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Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende

Kapitel 5: Der deutsch-österreichische Feldzug
in Italien (12. Isonzo-Schlacht)
  (Forts.)

Oberst Theodor Jochim

2. Der Durchbruch bei Flitsch und Tolmein am 24. Oktober.

Am 23. Oktober standen die Truppen bereit. Hinter der Gruppe Krauß (zwischen Rombon und Krn) war die deutsche Jäger-Division im oberen Isonzo-Tal auf Flitsch zu aufgeschlossen.

Von der Hauptstoßgruppe der 14. Armee stand

  • die Gruppe Stein mit der k. u. k. 50. Division zwischen Krn und Dolje, mit der 12. Division und dem Alpenkorps dicht westlich Tolmein beiderseits der Straße Woltschach - Tolmein, dicht dahinter die 117. Division im zweiten Treffen;
  • die Gruppe Berrer mit der 200. Division zwischen Čiginj und St. Luzia, dahinter die 5. Division zwischen St. Luzia - Idria di Baza und Hotešk;
  • die Gruppe Scotti mit der k. u. k. 1. Division bei und östlich Selo, mit der 26. Division dicht hinter der 5. Division der Gruppe Berrer.

Als Armeereserve diente die k. u. k. 13. Division mit dem Anfang bei Tribusa; noch weiter rückwärts östlich Podbrdo und südlich Kirchheim standen als Heeresreserve die k. u. k. 33. und die k. u. k. 4. Division.6

Die Hauptstoßgruppe sollte sich durch schnellen Zugriff des Gebirgsstockes zwischen Karfreit - Tolmein - Selo - Cividale - Mt. Juanes bemächtigen. Als erstes Ziel nach dem Durchbrechen der feindlichen Stellungen zwischen Krn - [240] Dolje - Ježa wurde daher der Gruppe Stein die Wegnahme von Karfreit und des Mt. Matajur bezeichnet, um die Straße ins Natisone-Tal und die fahrbare Verbindung von Idersko über Luico durch den Gebirgsblock nach Cividale zu gewinnen. Das bedeutete also die Wegnahme des gewaltigen Gebirgsrückens des Kolovrat westlich Woltschach bis zum Mt. Matajur (1641 m), der sich mit seinen wichtigsten Erhebungen - Punkt 1114, Kuk (1243 m) und Mt. Matajur - steil um fast 1000 bis 1400 m aus dem Isonzo-Tal erhebt. Anschließend an die Gruppe Stein sollten die Gruppe Berrer und Scotti bis zum Mt. Santo Martino (965 m), Mt. Hum (905 m) und Globočak (806 m) vordringen. Das Hauptgewicht wurde also auf den rechten Flügel der Hauptstoßgruppe gelegt, der dementsprechend auch am stärksten war.

Der rechte Flügel der 2. Isonzo-Armee sollte den Angriff der 14. Armee unterstützen und das westliche Ufer des Isonzo in Richtung Konstanievica - Canale gewinnen, um die fahrbare Straße Selo - Doblar - Ronzina frei zu bekommen, was für das Nachführen der Artillerie und ihrer Munition von um so größerer Bedeutung war, als zwischen Idersko und Ronzina keine einzige fahrbare Straße in den Gebirgsblock führte. Freilich mußte dann auch die umfangreiche Straßensprengung südlich Selo beseitigt werden.

Zur Deckung der rechten Flanke des Angriffs der Gruppe Krauß, die, wie erwähnt, Flitsch und den Stol zu gewinnen hatte, wurde ein Vorgehen des linken Flügels und der Mitte der 10. k. u. k. Armee über den Nevea-Sattel durch das Raccolana-Tal in Richtung Resiutta und über Pontebba - Raccolana das Fella-Tal abwärts vereinbart.

Das demnächstige Ziel der Hauptstoßgruppe sollte die Hochfläche des Mt. Juanes (1168 m) und der langgestreckte Rücken des Mt. Madlessana (etwa 400 bis 900 m) westlich des Natisone-Tales sein, wo man auf starken Widerstand rechnete. Der linke Flügel der 14. Armee sollte dabei auf Cividale angesetzt und sein Vorgehen durch gleichzeitiges Vordrängen der 2. Isonzo-Armee erleichtert werden, während die Gruppe Krauß den Angriff durch Eingreifen von Norden und Nordwesten über Montemaggiore - Mt. le Zuffine - Mt. Carnizza und über Robedisce umfassend zu unterstützen hatte. Das Schwergewicht lag also auch hierbei wieder auf dem rechten Flügel. Dorthin sollten auch alle Armeereserven und alle irgend verfügbaren Heeresreserven des Kommandos der Südwestfront herangeholt werden. So glaubte man den letzten Widerstand der Italiener im Gebirge brechen und sie in die Ebene werfen zu können, wodurch ihre ganze Ostfront ins Wanken geraten mußte.

Um jedes neue Festsetzen des Gegners möglichst schon im Keime zu ersticken, war ein rasches Nachführen der Artillerie notwendig, weshalb auch der Angriffsplan so großen Wert auf die schnelle Gewinnung fahrbarer Straßen legte. Den Artillerieaufmarsch zum Angriff hatte der General der Artillerie einheitlich geregelt, wobei auch die Artillerie aller Divisionen, einschließlich der in [241] Reserve stehenden, mit eingesetzt worden war. Man hatte die gesamte Artillerie in Divisionsgruppen eingeteilt, nur die schweren Flachbahngeschütze bildeten die Armee-Artillerie. Die Batterien hatten den Angriff zunächst aus ihren Stellungen bis zur Grenze ihrer Schußwirkung zu unterstützen, dann sollte jeder Division ein Regiment Gebirgsartillerie zu sechs Batterien folgen, während die übrige Artillerie, sobald sie nicht mehr wirken konnte, bis zum Fuße des Kolovrat-Rückens vorzugehen hatte. Nach Gewinnung der fahrbaren Straßen über Idersko und Ronzina sollte die Feldartillerie und die schweren Batterien der Divisionen diesen folgen; die übrige Artillerie wurde Armee-Artilleriereserve, wobei man ein möglichst baldiges Vorführen der schweren Kraftzug-Artillerie ins Ratisone-Tal zur Bekämpfung des Mt. Juanes ins Auge faßte. Die mittleren und schweren Minenwerfer sollten zunächst in ihren Stellungen verbleiben.

Der letzte Befehl zum Angriff war gegeben, - in der lakonischen Kürze eines Führers, der weiß, daß alles aufs beste vorbereitet war, und der seiner Truppe vertrauen kann. "In Tag und Nacht fortgesetzten Angriffen" sollte die Armee den Feind vor sich hertreiben, in die Ebene hinein, soweit die Kräfte irgend reichten. Es galt, die Gelegenheit, wo sie sich bot, auszunutzen, um durch tatkräftiges Handeln und kühnes Wagen ganze Arbeit zu leisten und die Gunst der Siegesgöttin an sich zu fesseln. Die Augen des deutschen Führers blickten bereits über den Tagliamento hinaus.

Feuer auf die vordersten italienischen Stellungen bei Tolmein.
Das für die Italiener vollkommen überraschend
einsetzende Feuer auf ihre vordersten Stellungen
bei Tolmein.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 485.

Der 24. Oktober 1917 am Isonzo bei Tolmein.
Der 24. Oktober 1917 am Isonzo bei Tolmein.
Vorgehende deutsche Jäger.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 486.

In Verfolgung des Gegners.
In Verfolgung des Gegners.
Über die Isonzo-Schluchten vorgehende
verbündete Truppen bei Tolmein.   [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 493.
Noch am 23. Oktober hatte Cadorna gesagt: "Es ist nichts zu befürchten." Um 2 Uhr morgens des 24. Oktober hallte der Donner der deutsch-österreichischen Geschütze und Minenwerfer dröhnend von den Felswänden der Gebirgsfront Flitsch - Tolmein - Selo, in tausendfachem Echo sich brechend, wider. Regenschauer, Nebel, tiefhängende Wolkenfetzen erschwerten die Orientierung für Freund und Feind. Aber die deutsch-österreichischen Führer hatten die feindlichen Stellungen sorgfältig erkundet und ihr Feuer mustergültig verteilt. Jetzt schleuderten ihre Geschütze und Minenwerfer Gasgeschosse gegen die italienischen Batterien, Lager und Stellungen auf den Höhen und an den Hängen, wobei die Feuchtigkeit der Luft die Gaswirkung erhöhte. Im Flitscher Becken waren neben der Artillerie und den Minenwerfern auch deutsche Gaswerfer tätig, um den weiten Weg über Flitsch nach Saga zum Stol freimachen zu helfen. Der Gegner antwortete nur schwach. Um 6 Uhr morgens begann die planmäßige Beschießung der vorderen italienischen Gräben und Hindernisse, der mutmaßlichen Bereitstellungsplätze der Reserven und besonders auch der Sturmabwehrgeschütze, die zum Teil, nur dem geübten Auge erkennbar, in in den Feld gesprengten Hohlräumen (Kavernen) standen. Zwei Stunden lang hämmert ununterbrochen der krachend berstende Stahlhagel auf den feindlichen Stellungen herum, dann greift das Feuer weiter vor, und die Infanterie erhebt sich zum Sturm. Aber auch das Feuer des Gegners war stärker geworden und lag jetzt besonders auf den Ausgangsstellungen des Angriffs und den Anmarschstraßen.

[242] Schlechter und schlechter war das Wetter geworden. Bei heftigem Wind regnete es in Strömen, auf den Höhen tobte zum Teil Schneesturm, in den Tälern lag dichter Nebel. Er verhüllte dem Angreifer die Hänge und Höhen. Die deutsche 12. Division durchbricht im raschen Anlauf die italienische Talstellung westlich Tolmein. Ihr Stoß hat, wie der italienische Bericht sagt, die italienische 19. Infanterie-Division "verschlungen". Unaufhaltsam geht es, unbekümmert um die Flanken, im Tale längs der Straße nach Karfreit vor. Der Wind reißt vorübergehend den dichten Nebel in Fetzen; die Italiener auf den Höhen erkennen wohl tief unten eine Marschkolonne, sie halten sie aber für eingebrachte Gefangene, denn die Nachrichten von der Front lauten durchaus beruhigend. Da taucht gegen 3 Uhr nachmittags unversehens bei Karfreit die 12. Division im Rücken der noch mit der k. u. k. 50. Division im heißen Ringen stehenden italienischen Krn-Besatzung auf. Die Italiener sind völlig überrascht. Reiche Beute an Gefangenen und Material fallen den unerschrockenen Deutschen zu. Aber rastlos geht es weiter. Jetzt gilt es, ins Natisone-Tal einzudringen und den trotzig aufragenden Mt. Matajur, einer der Kernpunkte der Isonzo-Stellung, zu nehmen. Noch im Laufe des Nachmittags beginnt der Aufstieg, während die ins Natisone-Tal vorgetriebene Abteilung das Dorf Creda, 5½ km westlich Karfreit, erreicht.

Rechts von der 12. Division hatte die k. u. k. 50. Division, deren Masse am Mrzli Vrh stand und die den Krn nehmen und nach Karfreit vorstoßen sollte, einen schweren Stand nicht nur gegen den Feind, sondern vor allem gegen die Unbillen der Witterung. Es gelang ihr aber trotzdem, im Laufe des Tages den Krn selbst zu nehmen und auf seinen südlichen Hängen bis Libussina vorzudringen.

Gleich der 12. Division hatte auch das Alpenkorps den durch das Feuer betäubten Feind in seinen Gräben westlich Woltschach überrascht und überrannt. Nun aber begann der äußerst mühsame Aufstieg auf den steilen, mit Buschwald bestandenen und vom Regen schlüpfrigen Hängen des Kolovrat-Rückens, die mit italienischen Stellungen und Batterien bedeckt waren. Galt es doch zunächst, den Hevnik (876 m) und den bastionsartig vorspringenden Felsenrücken 732 zu nehmen. Wohl versuchen hier und da einzelne Maschinengewehrnester und Kavernenbatterien in Tätigkeit zu treten, schnell aber werden sie von der wachsamen deutschen Artillerie zum Schweigen gebracht. Das unentwegt sichere Vordringen der Bayern jagt auch hier den Feind voll Angst und Schrecken aus seinen Stellungen, und so gelingt es dem Leibregiment, den Hevnik zu erklimmen und zu nehmen. Darüber hinaus, noch weiter nach Nordwesten, dringt das württembergische Gebirgsbataillon bis zum Gehöfte Foni vor, während sich das Leibregiment dem Höhepunkte 1114 an der längs des Westhanges des Kolovrat-Rückens verlaufenden Höhenstraße als einen der wichtigsten Stützpunkte des Feindes zuwendet. Dort stößt es auf heftigen Widerstand, doch am Abend stürmen ihn die tapferen Bayern. Nicht so glücklich war der linke [243] Flügel des Alpenkorps an dem schmalen Bergrücken 732 gewesen. Er lag gleich dem rechten Flügel der Gruppe Berrer vor einer im Buschgestrüpp und zerklüfteten Felsgestein geschickt angelegten und gut ausgebauten italienischen Stellung, die bisher noch gar nicht erkannt und daher auch von der deutschen Artillerie nicht unter Feuer genommen worden war, fest. Der dort noch herrschende dichte Nebel verhinderte jede Fühlungnahme mit der eigenen Artillerie, die sehr geschickt angelegten Flankierungsanlagen des Feindes machten jedes weitere Vordringen unmöglich, und so mußte erst der Erfolg an anderen Stellen abgewartet werden.

Die Gruppe Berrer war im Anschluß an das Alpenkorps mit der 200. Division aus dem Abschnitt Sv. Maria - Ušnik vorgebrochen und hatte das Dorf Čiginj trotz seiner breiten Drahthindernisse genommen. Dann ging es hinauf zur beherrschenden Höhe der Ježa, die mit Teilen durch eine Schlucht von Norden her umfaßt, zum Teil von Süden her angegriffen werden sollte. Die nördliche Gruppe kam zunächst gut vorwärts, stieß dann aber in der Schlucht zwischen Ježa und der schon oben erwähnten Bergnase 732 auf den gleichen Widerstand wie der linke Flügel des Alpenkorps. Dagegen nahmen die Sturmtrupps der wackeren Jäger der 200. Division gegen 1 Uhr nachmittags im Nahkampfe den Jesenjak-Rücken (südöstlicher Abfall der Ježa mit den gleichnamigen Gehöften) und wandten sich von dort von Süden und Südwesten her gegen den Ježa-Gipfel. Der Kampf gegen dessen zähen Verteidiger dauerte aber bis in den späten Abend fort.

Weiter südlich hatte die Gruppe Scotti aus dem Abschnitt beiderseits Selo die vorderen feindlichen Stellungen zwischen Cemponi und Doblar bis zum Nachmittag genommen. Sie zog nunmehr die 5. Division auf ihren rechten Flügel vor.

Auf dem jenseitigen Ufer des Isonzo versuchte der rechte Flügel der 2. Isonzo-Armee den Angriff der 14. Armee zu unterstützen, stieß aber bei Auzza auf erbitterten Widerstand und kam nicht vorwärts. Glücklicher kämpften die Österreicher im Gebiet des Mt. S. Gabriele bei Görz, wo sie einige Gräben nahmen.

Die ersten italienischen Überläufer bei Flitsch.
Die ersten italienischen Überläufer bei Flitsch
beeilen sich, aus dem Bereich der Feuerzone
zu kommen.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 494.

Aus der Isonzo-Offensive.
Der Moment, da die italienischen Stellungen
durch die Verbündeten ausgehoben wurden.
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Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 496.

Der Durchstoß bei Flitsch.
Isonzo-Offensive. Der Durchstoß bei Flitsch.
Aus der zertrommelten, vordersten italienischen
Stellung durch Dickicht und Drahtverhau
überlaufende Italiener.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 495.
Im Norden war der Angriff des rechten Flügels der Gruppe Krauß im zerklüfteten Rombon-Gebiet im Schneesturm stecken geblieben. Dagegen gelang es der k. u. k. 55. Division nach großen Anstrengungen den Vrsič (1897 m) zu nehmen. Durchschlagend aber war der Erfolg im Isonzo-Tal zwischen beiden Berggruppen. Dank der vortrefflichen Wirkung der deutschen Gaswerfer und der Artillerie hatte die k. u. k. 22. Schützendivision bereits gegen Mittag das italienische Grabensystem bei Flitsch durchstoßen und war im weiteren Vordringen gegen Saga am Fuße des Stol begriffen.7 Gleichzeitig fesselte der [244] Vorstoß des linken Flügels der k. u. k. 10. Armee gegen den Nevea-Sattel nordwestlich des Rombon den Feind.

Am Abend dieses ereignisreichen Tages betrug die Zahl der Gefangenen im Bereiche der 14. Armee bereits 10 000 Köpfe, darunter Divisions- und Brigadestäbe. Reiche Beute an Geschützen und Kriegsmaterial aller Art war überdies den Siegern in die Hände gefallen. Im Armee-Hauptquartier aber wußte man vor allem bereits, daß der große Schlag geglückt, d. h. die italienische Gebirgsfront durchbrochen war. Jetzt galt es für alle Truppen, eingedenk des Befehls, trotz aller Anstrengungen und Hindernisse dem eingeschüchterten, unsicher gewordenen Feinde rastlos auf den Fersen zu bleiben und ihm keine Ruhe zu lassen, sich wieder zu setzen. Und jeder tat seine Schuldigkeit im Hochgefühle des errungenen Sieges!

Ein schöner, klarer Morgen brach an; Nebel und Regenwolken waren verschwunden. Hell leuchtete die Sonne auf die kampfesfrohen Sieger hernieder. Schon am frühen Morgen des 25. Oktober entriß Leutnant Schnieber mit einer Kompagnie des Regiments 63 (12. Division) dem Feinde die für den Besitz des ganzen Matajur-Blockes ausschlaggebende Vorkuppe. Gleichzeitig stieß ein Regiment derselben Division im Natisone-Tale rücksichtslos bis zur Landesgrenze zwischen Mt. Mia und Mt. Matajur vor. Italienische Reserven, die ihm entgegen eilten, wurden zersprengt. Inzwischen erklomm das Gros der Division von Idersko aus auf der nach Luico führenden Straße den Osthang des Matajur-Rückens. Ihm warf sich eine Bersaglieri-Brigade entgegen, so daß die Deutschen nicht weiter kamen. Da griff zur rechten Zeit das Alpenkorps ein.

Dieses hatte am Morgen des 25. Oktober mit seinem rechten Flügel die feindlichen Stellungen längs des Kolovrat-Rückens weiter nach Nordwesten aufgerollt und sich mit dem Leibregiment und dem württembergischen Gebirgsbataillon gegen den von starken Befestigungen gekrönten, wichtigen Stützpunkt Mt. Kuk (1243 m) gewandt, wo sich ein ganzes Bataillon den anstürmenden Bayern ergab. Das württembergische Gebirgsbataillon strebte nunmehr dem Mt. Matajur von Südosten her zu, während das Leibregiment gegen den Sattel von Luico vorstieß, von wo gleichfalls Gefechtslärm herüberschallte. Dort überraschte es zahlreiche Batterien des Feindes, die ihm zur Beute fielen. Um 4 Uhr nachmittags war der Ort Luico genommen und damit der 12. Division Luft geschaffen. Nun wandte sie sich mit den Regimentern 62 und 63 gleichfalls gegen den Matajur-Gipfel, um diesen mächtigen Eckpfeiler der italienischen Stellung und damit das ganze umliegende Gebiet vollends in die Hand zu bekommen.

Die Mitte des Alpenkorps war inzwischen von stärkeren feindlichen Kräften, die sich noch auf den Hängen und Kuppen dicht südlich des Höhenpunktes 1114 hielten, festgehalten worden. Dagegen hatte sein linker Flügel am Morgen, als der Nebel verschwunden war und die Artillerie wirken konnte, endlich den Felsenrücken 732 genommen. Nun wandte er sich der Kuppe 1114 zu.

[245] Auch die stark befestigte Ježa war am Morgen des 25. infolge der Umfassung von Süden her in den Besitz der 200. Division der Gruppe Berrer gelangt. Jetzt strebte auch der rechte Flügel dieser Division dem Punkte 1114 zu, weil dort die nördliche Grenze ihres Angriffsstreifens im Bogen zum Mt. S. Martino verlief und hier innerhalb ihres Angriffsraumes die beiden von Azzida nach dem Kolovrat-Rücken führenden fahrbaren Straßen mündeten. Der Vormarsch war äußerst beschwerlich, weil man sich am Osthange des Kolovrat auf schmalen Saumpfaden über mancherlei Hindernisse hinweg mühsam vorarbeiten mußte, denn die große längs des Westhanges führende Fahrstraße lag noch unter dem Feuer italienischer Artillerie. Als sich das vorderste Bataillon (Jäger 11) am Nachmittage der Kuppe 1114 näherte, erhielt es plötzlich von der Höhe la Cima (Höhe 990) dicht südlich Punkt 1114 heftiges Flankenfeuer. Kurz entschlossen setzte das Bataillon zum Angriff gegen die la Cima-Kuppe an. Sein Maschinengewehrfeuer vertreibt die Bedienung der feindlichen Geschütze und zwingt die Grabenbesatzung in die Deckungen nieder. Dann geht's im Sturm heran. Gleichzeitig stößt auch der linke Flügel des Alpenkorps vor. Der Gegner verteidigt sich an mehreren Stellen seiner gut ausgebauten Stellungen mit großer Hartnäckigkeit, bricht aber endlich doch unter den Handgranaten und Bajonetten der Anstürmenden zusammen. Hunderte von Gefangenen, zahlreiche Geschütze, darunter schwere Mörser und Haubitzen, nebst unübersehbarem Kriegsmaterial sind die Beute der Sieger. Die Italiener waren gar nicht mehr imstande gewesen, all dieses Gerät, besonders die schweren Geschütze, auf den Gebirgsstraßen in Sicherheit zu bringen. Die ganze Höhenstraße längs des Kolovrat-Rückens und deren Umgebung waren dicht damit bedeckt - ein unübersehbares, wirres Durcheinander.

Weiter südlich hatte der linke Flügel der 200. Division sowie die Gruppe Scotti gleichfalls Gelände gewonnen. Von dieser drang die 5. Division über Srednje bis zum Iudrio-Abschnitt vor und stellte sich für den nächsten Tag zum Angriff auf den Mt. Hum bereit. Auch der Globočak war genommen, der linke Flügel der Gruppe Scotti stand westlich Ronzina.

Inzwischen war auf dem rechten Flügel der Gruppe Stein die k. u. k. 50. Division vom Krn nach Karfreit hinabgestiegen. Nur Trümmer des Verteidigers hatten sich retten können. Von Karfreit ging es weiter über Robič auf das Westufer des Natisone gegen den Mt. Mia, der noch am selben Tage gestürmt wurde. Die in Reserve gehaltene 117. Division rückte bis Kamno südöstlich Karfreit vor.

Aus der Isonzo-Offensive.
Aus der Isonzo-Offensive. Gebirgsschlucht mit
ehemaligen italienischen Barackenlagern.
Im Vordergrunde passieren die verbündeten Truppen
den engen Gebirgspaß.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 498.
Bei der Gruppe Krauß hatte die k. u. k. 22. Schützendivision am 25. Saga im Straßenkampfe genommen. Sogleich erklommen die vorderen Bataillone der Kaiser-Jäger und Kaiser-Schützen die steilen Hänge des langgestreckten gewaltigen Bergriesen, - selbst für diese gebirgsgewohnten Truppen eine außergewöhnlich schwierige Aufgabe. Fünf Stellungen hintereinander werden im [246] Laufe des Tages erstürmt und um Mitternacht zum 26. die Paßhöhe des Stol (1450 m) genommen. Am 26. kam der ganze Rücken in den Besitz der Österreicher, gleichzeitig aber stiegen auch bereits k. u. k. Truppen nach Bergogna hinab. Eine ungewöhnlich schwere Aufgabe war dank der Tapferkeit der Truppen und der Umsicht der Führung gelöst, ebenbürtig den deutschen Erfolgen am Matajur und Kolovrat. Durch das glänzende Vordringen der k. u. k. Schützen-Division war nun auch der Widerstand der Italiener im zerklüfteten Vrsic-Gebiete vollends gebrochen. Die k. u. k. 55. Division stieg zwischen Serpenizza und Karfreit ins Isonzo-Tal hinab, wo sie Tausende von Gefangenen machte und ungeheuere Vorräte an Kriegsmaterial, vor allem an Bekleidung, erbeutete.

Nach der Einnahme von Saga hatte General Krauß das im zweiten Treffen stehende Gros der k. u. k. Edelweiß-Division - vier Bataillone bildeten die Besatzung des Rombon - und die deutsche Jäger-Division vorgezogen. Bei Flitsch zweigte die Edelweiß-Division ein Bataillon ab, das zur Prevala-Scharte (2063 m) und zum Canin (2592 m) aufstieg, von wo noch italienische Artillerie nach Flitsch und auf die Talstraße feuerte. Das trotz der größten Schwierigkeiten unaufhaltsame Vordringen dieses Bataillons gefährdete den Rückzugsweg der italienischen Rombon-Besatzung, die gleichzeitig in der Front von den noch dort verbliebenen vier Bataillonen der Edelweiß-Division angegriffen wurde. Sie gab schließlich ihre Sache verloren und zog sich eiligst zurück. Mit der Einnahme der Prevala-Scharte und des Canin-Stockes am 25. und 26. Oktober war das Isonzo-Tal von Flitsch bis nach Auzza vom Feinde frei. Die Edelweiß- und die deutsche Jäger-Division rückten über Saga auf das Fella- und Tagliamento-Tal zwischen Resiutta und Gemona vor, um den der k. u. k. 10. Armee an der Kärntner Front gegenüberstehenden Italienern in den Rücken zu kommen.

Die ganze Nordfront der italienischen 2. Armee (Capello) war entscheidend geschlagen. Die unübersichtlichen Verhältnisse des von allen Seiten vom Gefechtslärm widerhallenden Gebirges mit seinen Überraschungen und Ungewißheiten wirkten beschleunigend auf die Zersetzung. Die Unsicherheit der Truppe und Führung wuchs stündlich, die höhere Führung begann völlig zu versagen. Die ganze Front von Rombon bis zur Bainsizza-Heiligengeist-Hochfläche war ins Wanken geraten. Bei der 14. Armee wuchs die Zahl der italienischen Gefangenen am 25. auf 30 000 Mann mit 700 Offizieren. Mehrere hundert Geschütze waren erbeutet, darunter der größte Teil der schweren Artillerie der Italiener.

Das schöne Wetter hielt sich auch am 26. Oktober. Der herrlich blaue italienische Himmel leuchtete lachend über den die Grenze überschreitenden deutsch-österreichischen Truppen. Der Mt. Matajur gelangte vollends in den Besitz der Deutschen. Westlich und südlich Luico suchten Teile des italienischen VII. Korps nochmals Widerstand zu leisten. Vergebens! Sie wurden von dem von Matajur kommenden württembergischen Gebirgsbataillon von Norden her [247] umfaßt und vom Alpenkorps zurückgeworfen. Jetzt galt es, schnell das Natisone-Tal bis nach Azzida zu gewinnen. Quer durch das Gebirge ging's vorwärts. Nur noch Versprengte sind zu finden, nur hier und da wird bald erlahmender Widerstand geleistet. Am Abend steht das Alpenkorps mit seinen Anfängen im Natisone-Tal bei Brischis, Ponteacco und vor Azzida, der Ausgangspforte ins Tal von Cividale, das bereits von langen Kolonnen der Gruppe Stein von Idersko aus unter Feuer genommen wird.

Die Gruppe Berrer hatte inzwischen auf dem vom Kuk nach Azzida streichenden Gebirgsrücken den gut befestigten, aber ohne Artillerie verteidigten Mt. S. Martino (965 m) genommen und war dann bergauf, bergab mit den Anfängen gleichfalls bis vor Azzida gelangt, das aber stark besetzt gemeldet wurde. Von der Gruppe Scotti erstürmte die 5. Division den Mt. Hum (905 m) und drang mit Teilen bis zum Mt. S. Giovanni (703 m) vor. Der linke Flügel der Gruppe Scotti aber hing noch ab. Am Abend des 26. hielt der Gegner im Anschluß an Azzida noch den Mt. Spigh (661 m), den Mt. S. Giovanni und die Höhen nördlich Canale.

Inzwischen hatte die 12. Division das Natisone-Tal zwischen Mt. Mia und Brischis überschritten und mit Hilfe von Teilen der k. u. k. 50. Division den Mt. Juanes (1168 m) erstürmt. Nördlich daran schloß sich der linke Flügel der Gruppe Krauß (k. u. k. 22. Schützen- und k. u. k. 55. Division), zu dem nun auch die k. u. k. 50. Division übertrat, zwischen Bergogna und Robedisće an. Die Gefangenenzahl war an diesem Tage bis auf 60 000 Mann mit 450 Geschützen angewachsen. Unübersehbares Kriegsgerät und unermeßliche Vorräte in den überall angelegten und für den Winter besonders reich ausgestatteten Depots waren den Siegern in die Hände gefallen. Sie kamen ihnen trefflich zustatten. Enthielten doch die Lebensmitteldepots Dinge, welche die Truppen der Mittelmächte nur noch vom Hörensagen kannten. Die italienische Ostfront bröckelte bis nach Görz ab und hielt sich nur noch auf der Karsthochfläche östlich und südlich dieser viel umstrittenen Stadt bis zur Küste.

Am 27. suchten die Italiener, den Ausgang aus dem Gebirge durch Nachhuten bei Azzida und östlich zu sperren, um ihrem zurückflutenden Gros Zeit zu verschaffen. Trotzdem gelang es der 200. Division der Gruppe Berrer, teilweise im Häuser- und Straßenkampfe, Azzida bereits um 7 Uhr 30 Minuten morgens zu nehmen, und zwar ohne jede Artillerieunterstützung, weil selbst die Gebirgsartillerie nicht so schnell hatte folgen können. Die Natisone-Brücke hatte der Feind der Länge nach zur Hälfte abgesprengt, sie blieb aber trotzdem einigermaßen benutzbar. Vorläufig verhinderten freilich noch die stark besetzten, den Ort vollkommen beherrschenden Höhen südlich Azzida jedes weitere Vordringen. Der Feind führte dorthin sogar eiligst Verstärkungen in Kraftwagen heran. Schon aber hatte die 5. Division der Gruppe Scotti den Mt. S. Giovanni genommen. Gleichzeitig gingen Teile von ihr gegen den Mt. Spigh vor. [248] Obwohl die Italiener an Zahl weit überlegen waren, gelang es doch dem festen Zupacken der deutschen Regimenter, den Feind gegen Abend zum Nachgeben zu zwingen. Sein Rückzug artete bald zur regellosen Flucht aus. So fiel auch die Höhe von Castel del Monte den Angreifern in die Hände. Inzwischen hatte die 26. Division der Gruppe Berrer, die bisher in Reserve gefolgt war, den Mt. Purgessimo südlich Azzida um Mittag genommen. Jetzt war die Straße nach Cividale frei.

Italienische Artillerie-Stellung an der Paßhöhe vor Cividale.
Der Durchbruch der verbündeten
deutsch-österreichischen Truppen am Isonzo. Interessante genommene italienische Artillerie-Stellung
an der Paßhöhe vor Cividale.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 497.

Angriff auf die italienischen Stellungen bei Cividale.
Überraschend kam der wuchtige Angriff
auf die italienischen Stellungen bei Cividale,
der den Durchbruch der verbündeten
deutsch-österreichischen Truppen
ermöglichte.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 489.
Weiter nördlich hatte das Alpenkorps am frühen Morgen den hochgehenden Natisone bei Clenia überschritten und sich durch kecken Zugriff des stark besetzten Mt. Madlessena (727 m) bemächtigt. Im Anschluß daran war zusammen mit Teilen der 12. Division Spignon genommen worden. Dann hatten sich Abteilungen beider Verbände gegen Cividale gewandt, wo sie gegen Mittag erschienen. Dort drang am Abend auch die 26. Division ein. Die erste größere Stadt der fruchtbaren oberitalienischen Tiefebene war in deutschem Besitz! Große Vorräte fielen in diesem Hauptsammelplatze am Eingange des Gebirges den Siegern in die Hände.

Das Gros der 12. Division und des Alpenkorps aber war weiter nördlich im Vormarsch nach Westen geblieben und erreichte am Abend des 27. Oktober gleichfalls den Rand des Gebirges bei Faedis und Togliano, bereit, am nächsten Tage rücksichtslos die Verfolgung in die Ebene fortzusetzen.8

Cadorna hatte noch am 27. geglaubt, den Nordflügel seiner Ostfront in die Linie Görz - Cividale - Pta. di Montemaggiore (nordöstlich Tarcento) zurücknehmen und sich dann weiter im Gebirge halten zu können; - schon aber war seine Front durchbrochen, schon hatte die k. u. k. 22. Schützen-Division den linken Schulterpunkt der Stellung, den Pta. di Montemaggiore, genommen und stand die deutsche Jäger-Division auf dem Marsche ins Fella-Tal bei San Giorgo. Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als bis zum nächsten starken Abschnitt in der Ebene - dem Tagliamento - zurückzugehen. Daß dies bei der zunehmenden Verwirrung nicht ohne erhebliche Verluste an Kräften und Material abgehen mußte, wenn der Gegner nachdrängte, war freilich klar. Schleunigst räumte Cadorna sein bisheriges Hauptquartier - Udine - und eilte nach Treviso, um von dort die Anordnungen für die Verteidigung zu treffen.

Nun kam die italienische Ostfront auch in ihrem südlichen Teile, von Görz bis zur Adria, zum Weichen, der zunächst hinter den Isonzo zurückgenommen wurde. Innerhalb weniger Tage war der ganze, in 28 Monaten mühsam errungene Geländegewinn den Italienern wieder abgenommen worden.


6 [1/239]Beide traten beim Angriff nicht in Tätigkeit. ...zurück...

7 [1/243]Band V, Seite 433. ...zurück...

8 [1/248]Der Fuß des Gebirges am Rande der oberitalienischen Tiefebene verläuft von Görz im Süden über Cormons - Cividale - Savorgnano - Tarcento - Gemona - Osoppo - Toppo - Aviano - Vittorio. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte