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Bd. 1: Der deutsche Landkrieg, Erster Teil:
Vom Kriegsbeginn bis zum Frühjahr 1915

Kapitel 2: Die Kriegsrüstungen zu Lande   (Forts.)
Major Karl Hosse

7. Deutschland.

Im Herzen Europas gelegen, von starken kriegerischen Mächten umgeben, ohne natürlichen Schutz im Osten und Westen, hatte Deutschland mehr als irgendein anderer Staat während Jahrhunderten die Kriegsfurie über seine Lande [75] hereinbrausen sehen. Es war daher kein Wunder, daß der Selbsterhaltungstrieb zu einem starken Ausbau der Wehrmacht und einer scharfen Zusammenfassung der Staatsgewalt im preußisch-deutschen Kaiserreich geführt hatte. Wie die Feinde über die Berechtigung der deutschen Kriegsrüstung dachten, das hat Lloyd George selbst in einem Neujahrsartikel 1911 mit den Worten ausgesprochen: "Die deutsche Armee ist eine Lebensnotwendigkeit nicht nur für das Reich, sondern auch für die Existenz und Unabhängigkeit der Nation, da Deutschland von zwei Staaten flankiert ist, deren jeder eine fast ebenso starke Armee unterhält.

Das Land wurde so oft von Feinden besetzt, überrannt und zerstört, daß es sich keinen neuen ähnlichen Gefahren aussetzen darf. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß, während wir eine Überlegenheit von 60 vom Hundert über die Seestreitkräfte Deutschlands fordern, Deutschland selbst in militärischer Hinsicht nicht einmal Frankreich gegenüber eine solche Überlegenheit besitzt, und außerdem hat es doch auch mit Rußland zu rechnen. Deutschland aber macht keinen Anspruch auf einen »Zweimächte-Standard«."

Leider hatte Lloyd George nur zu recht. Die Wehrkraft des 67 Millionenvolkes ist bei weitem nicht so ausgenutzt worden, wie es möglich und notwendig gewesen wäre. Während Frankreich in den letzten Jahrzehnten etwa 1,5 vom Hundert seiner weißen Bevölkerung unter den Fahnen hatte und diese Zahl im Jahre 1913 durch die gleichzeitige Einziehung zweier Rekrutenjahrgänge sogar auf über 2 vom Hundert steigerte, blieb Deutschland mit der Friedensstärke seines Heeres in den Jahren 1911 und 1912 sogar unter der gesetzlich festgelegten Stärke von 1 vom Hundert. Frankreichs Jugend leistete also doppelt so viel für die Landesverteidigung als Deutschlands Jugend. (Vergleiche die auf Seite 46 gegebene Übersicht der jährlich eingestellten Rekrutenzahlen.) Während Deutschlands Volkszahl von 1890 (49½ Millionen) bis 1914 (67 Millionen) um etwa 35 vom Hundert wuchs, blieb seine Rekrutenzahl bis 1912 fast unverändert, erst 1913 wurde sie nennenswert erhöht. Deutschland stellte während der letzten 20 Jahre bis zum Kriegsausbruch zum Dienst mit der Waffe gerade ebensoviel Rekruten ein als Frankreich mit 39½ Millionen. Da aber letzteres außerdem jährlich 30 000 bis 40 000, später durchschnittlich 20 000 Mann zum Dienst ohne Waffe aushob und ferner bis zum Frühjahr 1914 rund 85 000 Farbige und Fremdenlegionäre unter den Fahnen hatte, gewann Frankreich ein beträchtliches Übergewicht über das deutsche Heer.

Die gesetzlich festgesetzte Friedensstärke des deutschen Heeres betrug:

    1871  bis  1880  401 659  Mann ohne Offiziere und
    Einjährig-Frei-
    willige, aber mit
    Unteroffizieren.
    1881 " 1886  427 274 "
    1887 " 1890  468 409 "
    1891 " 1893  486 983 "
    [76]            1894 " 1899  479 229 " ohne Offiziere,
    Unteroffiziere
    und Einjährig-
    Freiwillige.
    1900 " 1904  495 500 "
    1905 " 1910  509 839 "
    1. April 1911 " 1. April 1912  515 321 "
    1. April 1912 " 1. Oktober 1913  544 211 "
    1. Oktober 1913 " 1. Oktober 1914  582 224 "
    vom 1. Oktober 1914 ab    640 782 "
Im Sommer 1914 standen insgesamt unter den Fahnen (die für Oktober 1914 beabsichtigten Zahlen sind zur Erläuterung beigefügt):

    Sommer 1914   Oktober 1914
    Gefreite und Gemeine 582 224   640 782  
    Einjährig-Freiwillige und Volksschullehrer 16 000   17 000  
    Kapitulanten-Unteroffiziere, Gefreite und Gemeine 115 368   116 883  

    713 592   774 665  
    Außerdem zum Dienst ohne Waffe 7 542   7 705  
    Zeug- und Feuerwerkspersonal 4 025   4 090  

    Summe   725 159   786 460  
    Offiziere, Sanitätsoffiziere 35 749   36 306  

    zusammen   760 908   822 766  
Der Friedensstand des deutschen Heeres war somit bei Ausbruch des Krieges um etwa 121 600 Mann geringer als der Friedensstand Frankreichs, um etwa 800 000 Mann geringer als der Friedensstand Rußlands. (Vergleiche Übersicht Seite 92.) Das hinderte aber nicht, daß Deutschland von aller Welt der Vorwurf gemacht wurde, daß es einen Angriffskrieg vorbereitet habe.

In Wirklichkeit machte sich der geringe Friedensstand sehr nachteilig fühlbar, besonders im Winter, wo nur ein ausgebildeter Jahrgang verfügbar war, während Frankreich über zwei, Rußland über drei Jahrgänge verfügte. Die Grenzschutztruppen waren für ihre vielseitigen Aufgaben zu schwach, sie bedurften im Mobilmachungsfall zahlreicher Ergänzungsmannschaften. Zur Aufstellung dringend notwendiger Formationen (wie Maschinengewehre, Radfahrer, technische Truppen) fehlten vielfach die Mannschaften, oder ihre Aufstellung erfolgte auf Kosten der ohnehin schon schwachen Infanterie-Kompagnien. An der normalen Ausstattung fehlten bei Kriegsausbruch dem Heere 229 Feldbatterien, 52 schwere Batterien. Die leichten Feldhaubitzen waren erst in der Einführung begriffen. Im Reichstag wurde um einzelne Schwadrone gefeilscht, während es sich darum gehandelt hätte, die Rekrutenzahl, die 20 Jahre lang fast unverändert geblieben war, um hunderttausend Mann in die Höhe zu setzen.

Selbst die gesetzlich festgelegte Ausbildung der Ersatzreserve, die in Ermange- [77] lung einer richtigen Ausbildung wenigstens eine vorbereitende Schulung für den Ernstfall gewesen wäre, unterblieb in den letzten 20 Jahren vor dem Kriege, da der Reichstag die Mittel verweigerte.

Was lange Jahre hindurch unterlassen worden ist, das konnte 1912 und 1913 nicht mehr nachgeholt werden. Hunderttausende waffenfähiger Männer blieben unausgebildet. Ihre Zahl läßt sich nur schätzen. Nach dem Loebellschen Jahrbuch 1913 blieben im Jahre 1912 (also nach Durchführung der kleinen Wehrvorlage 1911) jährlich immer noch vom Dienst befreit:

    Taugliche 88 234 Mann 
    minder Taugliche     137 394 "

    225 628  Mann.
Wenn also jährlich so viele kostbare Kraft dem deutschen Heere verloren ging, so häufte sich der Verlust im Laufe von 20 Jahren auf Millionen. Die allgemeine Wehrpflicht bestand tatsächlich nicht mehr. Fast die Hälfte der wehrfähigen Jugend blieb vom Dienst befreit. Selbst wenn nur die voll Tauglichen zum Dienst herangezogen worden wären, so hätte Deutschland seine Kriegsstärke zu Beginn des Krieges um etwa eine Million ausgebildeter Mannschaften erhöhen können. Es wäre dann statt mit einem Feldheer von zwei Millionen mit einem solchen von drei Millionen in den Krieg getreten und hätte wenigstens gegenüber dem Feind im Westen ein entscheidendes Übergewicht gehabt. Man vergleiche hierzu die Kriegsstärken der einzelnen Mächte auf Seite 93 und die Verhältnisse des Krieges 1870/71, den Deutschland mit einer Überlegenheit von 106 Bataillonen, 130 Eskadrons und 600 Geschützen, d. h. mit einem starken artilleristischen Übergewicht und mit einer Überlegenheit von 126 000 Mann Infanterie begann. Im Sommer 1914 standen der deutschen Feldarmee von 2 Millionen Mann etwas mehr als 2 Millionen Franzosen, 31/3 Millionen Russen, 200 000 Belgier und 150 000 Engländer gegenüber, während Österreich-Ungarn nur eine Unterstützung von knapp 1½ Millionen (Feldarmee) brachte, die außerdem mit den 285 000 Serben zu rechnen hatte. Überall stand den Waffen der Mittelmächte eine starke Überlegenheit gegenüber. Für die entscheidenden Schlachten während der ersten Operationen nützten die Hunderttausende waffenfähiger Männer, deren Ausbildung im Frieden unterblieben war, gar nichts. Erst in der Stunde der Gefahr aufgeboten, bedurften sie monatelanger Ausbildung, ehe sie gegen gut ausgebildete Gegner wirklich verwendbar waren.

Das Wehrgesetz vom 14. Juni 1912 hatte nur eine geringe Erhöhung gebracht, es war gänzlich unzureichend. Es ist das persönliche Verdienst des Generals Ludendorff, damals Abteilungschef im Großen Generalstab, daß Anfang 1913 eine neue Vorlage eingebracht und durchgesetzt worden ist. Die von ihm verfaßte Denkschrift des Generalstabes vom 21. Dezember 1912 forderte neben starken Etatserhöhungen unter anderem drei Armeekorps, die Stäbe von mehreren [78] Armeeinspektionen, mehrere Kavallerie-Regimenter, Ergänzung der Fußartillerie, der Pionier- und der Verkehrstruppen, namentlich an Telegraphen-Bataillonen und Funker-Kompagnien, großzügige Reorganisation und Erweiterung des Luftschiff- und Flugwesens. Von diesen Forderungen sind erhebliche Abstriche gemacht worden, so der dringende Wunsch Ludendorffs, daß drei neue Armeekorps aufgestellt würden. Sie wurden durch die Regierung gar nicht angefordert. Ludendorff selbst mußte aus dem Generalstabe ausscheiden.

Das Wehrgesetz vom 3. Juli 1913 war aber doch ein erheblicher Schritt auf dem Wege zur tatsächlichen Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht. Das Rekrutenkontingent wurde im Herbst 1913 auf 356 000 Mann erhöht, so daß die Friedensstärke im Herbst 1913 auf 761 000 stieg und im Herbst 1914, wo wieder ein starker Rekrutenjahrgang einberufen werden sollte, etwa 823 000 erreichen sollte. Es ist nicht mehr dazu gekommen, daß das Wehrgesetz von 1913 zur vollen Wirkung gelangte. Während die große französische Heeresvermehrung schon im Sommer 1914 Fleisch und Blut war, stand die deutsche Heeresvermehrung im Sommer 1914 zum größten Teil noch auf dem Papier. Erst im Sommer 1915 wären zwei starke Jahrgänge ausgebildet gewesen. Von da ab konnte sich, wenn die starken Rekrutenjahrgänge im Laufe der Jahre 1915, 1916 usw. ausgebildet und in die Reserve übergetreten wären, das durch Frankreichs Wehrgesetz bedrohlich gestaltete Zahlenverhältnis allmählich zugunsten Deutschlands verschieben; voll wirksam wäre es erst in 20 Jahren gewesen.

Während somit an dem äußeren Ausbau der deutschen Wehrmacht erst in letzter Stunde und zu spät entscheidende Arbeit geleistet wurde, war im Innern der Bau des preußisch-deutschen Heeres in einer Weise festgefügt, wohl durchdacht und mit eisernem Fleiß zusammengeschweißt, daß es mit Recht den Ruf der besten Armee genoß. Seit den Tagen, da der Große Kurfürst im ungestümen Laufe vom Rhein zum Rhin zog, um die kriegsgewohnten Schweden zu schlagen, und seit den sieben Jahren, in denen sich der große König gegen eine Welt von Feinden siegreich behauptete, seit Belle-Alliance, Königgrätz und Sedan, war es dem preußisch-deutschen Heere zur Gewohnheit anerzogen, Außergewöhnliches zu leisten. Was den Wissenden nicht verborgen geblieben, das steckte halb unbewußt auch als Gefühl in fast jedem Offizier und Mann: daß der deutsche Soldat es im Ernstfall mit starker zahlenmäßiger Überlegenheit zu tun haben würde, daß er aber auch mit dem Stärkeren fertig werden würde, und daß er dazu den Feind angreifen müsse, auch wenn dieser stärker wäre. "Wir werden es schon schaffen", das war die Überzeugung von Führer und Mann, das war auch der stolze Glaube des ganzen Volkes, als die glänzenden Regimenter an die Grenze eilten.

Niemals war freilich auch ein Heer besser geschult. Mag in Einzelheiten an der einen oder anderen Stelle vielleicht die lange Friedenszeit Formen gezeitigt haben, die nicht voll den Verhältnissen des Krieges entsprachen, mag auch in taktischen oder technischen Fragen hier oder da nicht ganz das richtige getroffen [79] worden sein, das ändert nichts an der Tatsache, daß die deutsche Armee ein Kriegswerkzeug war, wie es besser und einheitlicher nicht geschmiedet werden konnte, und daß in ihm eine Seele lebte, die es zu übermenschlichen Taten befähigte. Dem von Natur zur Ordnung und Pflichterfüllung neigenden Deutschen gaben die eiserne militärische Erziehung, der Drill, die Disziplin die einheitliche, entschlossene Richtung auf ein gemeinsames Ziel, förderten aber zugleich auch die Entwicklung zu selbstdenkenden und selbsttätigen Menschen. Die unbedingte Unterordnung, die verlangt und durchgesetzt wurde, dämmte die dem deutschen Charakter anhaftende Sucht zur Kritik ein. Vor allem aber lernte der Deutsche in der harten Schule der Armee eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende Auffassung von Pflicht, die es als selbstverständlich betrachtete, das Höchste zu leisten, Gesundheit und Leben zu opfern lediglich aus ideellen Gründen, ohne materielle Entlohnung. Ehrgefühl, Vaterlandsliebe, Treue gegen Kaiser und Reich, waren für die alte Armee der sittliche Halt, der sie zu einem rocher de bronze zusammenschloß und sie stärker machte als alles, was um sie herumflutete.

Dieser Geist war vor allem im Offizierskorps verkörpert. Charakter war das erste, was bei der Auswahl verlangt wurde, er war das Entscheidende für das Aufrücken in die Führerstellen. Die Ausbildung war außerordentlich vielseitig: neben der Erwerbung von Kenntnissen auf den verschiedensten Gebieten wurde der größte Wert darauf gelegt, die Entschlußkraft und das Verantwortungsgefühl zu wecken und zu stärken. Der deutsche Offizier hat geführt, er hat sich nicht treiben lassen. Dem ausgezeichneten Unteroffizierskorps war die Pflege der Ordnung, die Genauigkeit im einzelnen, die Kleinarbeit in die Hände gegeben. In den Großstädten war es oft schwierig, den geeigneten Ersatz zu finden, da Industrie und Handel lohnendere Aussichten boten.

Die sorgsame Friedensschulung kam besonders der Infanterie zugute. An Schießfertigkeit erreichte ihn nur der englische Berufssoldat und einige feindliche Spezialtruppen, wie Alpenjäger und sibirische Schützenregimenter. Die Marschleistungen der deutschen Infanteristen wurden nur übertroffen, als Franzosen und Engländer vor ihnen aus Belgien zurückgingen.

Die technische Überlegenheit besaß die deutsche Infanterie von Anfang an in den Maschinengewehren, denen weder das französische noch das russische Maschinengewehr gewachsen war. Ebenso hat sich das Infanteriegewehr gut bewährt; es war besser als das französische, erheblich besser als das russische. Jedoch war die Ausstattung mit Maschinengewehren nicht ausreichend. Erst seit Oktober 1913 waren die aktiven Infanterie-Regimenter mit je sechs Maschinengewehren ausgestattet; die Kavallerie-Regimenter hatten keine Maschinengewehre, nur für die Kavallerie-Divisionen war je eine Maschinengewehr-Abteilung bestimmt. Die Ausstattung der Reserve- und Ersatztruppen mit Maschinengewehren war im Rückstand. Die Landwehrtruppen hatten überhaupt noch keine. Für die Reserve-Regimenter, die sofort aufgestellt wurden, fehlten Infanteriegewehre des [80] Modells 1888 und 1904. Sie erhielten das alte Modell 71/84 und mußten darin erst ausgebildet werden.

In der technischen Ausrüstung wurde viel gespart. Die Reservetruppen hatten eine ganz unzureichende Ausrüstung an Artillerie, Nachrichtentruppen, Sanitätsformationen, Kolonnen und Trains. Die Ersatzdivisionen und Landwehrtruppen waren ohne jegliche derartige Ausstattung. Die Ausstattung der Reserve-, Ersatz- und Landwehrtruppen mit Feldküchen war erst in den Anfangsstadien.

Die deutschen Feldkanonen standen an Reichweite den französischen nach. Einen Ausgleich schufen die leichten und schweren Feldhaubitzen, die den Armeekorps einen artilleristischen Ausgleich sicherten. Eine große Überraschung für Franzosen und Russen waren die schweren und schwersten Belagerungsgeschütze, die zum großen Teil den Feldtruppen unmittelbar zu folgen vermochten, jedenfalls sofort überall dort zur Stelle waren, wo es den Widerstand ständiger Befestigungen zu brechen galt.

Mit den Anschauungen über Kavallerieverwendung war die deutsche Heeresausbildung auf dem richtigen Wege. Wenn vor dem Kriege bisweilen spöttische Kritik an den Kavallerieattacken und Zusammenziehung von Kavalleriemassen bei den Kaisermanövern geübt wurde, so konnte dem später entgegengehalten werden, daß bei Beginn des Krieges die zusammengefaßten Kavallerie-Divisionen bei der Abwehr der Umfassung des rechten deutschen Flügels erfolgreich mitgewirkt haben.

Organisation und Ausbildung der Reserveformationen litten unter der falschen Sparsamkeit. Die Ersatzreservisten wurden - entgegen den gesetzlichen Bestimmungen - in den letzten 20 Jahren vor dem Kriege überhaupt nicht mehr ausgebildet. An Reservisten und Landwehrleuten übten:

                        In Deutschland: In Frankreich:      
    1910 499 729 555 258   Mann
    1911 522 734 717 532       "
    1912 541 500 659 440       "
     
    In Frankreich haben also mehr geübt als in Deutschland:
     
    1910 55 529 Mann
    1911 194 798 "
    1912 117 940 "
     
    Noch schärfer kommt die Überlegenheit auf französischer Seite zum Ausdruck, wenn man die Zahl der Übungstage der Reservisten vergleicht:
     
                Deutschland: Frankreich:
    1910 5 960 780 8 133 262   Übungstage
    1911 6 163 202 11 085 867           "
    1912 6 352 280 9 706 420           "
     
    [81] In Frankreich sind also mehr geleistet worden:
     
    1910 2 172 472   Übungstage
    1911 4 922 665           "
    1912 3 354 140           "
In Deutschland übte die große Masse der Reservisten nur 13 oder 14 Tage, in Frankreich dagegen die Mehrzahl 23, und niemand weniger als 17 Tage.

Für die zahlreichen Reserve-, Landwehr- und Ersatzformationen, die im Ernstfall aufzustellen waren, bestanden bis zum Herbst 1913 überhaupt keine Stämme, und was 1913 hierfür geschaffen wurde, blieb weit hinter dem zurück, was Frankreich in seinen cadres complémentaires besaß. Infolgedessen mußten die aktiven Truppen bei der Mobilmachung so ungeheuer große Abgaben an Offizieren, Unteroffizieren, Mannschaften und Pferden machen, daß - abgesehen von der damit verbundenen Verzögerung und Erschwerung der Mobilmachung - der Wert und die Schlagfertigkeit der aktiven Verbände erheblich litten.

Eine schwere Unterlassung war es, daß der unausgebildete Landsturm, der weit über eine Million voll Tauglicher und eine noch größere Zahl minder Taugliche enthielt, überhaupt nicht listisch geführt wurde. Da seine Einberufung zu Arbeitszwecken in den Grenzgebieten sofort bei der Mobilmachung, in den übrigen Bezirken nur wenig später vorgesehen war und auch erfolgte, mußten bei der Mobilmachung große Schwierigkeiten und Reibungen aller Art entstehen.

Die Ungunst der geographischen Verhältnisse, der Mangel natürlicher Grenzen und die so wechselvolle Geschichte Deutschlands haben ihren Stempel auch auf die deutschen Festungen gedrückt. Nur langsam kam man dem Ziel näher, ein einheitliches Landesverteidigungssystem zu schaffen, das den allgemeinen, auf den Angriff im Westen hinzielenden operativen Absichten entsprach. Das stark ausgebaute Metz mit Diedenhofen diente als Drehpunkt für das deutsche Westheer, Straßburg mit Feste Kaiser Wilhelm II. bei Mutzig, Neubreisach und die Oberrheinbefestigungen schützten den schwächeren linken Flügel und Süddeutschland. Schwächliche Rücksichten auf die Schweiz hatten aber selbst hier Unvollständiges entstehen lassen. Als Rückhalt und zugleich als Brückenköpfe waren die zum Teil erst im Krieg auszubauenden Rheinbefestigungen Wesel, Köln, Coblenz, Mainz, Germersheim gedacht. Noch weiter im Innern waren Ulm, Ingolstadt vorgesehen.

Im Osten waren die Festungen größtenteils so angelegt, daß sie den Uferwechsel über die großen Ströme sicherten, so Posen, Thorn, Graudenz. Königsberg bildete den Rückhalt für Ostpreußen, dessen eigentliche Verteidigungslinie in der Seenlinie lag, die aber aus Mangel an Mitteln nur kümmerlich ausgebaut war. Hier war nur die kleine Feste Boyen bei Lötzen geschaffen, das einzige Werk, das im Kriege den Feind vor seinen Wällen sehen sollte. Angesichts der Tatsache, daß sowohl im Osten Ostpreußen dem verheerenden Einfall der Russen preisgegeben, [82] wie auch das Oberelsaß und Lothringen den Einmarsch der Franzosen hat über sich ergehen lassen müssen, drängt sich die Frage auf, ob nicht das deutsche Festungssystem Lücken hatte, deren Schließung möglich und zweckmäßig gewesen wäre. Die Befestigung des Donon in den Vogesen und die Anlage einer Sperrfortskette südlich davon, hätte uns, da wir hier doch defensiv bleiben wollten, vielleicht manch teures Blut erspart. Ob nicht auch im Osten die für die Ernährung unentbehrlichen Provinzen Ostpreußen, Westpreußen und Posen eines besseren örtlichen Schutzes bedurft und die Aufgabe der dortigen Kräfte erleichtert hätten, darüber läßt sich streiten. Immerhin hat der Verlauf des Krieges denen, die alles Verfügbare dem Feldheere zuwendeten und auch die vorübergehende Preisgabe deutschen Bodens mit in Kauf nehmen wollten, auf diesem Kriegsschauplatz recht gegeben.

Auch die Verteidigung der Küste stand unter dem Zeichen der offensiven Kriegführung. Die Festungen Wilhelmshaven mit dem vorgelagerten Helgoland und Kiel waren die Ausfallstore für die Flotte. Der Kaiser-Wilhelm-Kanal, geschützt durch diese Werke, gestattete der Flotte, ihre Kräfte von dem einen nach dem anderen Kriegsschauplatz zu verschieben.

Die Mobilmachung und die Eisenbahntransporte waren an sich glänzend vorbereitet. Der deutsche Generalstab war sich aber schon im Frieden bewußt, daß die Überlegenheit, die er bei der Mobilmachung 1866 und 1870 gegenüber den damaligen Gegnern besaß, nicht mehr zu erreichen war. Im Osten machte der Russe eben schon im Frieden zu drei Vierteln mobil. Gegenüber den Franzosen mit ihren 15 zweigleisigen Eisenbahnlinien verfügte Deutschland nur über 12 für den westlichen Aufmarsch. Sehr nachteilig war die verschiedene Volksdichte; die in den Großstädten und Industriegebieten zusammengeballten Menschenmassen mußten ihren oft weit entlegenen Truppenteilen zugeführt werden, nach Osten dagegen mußten ganze Züge von Lokomotiven und Leermaterial rollen, um die Lebensmittel für das Heer im Westen zu holen. Eine gewisse Erschwernis in all diese sich kreuzenden und störenden Transporte brachten einzelstaatliche Sonderinteressen. So bedurfte es zum Beispiel besonderer Verhandlungen, bis die Festung Straßburg ihre Verpflegung aus den benachbarten Baden, Württemberg und Bayern erhielt, statt wie früher vorgesehen, aus Preußen. Sehr störend wirkte die Notwendigkeit, die elsaß-lothringischen und polnischen Mannschaften zum großen Teil außerhalb ihrer Heimat mobil zu machen und zu verwenden.

Im Gegensatz zu der rein militärischen Mobilmachung war eine wirtschaftliche Mobilmachung fast gar nicht vorbereitet. Es ist bekannt, daß die Munitionsausrüstung zu knapp bemessen und daß die planmäßig vorgesehene Herstellung von Munition und Kriegsgerät völlig unzulänglich vorbereitet war. Weder waren die erforderlichen Rohmaterialien beschafft oder sichergestellt, noch war die in großem Umfang notwendig werdende Umstellung der Industrie auch [83] nur einigermaßen vorbereitet. Für die Fabrikation dringend notwendiger Ersatzstoffe wie künstlicher Salpeter, Stickstoff, Faserstoff, war nichts vorgesehen.

Daß die Ernährung des Heeres und Volkes bei der vorauszusetzenden Sperrung der Seezufuhren eine wichtige Rolle spielen werde, darauf hatte der Generalstab mehrfach hingewiesen. Trotz seines wiederholten Drängens ist die Ernährungsfrage nicht über das Stadium allgemeiner Erwägungen hinausgekommen. Die Anträge des Generalstabes fanden in einer Kommission des Reichsamts des Innern ihr Begräbnis. So verhängnisvoll diese Unterlassungen für Deutschland geworden sind, so geben sie doch neben den Mängeln der militärischen Rüstung den schlagendsten Beweis dafür, daß Deutschland niemals einen Angriffskrieg wollte und vorbereitete, daß die maßgebendsten Stellen an einen Krieg im Ernst nicht dachten.

Regierung, Volksvertretung und die Gesamtheit des Volkes trifft in gleicher Weise der Vorwurf, daß sie nicht die Kräfte des Volkes und Landes so angespannt haben, wie es nötig und möglich gewesen wäre. Die Regierung hat weder die wohlbegründeten Vorstellungen der militärischen Stellen noch die von weiten Kreisen des Volkes geäußerten Befürchtungen genügend beachtet. Aus Furcht vor dem Reichstag hat sie es unterlassen, die militärischen Forderungen mit der nötigen Energie durchzusetzen, das Volk von der Notwendigkeit vermehrter Rüstungen zu überzeugen und die volle Wehrpflicht für jeden Tauglichen durchzusetzen. Der Widerstand ging aber keineswegs nur vom Reichstag aus. Weite Teile des Volkes aus allen Ständen standen dem Heere ablehnend oder offen feindlich gegenüber. Als in elfter Stunde (am 30. Juni 1913) der Deutsche Reichstag seine Zustimmung zu der großen Wehrvorlage gegeben hatte, da schrieb noch die Frankfurter Zeitung am 1. Juli 1913: "Die Geschichte dieser Militärvorlage ist die Geschichte einer geradezu fabelhaften Massensuggestion. Es gelang, den Glauben an ungeahnte Gefahren von unbegrenzter Tragweite zu verbreiten." Solche Urteile, die sich aus einem großen Teil der deutschen Presse beliebig vermehren ließen, haben viel dazu beigetragen, den gesunden Sinn des Volkes zu verwirren. Demgegenüber verhallten die Stimmen der Warner, der nationalen Parteien, des aufklärenden und werbenden Deutschen Wehrvereins und anderer, die als Chauvinisten begeifert oder bespöttelt wurden. Für Hunderttausende war das Heer nur eine Paradetruppe, in der man größtenteils nur ungern zwei oder ein kostbares Jahr verlor, während Glücklichere ganz davon befreit blieben und inzwischen ihrem Erwerb nachgehen konnten. Diese Abkehr vom Heere wurde durch die verfehlte Wehrpolitik auf das stärkste gefördert, die Hunderttausende voll waffenfähiger Männer frei ihrem Beruf überließ, was immer mehr in den Eingezogenen das Gefühl weckte, das schlechte Los gezogen zu haben. Die damit zusammenhängenden Reklamationen, die es in Frankreich so gut wie gar nicht gab, hatten schon im Frieden einen verheerenden Einfluß auf die Moral von Hunderttausenden. Im Kriege haben sie sich geradezu zu einem Krebsschaden ausge- [84] wachsen, der Heimat und Heer verseuchte. Dadurch wurde der Geist der Drückebergerei künstlich gezüchtet und erhielt seine gesetzliche Rechtfertigung. Diese Fehler der Vorkriegszeit waren im Kriege nicht mehr gutzumachen. Sie haben mehr als irgend etwas anderes dazu beigetragen, daß schließlich die moralische Kraft des Volkes versagte.

Bei Kriegsausbruch war freilich dank der glänzenden Friedensschulung im Heere und Volk der Geist der Vaterlandsliebe, der Aufopferung und der Stärke so mächtig, daß das deutsche Heer allen anderen überlegen war. Dieser Geist befähigte es, gegen eine Welt von Feinden Unvergleichliches zu leisten.


8. Österreich-Ungarn.

Die österreichisch-ungarische Armee war neben dem alten Kaiser Franz Joseph das stärkste Bindemittel der unter dem Doppeladler zusammengefaßten, aber einander vielfach fremden oder sogar feindlichen Völker. In erster Linie war das Offizierskorps der Träger des einigenden Gedankens, der in gemeinsamer Ausbildung und unter gemeinsamer Führung geweckt und vertieft wurde. Im Heere war naturgemäß die Überzeugung von der gemeinsamen Gefahr am lebendigsten und führte unwillkürlich zu einem engeren Zusammenschluß, als es sonst die auseinanderstrebenden Interesse der einzelnen Länder zuließen.

Die Zerrissenheit der Doppelmonarchie machte sich freilich auch in der Armee sehr fühlbar. Hatte doch die Vielsprachigkeit sogar die Preisgabe der einheitlichen Kommandosprache zur Folge. Die Einheitlichkeit der Organisation mußte erheblich darunter leiden, daß es neben der gemeinsamen K. u. K. (Kaiserlich und Königlichen) Armee eine besondere (k. k.) österreichische Landwehr, eine (k.) ungarische Landwehr - Honved - sowie bosnisch-herzegowinische Truppen gab, die alle wieder ihre eigene Organisation, eigene Ministerien, besondere Mannschaftsstände und verschiedene Dienstzeiten hatten. Man muß diese schwierigen Verhältnisse berücksichtigen, wenn man die Leistungen der österreichisch-ungarischen Wehrmacht betrachtet.

Der Hauptfehler aber lag darin, daß die österreichisch-ungarische Monarchie ihre Wehrmacht überhaupt nicht nach der Stärke der Bevölkerung und den Erfordernissen der drohenden politischen und militärischen Lage ausgestaltete. Ein Blick auf die in der Übersicht (siehe Seite 46) zusammengestellten Rekrutenzahlen genügt, um die Rückständigkeit der Rüstungen Österreich-Ungarns zu erkennen.

Vom Jahre 1889 bis zum Jahre 1912 geschah für die Verstärkung des k. u. k. gemeinsamen Heeres so gut wie nichts. Nur das Rekrutenkontingent für die k. u. k. Landwehr wurde während dieser Zeit um ein geringes erhöht.

Da eine Vermehrung des Rekrutenkontingents für das Heer von den gesetzgebenden Körperschaften der Doppelmonarchie bis 1912 nicht zu erlangen war, sah sich die Regierung genötigt, die Mannschaften für unbedingt notwendige Neu- [85] aufstellungen an Artillerie, Maschinengewehrformationen und technischen Truppen den anderen Waffen zu entnehmen. Dadurch wurden die Friedensstände derartig herabgemindert, daß bei Kriegsausbruch 1914 das österreichisch-ungarische Heer einschließlich der Landwehren den Charakter eines ausgesprochenen Kaderheeres hatte.

Außerdem reichte die Zahl der ausgebildeten Mannschaften des Beurlaubtenstandes nicht aus, um die Feldformationen erster Linie mit ausgebildeten Mannschaften auf Kriegsstärke bringen zu können. Statt deren mußten mangelhaft ausgebildete Ersatzreservisten im Kriegsfall eingestellt werden.

Die in Österreich und in Ungarn geschaffenen Landwehren gefährdeten die Einheit der Armee. Infolge kürzerer Dienstzeit, noch geringerer Stände und ihnen anhaftender organisatorischer Mängel - so hatte die Landwehr bis zum Jahre 1912 überhaupt keine Artillerie - blieben sie dem Heere gegenüber minderwertig. Alle Versuche des österreichisch-ungarischen Generalstabes und des Kriegsministeriums, die Wehrmacht besser auszubauen, scheiterten an den verworrenen innerpolitischen Verhältnisse und an der Schlaffheit der Regierung. Über die inneren Kämpfe, in denen leider die bessere Einsicht der militärischen Kreise die entgegenstehenden Schwierigkeiten nicht überwinden konnte, gaben insbesondere Äußerungen des hervorragenden Generalstabschefs, Feldmarschall Conrad v. Hoetzendorf, erschütternden Aufschluß.

Das Gesamtrekrutenkontingent (Heer, Landwehr und bosnische Truppen) betrug:

    1894 bis 1903       126 000 Mann
    1904   "  1907 130 650    "
    1908   "  1911 137 570    "
Man vergleiche damit die entsprechenden Zahlen des russischen und des französischen Heeres!

Die Friedensstärke betrug:

    1909   23 500 Offiziere, 362 376 Unteroffiziere und Mannschaften, 0,77 vom Hundert der Bevölkerung,
    1910 23 500 Offiziere, 363 841 Unteroffiziere und Mannschaften, 0,75 vom Hundert der Bevölkerung,
    1911 23 500 Offiziere, 361 553 Unteroffiziere und Mannschaften, 0,75 vom Hundert der Bevölkerung.
Im Juli 1912 wurde endlich nach langwierigen parlamentarischen Kämpfen und nach mehrfacher Änderung ein neues Wehrgesetz angenommen. Die Rekrutenzahl wurde derart erhöht, daß

    1912       175 877 Mann
    1913       200 402    "
[86] eingezogen wurden. Dadurch wuchs die Friedensstärke bis zum Sommer 1914 auf 436 000 Mann. An Kosten wurden je 100 Millionen Kronen an einmalige und fortlaufende Ausgaben bewilligt. Doch erhielt die Armee durch dieses Gesetz bei weitem nicht das, was sie brauchte, obwohl durch Einführung der zweijährigen Dienstzeit bei den Fußtruppen und andere Zugeständnisse, besonders nationaler Art an Ungarn, den Volksvertretungen sehr weit entgegengekommen war. Von den vielen dem Heer weiter anhaftenden Übelständen war der größte, daß es auch jetzt noch bei einer Kompagniestärke von 92 Mann verblieb. Die Ausstattung an Artillerie blieb gleichfalls gering.

Während der Balkankrise 1912/13 trat die Unzulänglichkeit der kriegerischen Rüstung so klar zutage, daß Ende 1913 bereits eine neue Wehrvorlage eingebracht werden mußte, die im März 1914 Gesetz wurde. Diese sah eine Erhöhung des gesamten Rekrutenkontingents um 31 000 Mann vor. Auch hierdurch hätten die Kompagniestände nur bei fünf Korps auf 120 Mann gebracht werden können, bei allen anderen Kompagnien mußte es mit 92 Mann sein Bewenden haben. Ganze Arbeit sollte jedoch bei der Artillerie gemacht werden, die von sechs auf zehn Batterien pro Infanterie-Truppen-Division gebracht werden sollte. An Kosten wurden 236 Millionen Kronen einmalige und 87 Millionen Kronen fortlaufende Ausgaben bewilligt.

Wirksam für den Krieg ist diese letzte Gesetzesvorlage überhaupt nicht, die von 1912 nur in sehr geringem Umfang geworden.

Durch keine der beiden Vorlagen waren Mittel für den Ausbau der Festungen sowie für die Entwicklung des Bahnnetzes vorgesehen. Auf beiden Gebieten war die Doppelmonarchie äußerst rückständig.

Die letzten größeren Befestigungsanlagen an der italienischen Grenze - an den anderen war seit langem nichts Wesentliches geschehen - stammten aus den 90er Jahren. Nur je 2 zweigleisige Bahnlinien führten in den mittelgalizischen und den Südtiroler Aufmarschraum. In Südungarn gab es überhaupt keine zweigleisigen Bahnen.

Im Jahre 1912 forderten die schwere Balkankrise und die Haltung Serbiens eine erhöhte militärische Bereitschaft. Es wurden gegenüber Serbien das XV. und XVI. Korps, die auch in gewöhnlicher Zeit etwas erhöhte Stände hatten, auf vollen Kriegsstand, die in Südungarn stehenden IV., VII. und XIII. Korps durch Einziehung eines Reservejahrgangs und dreier Ersatzreservejahrgänge auf erhöhten Friedensstand (170 Mann pro Kompagnie) gebracht. Gegenüber Rußland erhielten später die drei galizischen Korps (I., X., XI.) sowie im ganzen sechs Kavallerie-Truppen-Divisionen den erhöhten Friedensstand. Die genannte Heereskavallerie zog hierzu zwei Jahrgänge der Reserve und Urlauberpferde ein.

Bei fortschreitender Entspannung der Lage während des Jahres 1913 wurden zunächst bei den Kavallerie-Truppen-Divisionen und den galizischen, später auch den serbischen Grenzkorps die Stände wieder verringert. Indessen [87] beließ man diese Korps auf einem gegen den normalen erhöhten Stand. Dieser betrug 120 Mann pro Kompagnie bei 128 Infanterie- und Jäger-Bataillonen.

Die zur Erhöhung der Kompagniestärke erforderliche Mannschaft wurde durch Zurückbehaltung von rund 13 000 Mann des Jahrgangs 1911 gewonnen, eine Maßnahme, die das Wehrgesetz von 1912 gestattete.

Österreich-Ungarn hat somit kaum das getan, was es zur Sicherung seiner militärischen Lage angesichts der allgemeinen politischen Unsicherheit notwendigerweise tun mußte. Die getroffenen Maßnahmen stellen Vorsichtsmaßregeln dar; sie kennzeichnen sich als ein Nachholen schwerster früherer Versäumnisse und können nicht als Vorbereitung zu einem österreichischerseits gewollten Kriege aufgefaßt werden.

Gegen Rußland waren 40 österreichisch-ungarische Divisionen vorgesehen. Der k. u. k. Generalstab rechnete damit, daß Rußland gegen Österreich und Deutschland wenigstens 58 - wenn nicht beim Hinzutritt zweier kaukasischer Korps 63 - Divisionen und außerdem eine sehr große Zahl Reserve-Divisionen in erster Linie aufmarschieren lassen würde. Da der Einsatz deutscher Truppen auf der Ostfront zunächst nur in geringem Umfange (13 Divisionen einschließlich Reserve-Divisionen) vorgesehen war, mußte Österreich-Ungarn auf den Zusammenstoß mit einem erheblich stärkeren Gegner gefaßt sein.

Der Wert der österreichisch-ungarischen Truppen war nicht einheitlich. In ihrer Verschiedenartigkeit spiegelten sich die Zerrissenheit des Reiches und die Gegensätze der einzelnen Volkscharaktere wider. Neben sehr unzuverlässigen Elementen, zu denen in erster Linie die Tschechen gehörten, gab es ganz vorzügliche Truppen, wie die Tiroler und sonstige Alpenländer, die Bosniaken, die Dalmatiner und die Mehrzahl der ungarischen Regimenter.

Die dem deutschen Heere eigene Straffheit und rücksichtslose Anspannung aller Kräfte wurde von der k. u. k. Armee nicht erreicht. Es wurde jedoch fleißig und mit Verständnis gearbeitet. Auf dem Gebiete der Technik wurde mancher bemerkenswerte Fortschritt erzielt. Eine hervorragende Leistung war die Fertigkeit von ganz schweren Geschützen mit Motorzug, die dem Feldheere zu folgen vermochten.

Da die Regimenter vielfach auf ganz kleine, weit entlegene Garnisonen zersplittert und da die Friedensstände viel zu niedrig waren, war es außerordentlich schwierig, die Truppen richtig auszubilden. Hierunter litt besonders die Infanterie, deren Kompagnien nur 92 Mann zählten, und die für andere Formationen dauernd Abgaben stellen mußten. Die Friedensbilder, die sich bei Führer und Truppe festsetzten, waren oft allzu weit von den großen Verhältnissen eines Krieges entfernt.

Die Offiziere waren in ihrer Mehrzahl sowohl allgemein wie auch militärisch gut gebildet. Die Erziehung legte den Schwerpunkt mehr auf Wissen und Kenntnisse, als auf die Stärkung der Willenskraft. Auch beim Generalstabe überwog [88] die Wertschätzung des Wissens; die Fühlung mit der Front trat demgegenüber zurück. Einer der besten Kenner der k. u. k. Armee, der General v. Cramon, faßt sein Urteil über das Offizierskorps in die treffenden Worte zusammen: "Man erzog eher pflichttreue Untergebene als selbständige, kraftbewußte Vorgesetzte; man gewöhnte die Offiziere systematisch daran, abhängig zu sein und geleitet zu werden."

Trotz alledem war die österreichisch-ungarische Armee im Jahre 1914 eine glänzende, vortreffliche Truppe. Besonders gut war die Artillerie, die in den Traditionen von Königgrätz erzogen war. Die Kavallerie war vorzüglich, ebenso die Gebirgsformationen. Aber aller Fleiß, alle Mühe und Pflichttreue konnten den Hauptfehler nicht ausgleichen, daß das Friedensheer viel zu schwach war, als daß es den seiner harrenden Aufgaben gerecht werden konnte. Bei der Mobilmachung mußte sich das Friedensheer fast ganz auflösen, um die Kriegsformationen zu bilden, für die im Frieden keine ausreichenden Stämme vorgesorgt waren.

Der Beurlaubtenstand war an Zahl zu schwach, seine Ausbildung war mäßig. Da die Monarchie noch viel weniger als das Deutsche Reich seine Söhne zur Wehrpflicht herangezogen hatte, waren in den 20 Jahren vor Kriegsausbruch ebenfalls Hunderttausende unausgebildet geblieben. Bei dem an sich schwachen aktiven Heer und der geringen Zahl ausgebildeter Reservemannschaften mußten sich Lücken, die bei Beginn des Krieges eintraten, doppelt fühlbar machen. Die Hunderttausende unausgebildeter Mannschaften waren nicht rechtzeitig zu vollwertigen Soldaten auszubilden.

Mit diesen Nachteilen waren jedoch die verhängnisvollen Folgen der schwächlichen Wehrpolitik noch nicht erschöpft. Schwerer wog vielleicht noch die Einbuße, die der Geist und die Moral des ganzen Volkes dadurch erlitten, daß die Kraft und der Wille des Volkes nicht genügend auf die Erhaltung des Reiches gerichtet worden waren. Nachlässigkeit und Schlendrian wirkten verheerend auf den Volkscharakter und auf das gesamte Staatswesen. Es fehlte im Volke und bei der Regierung der starke militärische Geist, der Preußen-Deutschland beherrschte; damit fehlte aber auch die starke moralische Kraft, die allein dazu befähigen konnte, gegenüber einer Welt von Feinden zu bestehen.

Die Schuld an der schwächlichen Wehrpolitik trägt natürlich in erster Linie Österreich-Ungarn selbst. Aber die deutsche Regierung hat auch ihrerseits gegenüber der Saumseligkeit des Verbündeten nicht das geringste getan. Galt es doch bei ihr als höchste Staatsweisheit, sich nicht in die inneren Verhältnisse der anderen Völker zu mischen. Von diesem Grundsatz hielten sich Engländer, Franzosen und Rußland sehr weit entfernt, als sie ihre militärischen Vereinbarungen trafen, als Rußland die dreijährige Dienstzeit von Frankreich forderte und durchsetzte, Frankreich den Russen seine Milliarden für den Bau strategischer Bahnen und für die Reorganisation der russischen Mobilmachung lieh. Deutschland hat [89] jedenfalls darauf verzichtet, auf die österreichisch-ungarischen Rüstungen einen nennenswerten Einfluß auszuüben. So sehr man dies vom deutschen Standpunkt beklagen und verurteilen muß, so gibt doch auch diese offenkundige und schwere Versäumnis wiederum den schlüssigsten Beweis dafür, daß Deutschland den Krieg nicht gewollt und nicht vorbereitet hat.


9. Zusammenfassung.

Die militärpolitische Lage in den letzten Jahren vor dem Krieg hat der deutsche Generalstabschef, General v. Moltke, im November 1911 in folgende Worte zusammengefaßt:

      "Scheidet man die Türkei als unbeteiligt, Italien als unsicher aus den Erwägungen über die militärpolitische Lage aus, so bleiben als sichere Faktoren, mit denen zu rechnen ist, nur die vereinigten Streitkräfte Deutschlands und Österreichs, die einer Koalition Frankreich, England, Rußland entgegengestellt werden können, und diese Koalition wird ihre gesamten militärischen Kräfte, ohne durch anderweitige politische Verwicklungen verhindert zu sein, gegen die verbündeten Monarchien einsetzen können.
      Gewiß entscheiden bei einem Kriege nicht die numerischen Streitmittel allein. Hier treten Kräfte auf, die sich im Frieden einer Einschätzung entziehen, da es Kräfte sind, die nicht auf rechnerischem, sondern auf moralischem Gebiet liegen. Die Wehrhaftigkeit einer ganzen Nation, Kriegstüchtigkeit, Tapferkeit, Aufopferungsfähigkeit, Disziplin, Geschicklichkeit der Führung, sind höher zu bewerten als die tote Zahl. Will man aber das Für und Wider der Aussichten in einem bevorstehenden Feldzug erwägen, so bildet eine Gegenüberstellung der beiderseitigen Machtmittel allein eine positive Grundlage. Seit einer Reihe von Jahren haben sich die Verhältnisse in bezug hierauf wesentlich zuungunsten der verbündeten Monarchien verschoben."

Bis zum Jahre 1914 hatte sich die Lage weiter verschärft. Der erste Oberquartiermeister, Graf Waldersee, schreibt im Mai dieses Jahres:

      "Wer heute die Weltlage überschaut und aus den Dingen, die hinter uns liegen, versucht, ohne sich auf Prophezeihungen einzulassen, sich ein Bild zu machen, wie es kommen muß, der darf sich dem Gedanken nicht verschließen, daß das Deutsche Reich, wiewohl es soeben eine beträchtliche Heeresverstärkung zum Abschluß gebracht hat, allen Grund zu ernstester Aufmerksamkeit und Anspannung aller seiner Kräfte hat.
      Die Hauptlasten in einem kommenden großen Kriege liegen auf ihm, auf ihm allein. Unsere Gegner sind nicht Narren genug, um nicht zu wissen, daß erst die Niederwerfung Deutschlands ihnen freie Bahn schafft. Die geographische Lage erleichtert den gleichzeitigen Angriff in Front und Rücken. Daß dieser geplant wird, ist sicher.
[90]  Es wird vor der Geschichte nicht zu verantworten sein, wenn Deutschland nicht alles versucht, um einer solchen Lage vorzubeugen. Wir kommen daher nicht um die Notwendigkeit herum, die allgemeine Wehrpflicht ganz durchzuführen.
      Frankreich hat sie durchgeführt mit dreijähriger Dienstzeit, und Rußland mit 3½jähriger wird 1½ Millionen Mann Friedenspräsenz jetzt erreichen.
      Wenn Deutschland für sein Reich und seine Art jetzt die ihm möglichen Opfer bringt, würden die in heutiger Generation verantwortlichen Deutschen dem Vorwurf entgehen, aus Schwächlichkeit des Reiches Zerfall herbeigeführt zu haben."

Dementsprechend richtete der Generalstab an Reichskanzler und Kriegsministerium eine Denkschrift, in der folgende Sätze stehen:

      "Nach meinem pflichtmäßigen Ermessen ist es die höchste Zeit, daß wir jeden wehrfähigen deutschen Mann zum Waffendienst ausbilden, soll uns nicht dereinst der vernichtende Vorwurf treffen, nicht alles für die Erhaltung des Deutschen Reiches und der deutschen Rasse getan zu haben. Denn, daß es sich bei einem Zukunftskriege um Sein oder Nichtsein des deutschen Volkes handeln wird, darüber kann wohl ernstlich kein Zweifel mehr bestehen.
      Ich möchte nochmals betonen, daß wir nach meinem pflichtmäßigen Ermessen mit der Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht, d. h. mit der Einstellung sämtlicher wehrfähigen Deutschen zum Waffendienst, nicht bis zum nächsten Quinquennat warten können, sondern daß wir möglichst bereits zum 1. Oktober 1914, spätestens jedoch zum 1. Oktober 1915 mit dieser Maßnahme beginnen müssen."

Es ist nicht mehr dazu gekommen. Als der Weltkrieg ausbrach, stand vielmehr eine gewaltige Übermacht den deutschen und österreichisch-ungarischen Armeen gegenüber.

Die nachstehende Tafel auf Seite 92 und 93 gibt eine auf dem Material des Generalstabes beruhende Übersicht über die beiderseitigen Streitkräfte zu Lande.

Wer diese Zahlen liest, kann sich dem erschütternden Ernst, der aus ihnen spricht, nicht verschließen. Sie beweisen überzeugend, daß die deutsche Regierung angesichts dieser erdrückenden Übermacht den Krieg nicht wollte, ihn überhaupt nicht wünschen konnte, am wenigsten der deutsche Generalstab, der die Stärkeverhältnisse genau kannte und darum auch ihre Entwicklung mit ernstester Sorge verfolgte. "Als der Krieg ausbrach," so schrieb der sehr gut unterrichtete Statist am 14. Juli 1917, "da war außerhalb der Mittelmächte niemand vorhanden, der glaubte, daß wenn der Krieg drei Jahre dauere, die Mittelmächte noch genug Männer und Geld haben würden, den Krieg fortzusetzen. Je besser man unterrichtet war, um so völliger war man dessen sicher, daß bei allgemeiner Wehrpflicht Völker, die es unternahmen, gegen eine sechsfache Übermacht zu kämpfen, buch- [91] stäblich erschöpft sein würden, wenn es ihnen nicht in den ersten paar Monaten gelungen wäre, ihr Kriegsziel zu erreichen."

Rußland allein war so stark gerüstet, wie die beiden Mittelmächte zusammen, von denen Österreich-Ungarn noch die Serben als sehr beachtenswerten Gegner in der Flanke und die drohende Gefahr des italienischen Verrates im Rücken hatte, während Deutschland die zahlenmäßig überlegenen Kräfte Frankreichs, weiter verschärft durch Belgier und Engländer, sich gegenüber hatte.

Der Zeitpunkt des Kriegsausbruches war für die Mittelmächte denkbar ungünstig. Das deutsche Wehrgesetz 1913, das nach 20 Jahren des Stillstandes wieder die Wehrpflicht wenigstens für die Mehrheit durchführen wollte, stand im Sommer 1914 zum größten Teil noch auf dem Papier; erst in zwei Jahrzehnten wäre es voll wirksam geworden. In Österreich-Ungarn, das noch mehr versäumt hatte, war ebenfalls erst im Herbst 1912 und Herbst 1913 begonnen worden, die Rekrutenzahl zu erhöhen. Die neue Wehrvorlage 1914 war noch nicht in Kraft getreten. Also auch in Österreich-Ungarn waren die Wehrgesetze in ihren Wirkungen auf lange Zeit berechnet und hätten nur ganz allmählich die Wehrkraft verstärkt.

Ganz anders in Frankreich und Rußland. Frankreich hatte seit Jahren systematisch alle Wehrpflichtigen ausgebildet und mit einem Schlage vom Oktober 1913 bis Sommer 1914 seine Wehrmacht um ¼ Million Kämpfer vermehrt, hatte demnach alles, was ein Gewehr tragen konnte, und eigentlich noch mehr, unter den Fahnen. Die Kräfte des Volkes und des Staates waren derartig überspannt, daß spätestens im Herbst 1915 - wie in Frankreich, Rußland und Belgien (siehe Seite 54) vorausgesehen wurde - Frankreich entweder zur zweijährigen Dienstzeit zurückkehren oder den Revanchegedanken aufgeben mußte.

Rußland hatte seine Kriegsvorbereitungen seit 1912 weit über dasjenige Maß hinaus gesteigert, das zur Selbsterhaltung gerechtfertigt war. Unter Täuschung und Verschleierung gegen außen machte Rußland im Frieden allmählich mobil. Seit Frühjahr 1914 hatten die russischen Mobilmachungsvorbereitungen einen solchen Grad erreicht, daß sie Deutschland und Österreich-Ungarn aufs schwerste bedrohten und Rußland einen für den Kriegsverlauf entscheidenden Vorsprung sicherten. Die angeblich erst für 1916 festgelegte große Wehrvorlage war durch die im einzelnen jetzt bekanntgewordenen und geschilderten Maßnahmen bereits von Herbst 1913 bis Sommer 1914 größtenteils in die Tat umgesetzt worden. Die allzu offenkundige Betonung des Jahres 1916 gehörte mit zu den Täuschungsmanövern, die eine der wesentlichsten Kriegsvorbereitungen Rußlands waren.

Die Enthüllungen des Suchomlinows-Prozesses haben erwiesen, wo die Kriegstreiber gesessen haben; die eigentümlichen Umstände, unter welchen Frankreich 1913 zur dreijährigen Dienstzeit zurückkehrte, zeigen das dadurch erstrebte [92] Ziel. Wenn man das geheime Protokoll des russischen Generalstabes vom Herbst 1912 (siehe Seite 60/61), die gegenseitige Beaufsichtigung der Kriegsrüstungen Rußlands und Frankreichs, die Kriegsvorbereitungsperiode des ersteren, das Dreijahrgesetz des letzteren zusammenhält, so kommt man notwendigerweise zu dem Ergebnis, daß etwa im Herbst 1912 zwischen Rußland und Frankreich der Entschluß vereinbart wurde, innerhalb einer nur auf wenige Jahre bemessenen [93] Frist den Krieg zum Austrag zu bringen. Ein genaues Datum dürften die Beteiligten wohl kaum vereinbart haben, das konnte nur im Einklang mit der politischen Lage und den diplomatischen Verhandlungen von Fall zu Fall bestimmt werden.

[92] Übersicht über die Kriegsrüstungen zu Lande
im Sommer 1914.
Friedensstärken.
Kopfzahl
ein-
 schließlich 
Offiziere
In-
fanterie-,
Jäger- u.
 Schützen- 
bataillone
Es-
ka-
 drons 
Batterien
Feld-
und
 leichte 
 schwere 
Deutschland 761 000    669       547    633     210     
Österreich-Ungarn1 436 000    684       353    413     28     
Summe Zweibund 1 197 000    1 353       900    1 046     238     
Frankreich2 882 500 3  673       378    705     148     
Rußland 1 581 000 4  1 344       724    622     24     
Heimat

Mittelmeer
u. Kolonien
138 500 5 

109 500 6 
157       93    172     107     
Belgien 61 000 7  61       49    87     ?     
Serbien 51 500    100       16    45     16     
Summe der Feinde 2 824 000    2 335       1 260    1 631     295     
+ ?     
Bemerkungen:
1Kaiserlich und königliche Armee, österreichische Landwehr, Honved und bosnische Truppen.
2Einschließlich nordafrikanische Truppen.
3797 000 Franzosen, 85 000 Farbige und Fremdenlegionäre.
4Nach offiziösen russischen Presseartikeln sogar 2 320 000.
5Nur reguläre weiße Truppen. Außerdem Territoriale und Milizen.
6Nur reguläre weiße Truppen. Außerdem 151 000 Eingeborenen-Truppen in Indien, 39 000 Eingeborenen-Truppen im Mittelmeer und in den Kolonien.
7Nur reguläre Armee in Belgien.



[93] Übersicht über die Kriegsrüstungen zu Lande
im Sommer 1914.
Kriegsstärken.
Gesamt-
Kriegs-
stärke
Kopf-
stärke
der Feld-
armeen
(Feld- u.
Reserve-
truppen
einschl.
Offiziere)
In-
fanterie-
Divi-
sionen
Kaval-
lerie-
Divi-
sionen

Geschütze
der
Feld-
und
 reitenden 
Batterien
schwere
Ge-
schütze
des
Feld-
heeres
Deutschland 3 900 000   2 019 5001 11 3 816   1 064  
Österreich-Ungarn 2 500 000   1 470 0002      573 11 2 370   168  
Summe Zweibund  6 400 000   3 489 500      142 22 6 186   1 232  
Frankreich 4 364 000 4 2 033 0005      75 10 4 316     232  

Rußland
etwa     
5 000 000  

3 341 000  

   115

25

6 812  

360  
Heimat 549 000   6


4
462  


288  
Mittelmeer
u. Kolonien
109 500 6 ----    ---- ---- ----    ----  

Belgien
etwa    
300 000 
8

200 000
9

       6
10

 1

468
11

24  

Serbien
etwa    
500 000 

285 000
12

      10

 1

380
  

50  
Summe der Feinde fast 11
Millionen
6 063 000     216 39 12 726   690 
Bemerkungen:
1Feld- und Reservetruppen und 6 mobile Ersatzdivisionen.
2Feld-, Landwehr- und Honvedtruppen.
3Darunter 14 Marschbrigaden = 7 Divisionen.
4Einschließlich Farbige.
5Nur Feld- und Reservetruppen (Weiße und Farbige) in Frankreich. Außerdem: 100 000 Mann in Nordafrika, mindestens 12 mobile Territorial- Divisionen in Frankreich.
6Siehe Bemerkung 6 unter Friedensstärken.
7Mittelmeer-Division und 3 Divisionen aus Indien und Afrika.
8Die nach dem Gesetz vorgesehene Stärke von 340 000 ist nicht erreicht worden.
9Darunter 50 000 Mann Festungstruppen (aktiv und Reserve).
10Die belgischen Infanterie-Divisionen (zu 3 bis 4 gemischten Brigaden) entsprechen etwa den deutschen Armeekorps.
11Die planmäßige Stärke ist nicht erreicht worden.
12Felddivisionen und Reservedivisionen I. Ordnung.

Auf Grund der militärischen Kriegsvorbereitungen ist aber der Schluß berechtigt, daß Frankreich und Rußland den Zeitraum in Aussicht genommen [94] hatten, in denen die gewaltige, plötzliche Heeresverstärkung Frankreichs und die geheime Mobilmachung Rußlands zur vollen Wirkung gekommen waren, und somit die Übermacht gegen die Mittelmächte zur stärksten Entfaltung gebracht werden konnte. Das war die Zeit vom Sommer 1914 an bis spätestens Herbst 1915. Nur innerhalb dieses Zeitraums ließen sich sowohl das Dreijahrgesetz in Frankreich wie das Geheimnis der russischen Mobilmachung aufrechterhalten. Den diplomatischen Verhandlungen blieb es dann vorbehalten, den casus belli so zu formulieren, daß man der Mithilfe Englands sicher war.

Als im Sommer 1914 diese Voraussetzungen zusammentrafen, da ließen die Kriegshetzer an der Newa, an der Seine und an der Themse der Kriegsfurie freien Lauf, die nunmehr hemmungslos über Europa brauste und es über vier Jahre lang zur Stätte des Todes und der Selbstzerfleischung machte.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte