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Der Weltkrieg in den Kolonien   (Teil 6)
 

Tradition verpflichtet!
Oberstleutnant a. D. Julius v. Boemcken
Stabsführer des Deutschen Kolonialkriegerbundes

Wenn man von der kleinen brandenburgischen Schutztruppe absieht, die das erste Kolonialreich des Großen Kurfürsten an der Westküste Afrikas zu schützen hatte und die Feste Groß-Friedrichsburg erbaute, so hat Deutschland zum ersten Male überseeische Truppen aufgestellt, nachdem es die Besitzung des Kaufmanns Lüderitz in Angra Pequena, dem späteren Deutsch-Südwestafrika, durch Hissen der deutschen Flagge in seinen Schutz genommen hatte. Allerdings überließ man zunächst diesen Schutz wie die gesamte Verwaltung des Landes nach dem Beispiel Englands bei der Erwerbung Indiens den privaten Besitzern, hier der Deutschen Kolonialgesellschaft als Nachfolgerin von Adolf Lüderitz. Dies entsprach der Ansicht Bismarcks, daß die Flagge dem Handel zu folgen habe und daß die Eingeborenen ihre Angelegenheiten selbst regeln sollten.

Als der erste Reichskommissar Dr. Göring, der Vater unseres Ministerpräsidenten Generaloberst Hermann Göring, mit verschiedenen Häuptlingen Schutzverträge abschloß, hatte er nur die Gesellschaftstruppe der Deutschen Kolonialgesellschaft, eine Truppenmacht von 7 Europäern und 20 Eingeborenen hinter sich. Diese wurde am 16. April 1889 durch 21 Weiße ersetzt und später auf 250 Mann verstärkt, die nur auf ihren Führer Hauptmann Curt von François, den Nachfolger von Dr. Göring, vereidigt wurde. Diese Zahl war lächerlich gering im Verhältnis zu einem Lande, 1½ mal so groß wie Deutschland, mit einer äußerst stolzen, kriegerischen, verschlagenen und grausamen Bevölkerung. Diese kleine Truppe, die z. T. als Lanzenreiter, im übrigen als Fußsoldaten mit der Büchse über dem Rücken durch Südwests glühende Steppen zog, hat Erstaunliches geleistet.

Mit Recht urteilt François über sie: "Die Selbständigkeit der Leute machte sie brauchbar, umsichtig und zuverlässig, stärkte ihr Pflichtgefühl und gab ihnen hohes Selbstvertrauen, ohne daß dadurch die Disziplin geschädigt wurde." Ein Lob, das sich auch die spätere Schutztruppe im vollsten Maße erworben hat.

[310] Unruhen der von den neidischen englischen Nachbarn aufgewiegelten Eingeborenen und ein andauernder erfolgloser Kleinkrieg mit dem Hottentotten-Häuptling Hendrik Witbooi machten die Entsendung weiterer 2 Kompanien aus der Heimat notwendig. Zugleich erfolgte die Umwandlung der Françoistruppe in eine Kaiserliche Schutztruppe und Unterstellung unter das Reichsmarine-Amt. Als Gründungstag wurde der 16. April 1889 festgesetzt. Major Leutwein wurde 1894 Kommandeur und gleichzeitig Gouverneur. Er hat die Schutztruppe und das Schutzgebiet während 11 Jahren durch vielerlei Schwierigkeiten, Gefahren und Kämpfe erfolgreich geführt.

Entsprechend dem Charakter des Landes bestand die Schutztruppe von Deutsch-Südwestafrika aus weißer berittener Infanterie, die sich aus Angehörigen aller Waffengattungen aus der Heimat ergänzte. Ihr Dienst in der Kolonie - und das gilt auch für die anderen Schutztruppen und anderen Kolonien - war nicht allein militärisch und kriegerisch, ihr lag die Verwaltung des Landes ob, der Polizei-, Zoll-, Lichtsignaldienst u. a. m. Sie vermaß das Land und stellte die Farm- und Wegekarten her, sie baute Stationen, erschloß Wasser, legte Gärten an, errichtete Brücken, baute Wege und Bahnen. Aus ihren Reihen kamen die Siedler, die das Land erschlossen. Viele der heute bekanntesten und erfolgreichsten Farmer sind einst mit der Schutztruppe ins Land gekommen.

Eine hervorragende Rolle spielte das Sanitätswesen, das weit über den Rahmen der Schutztruppe hinausging, allen weißen und farbigen Bewohnern zugute kam und durch seine Forschertätigkeit höchste kulturelle Aufgaben erfüllte.

Die kleine, über das ganze Land verteilte 700 Mann zählende Truppenmacht konnte auf die Dauer auf die kriegerischen, stolzen Eingeborenen wenig Eindruck machen. Es war ein Fehler des Reichstages, nie die Mittel zu bewilligen, die nötig waren, um Deutsch-Südwest und auch die anderen Kolonien nach innen und außen zu sichern. Jede auch noch so geringe Verstärkung der Truppe mußte stets im Reichstage eingehandelt werden, und so kam es im Jahre 1904 zu dem Aufstand der Herero und Hottentotten, der erst nach vierjährigem blutigem und verlustreichem Ringen niedergeschlagen wurde, nachdem fast 18 000 Mann aus der Heimat hinzugezogen waren.

Bei der Zusammenstellung der Verstärkungen hatte sich das Fehlen einer Kolonialtruppe in Deutschland als Stammtruppe für überseeische Unternehmungen störend bemerkbar gemacht. Wenn es auch an Freiwilligen niemals mangelte, so waren sie doch sämtlich nicht für den Kolonialdienst ausgebildet. Es bedurfte stets längerer Zeit im Schutzgebiet, bis die neue Truppe für den Kampf mit Eingeborenen, für die so schwierigen technischen Aufgaben, die die ungeheure Ausdehnung des Kriegsschauplatzes mit sich brachte, brauchbar war. Gewaltig waren auch in diesem Kriege die Leistungen der Truppe, angefangen mit dem berühmten Ritt des Hauptmanns Franke mit seiner 2. Kompanie zum Entsatz von Okahandja und Omaruru im Januar 1904, über den Kampf der Schutztruppe unter General von Trotha am Waterberg, der den Hereroaufstand beendete, über Groß-Nabas [311] und zahlreiche Kämpfe mit den Hottentotten bis zu Hauptmann von Erckerts berühmtem Zug gegen Simon Copper im Jahre 1908, der in Hans Grimms Volk ohne Raum eine meisterhafte Schilderung gefunden hat.

Ungeheuer groß waren die Opfer an Gut und Blut in diesem Ringen gewesen. Übermäßige Anstrengungen, Durst, Hunger und Hitze hatten die tapferen Kämpfer zermürbt und ihnen dauernden Schaden zugefügt, an dem noch so mancher bis an sein Lebensende zu leiden hat.

Die Kurzsichtigkeit der heimischen Regierung hatte sich bitter gerächt. Und trotzdem begann nach dem Aufstande der gleiche Kuhhandel im Reichstage um jeden Groschen, um jeden Mann, den die Kolonie verlangte. Die Schutztruppe wurde derartig verringert, daß sie 1914, als der große Kampf gegen die Weltmachtstellung Deutschlands auf dem ganzen Erdenraum begann, nur 1600 Mann zählte, die durch Einziehung wehrpflichtiger Siedler auf knapp 5000 erhöht wurde. Man hatte zu Hause vollkommen den Wert einer starken Truppenmacht in Übersee verkannt und der alten Idee gehuldigt, daß die Kolonien allein in Europa verteidigt würden.

So konnte die schwache, schlecht gerüstete Truppe, von der General Botha, der Führer der südafrikanischen Angriffsarmee selber sagte, daß sie in ihrer Zahl und Bewaffnung kaum für einen Eingeborenen-Aufstand genüge, dem Ansturm der übermächtigen, glänzend ausgerüsteten englisch-südafrikanischen Heeresmacht nicht lange widerstehen. Sie mußte die Waffen senken, die ihr der Gegner in Anerkennung ihrer Tapferkeit nach der Waffenstreckung in Händen ließ.

Wie in Südwest, so wurde auch in Deutsch-Ostafrika der Schutz aller Erwerbungen einer privaten Gesellschaft, der von Dr. Carl Peters gegründeten Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft übertragen, die mit einer Handvoll eingeborener Polizeisoldaten die Hoheitsrechte ausübte. Der Araberaufstand im Jahre 1888, der von den um ihre Verdienste gebrachten Sklavenhändlern ausging, veranlaßte Bismarck, den durch seine erfolgreiche Afrikadurchquerung bekanntgewordenen Hauptmann Hermann von Wissmann mit der Niederwerfung des Aufstandes zu beauftragen.

Auf Grund seiner Erfahrungen stellte Wissmann eine Eingeborenentruppe unter dem Befehl von weißen Führern auf, wie sie für tropische Gebiete allein möglich ist. Mit 25 Offizieren, 63 Unteroffizieren und 850 Schwarzen zog er gegen den Halbaraber Buschiri, den Führer der Aufständischen, zu Felde, und stürmte zusammen mit der Besatzung S. M. S. "Sperber" dessen Lager bei Bagamojo. Nach Niederwerfung des Aufstandes im Jahre 1891 wurde die Wissmanntruppe als Kaiserliche Schutztruppe vom Reich übernommen. Als Gründungstag wurde der 8. Februar 1889 festgesetzt. Ihre Aufgabe war die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Lande und die weitere Bekämpfung des Sklavenhandels. In zahlreichen Gefechten gegen die Eingeborenenstämme hat sich die Truppe, die erst nach und nach auf 250 Europäer und 2500 im Lande selbst angeworbene farbige Soldaten anwuchs, bewährt. Es sei nur erinnert an den Aufstand der [312] Wahehe im Jahre 1891 und den Maji-Maji-Aufstand 1905, der mit Hilfe der Besatzungen der kleinen Kreuzer "Bussard", "Seeadler", "Thetis" und einer aus der Heimat entsandten Kompanie Marine-Infanterie niedergeschlagen wurde. Die gewaltigste Aufgabe wurde ihr aber im Weltkriege gestellt, als die nur für den Kampf gegen Eingeborene ausgerüstete und ausgebildete Truppe gegen einen zahlenmäßig weit überlegenen, mit modernstem Kriegsmaterial versehenen Gegner und vor allem auch gegen europäische Truppen zu kämpfen hatte.

Was Deutschland durch den Abschluß der Kongoakte vermeiden wollte, einen Kampf von Weißen gegen Weiße auf afrikanisches Gebiet zu übertragen und die Eingeborenen in die Auseinandersetzungen der Weißen mit hineinzuziehen, das wurde hier, wie auch auf europäischem Boden, ruchlose Tat.

Bereits am 8. August eröffneten die Engländer mit der Beschießung der offenen Stadt Daressalam die Feindseligkeiten. General von Lettow-Vorbeck, der zielbewußte, eiserne Führer der deutsch-ostafrikanischen Schutztruppe, antwortete mit kühnen Vorstößen in das feindliche Gebiet. Damit begann das unerhört gewaltige Ringen in Deutsch-Ostafrika, das zum Ziele hatte, möglichst viele Streitkräfte der Alliierten, der Briten, Buren und Portugiesen, zu fesseln und von dem europäischen Kriegsschauplatz fernzuhalten.

Ein erster Versuch der Engländer, mit einem englisch-indischen Expeditionskorps von 8000 Mann bei Tanga zu landen, scheiterte unter schweren Verlusten an Menschen und Material an der überlegenen Führung und der guten Ausbildung der deutschen Schutztruppe. Groß war der militärische, noch größer der moralische Erfolg der dreitägigen Tangaschlacht, denn ein unbedingtes Vertrauen zur Führung und ein Gefühl der Überlegenheit erfüllten jetzt weiße und schwarze Soldaten. Dies zeigte sich in allen schweren Gefechten, bei Jassini, bei der Verteidigung des Kilimandscharogebietes gegen ein zweites südafrikanisches Einfallkorps unter General Smuts, bewies sich in zahllosen anderen Gefechten, bei Narungombe wie bei Mahiva, auf dem siegreichen Hunderttagemarsch durch Portugiesisch-Ostafrika bis zuletzt in den Kämpfen in Britisch-Rhodesien.

In all diesen Gefechten kämpfte die Schutztruppe mit der Besatzung des deutschen Auslandskreuzers S. M. S. "Königsberg" Schulter an Schulter, die nach der Versenkung des Schiffes am Rufiji-Delta sich General von Lettow-Vorbeck unterstellt hatte.

Vier Jahre lang hat der Gegner versucht, diesen Siegeswillen durch enorme Übermacht zu brechen. Vier Jahre lang hielten Lettow und seine Getreuen stand, wichen aus, um sich der Umzingelung durch die Massen des Gegners zu entziehen und waren gleich darauf wieder im Angriff, wo sich ihnen Gelegenheit bot. Unbesiegt blieb General von Lettow-Vorbeck und unbesiegbar war seine Truppe, als der Niederbruch der Heimat dem Streiten ein Ende machte. Auf Befehl der Deutschen Regierung mußte Lettow mit dem Rest der Schutztruppe in Stärke von 155 Weißen und 1170 Askari und 1600 Truppenträgern die Waffen - es waren keine deutschen, nur erbeutete englische und portugiesische Gewehre - niederlegen.

[313] Eine gewaltige Truppenmacht aus allen Teilen des britischen Weltreichs, Belgier und Portugiesen, zahlreiches Kriegsgerät, Kraftwagen und Flugzeuge, waren gegen das ungerüstete Deutsch-Ostafrika aufgeboten worden. 12 Milliarden Mark wurden von England für den deutsch-ostafrikanischen Feldzug ausgegeben. Ungeheuer waren die Opfer an Menschenleben, die der Kampf wie das Klima erforderten. Dabei waren die deutschen Kampfmittel völlig unmodern und unzureichend. Die Schutztruppe war noch mit dem rauchstarken 71er Gewehr ausgerüstet, das wohl für einen Eingeborenenkrieg ausreichte, für einen Krieg gegen modern ausgerüstete Gegner aber völlig ungeeignet war. Jegliche Artillerie fehlte, nur wenige Maschinengewehre waren vorhanden. Es gab keine Kraftwagen, keine Flugzeuge, als Nachrichtengerät mußten die Funkstationen der abmontierten Passagierdampfer dienen und Stacheldraht als Telephonleitung. Es gab in Deutsch-Ostafrika ebensowenig wie in den anderen deutschen Kolonien Angriffswaffen, ja nicht einmal die notwendigsten Verteidigungsmittel, weder Befestigungswerke an den Grenzen noch an der Küste. So sahen die Kolonien aus, von denen das Ausland behauptete, daß sie Deutschland als Stützpunkte für Angriffe auf den Handel der Welt dienen sollten. Offen und fast wehrlos waren die Schutzgebiete zu Beginn des Krieges den Feinden preisgegeben. Nur die kühne Initiative des Generals von Lettow und der Mut der Truppe, die sich die Waffen beim Feinde holte, ermöglichten das 4½jährige zähe Durchhalten gegen die Übermacht der Gegner.

Um so heller strahlt der Ruhm des Generals von Lettow und seiner Truppe. Um so größer zeigt sich die Treue der schwarzen Soldaten, der Träger und der ganzen Eingeborenenbevölkerung. Durch nichts wird die Behauptung im Versailler Diktat, daß die Deutschen nicht zu kolonisieren verständen, besser widerlegt als durch die treue Gefolgschaft, die uns die Eingeborenen in allen Kolonien leisteten.

Auch in Kamerun, in dem Dr. Nachtigal 1884 die deutsche Flagge gehißt hatte, entwickelte sich die Schutztruppe langsam und aus kleinstem Anfang. Nur wenige schwarze Polizisten standen zunächst für den Schutz der Europäer und der Verwaltung zur Verfügung. Die beiden an der Westküste Afrikas stationierten kleinen Kreuzer sollten zur Unterdrückung von Unruhen herangezogen werden. Die Folge war, daß sich die deutsche Herrschaft anfangs nur auf einen kleinen Umkreis um die Kamerunmündung beschränken konnte und die von kühnen Forschern im Innern bis hinauf nach Adamaua errichteten Stationen wieder aufgegeben werden mußten.

Aus der 1891 aufgestellten kleinen Polizeitruppe wurde 1893 eine Schutztruppe unter Hauptmann Morgen und Leutnant Dominik gebildet. Als Gründungstag gilt der 30. Oktober 1891. Wie in Deutsch-Ostafrika wurden im Anfang landfremde Eingeborene, später Freiwillige aus den heimischen Eingeborenenstämmen als Soldaten genommen. Eine zwangsweise Rekrutierung, wie wir sie jetzt in anderen Kolonialländern sehen, hat unter deutscher Herrschaft niemals stattgefunden.

Die Schutztruppe hat alsdann in zahlreichen Expeditionen und Kämpfen das [314] Land abschnittweise bis zur Nord- und Ostgrenze erschlossen. Unter den zahlreichen für die Erschließung des Landes notwendigen Expeditionen verdienen die des Leutnants Dominik nach dem oberen Sanaga und Njong, des Hauptmanns von Kamptz nach Tibati, des Oberstleutnants Pavel nach Adamaua hervorgehoben zu werden. Erst 1907, nachdem die Schutztruppe auf 9 Kompanien angewachsen und mit Artillerie und Maschinengewehren ausgerüstet war, konnte das Schutzgebiet als befriedet angesehen werden und die friedliche Arbeit des Verwaltungsbeamten, Pflanzers und Kaufmanns in allen seinen Teilen beginnen.

Eine dauernde, wenn auch sehr geringe Verstärkung der Schutztruppe war durch die Kämpfe und zuletzt durch die Erwerbung von Neukamerun nötig geworden. So standen 205 weiße und 1650 farbige Soldaten unter den Waffen, als bei Ausbruch des Weltkrieges von allen Seiten die Truppen der Entente planmäßig ins Land einfielen. Heldenmütig war auch hier der jahrelange Kampf der völlig ungenügend ausgerüsteten deutschen, 1460 Weiße und 6550 Farbige zählenden Truppe gegen einen weit überlegenen, gut ausgerüsteten Gegner. Auch hier finden wir die unerschütterliche Treue unserer Askari, die ermöglichte, auf vielen Kriegsschauplätzen zugleich dem Vordringen der Feinde erfolgreich entgegenzutreten, bis der Mangel an Munition zum Aufgeben der Stellungen zwingt. Die Schutztruppe mußte nach Verschießen der letzten Patrone im Februar 1916 auf das benachbarte spanische Gebiet übertreten, während die im nördlichen Kamerun in den Morabergen unter Hauptmann von Raben abgeschnitten kämpfende Truppe durch Hunger und Durst zum Niederlegen der Waffen gezwungen wurde. Auch die Kameruner Schutztruppe ist nicht durch den Feind besiegt worden. Waffen- und Munitionsmangel zwangen sie, den Krieg abzubrechen. Ihre Taten aber müssen und werden unvergessen bleiben.

In Togo sowie in den Besitzungen der Südsee haben bis zuletzt Polizeitruppen, ähnlich ausgebildet wie die Schutztruppen der anderen Kolonien, für die Befriedung wie für die Verteidigung des Landes gesorgt. Das zumeist friedliche Verhalten der eingeborenen Bevölkerung hatte die Aufstellung einer Schutztruppe nicht nötig gemacht.

Im Weltkrieg hat die Polizeikompanie in Togo unter ihren wenigen weißen Führern und verstärkt von einer geringen Zahl weißer Siedler vor allem die für uns so wichtigen großen Funkanlagen zu halten gesucht. Erst nach blutigem Kampf mit den in Togo einrückenden englisch-französischen Truppen mußte sie sich nach Zerstörung der Großfunkstation Kamina ergeben.

In die offenen und unverteidigten Häfen der deutschen Südseeinseln liefen zahllose englische, australische und japanische Kriegsschiffe ein. Nur auf Neuguinea konnte ihnen die einzige deutsche Polizeiabteilung entgegentreten. Nach kurzem, aber erbittertem Buschkampf mit dem Landungskorps, des aus 14 Kriegsschiffen und 1 Transporter bestehenden australischen Geschwaders, mußte sie ehrenvoll die Waffen senken.

In China hatte das Deutsche Reich zu Beginn des Boxeraufstandes im [315] Jahre 1900 eine kleine Gesandtschaftswache unter Graf Soden, die die Gesandtschaft heldenmütig gegen den Ansturm der fanatischen Boxerhorden verteidigte. Zur Niederwerfung der Unruhen aber wurden Truppen aus aller Welt, so auch aus Deutschland, entsandt. In der vom Feldmarschall Graf Waldersee geführten internationalen Truppenmacht bildeten die deutschen Truppen die Elite und trugen wesentlich zum Erfolge bei. Es sei nur an das kühne Vorgehen von S. M. S. "Iltis" bei der Erstürmung der Takuforts und an den Befehl des englischen Admirals Seymour "Germans to the front" erinnert.

Als dann Deutschland in friedlichen Zeiten das auf 99 Jahre gepachtete Schutzgebiet von Kiautschou erschloß und zur deutschen Musterkolonie ausbaute, hatte die unter dem Oberbefehlshaber der Marine stehende Truppe einen wesentlichen Anteil daran. Der Weltkrieg machte auch hier der friedlichen Weiterentwicklung ein jähes Ende. Japan, verstärkt durch England, zog eine ungeheure Truppenmacht von 78 000 Mann zusammen, um sich in den Besitz von Tsingtau zu setzen und die schwache deutsche Truppenmacht, die einschließlich aller Reserven nur rund 4000 betrug, zu besiegen. Trotzdem gelang es aber den Japanern erst am 7. November 1914, nachdem alle Verteidigungsmöglichkeiten erschöpft waren, in die vollkommen zusammengeschossenen Verteidigungswerke einzudringen und sich in den Besitz der Stadt zu setzen. Das stolze Wort des Gouverneurs von Tsingtau, Admiral Meyer-Waldeck, war wahr geworden:

"Einstehe für Pflichterfüllung bis zum äußersten!"

So haben während der kurzen Zeitspanne deutscher Kolonialgeschichte deutsche Soldaten und die von ihnen herangebildeten farbigen Truppen an den verschiedensten Stellen des Erdenrundes im Dienste des Vaterlandes ihre Pflicht getan. Im Weltkrieg abgeschnitten von der Heimat und von ihr ohne Unterstützung gelassen, auf verlorenem Posten, haben sie oft Übermenschliches geleistet.

Doch auch ihr Schicksal entschied sich auf den Schlachtfeldern von Europa. Das Versailler Diktat nahm uns unsere Kolonien, zertrümmerte unsere stolze Schutztruppe. Aber ihre Taten leben weiter im Gedächtnis der Kolonialkameraden, die gemeinsames Schicksal einst in der Ferne verband und die gleiches Schicksal in die Heimat führte. Sie, die Kameraden des Deutschen Kolonialkriegerbundes, pflegen die Tradition der Schutztruppe, ehren das Gedenken der für ein größeres Deutschland gefallenen und gestorbenen Kolonialhelden, eines Wissmann, Erckert, Dominik, Maercker und ehren die Lebenden, einen Lettow, Estorff, Epp.

Im nationalsozialistischen deutschen Volksheer lebt die Geschichte der Schutz- und Polizeitruppen fort in den Truppenteilen der Wehrmacht und bei der Schutzpolizei, die die Kolonialtradition zu wahren und zu pflegen haben.

Hier soll die Saat aufgehen, die die Schutztruppen über See gelegt haben, in eiserner Disziplin, in unerschütterlicher Treue, in opfermütiger Kampfesfreude, in unbeugsamem Siegeswillen, denn:

Tradition verpflichtet!

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Das Buch der deutschen Kolonien
Herausgegeben unter Mitarbeit der früheren Gouverneure
von Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Kamerun, Togo und Deutsch-Neuguinea.
Vorwort von Dr. Heinrich Schnee.