Bd. 1: Der deutsche Landkrieg, Erster Teil:
Vom Kriegsbeginn bis zum Frühjahr 1915
Kapitel 7: Der Krieg im Herbst und Winter im
Osten (Forts.)
Oberst Friedrich Immanuel
3. Der zweite Feldzug in Polen im Herbst
1914.
Der Plan zum Stoß gegen die russische rechte
Flanke.
Die deutsche Oberste Heeresleitung hatte die Entwicklung der Lage im Osten,
das Anschwellen der russischen Massen und das Versagen der
Verbündeten vor Iwangorod und in Galizien mit der allerschwersten
Sorge verfolgt. Gerade um diese Zeit war der Kampf um die
Yser- und Ypern-Front in Flandern zu voller Höhe entbrannt, so
daß man sich fragen mußte, ob er abgebrochen werden konnte,
um die freiwerdenden Kräfte zur Rettung der Lage nach dem Osten zu
werfen. Die k. u. k. Heeresleitung drang darauf, starke deutsche
Kräfte aus dem Westen im Osten einzusetzen. Zunächst konnte
sich die deutsche Oberleitung noch nicht mit dem Einstellen der
Flandern-Angriffe abfinden, glaubte aber an einen baldigen, erfolgreichen
Ausgang und war geneigt, erhebliche Kräfte von dort [475] nach Polen zu entsenden, sobald es die
Lage in Flandern gestattete. Ludendorff, der bereits in den letzten
Oktobertagen in Berlin mit Falkenhayn
verhandelte, schlug vor, daß die
9. Armee durch Abgaben aus der 8., wenn möglich auch durch
Entsendung von Kräften aus der Westfront, zu verstärken sei
und in der Gegend von Hohensalza versammelt werden müsse. Dann
stand sie in der Flanke des Feindes und war in der Lage, durch einen
Stoß zwischen Warthe und Weichsel in Richtung von Nordwesten nach
Südosten, also ungefähr gegen die Linie
Lodz - Lowicz, den Feind aufzurollen. Die Überlegenheit
des Deutschen im Bewegungskriege, sein höherer taktischer und
sittlicher Wert gaben die berechtigte Aussicht, daß dem kühnen
Unternehmen der Erfolg beschieden sein werde.
Deutscherseits wußte man, daß der Nordflügel der Russen
verhältnismäßig schwach bemessen war und durch einen
überraschend geführten, schnellen Stoß bis zur
Vernichtung getroffen werden konnte, bevor er aus der Mitte und vom
rechten Flügel her verstärkt, auch aus
Inner-Rußland durch Nachschub gestützt wurde, wozu allerdings
noch unabsehbare Menschenvorräte zur Verfügung standen.
Wollte man sich zu ihm entschließen, so war das Zusammenfassen
überlegener deutscher Kräfte gegen die als schwach erkannte
Stelle des russischen Aufmarsches, vor allem aber schnelles Handeln
geboten.
In den ersten Novembertagen standen die Russen, über die auf der
polnischen Front General Rußki den Oberbefehl führte, in
folgender Verteilung:
- 1. Armee - 1. turkestanisches, IV., V. und VI. sibirisches
Armeekorps - beiderseits der Weichsel zwischen Mlawa und
Kowal - Wloclawek, die Hauptmassen auf dem rechten
Stromufer, südlich des Flusses nur das V. sibirische Korps,
- 2. Armee - II., XIII., IV. Armeekorps, II. sibirisches
Armeekorps - im Bogen westlich um Lodz herum zwischen Kutno und
Lask, vor ihr das aus 4½
Reiter-Divisionen und drei Schützen-Brigaden zusammengesetzte
Kavalleriekorps Nowikow an der Warthe westlich Lodz,
- 5. Armee - I., XIX., V. Armeekorps, I. sibirisches
Armeekorps - bei Piotrkow mit der Front nach Südwesten quer
über die Eisenbahn
Warschau - Krakau,
- 4. Armee - Grenadierkorps, XVI., XVII. Armeekorps - westlich
Kielce mit der Front nach Südwesten quer über die Eisenbahn
Kielce - Czenstochowa,
- 9. Armee - Gardekorps, XXV., XIV., XVIII. Armeekorps - an
der unteren Nida mit der Front nach Süden.
Jede Armee zählte außerdem eine oder zwei Reiter-Divisionen.
Die Armeekorps waren meistens zwei aktive und eine
Reserve-Division, die Divisionen durchgehends 16 Bataillone stark. Die
erdrückende Überlegenheit läßt sich aus dieser
Gliederung und Kräftehäufung ohne weiteres entnehmen. Allein
die russische Aufstellung, die des Nachschubs halber für die einzelnen
Armeen scharf [476] an das Eisenbahnnetz gebunden war,
krankte daran, daß sie in der Mitte und namentlich auf dem linken
Flügel viel zu gedrängt war. Dem k. u. k. Heere, das
man mit der Masse gänzlich zu zerschmettern gedachte,
gegenüber befanden sich ungeheure Massen, während man die
Deutschen nach ihrem Rückzuge von Warschau her nicht mehr hoch
einschätzte und leicht mit ihnen fertig zu werden hoffte. Trotz der
riesigen Überlegenheit der russischen Reiterei an Zahl war die
Aufklärung vollkommen unzureichend. Der Flugdienst versagte
gänzlich. Daher blieb die russische Heeresleitung durchaus im
unklaren über die Rückzugsbewegungen und
Heeresverschiebungen auf deutscher Seite. Sie verlor kostbare Zeit und bot
dem Feinde Blößen, die Hindenburg und Ludendorff zu
entscheidendem Schlage ausnutzen konnten.
Am 1. November wurde Hindenburg
zum "Oberbefehlshaber Ost",
Ludendorff zum Chef seines Generalstabes ernannt. Hiermit erlangten beide
endlich die
Handlungs- und Befehlsfreiheit im Osten, die sie zur wirksamen
Führung des Krieges haben mußten. Ihr Befehlsbereich
erstreckte sich über die 8. und 9. Armee und die Truppen der
stellvertretenden Generalkommandos des I., XX., XVII., II., V., VI.
Armeekorps, somit über alle Truppen und Hilfsquellen des deutschen
Ostens. Später trat das Korps Zastrow bei
Soldau - Mlawa, das vorläufig der 8. Armee
zugehörte, unmittelbar unter den Oberbefehlshaber Ost, der das
Hauptquartier zu Posen nahm. Große Vorbereitungen zur
Verteidigung der
Ostfestungen - der Weichsel-Plätze, Posen,
Breslau - wurden getroffen, längs der Grenze Stellungen
angelegt, Zerstörungen der Eisenbahnen, Brücken, Bergwerke
vorbereitet, um den Russen Schwierigkeiten jeder Art zu schaffen, falls sie
doch nach Deutschland vordringen sollten. Neue Verbände wurden
aufgestellt:
- bei Soldau aus den Besatzungen der Weichsel-Festungen und aus
Landsturm Korps Zastrow, später XVII. Reservekorps benannt;
- bei Thorn ein aus Landwehr und Landsturm gebildetes Korps
Dickhuth und die
Landsturm-Brigade Westernhagen;
- die 35. Reserve-Division, bisher Hauptreserve der Festung Thorn, bei
Czenstochowa;
- Korps Posen (Landwehr und Landsturm) bei Kalisz;
- Korps Breslau, ebenso zusammengesetzt, östlich Kempen.
Wenn auch diese Bildungen dem ersten Zwecke nach nur
Grenzschutzaufgaben erfüllen sollten, so haben sie sich dank der
vorzüglichen deutschen Ausbildung doch bald als Kampftruppen
eingespielt und als Flankendeckungen der 8. und 9. Armee sehr Gutes
geleistet. Jedenfalls sind sie den Russen ebenbürtige Gegner geworden
und haben große Überlegenheiten in Schach gehalten.
Um die Masse der im Osten verfügbaren Truppen zum
Angriffsstoß gegen die russische Nordflanke zu häufen, wurden
der 8. Armee, jetzt unter General Otto v. Below, das I. und XXV.
Reservekorps entnommen. [477] Infolge dieser Schwächung war
diese Armee genötigt, ihre Stellungen vorwärts der
ostpreußischen
Ost- und Südostgrenze bis an die Angerapp und an die Masurischen
Seen zurückzunehmen, so daß die russische 10. Armee nach
Ostpreußen eindringen und das Gebiet östlich der genannten
Linie besetzen und heimsuchen konnte. Den Schutz des Raumes
östlich der Weichsel von Thorn bis Mlawa übernahmen die
Korps Zastrow und Dickhuth nebst der Brigade Westernhagen. Durch
Vorgehen gegen die Linie Plock -Przasnysz sollten sie möglichst
starke russische Kräfte bei
Nowogeorgiewsk - Pultusk - Rozan binden.
Das Oberkommando der 9. Armee, jetzt unter General v. Mackensen, kam
nach Hohensalza. Die Armee wurde am 11. November 1914 in folgender
Weise versammelt:
- XI. Armeekorps General v. Plüskow (22. und 38.
Infanterie-Division) bei Jarotschin,
- XVII. Armeekorps General v. Pannewitz (35. und 36.
Infanterie-Division) bei Wreschen,
- XX. Armeekorps General v. Scholtz (37 und 41.
Infanterie-Division) bei Strelno,
- I. Reservekorps General v. Morgen (1. und 36.
Reserve-Division) bei Hohensalza,
- XXV. Reservekorps General Frhr. v. Scheffer (49. und 50.
Reserve-Division) bei Thorn,
- 3. Garde-Infanterie-Division General Litzmann, nachträglich
über Argenau herangezogen, später dem XXV. Reservekorps
zugeteilt.
Somit standen 5½ Armeekorps zum Stoß in die feindliche
Flanke zur Verfügung. An Reiterkorps befanden sich:
- Höherer Kavalleriekommandeur 1 General v. Richthofen (6. und 9.
Kavallerie-Division) nördlich Kolo,
- Höherer Kavalleriekommandeur 3 General v. Frommel (5. und 8.
Kavallerie-Division, sowie k. u. k. 7. Kavallerie-Division)
östlich Kalisz.
Die Armeeabteilung Woyrsch, die sich in den bisherigen Kämpfen in
Polen und Galizien so glänzend bewährt hatte, sollte, dem
Grundgedanken der Feldzugsanlage entsprechend, ursprünglich
ebenfalls in den Raum
Jarotschin - Thorn, also aus Südwestpolen, bedeutend
nach Norden gezogen werden, damit die 9. Armee auf die
höchstmögliche Stärke gebracht werden konnte. Durch
die dringende Bitte des Generals v. Conrad,
der eine nachhaltige
Stütze der k. u. k. Armee durch deutsche Truppen und
eine Verstärkung des
österreichisch-ungarischen Nordflügels für unbedingt
erforderlich hielt, wurde der Oberbefehlshaber Ost bewogen, die
Armeeabteilung Woyrsch dem k. u. k. Oberbefehl zu
unterstellen. Sie bestand aus: dem schlesischen Landwehrkorps, dem
Garde-Reservekorps ohne 3. Garde-Infanterie-Division, der 35.
Reserve-Division, der Landwehr-Division [478] Graf Bredow. Sie trat unter die
k. u. k. 1. Armee und wurde im Raum
Zarki - Czenstochowa - Wielun versammelt. Hinter ihr
wurde die k. u. k. 2. Armee
Boehm-Ermolli - 4. Infanterie- und 2½
Kavallerie-Divisionen stark - aus den Karpathen mittels Eisenbahn in
die Gegend von
Oppeln - Kreuzburg verschoben mit der Bestimmung,
daß sie nördlich der Armeeabteilung Woyrsch zur
Ausfüllung der Lücke zwischen dieser und der 9. Armee
eingesetzt werden sollte.
Der deutschen 9. Armee wurden weiterhin die Korps Breslau unter General
v. Menges und Posen unter General v. Koch unterstellt. Sie sammelten sich
bei und südlich Kalisz. Ihr Aufmarsch wurde durch das
Kavalleriekorps Frommel verschleiert.
Weiterhin wurden seitens der deutschen Obersten Heeresleitung vom
westlichen Kriegsschauplatz her folgende Truppen zur Verwendung bei der
9. Armee in Aussicht gestellt:
- II. Armeekorps General v. Linsingen (3. und 4.
Infanterie-Division) mit den Ausladestellen um Ostrowo,
- XIII. Armeekorps General v. Fabeck (25.
Reserve-Division und 26. Infanterie-Division),
- Generalkommando XXIV. Reservekorps General v. Gerok mit der 48.
Reserve-Division,
- III. Reservekorps General v. Beseler (5. und 6. Reserve-Division),
- Kavalleriekorps v. Hollen (2. und 4. Kavallerie-Division), das dem Korps
Zastrow zugeteilt wurde.
Die 47. Reserve-Division des XXIV. Reservekorps trat in den Verband der
k. u. k. 4. Armee, wo sie später in den Kämpfen bei
Krakau Großes geleistet hat. Von der deutschen 8. Armee wurde im
Verlauf der Kämpfe die 1.
Infanterie-Division herangezogen und der 9. Armee überwiesen. Der
großen Entfernungen wegen trafen diese Verstärkungen erst
allmählich ein und waren bei den Einbruchkämpfen noch nicht
verfügbar. Hierin lag eine große Schwierigkeit für die
Bemessung des Kräfteeinsatzes, der nur stückweise erfolgen
konnte. Wenn jemals die Worte des Feldmarschalls v. Moltke zutreffend
waren, daß die "Strategie ein System der Aushilfen" ist, so gelten diese
Worte in bezug auf den nunmehr beginnenden Feldzug.
"Die Mittel, die uns
bei Beginn der Operationen am 10. November zur Verfügung
standen", urteilt Ludendorff,10 "waren unvollkommen. Trotzdem
mußte versucht werden, die russischen Kräfte im
Weichsel-Bogen nicht nur durch einen entscheidenden Schlag zum
endgültigen Stehenbleiben und zum Verzicht auf die Fortsetzung des
Vormarsches zu bringen, sondern sie vernichtend zu treffen. Dies gelang,
wenn wir sie von Warschau abdrängten. Waren wir hierzu zu
schwach, so mußten wir uns mit dem geringen Ergebnis
begnügen. Auch dies war ein gewaltiges."
Das Abdrängen von [479] Warschau und die Vernichtung der
russischen Masse gelangen allerdings nicht, da trotz höchster
Anspannung die Kräfte zahlenmäßig hierzu nicht
ausreichten. Allein es glückte, die Russen so zu treffen, daß die
Wucht ihrer ferneren Kriegführung gelähmt war.
Die Kämpfe bei Wloclawek.
Während des Aufmarsches der deutschen 9. Armee griffen die Russen
am rechten
Weichsel-Ufer das Korps Zastrow bei
Mlawa - Przasnysz mit starken
Kräften - dem durch eine Kosaken-Division verstärkten I.
turkestanischen
Armeekorps - an und zwangen es zum Abzug auf deutschen Boden bei
Soldau - Neidenburg. Durch das Eintreffen des Kavalleriekorps
Hollen erhielt das Korps Zastrow wertvolle Unterstützung und konnte
sich halten, bis der Vormarsch der 9. Armee am linken
Weichsel-Ufer Entlastung brachte.
Die Brigade Westernhagen ging von Gollub über Lipno auf Plock vor
und band das russische VI. Armeekorps, bis sie im Zusammenhang mit dem
Korps Zastrow zurückgenommen werden mußte. Immerhin war
es gelungen, die Aufmerksamkeit der russischen 1. Armee vom linken
Weichsel-Ufer abzulenken.
Am Abend des 10. November stand (von rechts nach links) die 9. Armee mit
folgenden Marschzielen verwendungsbereit:
- XXV. und I. Reservekorps südlich Thorn auf
Wloclawek - Lowicz,
- Kavalleriekorps v. Richthofen, XX. Armeekorps und 3.
Garde-Infanterie-Division südlich Hohensalza auf Kutno,
- XVII. Armeekorps bei Gnesen auf Lenczyca,
- XI. Armeekorps bei Wreschen auf
Kolo - Dombie,
- Kavalleriekorps Frommel östlich Kalisz auf Lodz,
- Korps Posen bei Kalisz über Sieradz auf Lask.
Das Korps Breslau blieb einstweilen im Dienste des Grenzschutzes zur
Verbindung mit der herankommenden k. u. k. 2. Armee. Die
Armeeabteilung Woyrsch stand im Rahmen der k. u. k. 1. Armee
in der Verteidigung, denn die Russen hatten sich vor dieser Front selbst in
Vorbewegung gesetzt.
General v. Mackensen beabsichtigte, den Vormarsch auf Lodz durch den
überfallartig angesetzten Angriff gegen das recht arglos bei
Wloclawek stehende V. sibirische Armeekorps zu eröffnen und es in
seiner Vereinzelung zu schlagen. Hierzu sollten das I. und XXV. Reservekorps
in der Front auf Wloclawek, das XX. Armeekorps gegen die linke Flanke auf
Lubraniec, das Kavalleriekorps Richthofen gegen den Rücken des
Feindes auf Lubien vorgehen. Nach einleitenden Gefechten am 11. mit den
russischen Vorhuten kam es am 12. November bei Wloclawek zu heftigem
Kampf. Um die Mittagsstunde nahm die 36.
Reserve-Division Falborz und Wieniec mit den Übergängen
über den tiefen Bach Zglawionczka, während links neben ihr
die 49.
Reserve-Division Wloclawek stürmte, wobei der Divisionskommandeur
General v. Briesen fiel. Das V. sibirische [480] Korps hatte große Verluste erlitten,
u. a. allein 1200 Gefangene an die 49.
Reserve-Division. Aber es war der Umklammerung entwichen, da das XX.
Armeekorps und das Kavalleriekorps Richthofen, durch sehr schlechte Wege
und durch Geländeschwierigkeiten aufgehalten, nicht schnell genug
herankommen konnten. Rechts der Weichsel griffen die Brigade Gregory der
50.
Reserve-Division und die von der Thorner Hauptreserve abgezweigte
gemischte Brigade Wrochem bei Lipno das russische VI. Armeekorps an und
hielten es vom Eingreifen in den Kampf bei Wloclawek fern. Das geschlagene
V. sibirische Armeekorps wurde bei Gostynin vom VI. sibirischen Korps, das
bei Plock vom rechten auf das linke
Weichsel-Ufer übergegangen war, und durch das von Lenczyca
herbeigezogene II. Armeekorps aufgenommen.
Es war der russischen Heerführung immer noch nicht klar geworden,
welche große Gefahr ihrer Nordflanke drohte. Sie hatte für den
14. November einen allgemeinen Einbruch in Richtung auf
Jarotschin - Kattowitz, "Richtung auf Breslau",
angeordnet.
Am 13. November abends stand die deutsche 9. Armee in folgender
Aufstellung:
- Kavalleriekorps Frommel bei Turek,
- XI. Armeekorps beiderseits der Warthe bei Kolo,
- XVII. Armeekorps bei Klodawa,
- XX. Armeekorps und Kavalleriekorps Richthofen südlich
Kowal,
- I. Reservekorps bei und südöstlich Kowal,
- XXV. Reservekorps bei Wloclawek.
Die Russen hatten sich mit dem V. sibirischen und dem II. Armeekorps im
Raum zwischen der Weichsel oberhalb Wloclawek und dem Ner bei
Chelmno eingegraben. Das VI. sibirische Korps war über Plock nach
ihrem rechten, das XXIII. Armeekorps auf Dombie nach ihrem linken
Flügel in Anmarsch auf das Gefechtsfeld.
[461]
Skizze 15: Kämpfe bei Lodz - Lowicz
|
Am 14. November früh griff das XI. Armeekorps die feindliche
Stellung bei Chelmno an, indem es das Schwergewicht des Stoßes auf
den eigenen linken Flügel legte mit der Absicht, den Feind in die
Sümpfe des Ner östlich Dombie zu drängen. Die 83.
Infanterie-Brigade, insbesondere das Infanterie-Regiment 96, hatte einen harten
Stand, doch gelang es, am Abend die Russen bei Leszno und Gac auf die
Sümpfe des Ner zu werfen. Am rechten Flügel wurde nach sehr
erbittertem Ringen der wichtige
Ner-Übergang in der Nacht zum 15. gestürmt, wodurch das
Eingreifen russischer Verstärkungen vom Südufer des Ner her
abgeschnürt war. Hiermit war die rechte Flanke der 9. Armee gegen
russische Gegenstöße vorerst gesichert.
In der Mitte der Schlachtfront schritten rechts das XVII., links das XX.
Armeekorps zum Angriff. Ersteres nahm am Nachmittag die russische
[481] Stellung bei Chodow, das XX. Armeekorps
die Höhen bei Dombrowice, wobei sich
Infanterie-Regiment 147 rühmlichst hervortat.
Dagegen stießen das I. Reservekorps und die 6.
Kavallerie-Division bei Piotrow - Merjanka auf die stark
verschanzten Stellungen der Sibirier des V. Armeekorps, welche die 36.
Reserve-Division nicht zu nehmen vermochte, da von Plock her das VI.
sibirische Armeekorps zur Entlastung eintraf. Das deutsche XXV.
Armeekorps hatte von Wloclawek an der Weichsel aufwärts die
gemischte Abteilung Schmid (zwei Bataillone und eine Batterie) zur
Verfolgung der abziehenden Russen vorgehen lassen, die bei Duninow Nowy
auf Teile des VI. sibirischen Korps stieß. Rechts des Stromes warfen
die vereinigten Brigaden Wrochem (Hauptreserve Thorn) und Gregory
(XXV. Reservekorps) bei Lipno Angriffe des russischen VI. Armeekorps
zurück. General v. Dickhuth, der hierauf den Oberbefehl in dieser
Gegend übernahm, trieb den Feind bis nördlich Plock
zurück, ohne diese wichtige Brückenstelle selbst jetzt schon
erreichen zu können.
Am rechten Flügel der 9. Armee stand das Kavalleriekorps Frommel
dem Kavalleriekorps Nowikow bei Turek abwartend gegenüber.
Das Ergebnis der Kämpfe von Wloclawek vom 11. bis 14. November
läßt sich dahin zusammenfassen, daß es der 9. Armee zwar
nicht gelungen war, das vereinzelte V. sibirische Armeekorps durch
umfassenden Überfall zu vernichten, daß es aber geglückt
war, die schwache Stelle des Gegners zu finden und ihn zu zwingen, dorthin
alle Kräfte heranzuziehen, die in der übrigen Front
abkömmlich waren. So wurden die Russen aus dem Angriff in die
Abwehr gedrängt. Die erste und einleitende Aufgabe der 9. Armee war
bereits erreicht, die Hauptentscheidung stand noch bevor.
Die Schlacht bei Kutno.
In der Fortführung der ihr gestellten Aufgabe mußte die
deutsche 9. Armee ihre augenblickliche große Überlegenheit
ausnutzen und den geschlagenen Feind gegen die starken Abschnitte des Ner
und der Bzura werfen, ehe noch weitere Teile der russischen 2. Armee auf
dem Schlachtfeld erscheinen konnten. Hieraus ergab sich für die
deutsche 9. Armee für den 15. November der Entschluß, die auf
dem Nordufer des Ner und der Bzura stehenden Russen rücksichtslos
anzugreifen und vernichtend zu schlagen. Dem XI. und XX. Armeekorps
sowie dem XXV. Reservekorps wurde daher die Fortsetzung des frontalen
Angriffes befohlen. Das XVII. Armeekorps sollte durch die Gewinnung von
Lenczyca dem Feinde den Rückzug verlegen. Dem I. Reservekorps,
dem die Abteilung Schmid unterstellt blieb, fiel der Schutz der linken
Armeeflanke gegen Plock und die Sperrung des dortigen
Weichsel-Überganges zu.
Am linken Flügel der 9. Armee kämpfte das I. Reservekorps
erbittert bei Gostynin. Auf dem linken Flügel dieses Armeekorps nahm
die 36.
Reserve- [482] Division Piotrow, kämpfte aber
lange ohne Entscheidung um die Höhe von Patrowo. Die 1.
Reserve-Division schwenkte mit der Front nach Osten herum und
drängte den linken Flügel des VI. sibirischen Korps
zurück, das Gostynin räumte. Am 16. setzte das 1. Reservekorps
die Verfolgung beiderseits der Straße
Gostynin - Gombin fort. Es fand an diesem Tage bei
Rogozewo, am 17. bei Lonck heftigen Widerstand, wo das VI. sibirische
Korps sich im
Seen-, Wald- und Berggelände festsetzte und das Eingreifen des V.
sibirischen Armeekorps abwarten wollte, das bei Plock über die
Weichsel gesetzt wurde. Es griff gegen die 69.
Reserve-Brigade und gegen Abteilung Schmid in den Kampf ein; allein es
gelang den Deutschen, sich gegen alle Angriffe zu halten und am 18.
früh das hohe
Weichsel-Ufer gegenüber Plock zu erreichen. Das I. Reservekorps
machte in diesen Tagen 8000 Gefangene und nahm 11 Geschütze.
Rechts vom 1. Reservekorps wurde das XXV. Reservekorps über
Lubien auf Lanienta vorgezogen und nahm am Abend des 15. November die
Höhen bei diesem Ort. Der Versuch des Kavalleriekorps Richthofen,
über Kutno durchzubrechen, um im Rücken des Feindes dessen
Hauptquartier Skierniewice und Lodz zu erreichen, scheiterte am
Widerstand zurückgehaltener russischer Kräfte, doch machte
die 9.
Kavallerie-Division bei Sokolow 800 Gefangene. Inzwischen gelangte die 6.
Kavallerie-Division Graf Schmettow am 15. abends vor Kutno und nahm in
der Nacht diese Stadt, wobei 1200 Russen gefangen wurden, auch der
Zivilgouverneur von Warschau, General Baron Korff, in deutsche
Hände fiel.
Beim XX. Armeekorps nahm am 15. November die 41.
Infanterie-Division die festungsähnlich ausgebaute Stellung der Russen
bei Piorowawola an der
Thorn - Warschauer Bahnlinie, wobei es 5000 Mann zu
Gefangenen machte. Am folgenden Tage überschritt das Korps den
sumpfigen
Bzura-Abschnitt bei Kuchary - Ktery, konnte aber wegen
äußerster Überanstrengung die ihm gestellte Aufgabe
nicht mehr lösen, in Richtung auf Skorzow dem II. sibirischen
Armeekorps in den Rücken zu gehen, das bei Lenczyca mit dem XVII.
Armeekorps focht.
Das XVII. Armeekorps nahm am 15. nachmittags Lenczyca und hatte
hiermit nach schwerem Kampfe gegen das II. sibirische und halbe XXIII.
Armeekorps die sumpfige Front durchbrochen, die sich wie ein
Schutzgürtel nördlich von Lodz herumlegte.
Das XI. Armeekorps beschränkte sich auf die Behauptung des
Ner-Abschnittes bei Dombie gegen ungestüme Angriffe der anderen
Division des russischen XXIII. Armeekorps, die aus Gardetruppen
bestand.
Die Schlacht bei Kutno, unter welchem Namen man die Kämpfe am
15. und 16. November zusammenfaßt, hatte zur Durchbrechung der
russischen Abwehrfront bei
Gostynin - Kutno - Lenczyca geführt. Der
Mittelpunkt der russischen Nordwestfront Lodz lag noch 25 Kilometer vor
den Deutschen. Vier [483] starke russische Korps waren von
fünfeinhalb deutschen geschlagen worden und hatten dem Sieger
25 000 Gefangene, 20 Geschütze gelassen. Das wichtigste
Ergebnis war, daß der russische Vormarsch nach Westen hin zum
Stocken gebracht und zum Abwehrkampf umgeschlagen war, der schnell
nach rückwärts ging.
