auch Bahn und Straße im Alttale luden zu einer Offensive über Hermannstadt ein, der Richtung nach entschieden wirksamer und ebenfalls nächst der Schwerlinie Bukarest - Budapest. In beiden Fällen gelangte der Feind nach Überwinden des Grenzwalles rasch in gutes Manövriergelände. Ein Stoß über die Ostgrenze hingegen führte lange Zeit durch Gebirgsland mit seinen die Verteidigung begünstigenden Stellungen.

Auf Grund dieser Erwägungen faßte das Armee-Oberkommando Teschen den möglichen Verlust von Südost-Siebenbürgen ins Auge und ordnete Herrichtung einer Widerstandslinie hinter der kleinen Kokel und der Maros an, in welche schrittweise zurückzugehen war. Sie sollte unbedingt gehalten werden. In noch unbestimmten Umrissen schwebte der Plan vor, die mittlerweile heranzubringenden Verstärkungen etwa im Raume Temesvar - Lugos zu versammeln, um in die Flanke der vor der Maros - Kokel-Front festliegende Rumänen zu stoßen. Als zweite Aufgabe war der 1. Armee der verläßliche Schutz der rechten Flanke der in der Bukowina kämpfenden 7. Armee vorgeschrieben, zu welchem Behuf eine das obere Marostal sperrende Stellung [249] westlich Olah Toplica und eine Linie im Kelemen-Gebirge von der Bistricioara-Höhe zum Mgr. Calului befestigt wurde, wo sich die zweite Stellung der 7. Armee anschloß.

Die Räumung des Raumes südlich der Maros - Kokel-Linie wurde wohl eingeleitet, doch auf Weisung Tiszas nicht durchgeführt, um an einer friedfertigen Haltung gegenüber Rumänien keinen Zweifel aufkommen zu lassen und nicht eine vielleicht unnötige Beunruhigung in die Bevölkerung zu tragen. Hierzu schien bis zum Eintritt des Kriegszustandes Zeit zu sein, der vielfach erst nach Einbringung der in Rumänien besonders reichlich ausgefallenen Ernte erwartet wurde. Überdies rechnete man auf längeren Widerstand an der Grenze, selbst wenn die Rumänen sofort losgingen. Auch scheute man diese Maßnahme, die der betroffenen Bevölkerung Lasten und Sorgen auferlegte, um so mehr, als der Glaube an den Kriegsausbruch immer mehr schwand. Warum sollten die Rumänen gerade jetzt losschlagen, wo doch Brussilows Offensive zum Stillstand gekommen war? Mußten sie die Kriegsvorbereitungen in Siebenbürgen nicht abschrecken? Selbst manche Militärs begannen bereits die Neuaufstellungen als willkommene Reserven für andere Kriegsschauplätze zu betrachten.

In Bukarest verstand man es, die Diplomaten der Vierbundstaaten in völlige Sicherheit zu wiegen. Sie ahnten nichts von den Verhandlungen, die in einem am 17. August abgeschlossenen Bündnisvertrag und einer Militärkonvention mit den Ententemächten gipfelten. Die rumänische Regierung überbot sich an Treuherzigkeit und Liebenswürdigkeit, verfehlte auch nicht, sich bei der Geburtstagsfeier des Kaisers Franz Josef am 18. August ganz besonders feierlich von allen in Betracht kommenden offiziellen Persönlichkeiten vertreten zu lassen, so daß alle Wolken vom politischen Horizont verscheucht zu sein schienen.

Jeder über die Grenze gelangende rumänische Händler war selbstverständlich besser unterrichtet als die berufenen diplomatischen Faktoren. Das 1. Armeekommando ordnete denn auch am 15. August den Aufmarsch der verfügbaren Streitkräfte in den Verteidigungsabschnitten an, in denen sie ab 20. bereitstanden. Allerdings durften sie, um Rumänien nicht herauszufordern, die Grenze nicht besetzen, an der auch weiterhin nur Gendarmen und Finanzwächter den Dienst versahen.

Das Armee-Oberkommando Teschen ließ die 11. Honved-Kavalleriedivision am 24. August in die südlichste Bukowina rücken, um die Grenze von Dornawatra bis zur Dreiländerecke in der Flanke der 7. Armee sofort besetzen zu können.

Am 27. August, einem Sonntag, um 8 Uhr 45 Abends, gab der rumänische Gesandte im Wiener Ministerium des Äußern eine langatmige Kriegserklärung ab, wonach sich Rumänien ab 9 Uhr als im Kriegszustand mit Österreich-Ungarn [250] befindlich betrachtete. Am selben Nachmittag hatte in Bukarest die Komödie eines Kronrates stattgefunden, der infolge eines am 24. eingelaufenen, selbst verständlich bestellten russischen Ultimatums angeblich über Krieg oder Frieden entscheiden sollte. Der König versicherte den Grafen Czernin am Vorabend, als der Überbringer des ominösen Schriftstückes längst auf der Fahrt war, er hoffe die Neutralität durchzusetzen.

Pünktlich um 9 Uhr, ehe noch die 1. Armee in Kenntnis der eingetretenen Wendung sein konnte, brachen die rumänischen Vortruppen auf allen denkbaren Einbruchslinien über die ungarische Grenze. General der Infanterie v. Arz verfügte in diesem Augenblick über 30 Infanterie- und Landsturm-, die 3 erst in den Kohlengruben zu alarmierenden Bergwerks- und 12 Etappenbataillone, 8 Schwadronen und 18 Batterien zur Verteidigung der fast 700 km langen Grenze. Außer 6 noch nicht für den Feldkrieg ausgerüsteten Etappenbataillonen bildete die bei Karlsburg - Mühlbach sich retablierende 51. Honved-Infanteriedivision (4½ Bataillone, 2 Schwadronen, 5 Batterien) seine einzige Reserve.

Wie reißende Gießbäche überfluteten die rumänischen Kolonnen die schwachen Grenzposten, bevor noch die Abschnittskommandanten wußten, daß Krieg sei. Der heldenmütige Widerstand der rasch alarmierten Truppen, worunter besonders die Szekler von Nr. 82 hervorleuchteten, fruchtete nicht viel. Sie hielten wohl ihre Stellungen gegen den frontalen Angriff, sahen sich aber bald links und rechts umgangen, da mit Weg und Steg vertraute Landeskinder rumänischer Nationalität willig und gern Führerdienste leisteten. Besonders rasch drangen die Rumänen im Alt-Durchbruch und beiderseits über das Gebirge gegen Hermannstadt vor, so daß sich General v. Arz am 29. veranlaßt sah, die 51. Honved-Infanteriedivision in dieser Richtung zum Gegenstoß anzusetzen.

Aus den auf die verbündeten Heeresleitungen am 28. und 29. einstürmenden Hiobsnachrichten ging eine unerwartete, überraschende Tatsache hervor: Die Rumänen hatten auch gegen die Ostgrenze sehr starke Kräfte vorgetrieben. Die nächste Entschließung war denn auch, sofort je eine österreichisch-ungarische und deutsche Infanteriedivision freizumachen und zur Verstärkung des Nordflügels zu verwenden.

Der rumänischen Führung mag die Hoffnung vorgeschwebt haben, daß das Einrücken in Ungarn, ähnlich wie es 1913 in Bulgarien geschehen, den Entschluß der Mittelmächte zum Friedensangebot auslösen werde. Schien doch der letzte Augenblick gekommen zu sein, das Zünglein an der Wage zu spielen, die scheinbar schon reife Frucht des Sieges zu pflücken, um von der Entente, solange ihr die Hilfe noch wertvoll war, reichen Lohn für den Eintritt in den Krieg einzustreichen. Das sprach dafür, den militärischen Spaziergang auf einen möglichst breiten Raum auszudehnen und selbst die Einbruchslinie [251] längs der Donau über Orsova mit einer Kolonne zu bedenken, um die Westflanke zu sichern und bei günstigem Kriegsverlaufe rasch in das der Entente abgepreßte Banat zu gelangen.

Auch militärisch gab es Verlockungen genug, die Kräfte zu zersplittern. Die Rumänen fürchteten auf den zweckmäßigsten Einfallslinien in das Burzenland bei Kronstadt dem heftigsten, nicht leicht zu brechenden Widerstande zu begegnen. Ein Flankenstoß durch das nächste Einfallstor in der Ostgrenze, den Ojtoz-Paß, mochte den Vormarsch wesentlich erleichtern. Weiter nördlich der Trotus-Talpaß bei Gyimes und der Bistricioara-Durchbruch im sogenannten Tölgyes-Paß lockten hinwiederum wegen des Zusammenwirkens mit den Russen, denen ein Vorstoß in den Rücken der 7. Armee die Karpathenübergänge nach Siebenbürgen eröffnete. Welch schönes Ziel für den rumänischen Ehrgeiz, dem langen Ringen auf dem nordöstlichen Kriegsschauplatz die entscheidende Wendung geben zu können!

Aber auch das Eindringen durch den Alt-Durchbruch im Roten-Turm-Defilee verhieß eine Flankenwirkung gegen die Verteidiger von Kronstadt und schließlich bot der Schyl-Durchbruch im Szurduk-Defilee mit dem benachbarten Vulkanpaß ein rasches Erreichen der Maros und die Unterbindung der wichtigsten in das südliche Siebenbürgen führenden Lebensadern.

In Überschätzung der eigenen Kräfte wollte die rumänische Heeresleitung allen Zielen nachjagen und trieb acht Infanteriedivisionen erster Linie der an Ungarn grenzenden Territorialbereiche I - IV und die 2. Kavalleriedivision, denen die etwas später operationsbereiten Reservedivisionen folgen sollten, auf allen Einbruchslinien vor; die 1. und 2. Infanteriedivision der 1. Armee General Culcer gegen Orsova, das Szurduk- und Roten-Turm-Defilee, die 3., 4., 5. und 6. Infanteriedivision sowie die 2. Kavalleriedivision der 2. Armee General Crainiceanu gegen die Übergänge in das Burzenland, endlich die 7. und 8. sowie die 14. Reserve-Infanteriedivision der 4. oder Nordarmee General Presan über die Ostgrenze Siebenbürgens.

Der Nachteil dieser Anordnung war, daß insbesondere die Kolonnen des Westflügels, durch Gebirgsstöcke bis zu 100 km Breite getrennt, in der Besorgnis lebten, sobald sie aus den hohen Bergen heraustraten, von Übermacht angefallen zu werden, weshalb sie sich mit der Gewinnung von brückenkopfartigen Stellungen jenseits des Gebirges begnügten und in diesen den Anmarsch der von Ost nach West vordringenden Hauptkräfte abzuwarten gedachten. Dazu kam, daß die Heereskörper mit der Mobilisierung ihres großen Trains im Rückstand waren, gründliche Zerstörung von Brücken und Eisenbahnen die Bewegung hemmte und übergroße Vorsicht an jedem geeigneten Abschnitt längeren Aufenthalt nehmen ließ, um Aufnahmestellungen für den Fall eines Rückschlages herzurichten. So gestaltete sich die rumänische Gefahr viel weniger stürmisch, als es in den bewegten ersten Kriegstagen den Anschein hatte.

[252] Diese bedeuteten allerdings eine arge Nervenprobe für die verbündeten Heeresleitungen, und Generalfeldmarschall v. Hindenburg, der am 29. August an Falkenhayns Stelle trat, fand zunächst eine allen Voraussetzungen widersprechende Lage vor. Die siebenbürgische Grenzverteidigung wie ein Spinnennetz zerrissen, die rumänische Nordarmee in der für die russische Front gefährlichen Richtung am raschesten vordringend und Bulgarien, auf dessen Mitwirkung sich die Entlastungsoffensive aufbaute, zögernd, lockende Angebote Rußlands vorsichtig abwägend, die den seit Monaten wegen Fragen des künftigen Besitzerwerbes verstimmten König wohl zum Ausspringen aus dem Bündnis verleiten konnten.

Vor allem galt es, Verstärkungen nach Siebenbürgen zu schaffen. Das Armee-Oberkommando Teschen vermochte außer einer Anzahl einzelner Bataillone und Batterien die 39. Honved-Infanteriedivision von der Südarmee, die 1. Kavalleriedivision vom Nordflügel Linsingens, die 5. Honved-Kavalleriedivision der 3. und die 1. Landsturm-Husarenbrigade der 2. Armee frei zu machen. Die deutsche Oberste Heeresleitung sagte den Antransport der bayrischen 10. Infanteriedivision (aus der Front der 3. Armee), dann der 3. Garde-Infanteriedivision, 187. Infanteriedivision, sowie von drei Reiterregimenter der 3. Kavalleriedivision zu.

Die Sorge wegen Bulgariens behob sich am 31. August. Rumänien, des Zögerns müde und eingedenk des Hasses für 1913, beauftragte seinen Gesandten in Sofia, die Pässe zu verlangen, weil angeblich der bulgarische Gesandte in Bukarest das gleiche getan hätte. Darauf erklärte Zar Ferdinand am 1. September den Krieg.

Auch die wirren Kriegsereignisse in Siebenbürgen kamen bald in einen gewissen Ruhestand. Die 145. Brigade, Oberst Fiebich, 4½ Bataillone, eine Schwadron und 4 Batterien im 70 km breiten Grenzabschnitt Orsova, von der Donau bis etwa zum Gipfel Godeanu, schlug auf den Grenzhöhen alle Angriffe der rumänischen 1. Infanteriedivision am 28., 29., 30. und 31. August ab. Erst am 1. September durchbrach ein unmittelbar nördlich der Donau geführter übermächtiger Angriff nach einem wilden Handgemenge den Südflügel, der nunmehr Orsova freigab; weiter nördlich aber wurden das Westufer der Cerna und die Grenzhöhen gehalten.

Die 144. Brigade, Oberst Berger, im 90 km breiten Abschnitt Hatszeg (Hötzing), vom Godeanu bis zur Sebesquelle, 6 Bataillone, ¾ Schwadron, 1 Batterie, wurde wohl im ersten Anlauf durch Umgehung zur Preisgabe des Szurdukdefilees und bald darauf zu jener der Kohlengruben von Petroseny gezwungen, doch ließen die Rumänen der Brigade in ihrer das Strelltal westlich Merisor sperrenden Stellung vorläufig Ruhe.

Die 143. Brigade, Oberst Barwik, im 150 km breiten Abschnitt Hermannstadt, von der Sebesquelle bis zum Königstein, versuchte sich mit ihren 7½ Ba- [253] taillonen, je einer Schwadron und Batterie nach Überrumpelung der Posten beiderseits des Alt-Durchbruches im Gefecht bei Talmesch südlich Hermannstadt gegen die Übermacht zu behaupten. In den Kampf am 30. August griff die 51. Honved-Infanteriedivision ein, die wohl einen erfolgreichen Gegenstoß machte, aber die Umgehung des Ostflügels nicht wettzumachen vermochte. Generalmajor v. Tanarky ließ nun nordwestlich und nördlich Hermannstadt Stellung beziehen. Die Rumänen drängten nicht nach, wagten kaum Patrouillen in die Stadt zu schicken, deren Räumung der auf seinem Posten verbliebene Platzkommandant unter den Augen des Feindes während der nächsten Tage, nur hier und da durch ein kleines Bombardement gestört, durchzuführen vermochte.

Die 71. Infanteriedivision, Generalmajor Goldbach, verteidigte mit acht Bataillonen die Zugänge nach Kronstadt, mit einem den Ojtoz-Paß. Nach den durch Umgehungen entschiedenen Kämpfen in der Nacht zum 28. sammelte der Divisionär seine Truppen im Raume südwestlich und nördlich Kronstadt, sah sich aber bald wegen des Vordringens namhafter Kräfte über die Höhen beim Ojtoz-Paß in das Becken von Haromszek gezwungen, Stellung auf den Osthängen des Persaner-Gebirges zu nehmen. Im Gefecht bei Zernesti am 30. August wurden wiederholt Angriffe der Rumänen abgewiesen, bis eine Umgehung des Nordflügels drohte. Goldbach führte seine Truppen hinter den Alt-Abschnitt Fogaras - Homorod zurück.

Dem heftigsten Druck war die von der rumänischen Nordarmee angegriffene 61. Landsturm-Infanteriedivision, Generalmajor Grallert, ausgesetzt, deren 19. Landsturm-Gebirgsbrigade, Oberst v. Szabo, die Zugänge in das Becken der Csik, deren 16. Oberst Bernatsky jene in die Gyergyo zu decken und das obere Maros-Tal zu sperren hatte. Die schütter verteilten, vereinzelten Kampfgruppen versuchten vergebens, sich der Überflutung entgegen zu stemmen. So sehr das Gebirge lokal der Verteidigung zu statten kam, so sehr begünstigte es die Umgehungen. Die 19. Brigade stand schon am 30. August westlich der obersten Alt, wo ihr der Feind allerdings eine Woche lang Ruhe ließ. Noch länger blieb die Mittelgruppe hinter der obersten Maros unbehelligt.

Dagegen hatte das Gros der 16. Gebirgsbrigade, das am 30. August östlich Olah Toplicza Stellung bezog, einen schweren Stand. Am 1. September wurden ihre Sicherungen zurückgedrückt; am folgenden Tage schritten die Rumänen zum Angriff, gelangten am Südflügel über die Maros, erfuhren aber schließlich, namentlich durch das wirksame Feuer der Verteidigungsartillerie, eine gründliche Abweisung, was sie veranlaßte, eine dreitägige Ruhepause einzuschalten.

Nicht wenig trugen zur Stockung in der rumänischen Offensive die Ereignisse an der bulgarischen Front bei. Der Einfall der bulgarischen 3. Armee in die Dobrudscha und deren am 7. September erfochtener Sieg bei Dobrić, [254] die Eroberung von Tutrakan am 6. und jene von Silistria am 9. zwangen die Rumänen zu Truppenverschiebungen - dabei das Gros der 5. Infanteriedivision von der 2. Armee - nach dem Süden, die ein heilloses Durcheinander in die nach Norden rollenden Transporte brachten.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte