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Bd. 5: Der österreichisch-ungarische Krieg

  Kapitel 3: Der Krieg 1914 gegen Rußland   (Forts.)
Feldmarschalleutnant Josef Metzger

4. Der Feldzug von Krakau und Lodz.

Der Rückzug der verbündeten Heere wurde diesmal mit einer großen Neugruppierung verbunden, die sich mit bemerkenswerter Schnelligkeit vollzog. Der Großteil der deutschen 9. Armee, verstärkt durch Truppen aus Ostpreußen, durch österreichisch-ungarische Kavallerie und durch deutsche Kavallerie aus dem Westen, wurde - zumeist im Bahntransport - nach Thorn - Hohensalza - [46] Wreschen gebracht, um in der Richtung Lodz - Lowicz gegen die Nordflanke der vorrückenden russischen Massen zu stoßen. Unter Führung des Generals der Kavallerie v. Mackensen begann diese neue Operation der deutschen 9. Armee schon am 11. November.6

Vor der Mitte der russischen Dampfwalze blieben zunächst nur schwache deutsche Kavallerie- und Landsturmformationen; in diese Lücke trat nun die österreichisch-ungarische 2. Armee. Bei Belassung des VII. Korps in den Karpathen wurde sie mit Bahn nach Preußisch-Schlesien geführt, nordöstlich von Oppeln ausgeladen und unverzüglich auf russisches Gebiet gegen Noworadomsk in Bewegung gesetzt. Zwischen Czenstochau und Krakau richteten sich die deutsche Armeeabteilung Woyrsch und die Armee Dankl zur Abwehr ein. Die 4. Armee wurde bis Krakau zurückgezogen und ging aufs nördliche Weichselufer über, um aus dem Gürtel der Festung zum Angriff gegen die Südflanke der russischen Masse vorzubrechen, auf deren Nordflanke die deutsche 9. Armee losging.

In Westgalizien, zwischen der Weichsel und den Karpathen blieb nur ein Korps, das XI. Feldzeugmeister Ljubičić nebst starker Kavallerie, um nach Maßgabe des feindlichen Druckes in den Raum südlich Krakau auszuweichen.

Die 3. Armee Boroević ging in die Karpathen von der Duklasenke bis Lupkow zurück, um die Eingänge nach Ungarn zu verteidigen und gleichfalls zum Flankenstoß gegen Norden bereit zu sein. Zu ihr trat das zurückgebliebene VII. Korps der 2. Armee. Die Verteidigungsgruppen in den östlichen Waldkarpathen traten unter Befehl des Generals der Kavallerie Freiherr v. Pflanzer-Baltin.

So wurden zum Schutze des Heimatgebietes gegen mehr als 30 russische Divisionen außer der Besatzung von Przemysl nur 11 Infanteriedivisionen mit Kavallerie und Landsturmtruppen belassen, während drei Armeen mit 26 Infanteriedivisionen und 5 Kavalleriedivisionen zur Bekämpfung der feindlichen Massen bereit standen, die Preußisch-Schlesien zu überfluten drohten. Die treue Hilfsbereitschaft, die Österreich-Ungarns Wehrmacht dem Kampfgenossen hier in schwerster Bedrängnis erwiesen hat, ist ihr später reichlich vergolten worden. Mag auch die Nibelungentreue der harten Jahre gemeinsamen Kampfes im Zeitgeist der trüben Gegenwart wenig Anwert finden, so werden doch Deutschlands und Österreichs Söhne in hellerer, gemeinsamer Zukunft dieser Treue ihrer Väter mit Stolz gedenken. Ein leerer Wahn war sie nicht!

Breit und geschlossen, schwerfällig und langsam wälzte sich die russische Masse in Westpolen der schlesischen Grenze zu.

In diesen Tagen atemloser Spannung lagen fast allabendlich die entzifferten feindlichen Funksprüche vor, denen die ganze Größe der Gefahr [47] zu entnehmen war, die aber unbezahlbare Nachrichten brachten über Vorrückungsräume, Marschziele und Absichten der Russen.

Diese Nachrichten setzten das nach Teschen zurückverlegte Armee-Oberkommando oft in die Lage, nicht nur zu wissen, wo der Feind gestern und heute war, sondern auch wohin er morgen und übermorgen gelangen wollte. Blitzartig beleuchtete mitunter der aufgefangene Funkspruch, das erhaschte Bruchstück die Situation der Russen, gab die Zusammensetzung ihrer Armeen, die Standorte ihrer Führer der Kenntnis des Armee-Oberkommandos preis. An der Ungunst der Zahl, welche die Ausnutzung dieser Nachrichten hinderte, war nichts zu ändern; aber für die Entschlüsse der verbündeten Heeresleitungen waren diese unbedingt sicheren Mitteilungen, die ihnen der Feind unbewußt zukommen ließ, höchst wertvoll. Ein Fall, in dem sie entlastend wirkten, sei besonders erwähnt: Es war vor dem 10. November, die 1. Armee mit dem Einrichten ihrer Stellungen nordwestlich Krakau noch nicht zu Ende und kurzer Erholung dringend bedürftig. Dem russischen Angriff, der anscheinend nahe bevorstand, sah man nicht ohne Besorgnis entgegen. Aus aufgefangenen russischen Marschbefehlen war zu ersehen, daß tags darauf das III. kaukasische Korps infolge eines Mißverständnisses unfehlbar in den Marschraum des Nachbarkorps geraten müsse, das einer anderen Armee angehörte. Richtig gab's am nächsten Tage gereizte Radiotelegramme zwischen dem russischen 9. und 4. Armeekommando. Der Irrtum brachte Stockungen, Aufenthalte, einen Zeitverlust von zwei Tagen für den feindlichen Vormarsch, einen unschätzbaren Gewinn für die Verbündeten.

Am 13. November wurde bei den Russen das Vorschieben der Dampfwalze für die nächsten Tage bis zur Linie Königshütte - Kreuzburg - Kempen - Jaroczyn befohlen; schon forderten die Kommandos von ihren vorgesetzten Stellen dringend das Kartenmaterial für den Vormarsch auf preußisches Gebiet; da traf sie der Flankenstoß von Nord und bald darauf auch von Süd. Die Schlachten, die sich daraus entwickelten, haben von Mitte November bis Mitte Dezember gedauert. In ihren Auswirkungen haben sie den ganzen russischen Angriffsplan zum Scheitern gebracht, die Walze stillgelegt.

Der Stoß der deutschen 9. Armee in die Nordflanke kam den Russen überraschend. Deren 1. Armee wurde bei Wloclawek und Kutno geschlagen; der konzentrische deutsche Angriff bei Lodz schien einen Vernichtungsschlag gegen die russische 2. Armee vorzubereiten, ähnlich dem, der bei Tannenberg gelungen war. Schon mußten Teile der feindlichen 5. Armee nordwärts zur Rettung der Lage abschwenken, schon war die Absicht ausgesprochen, Lodz zu räumen. Ein entschlossener Gegenbefehl des Großfürsten Nikolaj veranlaßte das Halten bei Lodz, das Heranziehen von Verstärkungen und die Durchführung des russischen Gegenstoßes aus der Richtung von Lowicz und Skierniewice. Die deutschen Umfassungstruppen, die östlich an Lodz vorbei tief nach Süden vor- [48] gestoßen hatten, waren im Rücken angegriffen, abgeschnitten und in höchster Gefahr. Sie schlugen sich siegreich durch und vom 25. November an stand hier Front gegen Front: alle Versuche der Russen, sich durch Angriffe der deutschen 9. Armee zu entledigen, blieben vergeblich.

Zur selben Zeit wurde im Süden die Schlacht bei Krakau durchgekämpft.

Am 17. November stieß die 4. Armee Erzherzog Josef Ferdinand aus der Nordfront der Festung in die linke Flanke der russischen 9. Armee hinein, die sich mit Teilen gegen Krakau sicherte, während ihre Hauptkräfte in Richtung Königshütte vordringen sollten. Am 18. gewann der Angriff Raum, doch trafen die Truppen überall auf verschanzte, stark besetzte Stellungen. Am 19. ging auch die Armee Dankl zum Angriff über und brach an vielen Stellen in die feindliche Front ein. Die 4. Armee drang siegreich vor und warf die Russen, die vergeblich zwischen der 4. und 1. Armee durchzubrechen suchten, über den Szreniawabach zurück. Die Oberösterreicher und Salzburger der Infanterieregimenter 14 und 59 bedeckten sich hierbei mit besonderem Ruhm. Entschiedener Raumgewinn entlang der Weichsel erweiterte sich bis Koszyce; er veranlaßte den Führer der russischen 9. Armee, General Letschitzki, zu starken Gegenangriffen auf den Ostflügel, XVII. Korps General der Infanterie Křitek und XIV. Feldmarschalleutnant Roth. Diese Gegenstöße wurden abgewiesen, Letschitzki aber wandte sich an seinen Nachbar südlich der Weichsel, Dimitrijew, und forderte ihn mit Funkspruch dringend auf, "im Namen des Sieges" Kräfte auf das Nordufer zur Verstärkung zu senden. Dimitrijew folgte mit einem Korps diesem Rufe, beschleunigte den Vormarsch der 3. Armee gegen Krakau am rechten Weichselufer und drückte das XI. Korps über Bochnia zurück; seine Kavallerie stieß über Neusandez vor. Gleichzeitig begann die russische 8. Armee unter Brussilow den Angriff über die Karpathen. Ein tief nach Ungarn bis Homonna eingedrungenes Korps wurde wieder hinausgeworfen, der linke Flügel der 3. Armee hingegen bis Bartfa zurückgedrängt.

So war die große Offensive der Russen gegen Preußisch-Schlesien zwar durch den gleichzeitigen Angriff auf beide Flügel der Dampfwalze zum Stehen gebracht, aber das Vordringen der feindlichen Übermacht südlich der Weichsel zwang das Armee-Oberkommando, die Schlacht bei Krakau am 25. November abzubrechen.

Die Lage in der westgalizischen Lücke zwischen der Armee Boroević und den Streitkräften bei Krakau wurde unerträglich und verlangte dringend rasches Eingreifen. Wieder war es, wie im Herbst bei Komarow, die 4. Armee, die den Schauplatz schwerer erfolgreicher Kämpfe verlassen mußte, um vom neuen in die Schlacht geworfen zu werden.

Mit großer Wahrscheinlichkeit war anzunehmen, daß sich zwischen der nach West vorgehenden Armee Dimitrijew und der nach Süd über die Karpathen angreifenden Armee Brussilow eine Lücke finden werde, die geschickte Führung [49] ausnutzen konnte, um den Südflügel der russischen 3. Armee zu fassen. Zunächst wurde die ganze 4. Armee hinter den Festungsgürtel zurückgezogen, dann wurden drei Infanteriedivisionen dieser Armee, jede an Infanterie nicht viel mehr als ein Regiment auf vollem Stande zählend, verstärkt durch die vollzählige deutsche 47. Reserve-Infanteriedivision, mit Bahn nach Chabowka verschoben, um diesen Flankenstoß zu führen.

Während die Vorbereitungen ins Werk gesetzt wurden, um brave deutsch-österreichische Truppen wieder im meistbedrohten Raume der hereinbrechenden Flut entgegenzuwerfen, kam am 2. Dezember die Nachricht, daß die Balkanstreitkräfte Belgrad genommen hatten. Ein Erfolg, in dem man damals die Krönung eines siegreichen Feldzuges sehen konnte, der sich aber bald als die Kulmination eines die eigene Kraft übersteigenden Angriffs erwies, dem ein unheilvoller Rückschlag unmittelbar folgte. Als dieser eintrat, wurden an der russischen Front zwei neue Schlachten geschlagen: in Polen die zweite Schlacht bei Lodz, in Galizien die Schlacht bei Lapanow und Limanowa.

Schon im Oktober war sowohl das österreichisch-ungarische Armee-Oberkommando in Neusandez, als auch das Oberkommando des deutschen Ostheeres dafür eingetreten, das Hauptgewicht der verbündeten Kräfte auf den östlichen Kriegsschauplatz zu verlegen, um die dort drohende Gefahr endgültig abzuwenden. Die deutsche Oberste Heeresleitung aber hatte die von Monat zu Monat wachsende Überzahl der Feinde im Westen vor Augen und hielt nach Streckung der Gesamtfronten bis an das Meer bei Westende einen Angriff bei Ypern für aussichtsvoll. Demgemäß verwendete sie im November den größten Teil der neugebildeten "jungen" Korps im Westen; als jedoch ein entscheidender Erfolg bei Ypern ausblieb, wurden in der zweiten Novemberhälfte mehrere deutsche Korps nach dem Osten abgegeben. Die verstärkte deutsche 9. Armee konnte anfangs Dezember den Angriff bei Lodz erneuern, am 6. Dezember die Stadt nehmen und dann bei Lowicz noch einen zweiten Schlag führen, der den Rückzug der Russen an die Rawkalinie zur Folge hatte. An diesen Kämpfen beteiligte sich auch die österreichisch-ungarische 2. Armee. Während um Lodz gerungen wurde, hielt sie bei Belchatow starke feindliche Kräfte vom Eingreifen gegen den Südflügel der deutschen 9. Armee ab, dann drang sie über Piotrkow und Noworadomsk bis an die Pilica vor.

Wechselvoll und reich an Krisen entwickelte sich gleichzeitig der Kampf in Westgalizien als reine Bewegungsschlacht; dem Geschick der Führung aller Teile bot sie weiten Spielraum. Das XI. Korps Ljubičić, dem noch das XVII. Křitek als Verstärkung zugeführt wurde, wich frontal vor der russischen 3. Armee bis über Wieliczka und Dobczyce zurück, während die früher erwähnten vier Infanteriedivisionen mit Bahn nach Chabowka und Mszana verschoben und zum Flankenstoß in der Richtung Lapanow - Bochnia angesetzt wurden.

[50] Am 1. Dezember öffnete die Wiener 13. Schützendivision, Generalmajor v. Szekely, im Verein mit den zu Fuß kämpfenden Reitern des Feldmarschalleutnants Freiherrn v. Nagy den Zugang zu dem für den Flankenstoß ausersehenen Raum an der Straße Chabowka - Limanowa. Am 2. wandte sie sich nach Norden, während die Linzer 3. Infanteriedivision, Generalmajor v. Horsetzky, mit den Reitern weiter längs der Straße vordrang. Am 3. schwenkte auch diese Division nach Norden auf, während der Stoß der Reiter längs der Straße von der Innsbrucker 8. Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant v. Fabini, unterstützt wurde und im Laufe des Tages Limanowa gewann. Feldmarschalleutnant Roth übertrug nun die Sperrung der Straße gegen Neusandez der 11. Honved-Kavalleriedivision und ließ am 4. auch die 8. Infanteriedivision, rechts von ihr die deutsche 47. Reservedivision, Generalleutnant v. Besser, zum [51] Flankenstoß vorgehen, rechts begleitet von der 6. Kavalleriedivision, Generalmajor Schwer.

Die Schlacht bei Limanowa-Lapanow
[50]      Skizze 3: Die Schlacht bei Limanowa-Lapanow.

Der Angriff im winterlich verschneiten Bergland über steile und vereiste Hänge gegen die sich immer wieder in günstigen Stellungen zu neuem Widerstand setzenden Russen stellte hohe Anforderungen an die Truppen, deren Angriffslust jedoch trotz aller bereits hinter ihnen liegenden Anstrengungen die unendlichen Schwierigkeiten überwand. Am 4. Dezember abends war ein Raum von 10 km Tiefe gewonnen, der Südflügel der Gruppe Ljubičić, 30. Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant Kaiser, im Anschluß an die Schützendivision im rüstigen Vorgehen.

Dimitrijew erkannte rasch die Gefahr, sammelte alle erlangbaren Truppen zur Unterstützung seines eingedrückten Südflügels und holte auch die seinerzeit über die Weichsel nach Norden abgegebenen Kräfte wieder eilig heran. Zugleich sollte die russische 8. Armee mit ihrem rechten Flügel - dem VIII. Korps - scharf über Neusandez auf Limanowa vorstoßen, gegen die rechte Flanke und den Rücken der bei Lapanow schwer kämpfenden Angriffsgruppe unter Feldmarschalleutnant Roth.

Schon am 5. machte sich das Eintreffen bedeutender russischer Verstärkungen fühlbar. Namentlich der linke Flügel der Gruppe Roth hatte schwer zu ringen, sogar Gegenstöße abzuwehren, während die Deutschen am rechten Flügel, wenn auch oft zu Kämpfen mit Bajonett und Kolben gezwungen, rascher vorwärts kamen. Am Abend stand das Eintreffen russischer Kräfte der 8. Armee Brussilow in Neusandez außer Zweifel. Generalmajor Graf Bissingen der 11. Honved-Kavalleriedivision, die von Nowytarg dahin vorgerückte 10. Kavalleriedivision, Generalmajor Graf Herberstein, und eine gemischte Gruppe der 3. Armee Boroević, geführt vom Obersten v. Weiß, waren nach Kampf zum Rückzug gezwungen.

Trotzdem setzte Feldmarschalleutnant Roth den Angriff gegen Norden fort, der seinem linken Flügel und der Gruppe Ljubičić vollen Erfolg brachte. Die Russen wichen hinter die Stradomka. Dagegen warfen sie jetzt alle erlangbaren Verstärkungen dem rechten Flügel entgegen, trachteten ihn auch in der Flanke zu packen, so daß hier schwere Kämpfe entbrannten, welche die Deutschen und die Tiroler Infanteriedivision nur schrittweise Raum gewinnen ließen. Feldmarschalleutnant Roth benutzte die durch Einschwenken seines linken Flügels und der Gruppe Ljubičić eingetretene Frontverkürzung, um dort überzählige Truppen zur Verstärkung des rechten Flügels einzusetzen. Dies brachte in heißem Ringen am 7. und 8. bei Lapanow Raumgewinn, doch ergab sich am Abend des letzteren Tages, daß die Russen in ihren neuen Stellungen jetzt erst den eigentlichen Entscheidungskampf aufzunehmen gedachten. Gleichzeitig wurde das Anrücken des russischen VIII. Korps von Neusandez gegen Limanowa gemeldet, wo die Reiter und vier Landsturmbataillone unter Graf [52] Herberstein inzwischen Befestigungen aufgeworfen hatten, um den gefährlichen Stoß nach Möglichkeit aufzuhalten.

Die Krisis der Schlacht rückte sichtlich näher. Das Armee-Oberkommando in Teschen warf den Feldmarschalleutnant Arz v. Straußenburg mit zwei eben verfügbaren Infanteriedivisionen rasch gegen das russische VIII. Korps nach Limanowa, wo sich die tapfere Kavallerie bis zum Einlangen der Verstärkung heldenmütig verteidigte. Gleichzeitig erhielt die Armee Boroević den Angriffsbefehl zum Vorstoß über die Karpathen nach Nord: ihr linker Flügel unter Feldmarschalleutnant Szurmay hatte rasch und rücksichtslos über Neusandez in Flanke und Rücken der gegen Limanowa vordringenden Russen zu stoßen.

Alle Bemühungen des Feldmarschalleutnants Roth, am 9. den Stoß gegen Bochnia vorwärtszutragen, blieben erfolglos. Der Flankenstoß hatte seinen Höhepunkt erreicht. Der lästige Druck auf die Ostflanke der 47. Reservedivision hatte dazu genötigt, die vordere Division des Feldmarschalleutnants v. Arz, die Przemysler 45. Schützendivision, Feldmarschalleutnant Smekal, sowie die Wiener Schützendivision in der Ostflanke einzusetzen, während die 39. Honved-Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant Hadfy, die Verteidiger von Limanowa direkt verstärken sollte. Die am 9. in der Ostflanke erzielten Fortschritte wurden am 10. von den Russen zum Teil wieder wettgemacht, die Verteidiger von Limanowa auf das äußerste bedrängt, der linke Flügel der Front des Feldmarschalleutnants Roth von einem mächtigen Durchbruchsversuch der Russen getroffen und hinter die Stradomka zurückgedrängt. Eilends mußte die von der 1. Armee Dankl heranrollende 15. Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant v. Schenk, hier eingesetzt werden. Die ganze Front sah sich auf die Verteidigung beschränkt, nur bei Limanowa sollte die eben eintreffende zweite Brigade, Generalmajor Molnar, der 39. Honved-Infanteriedivision am 11. den Südflügel der Russen umfassend angreifen. Die Schlachtenentscheidung wurde vom Eingreifen der Armee Boroević erhofft, deren Westflügel unter Feldmarschalleutnant Szurmay sich in glücklichen Kämpfen Neusandez näherte.

