[238]
Die Pfalz
E. Huber
"Der schönste Garten Deutschlands" ist kein einheitliches Gebilde. Weder
eine geographische Einheit, noch ein geschlossenes Kulturgebiet. Als "bayerischer
Rheinkreis" ist das Land zwischen Rhein, Lauter, Blies, Nahe und Saar durch die
Friedenspolitik von 1814 und 1815 zu einer Provinz zusammengeschweißt
und dem Königreich Bayern zugeteilt worden. Den Ruhm des Namens
"Pfalz", den der Bayernkönig
Ludwig I. dem kleinen Kreis seines
Reiches 1838 wiedergegeben hat, ist nur die linksrheinische Ebene und das
Gebirgsvorland der rebengeschmückten Haardt. Das ist das von
der Natur überaus reich bedachte Stück Erde, reich an Vergangenheit
und wechselvollem Schicksal. Gekrönt von efeuumrankten Burgruinen,
zerfallenen Klöstern und Domen, die vom Glanz des Rittertums und vom
Schaffen stiller Mönche künden. Begeistert von Sängern
besungen, heiß umstritten und umworben alle Zeit, die Kurpfalz,
Kern des Deutschen Reiches im frühen Mittelalter. Und als nach den
Saliern und den Hohenstaufen die Reichsvormacht nach Osten und nach Norden
rückte, war dieser Fleck Erde seiner hohen wirtschaftlichen und kulturellen
Bedeutung wegen noch immer die anziehendste Gegend Deutschlands.
Hier ist jeder Fuß Bodens geweihte Geschichte. Am Rhein erwuchsen auf den
Grundmauern römischer Kastelle Baudenkmäler edelster Art. Der
Dom in Speyer, in dessen "gigantischen Mauern" nach dem Worte des Zaesarius
von Heisterbach "die ganze Geschichte des Salischen Geschlechtes hineingebaut
ist", befruchtete die gesamte frühmittelalterliche Baukunst.
[241]
Der Dom zu Speyer (erbaut 1080-1100).
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Die sagenumwobenen Burgen auf den Höhen der Haardt, die Trümmer
von Klöstern und Abteien in den Tälern zeugen von Kunst und
Kultur der Salier und der Staufer. Der Trifels, die Eberburg,
das Hambacher Schloß gehören zu dem mächtigsten
Burgensystem, das die salischen und stauferschen Kaiser auf den Kämmen
der Haardt an des Reiches Westgrenze angelegt hatten. Die
Barbarossapfalz in Kaiserslautern, in der der Kaiser mit der
schönen Beatrixe Hochzeit hielt, überladen mit orientalischem
Prunk, ist jahrhundertelang das unerreichte Vorbild für pomphafte
Profanbauten geblieben.
In den Zeiten der starken kaiserlichen Zentralgewalt lag der Höhepunkt der
politischen und kulturellen Bedeutung der Pfalz. Auf dem Trifels waren damals
die Reichsinsignien aufbewahrt, hier schlug das Herz des Reiches. So manche
Recken des Nibelungenliedes
stammten aus der Pfalz am Rhein.
Minnesänger sind aus ihren Burgen hervorgegangen, berühmte
Kirchenfürsten in ihren Klöstern herangewachsen. Speyerer Recht
war vorbildlich für die ältesten Städte, wie später das
Kölner, Soester und Magdeburger Recht für die
Stadtgründungen der Hansa.
[239] Mit dem alten
Kaisertum sank die Bedeutung der Pfalz. Unter Habsburg schon war sie nur mehr
westlicher Korridor des Reiches.
Nur ein Teil des heutigen politischen Gebildes der Pfalz nimmt die ruhmreiche
Geschichte der Kurpfalz für sich in Anspruch, die Rheinebene
und die Haardt. Das ist ein einheitliches Gebiet nach dem Bilde der
Landschaft, nach der geschichtlichen und kulturellen Bedeutung und nach der
Struktur der Bevölkerung. Aber diese Einheit des östlichen Teiles
fehlt dem Ganzen. Ost und West ist verschieden im geologischen Aufbau und in
der Gestaltung des landschaftlichen Bildes. Ohne scharfe Grenzen gehen die
Landstriche in die Nachbargebiete über. Den Osten entwässert der
Rhein, im Westen fließen die Bäche in die Saar, im Norden in die
Nahe. Scharf ist der Gegensatz des Klimas, der Kultur des Bodens, der
wirtschaftlichen Verhältnisse der einzelnen Landschaften. Im Osten liegt
die Vorderpfalz, die Rheinebene und die Haardt. Im Westen die
Hinterpfalz, der Westrich. Eigenes Gesicht und eigenes Leben
hat die südpfälzische Hochfläche, das
"Pfälzer Gebrüch" und ebenso das nordpfälzische
Bergland. So ist die heutige Pfalz ein vielgestaltiges Land. Das
dichtbevölkertste Gebiet Deutschlands auf engem Raum vereinigt reiche
Ebenen, herrliche Bergwälder, fruchtbare Hochflächen. Diese reiche
geographische, klimatische und kulturelle Abwechslung und die Verschiedenheit
der Entstehung der einzelnen Gebietsteile in der
Erd- und Menschheitsgeschichte geben reiche Fülle geistiger Anregung
und wirtschaftlicher Regsamkeit.
[240] Die östliche
Grenzlandschaft ist die Rheinebene, weite Flächen mit
eingestreuten Wäldern und sanften Hügelwellen vom Rhein zur
Haardt aufsteigend. Hier reiht sich auf fruchtbarem Boden Dorf an Dorf,
Städtchen an Städtchen mitten im
Getreide-, Tabak-, Rüben- oder Gemüse-schweren Acker gebettet
oder Häuser und Kirchen kaum über die Wipfel und Kronen
schwerbeladener Obstbäume hebend.
Die Rheinebene schließt die Haardt nach Westen ab, das
vielgepriesene Rebgelände mit den weltberühmten Weinorten. Hier,
am Übergang der Ebene zum Gebirge, im Wechsel von Reben und
Ackerland, Wiesen und Wäldern, ist die Pfalz am schönsten, hier
blüht am reichsten das Pfälzerlied. Die ganze Kammlinie der Haardt,
die 70 km lange uralte Völkerstraße entlang dem Gebirgsrand
von Grünstadt und Neuleiningen im Norden über Dürkheim,
Neustadt, Edenkoben, Bergzabern bis nach Weißenburg im Süden
trägt den gleichen Zug der Lieblichkeit. Sonniges, von
Nord- und Weststürmen geschütztes Gelände trägt die
edelsten Weine der Welt. Fleiß und Rührigkeit des Volkes zieht aus
der Fruchtbarkeit der Erde Wohlstand und bürgerliche Behaglichkeit. Die
Dorfsiedlungen der Haardtbauern tragen das stolze Schild von Städten.
[239]
Weinernte in der Pfalz. Die Haardt.
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Der Pfälzerwald schließt die Haardt nach Westen ab. Er ist
die deutsche Teilung zwischen Vorder- und Hinterpfalz, das Rückgrat des
ganzen Landes. Dieses Jagdgebiet des "Jägers aus der Kurpfalz", zumeist
Laubwaldbestand, mächtige Buchen und uralte Eichen, gehört zu den
abwechslungsvollsten Landschaften der deutschen Mittelgebirge. Wie Odenwald
und Spessart der Buntsandsteinformation angehörend, erhebt er seine breit
und wuchtig ausladenden Kuppen nur 700 m über Meer, bietet aber
in seinen herrlichen Firsten, lieblichen Tälern mit blütenreichen, von
dunklen Tannen umrandeten Wiesengründen, rauschenden Mühlen,
murmelnden Quellen, klaren Forellenbächen und den malerisch in die
Mulden eingebetteten Siedlungen dem Naturfreund tausend liebliche Reize.
Fruchtbares Muschelkalkgebiet formt die südwestliche
Hochfläche, einen Teil des Westrich. Im Norden begrenzt von der
Sickinger Höhe, im Süden von dem Schwarzbachtal und dem
Zweibrückerhügelland, lagert sich diese in sich abgeschlossene,
durchaus einheitliche Landschaft wirtschaftlich, geschichtlich und kulturell um
die alte Herzogstadt Zweibrücken, hat zur Pfalz keine anderen Beziehungen
als die Bindungen hundertjähriger gemeinsamer politischer und
fiskalischer Verwaltung.
Wieder ganz anderen Charakter trägt der Landstuhler und
Homburger Bruch, das "Pfälzer Gebrüch", die
westpfälzische Moorniederung. Ein düsteres Torfmoorgebiet in eine
dichtbevölkerte, verkehrsreiche Landschaft eingebettet und bis zum
heutigen Tage sein düsteres, eigenartiges Gepräge wahrend. Hier
gedeiht noch die Bruchfauna und Bruchflora, wenn auch die fortschreitende
Kultivierung, Drainierung und Urbarmachung von Jahr zu Jahr ein Stück
nach dem anderen von dieser Naturlandschaft vernichtet. In einem Menschenalter
wird wohl das "Pfälzer Gebrüch" restlos in Kulturland oder Wald
umgewandelt sein, und nur ein kleiner Streifen wird als Naturschutz unseren
Nachkommen von diesem eigenartigen Landschaftsbild unserer Heimat Kunde
geben.
[241=Bild] [242] Das
Nordpfälzische Bergland, vom Pfälzerwald bis zur Nahe,
ist eines der reichstgeformten Gebiete der heutigen Pfalz. Aus verschiedenen
Gesteinsarten aufgebaut, ist es außerordentlich wechselvoll in den Formen
der Oberflächengestaltung, in Bodenkultur und in der Besiedlung.
Vulkanisches Gestein baut den imposanten Rücken des
Donnersberges, die höchste Erhebung der Pfalz, die am weitesten
nach Norden vorgeschobene Landmarke, von einem Kranze sagenumwobener
Burgen und Klosterruinen umgürtet. Vulkanischen Ursprungs sind auch die
Höhengebiete des Lemberg, des Königsberg und
des Hermannsberg. Der Sandsteinformation gehören aber die
breiten Höhenrücken an, die aus der mittleren Pfalz nördlich
gegen Glan und Nahe ausstrahlen.
Auf diesen Höhenzügen laufen seit uralten Zeiten nach Süden
und Westen Völkerstraßen. Heute liegen diese Hochstraßen
verödet. Denn nicht die Höhenzüge, sondern die
Talgründe beherrschen das Land, hier liegen die Siedlungen, hier pulsiert
das wirtschaftliche Leben, hier drängt sich der neuzeitliche Verkehr.
Von all den in sich abgeschlossenen, nach der geologischen Formung und dem
landschaftlichen Charakter selbständigen Teilen, die heute in den
politischen Kunstgebilden der Pfalz zusammengefaßt sind, hat nur die
südwestpfälzische Hochfläche in einer Stadt,
Zweibrücken, ihren landschaftlich, geschichtlich und kulturell gegebenen
Mittelpunkt. Alle anderen Gaue entbehren ein solches geschichtliches, kulturelles
und wirtschaftliches Zentrum. Und auch die aus den vier verschiedenen
Landschaften zusammengeschweißte Pfalz kennt keine Stadt, die sich das
Herz und Hirn dieses reichgegliederten, kulturell und wirtschaftlich wertvollen
Gebietes nennen dürfte. Speyer, die alte Kaiserstadt, ist wohl der
politische Vorort, dehnt aber seinen kulturellen und wirtschaftlichen Einfluß
kaum über den Burgfrieden seiner Gemarkung. All die wohlhabenden
Dörfer und reichen Städte der Rheinebene und erst recht die
Weinstädte der Haardt leben ihr eigenes kulturelles und wirtschaftliches
Leben abseits der Hauptstadt, die nur noch als Bischofssitz mit dem katholischen
Teil der Bevölkerung enger verbunden ist. Der neuzeitliche Verkehr hat
Kaiserslautern eine künstliche Vormachtstellung als
Eisenbahnknotenpunkt gegeben und Ströme des Wirtschaftslebens
zugewendet, die sonst andere Wege gesucht hätten. Die chemische
Industrie hat Ludwigshafen zur volkreichsten Stadt der Pfalz gemacht.
Aber die in den Rheinauen aufragenden Schornsteine und die immer weiter
ausgedehnten Stadtviertel haben schon nach einer Meile Entfernung keine andere
Verbindung mit dem Hinterland, als daß die Einwohner der benachbarten
Dörfer Arbeitsgelegenheit und die Gemüsebauern leichteren Absatz
für ihre Waren finden. Die Landschaften der Pfalz haben ihren eigenen
Charakter und ihre Menschen leben ihr eigenes Leben.
Sie sind wohl heute zu einem politischen Ganzen verwachsen. Ein Jahrhundert
Gewöhnung hat die Gegensätze in Sprache, Charakter,
Lebensweise und Brauch zwar nicht beseitigt, aber doch
abgeschliffen und gemildert.
Die Haardt und das Vorland ist vom Rheinfranken besiedelt. Ihn
kennzeichnet das Volkswort vom "Pfälzer Krischer". Er ist
selbstbewußt, froh und fröhlich gesinnt, lebhaft in Wort und
Gebärde, drastisch, witzig und schlagfertig, jeder Situation gewachsen. Die
[243] Fruchtbarkeit seines
Bodens und den leichter als in anderen Gauen errungenen Wohlstand rechnet er
sich gerne als persönlichen Vorzug an. Geistes- und charakterverwandt mit
seinen rheinischen Brüdern, verdankt er der vom Süden
eindringenden alemanischen Blutmischung Tiefe, Derbheit und
Widerstandsfähigkeit, die ihn vor den übrigen Franken auszeichnet
und mit bewunderungswürdiger Zähigkeit und Lebensenergie immer
wieder das Land aus Schutt und Trümmern zu einem blühenden
Garten aufbauen half.
Das Westrich trägt ein Volk ganz anderer Art. Stiller,
bescheidener, sparsamer, beharrlicher im Festhalten an Sitte und Brauch und
uraltem Herkommen, hat diese Bevölkerung die Ursprünglichkeit des
Volkslebens treuer bewahrt und den Familiensinn stärker entwickelt als der
Vorderpfälzer.
Allen Pfälzern liegt die Wanderlust im Blute. Die Enge der
Heimat mag die treibende Kraft sein, die Völkerstraßen, die von Nord
nach Süd, von Ost nach West durch das kleine Land führen,
mögen die Lockungen geben, daß die Pfälzer über die
ganze Welt verbreitet sind.
Um das Jahr 500 nach Christus sind die Franken als germanisches Volk ins Land
gekommen, das von keltisch-romanisierter Bevölkerung besiedelt war. Und
wer den Typus der heutigen Pfälzerbevölkerung kennt, rank und
schlank, in der Überzahl blond und blauäugig, muß sagen,
daß sich die germanische Bevölkerung trotz der
keltisch-romanischen Grundmischung durchgesetzt hat. Sie hat sich auch die
späteren Einwanderer, die sich auf dem Boden dieses alten
"Kolonistenlandes" angesiedelt haben, assimiliert. Sie hat sich an dieser
großen Völkerstraße, dem Durchgangsland von Vandalen und
Goten, Sueven und Burgunden, Spaniern und Niederländern, der
Zufluchtsstätte glaubenstreuer Hugenotten und Wallonen, jene
glückliche Mischung des Blutes entwickelt, die zu den Bewohnern des
eigenartigen Landstriches paßt, mit dem sich gut verkehren
läßt, der fröhlich heiteren Sinn hat und der Fremde immer gern
in seiner Mitte sieht. Die hohe Aufnahmefähigkeit und die schmiegsame
Anpassungsfähigkeit des Pfälzers, von Unverständigen als
charakterlicher Mangel getadelt, ist das naturgegebene Produkt der
Verkehrs- und Grenzlage des Gebietes.
Als Gegenpol der Anpassungsfähigkeit des Pfälzers an fremdes
Kultur- und Geistesleben kennen wir in der Pfalz seit Jahrhunderten einen
ausgesprochene Partikularismus. Seit die Zentralgewalt des Reiches
zerfiel, haben die Städte der Pfalz ihr eigenes Kulturleben. Es fehlt der
kulturelle Mittelpunkt, die politische Zersplitterung isolierte zwangsläufig
die einzelnen kleinen Landschaften, und außerdem ist der Urgrund der
geistigen Entwicklung des Volkes und des Landes auf die
Vermittlerrolle zwischen West und Ost, zwischen Süd und Nord
eingestellt.
Die Siedlungen der Pfalz tragen fränkischen Charakter,
geschlossenen Häuserbestand, selten nur einzel stehende Höfe. Die
Dörfer sind langgestreckt, im Tal gelegen, die Ortschaften in den
schützenden Mulden versteckt. Nur auf der Haardt sind die Dörfer
der alten Völkerstraße, den Höhenzügen entlang
angelegt. Wo größere Städte entstanden sind, hat sie die
Industrie geschaffen. Zahlreiche kleine Städte, eigentlich reiche,
mauergeschützte Dörfer sind über das Land zerstreut.
[244] Auch die
Bauweise ist nach alter Frankenart. Das Wohnhaus steht für sich.
Die Wirtschaftsgebäude umsäumen den Hof. Im Westrich stellen die
Häuser meist die Breitseite an die Straße, in der Vorderpfalz aber die
rebenbewachsenen Giebel. Hochgespannte Sandsteinbogen bilden die Toreinfahrt
und tragen mit Stolz das bürgerliche Hauszeichen. In der Weingegend
öffnet sich gleich vom Hof aus die Tür zum Stolz des Hausherrn,
dem hochgewölbten Weinkeller. Die Häuser zeigen in Ausbauten
und zierlichen Erkern das Festhalten an der Sitte der Väter.
Gemischt wie Blut und Kultur ist auch die Sprache der Pfälzer, die
"Pfälzermundart", ein Gemisch Fränkisch und Alemanisch, aber von
durchaus eigenem Leben. Sie ist außerordentlich reich an Dialektbildung,
jedes Dorf spricht sein eigenes Idiom, verschieden nicht nur in Klang und Ton,
sondern selbst im Wortschatz von dem des Nachbarortes in halbstündiger
Entfernung. Die Sprache ist laut, drastisch, erlaubt bequeme Wortbildungen und
plastische volkstümliche Redewendungen. Sie ist das Idiom lauter,
schlagfertiger Diskurse, weniger des scharfpointierten Witzes als derben
Spaßes, mehr geeignet zur Schilderung des Volkslebens als zur Wiedergabe
zarter Seelenregungen. Daher geben die Gedichte in Pfälzermundart
fröhliche und lustige Kleinmalereien aus dem Alltagsleben und keine
Tragödien der Menschenseele oder Probleme des brütenden
Geistes.
Fehlt darum dem Pfälzer die tiefere Geisteskultur? Karl Hampe,
ein vorzüglicher Kenner von Land und Volk und Pfalz, fällt sein
Urteil: "Der Pfälzer ist zu allen Zeiten, soweit wir seinen Charakter kennen,
diesseits freudig und zugreifend, aufs Praktische gerichtet. Die bedeutenden
Männer, die die Pfalz hervorgebracht, sind zu allen Zeiten nahezu
ausschließlich dem praktischen Leben zugewendet gewesen." Etwas
boshafter meint Riehl,
selbst Pfälzer, das gleiche: "Das umfangreichste und
fast das einzige Werk, das einstmals in zwei Jahren (1850 und 1851) aus der
pfälzischen Presse hervorgegangen ist, ist die Anklageakte gegen Reichard
und Genossen 1849 gewesen." Aber es trifft doch nur die äußere
Erscheinungsform, wenn man sagt, daß "ein Gelehrter, ein Schriftsteller, ein
Dichter, ein Künstler in der Pfalz für einen überspannten
Toren, für einen unnützen Menschen gehalten wird, zumindestens
für einen armen Teufel", und wenn man dieses Uninteressiertsein an den
Werken tieferer Geisteskultur aus dem aufs Praktische gerichteten Volkscharakter
erklären will. In Wahrheit ist in diesem Lande der Urgrund aller geistigen
Entwicklung seit Urzeiten die kulturelle Vermittlerrolle gewesen, weniger die
eigene schöpferische Leistung. Die Überlegenheit des Westens und
des Südens ist von hier aus nach Osten und nach Norden getragen worden.
Als große kulturgeschichtliche Epochen haben sich daher bis heute im
Volksbewußtsein die Römerzeit und die
Franzosenzeit verewigt, das frühe Mittelalter aber, die Epoche, in
der eigenes Kulturleben von hier ausstrahlte, lebt nur noch mit den Gespenstern
weiter, die in den gebrochenen Burgen und in den verfallenen Klöstern
spuken.
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