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Deutsche helfen Rußland
bauen. Der Beitrag der
Deutschen in der Geschichte Rußlands

Teil 1: Wikinger erobern Rußland
roß und grausam wie die unendliche Weite des Landes mit ihrer Sommerhitze, die ohne lange Übergänge in sibirische Kälte umschlägt, mit Bären, Wölfen, blutgierigen Mückenheeren, grausam wie die aus den Tiefen Asiens heranbrandenden Reiterheere, die sich mehr als einmal plündernd, mordend, brandschatzend und vergewaltigend bis ins Herz Europas ergossen - so sind der Beginn der russischen Geschichte und auch ihr weiterer Verlauf.

Als Stammutter des über sieben Jahrhunderte die Geschicke Rußlands bestimmenden Herrschergeschlechts der Rurikiden darf Olga, die Schwiegertochter Ruriks, angesehen werden.

Rurik, der Waräger, und seine aus Skandinavien stammenden Nordgermanen waren mit ihren Langbooten in kühnen Fahrten tief nach Rußland eingedrungen, hatten die slawische Urbevölkerung unterworfen, den neuen Gebieten den Namen gegeben und mit ihrem Organisationstalent ein großes Reich begründet. Olga, deren germanischer Name noch Helga war, sollte nicht zuletzt auch durch ihre rasende Rachsucht, gegen die die Kriemhild der Nibelungensage vergleichsweise als Waisenmädchen erscheint, in die Geschichte eingehen.

Ihr Mann, der Warägerfürst Igor, hatte nach vorausgegangenen Eroberungen im Raum Kiew versucht, auch den Stamm der Drewljanen zinspflichtig zu machen. Diese jedoch wollten den wenig verlockenden Tributzahlungen entgehen, und so nahmen sie vorsorglich die Gelegenheit wahr, Igor mitsamt der ihn begleitenden kleinen Schar zu töten. Der Haß Olgas, als sie von dem Mord erfuhr, war grenzenlos und bestimmte von nun an ihr Leben.

Nachdem sie eine Abordnung der Drewljanen in eine Baugrube werfen und dort lebendig begraben ließ, verstand sie es, auch die Edelleute der Drewljanen auf ihre Burg zu locken, wo sie sie nach großzügiger Bewirtung erst zum Bade einlud, dann aber verbrennen ließ. Nicht genug damit, wußte sie weitere Boten des Stammes zu täuschen und anzulocken. Sie ließ sie betrunken machen und die vom Rausch Übermannten sämtlich erschlagen. Dann zog sie mit einem Heer gegen die Drewljanen und schlug sie vernichtend. Die Drewljanen baten um Gnade und zeigten sich bereit, sich mit kostbaren Sühnegaben zu unterwerfen.

Olga erbat sich von den Drewljanen nur eine kleine Gabe: aus jedem der Häuser drei Tauben und drei Spatzen. Die Drewljanen waren von Olgas Milde hocherfreut und brachten die Vögel; den Rachedurst der Russenfürstin erkannten sie noch immer nicht. Am Abend brachten ihre Krieger am Schwanz jedes Vogels ein Glimmstück an und ließen diese Luftwaffe zu ihren Nestern unter den Strohdächern von Iskorosten zurückfliegen, worauf die ganze Stadt niederbrannte. Die Überlebenden wurden entweder niedergemetzelt, als Sklaven in die Gefangenschaft verkauft oder mit schweren Steuerlasten bedrückt.

Doch Olga war nicht nur eine grausame Rache-Furie; sie war auch eine fähige und weitblickende Fürstin. Es drängte sie, das Reich nach Süden zum Schwarzen Meer zu erweitern. Dafür ließ sie sich von griechischen Popen zum Christentum bekehren. Als selbstbewußte Herrscherin bestand sie jedoch darauf, die Taufe in der prächtigen Hagia Sophia zu vollziehen, und zwar unter den Augen des Byzanzer Kaisers und der Kaiserin, die ihr als Taufpatin den eigenen Namen gab: Helena.

Die Absicht des Kaisers war klar: Durch die Christianisierung der gefürchteten Nordmänner sollte die von diesen ausgehende Bedrohung gemindert oder ausgeschaltet werden. (Dafür - und von einer Anrechnung ihrer früheren Taten absehend - wurde Olga, jetzt die christliche Helena, später von der Kirche heiliggesprochen.)

Olga dachte allerdings gar nicht daran, sich unter die Botmäßigkeit von Byzanz zu begeben; im Gegenteil: Als Gegengewicht zu diesem Versuch, sie an Byzanz und an den Papst zu binden, nahm Olga gleichzeitig Beziehungen zu Otto dem Großen auf; die erste, aber keineswegs die letzte Verbindung und Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Russen. Es war dies um das Jahr 945 -1000 Jahre vor einem anderen Datum in der deutsch-russischen Geschichte.

Im deutschen Kaiser sah sie den idealen Partner: die zentrale Figur des Abendlandes, die wie sie in großen Räumen zu denken verstand. Gern kam Otto ihrem Wunsch entgegen, Missionare zu entsenden und engere Beziehungen zwischen den beiden jungen Kontinentalmächten aufzunehmen. Der Mönch Libutius aus dem Kloster Sankt Alban in Mainz erhielt von Otto den Auftrag, mit einer Schar tüchtiger Gesellen eine deutsche Mission in Rußland zu gründen. Doch Libutius hatte das Pech, noch vor der Abreise nach Abschluß aller nötigen Vorbereitungen plötzlich zu sterben. Der zu seinem Nachfolger bestimmte Mönch Adalbert gelangte zwar von der Mosel bis zum Dnjepr, war aber dem unwirtlichen neuen Klima nicht gewachsen und kehrte schon nach einem Jahr nach Deutschland zurück. Allerdings konnte er als späterer Erzbischof von Magdeburg dazu beitragen, das Christentum in Polen und Litauen zu verbreiten.

Der Konkurrenzkampf der beiden christlichen Konfessionen wurde von den Russen schließlich im Sinne der Griechisch-Orthodoxen entschieden. Es war allein schon eine Frage der strategischen Lage. Konstantinopel lag entschieden näher als das Erzbistum Magdeburg.

Olga starb im Jahre 969. In der von Leo Sievers erwähnten Chronik des Mönches Nestor heißt es: "Sie war für das Land die Morgenröte vor dem Sonnenaufgang." Das von ihr hinterlassene Reich wurde unter ihre drei Enkel aufgeteilt. Von denen wurde Wladimir später ebenfalls als Heiliger verehrt - weil er das Christentum zur Staatsreligion erklärt und alle heidnischen Götzenbilder hatte vernichten lassen.

Dieser Mönch Nestor hauste in einer Nische des ältesten der sieben im Raum Kiew erbauten Klöster am Steilufer des Dnjepr. Dort arbeitete er an dem ersten russischen Geschichtswerk, hat es jedoch bis zu seinem Tode im Jahre 1115 nicht vollenden können.

August 
Ludwig Schlözer
August Ludwig Schlözer
Erforscher der russischen Geschichte
Mehr als sechs Jahrhunderte später ging der deutsche Sprachforscher und Historiker August Ludwig Schlözer mit 26 Jahren nach Petersburg und machte sich an die schwierige Aufgabe, die von Nestors Original übriggebliebenen Fetzen in mühsamer Arbeit wieder zusammenzubasteln. Auch ins Deutsche hat er diese Chronik übertragen; sie ergab insgesamt fünf Bände. Wegen seiner Verdienste, die sich auch auf andere Sparten wie Handel, Schiffahrt und die Geschichte der nordischen Staaten erstreckten, wurde Schlözer von Zar Alexander in den Adelstand erhoben. - Schlözers Tochter wurde neben ihrer Schönheit durch ihre Bildung berühmt. Schon im Alter von 17 Jahren hatte sie den Doktorgrad erworben. Von ihr rührt die erste und gründliche Geschichte des russischen Münzwesens. Schlözers Sohn Christian schrieb als Professor an der Universität Moskau neben anderen Werken das Buch Anfangsgründe der Staatswirtschaft. Es erschien 1804 in Riga in russischer und in deutscher Sprache. Auch der Enkel Kurd von Schlözer befaßte sich in der Tradition der Familie mit dem deutsch-russischen Verhältnis, vornehmlich mit den Leistungen der Deutschen in den Ostseeprovinzen. Er wurde nach Bismarcks Reichsgründung der erste deutsche Gesandte in Washington. - Doch nun zurück ins Mittelalter.



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Teil 2: Deutsche missionieren im Osten
ast zwei Jahrhunderte war Kiew kulturell und wirtschaftlich Mittelpunkt und beherrschende Stadt von Olgas Nachfolgereichen gewesen. Die spätere Hauptstadt Moskau war dagegen lange Zeit nichts weiter als ein unansehnliches Dorf am Ufer der Moskwa. Der Name wurde erstmals im Jahre 1147 bekannt, als Juri Dolgorukij, ein Nachkomme von Olgas Heiligen-Enkel Wladimir, dort den Bojaren Kutschko auf der Jagd von einem Bären zerreißen ließ, um in den Besitz des an der Handelsstraße von Rostow nach Susdal so günstig gelegenen Ortes zu kommen.

Juri war nicht nur großzügig in der Wahl seiner Mittel. Genau wie die anderen russischen Fürsten liebte er es, Gäste und besonders politisch wichtige Personen mit endlosen Saufgelagen zu bewirten und unter Zuhilfenahme zahlreicher Freudenmädchen "verhandlungsreif" zu machen. Auch die Geschichte Moskaus begann mit einem solchen Bachanal. Dabei kam Juri der Gedanke, Moskau als Vorposten seiner eigentlichen Residenz Susdal zu einer starken Festung zu machen. In achtjähriger Bautätigkeit entstand hier der erste Kreml.

Nach Juris Tod im Mai 1157 machte sein Sohn Andrej das nahegelegene und neugegründete Wladimir zu seiner Residenz, wo er neben einem prächtigen Palast auch die berühmte Demetrius-Kathedrale erstehen ließ. Es war Kaiser Friedrich Barbarossa, der ihm bereitwillig die dazu erforderlichen Baumeister nebst Steinmetzen und Dachdeckern aus Deutschland stellte.

Mehr noch als sein Vater war Andrej ein entschlossener Herrscher. Sein Ziel war, das Reich Ruriks wiederherzustellen. Er eroberte das glanzvolle Kiew und bezwang ebenso das mächtige Nowgorod im Norden. Seine politischen Gegner, auch solche, die es einmal werden könnten, wußte er ohne große Umstände zu beseitigen. Nur bei einem ihm gefährlich dünkenden Neffen sah er sich veranlaßt, etwas diskreter zu verfahren. Da der Bärentrick seines Vaters nicht mehr ratsam erschien, ließ er den vermeintlichen Nebenbuhler statt dessen in einem Bach ertränken. Eines hatte Andrej jedoch nicht in seine Gewalttaten und Berechnungen einbezogen; Eifersucht und Rachsucht stachelten drei Frauen an, sich gegen ihn zu verschwören. Mit viel Geduld und noch mehr Raffinesse war es ihnen gelungen, einige Männer von Andrejs Leibwache für sich zu gewinnen. Es war am 29. März 1174, als diese ihrem Herrscher auflauerten und ihn erschlugen, als er gerade das Portal seiner neuen Demetrius-Kathedrale verließ.

Die Brüder des Andrej stritten um die Herrschaft im Reich; der jüngste von ihnen, Wsewolod, wurde Sieger. Er unterwarf nicht nur die Brüder, sondern auch weitere kleinere Fürsten im Umkreis. Den Kreml baute er zu einer noch größeren und stärkeren Festung aus, die gleichzeitig seine Residenz war, in der er mit Pracht und Großzügigkeit Hof halten konnte.

Zu dieser Zeit berührte es ihn kaum, daß weiter westlich, entlang der Ostseeküste, der Deutsche Orden und die Schwertbrüder ihre Missionierung bis hinauf zum Finnischen Meerbusen begannen. Die bedeutendste Stadt in den neuen Ordenslanden wurde Riga am gleichnamigen Meerbusen. Ihr Gründer war der Niedersachse Albert von Buxhövden, Domherr in Bremen, der 1199 von seinem Onkel, dem Erzbischof von Bremen und Leiter der Heidenmission im Norden, zum Bischof von Livland geweiht wurde. Der neue Bischof unternahm kein geringes Wagnis - sein Vorgänger war von den Letten getötet worden, da sie auf die christliche Missionierung keinen Wert legten.

Keineswegs war es nur christlicher Missionseifer, was zum Gedeihen dieser prächtigen Stadt mit ihrer fruchtbaren Umgebung beitrug und was auch die anderen bedeutenden Städte aufblühen ließ, die die Ufer der Ostsee bekränzten. Kaufleute der Hanse, hauptsächlich aus Lübeck, betrieben mit ihren Schiffen über das weitverzweigte russische Flußnetz einen regen Handel bis Nowgorod im Norden und bis Kiew tief im Süden. Ihre Waren kamen aus ganz Deutschland mit seiner weiter entwickelten Industrie. Im Austausch brachten sie Pelze und andere Kostbarkeiten aus den Weiten Rußlands heim.

Ein so wichtiges Vorhaben wie die Christianisierung Kurlands erfolgte selbstredend mit eifriger Unterstützung Roms. Papst Innozenz III. forderte in seiner Bulle vom 5. Oktober 1199 alle abkömmlichen Männer in deutschen Landen auf, sich aktiv an der Slawenmission zu beteiligen. Damit sie nicht leer ausgingen, versprach er ihnen als himmlischen Lohn einen ähnlichen Ablaß ihrer Sünden wie ihn die Rompilger genossen.

Einer dieser Männer war Albert; jedoch war er praktisch genug, sich nicht mit dem päpstlichen Segen zu bescheiden. Der damalige deutsche König Philipp von Schwaben lud Albert nach Magdeburg ein, um von ihm über dessen Pläne zu hören. Doch die dort versammelten Reichsfürsten hielten nur zum Teil zu Philipp, denn mit dem Sohn Heinrichs des Löwen hatte Deutschland einen zweiten König, und die kräftezehrenden Kämpfe ließen keinen Raum für eine großzügige deutsche Ostpolitik. Bei dieser Versammlung war auch Walther von der Vogelweide zugegen, der berühmteste deutsche Dichter des Mittelalters. Bitter beklagte er sich in Wort und Schrift über das Fehlen einer starken deutschen Zentralgewalt nach der Glanzzeit der Stauferkaiser und über Deutschlands Ohnmacht und Zerrissenheit, die rund sieben Jahrhunderte bis Otto von Bismarck anhalten sollte.

Mangels kaiserlicher Hilfe hatte Albert sich vornehmlich auf den Beistand der deutschen Kaufleute zu stützen, deren Handelsverbindungen die ganze Ostsee und deren östliches Hinterland umspannten. Da auch den Dänen an Machtpositionen entlang der Ostseeküsten gelegen war, mußte Albert sich ebenso des Wohlwollens des Dänen-Königs Knud VI. vergewissern.

Mit den Segenswünschen von König Knud verließ Albert Anfang des Jahres 1200 mit 23 Schiffen Lübeck, nachdem er und seine Gefährten vorher ihren sämtlichen Besitz verkauft und somit alle Brücken zur Heimat abgerissen hatten. Albert wirkte 29 Jahre lang, bis zu seinem Tode, in Livland. Unter seiner Führung wuchs Riga nicht nur zum Bischofssitz, sondern zu einer bedeutenden Hafenstadt auf. Mit Hilfe der zahlreichen von ihm aus Deutschland geholten Handwerker und anderen Talenten entstand in kürzester Zeit eine blühende Stadt.

Diejenigen Deutschen, die nicht an ein Keuschheitsgelübde gebunden waren, heirateten die blonden livländischen Mädchen, und aus dieser Verbindung von Norddeutschen und Livländerinnen entstand nach und nach der Stamm der Deutschbalten. Er sollte viele bedeutende Männer in Kunst und Wissenschaft und auch berühmte Soldaten und Feldherren hervorbringen. Mit anhaltendem Zuzug deutscher Ostsiedler wuchs Alberts Wirkungsbereich, und nach Riga begründete er die weiteren Bistümer Dorpat, Kurland und Ösel-Wiek. Sein geistliches Fürstentum erstreckte sich nun von der Rigaer Bucht bis zur Düna und dem Peipus-See.

Die gewaltsame Christianisierung und anfallende kriegerische Auseinandersetzungen wurden vom geistlichen Orden der Schwertbrüder besorgt, der 1202 von einem Zisterziensermönch mit diesem Auftrag in Riga gegründet worden war. Albert, einer der politisch bedeutenden Köpfe seiner Zeit, war um gute Nachbarschaft mit den östlich von ihm liegenden Russen bemüht. Er wollte daher die Aktivitäten der Schwertbrüder in Grenzen halten.

Von Alberts Wirken war Philipp von Schwaben so beeindruckt, daß er ihm 1207 das Bistum Livland zu Lehen gab und ihn in den Stand eines Reichsfürsten erhob. Für 350 Jahre sollten die Bischöfe von Riga deutsche Reichsfürsten bleiben!

Obwohl Rußland seinerzeit keine politische Einheit bildete, war Albert klug genug, mit seinen Nachbarn ein Vertrauensverhältnis zu schaffen. Dazu entsandte er seinen Bruder mit wertvollen Geschenken aus den heimischen Goldschmiedewerkstätten nach Osten. Solange die Deutschen die Grenzen der Russen respektierten, wozu Albert fest entschlossen war, würden die Russen die Gründungen der Deutschen an den Flußmündungen und den Ausbau ihres Staatswesens nicht als unfreundlichen Akt ansehen. So wurde auch Reval unter wohlwollender Duldung des dänischen Königs mit deutschen Handwerkern aufgebaut. Es wurde wie Riga zu einem bedeutenden Mitglied der Hanse.

So maßvoll und weitblickend Albert war, so maßlos waren die Schwertbrüder. Sie unterlagen zwar dem Keuschheitsgelübde, aber ansonsten scheuten sie sich nicht, begünstigt durch die Ambitionen des Papstes, sich dreist gegen Albert zu wenden und von ihm einen Teil seines Landes als ihren eigenen Staat zu fordern.

Als Albert 1229 starb, hinterließ er, weitab vom Reich, ein Staatswesen, dessen Rückgrat die von ihm im Geist der freien deutschen Reichsstädte begründeten Städte waren: Riga, Dorpat, Reval, Narwa, Mitau, Pernau und Windau. Sie waren die Quellen der wirtschaftlichen Kraft des Landes mit einem selbstbewußten Bürgertum. Die drei politischen Kräfte des Landes waren der Bischof, die Bürger und die Schwertbrüder; und die wirkten mit ihrem deutschen Hang zur Uneinigkeit leider oft gegen - statt miteinander. Nachteilig für den deutschen Adel war ferner das Gelübde, nicht zu heiraten, was zur Folge hatte, daß er laufend durch Nachwuchs aus dem Reich aufgefrischt werden mußte.

Sieben Jahre nach Alberts Tod kam es, wie es kommen mußte: Wegen ihres brutalen Missionseifers wurden die Schwertbrüder bei Schaulen in Litauen von einem überlegenen litauischen Heer gestellt und nahezu vollkommen aufgerieben. Die wenigen Überlebenden schlossen sich dem Deutschen Orden an, der ebenfalls seine Missionierung bis nach Livland vorgetragen hatte. Nach der Christianisierung der Pruzzen erbauten die Ordensbrüder Burgen in Kulm und Thorn, Bromberg, Graudenz, Königsberg und - als berühmteste von allen: die Marienburg in Marienwerder an der Nogat. Die Burgen wuchsen zu Städten, und aus den eroberten Landen erwuchs der als Muster eines modernen Staatswesens weithin berühmte preußische Ordensstaat mit dem Hochmeister als deutschem Reichsfürsten.

Auch dem Deutschen Orden unterlief schließlich der Fehler, die Wünsche bzw. Sicherheitsgefühle seiner Nachbarn zu mißachten. Bei seinem ständigen Vordringen nach Osten, über die Narwa bis Nowgorod und Pleskau, war es unvermeidlich, daß es eines Tages zum blutigen Zusammenstoß kam.

Es geschah am 5. April 1242 auf der noch zugefrorenen Eisfläche des Peipus-Sees: Zum ersten Mal in der Geschichte standen sich ein deutsches und ein russische Heer gegenüber. Alberts jüngerer Bruder Hermann führte das kleine deutsche Ritterheer; die Russen wurden von ihrem 20jährigen Kriegshelden Alexander Newskij angeführt, der schon 1240 eine schwedische Streitmacht im Norden besiegt hatte. Die grimmige Schlacht hinterließ einen über und über mit Blut befleckten See. Das kleine Ordensheer war besiegt, die Russen schleiften die Ritter, an 10 Pferdeschwänze gebunden, hinter sich her nach Pleskau. Vier Jahre später wurden auch die von Süden auf Nowgorod vordringenden Litauer von Alexander geschlagen.

Doch eine bei weitem unheimlichere Gefahr für sein Reich ballte sich inzwischen weiter im Osten zusammen.


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Deutsche helfen Rußland bauen
Der Beitrag der Deutschen in der Geschichte Rußlands