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Sie alle bauten Deutschland.
Ein Geschichtsbuch für die Volksschule.


Von 1841 bis Adolf Hitler (Teil 2)

Karl Peters

Über der Insel Sansibar strahlte der blaue Himmel. Die Luft war erfüllt vom Duft der Gewürzgärten; in tropischer Pracht und bunter Mannigfaltigkeit wucherten Blumen und Sträucher; die Wipfel der Kokospalmen wiegten sich im Südwestwinde. In den Plantagen arbeiteten Neger und Araber, deren eintönige Arbeitslieder bis zu den drei Männern hinüberklangen, die nicht weit vom Meeresstrand entfernt im Garten eines Hotels saßen.

Erst am 4. November (1884) waren die drei jungen Deutschen angekommen. Sie hießen Dr. Karl Peters, Dr. Jühlke und Graf Pfeil.

Karl Peters führte das Wort: "Nun sind wir endlich dicht vor dem Ziel. Jenseits der Meeresstraße" - dabei zeigte er nach Westen - "liegt das afrikanische Festland. Dort wollen wir für unser Volk die erste Kolonie erwerben. Hoffentlich sagt uns die deutsche Regierung bald Schutz zu, um den wir sie gebeten haben."

Im gleichen Augenblick trat ein schwarzer Diener an den Tisch und überreichte Karl Peters einen Brief. Nach einem Blick auf das Siegel rief der Empfänger: "Hier haben wir schon die Antwort." Er riß das Schreiben auf und überflog hastig die wenigen Zeilen.

Schon nach einer Stunde standen Peters und Jühlke erwartungsvoll vor dem deutschen Konsul. "Meine Herren", erklärte dieser den beiden
Karl Peters in London
Karl Peters in London.
[Jaduland]
Besuchern, "im Namen des Auswärtigen Amtes muß ich ihnen leider mitteilen, daß Sie für die beabsichtigte Landerwerbung in Afrika weder Anspruch auf Reichshilfe noch auf Schutz für Ihr eigenes Leben zu rechnen haben." Das war eine schwere Enttäuschung für die kühnen Männer. Sie waren sich sofort darüber einig, daß ihr erbittertster Feind, der jüdische Legationsrat Dr. Kayser vom Außenministerium, an der Ablehnung ihrer Bitte schuld war.

Die drei Deutschen aber ließen sich durch diesen Bescheid von ihrem Plan nicht abbringen. Trotz der Meldungen, daß in den Gebieten Afrikas, die für Deutschland erworben werden sollten, eine furchtbare Hungersnot ausgebrochen war, daß schwerbewaffnete arabische Sklavenhändler ganze Negervölker und Karawanen überfielen und Massaihorden raubend und mordend bis an die Meeresküste vorstießen, wurde die Überfahrt nach dem afrikanischen Festland für den 10. November festgelegt. Peters wollte auf jeden Fall einer belgischen Expedition zuvorkommen, die ebenfalls im Innern des schwarzen und unerforschten Erdteils Gebiete für ihren König gewinnen wollte. Es war ein Glück, daß die Belgier sich vor den aufrührerischen Negern fürchteten, während sich die Deutschen unerschrocken in die gefährlichen Landstriche wagten.


Eine leichte Brise trieb das Schiff der afrikanischen Küste zu. Lange schauten die deutschen Landsleute, die auf Sansibar wohnten, dem zerbrechlichen Fahrzeug und seinen Insassen nach. Sie hielten Peters und seine Kameraden für verloren.

In Sadaane, dem Landungsplatz, wurden die mitgenommenen Vorräte in Trägerlasten aufgeteilt. Ein guter Freund, der die Negerbevölkerung genau kannte, hatte Tauschartikel für die Eingeborenen besorgt. Bald war die kleine Kolonne marschbereit. Sie bestand aus dem Führer Dr. Peters, drei weiteren europäischen Herren, sechs persönlichen Dienern und sechsunddreißig Trägern. Während die Europäer moderne doppelläufige Schrotflinten und gute Revolver mit sich führten, war das halbe Dutzend Bedienter mit Vorderladern ausgerüstet, die Träger besaßen nur ihre Speere.

Dann marschierte der Trupp dem Urwald zu. Bald umfing Peters der Zauber der afrikanischen Landschaft. Auf hellschimmernden, betäubend duftenden Blumen wiegten sich nie gesehene Schmetterlinge und Käfer von glühender Farbenschönheit. Aus dem Buschwerk ertönten die Stimmen unbekannter Vogelarten. Über der gesamten Pracht der Natur lag ein berauschender Duft, den die vielgestaltigen Blüten ausströmten.

Als die Tropennacht hereinbracht, sausten und schwirrten Tausende und Abertausende prächtig glühender Leuchtkäfer durch die Dunkelheit, und aus der Ferne erklang das Gebrüll der Löwen.

Karl Peters auf Expedition
Peters mit Freiherrn von Pechmann und Hauptmann Johannes auf der Kilimandscharo-Expedition.
[Jaduland]
Schwierig war der Marsch durch die Wildnis. Unbarmherzig brannte Tag für Tag die Sonne vom Himmel herab. Reißende Flüsse mußten durchschwommen werden. Unausgesetzt wurden die Menschen von Insekten gequält.

Nach einige Tagen erreichte die Expedition den Kral des Sultans Bamwalla. Kurz vor dem stattlichen Dorf feuerten die Diener ihre Vorderlader ab, dann erfolgte mit flatternder Fahne der Einzug. Sogleich stattete Peters dem alten, weißbärtigen Sultan einen Besuch ab und überreichte ihm Ehrengeschenke. "Seid gegrüßt in meinem Lande", sagte Bamwallla freudestrahlend, "von Eurer Macht wurde mir schon viel erzählt." "Wir bringen Dir Gruß und Freundschaft vom mächtigen Volke der Deutschen", erwiderte Peters, "wir bringen Dir Hilfe gegen die Sklavenjäger. Wo unsere Fahne weht, wird kein Menschenhandel mehr geduldet, und überall herrschen Frieden und Recht. Willst Du mit uns einen Freundschaftsvertrag abschließen?" "Was verlangt Ihr von mir?" "In den weiten Steppengebieten Deines Landes ist noch Raum für viele Menschen. Unsere weißen Brüder werden kommen und sich Farmen einrichten, Plantagen anlegen und in den Bergen nach Erzen graben, die Ihr noch nicht verwenden könnt. Dafür verspreche ich Dir, daß ich Dich und Dein Volk gegen jeden Feind schützen will. Auch Ärzte werden wir in Dein Land schicken, die Dein Volk von bösen Krankheiten befreien. Du aber bleibst der Häuptling der Daseguha und unser Freund."

Bamwalla überlegte eine Weile. Karl Peters wartete gespannt auf die Entscheidung des Sultans. "Ich vertraue Dir, weißer Mann, die Deutschen sollen unsere Schirmherren werden!" Über Peters' ernstes Gesicht flog ein Freudenschein. Ein Vertrag wurde aufgesetzt. Der Expeditionsleiter winkte darauf einem seiner Diener, und dieser brachte Bamwalla noch einmal ein Geschenk. Doch nur kurze Zeit hielt sich Peters hier auf. Dann drängte er zum Aufbruch, denn noch viel neues Kolonialland sollte für Deutschland gewonnen werden.

Die Reise von einem Sultan zum anderen war eine einzige Hetzjagd, bei der alle Teilnehmer, vor allem die Deutschen, ihre letzten Kräfte hergeben mußten, da ihnen sonst die Belgier zuvorgekommen wären. Peters und seine weißen Freunde litten unter furchtbaren Malariaanfällen; am Dornengestrüpp wurden die Kleider zerrissen, ganze Schwärme blutgieriger Moskitos stachen sie und raubten ihnen den Schlaf. Oft litten sie quälenden Durst. Verschiedene Male kam es auch vor, daß Eingeborenenstämme die Expedition überfielen. Eine Anzahl schwarzer Träger fand bei solchen Angriffen den Tod.

Am erschöpftesten war Karl Peters selbst. Neben der Malaria quälte ihn eine eiternde Fußwunde zum Rasendwerden. Aber trotz seiner Krankheit ging es unaufhörlich vorwärts. Über den vorletzten Freundschaftsvertrag, der mit dem Sultan von Usagara abgeschlossen wurde, verhandelte Karl Peters als schwer Fieberkranker von der Hängematte aus.

Ohne Rücksicht auf die Fieberanfälle eilte man in die letzte fruchtbare Negerlandschaft Ukami, deren eingeborener Fürst sich ebenfalls unter die Schutzherrschaft der Deutschen stellte.

Jetzt trat man den Rückmarsch zur Küste an. Karl Peters wurde immer kränker, und es sah aus, als ob er unterwegs sterben würde. Drei Tage schwebte er zwischen Leben und Tod. Aber schließlich siegte seine eiserne Willenskraft über das Fieber.

Eines Morgens lag vor der Trägerkolonne im gleißenden Licht der Sonne die heißersehnte Küste. Die Expedition war gerettet. Karl Peters fühlte sich nach einigen Wochen wieder gesund.

Am 3. März 1885 erhielt die Gesellschaft für deutsche Kolonisation, die Karl Peters leitete, endlich einen kaiserlichen Schutzbrief für die erworbenen Länder, und unter dem 20. November 1890 wurde das durch Verträge gewonnene Gebiet die erste deutsche Kolonie.

 
Der Weltkrieg

Hindenburg

Über die dunklen Wälder Ostpreußens wälzten sich in den ersten Augustwochen 1914 schwere beißende Rauchwolken. Die Russen waren ins Land eingefallen, und wohin die Kosaken den Fuß setzten, brannten die Dörfer, flohen die Bewohner, denn die wilden Reiterhorden verschonten weder Mensch noch Tier.

Das ostpreußische Heer war zu klein, um die beiden riesigen russischen Armeen aufzuhalten, die sich wie massige Dampfwalzen ins Land schoben. Die Westfront brauchte vorerst alle Kräfte.

Die Gefahr im Osten aber wuchs. Schon standen die Russen tief im Lande und sprachen prahlerisch von einem Einmarsch in Berlin. In banger Sorge lasen die Deutschen die täglichen Heeresberichte, die von einem ständigen Vorrücken des Gegners zu berichten wußten. Wie weit würde er kommen?

Auch der bejahrte General von Hindenburg, der schon längere Zeit in Hannover im Ruhestand lebte, verfolgte mit Besorgnis die Lage. Als ihn eines Tages ein Schreiben des Kaisers Wilhelm II. aufforderte, den Oberbefehl in Ostpreußen zu übernehmen, zögerte er keinen Augenblick. Eine neue deutsche Armee war aufgestellt worden. Mit ihr wollte Paul von Hindenburg Ostpreußen befreien.

Der Zug, der den Feldherrn in das bedrohte Gebiet brachte, raste dahin. In einem der Abteile stand ein Tisch. Er war mit einer Karte bedeckt. Zwei
Hindenburg und Ludendorff
"Die Russen entgehen uns nicht..."
Männer beugten sich darüber. Es waren Hindenburg und sein kluger Generalstabschef Erich Ludendorff. Sie entwarfen den Schlachtplan, verglichen Berichte, maßen und berechneten unermüdlich. Endlich war alles bis ins kleinste geordnet.

Die grauen Augen Ludendorffs, die kühl und herrisch aus dem scharfgeschnittenen Gesicht leuchteten, wandten sich von der Karte. "Die Russen entgehen uns nicht", sagte er ruhig und bestimmt. Hindenburg nickte. Seine mächtige Gestalt wirkte trotz der Jahre rüstig und unverbraucht.

Die Schlacht von Tannenberg
"Die Schlacht von Tannenberg"
[Nach einem Gemälde von G. Kamelhard]
Bald flogen seine Befehle an die Front. Nach Tannenberg rückten in Eilmärschen die deutschen Truppen. Dort stand die eine russische Armee. Sie sollte in weitem Bogen umzingelt werden, ein gefährlicher Plan, denn die zweite feindliche Heeresmacht war nicht allzu weit.

Paul von Hindenburg
Paul von Hindenburg.
[Bilderarchiv Scriptorium]
Doch die Russen waren keine Deutschen. Bis sie schwerfällig herannahten, wollte Hindenburg die erste Armee vernichten. Sein kühner Plan gelang. Am 23. August griffen die Deutschen an. Am 30. waren die Russen von allen Seiten eingeschlossen. Jede Gegenwehr war vergebens. 93.000 Mann, 500 Geschütze und fast alle Maschinengewehre fielen in die Hände der Deutschen. Bei Tannenberg war eine der größten Schlachten des Weltkriegs geschlagen. Deutschland atmete auf; aber als einige Tage später die Kunde eintraf, daß der greise Feldherr auch die zweite russische Armee an den Masurischen Seen geschlagen und vernichtet hatte, kannte der Jubel keine Grenzen, und die Herzen aller Deutschen flogen dem "Retter Ostpreußens" entgegen.

Luftaufnahme des Tannenberg-Denkmals
Luftaufnahme des Tannenberg-Denkmals (1927 erbaut)
[Heimatkreis Rosenberg, Westpreußen]
Kurze Zeit darauf wurden Hindenburg sämtliche deutschen Truppen unterstellt. Er wurde Generalfeldmarschall. Über vier Jahre lang haben die deutschen Frontheere unter seiner Führung einer Welt von Feinden standgehalten, unbesiegt bis zum Ende des Krieges.

Das dankbare Volk errichtete nach dem Kriege auf dem Schlachtfeld bei Tannenberg ein weithin ragendes Mahnmal mit acht mächtigen Türmen. In einem dieser Türme wurde der Generalfeldmarschall beigesetzt.

 
Langemarck

Das Dorf Langemarck in Flandern, in dem sich englische Truppen mit Maschinengewehren und schweren Geschützen festgesetzt hatten, sollte in der ersten Novemberwoche 1914 von deutschen Regimentern erstürmt werden. Die Truppenteile, die diese Aufgabe erhielten, setzten sich zum allergrößten Teil aus Soldaten zusammen, die wenige Wochen vorher noch die Bänke der höheren Schulen und Universitäten gedrückt hatten, und die bei Kriegsbeginn in heiligster Begeisterung freiwillig zu den Waffen geeilt waren. "Kinderregimenter", sagte mit nachsichtigem Lächeln mancher alte Soldat.

Man besaß in diesen ersten Kriegsmonaten noch nicht die Erfahrungen der späteren Jahre. Diese jungen Freiwilligen wußten kaum etwas vom Einbuddeln in die Erde. Sie kamen frisch vom Kasernenhof und kannten nur eines: vorwärts - wie der Befehl es gebot.

Mit fliegenden Fahnen, ihre Offiziere an der Spitze, gingen diese Freiwilligenregimenter morgens gegen 9 Uhr zum Sturmangriff vor. Alles, was sie auf dem Truppenübungsplatz gelernt hatten, wandten sie vorschriftsmäßig an. Sie schwärmten in breiten Linien aus. Sie sprangen von Hecke zu Hecke, von Graben zu Graben. Unheimlich ruhig lag dort vor ihnen der Feind. Alles schien gutzugehen.

Doch plötzlich brach über diese vorstürmenden Scharen das Unheil herein. Mit einem Schlage prasselte aus den Häusern von Langemarck tausendgarbiges Infanteriefeuer, und schwere englische Geschütze sandten ihre Granaten dazwischen.

Ehe noch das Kommando: Hinwerfen! erklang, wälzte sich schon die Hälfte der ersten Reihen blutend am Boden.

Einen Augenblick stockte der Herzschlag der anderen, und die Augen weiteten sich in fassungslosen Gesichtern. Doch sofort faßten die schmalen Hände das Gewehr wieder fester. Vorwärts! hieß ihr Befehl - und so stürmten sie vorwärts, mitten in das feindliche Feuer. Furchtbar hauste der Tod.

In den hintersten deutschen Linien ahnte man nichts von dem Vernichtungskampf da vorne und schickte immer neue Truppen vor, ohne ihnen mit eigenen Geschützen zu Hilfe zu kommen. Sie verbluteten wie die anderen. Gegen Mittag war die Kraft der Freiwilligen erschöpft.

Die Reste der zusammengeschossenen Regimenter gingen in die alte Stellung zurück. Doch wie waren die jungen Gesichter verwandelt! Sie hatten den Tod gesehen in seiner ganzen schrecklichen Gewalt. Die Lippen fest zusammengepreßt, die Augen geschlossen, blutend und verdreckt, so lagen sie erschöpft auf der Erde. Doch Langemarck stand noch.

Die Ruine der Kirche von Langemarck in Belgisch-Flandern.
Die Ruine der Kirche von Langemarck
in Belgisch-Flandern.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 46.
Langemarck mußte genommen werden. Manch einer der Zurückgekehrten hatte in den Schreckensstunden in seinem Herzen nach der Mutter gerufen. Als am nächsten Morgen der Befehl zum neuen Angriff erklang, erhoben sie sich still und gefaßt. Nicht einer schwankte; trotzdem sie heute wußten, was ihnen bevorstand.

Wieder stürmten sie vor, duckten sich heute hinter den Bergen gefallener Kameraden, stolperten über Leichen, wühlten sich hastig in die Erde, feuerten und fühlten nur eines: Vorwärts!

Wieder schossen die Engländer in mörderischem Tempo. Sie mähten die Reihen nieder wie ein Schwert die Saat. Leise kroch ein Schauer in manche junge Seele. Doch mitten in diesem Vernichtungskampf brach es los - hier und da, an vielen Stellen zugleich. Ein Lied stieg auf. Es drang durch das Dröhnen der Kanonen, durch das Bellen der Maschinengewehre. Es packte die Herzen und riß die Stürmenden fort zur letzten Hingabe ihrer Kraft: Deutschland, Deutschland über alles!

Mit dem Lied auf den Lippen stürmten die Freiwilligen auf Langemarck, in den Tod. "Deutschland, Deutschland über alles!" Die Verwundeten hoben den Kopf. In ihre Augen trat trotz der Qualen ein helles Leuchten. Die Gesichter der Sterbenden entspannten sich in Ruhe. Das Lied begleitete sie auf dem ewigen Wege: "Deutschland, Deutschland über alles." Dafür litten sie - dafür wollten sie sterben.

Langemarck konnte ohne schwere Geschütze nicht genommen werden. Aber der Heldenkampf der Freiwilligen, der "Kinderregimenter", die bei Langemarck fast vernichtet wurden, ist unauslöschlich eingezeichnet in die Ehrentafel des Großen Krieges.

 
Otto Weddigen

Durch die hohen Wellen des Ärmelkanales fuhr an einem frühen Septembermorgen 1914 eines der gefürchtetsten deutschen Tauchboote nordwärts auf England zu. Es hieß U9.

Otto Weddigen
Otto Weddigen
[Ausschnitt,
Stengel-Karte Nr. 49152]
Nachts über hatte es tief am Meeresgrunde gelegen. Nun war es so weit aufgetaucht, daß Turm und Deck aus dem Wasser ragten. Der junge Kapitänleutnant Otto von Weddigen suchte englische Schiffe, um sie zu versenken.

Der Marineoffizier schritt auf dem Deck des kleinen Schiffes hin und her, den Kragen des Ölzeuges hochgeschlagen, die Füße in hohen Seestiefeln, denn die Wellen spülten unablässig über das Deck.

Der Morgenwind pfiff kalt um die Ohren. Dem U-Boot-Kommandanten und dem Maat, die mit scharfen Ferngläsern in die Runde nach feindlichen Schiffen spähten, wurden die Finger steif. Wie wohl täte jetzt ein warmer Trunk! Aus dem engen Gange, der vom Schiffsinnern an Deck führte, stieg würziger Kaffeeduft. Otto Weddigen merkte es; er kletterte die schmale eiserne Leiter hinab. Der Kaffee würde schmecken.

Als er gerade die Tasse an den Mund setzte, kam ein Ruf vom Beobachtungsturm. "Feindliche Schiffe!" Im Nu war der junge Kapitän wieder oben. Hinten am Horizont näherten sich dicke Rauchwolken; durch den Fernstecher erkannte er englische Kriegsschiffe. Es waren mächtige Panzerkreuzer, drei Stück, eine gewaltige Übermacht; aber Otto von Weddigen wollte trotzdem den Kampf wagen.

"Sofort tauchen!" Das scharfe Kommando rief jeden im Augenblick auf seinen Posten. Die Luken schlossen sich, das Wasser füllte rauschend die geöffneten Tanks und drückte das U-Boot hinunter. Zehn Meter unter dem Meeresspiegel hielten die Matrosen an. Weddigen las es beim Schein des elektrischen Lichtes an der Tiefenuhr ab. "Sehrohr ausfahren!" befahl er.

Vorsichtig glitt das Auge des Schiffes, das Sehrohr, zur Oberfläche des Wassers. Unten im Schiff blickte mit äußerster Spannung der Kommandant durch die Linsen. Jetzt sah er nicht allzu weit die drei feindlichen Kreuzer auftauchen; ihre mächtigen Geschütze funkelten im Sonnenlicht. Wenn die Engländer ihn nur nicht entdeckten, ehe er zum Schuß gekommen war! Das allein machte ihm Sorge.

"Alle Torpedos klar zum Schuß!" Die Matrosen waren sofort bereit. Sie fühlten die gleiche Kampfesfreude in der Brust wie ihr Kapitän. Aufmerksam verfolgte Weddigen an den Linsen jede Bewegung der furchtbaren und riesigen Kriegsschiffe. Jetzt lag eines günstig, nur wenige hunderte Meter weit entfernt. "Achtung! Torpedoschuß! Los!"

Das Geschoß flitzte aus dem langen Rohr. Eine feine Schaumbahn verriet seinen Weg. Im U-Boot hielt die Besatzung den Atem an. Da gab es einen Krach; im Boot hörten sie ihn genau. "Hurra!" ein Jubelschrei erfüllte den engen Raum. Weddigens Augen lachten. Doch schon blickte er wieder durch das Sehrohr.

Torpedo
Die dicken Panzerplatten des englischen Kreuzers waren vom Torpedo zerrissen worden.
Die dicken Panzerplatten des englischen Kreuzers waren vom Torpedo zerrissen worden. Durch ein Riesenloch drang das Wasser in das Schiff und zog es in die Tiefe. Schon nach wenigen Minuten lag es auf dem Meeresgrunde. Weddigen beobachtete, wie die beiden anderen Kreuzer mit Volldampf den Schiffbrüchigen zu Hilfe eilten. An ein Unterseeboot schienen sie in der Eile nicht gleich zu denken. Das kam Weddigen gerade recht. Er schoß blitzschnell seine anderen Torpedos ab; jeder Schuß saß. Binnen weniger Augenblicke waren auch die beiden anderen Kreuzer erledigt. Sie senkten sich zur Seite und verschwanden in den Wogen.

Die Kreuzer waren von kleineren Kriegsschiffen, den Zerstörern, begleitet worden, die ein Stück hinter den Riesen herfuhren. Der Besatzung erschien der plötzliche Untergang ihrer Kameraden zuerst vollständig unbegreiflich. Schließlich vermuteten sie doch ein deutsches U-Boot und schäumten heran. Sie entdeckten es auch und rasten hinter ihm her; aber Weddigen ließ sich nicht fangen. Einen ganzen Tag lang hetzten sie ihn. Er entkam und fuhr stolz mit seiner Mannschaft in die Heimat.

Extrablätter verkündeten seinen wundervollen Sieg. Die Feinde lernte die deutschen U-Boote fürchten; Deutschland aber jubelte.



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