Die Schlacht bei Lodz.
Für den 17. November ordnete das Oberkommando der 9. Armee den
umfassenden Angriff auf Lodz an. Es sollten vorgehen:
- Kavalleriekorps Richthofen, östlich herumgreifend, gegen die
Straße
Pabianice - Tomaszow, um den Abschnitt der Miazga zu
sperren und hiermit die Verbindung mit Lodz von Osten her
abzuschneiden;
- XI. Armeekorps und XVII. Armeekorps gegen die Westfront von
Lodz;
- XX. Armeekorps und XXV. Armeekorps gegen die Nordfront von Lodz,
letzteres auf Brzeziny.
Das Kavalleriekorps Frommel sollte südlich Pabianice herumgreifen,
um die Verbindung zwischen Lodz und Piotrkow zu unterbinden. Dem I.
Reservekorps verblieb der Flankenschutz gegen Lowicz und die untere
Bzura.
Auf russischer Seite hatte man die drohende Gefahr, daß die Fronten
bei Lodz eingedrückt und die Massen von Warschau abgeschnitten
und nach Süden geworfen werden konnten, wohl erkannt. Daher
ordnete der Großfürst an, daß Lodz unter allen
Umständen zu behaupten sei, bis aus den dem k. u. k.
Heere gegenüber befindlichen russischen Armeen starke Kräfte
nach Lodz herangezogen würden, mit deren Hilfe der Gegenangriff zu
führen wäre. Gleichzeitig wurden von Warschau,
Nowogeorgiewsk und über die Weichsel unterhalb der letztgenannten
Festung erhebliche Streitkräfte in Bewegung gesetzt, um den deutschen
Ostflügel in Richtung auf Kutno anzugreifen.
Am 17. November erreichten unter leichten Gefechten gegen den weichenden
Feind das XI. Armeekorps den Abschnitt beiderseits des Ner bei
Poddembice, das XVII. die Gegend von Zgierz, nur noch 11 Kilometer
nördlich Lodz.
Das XX. Armeekorps gewann nach heftigen Kämpfen am 17. abends
die Gegend von
Biala - Strykow, das XXV. Reservekorps das Gelände
östlich Strykow. Die 3.
Garde-Infanterie-Division Litzmann traf, nachdem sie unter Tagesleistungen
von 50 Kilometern von Argenau herangekommen war, hinter dem XXV.
Reservekorps ein und wurde als Armeereserve bereitgestellt.
Das Kavalleriekorps Frommel ging westlich des XX. Armeekorps bis
nördlich Szadek vor und trat gegen das russische Reiterkorps
Nowikow in Gefechtsberührung. Hinter dem rechten Flügel des
Kavalleriekorps Frommel befand sich das Korps Posen im Marsch von Staw
auf Warta.
Die russische 2. Armee richtete sich in der Nacht zum 18. November in einer
befestigten Stellung ein, die mit Teilen des II., dem IV., dem II. sibirischen,
dem [484] XXIII. Armeekorps die Front
Brzeziny - südlich Zgierz -
Aleksandrowo - Pabianice umspannte. Von der 5. Armee war
das I. Armeekorps zur Unterstützung der 2. auf Lodz in
Anmarsch.
Am 18. November kämpfte das Kavalleriekorps Frommel bei Szadek
mit dem durch Infanterie verstärkten Kavalleriekorps Nowikow,
machte aber nur unwesentliche Fortschritte. Das XI. Armeekorps, dem die
36.
Infanterie-Division des XVII. Armeekorps unterstellt worden war, nahm
Lutomiersk und stand am Abend dicht vor der russischen Hauptstellung
Pabianice - Aleksandrowo.
Das XVII. Armeekorps, dem an Stelle der 36.
Infanterie-Division die 22. Infanterie-Division des XI. Armeekorps zugeteilt
war, führte sehr heftige und unentschiedene Kämpfe um den
Besitz von Zgierz, da die Sibirier mit starken Kräften durch die
Wälder westlich der Stadt vorstießen und die 35.
Infanterie-Division zur Zurücknahme des rechten Flügels
veranlaßten. Das Ringen um Zgierz dauerte während der ganzen
Nacht.
Das XX. Armeekorps drang unter Gefechten gegen das zur
Verstärkung des rechten russischen Flügels gerade eintreffende
I. Armeekorps bis zum 18. abends auf die Höhen von Nowosolna
vor.
Der XXV. Reserve-Division, bei der die 3.
Garde-Infanterie-Division eingetroffen war, ging die Weisung zu,
möglichst weit nach Süden zu gehen, um zusammen mit dem
Kavalleriekorps Richthofen die russische
Ost- und Südostfront, im weiteren Verlauf auch die Südfront
der Russen abzuschließen. Diese kühne Bewegung konnte
indessen zunächst noch nicht zur Durchführung kommen, weil
sich die Russen bei Brzeziny und Malczew mit äußerster
Erbitterung zur Wehr setzten.
Die Gesamtlage der deutschen 9. Armee am 18. November abends erschien
erfolgversprechend, denn es war zu hoffen, daß es ihr gelang, das um
Lodz stehende russische Heer völlig einzukreisen und restlos zu
vernichten. Zwar schlugen sich die Russen mit größerer
Widerstandskraft als in den Eingangskämpfen, doch hatten sie an
keiner Stelle dauernd Stand zu halten vermocht. Die deutschen Truppen
waren dagegen, obwohl durch fortwährende Kämpfe, schlechte
Unterkunft, regnerisches und kaltes Wetter sehr angestrengt, im
unaufhaltsamen, zum Teil sehr schnellen Vorgehen geblieben.
Der Befehl der deutschen 9. Armee zum 19. November bereitete die
große, allgemeine Umfassungsschlacht bei Lodz vor, die am 20.
November geschlagen werden sollte. Hierzu lauteten die grundlegenden
Weisungen:
|
XI. Armeekorps und XVII.
Armeekorps halten die Russen unmittelbar
westlich beziehungsweise nördlich Lodz durch Angriff fest; |
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Korps Breslau rückt auf
Sieradz, Korps Posen auf Szadek,
Kavalleriekorps Frommel auf Wadlew vor, um die Südwestfront von
Lodz abzuschließen; |
[485] |
XX. Armeekorps, XXV.
Armeekorps,
Kavalleriekorps Richthofen dringen, weit nach links ausholend, in die Linie
Widzew - Monkoszyn vor, schließen die Straße
Lodz - Piotrkow ab und vollenden hiermit die Einkreisung von
Süden her. |
Russischerseits schritt man unverweilt zu sehr kräftigen
Gegenmaßregeln:
- die 4. und 9. Armee griffen die k. u. k. 1. Armee und
Armeeabteilung Woyrsch an, um diese daran zu hindern, gegen die
Südfront von Lodz abzurücken und an der dort
bevorstehenden Entscheidungsschlacht teilzunehmen;
- die 2. Armee sollte Lodz halten und wurde durch die 5. Armee
verstärkt;
- die 1. Armee, durch Abgabe von der Narew- und
Niemen-Front, auch aus Ostpreußen unterstützt, sollte von der
Weichsel her den linken Flügel der deutschen 9. Armee angreifen.
Diese Maßnahmen waren ohne Zweifel großzügig gedacht
und hätten, bei schneller und erfolgreicher Ausführung durch
die Armeen, die Deutschen empfindlich treffen können, da die
Zahlenüberlegenheit bei weitem auf Seite der Russen war. Indessen
besaß das russische Heer nicht den inneren Wert, um den willen der
oberen Führung unbedingt auf die untergebenen Stellen zu
übertragen.
Die Schlacht am 19. November brachte auf dem deutschen rechten
Flügel zunächst einen recht empfindlichen Rückschlag.
Hier waren Korps Posen und Kavalleriekorps Frommel
südöstlich Szadek auf einen sehr heftigen Widerstand von
Teilen des russischen XIX. Armeekorps gestoßen, den sie nicht
bewältigen konnten. Daher konnte dieses russische Korps seine
Massen gegen die rechte Flanke der 38.
Infanterie-Division des deutschen XI. Armeekorps ansetzen, wodurch die 76.
Infanterie-Brigade zum Ausweichen nach Norden gezwungen wurde.
Infanterie-Regiment 95 erlitt schwere Verluste, sein Kommandeur, Oberst v.
Berg, fiel. Die 38.
Infanterie-Division wurde im Laufe der Nacht hinter den
Ner-Abschnitt bei Lutomiersk zurückgezogen, was ohne
Störung gelang. Links der 38.
Infanterie-Division machten die 36., 35., 22.
Infanterie-Division Fortschritte und umschlossen nördlich des Ner
Lodz auf der
West- und Nordfront.
Sehr ernste Kämpfe hatte das XX. Armeekorps bei Nowosolna
nordöstlich Lodz gegen einen immer mehr sich verstärkenden
Feind zu bestehen. Das Korps konnte seine Tagesziele nicht erreichen; auch
der durch die 72.
Infanterie-Brigade Schaer mit großem Schneid angesetzte Angriff gegen
die russische Ostflanke kam nicht vorwärts, wenngleich 2000 Russen
hier gefangen wurden.
Nicht minder schwierig wurde die Lage beim XXV. Reservekorps. Dieses
Korps setzte die 3.
Garde-Infanterie-Division auf den Übergang über die Miazga bei
Karpin, die 49. und 50.
Reserve-Division über Bendkow, die 6.
Kavallerie-Division auf Piotrkow an. Die Wege waren tief aufgeweicht,
[486] Schneegestöber und dichter Nebel
störten die Sicht, Fernsprechverbindungen versagten fast völlig.
Die 3.
Garde-Infanterie-Division wurde im Waldgelände nördlich
Karpin in der rechten Flanke überraschend angegriffen,
kämpfte sich aber mit der 6.
Garde-Infanterie-Brigade bis vor Karpin, mit der 5. bis vor Bedon durch,
ohne die von den Russen zähe verteidigten Übergänge
über die Miazga an Abend nehmen zu können. Die Masse des
XXV. Reservekorps erreichte fast kampflos die Gegend von
Bendkow - Kruszow.
Vom Kavalleriekorps Richthofen war nur die 6.
Kavallerie-Division zur Hand, die 9., zur Herstellung der Verbindung mit
dem I. Reservekorps bestimmt, noch weit zurück. Der nochmalige
Versuch, das Hauptquartier des Großfürsten im Schloß zu
Skierniewice aufzuheben, gelang nicht, da von mehreren Seiten starke
russische Kräfte herbeieilten und die 6.
Kavallerie-Division zur Umkehr zwangen, nachdem sie im Raum von
Skierniewice Eisenbahnzerstörungen vorgenommen hatte.
Es wurde schon jetzt klar, daß ein weiteres Vordringen des
verstärkten deutschen XXV. Reservekorps sehr große,
wahrscheinlich entscheidende Erfolge haben werde, daß aber die
Gefahr drohte, von starken Kräften aus südlicher Richtung
umfaßt zu werden.
Dadurch, daß die Masse der deutschen Armee sich zur Entscheidung
um Lodz auf engem Raume zusammenschob, während das I.
Reservekorps die Flanke gegen die Weichsel hin deckte, entstand zwischen
den beiden Gruppen eine fast 60 Kilometer breite Lücke. Sie wurde
anfangs durch die 9.
Kavallerie-Division, später nur noch durch
Dragoner-Regiment 19 geschlossen, eine Notlage, die im Hinblick auf die
Kühnheit des ganzen Unternehmens in Kauf genommen werden
mußte. Am 17. November morgens stand das I. Reservekorps in der
Linie
Koscielny - Smolenta - Lonck - Gory
(gegenüber Plock), dem V. und VI. sibirischen und dem VI.
Armeekorps gegenüber. In der Mitte dieser Front nahm
Reserve-Infanterie-Regiment 1 bei Smolenka eine stark verschanzte
russische Stellung und machte allein 1000 Gefangene. Im übrigen
wogte der Kampf entscheidungslos, namentlich an den Seen von Lonck, hin
und her; doch gelang es dem I. Reservekorps, eine sehr erhebliche russische
Überlegenheit zu fesseln und am Eingreifen bei Lodz zu hindern,
womit die Aufgabe des Korps bestens erfüllt war.
Das Generalkommando des I. Reservekorps wollte den Gegner in der Front
binden und auf beiden Flanken umfassen. Auf dem Südflügel
wurde hierzu die gemischte Abteilung Steuber (I. Bataillon
Infanterie-Regiments 148, II. Bataillon
Reserve-Infanterie-Regiments 3, 1 Batterie) von Gostynin entsandt, um
über Borowy gegen den Rücken des Feindes zu wirken. Die
kleine Truppe wurde von fünffacher Überlegenheit umstellt
und geriet in sehr schwierige Lage, bis sie durch das Eingreifen der
Kavallerie-Brigade Berner, durch das Feuer einer
10-cm-Batterie auf weiteste Entfernung, sowie durch das Vorgehen des
[487] linken Flügels der 1.
Reserve-Division - der 1. Reserve-Brigade Barre - entlastet
wurde. Diese Brigade ging östlich um das Seengelände bei
Lonck herum und griff die Russen vom Rücken aus an, worauf der
Gegner auf Gombin abzog. Die linke Division des I. Reservekorps, die 36.
Reserve-Division, griff weit östlich aus, doch waren die Entfernungen
zu groß und die Wege zu schlecht, als daß es der am weitesten
ostwärts befindlichen 69.
Reserve-Brigade, die weichselaufwärts vorging, noch gelingen konnte,
die Russen östlich Gombin abzuschneiden, wie es das
Generalkommando hoffte. Am 19. November stand die Division, bei der sich
noch immer die gemischte Abteilung Schmid des XXV. Reservekorps befand,
bei
Luszyn - Osmolin - Sanniki. In letzterem Orte wurde
die Abteilung Schmid in der Nacht zum 20. November von großer
russischer Überlegenheit überfallen und westwärts
zurückgedrängt. Die 36.
Reserve-Division nahm hierauf auf den Höhen westlich Osmolin eine
befestigte Stellung ein, während die 1.
Reserve-Division links von ihr eingesetzt wurde, um den immer deutlicher
hervortretenden Versuchen der Russen zu begegnen, den linken Flügel
der 9. Armee von der Weichsel her umfassend anzugreifen. Um diese Zeit
standen dem I. Reservekorps nicht weniger als vier russische Korps
gegenüber (II. und VI. Armeekorps, V. und VI. sibirisches
Armeekorps). Am 19. besetzte das Korps Dickhuth, das von Thorn her
über Lipno herangekommen war, Plock am rechten
Weichsel-Ufer. Die Russen hatten die dortige
Weichsel-Brücke verbrannt und zogen sich mit den Truppen auf dem
rechten Stromufer in das Vorgelände der Festung Nowogeorgiewsk
zurück.
Die Entscheidung am 20. November wurde von dem Oberkommando der 9.
Armee beim XX. Armeekorps und XXV. Reservekorps, also auf der
Ost- und Nordostfront von Lodz gesucht, denn diese beiden Korps
mußten ihre Gegner überwältigt haben, bevor das
Eingreifen der russischen 5. Armee wirksam werden konnte. Aufgabe des XI.
und XVII. Armeekorps war es, inzwischen den Gegner nördlich und
westlich Lodz zu binden.
Am 20. November sollten auf dem Westflügel der deutschen 9. Armee
Korps Posen, Kavalleriekorps Frommel, Brigade Schmiedecke des Korps
Breslau die Russen angreifen, welche tags zuvor die 38.
Infanterie-Division zum Rückmarsch hinter den Ner veranlaßt
hatten. Allein die durch die vorangegangenen Märsche und
Kämpfe stark beanspruchten Kräfte der Besatzungstruppen des
Korps Posen reichten zur Durchführung weitgehender und besonders
schwieriger Angriffsaufgaben nicht aus. Immerhin gelang es den beteiligten
Truppen, ihre Aufgabe im großen und ganzen zu lösen. Brigade
Schmiedecke und die k. u. k. 7.
Kavallerie-Division banden das Reiterkorps Nowikow bei Zdunska Wola.
Vom Korps Posen stieß Brigade Doussin erfolgreich bei Wilamow vor,
während die 5. und 8.
Kavallerie-Division nördlich davon im Gefecht zu Fuß einen
starken russischen Vormarsch bei Magnusy zurückwarfen.
[488] Gegen die 38. Infanterie-Division
beschränkten sich die Russen bei Lutomiersk auf
Geschützfeuer. Dagegen griffen sie am Abend die 36.
Infanterie-Division bei Niesiencin mit großem Ungestüm an,
wurden aber von der 71.
Infanterie-Brigade (den Infanterie-Regimentern 5 und 128) im Nahkampf unter
sehr schweren Verlusten geworfen. Nördlich Lodz wehrten die 35. und
22.
Infanterie-Division bei Zgierz und Rogi russische Durchbruchsversuche ab
und warfen den Feind, der an einzelnen Stellen der deutschen Front
eingedrungen war, im Gegenangriff zurück.
Das XX. Armeekorps focht mit der 37. Infanterie-Division und der halben 41.
Infanterie-Division an der oberen Miazga gegen starke russische Kräfte,
die erfolglose Angriffe ansetzten. Im Rücken wurde das Korps durch
eine russische
Streifkolonne - Schützen-Brigade, Kosaken,
Artillerie - beunruhigt, die von Lowicz kam und über Glowno
die Verbindungen des XX. Armeekorps belästigte, da das zur
Beobachtung der zwischen dem XX. Armeekorps und I. Reservekorps
klaffenden Frontlücke bestimmte
Dragoner-Regiment 19 infolge seiner schwachen Feuerkraft ernste
Störungsversuche der Russen nicht verhindern konnte. Daher
mußte das XX. Armeekorps mehrere Bataillone und Batterien nach
Strykow in Marsch setzen, um die Dragoner aufzunehmen und den Feind
hinter die Mroga zu drängen. Der eigenartige Vorgang bewies, wie
lose die Gesamtfront der Deutschen war, und welchen Zufallswirkungen sie
sich ausgesetzt sah.
Die Russen hatten das westliche Ufer der Miazga mit größter
Sorgfalt befestigt und setzten bei Bedon der 72.
Infanterie-Brigade (XX. Armeekorps) und der 6.
Garde-Infanterie-Brigade (3. Garde-Infanterie-Division) den heftigsten
Widerstand entgegen. Trotzdem nahm das
Lehr-Infanterie-Regiment unter Oberst v. Humboldt am 20. den
Übergang, während rechts daneben die
Garde-Füsiliere in die russische Stellung eindrangen. Am Nachmittag
gingen auch die 5.
Garde-Infanterie-Brigade und die 9. Kavallerie-Division weiter unterhalb auf
das westliche
Miazga-Ufer vor. Allerdings konnte diese Division, die zusammen mit dem
ihr zugeteilten II. Bataillon
Infanterie-Regiments 54 im Gefecht zu Fuß focht, die stark befestigten
russischen Waldstellungen bei Feliksin nicht stürmen.
Sehr große Erfolge hatte an diesem Tage das XXV. Reservekorps.
General v. Scheffer beließ zum
Flanken- und Rückenschutz die 50.
Reserve-Division, die nur sieben schwache Bataillone
zählte - da sich die andere Brigade (Gregory) am rechten
Weichsel-Ufer befand - und die ebenfalls sehr schwache 6.
Kavallerie-Division an der Straße nach Piotrkow und ging mit der 49.
Reserve-Division in mehreren Kolonnen durch den Wald von Tuszyn auf
Rzgow vor, das südlich von Lodz am Ner liegt. Gelang es der 5.
Garde-Infanterie-Brigade und der 49. Reserve-Division, den Feind bei Rzgow
zu werfen und von Süden her auf Lodz vorzudringen, so war die
Einschließung der Russen
vollendet - vorausgesetzt, daß von Westen her der rechte
Flügel der 9. Armee (XI. Armeekorps, [489] Kavalleriekorps Frommel, Korps Posen) die
Gegend von Pabianice erreichte und hier dem XXV. Reservekorps die Hand
bot. Leider ließ sich diese vom Oberkommando der 9. Armee so
heiß erstrebte Verbindung nicht herstellen, da die Russen immer neue
Kräfte zur Ausfüllung des Kampfraumes südlich Lodz aus
der 5. Armee heranholten, auch das waldige Gelände dem Vorgehen
der beiden deutschen Flügelgruppen erhebliche Schwierigkeiten
bereitete. Gleichwohl hoffte General v. Scheffer, die ihm gestellte schwere
Aufgabe lösen zu können, bevor die von Piotrkow her drohende
Gefahr dringend wurde. Von dort her waren offenbar starke russische
Kräfte gegen den Rücken des XXV. Reservekorps im Vormarsch.
Die 6.
Kavallerie-Division mußte vor ihnen am 20. November bis Bendkow
ausweichen. Die Lage gestaltete sich für das kühne, in seinem
Tatendrang unerschütterliche XXV. Reservekorps immer
bedenklicher, um so mehr, als Schnee und Glatteis die
rückwärtigen Verbindungen zu erschweren begannen.
Auch beim I. Reservekorps wurde die Lage schwierig. Die 36.
Reserve-Division wies am 20. November auf den Höhen westlich
Kiernozia - Osmolin russische Vorstöße ab,
während die 1.
Reserve-Division bei Sanniki - Slubice links neben der 36.
Reserve-Division langsam gegen die Weichsel vordrang. Das Oberkommando
der 9. Armee beabsichtigte, das I. Reservekorps über Lowicz gegen Lodz
heranzuziehen, um den östlich Lodz hart ringenden deutschen
Ostflügel zu verstärken. Allein die 36.
Reserve-Division fand bei Kiernozia so heftigen Widerstand, daß sie
erst nach hartem Kampf und mit Hilfe des Eingreifens der 1.
Reserve-Division die Russen werfen und auf Lowicz herumschwenken
konnte. Indessen standen die Russen hinter der Bzura bei Lowicz in stark
ausgebauten Stellungen und brachten das Vorgehen des I. Reservekorps vor
Lowicz zum Halten. Die Stellung erwies sich ohne weitgehende
Vorbereitungen als uneinnehmbar. Überdies drohten von
Nowogeorgiewsk her neue russische Flankenangriffe. Daher ordnete das
Oberkommando der 9. Armee an, daß Korps Dickhuth die halbe 50.
Reserve-Brigade Gregory bei Plock über die Weichsel gehen lassen
sollte, um unter den Befehl des I. Reservekorps zu treten. Der Stoß des
Korps Dickhuth sollte auf Lowicz folgen, sobald der Brückenschlag
bei Plock vollendet war, der sich wegen des Eisganges auf der Weichsel
verzögerte.
Am 21. November setzte sich die Schlacht auf der ganzen Front fort. General
v. Mackensen gab die Absicht nicht auf, die eingeleitete Einkreisung und
Vernichtung des Gegners bei Lodz unter allen Umständen zu
vollenden.
Auf dem äußersten Westflügel des deutschen
Einschließungsringes erreichte eine verstärkte Brigade des
Korps Breslau Widawa und trat mit den am rechten Ufer der Widawka
stehenden Russen in Kampf. Weiter nördlich focht die Brigade
Schmiedecke des Korps Breslau unentschieden bei Zdunska Wola, hielt aber
die ihr gegenüber befindlichen Russen fest. Links daneben sollten
Korps Posen und Kavalleriekorps Frommel auf Lask, noch mehr links die 38.
Infanterie-Division [490] auf Pabianice vorstoßen, um die
Russen am Abmarsch nach Osten zu hindern und die Verbindung mit dem
XXV. Reservekorps zu gewinnen. Die genannten Verbände konnten
ihre Aufgabe nicht lösen, da die Russen in sehr festen Stellungen mit
großer Überlegenheit Widerstand leisteten.
Das XVII. und XX. Armeekorps hatten nördlich Lodz drei russische
Korps (II. sibirisches, IV. und I.) in vortrefflich angelegten Stellungen vor
sich. So sehr es auch erwünscht war, durch scharfes Zufassen diese
russischen Kräfte zu binden und daran zu hindern, sich gegen die ihnen
durch das XXV. Reservekorps drohende Umklammerung in der Ostflanke
und im Rücken zu wenden, so wenig gelang es den beiden deutschen
Korps, vorwärts zu kommen, da sich der Gegner mit höchster
Zähigkeit schlug. Namentlich hatte die halbe 41.
Infanterie-Division (Brigade Schaer) im Walde von Wlonczyn am Bruchpunkt
der deutschen
Nord- und Ostfront einen harten Kampf zu bestehen, in dem sie keine
wesentlichen Fortschritte machte.
Inzwischen wurde die seit einiger Zeit drohende Umklammerung des
deutschen Ostflügels zwischen der Miazga und dem oberen Ner immer
mehr fühlbar. Die russische Heeresleitung hatte erkannt, daß es
sich bei Lodz, wo sechs Armeekorps (XIX., I. sibirisches, XXIII., II.
sibirisches, IV., I.) und Kavalleriekorps Nowikow nahezu eingeschlossen
waren, um Sein oder Nichtsein handelte. Daher setzte sie von verschiedenen
Seiten her bedeutende Verstärkungen in Marsch, um den deutschen
Ring zu sprengen. Das Oberkommando der deutschen 9. Armee rechnete
noch immer damit, daß sich das I. Reservekorps bei Lowicz seines
Gegners entledigen und, durch Teile des Korps Dickhuth verstärkt,
auf Lodz marschieren
könnte - eine Annahme, die sich als undurchführbar
erwies, da das I. Reservekorps in der Gegend von Lowicz selbst vielfach
überlegenen Kräften sich gegenüber sah und den dort
stehenden Feind nicht zu fesseln vermochte. Die Russen setzten vielmehr sehr
starke Kräfte von Lowicz auf Lodz gegen den Rücken des XX.
Armeekorps und XXV. Reservekorps in Bewegung. Andere Kräfte
gingen von Piotrkow auf Lodz
vor - kurzum, die Russen schritten von außen her zum
Gegenangriff, also zum "Entsatz" von Lodz.
Das deutsche XX. Armeekorps hoffte am Mittag des 21. November mit dem
vor ihm stehenden Feinde fertig zu werden und nach Süden hin
durchzubrechen. Während dieser Angriff langsam fortschritt, wurde
kurz nach Einbruch der Dunkelheit das XX. Armeekorps von Lowicz her
über Glowno im Rücken angegriffen. Die verstärkte
Brigade Reiser trat diesem russischen Angriff bei Strykow entgegen und hielt
ihn auf. Allein die rückwärtigen Verbindungen des XXV.
Reservekorps und des 1. Kavalleriekorps waren bereits jetzt
durchschnitten.
Mit außerordentlichem Schneid griff der Nordflügel
des verstärkten XXV. Reservekorps in Richtung auf Lodz an. Am rechten
Flügel von der Brigade Schaer der 41.
Infanterie-Division gedeckt, ging die 3.
Garde-In- [491] fanterie-Division mit der 6.
Garde-Infanterie-Brigade auf Olchow, mit der 5.
Garde-Infanterie-Brigade auf
Julianow - Dombrowa vor, zwischen beiden Brigaden Teile der
9. Kavallerie-Division. Die Russen wichen überall; schon hatten sich die
tapferen Gardetruppen der Stadt Lodz auf 2000 Meter genähert,
schon hatte die schwere Artillerie der 3.
Garde-Infanterie-Division das Feuer gegen das Stadtinnere aufgenommen. Da
setzten mit einem Male scharfe russische Gegenstöße an, vor
denen die 3.
Garde-Infanterie-Division mit den ihr zugeteilten Verbänden nach
Einbruch der Dunkelheit in der Linie
Andrespol - Wiskitno - Gorki Stare, unter
Zurücknahme der 5.
Garde-Infanterie-Brigade bis an letztgenannten Ort, sich festlegen
mußte. Man gewann hier deutscherseits den Eindruck, daß die
Russen zum allgemeinen Gegenstoß schreiten würden, ermutigt
durch die von mehreren Seiten herankommenden Entsatztruppen.
Auf der Westfront der Kampflinie des verstärkten XXV. Reservekorps
gliederte sich die 49.
Reserve-Division in zwei Kolonnen: links die Südgruppe unter Oberst
Credner, welcher der Schutz bei Rzgow gegen Pabianice hin zufiel, rechts die
Nordgruppe unter Oberst v. Kamptz, der über Starowa Gora auf
Lodz vorgehen sollte. Die letztgenannte Kolonne, nur drei sehr schwache
Bataillone des
Reserve-Regiments 225 und vier Batterien stark, stieß bei Starowa
Gora auf weit überlegene russische Kräfte, die zum
Gegenstoß schritten und nach Einbruch der Dunkelheit die 9. Batterie
Reserve-Feldartillerie-Regiments 49 nahmen. Im Laufe der Nacht wurde die
Batterie von der 5. Kompagnie
Reserve-Infanterie-Regiments 228 zurückerobert, die von der
Südgruppe der 49.
Reserve-Division her eingriff.
Die Südgruppe der 49. Reserve-Division hielt sich auf den
Windmühlenhöhen westlich Rzgow bis in die Nacht hinein
gegen erbitterte russische Vorstöße beiderseits der Straße
von Pabianice, bis die 50.
Reserve-Division zur Unterstützung eintraf und die durch schwere
Verluste erschöpfte 49.
Reserve-Division stützte. Teile der 50.
Reserve-Division hielten bei Modlica und Ruda Verbindung mit der 6.
Kavallerie-Division und deckten die Südfront des XXV. Reservekorps
gegen russische Vorstöße, während die 6.
Kavallerie-Division in breiter Front die Straße von Piotrkow
abschloß.
In Brzeziny befanden sich am 21. November mittags zur Deckung der
rückwärtigen Verbindungen des XXV. Reservekorps und des 1.
Kavalleriekorps nur drei schwache deutsche Schwadronen. Starke russische
Kräfte schritten am Nachmittag, von Skierniewice kommend, zum
Angriff, der somit genau in den Rücken des XXV. Reservekorps
führte. In Brzeziny lag das mit 700 Verwundeten besetzte Feldlazarett
Nr. 4 der 3.
Garde-Infanterie-Division, während die Gefechtsstaffel der
Munitionskolonnen und Trains des XXV. Reservekorps gerade durch den Ort
fuhr. Dem entschlossenen Eingreifen des Leutnants v. Wißmann, 5.
Garde-Regiments, der im Lazarett 4 verwundet lag, gelang es, einige Gruppen
zusammenzuraffen und den Feind aus dem Ort zu werfen, wobei er noch
[492] 2 Offiziere und 80 Mann zu Gefangenen
machte. Das Lazarett und die Gefechtsstaffel waren gerettet. Das
Feldlazarett 9 fiel bei Karpin in die Hände der Russen.
Die Lage des XXV. Reservekorps, der 3.
Garde-Infanterie-Division und des Kavalleriekorps Richthofen war in der
Nacht zum 22. eine sehr bedenkliche geworden. Zwar hatten sich die
Deutschen der russischen Angriffe erwehrt, allein feindliche Massen
drängten von vier Seiten heran, um die deutschen Truppen
einzukesseln, die nach allen Himmelsrichtungen Front machen mußten.
Von Lowicz gingen die russische 43.
Infanterie-Division, von Skierniewice das Kavalleriekorps Charpentier, von
Pabianice das Kavalleriekorps Nowikow, von Piotrkow weitere Kräfte
zur Einkesselung der Deutschen vor. Dieser Gefahr gegenüber hielt das
Oberkommando der deutschen 9. Armee mit Überzeugung an dem
Gedanken fest, die Russen bei Lodz doch noch zu fassen, um so mehr, als es
glaubte, daß der Feind dort nur Nachhuten stehen habe,
während die Masse bereits im Abzuge nach Süden war. In
Wirklichkeit lagen die Dinge anders: die Russen standen mit voller Kraft bei
Lodz und rechneten darauf, eine völligen Umschwung zu ihren
Gunsten herbeizuführen.
Am 22. November verschob sich auf der Westfront der deutschen Kampflinie
die Lage nicht. Wennschon die Korps Breslau und Posen sowie
Kavalleriekorps Frommel einzelne Fortschritte machten, so konnten sie doch
nicht bis auf die Höhe von Lask vordringen, denn die Russen hielten
sich durch erfolgreiche Gegenstöße das Gelände
südlich Lodz offen. Eine Entlastung des deutschen XXV. Reservekorps
war aus dieser Richtung nicht mehr zu erwarten.
Auch die 38. Infanterie-Division am Ner kam nicht vorwärts. Das XVII.
Armeekorps lag nördlich Lodz fest und konnte keinen Boden
gewinnen, da es erhebliche Kräfte zur Rückendeckung
abzweigen mußte.
Für das deutsche XX. Armeekorps sah der Armeebefehl zum 22.
November vor: "Das XX. Armeekorps und die 3.
Garde-Infanterie-Division haben in rücksichtsloser Offensive den
östlich Lodz stehenden Feind zu vernichten." Dem XXV. Reservekorps
fiel die Aufgabe zu, über Rzgow nach Westen hin vorzustoßen
und den Abmarsch der Russen nach Süden hin abzuschneiden. Diese
Aufgaben, deren Stellung vom eisernen Willen des Oberkommandierenden
zeugte, waren unter den gegebenen Verhältnissen nicht mehr
lösbar, denn die 3.
Garde-Infanterie-Division war gefesselt, das XX. Armeekorps selbst im
Rücken und in linker Flanke bedroht. Brzeziny war am
Frühmorgen des 22. November starken russischen Kräften in die
Hände gefallen, die auf der Straße von Skierniewice heranzogen.
Die Russen gingen genau in die linke Flanke des XX. Armeekorps auf der
Straße
Brzeziny - Nowosolna - Lodz, mit einer anderen
Kolonne über Adamow auf Bedon in den Rücken der Brigade
Schaer und des rechten Flügels der 3.
Garde-Infanterie-Division vor.
Ebenso bekämpften weitere russische Kräfte die gegen Lowicz
bei Strykow [493] deckende Brigade Reiser und drohten
zwischen dieser und dem linken Flügel des XX. Armeekorps
durchzubrechen. Um diesen Gefahren zu entgehen, sah sich das
Generalkommando des XX. Armeekorps gezwungen, nicht allein den vom
Armeeoberkommando befohlenen Angriff nach Süden aufzugeben,
sondern auch Nowosolna zu räumen und in die Front
Moskule - Dobra zurückzuschwenken. Hiermit war eine
geschlossene Abwehrlinie des XX. Armeekorps erreicht, die
Rückenbedrohung dieses und des XVII. Armeekorps beseitigt,
anderseits aber die Verbindung mit Brigade Schaer und der 3.
Garde-Infanterie-Division zerrissen. Die Loslösung vom Feinde geschah
nach Einbruch der Nacht in bester Ordnung und ohne Verluste.
Sehr gefährlich wurde durch diese Vorgänge aber die Lage der
vereinzelt bei Podwionczyn stehenden Brigade Schaer. Die 2. Eskadron
Dragoner-Regiments 10, die den Rücken der Brigade auf der
Straße nach Brzeziny sicherte, mußte bereits am Morgen des 22.
November auf Adamow ausweichen. General Schaer zog alle
verfügbaren Teile der 72.
Infanterie-Brigade aus der Front, um sie bei Adamow einzusetzen: 3
Kompagnien
Infanterie-Regiments 59, Maschinengewehr-Kompagnie 18, 3 Batterien
Feldartillerie-Regiments 79. Die sibirischen Bataillone stürmten mit
rühmenswerter Tapferkeit in geschlossener Masse bis auf 50 Meter
dreimal an die deutsche Linie heran, die durch Artillerie und
Maschinengewehre mit dazwischen eingeschobenen Schützen gebildet
wurde. Die Munition drohte auszugehen. Bei Einbruch der Dunkelheit traf
der Befehl des Generals Litzmann ein, daß er die Leitung auf diesem
Teil des Gefechtsfeldes übernommen habe, und daß Brigade
Schaer zur 3.
Garde-Infanterie-Division auf Wola Rakowa zurückgehen sollte. Der
Abmarsch vollzog sich bei Nebel und Schneegestöber ungestört.
Die Brigade hatte sich durch ihre Standhaftigkeit, aber auch durch das
Eingreifen des Generals Litzmann einer großen Gefahr entzogen.
Bei der 3. Garde-Infanterie-Division erstürmte die 6.
Garde-Infanterie-Brigade Friedeburg - rechts
Lehr-Infanterie-Regiment, links Garde-Füsiliere - Feliksin und
machte 1600 Gefangene, konnte aber wegen großer eigener Verluste
und völliger Erschöpfung der Kräfte das stark befestigte
Vorwerk Boleslawow nicht mehr nehmen. Die Regimenter waren fast ohne
Offiziere und nur noch je zwei Bataillone, zusammen sechs schwache
Kompagnien stark. Rechts kämpfte Brigade Schaer einen
verzweifelten Kampf nach Front und Rücken, links mußten die
Schützen der 9.
Kavallerie-Division aus der Gefechtslinie gezogen werden, um den
Rückenschutz gegen Brzeziny zu übernehmen.
Die 5. Garde-Infanterie-Brigade Below rang während dieser Zeit um
Olochow und konnte sich am Abend im größten Teil des
langgedehnten Dorfes behaupten.
Bei Rzgow nahmen die Russen bei Tagesanbruch des 22. November die
Angriffe aus westlicher und südlicher Richtung wieder auf, um die
1½ schwachen [494] Divisionen des XXV. Reservekorps durch
frontalen und umfassenden Stoß zu Fall zu bringen. Zwar hielten sich
die braven Truppen; allein die Russen führten immer neue
Kräfte heran und setzten namentlich eine überwältigende
Artillerie ein, so daß am Abend die Flügel zurückgebogen
werden mußten. Die nach Süden hin vorgeschobenen Teile der
50.
Reserve-Division und die 6. Kavallerie-Division mußten vom Feinde
abgesetzt werden: die Einkreisung durch die russischen Massen schien
unausbleiblich. General v. Scheffer stand vor einem überaus schweren
Entschluß. Der Verbleib in der nun einmal geschaffenen Lage war
aussichtslos, denn bereits nach kurzer Zeit mußten Munition und
Verpflegung ausgehen. Da der Durchbruch nach Westen in Richtung auf
Pabianice - Lask angesichts der dort gehäuften
russischen Massen unmöglich war, blieb nur der Versuch zu
erwägen, nach Norden oder nach Westen durchzubrechen, um die
Verbindung mit dem XX. Armeekorps wiederherzustellen. Da noch
Funkenverbindung zwischen dem Oberkommando der 9. Armee und dem
Generalkommando des XXV. Reservekorps bestand, gelangte am 22.
November abends folgender Armeebefehl an letzteres: "Neuer Feind greift
XX. Armeekorps über
Brzeziny - Strykow an. XXV. Reservekorps löst sich bei
Dunkelheit vom Feinde und rückt hinter
Miazga-Abschnitt. Morgen Angriff Brzeziny zur Entlastung XX.
Armeekorps und Wiedergewinnung eigener rückwärtiger
Verbindungen. 3.
Garde-Infanterie-Division mit Teilen 41. Infanterie-Division (Brigade Schaer)
deckt Abzug. Höherer Kavalleriekommandeur 1 (Richthofen) ist
freizumachen und rückt in Gegend Bendkow zur völligen
Unterbrechung russischer Zufuhr über
Piotrkow - Wolborz."
Hiermit war die Durchbruchsrichtung nach Nordosten auf Brzeziny
gewiesen. Die Hauptrichtung ging auf die Straße
Brojce - Karpin, die bereits von Süden her unter
feindlichem Artilleriefeuer lag. Der Ring um das XXV. Reservekorps und die
ihm zugeteilten Verbände war geschlossen: es galt, ihn zu sprengen
und sich den Weg mitten durch die Russen zu bahnen. Es kam vor allem auf
den sicheren Besitz der
Miazga-Brücken bei Bedon, Bukowiec, Karpin
an - die letzte war der entscheidende Übergang. Hier standen
als Brückenschutz 8. Kompagnie
Garde-Füsilier-Regiment und 1. Eskadron
Husaren-Regiment 13. Sehr schwierig war die Frage, wie die
Gefechtsbagagen, die Verwundeten, Munitionskolonnen und Trains des
XXV. Reservekorps, der 3.
Garde-Infanterie-Division, des Kavalleriekorps Richthofen, die
Gefangenen - ein mächtiger Troß von Fahrzeugen und
Belastungen aller
Art - rechtzeitig über die Mazga abgeschoben werden
sollten.
General v. Scheffer befahl für die Nacht zum 23. November:
"1. |
50. Reserve-Division geht 9 Uhr abends über Karpin auf
Laznowska Wola, wirft die bei Dalkow stehende russische Reiterei und deckt
den Übergang des übrigen Armeekorps; |
[495] 2. |
49. Reserve-Division marschiert 10 Uhr
abends auf Straße
Rzgow - Karpin - Brzeziny ab unter möglichster
Benutzung der Brücke 2000 Meter oberhalb Karpin durch Infanterie
und Artillerie; |
3. |
3. Garde-Infanterie-Division mit Brigade Schaer tritt nicht vor Mitternacht
an, legt Flankensicherung südlich Bedon vor, marschiert über
Bukowiec und sperrt die Übergänge von Bedon bis Karpin; |
4. |
Kavalleriekorps Richthofen deckt mit 6. Kavallerie-Division nach Westen
und Süden, während 9.
Kavallerie-Division nach Osten und Norden hin aufklärt." |
Der Rückmarsch erschien somit gleichsam als die Bewegung einer
zum Viereck geschlossenen Masse der dem General v. Scheffer unterstellten
Truppen - eine Aufgabe, welche an die Führung höchste
Ansprüche in bezug auf Überlegung und Entschlossenheit, an
die Truppen und Trains auf Ruhe und Ausdauer stellte.
Die Lage beim I. Reservekorps war sehr schwierig geworden. Nach den
verlustreichen Kämpfen bei Kiernozia lag es am 22. November vor
Lowicz fest und war völlig außerstande, Kräfte zur
Unterstützung der um Lodz ringenden Truppen freizumachen.
Am 23. November stieß auf dem Westflügel der deutschen 9.
Armee das Kavalleriekorps Frommel mit den ihm zugeteilten
Verbänden der Korps Breslau und Posen auf starke Kräfte und
war nicht imstande, Boden zu gewinnen. Ebenso mißlangen die
Versuche des XI. Armeekorps, namentlich der 38.
Infanterie-Division, über den Ner nach Süden vorwärts zu
kommen. Zeitweise über diesen Abschnitt vordringende Teile
mußten vor Stößen überlegener russischer
Kräfte wieder über den Bach zurückgenommen
werden.
Beim XVII. und XX. Armeekorps gelang es, die frontalen Angriffe der
Russen aus Lodz heraus unter großen Feindesverlusten
zurückzuwerfen. Dagegen machten sich starke Angriffe des Gegners
auf die Verbindungen der Armeekorps fühlbar. Die Russen
drängten über Biala auf Ozorkow und Zgierz vor. Zur Deckung
wurden zwei gemischte Abteilungen beider Armeekorps auf Biala angesetzt:
Abteilung Feldtkeller mit 2½ Bataillonen, 3
Feld-, 2 schweren Batterien, Abteilung Küster mit 5 Bataillonen, 7
Feld-, 1 schweren Batterie. Es glückte zwar, allmählich dem
feindlichen Vordringen Halt zu gebieten, allein beide Korps mußten
sich damit begnügen, die ihnen verbliebenen schwachen Kräfte
mit der Front nach Süden zur Abwehr der immer heftiger werdenden
russischen Angriffe zu belassen. Von einer unmittelbaren
Unterstützung des XXV. Reservekorps konnte keine Rede sein, auch
war der Angriff auf Brzeziny, wie ihn der Armeebefehl vorsah, nicht
möglich, bevor nicht die Verbindungen gesichert waren.
Das I. Reservekorps gelangte bis zum Abend des 23. November auf die
Höhen vor Lowicz, konnte aber die ungemein starke Stellung
nördlich der Stadt [496] nicht nehmen, wo auf Höhe 96 die
"Chemische Fabrik" festungsartig ausgebaut war und von
überlegenen russischen Kräften gehalten wurde. Das Korps
konnte nur die 70.
Reserve-Brigade frei machen, um bei Sobota über die Bzura zu gehen
und die vor
Biala - Strykow gegen die Verbindungen des XVII. und XX.
Armeekorps stehenden russischen Kräfte im Rücken
anzugreifen. Vor Lowicz verblieb die 69.
Reserve-Brigade in hinhaltendem Kampf. Die 1.
Reserve-Division, verstärkt durch die Brigade Gregory des XXV.
Reservekorps, deckte gegen russische Flankenstöße über
die Bzura unterhalb Lowicz. Das Korps Dickhuth konnte bei Plock nicht auf
das westliche
Weichsel-Ufer gelangen, da sich der Betrieb über die dortige
Schiffbrücke des Eisganges wegen als unmöglich erwies. Es
ließ eine gemischte Brigade bei Plock und ging mit der Masse auf Thorn
zurück, um über diese Festung den Anschluß an die 9.
Armee zu suchen.
Hiermit fand der erste Teil der Schlacht bei Lowicz den Abschluß. Es
war der deutschen 9. Armee gelungen, durch den Stoß mit
Überlegenheit gegen die russische Nordwestflanke den Vormarsch der
Russen nach Posen und Schlesien zum Halten zu zwingen. Ebenso war die
Stoßkraft der Russen gegen die Armeeabteilung Woyrsch und gegen
die k. u. k. 1. Armee gelähmt. Der erste
Schlachtenabschnitt war reich an Überraschungen und
Zwischenfällen. Dem Großfürsten glückte es, die 5.
Armee rechtzeitig zur Unterstützung der 2. auf Lodz heranzuziehen,
auch die 1. vom rechten auf das linke
Weichsel-Ufer herüberzuholen. So mißlang es den Deutschen,
die Russen in Lodz einzukreisen und zu vernichten. Das Oberkommando der
deutschen 9. Armee verzichtete aber nicht darauf, die augenblicklich sehr
ungünstige Lage durch kraftvolles Handeln zu wenden und den
Kampf um Lodz zum Sieg auszugestalten.
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