Die Krise bei Lapanow wurde in überaus hartnäckigen Kämpfen überwunden, das russische VIII. Korps bei Limanowa umfassend im Gegenangriff geworfen, im Rücken über Neusandez am 12. angegriffen und völlig geschlagen. Die Lücke, die zwischen der feindlichen 3. und 8. Armee gerissen war, veranlaßte beide zum Rückzug.

An Ereignissen und an Arbeit überreich waren die Tage dieser Schlacht mit ihren Hoffnungen und Sorgen, mit dem wiederholten Wechsel der Lage, mit den dringenden Aushilfen und stets neuen Aufgaben, die der Führung erwuchsen. Die Bemühungen, den Einklang im Handeln der weit getrennten Gruppen zu erzielen, wurden durch verständnisvolles Zusammenwirken aller Teile für den Sieg belohnt. Als typische Bewegungsschlacht voll über- [53] raschender Wendungen und Improvisationen unterschied sie sich sehr wesentlich von den späteren, bis ins Kleinste vorherbedachten und vorbereiteten Kämpfen in den lückenlosen Stellungsfronten.

Bis zum 16. Dezember war die ganze Riesenfront des Feindes in Polen und in Westgalizien zurückgezwungen. Sie stellte sich vom neuen entlang der Flußlinie Bzura - Rawka - obere Pilica - Nida - Dunajez - Biala.

Die ganze 3. Armee brach, den Feind vor sich hertreibend, in das nördliche Karpathenvorland ein; am linken Flügel erreichten das IX. und III. Korps Ryglice und Brzostek, in der Mitte nahm das VII. Korps Krosno, der rechte Flügel stieß bei Lisko auf überlegenen Feind.

Die Russen sahen ihre Hauptverbindungslinie, die Eisenbahn Tarnow - Rzeszów - Jaroslau, und die aus Reservedivisionen neu gebildete 11. Armee bedroht, die Przemysl einschloß. Aus der in die Abwehr fallenden Front in Polen und vom Dnjestr zogen sie Verstärkungen für ihre 3. und 8. Armee heran, verschärften den Widerstand aufs äußerste und gingen am 20. Dezember mit der 8. Armee zum Gegenangriff über. Die Armee Boroević, der die gezwungenermaßen auf weitem Umweg von Krakau anrollenden Verstärkungen zu spät zukamen, wurde von der Übermacht in der Schlacht bei Jaslo zurückgedrängt und wich nach harten Kämpfen in den Weihnachtstagen auf den Hauptkamm der Karpathen aus. Gleichzeitige Versuche der Russen, die Front zwischen Dunajez und Biala und bei Gorlice zu durchstoßen, wurden blutig abgewiesen.

Diese Ereignisse in der Weihnachtszeit 1914 bildeten auf dem russischen Kriegsschauplatz den Übergang vom bisherigen zu einem neuen, ganz veränderten Bilde. Bei ihrer ersten Versammlung zu Kriegsbeginn hatten es die Russen mit Vorbedacht vermieden, sich nach Westpolen in die Zange zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn hineinzubegeben. Dem großen Kriegsplan der Entente zuliebe hatten sie es dann doch im Herbst mit ganzer Kraft getan und waren gescheitert. Ihr Höchstkommandierender, Großfürst Nikolai, war nicht der Mann, dessen Wille sich leicht beugte. Nach dem Mißerfolg der Offensive gegen Schlesien wechselte er rasch und mit Entschiedenheit sein Ziel: von der Jahreswende 1914/15 an erstarrte die Front in Polen und in Galizien im Stellungskampf, das ganze Bestreben der Russen war von nun ab darauf gerichtet, die österreichisch-ungarische Abwehr in den Karpathen zu durchbrechen und durch den Stoß nach Ungarn die Donaumonarchie endgültig zu erledigen.


6 [1/46]Vgl. hierzu Band 1, Abschnitt 6. [Scriptorium merkt an: Korrektur - muß heißen Band 1, Abschnitt 7 - genauer, hier.] ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte