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Von der Gründung Deutschösterreichs zum Anschluß 1918-1938.
Eine Dokumentensammlung.

[216] 21. Lausanner Anleiheprotokoll

15. Juli 1932.        
In Anbetracht,

daß die Regierung der österreichischen Bundesrepublik an den Völkerbund ein Unterstützungsgesuch gerichtet hat, um bei der Fortführung des Werkes des wirtschaftlichen und finanziellen Wiederaufbaues unterstützt zu werden, welches infolge der Entscheidung des Völkerbundsrates vom 4. Oktober 1922 und der Unterzeichnung der drei Protokolle vom gleichen Datum unternommen wurde;

daß die österreichische Regierung von neuem ihren Willen versichert hat, ihren äußeren Verpflichtungen pünktlich nachzukommen;

daß die Regierungen Belgiens, des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland, Frankreichs, Italiens bereit sind, Österreich zu diesem Zwecke neue Hilfe zu bringen;

daß die vorerwähnten Regierungen, darunter die österreichische Regierung, erklären, diese Hilfe auf das am 4. Oktober 1922 unterzeichnete Protokoll Nr. 1 mit allen Verpflichtungen, die es mit sich bringt, gründen zu wollen; wird ein Protokoll aufgenommen, dessen Bestimmungen wie folgt lauten:

Die Regierungen Belgiens, des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland, Frankreichs und Italiens einerseits und

die Regierung der Österreichischen Bundesrepublik andererseits,

haben in einmütigem Beschluß die folgenden Bestimmungen vereinbart:


Artikel I.

Um der österreichischen Regierung im Ausland die Erlangung einer frei und sofort verfügbaren Summe in fremder Währung zu erleichtern, deren Nettobetrag den Gegenwert von dreihundert Millionen österreichische Schilling, berechnet nach der gegenwärtigen gesetzlichen Goldparität, erreichen darf, verpflichten sich die Regierungen Belgiens, des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland, Frankreichs, Italiens ohne Verzug die möglicherweise durch ihr inneres [217] Recht geforderten Vollmachten einzuholen, sei es, um unter den untenstehenden Bedingungen einen Teil dieser Anleihe, Zinsen oder Kapital, garantieren zu können, sei es, um damit der österreichischen Regierung den Betrag auf andere Art zu verschaffen. Im Falle der Emission auf ihrem eigenen Markt erleichtern sie die Emission des Betrags, den sie garantiert haben.


Artikel 4.

Die österreichische Regierung verpflichtet sich, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben des Staates ohne Verzug wiederherzustellen und zu erhalten; sie verpflichtet sich gleichfalls, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um ohne Verzug das finanzielle Gleichgewicht der österreichischen Staatseisenbahnen wiederherzustellen und namentlich das Programm der Reform des Haushaltes und der Finanzen durchzuführen, wie es im Anhang II entworfen ist.


Artikel 5.

Die Währungspolitik Österreichs nimmt sich vor, in möglichst kurzer Frist und mit der nötigen Vorsicht den bestehenden Unterschied zwischen dem Wert des Schillings im Innern und im Ausland abzuschaffen, und wird folglich auf fortschreitende Aufhebung teils der gegenwärtig über die (Geld)Wechseloperationen eingeführten Kontrolle, teils der Hindernisse des internationalen Austausches gerichtet sein.


Artikel 5.

I.
Es ist vereinbart, daß die Regelung der Frage der Kreditanstalt ein Teil des finanziellen Reformprogramms sein soll, das den Gegenstand dieses Protokolls bildet.

II. Die österreichische Regierung wird ohne Aufschub alle Anstrengungen machen, um zu einer Vereinbarung mit den ausländischen Gläubigern der Kreditanstalt zu kommen, einer Vereinbarung, die der Notwendigkeit Rechnung trägt, zu vermeiden, daß ein übermäßiger Druck auf den Schilling ausgeübt wird.

III. Die österreichische Regierung verpflichtet sich, die Schuld der Kreditanstalt gegen die Nationalbank zu ordnen und in mög- [218] lichst kurzer Zeit eine oder mehrere innere Anleihen zu emittieren, deren Gesamtbetrag nicht unter 200 Millionen Schilling liegt und für die teilweise Rückzahlung der Schuld des Staates bei der Nationalbank verwandt wird.


Artikel 7.

Die österreichische Regierung fordert den Völkerbund auf, einen Vertreter des Völkerbundes zu ernennen und einen Beirat für die österreichische Nationalbank zum Zwecke der Fortsetzung der Zusammenarbeit zu ernennen, die mit der Erklärung des österreichischen Bundeskanzlers vom September 1931 wie durch die Bestimmungen dieses Protokolls und seiner Anhänge ins Auge gefaßt worden ist.


Artikel 8.

Der Ausschuß der garantierenden Staaten wird seine Tätigkeit bis zur vollständigen Rückzahlung der im gegenwärtigen Protokoll vorgesehenen Anleihe ausüben.



22a. Volksdeutsches Bekenntnis der jungen Generation
Sommer 1932.

Aus der Einführung des Sammelwerkes Bekenntnis zu Österreich.
(Hg.1932 im Volk- und Reich-Verlag Berlin unter Mitarbeit von
A. Böhm, F. Riedl, O. Brunner, H. Neubacher, F. Flor, R. Lorenz u. a.)


In diesen Wochen wandern aus allen deutschen Siedlungsgebieten junge deutsche Menschen nach Österreich, nach Eisenstadt im Burgenland, an die Stätte, an der Josef Haydn das Lied der Deutschen geschaffen hat. Sie tragen Erde ihrer Heimat als Zeichen der Verbundenheit aller Deutschen über alle Grenzen, als Verpflichtung und Gelöbnis zum gemeinsamen Handeln in der kommenden Zeit.

So wie die Erde aus Ost und West, Nord und Süd zusammenfließen wird, aus Preußen und Österreich, aus Bayern und Schleswig-Holstein, aus Südtirol und Memel, dem Kor- [219] ridor und von der Saar, von den Ufern der Ostsee bis hinauf nach Narwa, von Ödenburg bis hinunter zu den letzten Sprachinseln im unteren Donauraum, zusammenfließen wird zu einer Erde des Vaterlandes deutschen Lebens - so ineinander muß der Pulsschlag jener Jugend fließen, die das Reich will, das alle Deutschen eint und das den Raum der Mitte Europas führt, leitet, aufbaut und entscheidet.

Bekenntnis zu Österreich haben wir das Buch genannt, das junge Menschen schrieben über Erbe und Aufgabe ihres Landes. Bekenntnis zu Österreich tut not in einer Zeit, in der die Enge des Raumes, den uns der Feind gelassen, die Bitternis der Gegenwart, die Not des täglichen Gebens uns in eine Resignation zu treiben droht. Sie verwirrt, sie läßt verzichten, sie trübt den Blick, das Ganze zu sehen und weiß nichts um die große Pflicht und um das Gesetz der Freiheit des Reiches aller Deutschen.

Bekenntnis zu Österreich ist das Bekenntnis, alle Halbheit und allen Verzicht in uns zu überwinden, uns allen hinzugeben, die Streiter sein wollen um eine kommende Gemeinschaft.

Bekenntnis zu Österreich ist das Bekenntnis zum Deutschen Reich, zu dem unsere Sehnsucht uns treibt als unsere letzte Erfüllung, ist das Bekenntnis zu dem Dienst und der Herrschaft in dem Raume, um den durch die Jahrhunderte unser Blut floß und unsere Seelen rangen.

Dieser Bereitschaft, die unser ganzes Sein umschließt, ist dieses Buch gewidmet mit dem Gelöbnis:

Deutschland, Deutschland über alles!



22b. Landesleiter der NSDAP., Alfred Proksch: Heim ins Reich!

Beitrag in dem Sammelband: "Deutscher Geist in Österreich," hg. Karl Wache (Dornbirn 1933, alsbald nach Erscheinen beschlagnahmt).

Jahreswende 1932/33.        

Als im Spätherbst 1918 mit dem Zusammenbruch der Front die alte Donaumonarchie zerfiel und aus dem großen Österreich-Ungarn sich Nationalstaaten bildeten, da hätten die ungeheuren [220] Opfer an Gut und Blut, die insbesondere die Deutschen gebracht hatten, noch Sinn und Zweck bekommen können, wenn statt der Reden, die über den Anschluß der Deutschösterreicher an das Deutsche Reich gehalten und statt der Beschlüsse, die dazu gefaßt wurden, sofort eine Tat gesetzt worden wäre, eine Tat, die der geschichtlichen Größe des Augenblickes würdig, mit der staatengründenden Entschlossenheit anderer Völker auf einer Linie und der großen Hoffnung der Deutschen des zerbrechenden alten Österreichs entsprechend gewesen wäre.

Es blieb leider bei Reden und Beschlüssen, bis der große Augenblick vorbei und das Anschlußverbot von den Feinden ausgesprochen war. Deutschösterreich stand damals zur Umsturzzeit geschlossen auf dem Boden des Anschlusses und hat seinen Heimkehrwillen aus der Bevölkerung heraus auch in der Folge unausgesetzt bekundet, ja es führte länderweise noch Abstimmungen selbst gegen den Willen der Regierung durch.

Wir wissen, daß wir Schweres zu schaffen haben, denn wir kennen die Kräfte, die diesem Ziele entgegenstehen, und wir kennen die Mittel, die angewendet werden, um zu verhindern, daß es erreicht wird.

Wir wissen vor allem, daß es den Anschlußfeinden darum zu tun ist, Gegensätze zwischen den Deutschen in Österreich und denen im Reiche, besonders zu den Preußen, zu schaffen. Wir wissen, daß man gerne das Selbstbewußtsein des Österreichers anruft und es beschwört, ja nicht früher dem Anschlußwillen Geltung zu verschaffen, als nicht im eigenen Hause Ordnung gemacht ist, da doch der Österreicher nicht als Habenichts und Bittender heimkehren könne.

Wir wissen, daß man gerne von Nichtswürdigen oder gar vom Verlust unserer Stammeseigenart im großen Reiche redet und von der Unterjochung des Österreichers durch die schnauzigen Norddeutschen. Und wir wissen schließlich, daß man von der Gefährdung der katholischen Religion durch den im Reiche herrschenden Protestantismus spricht, um zu erreichen, daß die gut katholische Bevölkerung im Anschlusse an das Reich eine Auslieferung an Glaubensvernichter erblickte.

All diesen sogenannten zwingenden Gründen, die nur zur Verschleierung der Absicht aufgetischt werden, den Anschlußwillen [221] in der Bevölkerung auszutilgen und dafür den Willen zu setzen, die christlichsozial-legitimistischen, franzosenfreundlichen Pläne verwirklicht zu sehen, muß begegnet werden.

Am 20. August v. J. brachte der Bauernbündler, die Zeitung des christlichsozialen niederösterreichischen Bauernbundes, einen Leitartikel zur Rechtfertigung der Lausanner Politik, jener besonderen Leistung zur Verhinderung des Anschlusses, in dem er erst vermeldet, daß er nicht gern bei jeder Bierrunde von nationaler Pflicht redet, "...weil wir sie täglich und stündlich erfüllen".

Gleich aber setzt er fort: "Nun ist heute der hehre Anschlußgedanke zum Schlagwort geworden. Wer die preußische Anmaßung je kennen oder gar fühlen lernte, jene Überheblichkeit, die durch die Hakenkreuzbewegung zum Superlativ gesteigert wurde, wer das 'Vergnügen' schon erlebte, mit Ostelbiern und Brandenburgern darüber zu reden, der weiß, wie diese immer 'von aus dem Drecke ziehen' zu reden wissen. So werten sie den Anschluß. Anders wohl die Süddeutschen. Sinn und Art und Denken ist bei denen loyal, aufrichtig; sie reden auch darum geflissentlich von einem 'Zusammenschluß'. Und wir sind schon so: wenn wir wo bei einer Türe hineingehen, so dort am liebsten, wo uns die heimatliche Kost wartet und nicht Weißbier und Himbeersaft..."

So also sieht der Anschlußwille der Christlichsozialen aus. Die wenigen Sätze sprechen für ihre famosen Absichten Bände. Damit aber für dieses edle Bekenntnis eine Maske gefunden wird, heuchelte man weiter: "Wir... wünschen ein großes, einiges Reich. Doch wollen wir als Gleichberechtigte dort gelten, wollen unsere Kultur und Brauchtum gesichert wissen. Daher heißt es vorerst im eigenen Hause Ordnung zu machen. Und der Vertrag von Lausanne soll uns Gesundung und Belebung unserer Wirtschaft bringen. Und soll einst der große Tag eines Zusammenfindens in einem großen Mutterreiche möglich sein, dann binden nicht papierene Verträge. Nicht als zerlumpte, herabgekommene Bettler wollen wir dann bei der Mutter Germania uns einfinden, sondern als gesunde, starke und stolze Österreicher, als Ostmärker, als getreue Partisane deutscher Kultur im gefährdeten Osten."

[222] Höher geht die Heuchelei wirklich nicht mehr. Was soll das schöne Reden vom großen Reiche, wenn man mit dem Weißbier und Himbeersaftverzehren einfach nicht will, was bedeutet alle Rede von Stolz, Gesundheit und Stärke, wenn wir vor den Franzosen am Bauche kriechen, um Anleihe betteln und uns damit zu Bettlern machen und in diesem Zustand um Gesundheit auf allen Gebieten bringen lassen?

.........

Wir Österreicher werden, das steht fest, im Reiche das bleiben, was wir sind, eben Deutsche der Ostmark, und wir werden unsere Eigenart so wahren, wie die stammesverwandten Bajuwaren und Franken, treu der ererbten Scholle und unbeirrbar in Erfüllung der uns gesetzten Aufgaben.

Wir wollen uns aber wehren gegen die Feinde der Heimkehr, gegen die Verräter an unserer Zukunft, die nur im großen, starken, alle deutschen Stämme umfassenden Reiche liegen kann.



23. Die Parteien vor der Entscheidung
3. März 1933.        
Die Reichspost (christlichsozial):

"... Der Staat mag in Fransen gehen, wenn nur die Partei profitieren kann. Der Marxismus vergißt, daß dieser Profit seine Grenzen hat. Sein Weg muß zwangsläufig zur Vernichtung der Freiheit um der Selbsterhaltung des Volkes willen führen! Beweis: Die deutsche Entwicklung des Hitlerismus übersieht, daß Österreich trotz Not und Wirtschaftskrise nicht der geeignete Raum ist, um mit akustischem Tenor allein sich durchsetzen zu können. Mag sein, daß Betäubungserfolge zu erwarten sind. Beide vergessen, daß Revolution in Österreich die Brücke in eine neue deutsche Zukunft gefährdet. Alles steht auf dem Spiele! - So nicht! Man darf in Österreich heute nicht mit einem Generalstreik drohen wollen. Wer es dennoch tut, aus Kurzsichtigkeit oder Prestigemotiven, der befördert die ohnedies kranke Demokratie endgültig in die Geschichte. Der Hakenkreuzler mag sich dann am Ziele seines Wunschtraumes sehen. Ob er mehr als ein bloßer Beckmesser [223] ist, wird die Zukunft weisen. Vorderhand werden jedenfalls um uns nur Trümmer sein.

Die Christlichsozialen aber mögen die Zeichen der Zeit nicht übersehen. Der Umbau des Staates wird zwangsläufig kommen müssen. Es ist nicht wahr, daß die Demokratie nicht zu retten ist, daß Diktatur und alles, was damit zusammenhängt, zur unvermeidlichen Ablöse in den Kampf genommen werden muß. Demokratie und Parlamentarismus dürfen nur nicht verfälscht sein...

Aufgabe der Christlichsozialen wäre es, dies klar zu erkennen und ebenso klar sich zum unerläßlichen Umbau des Staates sich zu bekennen. Ihre Parole müßte daher lauten: Im Zeichen der Autorität für wahre, dauernd gesicherte Freiheit und für geläuterte Demokratie. Es geht um das geistige Antlitz und um die Freiheit Österreichs!"


Die Arbeiterzeitung (sozialdemokratisches Hauptorgan): Die Christlichsozialen am Scheidewege.

"... In der Tat, das österreichische Bürgertum überhaupt und die Christlichsoziale Partei vor allem stehen am Scheidewege. Sie werden sich nun entschließen müssen, welche Schlüsse sie aus den Ereignissen im Deutschen Reiche ziehen wollen. Es ist eine Entscheidung von allergrößter Tragweite. Zwei Wege öffnen sich hier:

Die eine Möglichkeit ist die folgende: Dir fascistische Diktatur in Deutschland wird sehr bald abwirtschaften... Die große Enttäuschung wird kommen. Gerade wenn Hitler regiert, wird der Nationalfascismus in einem Jahre jede Anziehungskraft verloren haben, nicht nur in Deutschland sondern auch in Österreich.

Die Christlichsoziale Partei könnte sich also entschließen, eine Politik zu treiben, die es ihr ermöglicht, das Schwinden der Anziehungskraft der Nazi in Ruhe abzuwarten. Was wäre das für eine Politik? Sie müßte hierzulande eine Zeitlang alle Herausforderungen vermeiden, allen großen politischen Kämpfen ausweichen, das Einvernehmen mit der großen Partei der Arbeiterklasse suchen...

Die Christlichsozialen können aber aus den Ereignissen im Deutschen Reiche auch einen andern Schluß ziehen... Sie [224] können versuchen, Hitler zu kopieren. Sie können mit den Nazi einen Wettbewerb im 'Antimarxismus', eine Konkurrenz in Angriffen auf die Rechte der Arbeiter und Angestellten aufnehmen. Das scheint die Politik des Herrn Dollfuß zu sein..."



23a. Das kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz als politisches Fundament

Amtliche Mitteilung, veröffentlicht im NS.-Organ "Deutsch-Österreichische Tageszeitung" unter dem Titel "Kalter Putsch der Regierung Dollfuß".

8. März 1933.        

Gestern fand ein Ministerrat statt, der sich mit der durch die Parlamentskrise verursachten politischen Lage befaßte. Der Ministerrat beschloß den Text eines Aufrufes an das österreichische Volk. Darin wird von einem Versammlungs- und Aufmarschverbot, gültig bis auf weiteres, für das Bundesgebiet, Mitteilung gemacht und die Erlassung einer Verordnung mit gesetzändernder Kraft betreffend presserechtliche Bestimmungen angekündigt. Als Begründung wird die wirtschaftliche Notlage angegeben.

Wie die amtliche Mitteilung weiter angibt, begab sich Bundeskanzler Dr. Dollfuß nach dem Ministerrat zum Bundespräsidenten, um ihm die Demission des Kabinetts mitzuteilen. Der Bundespräsident hat jedoch die Demission nicht zur Kenntnis genommen, die Regierung seines Vertrauens versichert und sie ersucht, die Geschäfte mit ruhiger Festigkeit fortzuführen und die innenpolitischen Verwicklungen möglichst im Geiste der Verfassung zu entwirren.

Kriegswirtschaftliches Ermächtigungsgesetz (24. Juli 1917):

Die Regierung wird ermächtigt, während der Dauer der durch den Krieg hervorgerufenen außerordentlichen Verhältnisse durch Verordnung die notwendigen Verfügungen zur Förderung und Wiederaufrichtung des wirtschaftlichen Lebens, zur Abwehr wirtschaftlicher Schädigungen und zur Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und andern Bedarfsgegenständen zu treffen.



[225] 24. Aufruf des Landesleiters der NSDAP., Alfred Proksch
9. März 1933.        

Die Regierung Dollfuß hat die vom Landesleiter der NSDAP. Österreichs (Hitlerbewegung) an sie gerichtete Aufforderung, zurückzutreten, den Nationalrat aufzulösen und damit die Voraussetzungen zur Bildung einer starken, nationalen Regierung zu schaffen - eine Forderung, die am 6. März in über 1000 Massenversammlungen in ganz Österreich von Hunderttausenden von Volksgenossen einmütig und mit Nachdruck unterstützt wurde - damit beantwortet, daß sie unter Bruch der Verfassung auf unbegrenzte Zeit alle politischen Versammlungen, Kundgebungen und Aufmärsche verbot, die Pressefreiheit aufhob und damit die gesamte Opposition, d. h. zwei Drittel des Volkes mundtot machte und politisch entrechtete. Diese Gewaltmaßnahmen der Regierung sind gedacht und richten sich praktisch ausschließlich gegen die NSDAP. Sie sollen den Durchbruch der großen, deutschen Freiheitsbewegung in Österreich verhindern und einer Regierung das Leben sichern, die von der überwältigenden Mehrheit des Volkes abgelehnt wird. Dagegen erhebt die NSDAP. Österreichs vor der ganzen Nation leidenschaftlichen Protest...

Sie empfindet es als eine unerhörte Schmach, von der Regierung Dollfuß - durch die Berufung auf das Vorbild des Reiches - gleichgestellt und gleich behandelt zu werden mit dem landesverräterischen Marxismus; sie sieht aber weiter aus dieser Haltung und Betätigung der Regierung Dollfuß die ungeheure Gefahr einer Entfremdung zwischen Österreich und dem Deutschen Reiche entstehen, deren Folge nur ein erneutes und verstärktes Abgleiten Österreichs in das Fahrwasser der französischen Politik sein kann...

Die NSDAP. wird daher ihren Kampf um die Befreiung Österreichs und seinen Zusammenschluß mit dem Reiche - d. h. den Kampf gegen Dollfuß, Starhemberg und Winkler, gegen den Legitimismus innerhalb und außerhalb der Regierung - mit verdoppelter Kraft und Zähigkeit weiterführen, im Bewußtsein, daß der Sieg nur eine Frage kurzer Zeit sein kann, da noch immer in der Geschichte die Kraft einer großen Idee... gesiegt hat.



[226] 25. Die auswärtige Presse und die "Österreichische Mission" von Marcel Dunan

Aus einem Beitrag des Wiener französischen Presseattachés in der Reichspost.

16. Juli 1933.        

"Der österreichische Gedanke, der zwar nie gestorben war, aber doch schlummerte, ist gleichsam unter dem Schock der Geschehnisse in gewissen Nachbarstaaten in der großen Masse des Volkes erwacht. Der österreichische Mensch, der liebenswürdige, künstlerisch und träumerisch veranlagte Kulturträger Zentraleuropas, ist sich in der letzten Zeit immer mehr, immer deutlicher bewußt geworden, welche bedeutende Rolle er zu spielen hat. Das Volksbewußtsein sagt es allen, die es gern oder ungern hören wollen: 'Wir sind Menschen, denen die geschichtliche Entwicklung seit vielen Jahrzehnten eine ganz besondere Mission auferlegt hat: Mittler zu sein zwischen Ost und West, Nord und Süd. In unserm Blut, unserm Geist treffen sich soviel verschiedene Eigenheiten, so viele Eigentümlichkeiten, daß wir ohne Anstrengung, ganz von selbst die andern Völker verstehen können, besser oft als sie selbst sich untereinander. Darum wollen wir bleiben, was wir waren, was wir sind, selbständige Österreicher!'

So spricht heute Österreichs Volk durch den Mund zahlreicher mutiger, unerschrockener und vaterlandstreuer Männer, allen voran: Bundeskanzler Dr. Dollfuß, der Chef der Christlich-sozialen Partei, General Vaugoin, Justizminister Dr. Schuschnigg und vieler anderer. Jedem, der dieses Land liebt, muß bei diesem Ausdruck des echten Volksbewußtseins das Herz höher schlagen! Auch ich empfinde aufrichtigste und innigste Freude darüber... Habe ich doch für den österreichischen Gedanken gekämpft und geschrieben, als das Ausland ihn für erledigt hielt und als selbst so mancher Österreicher verzagt und entmutigt war und viele mich für einen Utopisten hielten..."

(Dunans Schrift Österreich erschien 1921, deutsch übersetzt 1922, wurde von der Academie française preisgekrönt!)



[227] 25a. Aus der Programmrede des Bundeskanzlers Dr. Dollfuß

In der Versammlung der V. F. auf dem Wiener Trabrennplatz.

11. September 1933.        

"Die Zeit des kapitalistischen Systems, die Zeit kapitalistisch-liberalistischer Wirtschaftsordnung ist vorüber; die Zeit marxistisch-materialistischer Volksführung und Volksverführung ist nicht mehr! Die Zeit der Parteienherrschaft ist vorbei! Wir lehnen Gleichschalterei und Terror ab. Wir wollen den sozialen, christlichen, deutschen Staat Österreich auf ständischer Grundlage, unter starker autoritärer Führung! Die äußeren Organisationsformen der berufsständischen Vertretung neu zu gestalten, ist die Aufgabe dieser Regierung in den nächsten Wochen und Monaten...

Ich habe bei allen Gelegenheiten, wenn ich im Auslande über unsere Heimat zu reden und für sie zu werben hatte, niemals unterlassen zu sagen, daß wir Österreicher sind und daß wir ein deutsches Land sind. Diese Tatsache hat niemanden abgestoßen und war niemandem Anstoß. Wir haben uns in der Welt Freunde erworben und ich erkläre, manche verstehen nicht, warum wir in dem Kampf, der in sehr übler Weise von einer Partei über die Grenze hereingetragen wurde (!), nicht schärfer zugegriffen haben.

......

So ist die Vaterländische Front heute eine Bewegung und nicht eine Addition von zwei oder drei Parteien, sondern eine innen unabhängige, große, vaterländische Bewegung, die alle, die sich zu Österreich als ihrem deutschen Vaterlande bekennen, in sich schließen will, eine Bewegung, die jeden, der das Abzeichen der V. F. trägt, dazu verpflichtet, das Einigende zu betonen, das Trennende beiseite zu schieben und keiner Bewegung anzugehören, die den Klassenkampf oder den Kulturkampf zum Ziele hat. Das sind die Grenzen, die wir stecken, und so soll der Gedanke der Gemeinschaft von heute ausgehen und mit organisatorischer Gewalt über ganz Österreich hinbrausen."



[228] 26. Führererklärung zur österreichischen Frage
30. Januar 1934.        

Zum großen Bedauern der Deutschen Reichsregierung sind demgegenüber die Beziehungen des Reichs zur derzeitigen österreichischen Regierung keine befriedigenden. Die Schuld liegt nicht allein auf unserer Seite. Die Behauptung, daß das Deutsche Reich beabsichtige, den österreichischen Staat zu vergewaltigen, ist absurd und kann durch nichts belegt oder erwiesen werden. Allein, es ist selbstverständlich, daß eine die ganze deutsche Nation erfassende und sie auf das tiefste bewegende Idee nicht vor den Grenzpfählen eines Landes haltmachen wird, das nicht nur seinem Volke nach deutsch ist, sondern seiner Geschichte nach als deutsche Ostmark viele Jahrhunderte hindurch integrierender Bestandteil des Deutschen Reiches war, ja, dessen Hauptstadt ein halbes Jahrtausend lang die Ehre hatte, Residenz der deutschen Kaiser zu sein, und dessen Soldaten noch im Weltkrieg Seite an Seite mit den deutschen Regimentern und Divisionen marschierten. Aber auch davon abgesehen ist diese Tatsache keine absonderliche, wenn man berücksichtigt, daß fast alle europäischen geistigen, revolutionären Gedanken und Vorstellungen bisher noch immer über die Grenzen einzelner Länder hinweg wirksam wurden. So haben die Ideen der Französischen Revolution in ganz Europa über die staatlichen Schranken hinweg die Völker erfüllt, genau wie heute die nationalsozialistische Idee auch vom österreichischen Deutschtum verständlicherweise in natürlicher Geistes- und Seelenverbindung mit dem ganzen deutschen Volk aufgegriffen wurde. Wenn die derzeitige österreichische Regierung es für notwendig hält, diese Bewegung unter Einsatz äußerster staatlicher Mittel zu unterdrücken, so ist dies selbstverständlich ihre eigene Angelegenheit. Sie muß aber dann auch selbst für die Folgen ihrer eigenen Politik die Verantwortung übernehmen und für sie einstehen.

Die deutsche Reichsregierung hat aus dem Vorgehen der derzeitigen österreichischen Regierung gegen den Nationalsozialismus überhaupt erst in dem Augenblick gewisse Konsequenzen gezogen, da deutsche Reichsangehörige, die in Österreich lebten [229] oder sich dort als Fremde aufhielten, davon betroffen wurden. Es kann der Deutschen Reichsregierung nicht zugemutet werden, ihre Bürger als Gäste in ein Land zu schicken, dessen Regierung unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hat, im Nationalsozialisten an sich ein unliebsames Element zu erblicken. So wenig wir auf einen amerikanischen oder englischen Reiseverkehr in Deutschland rechnen dürften, wenn diesen Reisenden auf deutschem Gebiet ihre nationalen Hoheitszeichen oder Fahnen abgerissen würden, so wenig würde es die Deutsche Reichsregierung hinnehmen, daß jenen Deutschen, die als Fremde und Gäste in ein anderes und noch dazu deutsches Land kommen, diese entwürdigende Behandlung zuteil wird; denn das Hoheitszeichen und die Hakenkreuzfahne sind Symbole des heutigen Deutschen Reiches! Deutsche aber, die heute in das Ausland reisen, sind, abgesehen von den Emigranten, immer Nationalsozialisten. Wenn die österreichische Regierung sich darüber beklagt, daß Deutschland seine Bürger zurückhält, in ein Land zu reisen, dessen Regierung selbst den einzelnen Angehörigen einer hier herrschenden Weltanschauung so feindlich gegenübertritt, so mag sie bedenken, daß sich bei einer Vermeidung dieser deutschen Maßnahmen zwangsläufig Zustände ergeben würden, die dann tatsächlich unerträglich und bedenklich wären; denn da der heutige deutsche Reichsangehörige zu stolz und selbstbewußt ist, um sich sein nationales Ehrenzeichen widerstandslos herunterreißen zu lassen, bleibt nichts anderes übrig, als ein solches Land mit unserem Besuche zu verschonen.

Die weitere Behauptung der österreichischen Regierung, daß von seiten des Reiches aus irgendein Angriff gegen den österreichischen Staat unternommen werde oder auch nur geplant sei, muß ich schärfstens zurückweisen. Wenn die Zehntausende politische Flüchtlinge aus Österreich im heutigen Deutschland einen heißen Anteil nahmen an dem Geschehen in ihrer Heimat, so mag das in manchen Auswirkungen bedauerlich sein, ist aber von seiten des Reiches aus um so weniger zu verhindern, als auch die übrige Welt bisher nicht in der Lage war, den tätigen Anteil der deutschen Emigranten im Ausland an der deutschen Entwicklung irgendwie abzustellen. Wenn die österreichische Regierung sich über eine politische Propaganda beklagt, die von [230] Deutschland aus gegen Österreich stattfände, so könnte sich die deutsche Regierung mit mehr Recht über die politische Propaganda beklagen, die in den anderen Ländern von den dort lebenden politischen Emigranten gegen Deutschland getrieben wird. Daß die deutsche Presse in deutscher Sprache erscheint und daher auch von der österreichischen Bevölkerung gelesen werden kann, ist für die derzeitige österreichische Regierung vielleicht bedauerlich, aber durch die deutsche Reichsregierung nicht zu ändern...

Sie hat diese innere Sicherheit erhalten, indem sie es nicht unterließ, zu ihrer eigenen Beruhigung und zur Aufklärung der übrigen Welt in einem Jahre allein einige Male an das deutsche Volk zu appellieren und sich dieses Vertrauen auf dem Wege der Abstimmung bestätigen zu lassen, ohne dazu irgendwie gezwungen zu sein. Es würde den Wert der gegen die heutige österreichische Regierung gerichteten Angriffe sofort erledigen, wenn diese sich entschließen könnte, das deutsche Volk in Österreich ebenfalls aufzurufen, um die Identität seines Willens mit dem Wollen der Regierung vor aller Welt festzustellen.

Ich glaube nicht, daß z. B. die Regierung der Schweiz, die auch Millionen Bürger deutscher Nationalität besitzt, irgendeine Klage über den Versuch einer Einmengung deutscher Kreise in ihre inneren Angelegenheiten vorbringen könnte. Der Grund scheint mir darin zu liegen, daß dort eine ersichtlich vom Vertrauen des schweizerischen Volkes getragene Regierung besteht, die es daher auch nicht nötig hat, innere Schwierigkeiten auf außenpolitische Motive zurückzuführen.

Ohne uns im geringsten in die inneren Verhältnisse anderer Staaten einmischen zu wollen, glaube ich doch das eine sagen zu müssen: nur mit Gewalt allein kann auf die Dauer kein Regiment bestehen. Es wird auch in der Zukunft daher jederzeit eine ernste Sorge der nationalsozialistischen Regierung des Reiches sein, immer wieder von neuem festzustellen, inwieweit sich der Wille der Nation verkörpert in der sie führenden Regierung, und in diesem Sinne sind wir Wilde doch wirklich bessere Demokraten.

Im übrigen muß ich, der ich mich selbst mit stolzer Freude zum österreichischen Bruderlande als meiner Heimat und der [231] Heimat meines Vaterhauses bekenne, Protest einlegen gegen die Auffassung, als ob die deutsche Gesinnung des österreichischen Volkes überhaupt irgendwelcher Aufreizungen aus dem Reiche bedürfe. Ich glaube meine Heimat und ihr Volk auch heute noch gut genug zu kennen, um zu wissen, daß der Pulsschlag, der 66 Millionen Deutsche im Reiche erfüllt, auch ihre Herzen und Sinne bewegt. Möchte das Schicksal es fügen, daß aus diesen unbefriedigenden Zuständen endlich dennoch der Weg zu einem wirklichen versöhnenden Ausgleich gefunden wird. Das Deutsche Reich ist bei voller Respektierung des freien Willens des österreichischen Deutschtums jederzeit bereit, die Hand zu einer wirklichen Verständigung zu reichen.


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Der Staat wider Willen
Österreich 1918-1938
Dr. Reinhold Lorenz