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Aus den Kriegen Friedrichs des Großen gegen Maria Theresia

Friedrich der Große und Maria Theresia, zwei Namen, die heute, da wir die Anschauungen aller jener Generationen hinter uns gebracht haben, die in den Trägern dieser Namen nur Sinnbilder des das deutsche Volk trennenden Machtkampfes zweier Kronen sahen, zu Begriffen einer beide Herrschergestalten verbindenden edelsten Pflichterfüllung für ihr Volk und die deutsche Größe geworden sind! So wie wir in dem größten Soldaten der deutschen Geschichte und in der deutschesten Habsburgerin auf dem Thron des alten Römischen Reiches Deutscher Nation auch nur zwei Gestalten erblicken können, die ihrer Regierungsepoche die Merkmale deutscher Kraft und deutscher Geisteshaltung aufgeprägt haben, so kann der mit so viel deutschem Soldatenblut gezeichnete Weg ihrer innerdeutschen Auseinandersetzung für uns ebenfalls nur zu einem Bild des preußischen und österreichischen Soldatentums erhoben werden, das sich in den Waffentaten der deutschen Soldaten beider Teile in uns erhalten hat.

Es soll auch nicht Aufgabe dieses Buchabschnittes sein, jede der in der Kriegsgeschichte und Soldatenliteratur beider ehemaliger Heere längst erschöpfend behandelten Schlachten oder jedes Gefecht der Kriege zwischen Maria Theresia und Friedrich dem Großen aufzuzählen. Auch sei die Erwähnung jedes einzelnen dieser Kämpfe nicht deshalb unterlassen, weil Österreichs Heere in den ausschlaggebenden Waffengängen dieser Kriege der überlegenen Feldherrnkunst des großen Königs und der besseren Schlagfertigkeit der preußischen Truppen unterlagen. Ein tapferer Gegner hat noch jedesmal in der Kriegsgeschichte den Ruhm des Sieges erhöht! Der Grund dafür, daß im folgenden nur auf die für das Soldatentum der Ostmark bedeutsamen Schlachten der Fride- [116] rizianischen Feldzüge näher eingegangen werden soll, ist in der Aufgabe dieses Buches zu suchen, das die Erinnerung der großen Taten ostmarkdeutschen Soldatentums in das Blickfeld gesamtdeutscher Geschichtsauffassung hineinstellen will und in erster Linie den Einsatz dieses Soldatentums in jenen Kriegen aufzuzeigen versucht, die dem Schutze des Reiches gegolten haben.

Am 20. Oktober 1740 war Kaiser Karl VI. gestorben. Gemäß der Bestimmungen der Pragmatischen Sanktion war ihm seine älteste Tochter, Erzherzogin Maria Theresia, auf den Thron gefolgt. Nun zeigte es sich, wie weitschauend Prinz Eugen gehandelt hatte, als er sich gegen die im Jahre 1735 erfolgte Vermählung der Kaisertochter mit dem Herzog Franz Stephan von Lothringen gestemmt hatte, der als krasseste Figur eines volksfremden Länder- und Fürstenschachers zum Großherzog von Toskana bestellt worden war, während der Anwärter auf den polnischen Thron, Stanislaus Leszcynski, im Frieden von Wien 1735 das deutsche Lothringen erhalten hatte. Kaum daß Maria Theresia in den Besitz der Regierungsgewalt gekommen war, erhob Bayern in der Gestalt seines Kurfürsten Karl Albert Ansprüche auf das Erbe der Habsburger und schuf damit einen verhängnisvollen neuerlichen Zwiespalt zwischen den Häusern Wittelsbach und Habsburg, deren Verbindung gerade Prinz Eugen so sehr zugeredet hatte.

Die Gefahr einer blutigen Auseinandersetzung nahm aber erst dann drohende Gestalt an, als der bayrische Kurfürst sein behauptetes Recht bei den deutschen Fürsten anmeldete und in dem jungen und tatkräftigen Nachfolger Friedrich Wilhelms I. von Preußen, Friedrich II., Unterstützung fand. Auch Friedrich II. forderte unter dem Hinweis auf die Rückgabe des Schwiebuser Kreises durch Friedrich I. an Österreich die Herzogtümer Brieg, Liegnitz, Wohlau und Fürstentum Jägerndorf für die preußische Krone. Gleichzeitig bot er der jungen Kaiserin allerdings auch ein Schutz- und Trutzbündnis gegen alle ihre Feinde an und versprach ihr, die Wahl Franz Stephans von Lothringen zum deutschen Kaiser zu sichern. Doch Maria Theresia wies, auf ihre verbrieften Rechte pochend, die Ansprüche Bayerns und Preußens energisch zurück. Da entschied sich Friedrich II. kurz entschlossen zum Krieg. Nach seinen eigenen Worten, "da zu erwarten war, daß mein Anerbieten abgelehnt werden würde, so war Graf Gotter für diesen Fall ermächtigt, der Königin von Ungarn den Krieg zu erklären", hatte er mit der stolzen Haltung seiner jugendlichen Gegnerin gerechnet. Und da "die Armee eifriger war als der Gesandte, so rückte sie zwei Tage vor der Ankunft Gotters in Wien schon in Schlesien ein". Nun schien es dem Manne, der später einmal von Österreichs größtem Feldherrn gesagt hat: "Wenn ich etwas [117] tauge, wenn ich etwas von meinem Handwerk, namentlich in schwierigen Feinheiten, verstehe, so verdanke ich es dem Prinz Eugen!", vielleicht doch rätselhaft, daß er bei diesem Einmarsch in Schlesien von seiten der Soldaten, die ein Prinz Eugen geschult und erzogen hatte, fast keinen Widerstand fand. Eine verhängnisvolle Abwärtsentwicklung hatte im kaiserlichen Heere nach dem Ableben Eugens mit Riesenschritten Platz gegriffen. Jäh, als sie zum Waffengang gegen die besten Soldaten der Welt antreten sollte, wurde diese Armee gewahr, wie sehr ihre ganze Schlagkraft in ihrer Führung durch den Savoyer gelegen hatte. Alle Mängel in der Handhabung der Befehlsgewalt durch wenige tüchtige, aber viele mittelmäßige, auch unfähige Generale, dann in der schleppenden Tätigkeit des Hofkriegsrates und des Generalkriegskommissariats, vor allem aber in der Bewaffnung, Ausrüstung und der wirtschaftlichen Versorgung der Soldaten traten mit erschreckender Anpassung an die voreugenische Zeit wieder zutage. Dazu kam, daß die Armee nach dem Tode Prinz Eugens eine trübe Periode unglücklicher Gefechte gegen die Türken durchgemacht hatte. Der schwerste Schlag jedoch, der dem kaiserlichen Heer eine gewaltige Einbuße seines alten Kriegsruhmes eingebracht hatte, war die völlig unbegründete Übergabe Belgrads an die Türken. Diese schmähliche Preisgabe des mit soviel bestem deutschen Blutes eroberten wichtigen Platzes, die außerdem nur auf Grund von Eifersüchteleien zwischen einigen Generalen erfolgte, hatte die bedeutsamsten Siege Prinz Eugens im Südosten um ihre weittragenden Erfolge gebracht. "Belgrad ist mein Tod! Wenn Eugen das erlebt hätte!" rief Karl VI. auf diese Nachricht hin aus. Von dem Schlag aber, der das Selbstbewußtsein der Armee durch diesen Feldzug traf, hat sie sich erst wieder in den Schlachten mit dem preußischen Gegner erholt, der ihre Kampfkraft an der Kriegstüchtigkeit der preußischen Truppen von Schlacht zu Schlacht neuerdings schulte.

Die Unterlegenheit des kaiserlichen Heeres gegenüber den preußischen Truppen trat anfänglich vor allem in der schwerfälligen Beweglichkeit der großen Verbände und in einer der Entwicklung der Handfeuerwaffen nicht Schritt haltenden Kampftaktik der Infanterie zutage. Auch feierte die alte übertriebene Vorsicht, das kostspielige Soldatenmaterial möglichst nicht der Gefahr einer Vernichtung auszusetzen und eine Schlacht durch kleine Gefechte und Handstreiche auf feindliche Lebensmittel- und Munitionstransporte wettzumachen, eine neuerlich unerfreuliche Wiedergeburt. Es schien, als hätten sich gerade jene Tadler Prinz Eugens, die dem Savoyer das kühne Wagnis seiner Unternehmungen als jeder Kriegsregel widersprechend vorgeworfen hatten, mit wenigen Ausnahmen in der Führung gegen den preußischen Gegner vereinigt. [118] Dazu kam, daß man der nunmehr immer stärker in den Vordergrund tretenden Infanterie nicht jene Sorgfalt in der Schießkunst und in der Durchbildung zur Manövrierfähigkeit zugewandt hatte, wie dies seit Friedrich Wilhelm I. in Preußen geschehen war.

Die übelsten Folgen zeitigte jedoch die unterlegene Bewaffnung. So wie 126 Jahre später das österreichische Fußvolk unter der Feuerüberlegenheit des preußischen Zündnadelgewehrs im verhängnisvollen Drauflosstürmen der Stoßtaktik verbluten sollte, so trat es auch dieses Mal mit hölzernem Ladestock gegenüber dem preußischen Musketier an. Dieser konnte nach der Einführung des eisernen Ladestocks in Preußen fünfmal in der Minute laden und feuern und verursachte dadurch beim österreichischen Fußvolk anfänglich, so wie bei Mollwitz, schwere Paniken.

Es war ein Heer von etwas über 100 000 Mann, das Maria Theresia dem jungen Preußenkönig entgegenstellen konnte. Aber da die Truppen in allen Gegenden des neugeschaffenen Reiches verteilt waren und der größte Teil der wirklichen Kampfwert aufweisenden Truppen in Südungarn, in Italien, in den Vorlanden und in den Niederlanden standen, so waren es zuerst überhaupt nur 7000 Mann, die Feldmarschalleutnant Graf Browne zur Sicherung der schlesischen Plätze zusammenraffte. So fand Friedrich II. bei seinem Einrücken in Schlesien fast keinen richtigen Widerstand. Erst zu Anfang des Jahres 1741 hatte Browne endlich annähernd 35 000 Mann in Mähren gesammelt. Aber unglücklicherweise wurde der Oberbefehl nicht diesem tapferen und bewährten General übergeben, sondern es war der durch die Übergabe Belgrads berüchtigte General Neipperg, der die Führung der kaiserlichen Streitkräfte übernahm. Nach dem Fall Glogaus suchte er nun, über die schlesische Grenze vorrückend, das hart bedrängte Neiße zu entsetzen. Da wurde er am 10. April 1741 bei Mollwitz durch die Nachricht überrascht, daß die gesamte preußische Armee in Schlachtordnung anrücke. Nur dem aufopfernden Eingreifen der kaiserlichen Reiterregimenter unter Karl Joachim Baron Römer war es zu danken, daß das österreichische Heer sich noch rechtzeitig aufstellen konnte. Um zwei Uhr nachmittags begann die eigentliche Schlacht. Die preußische Artillerie eröffnete ein wirkungsvolles Feuer auf die österreichische Kavallerie. Als diese zu sehr unter dem Eisenhagel litt, erteilte Römer den Befehl zur Attacke und warf in einem schneidigen Angriff die preußischen Reiter auf dem linken Flügel über den Haufen. Doch sobald sie gegen die preußische Infanterie anritten, brach sich die Attacke im Feuer der wie auf dem Exerzierplatz manövrierenden Preußen. Fünfmal wurde der Angriff wiederholt. Erst als Römer gefallen war, ließ die völlig erschöpfte österreichische Reiterei von weiteren Durchbruchsversuchen ab.

[119] Im Zentrum war das Kampfgetümmel inzwischen so heftig geworden, daß der preußische Feldmarschall Schwerin seinen jungen König veranlaßte, das Schlachtfeld zu verlassen. Als Schwerin neue Bataillone vorrücken ließ, trat die verhängnisvolle Unterlegenheit in der Bewaffnung der Österreicher besonders erschreckend zutage. In der Absicht, es den Preußen durch ebenso schnelles Laden gleichzutun, zerbrachen Hunderte von Infanteristen die Ladestöcke. Durch mörderisches Feuer der Preußen erschüttert, ballten sich die Mannschaften in Klumpen von dreißig bis vierzig Mann zusammen. Die Verwirrung benützte Schwerin, um seine Regimenter im Sturmschritt vorgehen zu lassen.

Diesem Angriff hielten die österreichischen Linien nicht mehr stand. Um sieben Uhr abends hatte sich der anfängliche Sieg in eine Niederlage verwandelt. Der Rückzug mußte angetreten werden, den die Preußen jedoch aus Mangel an Reiterei nicht stören konnten.

Der Sieg von Mollwitz schien mit einem einzigartigen Schwertstreich die papiernen Abmachungen der Pragmatischen Sanktion zu zerreißen. Frankreich trat mit einem Bündnisangebot an Bayern und Preußen auf den Plan. Ludwig XV. achtete den Augenblick für gekommen, die Macht des Hauses Habsburg und die damit verbundene Kaisergewalt für immer zu brechen, um das Vermächtnis des vierzehnten Ludwig, das Reich zu zerstückeln, in die Tat umzusetzen. Marschall Belle-Isle reiste nach Bayern. So kam am 18. Mai 1741 der Vertrag von Nymphenburg zustande, wonach Frankreich Bayern in der Erwerbung der österreichischen Staaten und in der Erringung der deutschen Kaiserwürde unterstützen wollte, während Frankreich dafür in den Niederlanden und am Rhein entschädigt werden sollte.

Diesem Bunde traten kurz danach auch Sachsen und Spanien bei. Nur die Seemächte und, zum Glück für Maria Theresia, auch die Türkei verhielten sich neutral. Rußland war in einem Krieg gegen Schweden, ebenfalls auf Betreiben Frankreichs, verwickelt, und so stand Maria Theresia allein und hatte die ganze Last des Kampfes um den ererbten Besitz ihres Hauses zu tragen. Es spricht gewiß für die Größe dieser Frau, daß sie die Entschlossenheit und den Mut aufbrachte, nach dem bitteren Auftakt von Mollwitz und dem Verlust beinahe ganz Schlesiens dennoch den Kampf gegen die vielen Feinde zu wagen. Aber es bleibt doch ein erschütterndes Bild deutscher Tragik, daß ein Streit, der bei gutem Willen auf beiden Seiten zu einem Abkommen über die Zuteilung der in Frage kommenden innerdeutschen Ländereien hätte beigelegt werden können, ein Ausmaß annahm, der die erbittertsten Feinde Deutschlands auf den Plan rief. So berechtigt es war, daß Maria Theresia jetzt erst recht, als Frankreich durch Bayern gedeckt die Hand nach [120] dem deutschen Kaiserthron ausstreckte, ihre Rechte unerschrocken zu wahren trachtete, so hat auch sie später wie jetzt Friedrich II. die Bundesgenossenschaft Frankreichs gegen einen deutschen Fürsten in Anspruch genommen. An solchen Bildern deutscher Vergangenheit erhebt sich gerade die großdeutsche Einigung unseres Volkes durch Adolf Hitler in seiner gewaltigen Tragweite und geschichtlichen Größe. Es mußte erst zur Austragung aller innerdeutschen Machtfragen, zur zeitweisen, scheinbar völligen Erniedrigung des Reiches durch ausländische Eroberer, dann zu seiner zweiten Auferstehung und schließlich zum völligen Niederbruch der beiden, aus dem ersten deutschen Reich entstandenen Großmächte kommen, bis das deutsche Volk endlich die innere Kraft finden konnte, mit allem, was es an Trennendem an die Vergangenheit band, abzubrechen und einer neuen Zukunft seiner durch das Blut geeinten Gemeinschaft entgegenzugehen.

Auch daß aus dem Bruderkampf des 18. und 19. Jahrhunderts dem deutschen Heere die großen Lehrmeister seiner herrlichen Entwicklung entstehen sollten, hat das deutsche Schicksal gewollt. So erwächst aus den mörderischen Schlachten der Kriege um die Vorherrschaft in Deutschland aus dem Blute der Kämpfe auf beiden Seiten als tragikumwobenes, aber doch stolzes Vorbild der deutsche Soldat Friedrichs des Großen und Maria Theresias, ebenso wie später derjenige Moltkes und Benedeks.

Dabei war es der gleiche deutsche Soldat, der jetzt sowohl als Gegner wie auch als hervortretendster Waffenträger eines Völkerreiches zum Lehrmeister der soldatischen Völker des Südostraumes wurde. Das sollte vor allem der Einsatz der magyarischen und kroatischen Kontingente beweisen, die von nun ab als Soldaten Maria Theresias ihre neuzeitliche Waffenschulung erfuhren.

Es war unleugbar das Verdienst Prinz Eugens, daß sich das ungarische Volk, alle früheren blutigen Auseinandersetzungen mit dem Hause Habsburg vergessend, am 11. September 1741 zugunsten Maria Theresias erhob. Eine allgemeine Adelsinsurrektion wurde aufgeboten und der Königin die Bereitstellung von 100 000 Mann versprochen. Wenn auch die Stärke der zugesagten ungarischen Hilfstruppen dann unter der Zahl des versprochenen Aufgebotes zurückblieb, so strömten doch Tausende von Rekruten zu den Fahnen, Freikorps wurden gebildet und ein großer Teil der Kriegskosten von den ungarischen Ständen übernommen. Vor allem aber war die Wirkung der Bereitwilligkeit des ungarischen Einsatzes auf das Ausland von großer Bedeutung. So kam im Oktober 1741 der Geheimvertrag von Kleinschellendorf zwischen Friedrich II. und Maria Theresia zustande, der als Vorabkommen für einen späteren [121] Friedensschluß gedacht war, nach dessen Bestimmungen Niederschlesien und Neiße an Preußen abgetreten werden sollten.

Dadurch erhielt Maria Theresia freie Hand gegen Bayern und Frankreich. Friedrich II. belagerte nur zum Scheine weiterhin Neiße. Dieses ergab sich am 31. Oktober 1741 ebenfalls, ohne durch ernsthafte Angriffe des Gegners dazu gezwungen worden zu sein. Inzwischen hatte sich aber ein französisch-englisches Heer Passaus bemächtigt, zog dann bei Schärding neue Verstärkungen heran, so daß es zuletzt an 80 000 Mann zählte, und besetzte dann schließlich auch Linz. Ein zweites französisches Heer marschierte am Oberrhein auf und bedrohte die kaiserlichen Vorlande. Breisach mußte gesprengt werden, und nur mit der Aufbietung aller Kräfte gelang es, Freiburg zu halten. Schon ging man in Wien daran, die Festungswerke der Stadt neuerdings in verteidigungsmäßigen Zustand zu setzen, da schwenkten Kurfürst Karl Albert und Marschall Belle-Isle nach Böhmen ab. Zu gleicher Zeit marschierten 20 000 Sachsen in Böhmen ein. Der Stoß des bayrisch-französischen Heeres richtete sich jetzt unverkennbar gegen Prag, und nun war die Wegnahme dieser wichtigen Stadt, die überdies eine völlig unzureichende Besatzung von 2500 soeben erst ausgehobener Rekruten unter dem Befehl des Grafen Ogilvy hatte, nur eine Frage der Zeit, wenn nicht noch rechtzeitig Hilfe durch starke österreichische Kräfte herankam.

Doch Neipperg, der noch in Schlesien kommandierte, wich einem Zusammenstoß mit den starken gegnerischen Kräften in Böhmen einfach aus und marschierte nach Mähren. Dort vereinigte er sich mit den Truppen des Fürsten Lobkowitz. Obwohl jetzt der Gatte Maria Theresias den Oberbefehl über die Truppen übernahm, wurde noch immer nicht der Marsch gegen Prag angetreten. Ein kühner Handstreich des französischen Generals Moritz von Sachsen brachte am 25. November 1741 die Stadt in französisch-bayrische Gewalt. Die Folge dieser Wegnahme Prags war die Huldigung der böhmischen Stände vor Karl Albert und dann im Januar und Februar 1742 seine Wahl und Krönung zum deutschen Kaiser in Frankfurt. Mitten in schwerster Bedrängnis hatte Maria Theresia in dem Feldmarschall Ludwig Andreas Graf Khevenhüller den Mann gefunden, der wohl als einziger General ein wahrhafter Schüler Prinz Eugens zu nennen war. Mit 20 000 Mann warf er sich nicht auf die feindlichen Streitkräfte in Böhmen, sondern marschierte geradeswegs auf das Stammland Karl Alberts, nach Bayern. In stürmischem Anlauf ging er bis Linz, warf die dort stehenden 15 000 Franzosen unter Ségur aus ihren Verschanzungen, erstürmte die Stadt, gewährte dem Gegner jedoch freien Abzug.

Und wirklich, es schien, als habe sich der alte Geist Prinz Eugens mit [122] den Beschlüssen dieses Generals verbündet. Verstärkt durch kriegserprobte kaiserliche Regimenter, die er aus Italien herangezogen hatte, rückte Khevenhüller entschlossen in Bayern ein. Bärenklau siegte bei Schärding und Braunau, eroberte dann auch noch Passau und nahm hier, nachdem er bei Braunau schon fünf Geschütze und zehn Fahnen erbeutet hatte, dem Gegner noch 50 Geschütze ab. Am gleichen Tage, an dem Karl Albert in Frankfurt zum deutschen Kaiser gekrönt wurde, am 12. Februar 1742, rückte Oberst Mezel bereits in München ein. Erst als der alte Unterführer Prinz Eugens, Seckendorf, der in bayrische Dienste getreten war, mit einem starken französischen Heere heranrückte und der bayrische Landsturm die Verbindungslinien der Österreicher in deren Rücken bedrohte, zog sich Bärenklau wieder auf Khevenhüllers Hauptmacht zurück.

Diese Erfolge der Österreicher riefen jetzt aber wiederum Friedrich II. auf den Plan. Da der Geheimvertrag von Kleinschellendorf ohnehin von beiden Parteien nicht ernst genommen wurde und Karl Albert jetzt Friedrich dringend um Hilfe anrief, griff der preußische König die Österreicher neuerdings in Schlesien und Mähren an. Trotz tapferer Gegenwehr mußte sich jetzt auch die Festung Glatz nach beinahe sechsmonatiger Belagerung ergeben. Vereinigt mit Franzosen, Bayern und Sachsen, rückten Friedrichs Truppen weiter nach Mähren vor. Brünn wurde belagert, die Berennung der Stadt jedoch infolge des plötzlichen Abrückens der Sachsen wieder aufgegeben. Aber Ziethens Husaren gelang es dennoch, sogar schon bis Stockerau vorzudringen.

Die zweideutige Haltung der Sachsen zwang Friedrich bald wieder, Mähren zu räumen. Auch rückten jetzt endlich wieder die Hauptstreitkräfte der Österreicher heran. An Neippergs Stelle hatte der Schwager Maria Theresias, Prinz Karl Alexander von Lothringen, das Kommando über die kaiserlichen Streitkräfte übernommen. Aber ebenso wie alle seine Vorgänger keine überragenden Führerpersönlichkeiten waren, blieb auch die Kommandoführung Karls von Lothringen zögernd und sprunghaft. Statt den Rat des erfahrenen Browne zu befolgen, der für einen Angriff auf die französischen Streitkräfte des Marschalls Broglie war, solange Friedrich noch in Mähren stand, entschloß er sich, die langsam dieses Kronland räumenden Preußen anzugreifen. Doch Friedrich ließ sich auch nicht durch verschiedene glückliche Handstreiche der Österreicher, denen sogar die Wegnahme von 60 Geschützen gelang, von seiner Marschrichtung nach Böhmen abbringen. Auch als Broglies Verbindungslinien gefährlich unterbrochen wurden, änderte er nichts an seinen Dispositionen. Er erreichte seine Magazine in Böhmen und wartete erst das Herannahen von Verstärkungen ab. Bei Chrudim bezog er ein festes Lager, verließ es aber dann Mitte Mai, als sich die Nachrichten [123] verdichteten, daß die Truppen des Prinzen von Lothringen im Anrücken seien und alle Anzeichen darauf hinzudeuten schienen, daß die Österreicher jetzt auf Prag loszurücken beabsichtigten. Eine entscheidende Schlacht war ihm aber auch aus dem Grunde genommen, weil die von England vermittelten Friedensunterhandlungen so weit fortgeschritten waren, daß ein Sieg der preußischen Truppen dem Abschluß eines dauernden Friedens nur eine vorteilhafte Note aufdrücken konnte. Am 16. Mai 1742 stieß er in der Nähe von Neuhof und Kuttenberg auf die österreichische Vorhut. Am darauffolgenden Tage prallten die beiden Heere bei Czaslau oder bei Chotusitz, wie die Kriegsgeschichte dann die Schlacht nach dem Schlüsselpunkt der preußischen Stellung benannte, aufeinander. Die Schlacht begann mit einem Geschützkampf, bei dem die zahlenmäßig überlegene preußische Artillerie den gegnerischen linken Flügel, der sich noch im Anmarsch befand, ins Wanken brachte. Dagegen gelang es dem Zentrum und dem linken Flügel der Österreicher, Chotusitz zu umgehen und die Preußen zu werfen. Statt diesen Erfolg auszunutzen, sah Lothringen tatenlos zu, wie sein Fußvolk und Kavallerie das preußische Lager plünderten. Die Preußen konnten sich wieder sammeln und gewannen Chotusitz zurück. Eine kühne Schwenkung des rechten preußischen Flügels bedrohte dann die Flanke der Österreicher und zwang sie zum Rückzug. Der Tag von Chotusitz machte dem Ringen des ersten schlesischen Krieges ein Ende. Nach Abschließung eines Vorfriedens in Breslau kam am 28. Juli der Friede in Berlin zustande. Ganz Schlesien, mit Ausnahme von Teschen und Troppau, wurde preußisch.

Der Friedensvertrag von Breslau und Berlin brachte dem österreichischen Heere nicht jene Atempause, deren es dringend bedurft hätte, um sich auf Grund der Erfahrungen des türkischen und ersten schlesischen Krieges in seinem inneren Aufbau, in der Bewaffnung und in der Führung wieder auf eine Höhe zu bringen, die der veränderten Kriegsführung auf allen Gebieten entsprach. Die Reformen und die durch die ununterbrochene Weiterführung des österreichischen Erbfolgekrieges bedingte immer weitläufigere Erfassung der Bevölkerung zum Waffendienst konnten so erst Schritt um Schritt mit den weiteren Feldzügen der kaiserlichen Heere in Böhmen und Bayern am Rhein, in den Niederlanden und in Italien durchgeführt werden, so daß sich erst mit dem Jahre 1744 eine allmähliche Änderung im bisherigen Aufbau des kaiserlichen und jetzt nunmehr auch königlichen Heere anzubahnen begann.

Kaiserin Maria Theresia, eine deutsche Fürstin von innerer
Größe, die ihr Erbe gegen eine Welt von Feinden verteidigte.
[137]      Kaiserin Maria Theresia, eine deutsche Fürstin von innerer Größe, die ihr Erbe gegen eine Welt von Feinden verteidigte.
Nach einem Gemälde von Wilhelm Camphausen.
(Mit Genehmigung der Photographischen Gesellschaft, Berlin)
Die ersten Gegner, deren sich Maria Theresia nach dem Verlust Schlesiens nun entledigen mußte, waren Bayern und Frankreich. Noch [124] standen die Franzosen unter Belle-Isle in Prag, Broglie hielt weiter wichtige Teile Böhmens besetzt, durch Bayern kam ein französisches Heer unter Harcourt heran, in Italien bedrängten an die 30 000 Franzosen und Spanier das kaiserliche Heer, und in den Niederlanden sammelten sich 70 000 Franzosen unter Maillebois. So trat wieder einmal an das österreichische Heer die Aufgabe heran, auf fast allen Kriegsschauplätzen Europas zu fechten. Doch es war das erstemal, daß es mit Ausnahme des Savoyischen Bundesgenossen vorerst noch völlig allein stand und sich als Verteidiger der aus den Schlachten des spanischen Erbfolgekrieges entstandenen Großmacht Österreich zu bewähren hatte. Die Uneinigkeit der in Böhmen stehenden französischen Generale und die Wachsamkeit Khevenhüllers in Bayern ermöglichten es, daß bald ganz Böhmen wieder in die Gewalt der Kaiserlichen kam. Nach glänzenden Waffentaten vereinigte sich das österreichische Heer jetzt wieder unter dem Oberbefehl des Großherzogs Franz Stephan vor Prag und begann die Belagerung dieser Stadt. Trotz der heldenmütigen Gegenwehr Belle-Isles, der sich so lange zur Wehr setzte, bis seine Verteidigungsmannschaften buchstäblich vor Hunger und Erschöpfung zusammenbrachen, fiel Prag endgültig am 3. Januar 1743 in die Hände der Kaiserlichen.

Auch in Italien glückte es dem tüchtigen Feldmarschalleutnant Traun, der wie Khevenhüller und Browne ein Schüler Prinz Eugens war, die französisch-spanische Armee in der Schlacht von Pannaro zu schlagen. Nicht minder glücklich focht das kaiserliche Heer in den folgenden Monaten in Bayern. Immer stärker trat Khevenhüllers bedeutende Begabung als militärischer Führer zutage. Frankreich, für das es jetzt eine Ehrenangelegenheit war, seinem Schutzbefohlenen Kaiser Karl VII., Kurfürst Karl Albert von Bayern, wenigstens sein Stammland zu erhalten, trat nun mit 55 000 Mann auf den Plan. Sie sollten sich mit 35 000 Bayern vereinigen. Doch Khevenhüller, der seine Truppen an der Donau zusammengezogen hatte, verstand es geschickt, erst die Bayern zu fassen und brachte ihnen bei Simbach am 8. Mai 1743 eine empfindliche Niederlage bei. Nun fielen auch Dingelfing, Landau und Degendorf in die Hände der Österreicher. Broglie, der auch in diesem Jahre das starke französische Heer befehligte, wich bis an die Isar zurück, und nun griff ihn Khevenhüller, statt die Isar zu forcieren, mit einem entschlossenen Übergang über die Donau an, zwang Broglie zur Preisgabe Münchens und drängte ihn noch weiter auf Donauwörth zu. Zum zweiten Male zog General Bärenklau in der bayrischen Hauptstadt ein. Kaiser Karl VII. mußte fliehen. Als die Husaren Nadasdys und Menzels den Franzosen bei Donauwörth das Herannahen Khevenhüllers verkün- [125] deten, wich Broglie noch weiter bis an den Neckar und verschanzte sich erst wieder jenseits des Rheins.

Indessen hatte sich England zur Hilfeleistung der Kaiserin im Westen entschlossen. Ein Heer von 16 000 Engländern, ebenso vielen Hannoveranern und Österreichern, bildeten die sogenannte pragmatische Armee. Diese Armee sammelte sich am Niederrhein unter dem Kommando Georgs II. von England, zog rheinaufwärts und stellt sich im Mai 1743 dem französischen Marschall Noailles in der Gegend von Frankfurt entgegen. Durch geschicktes Manövrieren gelang es bei Dettingen den Österreichern, Hannoveranern und Briten, Noailles derartig zu umstellen, daß er nur knapp der Vernichtung entging.

Das Zaudern Georgs II., der auch eine kräftige Verfolgung Noailles verabsäumt hatte, wirkte sich dann auch ungünstig auf die Operationen Karls von Lothringen aus, dessen Versuche, den Rhein zu überschreiten, mehrere Male mißlangen. Bewährt haben sich damals lediglich Menzels Husaren und Trenks berüchtigte, wilde Panduren, die bis tief ins Elsaß und nach Lothringen vordrangen und sehr bald auch von den Franzosen gefürchtet wurden. Schließlich zog aber Georg II. doch bis Worms und jetzt zeigte sich, daß der Sieg von Dettingen noch Früchte getragen hatte. Sachsen und Sardinien traten auf die Seite Maria Theresias.

Noch einmal kam es zu bedeutsamen Kämpfen in Oberitalien und Neapel. Erbost über Sardinien rückte ein starkes französisches Heer über die Alpen, wurde aber von den tapferen piemontesischen Truppen zurückgeschlagen. Als dann die Franzosen nochmals vorzudringen versuchten, scheiterten ihre Angriffe auf Cuneo und in der Schlacht bei Madonna del Olma neuerdings an der Tapferkeit des sardinischen Heeres. Auch in Mittelitalien fochten die Franzosen und Spanier nicht glücklich. Dort war bei den Österreichern zur Verstärkung des dort augenblicklich kommandierenden Fürsten Lobkowitz General Browne eingetroffen. In kühnen Gefechten, deren Seele Browne im Gegensatz zu dem schwerfälligen Lobkowitz war, warf der verdiente österreichische General den Gegner zurück. Bei Velletri gelang es ihm sogar, beinahe den König von Neapel und den Herzog von Modena gefangenzunehmen. Schon drohten Brownes Regimenter, sich den Weg nach Neapel zu erzwingen, da rief sie ein kaiserlicher Befehl nach Sardinien, um die dort stehenden piemontesischen Korps zu verstärken. Damit endete 1744 in Italien der Krieg. Es war aber noch lange kein Auftakt zum Frieden, denn schon trat der gefährlichste Gegner Maria Theresias, Friedrich II., in Deutschland neuerdings auf den Plan.

