Bd. 1: Der deutsche Landkrieg, Erster Teil:
Vom Kriegsbeginn bis zum Frühjahr 1915
Kapitel 4:
Der Feldzug im Westen
bis Mitte September 1914
(Forts.)
Oberstleutnant Paul Krall
3. Die Schlachten und Verfolgungskämpfe in
der zweiten Hälfte des August 1914.
Verlauf der französisch-englisch-belgischen
Heeresbewegungen.
Der Aufmarsch der französischen Armeen war um Mitte August im
großen beendet; die Verschiebung der französischen 5. Armee in den
Raum
Givet - [164] Charleroi war noch im Gange, die
englische Armee noch im Antransport in den ihr zugewiesenen Raum
Mons - Maubeuge. Obgleich der schnelle Fall Lüttichs den
Plan der Entente zu einer "Schlacht zwischen Maastricht und Basel"
gründlich zerstört hatte, wollte die französische Oberste
Heeresleitung sich nicht hierdurch die Entschlußfreiheit nehmen lassen.
Fast gleichzeitig mit dem Vormarsch der deutschen Armeen begann die Offensive
der französischen 1. bis 4. Armee; nur die Armee Lanrezac (5.) war
notgedrungen zur vorläufigen Defensive verurteilt, da sie noch nicht
vollständig in den ihr zugewiesenen neuen Stellungen eingetroffen war und
da vor allem aber mit dem Vormarsch der englischen Armee auf ihrem linken
Flügel - bei dem dieser der belgischen Armee "allmählich die
Hand reichen
sollte" -, noch nicht gerechnet werden konnte. Während so der linke
Flügel der
französisch-englischen Heeresfront sich zunächst abwartend und
abwehrend verhalten mußte, fiel der belgischen Armee die Aufgabe zu, den
deutschen Vormarsch aufzuhalten, entweder bis zur Vereinigung mit dem
französisch-englischen Heeresflügel nördlich Namur, oder
aber unter Ausweichen in die Lagerfestung Antwerpen, um von dort dauernd den
deutschen nördlichen Heeresflügel in der rechten Flanke zu
bedrohen. - Der Plan des Generalissimus Joffre ging dahin, mit der
französischen 3. und 4. Armee den Hauptangriff durch das
Großherzogtum und das belgische Luxemburg zu führen, "um
dadurch die Verbindungen derjenigen deutschen Truppen zu bedrohen, die
zwischen der holländischen Grenze und Namur vorgehen". Vor Beginn
dieses Hauptangriffs sollten die französische 1. und 2. Armee durch
erneuten Vorstoß von Belfort in das Elsaß und durch einen
Nebenangriff
zwischen Metz und den Vogesen den Gegner nicht nur fesseln, sondern ihn
gleichzeitig verhindern, die rechte Flanke der Offensive nach Luxemburg zu
bedrohen (Denkschrift des Generals Joffre: "Die Kriegsvorbereitung und die
Leitung der Operationen bis zur Schlacht an der Marne").
Am 14. August setzten sich die französischen Armeen 1 und 2 in
Bewegung: der rechte Flügel der Armee Dubail brach erneut in den
Sundgau ein, der linke Flügel der 1. Armee drang im
Breusch-Tal, die Armee Castelnau (2.) aus Linie
Nancy - Lunéville gegen Saarburg - Delme vor.
Auf dem linken
Mosel-Ufer schloß sich am 21. August die französische 3. Armee
(Ruffey) in Richtung
Montmédy - Longwy, die 4. französische Armee
(Langle de Cary) über den Semois auf
Bouillon - Neufchâteau der Angriffsbewegung an. Nach
wenigen Tagen aber war der mit großen Hoffnungen begonnene allgemeine
Angriff, der alle deutschen Erfolge ausgleichen und Frankreich die Vorhand im
Kampfe bringen sollte, gescheitert.
In mehreren schweren Schlachten, die den Raum zwischen der Schweizer und der
belgischen Grenze überspannten, brach die tapfere französische
Offensive vor dem unwiderstehlichen deutschen Siegeswillen zusammen.
[165] Kämpfe und Bewegungen bei
den deutschen Armeen.
7. und 6. Armee. Zweites Treffen bei Mülhausen - Schlacht in
den Vogesen und in Lothringen.
Der 6. und 7. deutschen Armee unter der gemeinsamen Führung des
Kronprinzen Rupprecht von Bayern war durch die Aufmarschanweisung ein
schwerer Auftrag zugefallen: der Schutz der linken Flanke des deutschen, zur
großen Offensive durch Belgien antretenden Heeres. Hierzu sollten die dem
Kronprinzen unterstellten Kräfte gegen die Mosel unterhalb Frouard und
gegen die Meurthe, unter Wegnahme des Sperrforts Manonviller, vorgehen, um
die hier versammelten französischen Kräfte festzuhalten und ihren
Abtransport nach dem linken französischen Heeresflügel zu
verhindern. Sollten die Franzosen ihrerseits zwischen Metz und Vogesen mit
überlegenen Kräften zum Angriff vorgehen, so sollte er dem Angriff
ausweichen, hierbei aber so operieren, daß eine Bedrohung der linken
Flanke der deutschen Hauptkräfte verhindert wurde. Für den Fall
endlich, daß die 6. und 7. Armee nicht auf überlegene feindliche
Kräfte stießen, sollte der deutsche Oberbefehlshaber
Maßnahmen ergreifen, die es ihm ermöglichten, mit Teilen der 6.
Armee über Metz oder südlich in Kämpfe auf dem linken
Mosel-Ufer einzugreifen. Die dem Kronprinzen Rupprecht gestellten Aufgaben
waren schwer und stellten hohe Anforderungen an seine und seiner Untergebenen
taktische und operative Befähigung.
Die 6. Armee - bestehend aus den drei aktiven bayerischen Armeekorps
und dem XXI. Armeekorps in erster, dem I. bayerischen Reservekorps in zweiter
Linie, sowie dem Höheren Kavalleriekommandeur 3 mit der Bayerischen
und der 7. und 8.
Kavallerie-Division - marschierte südlich der Linie
Bolchen - Zweibrücken in dem Raume zwischen dem
Festungsgebiet von Metz, der Reichsgrenze und den Vogesen auf. Die Aufgabe
der 7. Armee (XIV. und XV. Armeekorps und XIV. Reservekorps) war: Schutz
des Oberelsaß, solange sie nicht von überlegenen Kräften
angegriffen wurde. Vor überlegenem Gegner sollte sie sich hinter den
Rhein, die Festung Straßburg und die
Breusch-Stellung zurückziehen und diese halten, ihre Hauptaufgabe aber
darin erblicken, möglichst starke Kräfte zu einem unmittelbaren
Zusammenwirken mit der 6. Armee zu bringen.
Die Hauptmasse der 7. Armee war dementsprechend nach Vertreibung der
Franzosen aus Mülhausen am 10. August wieder im Abtransport nach
Norden, um den Anschluß an die 6. Armee zu gewinnen. Der Schutz des
Elsaß wurde dem General Gaede übertragen, dem zunächst
hierzu im wesentlichen nur drei badische
Landwehr-Brigaden zur Verfügung standen.
Am 17. August ging die "Armée d'Alsace" unter General Pau
(VII. Armeekorps, 44.
Infanterie-Division, vier Reserve-Divisionen und die 8. Kavallerie-Division)
erneut über die Linie
Dammerkirch - Sennheim bis Tagsdorf (östlich [166] Altkirch) - Höhen
südlich
Nieder-Morschweiler - Sennheim - Thann vor.
Mülhausen
wurde zunächst nicht besetzt. In Verkennung der feindlichen Stärke
griff General Gaede Tagsdorf und die Höhen westlich Mülhausen an.
Zwar gelang es, Tagsdorf zu nehmen; dagegen scheiterte der Angriff westlich
Mülhausen. Am Abend des Angriffstages (19. August) wichen die
Deutschen nach Osten in den
Hardt-Wald zurück. Die Franzosen besetzten nunmehr auch die Stadt
Mülhausen; sie wagten aber nicht, bis an den Rhein vorzustoßen,
sondern schoben ihre Sicherungen nur bis Ensisheim vor. Eine weitere
Ausbeutung ihres Erfolges wurde ihnen durch die Ereignisse weiter im Norden
verwehrt.
Das Treffen bei Lagarde am 11. August hatte einige Klarheit über den
französischen Aufmarsch gebracht. Erbeutete Papiere ergaben, daß
gegenüber der deutschen 6. Armee die 2. französische Armee (IX.,
XV., XVI., XX. und XXI. Armeekorps) aufmarschierte. Trotzdem hielt das
Armeeoberkommando 6 entsprechend der Aufmarschanweisung zunächst
an seinem Angriffsgedanken gegen Mosel und Meurthe fest, fragte aber der
Sicherheit halber im Großen Hauptquartier an, ob diese Absicht noch im
Sinne der obersten Führung sei. Die Oberste Heeresleitung antwortete,
daß ein Vorgehen der 6. und 7. Armee nicht ihren Absichten entspreche.
Infolgedessen rief das Armeeoberkommando 6 am 12. August die nach
Badonviller vorgeschobenen Teile des I. bayerischen Armeekorps zurück
und wies seine Korps an, daß die Armee sich zunächst in ihren
Stellungen zu halten habe, ein Vorgehen vorläufig nicht in Frage komme;
sollte ein Zurückgehen befohlen werden, so handele es sich nur um eine
vorübergehende Maßnahme. Die von der Armee zur Verteidigung
einzurichtende Stellung verlief vom Delmer Rücken über
Château-Salins - Geistkirch - Bourdonnaye auf
Blâmont - Cirey (Skizze
3).
Auch am 13. August herrschte, mit Ausnahme vor der Front des I. bayerischen
Armeekorps, das das Auftreten des französischen VIII. Armeekorps
meldete, fast völlige Ruhe. Erst der 14. August brachte eine entscheidende
Änderung in der Auffassung der Lage. Die Oberste Heeresleitung teilte an
diesem Tage mit, daß vor der Front der 6. Armee in Linie Pont à
Mousson - Raon l'Etape wahrscheinlich dreizehn Armeekorps,
fünf Kavallerie-Divisionen, dahinter bei
Vézélise - Mirecourt weitere drei Korps anzunehmen
seien; hinter den Flügeln dieser Heeresmasse sei noch eine Gruppe von
Reserve-Divisionen auf Epinal und Toul im Antransport. Die 6. und 7. Armee
hätte vor überlegenem Angriff hinter die obere Saar
auszuweichen.
Als die äußerste Linie, in die zurückgegangen werden solle,
war die starke Stellung
Busendorf - Saarlouis -
Saargemünd - Saarunion -
Pfalzburg - Lützelburg ausgewählt worden. Der
Rückzug sollte in mehreren Etappen vorgenommen werden, von denen die
erste in Linie: französische
Nied - Baronweiler - Rodalben -
Burgaltdorf - Bessingen -
Kuttingen - Saarburg -
Lützelburg verlief. Über diese Linie hinaus ist die Armee nicht
zurückgegangen.
[167] Während der 6. Armee am 14. August
diese Weisungen zugingen, wurde der 7. Armee befohlen, ohne Verzug an den
linken Flügel der 6. Armee heranzurücken; ihre Aufgabe sei es, die
befestigte
Breusch-Stellung zu halten und einen feindlichen Durchbruch beiderseits der
mittleren Vogesen bei
Saarburg - Pfalzburg und westlich Molsheim unbedingt zu
verhindern.
[167]
Skizze 3: Schlacht in den Vogesen und in Lothringen
(20. bis 27. August 1914).
|
Inzwischen hatte die französische 2. Armee am 14. August ihren
Vormarsch begonnen. Deutsche Flieger stellten lange feindliche Kolonnen im
Anmarsch aus Gegend südöstlich Nancy in allgemeiner Richtung
Château Salins, nördlich und östlich des Forts Manonviller,
sowie in Richtung Blâmont fest. Gleichzeitig besetzte der Gegner in den
Vogesen den Donon und ging mit einer bis zwei Divisionen im
Breusch-Tal sowie gegen Steige und Urbeis vor. Das Vorgehen der Franzosen
erfolgte aber derart zögernd und tastend, daß ein
Zurücknehmen der deutschen Truppen an diesem Tage noch nicht in Frage
kam. Nur das weit vorgeschobene I. bayerische Armeekorps ging schrittweise mit
dem linken Flügel auf [168] Saarburg in Lothringen zurück. Das I.
bayerische Reservekorps wurde mit einer Division zwischen dem XXI. und dem I.
bayerischen Armeekorps eingeschoben.
Auch am 15. August kam der französische Vormarsch kaum
vorwärts; die deutsche Grenze wurde noch nicht überschritten. Der
Antransport der 7. Armee in den ihr vorgeschriebenen Raum machte weitere
Fortschritte. Auf eine erneute Weisung der Obersten Heeresleitung, hinter die
Saar zurückzugehen, beschloß Kronprinz Rupprecht, am 16. August
die Ausweichbewegung zu beginnen. In seinem Befehl an die 6. Armee wurde
aber zum Ausdruck gebracht, daß der Abmarsch derart einzurichten sei,
daß ein Kehrtmachen bei verändertem Verhalten des Gegners sofort
möglich sei. Die Divisionen des Höheren Kavalleriekommandeurs 3
sollten sich auf dem rechten Armeeflügel zusammenziehen.
Aus dieser Anweisung geht klar hervor, daß der Rückzugsbefehl nur
widerwillig und mit halbem Herzen, auf Anordnung durch die Oberste
Heeresleitung, gegeben wurde; es bedurfte offenbar nur einer geringen
Änderung der Lage, um das Armeeoberkommando zu einem anderen
Entschluß zu bringen. Diese Lage trat bald ein. Die Loslösung vom
Feinde hatte sich am 16. August ohne Schwierigkeiten vollzogen. Der Gegner
folgte ebenso zögernd und langsam wie bisher. In der Mitte der Front
näherte er sich Dieuze, ohne jedoch die Stadt zu besetzen; auf dem linken
Flügel blieb er mit dem Gros am
Rhein - Marne-Kanal stehen. Das Verhalten der Franzosen sah
wahrlich nicht nach einer entscheidungsuchenden Offensive aus, eher mußte
man mit einer großen Demonstration rechnen. Jedenfalls wurden die Geduld
und die Nerven der deutschen Führer und Truppen durch das tastende
Vorgehen des Feindes, sein immer wiederholtes Sicheingraben auf eine schwere
Probe gestellt; immer mehr empfanden die Deutschen es als eine Schmach, vor
einem solchen Feinde zurückgehen zu müssen. Unter dem Eindruck
dieser Stimmung teilte daher das Armeeoberkommando 6 am 16. August der
Obersten Heeresleitung seine Absicht mit, den Rückzug einzustellen;
Klarheit sei nur durch Kampf zu gewinnen; es wolle angreifen, nachdem am 18.
August der Aufmarsch der 7. Armee beendet sei. Die 6. Armee erhielt Befehl, in
der als erste Etappenstellung bezeichneten Linie Halt zu machen. Das rechte
Flügelkorps der 7. Armee (XIV.) schloß an den linken Flügel
des I. bayerischen Armeekorps bei Saarburg in Linie
Rieding - St. Louis an. Auch am 17. August schoben sich die
Franzosen nur wenig an die deutschen Stellungen heran; Dieuze wurde besetzt.
Von der 7. Armee stand das XV. Armeekorps an diesem Tage um Wasselnheim,
das XIV. Reservekorps zwischen der Breusch und Linie
Barr - Erstein. Die Oberste Heeresleitung teilte mit, daß am
18. August der Vormarsch der 1. bis 5. Armee planmäßig beginne;
Aufgabe der 6. und 7. Armee bleibe Schutz der linken Flanke des Heeres. Die
französische Hauptoffensive erfolge nicht durch Lothringen. Durch einen
Abgesandten ließ Generaloberst v. Moltke das deutsche Oberkommando
davor warnen, sich in Abenteuer einzulassen; einen [169] weiteren Einfluß übte die Oberste
Heeresleitung auf die Entschlußfreiheit des Kronprinzen Rupprecht nicht
aus.
Die Nachricht, daß der Hauptangriff der Franzosen nicht gegen die 6.
Armee erfolge, bestärkte das Oberkommando dieser Armee nur in seiner
Absicht, nunmehr seinerseits ebenfalls zum Angriff überzugehen; vorher
aber sollte die 7. Armee noch näher an den linken Flügel der 6.
Armee heranrücken sowie das Eintreffen von drei
Ersatz-Divisionen, die dem Armeeoberkommando zur Verfügung gestellt
worden waren, auf dem rechten Flügel abgewartet werden. Der 7. Armee
wurde mitgeteilt, daß sie den Entscheidungsflügel bilde; zu diesem
Zweck habe sie mit starken Kräften durch die Zaberner Senke und das
Breusch-Tal vorzugehen; das linke Flügelkorps der 6. Armee (I.
bayerisches Armeekorps) werde ihr unterstellt. Die 7. Armee beließ
daraufhin das XIV. Armeekorps in seiner Stellung
Rieding - St. Louis; das durch die Märsche stark
ermüdete XV. Armeekorps sollte am 18. und 19. August die Vogesen
überschreiten und über Dagsburg auf Hochwalsch vorgehen. Weiter
südlich endlich sollte das durch Ersatzformationen verstärkte XIV.
Reservekorps am 18. August aus Linie
Molsheim - Andlau - Triembach antreten, das
Breusch-Tal queren und über den Donon in die Schlacht eingreifen, die
Garde-Ersatz-Division bei Zabern die Armeereserve bilden. Die dem XV.
Armee- und dem XIV. Reservekorps gestellten Aufgaben waren
außerordentliche; die Geländeschwierigkeiten waren so groß,
daß die gesteckten Ziele kaum in der erwarteten Zeit erreicht werden
konnten, selbst wenn feindlicher Widerstand dabei nicht in Rechnung gestellt
wurde.
Auch am 18. August kam es, infolge des methodischen Vorgehens der Franzosen
vor der Front der 6. Armee nur beim XXI. und I. bayerischen Reservekorps zu
Gefechtshandlungen, die günstig für die Deutschen verliefen. Nach
dem Einrücken des halben I. bayerischen Reservekorps zwischen XXI. und
I. bayerischen Armeekorps standen nunmehr die Korps der 6. Armee (III.
bayerisches, II. bayerisches, XXI. Armeekorps, 1. bayerische
Reserve-Division, I. bayerisches Armeekorps) sowie das XIV. Armeekorps der 7.
Armee in geschlossener Front dem Feinde gegenüber. An Reserven stand
außer den
Kavallerie-Divisionen des Höheren Kavalleriekommandeurs 3 nur die 5.
bayerische
Reserve-Division (I. bayerisches Reservekorps) bei Wiebersweiler hinter dem
linken Flügel. Die drei
Ersatz-Divisionen (10., 4. und 8.) hinter dem rechten Armeeflügel waren
größtenteils noch im Anmarsch.
So standen am 19. August die deutschen Armeen, in großem Bogen von
Norden und Osten her den Feind umklammernd, kampfbereit da: die 6. Armee in
breiter, dünner Front, voll entwickelt, jedes Armeekorps in einer
Ausdehnung von 12 bis 15 Kilometern, dahinter nur spärliche Reserven.
Die 7. Armee in beginnendem Vorgehen auf die schwierigen
Vogesen-Höhen, in den engen Tälern eingeklemmt, die Enden der
Kolonnen noch weit zurück. Die Franzosen waren an zwei Stellen, bei
Saarburg und nördlich Dieuze, zu den ersten artilleristischen [170] Angriffsvorbereitungen übergegangen,
an allen übrigen Frontabschnitten befanden sie sich noch in
tiefgegliedertem Anmarsch. Abgesehen von Patrouillenvorstößen,
hatte der Infanterieangriff noch nirgends ernsthaft begonnen. Aber aus der starken
Anhäufung und Staffelung von Kräften auf dem Ostflügel war
die Absicht der französischen Armeeführung klar erkennbar:
Fortsetzung der Angriffsbewegung.
Am 19. August abends erließ Kronprinz Rupprecht den Angriffsbefehl
für den folgenden Tag; danach sollte am frühen Morgen die 6.
Armee gleichzeitig und überraschend aus ihrer bisherigen
Verteidigungsstellung vorbrechen, rechter Flügel auf Delme, hier auch die
8. und Bayerische
Kavallerie-Division und die herangezogene Hauptreserve Metz. Die 7. Armee mit
unterstelltem I. bayerischen Armeekorps sollte gegen die rechte Flanke und
Rücken des Feindes vorgehen.
Und die Kräfteverteilung beim Gegner? Von der französischen 1.
Armee (Dubail) standen das XIV. Armeekorps und eine Division des XXI.
Armeekorps in Linie
Urbeis - Breusch-Tal, der Rest des XXI. Armeekorps vom Donon
bis St. Quirin, das VIII. Armeekorps in Linie
Bühl - Saarburg - Zittersdorf, das XIII. Armeekorps
und eine gemischte
Kolonial-Brigade als Armeereserve zwischen Alberschweiler und Hessen.
Zwischen linkem Flügel der 1. und rechtem Flügel der 2. Armee
stellte das Kavalleriekorps Conneau (2., 6. und 10.
Kavallerie-Division) um Dianenkappel die Verbindung her. Von der 2. Armee
(Castelnau) standen das XVI. Armeekorps im Raum
Bisping - Angweiler, das XV. Armeekorps nördlich der Linie
Zemmingen - Oberlinder - Dieuze, das XX. Armeekorps
(Foch) mit den Anfängen in Linie
Pevingen - Château Bréhain - Oron. Die linke
Flanke der 2. Armee war durch
Reserve-Divisionen gedeckt.
Zahlenmäßig hielten sich demnach die Gegner ungefähr die
Waage; auf deutscher Seite 8 Armeekorps, 3
Ersatz-Divisionen, 3 Kavallerie-Divisionen, gegenüber 7 Armeekorps, 3
Reserve-Divisionen, 1 Kolonial-Brigade und 3
Kavallerie-Divisionen auf französischer Seite.
Der Entschluß des bayerischen Kronprinzen zum rücksichtslosen
Angriff gegen gleich starke Kräfte, in die Ungewißheit hinein, war
stark und kühn; er war gerechtfertigt durch das Vertrauen, das der deutsche
Heerführer in den Angriffsgeist seiner Truppen und die
Überlegenheit der taktischen Führung setzte. In diesem Vertrauen ist
er auch nicht getäuscht worden. Wie eine Sturmflut brachen in den
frühen Morgenstunden die deutschen Truppen aus ihren Stellungen vor,
trefflich unterstützt durch die feuerbereit dastehende Artillerie; endlich frei
der Fesseln, in die sie der
Verteidigungs- und Rückzugsbefehl bisher geschlagen hatte, warfen sich
Bayern, Preußen und Badener jauchzend auf den überraschten Feind.
Der Stoß traf die Franzosen in einer Verfassung, die kaum als kampfbereit
bezeichnet werden kann; ihre Artillerie befand sich größtenteils noch
weit hinten in den Marschkolonnen, die Gros der Divisionen waren vielfach noch
weit zurück. [171] So gestaltete sich die Schlacht zu einer
großen Zahl einzelner Begegnungsgefechte, Division gegen Division,
Kolonne gegen Kolonne; in diesem Kampfverfahren waren die Deutschen den
Franzosen entschieden überlegen. Die Folgen zeigten sich bald. Trotz
tapferster Gegenwehr der zunächst angefallenen Teile geriet die
Gefechtsführung auf französischer Seite bald in Unordnung. Ohne
genügende Unterstützung ihrer Artillerie mußte die
französische Infanterie nach kurzer Zeit den Rückzug antreten.
Bereits in den Mittagsstunden gab General Castelnau den Kampf verloren; er wies
seinen Korps als allgemeine Rückzugsrichtung die Linie St. Nicolas du
Port - Dombasle - Lunéville an. Auch der linke
Flügel der französischen 1. Armee, das VIII. Armeekorps;
mußte Saarburg räumen; der Donon ging an das XIV. Reservekorps
verloren; an den übrigen Stellen gelang es aber dieser (1.)
französischen Armee, den deutschen Vormarsch aufzuhalten, vor allem
dem XV. Armeekorps den Austritt aus dem Gebirge östlich Alberschweiler
zu
verwehren. - Am Abend des 20. August erreicht die deutsche 6. Armee die
Linie Delmer
Rücken - Gerbécourt (nördlich Château
Salins) - Dürkastel - Dieuze - Saarburg -
Hochwalsch.
Das Armeeoberkommando 6 hatte am Abend des Schlachttages richtigerweise den
Eindruck eines großen taktischen Erfolges, aber nicht den eines
entscheidenden Sieges. Darauf deutete schon die nicht sehr hohe
Gefangenen- und Beutezahl (etwa 10 000 Mann und wenige
Geschütze). Die beabsichtigte Umfassung durch die 7. Armee war nicht
geglückt; im Gegenteil, die Franzosen hielten in den Vogesen zähe
stand. So gab, abweichend von der bisherigen Absicht, Kronprinz Rupprecht als
weitere Richtlinie für die nächsten Tage aus: Fortsetzung des
Angriffs durch die 6. Armee, Einschwenken gegen Flanke und Rücken des
der 7. Armee gegenüberstehenden Feindes. Die Oberste Heeresleitung
stimmte dieser Absicht zu.
Am Abend des 21. August erreichte der rechte Flügel der 6. Armee in der
Verfolgung des in eiligem Rückzug befindlichen Feindes das
Südufer der Seille, der linke Flügel gelangte bis Avricourt und nahm
die unzerstörten Brücken des
Rhein - Marne-Kanals in Besitz. Gegenüber der 7. Armee
blieb die Lage im allgemeinen noch unverändert. Für den 22. August
wurde dem rechten Flügel der 6. Armee als Verfolgungsziel
Lunéville, unter Sicherung gegen Nancy, vorgeschrieben, dem linken
Flügel (I. bayerisches Reservekorps) Baccarat.
Während an diesem Tage der rechte Armeeflügel sein Marschziel
erreichte - Lunéville wurde vom XXI. Armeekorps nach Kampf
besetzt -, stieß das I. bayerische Reservekorps südlich
Avricourt auf heftigen Widerstand. Diese Gegenwehr sowie das Feuer des Forts
Manonviller hemmten die deutsche Verfolgung so lange, bis der linke
Flügel der 1. französischen Armee seinen Rückzug aus den
Vogesen bewerkstelligt hatte. Zwar gelangten die deutschen Kräfte am
Abend bis zur Linie
Blâmont - Cirey; das Hauptziel der Operation, Einkesselung
des linken Flügels der 1. französischen Armee, war aber nicht mehr
zu erreichen; [172] es kam nur noch zu einem frontalen
Nachdrängen, das sich infolge der erklärlichen Ermüdung der
deutschen Truppen und der geschickten Verteidigung der Franzosen von Tag zu
Tag verlangsamte und Ende August in der allgemeinen Linie Doncières
(nördlich Rambervillers) - Raon
l'Etape - Etival - St. Dié -
St. Léonard erlahmte.
Nach Einnahme von Lunéville wurde vom Armeeoberkommando 6 auf
dem rechten Armeeflügel aus dem III. bayerischen Armeekorps und der 4.
und 10.
Ersatz-Division eine besondere Kampfgruppe gebildet, mit dem Auftrage, in Linie
Manhoué - Maixe die Deckung gegen Nancy zu
übernehmen. Das II. bayerische Armeekorps, das XXI. Armeekorps und die
Bayerische und 8.
Kavallerie-Division sollten die Verfolgung in südlicher Richtung
fortsetzen; Teile des I. bayerischen Reservekorps wurden zur Wegnahme des
Forts Manonviller bestimmt. Auch die Oberste Heeresleitung befahl, den
Wünschen des Armeeoberkommandos nachgebend, kräftigste
Fortsetzung der Verfolgung nach Süden, um den Feind möglichst
gegen die Vogesen und das deutsche XIV. Reservekorps zu drücken. So
war es die Oberste Heeresleitung, die am 23. August die Fortsetzung der
Verfolgung forderte. Sie allein war imstande, zu beurteilen, ob nicht im Sinne der
allgemeinen Lage jetzt stärkere Kräfte aus Lothringen dem rechten
deutschen Heeresflügel zugeführt werden mußten. Allerdings
hoffte Armeeoberkommando 6 noch immer, stärkere französische
Kräfte nach Osten abzudrängen und zu vernichten. Leider sollte es
dazu nicht kommen.
Dem II. bayerischen und XXI. Armeekorps wurden für den 24. August
weitgehende Verfolgungsziele gesteckt; bedenklich war hierbei, daß der
Vormarsch in der rechten Flanke vom westlichen
Mosel-Ufer und aus dem Brückenkopf bei Bayon, in der linken Flanke vom
Fort Manonviller her stark bedroht wurde. Auf engem Raum
zusammengedrängt, mußten sich die deutschen Korps nach
Süden vorbewegen und dabei die Meurthe und Mortagne
überwinden; ihre rückwärtigen Verbindungen erschienen
gefährdet. Nur wenn das Fort Manonviller bald zu Fall gebracht wurde,
stellte sich eine Besserung der Lage ein. Gelang der deutsche Vorstoß nach
Süden, dann allerdings liefen die französischen Kräfte der 1.
und 2. Armee Gefahr, in zwei Teile zersprengt zu werden. Dies wurde auch von
der französischen Oberleitung erkannt. Sie setzte daher am 25. August zu
einem kräftigen Gegenstoß von Rambervillers bis zur Seille an. Das
II. bayerische Armeekorps, von Nordwesten, Westen und Südwesten
angegriffen, mußte gegen die Mortagne und später die Meurthe
zurückweichen; dem XXI. Armeekorps gelang es zwar, den Feind von sich
abzuschütteln und sogar mit seiner linken Kolonne bis Xaffervillers
vorzukommen; auch das I. bayerische Armeekorps wies feindliche Angriffe ab.
Der Druck der Franzosen aus den Befestigungen von Nancy gegen die
Kampfgruppe des III. bayerischen Armeekorps sowie die Angriffe gegen das II.
bayerische Armeekorps übten aber auch am 26. August einen hemmenden
Einfluß auf die Bewegungen der 6. Armee aus. [173] Erst als am 27. August Fort Manonviller, durch
42-cm-Mörser zusammengeschossen, fiel, war die Hauptgefahr beseitigt;
der Nachschub nach dem rechten Flügel konnte wieder einsetzen, die
Widerstandskraft der deutschen Truppen gehoben werden. Nach den an diesem
Tage erlassenen Weisungen der Obersten Heeresleitung sollte die 6. Armee, der
auch die Festung Metz unterstellt wurde, dem zurückweichenden Gegner
folgen, dazu mit dem gleichfalls unterstellten Höheren
Kavalleriekommandeur 3 die Mosel zwischen Toul und Epinal
überschreiten und in allgemeiner Richtung auf Neufchâteau
vorgehen;
Nancy - Toul sollten abgeschlossen, gegen Epinal sollte gesichert
werden, und die 7. Armee in diesem Falle zwei Armeekorps an die 6. Armee
abgeben. Der 7. Armee blieb der Schutz des Elsaß als Aufgabe.
Der Auftrag konnte von der 6. Armee nicht ausgeführt werden. Trotz der durch
den Fall von Manonviller erzielten fühlbaren Erleichterung gelang es der 6.
Armee nicht mehr, weiter Boden zu gewinnen; die Verfolgung war hier
endgültig zum Stehen gebracht. In der am 27. August eingenommenen
Linie: östlich
Nancy - Gerbéviller - Xaffervillers -
Bazien - Menil - südlich Raon
l'Etape - St. Dié - St. Léonard
verblieben die 6. und 7. Armee mit dem Gegner in dauernder Fühlung bis
zum Beginn der Abbeförderung auf andere Kriegsschauplätze.
Blutige Kämpfe waren durchfochten, glänzende Siege erstritten,
schwere Opfer gebracht, ein großes Stück feindlichen Gebiets war in
deutschen Besitz gelangt. Aber gegen die in ihrer Widerstandskraft wohl
unterschätzten starken Befestigungsanlagen und Abschnitte hatte der
deutsche Ansturm, trotz aller hingebenden Tapferkeit der deutschen Truppen, den
erstrebten Durchbruch über die obere Mosel nicht erzwingen
können.
5. Armee. Schlacht bei Longwy und Verfolgung bis
zur Maas.
Die deutsche 5. Armee - unter dem Oberbefehl des Deutschen
Kronprinzen - schloß aus ihrem Aufmarschraum am 15. und 16.
August östlich der Linie
Bettemburg - Diedenhofen - Metz auf, mit V., XIII. und XVI.
Armeekorps in erster, V.
Reserve- und VI. Reservekorps in zweiter Linie. Am 18. August begann der
Vormarsch, der die Armee in scharf nordwestlicher Richtung bis zum 20. und 21.
August in die Linie Etalle (westlich Arlon) V.
Armeekorps - Châtillon XIII.
Armeekorps - Thil (westlich Esch) VI.
Reservekorps - Ruxweiler - Arsweiler (nordwestlich
Diedenhofen) XVI. Armeekorps das V. Reservekorps mit Anfang bis
Körrich (östlich Arlon) führte. Am 21. August begann die
Einschließung und Beschießung von Longwy (Skizze 4).
Die unter dem Befehl des Höheren Kavalleriekommandeurs 4 stehenden
Kavallerie-Divisionen - 3. und
6. - klärten vor der Front der 5. Armee seit Anfang August
gegen die Linie
Longuyon - Conflans auf. Außer der Besetzung von Longwy
und Montmédy war eine befestigte Stellung hinter dem
Othain-Abschnitt gemeldet worden. Mit Beginn des Vormarsches der 5. Armee
trat [174] der Höhere Kavalleriekommandeur 4
unter den Befehl des Armeeoberkommandos 5; die 3.
Kavallerie-Division zog sich allmählich auf den rechten, die 6.
Kavallerie-Division auf den linken Armeeflügel und machten die Front
frei. - Erst der 21. August brachte einigermaßen Klarheit über
die feindlichen Absichten:
[174]
Skizze 4: Schlacht bei Longwy
(22. August 1914)
|
Die französische 3. Armee war in vollem Vormarsch aus dem Raume von
Verdun über den Othain und Maas abwärts über die Linie
Longuyon - Montmédy in allgemein nördlicher
Richtung. Es bestand die Gefahr, daß der linke Flügel dieser Armee
sich zwischen die deutsche 5. und die rechts vorwärts gestaffelt vorgehende
4. Armee schob, die letztere in ihrer linken Flanke bedrohend, daß ferner die
rechte Hälfte der durch Longwy in zwei Gruppen geteilten 5. Armee
vereinzelt ge- [175] schlagen, während die linke
Armeehälfte am
Crusnes - Serre- und Othain-Abschnitt fest- und ferngehalten wurde.
Das Armeeoberkommando 5 glaubte dieser Gefahr am besten durch Angriff in
südlicher und südwestlicher Richtung beiderseits Longwy begegnen
zu können. Da das V. Armeekorps aus Gegend Etalle in südlicher
Richtung auf Virton vorgehen sollte, übernahm das linke Flügelkorps
der 4. Armee, das VI. Armeekorps, durch Vormarsch aus Gegend l'Eglise
(südöstlich Neufchâteau) in Richtung Rossignol den Schutz
des rechten Flügels der 5. Armee.
Am 22. August stießen die französische 3. und die deutsche 5. Armee
zusammen. Dank der stürmischen Tapferkeit aller Truppen endete der Tag
mit einem vollen Erfolg für die Deutschen. Auch hier kam es infolge des zu
durchschreitenden schwierigen und stark bewaldeten Geländes für
die einzelnen Korps zu getrennten Kampfhandlungen. Das VI. Armeekorps warf
seinen Gegner über die Linie
Rossignol - St. Vincent - Belle Fontaine zurück.
Das V. Armeekorps kämpfte siegreich nördlich Virton, das XIII.
Armeekorps nördlich Tellaucourt, das VI. Reservekorps in Linie
Cons - La Grandville - Leix, das V. Reservekorps, das
aus Gegend südöstlich Arlon über
Esch - Crusnes zwischen das VI.
Reserve- und XVI. Armeekorps vorgezogen wurde, bei Bazailles und
Joppécourt, das XVI. Armeekorps bei
Bondrezy - Xivry. Am Morgen des 23. August stand die 5. Armee
etwa in Linie: Meix devant
Virton - Landres, die 3.
Kavallerie-Division südwestlich Etalle auf dem
Nord-, die 6. Kavallerie-Division auf dem Südflügel bei Landres.
Fünf Landwehrbrigaden, die anfänglich in der
Nied-Stellung an der Abwehr des französischen Angriffs in Lothringen
hatten mitwirken sollen, aber dort nach der Lothringer Schlacht nicht mehr
nötig waren, befanden sich im Vormarsch über Briey und Metz auf
den linken Flügel der Armee; die Hauptreserve der Festung Metz, die 33.
Reserve-Division, sollte ebenfalls in dieser Richtung vorgezogen werden.
Entsprechend der Weisung der Obersten Heeresleitung: den geschlagenen Gegner
in westlicher Richtung von Verdun abzudrängen, gab das
Armeeoberkommando 5 für den 23. August den Verfolgungsbefehl, der
dem V. Armeekorps ein Zusammenwirken mit dem linken Flügelkorps der
4. Armee (VI.) aufgab und dem XIII.
Armee-, VI. Reserve- und XVI. Armeekorps die
Othain-Linie von Marville bis Spincourt als Ziel bestimmte. Das V. Reservekorps
sollte zunächst stehen bleiben. Am 23. August warf das VI. Armeekorps
seinen Gegner erneut zurück, das V. Armeekorps blieb im allgemeinen
stehen, vom XIII. Armeekorps erreicht der linke, vom VI. Reservekorps der rechte
Flügel Longuyon, das XVI. Armeekorps drängte den Feind bei
Nouillon Pont und Spincourt hinter den Othain. Drei
Landwehr-Brigaden (9. bayerische, 13. und 53.) erreichten am Abend des 23.
August Briey, zwei andere (43. und 45.) Landres, die 33.
Reserve-Division Conflans - Mars la Tour. Auf den linken
Armeeflügel wurde nun auch die 3.
Kavallerie-Division aus Gegend nordwestlich Arlon befohlen.
[176] Am 24. August sollte die Othain-Linie durch
Vorgehen des V. und XIII. aktiven, VI.
Reserve- und V. Reservekorps frontal über den
Crusnes-Abschnitt des XVI. Armeekorps mit unterstellter 33.
Reserve-Division und den fünf Landwehr-Brigaden durch umfassenden
Angriff über Linie Nouillon
Pont - Amel erzwungen werden.
Während das linke Flügelkorps der 4. Armee (VI. Armeekorps) am
Abend des 24. August die Linie
Puilly - Herbeuval (südöstlich Carignan) erreichte,
überschritt das V. Armeekorps unter Kampf den Chiers bei Charency, das
XIII. Armeekorps und VI. Reservekorps erzwangen sich bei Longuyon und
Arrancy das südliche
Crusnes-Ufer; das V. Reservekorps warf den Gegner über die Straße
Longuyon - Spincourt zurück, und das XVI. Armeekorps
erreicht die Linie Nouillon
Pont - östlich und südöstlich
Spincourt - Domremy. Dem zusammengestellten Korps Oven
(fünf
Landwehr-Brigaden und 33. Reserve-Division) gelang es, mit dem rechten
Flügel am Abend des 24. August Eton zu nehmen, mit der 33.
Reserve-Division Rouvres und Etain kämpfend zu erreichen, als ein
feindlicher Gegenangriff aus südwestlicher Richtung gegen den
Orne-Abschnitt Warcq - Etain die linke Flanke der 33.
Reserve-Division erheblich bedrohte. Die zu ihr gehörige 8. bayerische
Infanterie-Brigade machte hiergegen Front, die 43. und 45.
Landwehr-Brigade sowie die 6. Kavallerie-Division wurden östlich der
bayerischen Brigade eingesetzt. Am Abend schien infolge dieser Maßregel
die Flankenbedrohung beseitigt und die Fortsetzung des Angriffs für den
25. August zur Öffnung der
Othain-Linie möglich. Dementsprechend ergingen auch die Anordnungen
des Armeeoberkommandos.
Der 25. August brachte für den linken Armeeflügel die Krise. Zwar
war durch Einsatz der 43. und 45.
Landwehr-Brigade der Feind wieder über den
Orne-Abschnitt zurückgeworfen; es erschien aber zweifelhaft, ob die
Flankenbedrohung auf die Dauer abgewehrt werden könne.
Beeinflußt durch eine mißverstandene Nachricht des
Armeeoberkommandos über eine ungünstige Lage auf der
übrigen Armeefront beschloß der kommandierende General des XVI.
Armeekorps am 25. August gegen Mittag, den Angriff seines Korps, das mit dem
linken Flügel den Othain bereits überschritten hatte, anzuhalten. Der
34.
Infanterie-Division sowie dem Korps Oven wurde befohlen, vor dem Druck des
überlegenen Gegners in eine zurückgebogene Flankenstellung
Haucourt - Landres - Maisy auszuweichen. Diese neue
Stellung wurde in der Nacht vom 25./26. August erreicht. Der Gegner folgte
nicht!
Er hatte seinen Zweck erreicht, seinen vor der Front der 5. deutschen Armee
fechtenden Teilen den ungestörten Rückzug hinter die Maas zu
ermöglichen. Durch die sehr geschickt verwendeten Nachhuten des
Gegners aufgehalten, kamen auch die Korps in der Mitte der 5. Armee nur
langsam vorwärts; am Morgen des 26. August war die Linie
Vittarville - Merles - Mangiennes - Nouillon
Pont - Spincourt - Landres erreicht. Der Feind war in vollem
Rückzug hinter die Maas, auf dem linken Armeeflügel [177] bestand keine Fühlung mehr mit dem
Gegner. Die Verfolgung wurde am nächsten Tage aufgenommen. Der
Armee wurden durch Weisung der Obersten Heeresleitung vom 28. August weite
Marschziele gesteckt: Vorgehen über Linie
Châlons - Vitry le François.
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Da das V. Armeekorps schon am 26. August aus der Front herausgezogen und
nach Diedenhofen zwecks Abtransports nach dem Osten in Marsch gesetzt
worden war, trat auf Befehl der Obersten Heeresleitung das VI. Armeekorps der 4.
Armee zur 5. Armee über. Beim weiteren Vormarsch mußte das V.
Reservekorps zur Abschließung der
Ost- und Nordostfront von Verdun zurückgelassen werden. Mit der Masse
erreichte die Armee am 29. August den Maasabschnitt von Stenay bis Sivry. Am
31. August gelang es dem rechten Armeeflügel, bei Stenay und Dun
kämpfend die Maas zu überschreiten.
Hinter der Armeefront vollzog sich am 26. und 29. August das Schicksal der
Festungen Longwy und Montmédy. Longwy ergab sich am 26. August
nach tapferer Gegenwehr, nachdem die Oberstadt völlig durch
21-cm-Mörser und schwere Feldhaubitzen in Trümmer gesetzt und
niedergebrannt war. Der Kommandant von Montmédy räumte am
29. August vor der Einschließung den Platz: die Besatzung wurde aber beim
Rückzug angegriffen und fast ganz vernichtet oder gefangen
genommen.
4. Armee. Schlacht bei Neufchâteau und
Verfolgung bis zur Maas.
Die 4. Armee - unter dem Oberbefehl des Herzogs Albrecht von
Württemberg - aus dem VIII. und XVIII. Armeekorps, XVIII. und
VIII. Reservekorps und IV. Armeekorps
bestehend - vollzog ihren Aufmarsch im Großherzogtum Luxemburg,
das zur Sicherung der auch im Frieden unter deutscher Verwaltung stehenden
Eisenbahnen nebst seiner Hauptstadt bereits am 2. August durch die 16.
Infanterie-Division besetzt worden war, ferner in dem Raum um Trier und
Saarburg i. Rh. Bis zum 17. August schlossen die Korps in der angeführten
Reihenfolge vom rechten zum linken Flügel in sich auf, um am 18. August,
zugleich mit der 5. Armee, sich der Vorwärtsbewegung des rechten
Heeresflügels anzupassen.
Der Vormarsch ging, mit dem rechten Flügel (VIII. Armeekorps)
über
Bastogne - St. Hubert, mit dem XVIII. Armeekorps über
Villance - Maissin, dem XVIII. Reservekorps über Libramont,
dem VIII. Reservekorps über Neufchâteau, dem linken
Flügelkorps (VI. Armeekorps) über Attert (nördlich Arlon) auf
l'Eglise ohne wesentliche Stockungen vor sich. Nördlich
Neufchâteau warf das XVIII. Reservekorps am 20. August
französische Heereskavallerie zurück.
Inzwischen war aber auch der Gegner zum Angriff angetreten; während die
französische 3. Armee aus dem Raume von Verdun über den Othain
und die Linie
Longuyon - Montmédy vormarschierte, trat die links
anschließend sich bis [178] Charleville ausdehnende französische 4.
Armee (de Langle de Cary) den Vormarsch durch die Ardennen über den
Semois an. Ihre Aufgabe lautete: Bedrohung der rückwärtigen
Verbindungen des deutschen rechten Heeresflügels und Schutz der rechten
Flanke der weiter westlich vordringenden 5. Armee an der Maas südlich
Givet. Nur wenn es ihr gelang, genügend weit nach Nordosten Boden zu
gewinnen und den ihr gegenüber befindlichen Gegner zu schlagen, konnte
sie ihre Aufgabe erfüllen; nur dann vermochte die französische 5.
Armee ihrem schwierigen Auftrage gerecht zu werden, sowohl an der Maas wie
an der Sambre die deutsche 3. und 2. Armee genügend lange
auf- und festzuhalten, bis der Aufmarsch der englischen Armee beendet war.
Auf die Nachricht vom französischen Vormarsch in nordöstlicher
Richtung schwenkte die deutsche 4. Armee ihr Vorgehen halblinks und
stieß so der mit vorwärts gestaffeltem linken Flügel
marschierenden französischen 4. Armee fast auf der ganzen Front von
rechts vorwärts in die Seite. Hieraus entwickelte sich am 22. August die
Schlacht von Neufchâteau. Dem linken Flügelkorps (VI.
Armeekorps) wurde auf Ansuchen des Armeeoberkommandos 5 der Schutz des
rechten Flügels dieser Armee übertragen (s. Seite 175); es stieß
hierzu am 22. August aus Gegend L'Eglise in südlicher Richtung auf
Rossignol und Tintigny vor und erkämpfte hier einen unbestreitbaren Sieg.
Die Masse der deutschen 4. Armee traf am gleichen Tage in der allgemeinen Linie
Graide - Neufchâteau auf den Feind. Schon am Abend dieses
Tages war das Übergewicht der deutschen Truppen und Führung klar
erkennbar; als dann am 23. August das rechte Flügelkorps (VIII.
Armeekorps), über Gedinne ausholend, bis Houdremont gelangte, zugleich
auch im Zentrum der Widerstand der Franzosen zusammenbrach und die
Hiobsbotschaft von der Niederlage bei
Rossignol - Tintigny beim französischen
Armeeoberkommando eintraf, befahl General de Langle den Rückzug
hinter den Semois und später hinter die Maas.
Die nächsten Tage führten die deutsche 4. Armee in der Verfolgung
über den Semois; die Ausgänge aus den Ardennen wurden
erkämpft und am 25. August die Maas in Linie
Sedan - Martincourt (nördlich Stenay) erreicht. Hier stellte
sich die Armee de Langle, die sich von ihrer Niederlage im
Semois-Becken verhältnismäßig rasch erholt hatte, auf dem
linken
Maas-Ufer in vorzüglichen Höhenstellungen der deutschen 4. Armee
wieder zur
Schlacht. - Am 27. August, vormittags, kam es auf dem schon 1870 von
Blut getränkten Gelände beiderseits Sedan zu außerordentlich
schweren Kämpfen. Der Übergang über die Maas wurde bei
Donchery vom VIII. Armeekorps erkämpft, aber erst nach mehrfachen
Rückschlägen und Krisen gelang es ihm, die Höhen des linken
Maas-Ufers südlich Donchery - Sedan zu gewinnen, ohne aber
zunächst weiter Boden gewinnen zu können. Auch Mitte und linker
deutscher Flügel der 4. Armee kämpften mit wechselndem
Glück.
Die Absicht der rechts anschließenden 3. deutschen Armee, am 28. August
[179] durch den Vormarsch ihres linken
Flügels in Richtung le
Chesne - Chéméry den rechten Flügel der 4.
Armee zu entlasten, konnte zunächst nicht verwirklicht werden, da die 3.
Armee auf besondere Weisung der Obersten Heeresleitung in mehr
südwestlicher Richtung weitermarschieren sollte. Dann aber
entschloß sich das Armeeoberkommando 3 am 28. August doch,
abweichend von der Weisung der Obersten Heeresleitung, mit seinem linken
Flügelkorps (XIX.) der 4. Armee zu Hilfe zu kommen. Durch
Abschwenken von Thin le Moutier auf
Poix-Terron, das am 29. August erreicht wurde, vermochte das
Armeeoberkommando 3 zweifellos einen starken Druck auf den dem rechten
Flügel der 4. Armee gegenüberstehenden Gegner auszuüben.
Unter diesem Zwang war am 29. August der Gegner vor der 4. Armee in vollem
Rückzuge; die 3. Armee wurde aufgefordert, dem über
Vendresse - Busancy auf Attigny - Grand Pré
weichenden Feinde den Rückzug zu verlegen.
Schon am 28. August war durch Weisung der Obersten Heeresleitung der 4.
Armee als ferneres Marschziel die Linie
Reims - Epernay gewiesen; das VI. Armeekorps trat zur 5. Armee
über.
In der Verfolgung des Gegners wurde am 31. August die Linie
Lametz - le Chesne - St.
Pierremont - Vaux erreicht. Das Fort des Ayvelles war am 28.
August nach kurzem Versuch der Gegenwehr gefallen.
21-cm-Mörser durchschlugen alle Gewölbe; der Kommandant wollte
die Besatzung zum Aushalten zwingen; als er dies nicht erreichte, erschoß
er sich. Deutsche Pioniere ehrten ihn durch Errichtung eines einfachen Denkmals.
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