Bd. 1: Der deutsche Landkrieg, Erster Teil:
Vom Kriegsbeginn bis zum Frühjahr 1915
[95]
Kapitel 3:
Die militärischen Grundlagen
für die Entschlüsse der Obersten
Heeresleitung und die
Zusammenhänge der Operationen bis April
1915
Oberst Gustav v. Bartenwerffer
1. Zweifrontenaufmarsch.
Schon bald nach dem Kriege 1870/71 kam man im deutschen Generalstabe zu der
Erkenntnis, daß das neu erstandene Reich im nächsten Kriege seinen
Besitz gegen Frankreich und Rußland
zugleich - also nach zwei Fronten - zu verteidigen haben
würde. Die grundlegende Erwägung des Operationsplanes für
diesen Kampf um seine Existenz mußte deshalb auf die Frage gerichtet sein,
ob zu Anfang eines neuen Krieges das Schwergewicht der Operationen nach dem
Osten oder nach dem Westen zu verlegen sein
werde. - Die im Großen Generalstabe alljährlich neu
bearbeiteten Aufmarschpläne machten, dem jeweiligen Erstarken oder der
vorübergehenden Schwächung der Gegner, der Stärke und
Beschaffenheit ihrer Heere und dem Ausbau ihrer Landesverteidigungsmittel
entsprechend, sowie je nach der politischen Lage und der jeweiligen
Bündnisgestaltung, verschiedene Wandlungen durch. Sie sind in dem
Abschnitt über die Rüstungen der
kriegführenden Hauptmächte im einzelnen
ausgeführt.
In Frankreich gewann der "Revanche"-Gedanke von Jahr zu Jahr mehr Boden; das
französische Volk drängte, in geschickter Weise von den
Führern der Regierungsparteien aufgestachelt, von Jahr zu Jahr in immer
stärkerem Maße zum Rachekrieg und war daher für die
Bewilligung aller notwendigen Mitteln zu einer gewaltigen Vermehrung des
Heeres und zum weitestgehenden Ausbau der Landesverteidigungsmittel leicht zu
gewinnen. Von der belgischen bis zur Schweizer Grenze schuf sich Frankreich an
den günstig zur Grenze laufenden Flüssen Meurthe, Mosel, Maas,
einen Gürtel von Festungen und Forts, der einen gegnerischen Einfall aufs
äußerste erschweren, womöglich ganz verhindern und der
immer leistungsfähiger werdenden eigenen Armee einen starken
Rückhalt im Kampf gegen den Erbfeind bieten sollte. Ein deutscher
Vormarsch gegen diese befestigte, auch mit stärksten Mitteln nicht in
kurzer Zeit zu durchbrechende Front mußte unweigerlich zu einem
längeren Stillstand der Operationen verurteilt sein, konnte also die schnelle
Entscheidung, die jeder Heerführer im Interesse seines Landes und Volkes
wünschen und anstreben muß, niemals bringen. Der etwa 230
Kilometer breite, in der Reihe der französischen Befestigungen nur wenige
[96] schwächere Stellen aufweisende Raum
zwischen Belgien und der Schweiz, bot schon an und für sich zu wenig
Entfaltungsmöglichkeit für ein Millionenheer. Wollte der deutsche
Generalstab Gebietsverletzungen neutraler Staaten unbedingt vermeiden, so stand
er vor der Frage, ob
er - unter Belassung nur der zur Grenzverteidigung notwendigen Truppen
im
Westen - die erste Entscheidung im Osten suchen sollte.
Die Schlagfertigkeit des russischen Heeres hatte sich seit dem
russisch-japanischen Kriege zusehends gehoben; der in früheren Jahren
vorhandene Vorsprung des deutschen Heeres hinsichtlich Mobilmachung und
Aufmarsch war mehr und mehr verschwunden. Der Ausbau der russischen
Aufmarschlinien (Eisenbahnlinien) zur deutschen und
österreichisch-ungarischen Grenze schritt mit Frankreichs Milliardenhilfe
schnell vorwärts; man konnte mit einem fast gleichzeitig mit dem
deutschen fertig werdenden Aufmarsch der Russen an ihrer Westfront und mit
einer gegen früher erheblich schneller vollendeten Versammlung starker
russischer Kräfte hinter den erneuerten Befestigungen in und um Warschau
rechnen. Ein Ausweichen des russischen Heeres ins Innere des
Landes - um die Entscheidung hinzuziehen - schien nach dem
Ausbau der Aufmarschbahnen und den innerpolitischen Verhältnissen
Rußlands und dem Druck Frankreichs unwahrscheinlich.
Insoweit waren die Voraussetzungen für eine rasche Herbeiführung
von Entscheidungsschlachten im Osten gegeben. Trotzdem mußte der
deutsche Generalstab darauf verzichten. Der Ausbau der Befestigungsgruppen
zwischen
Nowo-Georgiewsk und Ossowjetz ließ ein rasches Vordringen der
deutschen Truppen als unwahrscheinlich, die ungeheure
zahlenmäßige Überlegenheit des
Ostriesen - allein Rußlands Friedensheer zählte 1914 fast
1 600 000 Mann,1 während der
österreichisch-ungarische Bundesgenosse im selben Jahre nur
1 470 000 Mann an Feldtruppen in Kriegsstärke aufbringen
konnte! - ließ es als ausgeschlossen erscheinen, ihm die für
einen entscheidenden Erfolg notwendigen deutschen Kräfte
gegenüberzustellen, ohne Gefahr zu laufen, daß der Krieg im Westen
auf deutschen Boden getragen würde. Das aber mußte unter allen
Umständen verhindert werden! Eine feindliche Besetzung
größerer Stücke deutschen Gebietes im Westen mit seiner
für die Kriegführung unentbehrlichen Industrie, seinen
Kohlen-, Kali- und Eisenbergwerken, seinen Hütten und Hochöfen,
hätte katastrophale Folgen für die Durchführung des Krieges
gehabt.
Demgegenüber mußte der vorübergehende Verlust
einiger - allerdings für unsere Ernährung sehr wesentlicher,
fruchtbarer und landwirtschaftlich hoch
kultivierter - Grenzstreifen im Osten als das geringere Übel
erscheinen.
Endlich aber wies die Aussicht auf eine Absperrung der Mittelmächte vom
Meere und die nur geringe Möglichkeit, sie zeitweilig zu durchbrechen, wie
auch die Wahrscheinlichkeit eines langen Krieges, dem die Entente angesichts des
freien [97] Verkehrs und damit der Unterstützung
durch die ganze Welt ruhiger entgegensehen konnte, Deutschland auf die
Notwendigkeit hin, zuerst schnell und mit aller Kraft den gefährlichen
Feind im Westen zu erledigen, um damit freie Hand gegen den
überzahlreichen, aber weniger gelenkigen Ostriesen zu
bekommen. -
Diese Erwägungen hatten den damaligen Chef des Generalstabes, Grafen
Schlieffen, in seinen mehrere Jahre dauernden, oft geprüften
Überlegungen zu dem Entschluß geführt, den Krieg mit einer
großen Offensive im Westen zu beginnen und zur Entscheidungsschlacht
mit vernichtendem Erfolge zu bringen, während die russischen Heere durch
geschicktes Operieren einer kleinen Ostarmee, in Verbindung mit den offensiven
Maßnahmen des
österreichisch-ungarischen Heeres, so lange in Schach gehalten werden
sollte, bis starke Kräfte zum Schlage gegen sie im Westen verfügbar
würden. Der Grundgedanke war also die Erzielung eines schnellen und
erdrückenden Erfolges zunächst über den Hauptfeind im
Westen auf feindlichem Boden, um die feindliche Übermacht entscheidend
und nachhaltig zu schwächen und den eigenen Boden mit Sicherheit vom
Feinde frei zu halten. Die Folgen einer Entscheidungsschlacht im eigenen Lande
bei den Millionenheeren und den alles zerstörenden Kriegsmitteln der
Neuzeit waren aller Voraussicht nach so schwere, daß man sie dem
Vaterlande soweit irgend möglich ersparen
mußte. - Die in dieser Form beabsichtigte Durchführung der
Offensive wurde auch von seinem Nachfolger als Chef des Generalstabes, General
v. Moltke, übernommen und im Operationsplan für das
Mobilmachungsjahr 1906/07 niedergelegt, der mit der Vereinigung von
Franzosen,
Engländern und Belgiern gegen Deutschland rechnete.
Aber ein frontaler Angriff allein konnte - das hatten alle Erwägungen klar
ergeben - die schnelle Entscheidung nicht herbeiführen, der
Flügelangriff mußte den Erfolg bringen. So wurde beim Aufmarsch
an der Westgrenze in der Rheinprovinz, in Lothringen und am Oberrhein im
Schlieffenschen Operationsplan von vornherein das Schwergewicht auf den
äußeren operierenden rechten Flügel gelegt, dem die Masse
und die besten Truppen zugewiesen wurden. Der Vormarsch des rechten
Heeresflügels sollte sich als eine große Linksschwenkung, mit dem
linken Flügel an die Festung Metz angelehnt, gegen die Front
Dünkirchen -Verdun vollziehen. Der rechte, auch mit
Rücksicht auf die notwendig werdende Flankensicherung tiefgestaffelte
Flügel erhielt die Marschrichtung über Brüssel, die mittlere
Gruppe über die Linie
Namur - Mézières, der linke Flügel auf die
Maaslinie
Mézières - Verdun, dem eine
Reservedivisionsgruppe zur Abwehr eines feindlichen Angriffs aus der Linie
Verdun - Toul und späterhin zur Abschließung von
Verdun folgen sollte. Beschleunigung der Bewegung auf dem rechten
Flügel bis zur Erreichung der Linie
Brüssel - Namur, die man ohne erhebliche Kämpfe zu
gewinnen hoffte, wurde besonders gefordert. Zum Schutz von Lothringen und am
Oberrhein verblieben verhältnismäßig schwächere
Kräfte.
[98] Der in seiner Größe ergreifende
Plan ging also darauf hinaus, die feindliche Front an den schwer anzugreifenden
Stellen mit möglichst geringen Kräften anzufassen, die weniger
widerstandsfähigen Stellen mit stärkeren Kräften
einzustoßen und dann mit der Masse des Heeres, fortgesetzt die feindliche
Front überragend, auf den feindlichen Flügel und die Flanke zu
drücken, um den Feind zu einem vollkommenen Frontwechsel, zuerst von
Nordost nach Norden, dann weiter nach Nordwesten und sogar nach Westen zu
zwingen. Die Armee in Lothringen war vom Grafen Schlieffen absichtlich
schwach gehalten; sie sollte den vor ihr befindlichen Feind fesseln und Nancy
angreifen, wenn der Feind hier defensiv bliebe. Graf Schlieffen hoffte durch
diesen Angriff den Feind zur Gegenoffensive aus seiner Befestigungsgruppe
herauszulocken. Diesem feindlichen Vormarsch sollte die Armee, wenn
notwendig, bis in die Linie
Metz - Deutsche Nied - Saar ausweichen; gerade dieser
Ausfall feindlicher Kräfte gegen den deutscherseits versagten Flügel
schien ihm erwünscht; die vorübergehende Besetzung deutschen
Bodens mußte in Kauf genommen werden, die feindliche Gegenoffensive
lief sich zwischen Metz und den Vogesen an starken Abschnitten vor geringen
Kräften tot, während der Stoß ins Herz Frankreichs vom
rechten Waffenflügel geführt wurde. Trat der Feind nicht aus seiner
Befestigungslinie heraus, so hielt Graf Schlieffen den Abtransport weiterer
erheblicher Teile aus diesem Kampfgebiet nach dem Entscheidungsflügel
für geboten.
Eine Verletzung der Schweizer Neutralität durch die Franzosen schien dem
Grafen Schlieffen unwahrscheinlich; ein großer Erfolg, abgesehen von
vorübergehender Besetzung süddeutscher Gebietsteile, konnte dem
Feinde bei der deutschen Operationsanlage aus schon eben angedeuteten
Gründen nicht erwachsen.
War der Feind durch den überwältigenden Druck gegen seinen linken
Flügel zum Aufgeben seiner befestigen Flußlinien zwischen Verdun
und Belfort gezwungen, so sollten alle in Lothringen und Elsaß stehenden
Kräfte zum Angriff gegen die aufgegebene Front schreiten und nun auch
ihrerseits an dem großen Heeresangriff teilnehmen.
Diesen Operationsplan hatte Graf Schlieffen seinem Nachfolger General v.
Moltke hinterlassen; General v. Moltke hatte ihn nach sorgfältiger eigener
Prüfung als beste, als die einzige Möglichkeit übernommen.
Ihm fiel die ebenso schwere Aufgabe zu, den gigantischen Operationsplan in die
Tat zu übersetzen und zum Erfolg zu führen.
Hinsichtlich der Verteidigung der Ostgrenzen war dem Operationsplan
die - später ja auch durch die Tatsachen
bestätigte - Ansicht zugrunde gelegt, daß sich Deutschland der
zum Einmarsch nach Ostpreußen bestimmten russischen
Njemen- und Narew-Armee mit den für den Osten verfügbaren
geringen Kräften wenigstens zunächst, das heißt bis zum
Eingreifen anderer russischer Armeen, erwehren und den größten Teil
Ostpreußens halten können würde. Offensiv konnten und
mußten dagegen im Osten die
österreichisch-ungarischen Armeen eingreifen. [99] Sie schwächten durch ihre Offensive den
Druck gegen die deutsche Front ab, die bis zum Eintreffen der
Verstärkungen aus dem Westen gehalten werden mußte; sie
schützten auf diese Weise auch ihr eigenes Land am besten; denn sie
hätten bei rein defensivem Verhalten von vornherein große Strecken
eigenen
Gebietes - ganz Galizien - den überlegenen russischen
Armeen opfern müssen, wenn sie eine einigermaßen haltbare
Verteidigungslinie an den Karpathen gewinnen wollten. Sie durften den Russen
die Initiative nicht überlassen und mußten unter Ausnutzung der
Anfangslage und der (wie man erwartete) schnelleren Kampfbereitschaft mit
möglichst starken Kräften über einen Teil der in der
Versammlung befindlichen russischen Armeen herfallen und ein Loch in den
feindliche Aufmarsch stoßen. Dazu gehörte ein kühner
Entschluß, der aber dann auch mit allen irgend verfügbaren
Kräften ausgeführt werden mußte. Mußte die
österreichisch-ungarische Heeresleitung auch im Falle eines Konflikts mit
Rußland mit einem Eingreifen des serbischen Erbfeindes ernstlich
rechnen - gegen ihn durften nur gerade soviel Kräfte belassen
werden, wie die Abwehr eines Einbruchs der Serben in die Lande der
Doppelmonarchie erforderte.
Auf eine Entscheidung auf diesem südöstlichen Kampfgebiet war bei
der zahlenmäßigen Unterlegenheit
Österreich-Ungarns fürs erste nicht zu rechnen. Schon der Kampf mit
Rußland mußte schwer werden und forderte vom
österreichisch-ungarischen Generalstabe geniale, rücksichtslose und
kraftvolle Maßnahmen.
An der deutschen Ostgrenze, für deren Länge die nach Abrechnung
der Kräfte für den Westen zur Verfügung stehenden
Truppen - etwa 200 000 Mann
Feldtruppen - nicht im entferntesten ausreichten, lagen die
Verhältnisse noch schwieriger. Die Aufgabe der
Ost- (8.) Armee war vor allem die Abwehr russischer Einfälle in deutsches
Gebiet, also eine ausgesprochen hinhaltende; sie erforderte Entschlußkraft,
Vorsicht und Schnelligkeit. Der Oberbefehlshaber, der neben dem Schutz
deutschen Gebietes die weitere Aufgabe hatte, möglichst starke
Kräfte der nordwestlichen russischen Armeen von dem die Versammlung
der russischen
Südost-Armee angreifenden österreichisch-ungarischen Heere
abzuziehen, mußte für diese Aufgabe mit Ausnahme der zum Schutze
Schlesiens bestimmten beiden
Landwehr-Divisionen alle Ostkräfte (das heißt 9
Infanterie-Divisionen, 1 Kavallerie-Division und 3
Landwehr-Brigaden) nach eigenem Ermessen verwenden können. Die
Aufstellung einer russischen
Njemen- und einer Narew-Armee war - ebenso wie ihr Einbruch nach
Ostpreußen
hinein - nach den vorliegenden Nachrichten mit Bestimmtheit zu erwarten;
ließen die schwachen Ostkräfte die Vereinigung dieser beiden
Armeen geschehen, so waren sie der drückenden Übermacht
gegenüber nicht imstande, auf dem östlichen Weichselufer sich ihrer
zu erwehren. Unter Ausnutzung der inneren Linie und der seit Jahren auf
Betreiben des Feldmarschalls Freiherrn v. der Goltz stark ausgebauten
ostpreußischen Seenlinie mußte hier operiert werden; schnelles
Zusammenfassen der Kräfte, geniale [100] Führung und energisches Zufassen
konnten allein die Gefahr von
Ost- und Westpreußen abwenden. - Eine unmittelbare Bedrohung
Posens durch russische Kräfte war angesichts der Flankierung von
Westpreußen her nicht wahrscheinlich, und Schlesien wurde durch das
Vorgehen des den linken Flügel der
österreichisch-ungarischen Offensive begleitenden Landwehrkorps
gesichert. Ursprünglich war nur eine Division mit dem örtlichen
defensiven Grenzschutz Schlesiens beauftragt gewesen, die aber, auf
ausdrücklichen Wunsch des
österreichisch-ungarischen Generalstabes auf ein Korps ausgebaut, an der
Offensive der Bundesgenossen sich beteiligen sollte.
Die Hauptmasse des deutschen Heeres sollte also zuerst im Westen eingesetzt
werden. Auch hier mußte Deutschland den Kampf mit einer großen
zahlenmäßigen Überlegenheit seiner Gegner aufnehmen. Nach
den Berechnungen des deutschen Generalstabes waren allein schon die Franzosen
imstande, fast 2 100 000 Mann Feldtruppen den deutschen
Kräften entgegenzuwerfen, während
diese - die für den Schutz des Ostens und der Küste
vorgesehenen Truppen mit
eingerechnet - überhaupt nur über insgesamt
2 000 000 Mann Feldtruppen verfügten.
Es war klar, daß dieses an Zahl überlegene französische Heer
nur für einen Angriffskrieg gegen Deutschland geschaffen sein konnte.
Denn zur Verteidigung von Frankreichs Grenzen hätten bei dem gewaltigen
Ausbau seiner Grenzbefestigungen weit geringere Kräfte ausgereicht. Nicht
nur auf die Wiedergewinnung
Elsaß-Lothringens und des Saar-Gebiets, sondern auf das ganze linke
Rheinufer war der beutegierige Blick der Franzosen gerichtet. In Berlin wollte
man den Frieden diktieren; dort wollte man dem Waffenbruder aus dem Osten die
siegreiche Hand reichen! Durften Deutschlands Fluren in diesem
"Revanche"-Krieg der Vernichtung preisgegeben werden? Dem durfte die
deutsche Heeresleitung die Heimat nicht aussetzen. Die einzige Abwehr konnte
nur darin gesucht werden, daß sie den Krieg sofort auf feindliches Gebiet
trug. Zur Verteidigung der eigenen Fluren mußten die französischen
Armeen durch den deutschen Vormarsch gezwungen werden. Da aber, wie schon
ausgeführt, ein frontaler Angriff gegen die
Verdun - Toul - Epinal-Front nicht rasch zum Ziele
führen konnte, mußte der deutsche Generalstab sich zu ihrer
Umfassung entschließen. Eine Linksumfassung verhinderten die
Befestigungen von Belfort. Sie über Schweizer Gebiet zu leiten, verbot sich
von selbst; das Gelände eignet sich nicht für große
Umfassungsbewegungen; vor allem aber war die Schweizer Armee in ihren
starken Befestigungsgruppen ein achtbarer Gegner, und die Neutralität der
Schweiz stand außer allem Zweifel. Einer Rechtsumfassung in dem
schmalen Raum zwischen Belgien und den Maasbefestigungen bei Verdun
hätte die belgische Armee und die belgische
Grenze - zu Beginn der Bewegung unmittelbar in der rechten Flanke und
bei dem weiteren Vormarsch im Rücken des
Heeres - den Lebensfaden abgeschnitten; sie konnte nur (um die belgische
und wahrscheinlich auch die [101] englische Armee nicht in der Flanke zu haben)
weit nach Norden ausholend über belgisches Gebiet hinweg geführt
werden. Denn auf die Beteiligung Belgiens am Kriege Frankreichs gegen
Deutschland mußte man mit Bestimmtheit rechnen. Die
Vernachlässigungen im Ausbau der französischen
Nordbefestigungen Lille, Maubeuge, Hirson, Laon, Reims und dem
gegenüber der starke Ausbau der belgischen Festungen Lüttich,
Namur, Antwerpen, die enge Fühlungnahme des französischen
Generalstabes mit dem belgischen, französische
Erkundungs- und Übungsreisen auf belgischem Gebiet bewiesen deutlich
ein stillschweigendes Abkommen zwischen diesen beiden Staaten. Das hieß
aber: eine weitere Vermehrung der Feindstärke im Westen um wenigstens
180 000 Mann auf fast 2 300 000 Mann gegen
1 600 000 Feldtruppen auf deutscher Seite! Auch die Beteiligung
Englands am Kriege stand für den deutschen Generalstab seit Jahren
außer Zweifel; die Ausladung des sogenannten englischen
"Expeditionskorps" - weitere 160 000 Mann -, dessen
Erscheinen an der deutschen Küste bei der für die Verteidigung
ausreichend starken Flotte zwar nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich
war - mußte sicher an der französischen, vielleicht sogar an der
belgischen Küste erwartet werden.
Wurde die deutsche Umfassung weit nach Norden ausgreifend geführt, so
konnte man hoffen, bei rechtzeitigem Einmarsch in belgisches Gebiet und bei
rascher Überwindung von Lüttich und Namur die belgische Armee
vereinzelt zu schlagen. Hierzu war ein Ausholen bis zur holländischen
Grenze notwendig und auch schon deshalb geboten, weil man mit
möglichst starken Kräften nördlich der Maas vorstoßen
mußte, um dieses starke Hindernis im Mittellauf schnell in die Hand zu
bekommen. Ein mißlicher Faktor blieb immerhin die Festung Antwerpen,
deren Fortnahme sich nicht in die große Schwenkung des
Angriffsflügels um die Festungsgruppe
Diedenhofen - Metz als Drehpunkt in das schwächer
befestigte Nordfrankreich hinein einbeziehen ließ.
Auf dem linken Flügel suchte das deutsche Heer naturgemäß
Anlehnung an die Schweizer Grenze; auf diesem Flügel war der Einsatz der
etwaigen italienischen Kräfte vorgesehen, ihrer Heimat und ihren
Etappen-Anfangsorten möglichst nahe. Ernstlich hatte man mit ihrem
Erscheinen auf deutschem Boden allerdings seit Jahren (Graf Schlieffen seit 1902)
nicht mehr gerechnet, obgleich die Zusage seitens des italienischen
Generalstabschefs noch 1913 erneut worden war. Lösten die Italiener das
Versprechen doch ein, so sollten ihre Truppen eine willkommene
Verstärkung des linken Flügels sein; im deutschen Aufmarschplan
spielte ihr Einsatz jedenfalls keine entscheidende Rolle. Italien mußte, bei
seiner Abhängigkeit in Ernährung und Kohlenversorgung von See
her, die Blockade seiner Küstenplätze durch England und Frankreich
fürchten und suchte deshalb einen Grund, sich dem Bündnisvertrag
mit den Mittelmächten zu entziehen. Seine von vornherein unfreundliche
Haltung war für die freie Kräfteentfaltung des
österreichisch-ungarischen Bundesgenossen jedenfalls sehr störend.
Auch für die deutsche [102] Heeresleitung war nicht allein der Wegfall der
Unterstützung, sondern vor allem die dadurch erreichte
Verfügungsfreiheit der Franzosen über
die - anderenfalls an der italienisch-französischen Grenze
gebundenen - Kräfte von großem Nachteil.
Auch die unsichere Haltung Rumäniens, trotz des vom König Carol
früher zugesagten Anschlusses, schuf den Mittelmächten eine
weitere Schwierigkeit. Sie verlangte von
Österreich-Ungarn zum mindesten eine Beobachtung der
rumänischen
Grenze und gab andererseits den Russen freie Hand über ihre Kräfte
in Beßarabien. Die Haltung der übrigen in Betracht kommenden
Neutralen, wie Holland und Dänemark, war einwandfrei und erforderte
keine besonderen Maßnahmen; der einfache Grenzschutz zur
Überwachung des Verkehrs konnte genügen. Für den Notfall
waren gegen Dänemark die Kräfte verfügbar, die zur
Verhinderung einer englischen Landung in Schleswig anfangs
zurückgehalten werden mußten.
Die Lage der Mittelmächte war also - noch dazu bei der sicher zu
erwartenden Blockade ihrer Küsten und der damit verbundenen
völligen Abschließung von der
Außenwelt - eine außerordentlich schwierige und
drängte zu schneller Entscheidung, die zu erringen im Westen Deutschland
allein zufiel. An Zahl fast um ein Drittel schwächer als die Gegner, an
innerem Halt, an Ausbildung und an Schwung aber allen feindlichen Armeen weit
überlegen, durfte das deutsche Heer zuversichtlich an seine Aufgabe
herantreten. Überraschend schnell mußte dann aber die große
Umfassung über die Ententemächte hereinbrechen und ihnen die
Initiative entreißen. Das hieß: Einsatz der Masse zur Umfassung und
das Schwergewicht auf den äußeren Flügel!
Auf dieser Grundlage bauten sich die Anordnungen für die
Ausführung des
Schlieffen-Moltkeschen Operationsplanes auf.
Zur Umfassung wurden fünf Armeen (1. bis 5.) angesetzt, links angelehnt
an und geschützt durch die Festungsgruppen
Diedenhofen - Metz. Zur Durchführung der großen
Linksschwenkung sollte sich die Vorwärtsbewegung des angelehnten
Flügels und der Mitte dem Vorschreiten des Schwenkungsflügels
anpassen, der aus der Gegend bei und nördlich Aachen über die
Maas bei und unterhalb Lüttich vorgeführt wurde. Von diesem
mußten also außerordentliche Leistungen verlangt werden, um
Belgien schnell zu Boden zu zwingen, und um, wenn angängig, die
Vereinigung der Briten mit den Franzosen zu verhindern, Neubildungen
auseinanderzutreiben und Hand auf Nordfrankreich mit seiner hochentwickelten
Industrie zu legen. Aber auch eine große Offensive der Franzosen nach
Lothringen hinein, die frühzeitig erwartet und nach Erkennen unserer
Absichten noch wahrscheinlicher wurde, durfte keinesfalls Erfolg haben; zu ihrer
Abwehr mußten ausreichend starke Kräfte zwischen Metz und der
Schweizer Grenze so lange belassen werden, bis die Wirkung der Umfassung
eintrat, das heißt, bis der Feind zu Verschiebungen aus seiner eigenen Front
hinaus nach dem bedrohten Flügel gezwungen wurde. Hierin weicht der
Moltkesche Plan von [103] dem ursprünglichen Schlieffenschen ab,
insofern er zur Sicherung des linken Heeresflügels erheblich
stärkere Kräfte für nötig hielt und dort bereitstellte.
Mit dem Schutze der Umfassungsbewegung und der Abwehr eines feindlichen
Einbruchs in
Elsaß-Lothringen wurde der Kronprinz
von Bayern mit der 6. und 7. Armee,
die zusammen fast ein Viertel der Gesamtstreitkräfte des Westens
ausmachten, betraut. Seine Aufgabe wurde schwierig durch den weiteren
besonderen Auftrag, die vor seiner Front stehenden französischen
Kräfte zu binden und ihren zu erwartenden Abtransport nach dem linken
französischen Flügel zu verhindern. Die große Schwierigkeit
dieses Auftrages lag in der Stärke der Befestigungsgruppen, auf die sich der
Feind jederzeit wieder neu basieren konnte. Die beiden Festungen Metz und
Straßburg sollten den Armeen des Kronprinzen von Bayern festen Halt und
Schutz geben. Aber auch ein nicht unwahrscheinlicher Einbruch ins
Oberelsaß sollte von
ihr - des großen moralischen Eindrucks
halber - nach Möglichkeit verhindert werden. Glückte er
dennoch, so konnte er allerdings nur geringen Einfluß auf die
Gesamtoperation haben, da er sich von selbst am Rhein, an Straßburg und
der seit Jahren ausgebauten
Breusch-Stellung festgelaufen hätte.
Ob in Verlauf der Operationen auf eine - jedenfalls sehr
wünschenswerte - Unterstützung durch die Flotte zu rechnen
war, ließ sich noch nicht absehen. Es sollte schon bald der schwere Fehler
fühlbar werden, daß man bei der Bearbeitung der
Aufmarschanweisungen im Frieden nicht in dem Maße mit der Marine
Fühlung genommen hatte, wie es für die Führung eines
Weltkrieges und für den dazu notwendigen einheitlichen Einsatz aller
Kampfmittel unbedingt geboten gewesen wäre.
Im übrigen war sich aber die deutsche Oberste Heeresleitung wohl
bewußt, daß die Westmächte die Zeit für sich hatten; sie
konnten abwarten, bis die russische Walze über die deutsche Heimat
hinwegwürgte, um dann ihrerseits über das Westheer herzufallen, es
über den Rhein zurückzuwerfen und den Frieden auf deutschem
Boden zu diktieren. Die deutsche Oberste Heeresleitung durfte also keine Zeit
verlieren: aus dem Aufmarsch mußte ohne jede Verschiebung der
Vormarsch zum Angriff erfolgen können. Erhebliche Schwierigkeiten
marschtechnischer Art waren dabei an der weit nach Süden
herausspringenden Ecke der holländischen Provinz Limburg zu erwarten,
die aber später durch die meisterhaften Marschanordnungen der 1. Armee
spielend überwunden wurden.
Es marschierten - gesichert durch den von den Grenzkorps gestellten
Grenzschutz - unter dem Befehl Seiner Majestät des Deutschen
Kaisers - Chef des Generalstabes: Generaloberst v. Moltke - auf:
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Die 1. Armee (Generaloberst v. Kluck) |
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II., III., IV. Armeekorps, |
|
III. und IV. Reservekorps, |
|
10., 11., 27. Landwehr-Brigade, |
|
im Raum nordöstlich Aachen an der holländischen Grenze
entlang. |
[104] Die 2. Armee (Generaloberst v. Bülow) |
|
VII., IX., X. Armeekorps, Gardekorps, |
|
Garde-, VII. und X. Reservekorps, |
|
25. und 29. Landwehr-Brigade, |
|
um und südöstlich von Aachen. |
Die 3. Armee (Generaloberst Freiherr v. Hausen) |
|
XI., XII., XIX. Armeekorps, |
|
XII. Reservekorps, |
|
47. Landwehr-Brigade, |
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südöstlich Malmedy in der Eifel. |
Die 4. Armee (Generaloberst Albrecht, Herzog von Württemberg) |
|
VI., VIII., XVIII. Armeekorps, |
|
VIII. und XVIII. Reservekorps, |
|
49. Landwehr-Brigade, |
|
in Luxemburg und bei Trier. |
Die 5. Armee (Generalleutnant Wilhelm, Kronprinz von Preußen) |
|
V., XIII., XVI. Armeekorps, |
|
V. und VI. Reservekorps, |
|
13., 43., 45., 53., 9. bayerische Landwehr-Brigade, |
|
östlich Diedenhofen - Metz. |
Die 6. Armee (Generaloberst Rupprecht, Kronprinz von Bayern) |
|
I., II., III. bayerisches, XXI. Armeekorps, |
|
I. bayerisches Reservekorps, |
|
5. bayerische Landwehr-Brigade, |
|
zwischen Metz und Saarburg in Lothringen. |
Die 7. Armee (Generaloberst v. Heeringen) |
|
XIV., XV. Armeekorps, |
|
XIV. Reservekorps, |
|
60. Landwehr-Brigade, |
|
im Elsaß und bei Breisach in Baden, |
|
mit unterstellten Rheindeckungstruppen 55., 1. bayerische, 2. bayerische
Landwehr-Brigade am Oberrhein. |
Höherer Kavalleriekommandeur 2 (2. Kavalleriekorps) mit
2., 4., 9. Kavallerie-Division um Aachen, |
Höherer Kavalleriekommandeur 1 (1. Kavalleriekorps)
Garde- und 5. Kavallerie-Division um Bitburg, |
Höherer Kavalleriekommandeur 4 (4. Kavalleriekorps) mit
3. und 6. Kavallerie-Division um Diedenhofen, |
Höherer Kavalleriekommandeur 3 (3. Kavalleriekorps) mit
7., 8. und Bayerischer Kavallerie-Division, südöstlich Metz. |
[105] Demgegenüber marschierte die Entente
auf (Oberbefehl: General Joffre):
A. Die Franzosen. Ihre Mobilmachung vollzog sich im allgemeinen
ebenso schnell wie die der Deutschen. Über ihren Aufmarsch hatte der
deutsche Generalstab im Frieden selbstverständlich nur unbestimmte
Vermutungen. Für eine frühzeitig einsetzende starke Offensive in
die deutschen Reichslande hinein lagen aber viele sichere Anzeichen vor. Die
französischen Grenzgarnisonen waren seit Jahren auffallend verstärkt
und vermehrt, bedeutende Entladebahnhöfe waren unweit der Grenze
geschaffen, die der Zahl nach den deutschen überlegene Transportwege, die
Eisenbahnlinien zur Lothringer Grenze, gleichfalls außerordentlich
leistungsfähig. Zahlreiche und zuverlässige Nachrichten über
den französischen Aufmarsch gaben bald nach Kriegsbeginn ein ziemlich
klares Bild von dem wirklichen französischen Aufmarsch, der eine
strategische Bereitstellung zwischen Belfort und Maubeuge, gestützt auf die
Festungen und Forts, darstellte, mit einer stark vorgeschobenen Gruppe bei
Verdun.
Es marschierten auf:
|
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Die 1. Armee (General Dubail) |
|
VII., VIII., XIII., XIV., XXI. Armeekorps, |
|
61., 62., 63. Reserve-Division, |
|
Alpenjägergruppe, |
|
8. Kavallerie-Division, |
|
zwischen Belfort und Charmes. |
Die 2. Armee (General de Castelnau) |
|
½IX., XV., XVI., XX. Armeekorps, |
|
59., 68., 70. Reserve-Division, |
|
2., 6., 10. Kavallerie-Division, |
|
um Lunéville - Nancy - Toul. |
Die 3. Armee (General Ruffen) |
|
IV., V., VI. Armeekorps, |
|
54., 55., 56. Reserve-Division, |
|
7. Kavallerie-Division, |
|
östlich Verdun. |
Die 4. Armee (General de Langle de Cary) |
|
XI., XII., XVII. Armeekorps und Kolonialkorps, |
|
52., 60. Reserve-Division, |
|
später II. Armeekorps, |
|
in den Argonnen in Reserve. |
Die 5. Armee (General Lanrezac) |
|
I., III., ½IX., X., XVIII. Armeekorps, |
|
37. (afrikanische), 38. (afrikanische) Division, Marokkanische Division, |
|
51., 53., 69. Reserve-Division, |
|
zwischen Sedan und Maubeuge. |
[106] 1. Kavalleriekorps (1., 3., 5.
Kavallerie-Division) bei Sedan - Mézières. |
4. und 9. Kavallerie-Division bei und südlich Longwy |
Territorial-Divisions-Gruppe (General d'Amade) zwischen Arras und St. Omer. |
B. Die Belgier, deren schnelle Mobilmachung durch die letzten
Heeresorganisationen gesichert war (Oberbefehl: Seine Majestät der
König Albert):
1., 2., 5., 6. Armee- (das heißt Feld-) Division östlich und
südöstlich Brüssel, |
3. Armee-Division bei Lüttich, |
4. Armee-Division bei Namur, |
Kavallerie-Division westlich Lüttich. |
C. Die Engländer, die zunächst nur das sogenannte
"Expeditionskorps" für den Krieg auf dem Festlande verfügbar
hatten (unter dem Oberbefehl des Feldmarschalls French):
I., II. Armeekorps und Kavallerie-Division zwischen Maubeuge und Le
Cateau.
Im Osten fanden sämtliche deutsche Truppen zunächst im
Grenzschutz in der Nähe guter Eisenbahnverbindungen Verwendung.
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In Schlesien: |
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das Landwehrkorps Woyrsch. |
In Posen: |
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bei Gnesen 3. Reserve-Division, |
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bei Hohensalza 6. Landwehr-Brigade. |
In West- und Ostpreußen: |
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zwischen Thorn und Deutsch-Eylau XVII. Armeekorps und
70. Landwehr-Brigade, |
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um Allenstein XX. Armeekorps, |
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zwischen Masurischen Seen und Tilsit I. Armeekorps, I. Reservekorps,
2. Landwehr-Brigade und 1. Kavallerie-Division. |
Der eigentliche Aufmarsch sollte vom Oberkommando 8. Armee (Generaloberst
v. Prittwitz und Gaffron) je nach der Lage beim Feinde angeordnet werden.
Von der österreichisch-ungarischen Armee marschierten unter dem
Oberbefehl des Generals der Infanterie Erzherzog Friedrich auf:
A. Gegen Serbien:
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2. Armee zunächst im südlichen Ungarn, dann zur Ostfront
(siehe folgende Seite) übertretend. |
[107] 5. Armee (General der Infanterie Frank) |
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IV. und VIII. Armeekorps, |
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an der Save und bei Belgrad. |
6. Armee (General-Feldzeugmeister Potiorek) |
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XV. und XVI. Armeekorps, |
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an der Drina und der montenegrinischen Grenze. |
B. Gegen Rußland:
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Armeeabteilung General der Infanterie v. Koeveß |
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III. und XII. Armeekorps, |
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43. und 11. Infanterie-Truppen-Division, |
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35. Landsturm-Brigade, |
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zwischen Czernowitz und Stanislau, |
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3. Kavallerie-Truppen-Division bei Brzezany. |
3. Armee (General der Kavallerie Brudermann) |
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XI. und XIV. Armeekorps, |
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drei Kavallerie-Truppen-Divisionen, |
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bei Lemberg. |
4. Armee (General der Infanterie v. Auffenberg) |
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II., VI., IX. Armeekorps, |
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zwei Kavallerie-Truppen-Divisionen, |
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bei Niemirow - Tarnogrod. |
1. Armee (General der Kavallerie Dankl) |
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I., V., X. Armeekorps, |
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zwei Kavallerie-Truppen-Divisionen, |
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am Tanew und San. |
Armeegruppe General der Kavallerie v. Kummer |
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Landsturmtruppen, Freikorps und |
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eine Kavallerie-Truppen-Division, |
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bei Krakau, deren linke Flanke im Vormarsch auf Kielce das
preußische Landwehrkorps zu decken hatte. |
Außerdem sollte am 25. August |
Die 2. Armee (General der Kavallerie
v. Böhm-Ermolli) |
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VII. Armeekorps und |
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20. Landwehr-Infanterie-Truppen-Division, |
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bei Halicz - Zydaczow von der serbischen Grenze her eintreffen. |
Rußland hatte für seine schon im Frieden fast völlig
kriegsbereitgestellten Kräfte am 26. Juli die "Kriegsvorbereitungsperiode"
befohlen, am 29. und 30. [108] die Mobilmachung angeordnet und seine
Hauptkräfte zum Angriff gegen die Doppelmonarchie bestimmt.
Unter dem Oberbefehl des Generals der Kavallerie, Großfürsten
Nicolai Nicolajewitsch marschierten auf:
A. Gegen Österreich-Ungarn:
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Die Heeresgruppe Südwestfront (General Iwanow) mit |
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der schwachen 7. Armee in Beßarabien, |
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der 8. Armee (General Brussilow) in Gegend Proskurow, |
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der 3. Armee (General Rußki) in Gegend Dubno, |
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der 5. Armee (General v. Plehwe) bei Kowel - Brest-Litowsk, |
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der 4. Armee (General Ewerth) bei Iwangorod - Lublin. |
B. Gegen Deutschland:
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Die Heeresgruppe Nordwestfront (General Chilinsky) mit |
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der 2. Armee, Narew-Armee (General Ssamsanow) |
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sechs Armeekorps, |
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drei Kavallerie-Divisionen, |
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zwischen Ostrolenka und Ossowiec, |
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der 1. Armee, Njemen-Armee (General der Kavallerie Rennenkampf) |
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vier Armeekorps, |
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fünfeinhalb Kavallerie-Divisionen, |
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bei Olita - Kowno, mit einer Gruppe bei Suwalki. |
Alle russischen Armeen wurden durch nach und nach eintreffende
Reserveformationen verstärkt.
2. Die ersten Maßnahmen der deutschen
Obersten Heeresleitung (O. H. L.).
Westen.
Die im Winter 1913/14 vom Großen Generalstabe für das
Mobilmachungsjahr 1914 ausgearbeiteten Aufmarschanweisungen bedurften bei
Kriegsausbruch keiner Abänderung mehr; der Aufmarsch vollzog sich
hinter dem gegen Störungen jeglicher Art sichernden Grenzschutz
planmäßig. Der diplomatische Schritt zur Feststellung des Verhaltens
Belgiens brachte am 3. August die Klärung, daß Belgien gewillt sei,
einen deutschen Durchmarsch durch sein Gebiet mit allen Mitteln zu verhindern.
Automatisch setzte der für diesen Fall vorbereitete Angriff auf
Lüttich ein. Diese große moderne Fortsfestung sperrte in der
Lücke zwischen Holland und dem Hohen Venn den Eingang ins Maastal
und schützte die zahlreichen im Weichbilde der Stadt liegenden
Maasübergänge. Sie mußte fallen, um für den rechten
Heeresflügel nach Beendigung des Aufmarsches freie Bahn [109] zum Vormarsch zu haben. Nach dem
Vorschreiten dieses Flügels mußte sich die Bewegung der deutschen
Angriffsarmeen richten. Je schneller man bei Lüttich zufaßte, auf
desto geringere Abwehrvorbereitungen durfte man rechnen. Schon war die
Armierung Lüttichs infolge des Hinzögerns des diplomatischen
Schrittes, um Belgiens Entschluß zu erzwingen, und der um zwei Tage
verzögerten Mobilmachung, der sich eine weitere Frist zur
Übergabeerklärung anschloß, weit vorgeschritten, als die
Spitzen der
immobil an die Grenze geworfenen sechs
Infanterie-Brigaden den Fortsgürtel zu durchstoßen versuchten. Der
überaus sorgsam ausgearbeitete Handstreich
gelang - aus verschiedenen Ursachen - nicht sofort in vollem
Umfange, nur eine Brigade brach, dank des energischen Eingreifens und der
tatkräftigen Führung des Generals Ludendorff, trotz heftiger
Gegenwehr und hinterlistiger Mitwirkung der fanatisierten Bevölkerung in
die Innenstadt durch und erleichterte die auf Befehl der Obersten Heeresleitung
nunmehr planmäßig gegen die Forts einsetzenden gewaltsamen
Angriffe so, daß bis zur Beendigung des Aufmarsches sämtliche
Forts
der Festung, auch die auf dem linken Maasufer, die der schweren und schwersten
Belagerungsartillerie zum Opfer fielen, genommen waren, und die Wege
für die Armeen 1 und 2 rechtzeitig offen lagen. Erhebliche
Zerstörungen an den Eisenbahnanlagen, besonders an den zahlreichen
Tunnels, hatten leider nicht verhindert werden können, so daß sich
die Oberste Heeresleitung gezwungen sah, den größten Teil ihrer
Autokolonnen, zum Nachteil der anderen Armeen, der 1. und 2. Armee zur
Verfügung zu stellen, um deren Vorbewegung flüssig zu halten. Der
schwierige Marsch der 1. und 2. Armee an der holländischen Grenze
entlang und durch Aachen und Lüttich, vollzog sich glatt; der Vormarsch
stockte trotz der Schwierigkeiten des Engpasses zwischen Aachen und der
holländischen Provinz Limburg nirgends.
Die Weisungen für den Beginn des Vormarsches, die von der Obersten
Heeresleitung für die rechten Flügelarmeen erlassen wurden,
lauteten:
"Seine Majestät befehlen: 1. und 2. Armee
und Höherer
Kavalleriekommandeur 2 werden für das Vorgehen nördlich der
Maas dem Oberbefehlshaber der 2. Armee unterstellt. Der Vormarsch ist am 18.
anzutreten. Es kommt darauf an die in Stellung zwischen
Diest - Tirlemont - Wawre gemeldeten feindlichen
Kräfte, unter Sicherung der eigenen linken Flanke gegen Namur, von
Antwerpen abzudrängen. Die spätere Verwendung der Armeen ist
aus der Linie
Brüssel - Namur unter Sicherung gegen Antwerpen
beabsichtigt.
Für die Fortnahme von Namur durch den linken
Flügel der 2. Armee
und den rechten Flügel der 3. Armee werden noch Befehle ergehen. Die der
2. Armee unterstellte Artillerie ist für diesen Angriff
vorzuführen.
Die 3. Armee geht mit rechtem Flügel im
Anschluß an den linken
Flügel der 2. Armee über
Durbuy - Havelange gegen die Südostfront von Namur vor
und hält mit ihrem linken Flügel enge Verbindung mit dem rechten
Flügel der 4. Armee."
[110] Der Vorbewegung der 1. und 2. Armee sollten sich die anderen Armeen anpassen.
Die 3. Armee erhielt, im Anschluß an die 2. Armee bei Namur, als
Marschziel die Maasstrecke
Namur - Givet angewiesen.
Die 4. Armee, die sofort nach Ausspruch der Mobilmachung (durch Teile des
VIII. Armeekorps) Luxemburg besetzen und die dortigen Bahnen schützen
sollte, erhielt den Befehl, auf
Carignan - Damvillers vorzugehen und durch den unterstellten
Höheren Kavalleriekommandeur 4 gegen die Maas zwischen
Mézières - Verdun - St. Mihiel
aufzuklären. Beim Vormarsch sollte sie links gestaffelt der 3. Armee in
Richtung Neufchateau folgen, rechter Flügel auf Fumay, linker auf Attert
(bei Arlon). Falls die 5. Armee bei ihrem Flankenmarsch an Verdun vorbei
angegriffen wurde, sollte die 4. Armee zu ihrer Unterstützung nach
Süden einschwenken können.
Besonders schwer war die Weisung für die 5. Armee. Um den
Anschluß an
Diedenhofen - Metz und zugleich die Verbindung mit der 4. Armee
festzuhalten, sollte sie sich deren Vormarsch tief links gestaffelt anschließen
und dazu mit dem rechten Flügel über Arlon auf Florenville (bei
Chiny) folgen, links engen Anschluß an Diedenhofen halten. Gegen einen
etwaigen Vorstoß aus Verdun mußte sie jederzeit nach Süden
einschwenken können.
Diedenhofen, Metz und eine auszubauende Stellung an der Nied sollten den
Schutz des linken Flügels des Heeres bilden, falls 6. und 7. Armee
gezwungen sein sollten, vor überlegenen Kräften
zurückzugehen.
Die Weisung für den gemeinsamen Oberbefehlshaber der 6. und 7. Armee
und den Höheren Kavalleriekommandeur 3 lautete: Seine Aufgabe sei es,
gegen die Mosel unterhalb Frouard
und - unter Fortnahme des Forts Manonviller - gegen die Meurthe
vorzugehen, um hier die versammelten französischen Kräfte
festzuhalten und ihren Abtransport nach dem linken französischen
Heeresflügel zu verhindern. Falls die Franzosen aber selbst zwischen Metz
und den Vogesen mit überlegenen Kräften zum Angriff vorgehen
und die deutschen Armeen in den Reichslanden zum Ausweichen genötigt
sein würden, sollten diese ihre Bewegungen so einrichten, daß eine
Bedrohung der linken Flanke der deutschen Hauptkräfte, etwa durch
Umfassung der Niedstellung, verhindert würde.
Wenn 6. und 7. Armee bei ihrem Vorgehen auf keine erheblichen
französischen Kräfte stießen, sollten sie unter
Umständen durch Metz und südlich Metz die Mosel
überschreitend in die Kämpfe auf dem linken Moselufer eingesetzt
werden.
Bei einem französischen Vorstoß ins Elsaß endlich sollte ein
Vordringen der Franzosen spätestens in der Linie Feste Kaiser
Wilhelm II. - Breuschstellung - Straßburg - Rhein zum
Stehen gebracht werden. Ein schwacher Vorstoß sollte
aber zurückgeworfen werden, um das Land nicht schutzlos jeder
feindlichen Unternehmung preiszugeben. Diese Sonderaufgabe fiel der 7. Armee
zu, die im übrigen aber jederzeit zu einem unmittelbaren Zusammenwirken
mit der 6. Armee befähigt bleiben sollte.
[111] Der Ausfall der italienischen Hilfstruppen auf
dem äußersten linken Flügel des Westheeres und die dadurch
eintretende Schwächung desselben ließen es der Obersten
Heeresleitung angemessen erscheinen, drei anfänglich für den Osten
bestimmte Ersatzdivisionen zusammen mit drei weiteren, von vornherein
für den Westen bestimmten, deren Mobilmachung erst später beendet
wurde, auf dem linken Flügel des Westheeres einzusetzen, obwohl sie als
Staffel hinter dem rechten Heeresflügel die Schwächung dieses
Flügels, welche durch mancherlei notwendig werdende Abgaben eintrat,
einigermaßen ausgeglichen hätten. Die Wünsche des Ostens
mußten zunächst zurücktreten, so sehr auch das
österreichisch-ungarische Armee-Oberkommando
(k. u. k. A. O. K.) um sofortige Verstärkung der
deutschen Truppen auf seinem linken Flügel bat.
Über den französischen Aufmarsch ließen die eingegangenen
Nachrichten den Schluß zu, daß je eine Armee um Epinal, Mirecourt,
Commercy, Verdun und Mézières sich sammelte. Der frontale
Durchbruchsversuch der Franzosen nach Lothringen hinein gewann an
Wahrscheinlichkeit, wenn es der französischen Heeresleitung erst offenbar
sein würde, daß die deutschen Hauptkräfte zwischen Holland
und Metz eingesetzt wären. Die vom früheren Chef des
Generalstabes der Armee, Graf Schlieffen,
erwartete Operation: Einsatz starker
französischer Kräfte gegen möglichst geringe deutsche
Kräfte in
Elsaß-Lothringen, schien Wirklichkeit zu werden. Ein Ausweichen der
letzteren und vorübergehendes Aufgeben deutschen Bodens im Reichslande
aber, wie es Graf Schlieffen beabsichtigt hatte, lag im Jahre 1914 zunächst
nicht in der Absicht der Obersten Heeresleitung. Sie hatte die Armeen 6 und 7 so
stark gemacht, daß sie auch offensiv die Aufgabe des linken
Flankenschutzes des deutschen Umfassungsheeres lösen konnten, sei es um
die Franzosen, falls sie in Lothringen einfielen, zu schlagen, sei es um sie
anzugreifen und an einem Verschieben von Kräften nach ihrem linken
Flügel zu hindern. Daß für derartige Aufgaben starke
Kräfte, die allerdings dem Umfassungsflügel verloren gingen,
notwendig waren, liegt auf der Hand. Die Frage war nur: war die zweite Aufgabe
zu lösen, wenn die feindlichen Kräfte auf ihre Befestigungslinien
auswichen?
Am 13. August schätzte die Oberste Heeresleitung die im
französischen Lothringen aufmarschierten Armeen auf zwölf
Armeekorps; weitere Truppenkörper schienen dahinter gesammelt zu
werden, mehrere
Reserve-Divisionen sollten im Antransport auf Toul und Epinal sein. Die Oberste
Heeresleitung sah ihre Voraussetzung sich erfüllen; sie rechnete mit einer
Entscheidungsschlacht auf diesem Flügel und gab dem Kronprinzen von
Bayern, darin den alten Schlieffenschen Plan aufnehmend, die Weisung, sich
einem überlegenen französischen Angriff durch Ausweichen hinter
die obere Saar zu entziehen, die ihm neu zugeführten sechs
Ersatz-Divisionen nach Lage der Dinge einzusetzen, die 7. Armee, die mit Teilen
den erwarteten Vorstoß aus Belfort nach dem Oberelsaß abgeschlagen
hatte, an [112] den linken Flügel in die Gegend von
Zabern heranzuführen und die 5. Armee zum Stoß durch Metz
hindurch in die Flanke des Feindes heranzuholen, wenn der Feind in den
Saarbogen nachdrängte. Dieser Weisung entsprechend wich die 6. Armee
bis
in die Linie
Sanry - Saarburg in Lothringen aus, ohne daß sich aber die
große französische Offensive über den Anlaß zur
Operation hinaus entwickelte. Die Aufgabe des Kronprinzen von Bayern, starke
französische Kräfte zu binden, verlangte nach Ansicht des
Armee-Oberkommandos nunmehr eigenes Vorgehen und führte zur
Lothringer Schlacht, die besonders auf dem rechten Flügel gute Erfolge
aufwies und die Oberste Heeresleitung am 20. August veranlaßte, den
Befehl zur Fortsetzung des Angriffs mit starkem rechten Flügel zu geben,
um die in und an den Vogesen kämpfenden französischen
Kräfte ins Gebirge zu drücken. Diese Offensive führte jedoch
infolge der nunmehr wirksam werdenden Flankierung von Nancy her nicht zu
dem gewünschten Ergebnis: die Franzosen schienen am 26. August sogar
Kräfte zwischen Mosel und Vogesen herausgezogen zu haben. Die Oberste
Heeresleitung stand jetzt vor dem Entschluß, den sofortigen Abmarsch und
Abtransport starker Kräfte nach dem rechten Heeresflügel zu
befehlen, wie Graf Schlieffen es in Aussicht genommen hatte, oder die erfolgreich
begonnene Operation mit allen Kräften fortzuführen.
Überzeugt von der Wirkung der bei Lüttich und Namur
glänzend bewährten schwersten Artillerie gegen moderne
Panzerbefestigungen und veranlaßt durch die wiederholten Bitten der 6.
Armee, sie in der begonnenen Operation zu belassen, entschloß sie sich
für den Durchbruch zwischen Toul und Epinal, der zu einer Umfassung des
französischen Heeres auch von dieser Seite her führen sollte. Die
Folge war die Festlegung zu starker deutscher Kräfte an (wie sich
später herausstellte) nicht entscheidender Stelle.
Inzwischen setzte die große Heeresschwenkung durch Belgien erfolgreich
ein. Die 1. und 2. Armee im Vorgehen nördlich der Maas fegten die
belgische Armee aus dem Felde und erreichten Brüssel und die Sambre bei
und westlich von Namur, während die 3. Armee oberhalb von Namur den
Übergang über die Maas erzwang. Die 1. Armee faßte die aus
dem Antransport kaum versammelte englische Armee am 22. August bei Mons
und schlug sie an den beiden folgenden Tagen; die 2. Armee brach den
hartnäckigen französischen Widerstand an der Sambre in
zweitägiger Schlacht; die inneren Flügel der 2. und 3. Armee nahmen
Namur, die 3. Armee warf den Feind an der Maas und erzwang sich den
Übergang bei Dinant; 4. und 5. Armee schoben sich dem Vorgehen des
rechten Flügels entsprechend vor; dabei stießen die 4. Armee auf die
über die französische Maas vorgegangene 4. französische
Armee, die 5. Armee auf die beiderseits Longuyon vorbrechende 3.
französische Armee, die beide, geworfen, hinter der Maas Halt suchten,
letztere allerdings erst nach sehr hartnäckigen Rückzugsgefechten
und einem Entlastungsstoß aus Verdun. Die 5. Armee, welche die 3.
französische Armee nördlich von Verdun vorbei in westlicher
Richtung abdrängen sollte und zu [113] diesem Zweck durch fünf
Landwehr-Brigaden, die in der Nied-Stellung östlich Metz verfügbar
geworden waren, verstärkt wurde, stieß auf starken Widerstand, so
daß sie diese Aufgabe nicht erfüllen konnte.
Das IX. Reservekorps, das zum Schutz gegen eine englische Landung in
Schleswig-Holstein belassen war, konnte nach dem Auftreten des englischen
Expeditionskorps in Frankreich am 23. August zur Verwendung an anderer Stelle
von dort fortgezogen werden. Die Oberste Heeresleitung entschloß sich
für Heranführung zur 1. Armee, der im besonderen auch der
Flankenschutz und die Sicherung der rückwärtigen Verbindungen
des Heeres gegen Bedrohung von Antwerpen und der Küste her oblag. Sie
hielt an dem Entschluß fest, obwohl die Lage im Osten gerade jetzt
außerordentlich kritisch geworden und dem neuen Oberbefehlshaber im
Osten die baldige Zuführung von Verstärkungen in Aussicht gestellt
war. Der Zuwachs von Kraft in Belgien erwies sich als sehr notwendig, wiewohl
es einfacher gewesen wäre, ihn durch die am 25. August für den
Osten bestimmten, durch den Kampf um Namur ins zweite Treffen
gedrückten Korps aufzubringen.
Die Verhältnisse auf dem östlichen Kriegsschauplatz hatten sich
unterdessen weiter so entwickelt, daß eine sofortige Unterstützung
nach Ansicht des Oberkommandierenden der 8. Armee unabweisbar war. Die
Abgabe von Kräften nach dem Osten vor der Entscheidung im Westen war
aber ein gewagter Entschluß. Wenn auch die beiden dazu ausersehenen
Korps - Garde-Reservekorps und XI.
Armeekorps - infolge ihres Kampfes um Namur, in die zweite Linie
gedrängt waren, so mußte eine Reserve in der Hand der Obersten
Heeresleitung im Westen eine Notwendigkeit sein, um dem Grundgedanken der
ganzen Operation, mit starkem rechten Flügel die Umfassung zu erzwingen,
durch immer erneuten Nachschub von andernorts entbehrlich werdenden
Heeresteilen auch den gewollten Nachdruck zu verleihen. Die Armeen hatten in
dem Drange, den Feind nicht zur Ruhe kommen zu lassen, alle Korps in vordere
Linie gezogen; Reserven fehlten ihnen; schnelle Verschiebungen, falls sie
überhaupt möglich waren, bedingten immer ein Herausziehen von
Teilen aus der Front und Märsche in nächster Nähe hinter der
Front, wo sie Zeit erforderten, schwierig und störend sein mußten.
Der verhältnismäßig geringe feindliche Widerstand, die breiten
Fronten der Armeen, die von einzelnen Armeen eingehenden übertrieben
günstigen Nachrichten über den Zustand beim Gegner und die
allgemeine Tendenz, dem Feinde keinen Atem zu gönnen, ließen die
Oberste Heeresleitung über diese notwendige Maßnahme
hinwegsehen
und die Gefahr einer immerhin nicht ausgeschlossenen Flankierung des
Stoßflügels allzu gering einschätzen. Die Abgabe des
außerdem der 5. Armee für den Osten abverlangten V. Armeekorps
war bei der verantwortungsvollen und schweren Aufgabe dieser Armee, ein
Abreißen des Angriffsflügels des Heeres von dem inneren Drehpunkt
(der Metzer Befestigungsgruppe) auf alle Fälle zu verhindern, nicht minder
gewagt. Sein Ausfall infolge der befohlenen Bereitstellung zum
Ab- [114] transport bei Diedenhofen machte sich in der
Front der 5. Armee in jenen Tagen sofort empfindlich fühlbar; sein am 30.
August auf Grund der Siegesnachricht von Tannenberg befohlener
Rücktritt
war für die Armee und ihre vielseitigen Aufgaben bei Verdun ein
großer Gewinn.
Die Operationen auf dem rechten Flügel verliefen weiter glatt; am 27.
August erreichte die 1. Armee, in dem Bestreben, die englische Armee von ihren
Verbindungen abzuschneiden, mit ihrem rechten, weitausholenden Flügel
die Gegend nördlich von Peronne, mit ihrem linken Flügel die
Gegend nördlich von Bohain, zum Angriff auf den
Somme-Abschnitt zwischen Corbie und Bethancourt entschlossen; die 2. Armee
gewann die Linie St. Souplet - La Chapelle, die 3.
Armee
Girondelle - Lonny. Die 4. Armee stand in heftigem Kampf um die
Maas zwischen Donchéry und nördlich Stenay, die 5. Armee hatte
nördlich von Verdun nach schwerem Kampf die 3. französische
Armee gegen und über die Maas zurückgeworfen. 6. und 7. Armee
lagen in der Linie östlich
Nancy - St. Die in heißem Ringen mit dem geworfenen, aber
nicht geschlagenen Gegner. Ein starker, zur Entlastung des hartbedrängten
Verbündeten am 25. August unternommener Ausfall aus Antwerpen konnte
vom III. Reservekorps allerdings erst im Verein mit Teilen des bei Löwen
eintreffenden IX. Reservekorps abgeschlagen werden.
Fast sämtliche französische Heeresteile, mit Ausnahme einiger
Reserve-Divisionen, waren in diesen Kämpfen gestellt, geworfen und zum
Teil stark mitgenommen. Die beabsichtigte Flankierung des deutschen
Umfassungsflügels durch die Engländer, der Durchbruch der
Franzosen durch Südbelgien, ihr Durchbruch in Richtung
Saarbrücken, der Stoß ins
Elsaß - alles war gescheitert. Die deutsche Operation dagegen verlief
planmäßig, wenn auch der Widerstand an der Maas noch zu brechen
war und der linke Flügel an der Meurthe nicht mehr vorwärts zu
kommen schien. Aus dem Abzug der Franzosen nach Südwesten und
Westen, dem starken Widerstand gegen Osten, glaubte die Oberste Heeresleitung
auf die Absicht der feindlichen Heeresleitung schließen zu sollen, die
Armeen zunächst wieder in die Hand zu bekommen und mehr an Paris
heranzurücken. Um dies zu verhindern, verlegte die Oberste Heeresleitung
daher die Angriffsstreifen der Armeen mehr nach Westen, machte die 1., bisher an
die Befehle des Oberbefehlshabers der 2. Armee, Generalobersten v.
Bülow, gebundene Armee mit unterstelltem Höheren
Kavalleriekommandeur 2 selbständig, und setzte sie, indem sie ihr auch
weiter den Heeresflankenschutz übertrug, westlich der Oise in Richtung auf
die Seine unterhalb von Paris an; der 2. Armee gab sie Marschrichtung auf Paris,
dirigierte die 3. und 4. Armee über die Linie
Laon - Reims, während die um ein Korps der 4. Armee
verstärkte 5. Armee an Verdun westlich vorbei auf
Chalons - Vitry le François nachstoßen sollte.
Von dem Entschluß, zwischen Nancy und Epinal mit der 6. und 7. Armee
durchzubrechen, glaubte die Oberste Heeresleitung nicht abgehen zu
können. Einerseits schien es ihr nicht ausgeschlossen, daß die
Franzosen zur Entlastung ihres [115] linken Flügels und der Mitte doch noch
eine zweite Offensive in Lothringen unternehmen könnten, anderseits hatte
sie die Auffassung, daß die Franzosen, falls sie sich an der Aisne oder
Marne zu neuem Widerstand setzen würden, ihren rechten Flügel an
das Festungsdreieck
Langres - Dijon - Besançon
anlehnen - somit also die starke Befestigungslinie
Toul - Epinal aufgeben würden. Für beide Aufgaben
glaubte sie keinen Mann auf ihrem linken Flügel entbehren zu
können. Diese Auffassung erwies sich nicht als glücklich. Zur
Verteidigung konnte man dort mit weniger Kräften auskommen, für
das Gelingen eines Angriffs waren die hier befindlichen Kräfte zu gering;
eine Linksumfassung des
französisch-englischen Heeres wurde, auch wenn man die
Mosel-Linie durchbrach, angesichts der starken Abschnitte und der für die
Franzosen vorhandenen Anlehnungsmöglichkeit an ihre starken Festungen
rechtzeitig nicht erreicht.
Die Oberste Heeresleitung behielt sich - wohl im Verfolg der 1870
bewährten
Art - die unmittelbare Leitung der einzelnen Armeen durch Direktiven vor.
Die Einrichtung der Heeresgruppen gab es noch nicht, sie würde
die - mit Rücksicht auf die wachsende Flankierungsgefahr und die
Entfernung vom Großen Hauptquartier gerade auf dem rechten Flügel
erwünschte - einheitliche Leitung der 1., 2. und 3. Armee
ermöglicht haben. Die Anordnung der Oberste Heeresleitung, daß
starker Widerstand an den noch zu überwindenden Abschnitten ein
Eindrehen der Armeen aus südwestlicher Richtung in südliche
Richtung erforderlich machen könnte, war nicht zweckmäßig.
Die Armeen traten aus ihren Vormarschstreifen verschiedentlich heraus und
verloren Zeit; durch energisches Nachstoßen in gerader Richtung an den
weniger widerstandsfähigen Stellen unter zweckmäßigerer
Gliederung innerhalb der Armeen zum eigenen Flankenschutz, wäre man
schneller zum Ziel gekommen und nicht gleich aus dem Rahmen der großen
Operation gefallen. Eine derartige Maßnahme hätte aber eine
Gliederung der Armeen nach der Tiefe vorausgesetzt, die bei der dauernden
Verfolgung verloren gegangen wäre.
Die Ereignisse kamen den Weisungen der Obersten Heeresleitung zuvor. Die 3.
Armee, die mit ihrem linken Flügel über
Château-Porcien vorgehen sollte, wurde in der Verfolgung ihres bisherigen
Gegners im Anschluß an die in Richtung Vouziers nachdrängende 4.
Armee gegen den
Aisne-Abschnitt Semuy - Château-Porcien gezogen. Die
Oberste Heeresleitung war mit der eingeschlagenen Marschrichtung einverstanden
und gab sogar der 2. Armee, nachdem sie bei St. Quentin und östlich den
zur Gegenoffensive schreitenden Feind entscheidend geschlagen hatte, am 1.
September Weisung, in südöstlicher Richtung auf
Château-Porcien zur Entlastung der 3. Armee einzugreifen. Die 1. Armee
gewann nach Erzwingung der
Somme-Übergänge beiderseits von Peronne die Überzeugung,
daß es wichtiger sei, dem vor der 2. und 3. Armee zurückgehenden
Feinde die Flanke abzugewinnen, ihn von Paris abzudrängen und
umfassend anzugreifen, als in dem ihr zugewiesenen Streifen den Schutz der
Heeresflanke zu übernehmen. Sie schlug zwar noch am 29. und 30. August
südwestlich Peronne starke französische [116] Kräfte, die zu einer zum Schutz der
linken Flanke der Engländer sich in der Picardie sammelnden Armee
gehörten, entschloß sich dann aber, unter Schutz gegen Westen am
31. August mit der Masse gegen den
Oise-Abschnitt Compiègne - Noyon einzuschwenken, um
die Engländer auch weiterhin nach Süden abzudrängen. Die
Oberste Heeresleitung billigte die Maßnahme der 1. Armee und gab somit
dieser
Armee - im Gegensatz zu ihrer Weisung vom 27. August - die
Richtung gegen die Nordostfront von Paris, ohne auch ihrerseits die Bedrohung
der Heeresflanke von Paris her für gefährlich anzusehen.
Der Feind vor der 3. Armee gab am 1. September seine Stellungen an der Aisne
auf, so daß die 2. Armee von ihrer Absicht, auf
Château-Porcien einzudrehen, absehen und im Marsch über die
Aisne bei und östlich von Bailly bleiben konnte. Sie überschritt am
2. die Aisne und Vesle und beabsichtigte am 3. die Marne zu erreichen.
Die Meldungen von großen Biwaks beiderseits der Argonnen und vom
Abmarsch langer Fahrzeugkolonnen aus dortiger Gegend nach Südwesten,
die auf eine Verschiebung der französischen Kräfte nach Westen
hindeuteten, veranlaßten die Oberste Heeresleitung zu der neuen Weisung
an die 3. und 4. Armee, kräftig in südöstlicher und
südlicher Richtung vorzustoßen, so daß sie am 2. September
abends die Linie
Bazancourt - Somme-Py - Autry erreichten,
während die 5. Armee in dem Waldgelände
nordwestlich von Verdun noch in schwerem Kampf stand. Dieser Armee, der am
1. September das V., vorübergehend für den Osten bestimmt
gewesene Korps wieder zur Verfügung stand, ging der Befehl zu, mit
rechtem Flügel über Vienne le Château auf St. Menehould
vorzugehen, Verdun von Westen her abzuschließen und die Sperrforts
Troyon, Les Paroches und Camp des Romains südlich Verdun im Angriff aus östlicher Richtung fortzunehmen, um Verdun gänzlich von der
Außenwelt abzuschneiden, und nördlich von Toul gegen die Flanke
der weichenden französischen Armeen zu drücken. Zur Sicherung
ihrer linken Flanke wurde die mit schwerer Artillerie reichlich ausgestattete
Hauptreserve von Metz ihr unterstellt, die zugleich die Weisung erhielt, von
Norden und Nordwesten her den Angriff der 6. Armee gegen die Stellungen
südöstlich von Nancy zu unterstützen, der am 4. September
mit 68 schweren Batterien beginnen sollte. Den Feind vor der 6. und 7. Armee
schätzte die Oberste Heeresleitung am 2. September noch auf 13
Armeekorps; für einen Abtransport von Verbänden vom rechten
französischen Flügel nach Paris lagen keine Anzeichen vor.
Die Oberste Heeresleitung gab daher am 2. September abends an die 1. und 2.
Armee folgenden Befehl: "Absicht der Obersten Heeresleitung, Franzosen in
südöstlicher Richtung von Paris abzudrängen. 1. Armee folgt
gestaffelt der 2. Armee und übernimmt weiterhin den Flankenschutz des
Heeres. Erscheinen von Heereskavallerie vor Paris sowie Zerstörung aller
nach Paris führenden Bahnen erwünscht." Wie die 1. Armee am 2.
September abends stand, war
in- [117] folge unzureichender Nachrichtenverbindung
auf der weiten Entfernung der Obersten Heeresleitung nicht genau bekannt, sie
vermutete sie rückwärts zur 2. Armee gestaffelt; tatsächlich
hatte sie die 2. Armee überholt und hatte sich am 3. September mit ihrem
linken Flügelkorps auf die Marschstraße des rechten Flügels
der 2. Armee gesetzt, so daß diese aus ihrer Vormarschrichtung nach links
hinausgedrängt wurde. Immerhin war der Befehl der Obersten
Heeresleitung klar; die Aufgabe des Abdrängens der Franzosen fiel der 2.
Armee zu, während die 1. Armee gestaffelt zur 2. Armee auch weiterhin
ihre Hauptaufgabe im Schutz der Heeresflanke zu suchen hatte. Die 1. Armee
ihrerseits griff aber, weil die 2. Armee über einen Tagemarsch
zurück war und weil sie energisches Zufassen am
Marne-Abschnitt für geboten hielt, den Auftrag des Abdrängens
für sich auf, setzte am 3. September ihre eingeleitete Bewegung fort, befahl
für den 4. dem IX. und III. Armeekorps, gegen die Straße
La Ferté - Gaucher - Montmirail
vorzustoßen, dem IV., bei La Ferté sous Jouarre die Marne in
Richtung Rebais zu überschreiten, und sogar dem II. Armeekorps, mit
Vortruppen die Straße
Meaux - La Ferté sous Jouarre zu erreichen, während
das infolge anderer Aufgaben noch um eine Brigade geschwächte IV.
Reservekorps zusammen mit einer
Kavallerie-Division bei Nanteuil le Haudouin allein die Deckung der Armeeflanke
gegen Paris übernehmen sollte. Das Kavalleriekorps, mit Ausnahme der 4.
Kavallerie-Division, wurde gegen den Wunsch der Obersten Heeresleitung auf
La Ferté sous Jouarre in Marsch gesetzt. Das Oberkommando der 1.
Armee, in der Auffassung, daß der Heeresflankenschutz nur eine
Schwächung seiner Offensivkraft bedeutete, erbat für diesen in
einem Funkentelegramm vom 4. September morgens von der Obersten
Heeresleitung baldige Verstärkung.
Die Oberste Heeresleitung wurde durch die Orientierung der 1. Armee, die am 4.
September abends einging, vor eine gänzlich neue Lage gestellt. Am 4.
September wollte die 2. Armee den von
den - nach ihrer Meldung - "zurückflutenden" Franzosen nicht
gehaltenen
Marne-Abschnitt östlich Château-Thierry überschreiten und
die Linie Pargny le
Dhuis - Epernay erreichen; die 3. Armee die Marne bei und westlich
Chalons mit Vortruppen überschreiten, während die 4. Armee in der
Verfolgung, rechter Flügel in Richtung Vitry le
François - Montier en Der in der Linie
Marson - Valmy gelangte und die 5. Armee nach hartem Kampf um
die Linie
Aprémont - Cuisy, unter Abschluß von Verdun, mit
Rücksicht auf den beginnenden Angriff der 6. und 7. Armee über
Varennes und östlich nachstoßen sollte.
Da wurde auf dem linken Heeresflügel eine schwerwiegende
Änderung der Lage erkannt: Flieger hatten am 4. September nachmittags
den Abtransport französischer
Truppen - etwa zwei Armeekorps - aus der Gegend von Pont St.
Vincent nach Westen festgestellt. Auf diese Meldung hin, in Verbindung mit
Fliegermeldungen der 3. Armee vom 2. September, nach denen Transporte von
den Bahnhöfen Suippes, Somme Suippes und Cuperly nach
Südwesten führen, [118] und den Meldungen der 5. Armee vom 3.
September, daß der Rückzug des Feindes vor der 5. Armee in
Ordnung vor sich ginge und Transportzüge von Verdun nach
Südwesten führen, gab der Obersten Heeresleitung die Grundlage zu
der Auffassung, daß starke Verschiebungen nach Paris stattfänden,
wohin nach Meldung der 1. Armee vom 2./3. September auch aus der
Umklammerung der 1. Armee heraus Teile des Feindes entkommen wären
und wahrscheinlich auch die in der Picardie aufgetretenen, bisher nicht wieder
verspürten französischen Kräfte sich gewandt
hätten.
Dadurch entstand eine völlig neue Lage. Die Oberste Heeresleitung
entschloß sich daher, von dem bisherigen Grundgedanken der Operation
abzuweichen und die Verfolgung mit 4. und 5. Armee in
südöstlicher Richtung fortzusetzen, um der 6. Armee die
Mosel-Linie südlich Nancy zu öffnen, die 1. und 2. Armee
gegenüber der Ostfront von
Paris - 1. Armee zwischen Oise und Marne, 2. Armee zwischen Marne und
Seine - zu belassen, die 3. Armee auf
Troyes - Vendeuvre in Marsch zu lassen, bereit, je nach Lage zur
Unterstützung der 2. oder 4. Armee einzudrehen.
Osten.
Bevor auf dem südöstlichen Kriegsschauplatz die Operationen mit
dem geplanten und anfangs erfolgreichen Vorstoß des
österreichisch-ungarischen Heeres in die russische Versammlung zwischen
Brody und Lublin einsetzen konnten, hatte sich vom Njemen her die russische
Armee Rennenkampfs gegen die Linie
Goldap - Gumbinnen in Bewegung gesetzt, während die
Narew-Armee Ssamsanows südöstlich von Mlawa ihren Aufmarsch
beendete. Die deutsche 8. Armee stand am Schluß der Mobilmachung im
Grenzschutz an der Ostgrenze Posens,
West- und Ostpreußens entlang. Der Oberbefehlshaber
hatte - abgesehen von den im Grenzschutz Schlesiens und Südposens
stehenden
Truppen - über sämtliche Ostkräfte freie
Verfügung je nach der Lage und entschloß sich, die als erste schon im
Marsch befindliche russische
Njemen-Armee mit der Masse seiner Truppen am 20. August anzugreifen, ehe die
Bedrohung seitens der
Narew-Armee, gegen die ein Armeekorps stehen blieb, fühlbarer wurde.
Der Angriff führte bei der doppelten Überlegenheit der Russen in der
Frontalschlacht bei und südlich Gumbinnen nicht zum erhofften Ziel. Das
Armeeoberkommando beschloß daher, die 8. Armee der drohenden
Umklammerung seitens der
Njemen- und der inzwischen angetretenen Narew-Armee durch den
Rückzug nach Westpreußen zu entziehen.
Dieser Entschluß fand die Billigung der Obersten Heeresleitung, welche
diese Lage erwartet hatte und keinesfalls für aussichtslos hielt, absolut
nicht. Seine Majestät übertrug den Oberbefehl am 22. August dem
noch in der Heimat befindlichen, auf eine mobile Verwendung wartenden General
der Infanterie v. Beneckendorff und v. Hindenburg, der, durch den ihm
zugeteilten, von der Obersten Heeresleitung eiligst orientierten Chef,
Generalmajor Ludendorff, auf der Reise nach Ostpreußen ins Bild gesetzt,
nach seinem Eintreffen auf dem
öst- [119] lichen Kriegsschauplatz am 23. August den
Rückzug der 8. Armee einstellte und sofort die für eine neue
Operation notwendigen Befehle erließ. Mit Rücksicht auf die
große Überlegenheit der Russen stellte die Oberste Heeresleitung
baldige Verstärkungen aus dem Westen in Aussicht. Schon am 24. August
wurde der Abtransport von zwei
Landwehr-Brigaden aus Schleswig-Holstein nach dem Osten befohlen, und am
25. August erhielten die beiden auf Namur angesetzt gewesenen Armeekorps und
ein Armeekorps der 5. Armee Abmarschbefehl zur Verladung nach dem Osten.
Die Lage in Ostpreußen ließ aber ein Abwarten der
Verstärkungen aus dem Westen nicht zu; schnelles Herumwerfen der
Verbände der Armee mit Bahn und Fußmärschen brachte die
gesamte 8. Armee schon am 26. August zum Angriff über die Linie
Lautenburg - Allenstein - Bischofsburg gegen die
Narew-Armee, die bis zum 30. August - zwischen Neidenburg und
Ortelsburg zum großen Teil
eingekesselt - der Vernichtung anheimfiel, ohne daß die nur durch
Kavallerie beobachtete und wohl durch die Festung Königsberg gefesselte,
60 Kilometer entfernte
Njemen-Armee Miene gemacht hätte, der unglücklichen
Nachbararmee zu Hilfe zu eilen. Auf die günstigen Nachrichten über
diese
"Tannenberg-Schlacht",
wie sie zu nennen General v. Hindenburg Seiner
Majestät vorschlug, sah sich die Oberste Heeresleitung veranlaßt, das
von der 5. Armee abzugebende Armeekorps im Westen
zurückzubehalten.
Die österreichisch-ungarischen Armeen hatten ihre Offensive begonnen und
standen, während die siegreichen Truppen Hindenburgs den Russen bei
Tannenberg die Gurgel
zuschnürten, zwischen Huszwa und Weichsel und
östlich von Lemberg in erfolgreichem, hartem Kampf. Eine Entscheidung
aber glaubte das k. u. k. Armeeoberkommando allein nicht
herbeiführen zu können und wandte sich daher am 27. August an die
deutsche Oberste Heeresleitung mit dem Ersuchen, sobald wie möglich
deutsche Truppen auf Siedlce und Lukow vorgehen zu lassen, um seinerseits den
Erfolg südöstlich von Lublin ausnutzen zu können. Diesem
Wunsche hätte die Oberste Heeresleitung durch unausgesetzte Verfolgung
der bei Tannenberg
entkommenen Reste der
Ssamsanow-Armee entsprechen können, wenn nicht Rennenkampfs Armee
noch ungeschlagen auf ostpreußischem Boden und somit im Rücken
der 8. Armee gestanden hätte. Das k. u. k.
Armeeoberkommando mußte abschlägig beschieden werden; ein
Vormarsch stärkerer deutscher Kräfte in Richtung Warschau wurde
aber für später in Aussicht gestellt und an die 8. Armee am 31.
August der Befehl erteilt, Ostpreußen von Rennenkampfs Truppen zu
säubern. Für diese Operation standen dem Oberbefehlshaber jetzt
auch die beiden aus dem Westen herangeführten Armeekorps und eine vom
linken Flügel des Westheeres entnommene
Kavallerie-Division zur Verfügung. Am 8. September griff die 8. Armee
über die Linie
Arys - Lötzen - Wehlau - Labiau
an, drückte, trotz Bedrohung ihrer rechten Flanke durch neue russische
Kräfte bei Lyck, den linken russischen Flügel östlich
Lötzen ein, überstand am 11. September erfolgreich bei Goldap,
Darkehmen und Insterburg härtere Kämpfe und
über- [120] schritt am 12. September die Grenze, so
daß sie am 13. September der Obersten Heeresleitung melden konnte,
daß sie von Beendigung der Verfolgung, vom 14. September ab gerechnet,
in etwa zehn Tagen zur Offensive gegen den Narew und östlich bereit sein
könnte.
Ein Stück Geschichte hatte sich in drei Wochen auf ostpreußischem
Boden unter Führung Hindenburgs abgespielt, so herrlich, wie es der
große Krieg nur vereinzelt aufweist. Ostpreußen war befreit, die
russische Offensive auf diesem Teil des östlichen Kriegsschauplatzes
zusammengebrochen.
Im Südosten aber verdunkelte sich der Himmel. Die k. u. k.
Armee hatte sich trotz Verstärkung durch die Armeeabteilung Kummer vor
feindlicher Übermacht von der Wyznica zurückgezogen und am Por
durch das preußische Landwehrkorps Woyrsch aufnehmen lassen. Ihre
rechten Nachbararmeen hatten tapfer bei Rawa Ruska und Lemberg gefochten,
wurden aber vom k. u. k. Armeeoberkommando
zurückgenommen, als die 1. Armee sich auch am Por nicht mehr halten zu
können glaubte, somit ihre linke Flanke gefährdet war. Das ganze
Heer entzog sich einem russischen Gegenschlage und ging auf die
San-Linie zurück. Da ihm keine Aussicht zu bestehen schien, die Lage aus
eigener Kraft zum Besseren zu wenden, wandte sich das k. u. k.
Armeeoberkommando am 13. September mit einem erneuten Ersuchen an die
Oberste Heeresleitung, nunmehr starke Kräfte nach dem Osten zu werfen
und, dem gemeinsamen Operationsplan entsprechend, jetzt auf dem
östlichen Kriegsschauplatz die Entscheidung herbeizuführen. Die
Oberste Heeresleitung war aber zu dieser Zeit noch nicht imstande, mit den zu
einer Ostentscheidung notwendigen Kräften aus dem Westen dem
k. u. k. Armeeoberkommando beizuspringen.
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