[126] Die Erfolge der österreichischen Waffen hatten in Friedrich II. die berechtigten Sorgen genährt, daß Maria Theresia eines Tages den Frieden von Berlin für nichtig erklären und ihm vereint mit ihren neuen Verbündeten wiederum den Besitz Schlesiens streitig machen würde. Der Abfall Sachsens bestärkte diese Sorgen nur um vieles. So schloß er mit Karl VII., Hessen-Kassel und der Kurpfalz unter der Mitwirkung Frankreichs einen Vertrag, um sich gegen jeden Angriff von seiten Habsburgs zu wappnen. Wie der preußische König seinen Gegnern stets zuvorzukommen verstand, wartete er nicht erst den Zeitpunkt ab, bis Maria Theresia genügend Bundesgenossen gegen ihn gesammelt hatte, sondern griff an.

Maria Theresia mußte, wie schon einmal erwähnt, auf die Durchführung bedeutsamer Heeresreformen während einer dem durchgreifenden Aufbau des Heeres dienenden Friedensperiode vorläufig noch verzichten. Solange die Kämpfe in Westdeutschland und Italien noch andauerten, galt es lediglich, alle verfügbaren Kräfte für die Auffüllung der im Felde stehenden Truppenkörper zu erfassen. Dennoch verstand es die Kaiserin, geradeso wie im inneren Aufbau und Ausbau der staatlichen Verwaltung auch auf dem Gebiete des Heereswesens mit dem Jahre 1744 an das Vorbild Prinz Eugens anzuknüpfen und mit Energie und Großzügigkeit die dringendsten Reformen anzubahnen.

"Sie führte Pläne aus, die eines Mannes würdig waren", sagt die Geschichte der k. u. k. Armee und wird damit der Tatkraft einer Herrscherin gerecht, die bei aller Vertretung habsburgischer Hausmachtinteressen auch für Wehrerziehung des deutschen Volkes der Ostmark Großes geleistet hat. So ging man bereits in den Vierzigerjahren daran, mit Hilfe der von der Kaiserin geschaffenen Kreisämter die Werbung für die einzelnen Regimenter in jenen Gebieten durchzuführen, in welchen die Truppenkörper während der Friedenszeit stationiert waren.

Man glich damit mehr und mehr die Ausfälle der Reichswerbung aus, die durch die Gegnerschaft Bayerns und erstlich noch Sachsens ohnehin stark beeinträchtigt worden war. Anno 1744 wurden für die Infanterie 52 391 Rekruten, dann 7285 Mann für die schwere, die deutsche Kavallerie, und 1358 Rekruten für die ungarischen Reiterregimenter von im Felde stehenden Truppenkörpern verlangt. Die Artillerie forderte 200 Mann. Nach Gesichtspunkten, die der Eignung der aufgebotenen Landeskinder zu bestimmten Waffengattungen besonders gerecht zu werden versuchten, und die sich im großen und ganzen sogar bis zum Weltkrieg bewährt haben, sollten die Artilleristen vielfach in Böhmen, die Kürassiere und Dragoner zum großen Teil in den deutsch- [127] sprachigen Gebieten und die Mannschaften für die leichte Kavallerie in Ungarn geworben werden.

In Tirol wurde ebenfalls neben den bereits bestehenden Tiroler Scharfschützen-Freikorps ein "Tiroler Land- und Feldregiment" aufgestellt. Diese Truppe hatte bereits in dem 1703 gegründeten "Tiroler Landbataillon" einen Vorgänger gehabt und bestand zum Teil aus der waffenfähigen Mannschaft des Berglandes. Die übrigen, der für den Kriegsdienst erforderlichen Rekruten, die aus den "Wallonischen und lombardischen" Gebieten kamen, wurden ähnlich wie die durch die Reichswerbung aufgebotenen Kontingente unter Berücksichtigung der verfassungsmäßigen Vorrechte aufgebracht.

Jetzt begann sich zum ersten Male jener Opfergang des deutschen Soldaten der Ostmark für das Haus Habsburg in der österreichischen Heeresgeschichte abzuzeichnen, der zuletzt im Weltkriege sein größtes tragisches Ausmaß erreicht hat. Unabhängig von der stets der deutschen Soldatenart gleichwertigen Tapferkeit des ungarischen und südslawischen Kriegers, blieben diese Leute doch ebenso, wie die anderen nicht deutschsprachigen Wehrpflichtigen dieses Völkerheeres, den nationalen Strömungen ihrer Stammländer unterworfen. Gewiß haben sie alle, geradeso wie dies bereits von den Magyaren gesagt wurde, ihren ruhmreichen Anteil an der Verteidigung des deutschen Reichsgebietes und an den Kriegen des Hauses Habsburg gehabt. Aber der Blutzoll, der im Interesse Habsburgs in den folgenden Feldzügen nicht nur nach außen, sondern auch zur Niederwerfung innerer Unruhen und Volkserhebungen gefordert wurde, haben im stärksten Ausmaße doch die deutschen Soldaten Österreichs infolge ihrer unerschütterlichen Treue zu dem beschworenen Eid entrichtet. Seit jenem Tage, da auf Grund der von Maria Theresia angebahnten allgemeinen Erfassung die Konskription eingeführt wurde, die auch noch zu Regierungszeiten der Kaiserin zur Errichtung des Völkerheeres Habsburgs führte, hat der Soldat der deutschen Ostmark mit seinem Blute den Kitt gebildet, der dieses Völkerheer zusammenhielt und wurde mit Hilfe der deutschen Führung des Staates Lehrmeister und Erzieher. Daß der deutsche Soldate der Ostmark diese oftmals fast unlösbar erscheinende Aufgabe dennoch gemeistert hat, stellt ihn in der Wertung seiner Leistungen ebenbürtig neben den sieggewohnten preußischen und deutschen Soldaten aller Epochen bis zum Ende des zweiten Kaiserreiches und erhebt auch ihn zum Vorbild des Soldaten Großdeutschlands.

So trat Maria Theresias Heer, noch auf allen Kriegsschauplätzen fechtend und erst in den Anfängen einer neuzeitlichen Umgestaltung stehend, in den Zweiten Schlesischen Krieg mit Friedrich II. ein. Bevor [128] es jedoch noch zu den entscheidenden Kämpfen mit dem Gegner kam, vermochte das österreichische Hauptheer, das jetzt im Westen Deutschlands stand, verschiedentlich glücklich zu kämpfen. Drei große französische Heere, eines unter dem Herzog von Coligny im Elsaß, das zweite unter dem Marschall Moritz von Sachsen am Mittelrhein und ein drittes unter Noailles in den Niederlanden rückten in drei gewaltigen Heeressäulen gegen Deutschland heran. Nur in den Niederlanden, wo sich beim Heere Noailles auch König Ludwig XV. befand, waren die österreich-englischen Truppen zu schwach, um dem Vordringen des überlegenen französischen Heeres genügend Widerstand entgegensetzen zu können. Dennoch gingen nur kleinere Plätze, wie Courtray, Ypern und Furnes, den verbündeten Truppen verloren. Der plötzlich nun glückende Vorstoß Karls von Lothringen mit dem österreichischen Hauptheer über den Rhein bereitete den billigen französischen Siegen im Norden ein eiliges Ende. In einem geschickten Manöver, in dem Bärenklau Coligny bei Mainz trefflich zu täuschen verstand, setzten Lothringens Truppen über den Rhein und nahmen im ersten Anlauf Weißenburg und Lauerburg weg. Wohl gelang es dann Coligny, Weißenburg mit Hilfe seines gesamten Heeres wieder zu nehmen, aber er mußte sich schließlich noch weiter zurückziehen, und so fielen noch Hagenau, Bischweiler und Zabern in die Hände der Österreicher. Doch jetzt kam, auf die Nachrichten von Colignys Mißerfolge hin, Noailles eilig mit 70 000 Mann längs des Rheins heran. Moritz von Sachsen wurde in die Niederlande befohlen. Nun sollten Coligny und Noailles gemeinsam die Österreicher anpacken, die bereits vor den Toren Straßburgs standen. In diesem Augenblick berief Maria Theresia Karl von Lothringen nach Böhmen zurück. König Friedrich stand bereits mit 80 000 Mann an der böhmischen Grenze und nun galt es, das österreichische Hauptheer so rasch als möglich auf den nördlichen Kriegsschauplatz zurückzuführen. Wieder gelang es Lothringen, oder besser gesagt, seinem tüchtigen Berater Graf Otto Traun, der diese Stelle seit dem sehr zum Unglück Maria Theresias im Januar 1744 erfolgten Tode Khevenhüllers einnahm, das Heer ungefährdet über den Rhein zu führen. Ein Versuch Noailles, das kaiserliche Heer durch einen Überfall vor dem Rückmarsch über den Rhein zu vernichten, wurde durch die von Graf Leopold Daun, dem späteren Feldherrn Maria Theresias, befehligte Nachhut bei Augenheim so blutig zurückgewiesen, daß Noailles von allen weiteren Angriffen abließ.

Nun wandte sich das Gros des französischen Heeres nach Freiburg, und da sich jetzt Ludwig XV. zu dem Befehlshaber des vor Freiburg rückenden Korps, Coligny, begab, wurden große Vorbereitungen ge- [129] troffen, um die Belagerung dieser Stadt zu einem gewaltigen Sieg dieser sogenannten französischen "Huldigungsarmee für Kaiser Karl VII." zu gestalten.

Die Verteidigung Freiburgs, die sich nun während der nächsten Wochen abspielte, gehört zu den leider nur wenig bekannten, aber ruhmvollsten Waffentaten der deutschen Soldatengeschichte. Freiburg war an und für sich eine Festung mittleren Ranges, und da die Befestigungsanlagen nur notdürftig instand gesetzt waren und das Schicksal der kleinen Besatzung, 7000 Mann, davon 199 Artilleristen, 300 Husaren und 70 Dragoner unter Feldmarschalleutnant Wolfgang Baron Damnitz im Falle einer ernsthaften Belagerung ohnehin feststand, hätte es bei der zögernden Haltung vieler österreichischer Untergenerale jener Zeit weiter nicht wundergenommen, wenn der Festungskommandant einem blutige Waffengang aus dem Wege gegangen wäre. Aber dieser Damnitz war aus dem gleiche Holze geschnitzt, wie seine bewährten Kameraden Khevenhüller, Browne, Bärenklau, Traun und Leopold Daun, und da er an der deutschbewßten Bevölkerung Freiburgs eine außerordentliche Stütze hatte, leistete er neun Wochen hindurch einen derartig entschlossenen Widerstand gegen die unter den Augen ihres Königs kämpfenden Franzosen, daß diese ihm die Festung nicht mit Gewalt abringen konnten. Erst als ein ausdrücklicher Befehl Maria Theresias eintraf, der Damnitz die Einstellung der Feindseligkeiten befahl, verließ die Besatzung unter militärischen Ehren die nicht mit der Waffe bezwungene Stadt.

Indessen ging die Hauptarmee in Eilmärschen durch Süddeutschland und Bayern nach Böhmen zurück. Bärenklau, der mit 20 000 Mann zur Beobachtung des Feindes in Bayern zurückgelassen wurde, zog unter Zurücklassung einer starken Besatzung in Ingolstadt bis an den Inn und blieb dann zwischen Schärding und Braunau stehen. So konnte Karl VII. noch einmal in München einziehen, beschloß jedoch bald darauf, am 20. Januar 1745, sein von einem unglücklichen Schicksal umschattetes Leben.

Während sich nun das österreichische Hauptheer noch durch Bayern gegen Nordosten heranschob, marschierte König Friedrich bereits mit drei Armeen in Böhmen. Alle drei Heersäulen, von denen die aus Schlesien kommende Schwerin, die aus der Lausitz heranmarschierende der Erbprinz von Dessau und die aus Sachsen anrückende der König selbst kommandierte, hatten ein gemeinsames Ziel; - die böhmische Hauptstadt, Prag. Schon am 2. September 1774 vereinigten sich die [130] drei preußischen Heersäulen vor dieser Stadt und schlossen sie ein. Ein österreichisches Korps von 20 000 Mann, das unter Batthyany in Bayern gestanden hatte, konnte nur noch rechtzeitig die Wegnahme der wichtigen österreichischen Magazine bei Beraun vereiteln. Prag mit einer Besatzung von 1600 Mann unter Feldmarschalleutnant Graf Harsch konnte an keinen ernstlichen Widerstand denken, ja der Versuch, sich auf eine langdauernde Verteidigung einzurichten, scheiterte am Widerstand der Bevölkerung. Als dann Schwerin am 12. September bereits den die Stadt beherrschenden Ziskaberg erstürmte und mit seinen Geschützen 150 Häuser zerstörte, verlangte die Bürgerschaft stürmisch die Übergabe. So fiel die böhmische Hauptstadt am 16. September in die Hände der siegreichen Preußen.

Doch jetzt erschien, überraschend früh für Friedrich, das österreichische Hauptheer in Böhmen. Schon hatte der König wertvolle Zeit mit der Belagerung und Wegnahme von Tabor und Budweis verloren. Als er jetzt eilig heranzog, um eine Vereinigung Batthyanys mit Karl von Lothringen zu hindern, war es zu spät, denn am 1. Oktober 1744 vereinigten sich die beiden österreichischen Heere bei Mirotis und erhielten dadurch eine gemeinsame Stärke von 50 000 Mann. In aufreibenden Hin- und Hermärschen, stets durch große Husarenaufgebote gedeckt, wich Traun, als eigentlicher Führer des österreichischen Heeres, nun dem preußischen König aus. Er verfolgte dabei die Taktik, den Truppen Friedrichs möglichst viele Verbindungen zu zerstören, und so glückte es ihm auch, daß der König die mit vielen Opfern eroberten Städte Tabor, Budweis und Frauenberg wieder preisgeben mußte. Und nun begann sich die Lage des preußischen Heeres bedrohlich zu verschlimmern. Sachsen nahm auch offen für Maria Theresia Partei und schickte 20 000 Mann nach Böhmen, die sich jetzt auch noch mit den Österreichern vereinigten. Als dann Friedrich II. bei Marschuwitz entschlossen eine Schlacht wagen wollte, nahm Karl von Lothringen, obwohl fast alle österreichischen Generale den Entscheidungskampf stürmisch verlangten, die Schlacht noch immer nicht an. Da entschloß sich der preußische König im Hinblick auf die für ihn immer bedrohlicher werdende Lage, zur völligen Räumung von Böhmen. Auch der Abschluß einer Quadrupel-Allianz zwischen Österreich, Sachsen, England und Holland im Januar 1745 in Warschau zwang ihn, die Fortsetzung des Krieges in der Nähe der für ihn erreichbaren Hilfsquellen seiner eigenen Länder abzuwarten.

Im Frühjahr kündigte auch Bayern König Friedrich die Bundesgenossenschaft auf. Anlaß dazu hatte einmal der Tod Karl VII. und das neuerliche rasche Vordringen der österreichischen Generale Aremberg, Batthyany und Bärenklau gegeben. Als eine französische Armee [131] unter Ségur dann noch von den Österreichern bei Pfaffenhofen geschlagen worden war, bot der junge Kurfürst Max Josef der Kaiserin den Frieden an, der am 22. April 1745 im Vertrage von Füssen seine Bestätigung fand. Mit einem Male stand Maria Theresia, die den österreichischen Erbfolgekrieg gegen alle militärisch bedeutsamen Mächte begonnen hatte, als erfolgreiche Gegnerin durch Bundesgenossen verstärkt vor König Friedrich da. Nun erhob sich plötzlich der ganz auf sich selbst und nur auf die vagen Zusicherungen Frankreichs und einiger deutscher Fürsten gestellte preußische König das erstemal zu seiner unvergeßlichen, alle seine Gegner überragenden Größe. Unverzüglich rüstete er sich zum Angriff. Während nun seine Gegner ihre Kräfte zersplitterten, um Jägerndorf und Kosel zu nehmen, zog er nach einem scheinbaren Rückzug auf Glogau sein ganzes Heer, 60 000 Mann, eine verschwindende Heeresmacht gegenüber der gewaltigen feindlichen Übermacht, bei Frankenstein zusammen. Entschlossen, alles zu wagen, "benahm er dem Zufall allen Einfluß, den ihm nur Vorsicht und Sorgfalt zu entreißen vermögen".

Und mit den Worten: "Jetzt sind sie da, wo wir sie haben wollen", packte er die Österreicher und Sachsen an, als sie sich am 1. Juni in die Ebene von Landshut ergossen. Am 4. Juni 1745 schlug er die denkwürdige, für Friedrich siegreiche Schlacht bei Hohenfriedberg, die in der Genialität ihrer einleitenden Bewegungen und in der Sicherheit ihrer Durchführung nur wenige ihresgleichen in der Kriegsgeschichte hat.

Friedrich gab nach der Schlacht erst noch einen Teil seiner Truppen an den Rhein ab. Dann entledigte er sich durch den Vertrag von Hannover am 26. April 1745 der englisch-holländischen Gegnerschaft. Die Abgabe der Truppen erschien ihm deshalb besonders notwendig, weil die Kaiserwahl zu Frankfurt am Main bevorstand. Mehr in der Absicht durch seine Soldaten zu demonstrieren, als gemeinsam mit den Franzosen zu manövrieren, tat er dies und blieb unweit der schlesischen Grenze in Böhmen stehen.

Doch auch das Anrücken der Preußen vermochte die Wahl des Gemahls Maria Theresias zum deutschen Kaiser nicht mehr zu hindern. Mit bedeutend mehr Glück als gegen Friedrich hatten die Österreicher wiederum gegen Ludwig XV. gefochten. Traun war es gemeinsam mit Batthyany und Bärenklau geglückt, ein Heer von 50 000 Franzosen über den Main zu manövrieren. Als Bärenklau dann selber bei Biberitz den Rhein überschritt, zogen sich die Franzosen gänzlich zurück.

In Böhmen hatte Prinz Karl von Lothringen indessen einen neuen militärischen Berater in der Gestalt des Feldmarschalls Fürsten Lobkowitz erhalten. Auch den alten Herzog von Aremberg hatte man zur Armee [132] geschickt. Nun wurde Karl von Lothringen vor allem von Lobkowitz gedrängt, den Plan der hinhaltenden Kriegführung aufzugeben und König Friedrich II. anzugreifen. Prinz Karl gab tatsächlich seine Stellungen auf und nahm Marschrichtung auf Schlesien. Daraufhin marschierte auch König Friedrich zurück und vollführte den berühmten Wettmarsch mit Karl von Lothringen auf Trautenau, dessen Besitz den Übergang über die böhmisch-schlesischen Gebirgspässe sicherte. Es glückte. Er stand am 30. September 1745 nahe Trautenau bei Soor, allerdings in einer denkbar ungünstigen Stellung, als ihm um vier Uhr morgens gemeldet wurde, daß die Österreicher in ihrem Anmarsch seine rechte Flanke genommen hätten und sich senkrecht zu derselben aufstellen würden. Hatte sich Friedrich II. bei Hohenfriedberg als Meister darin bewiesen, durch die einleitenden Bewegungen den Erfolg einer Schlacht zu sichern, so wußte er dieses Mal durch Entschlossenheit und glänzende Führung den Sieg trotz der ungünstigsten Umstände zu erringen.

Nur vier Stunden dauerte die Schlacht bei Soor. Mit 20 000 Mann, die den 35 000 Mann zählenden Österreichern wiederum an Zahl unterlegen waren und die zu Beginn des Kampfes in einer höchst bedrohlichen Lage waren, hatte Friedrich der Große seine Feldherrnbegabung von neuem bewährt. Immerhin hatten sich die kaiserlichen Truppen am Tage von Soor so geschlagen, daß die Niedergeschlagenheit, die sich der Regimenter nach der Schlacht bei Hohenfriedberg bemächtigte, einem neuen Selbstvertrauen wich.

Da nach der Auffassung Friedrichs der Feldzug mit der Schlacht von Soor beendigt war, kehrte er nach Berlin zurück. Schon zweimal hatte er die Hand zum Frieden geboten, das erste Mal, als Karl VII. gestorben war, und das zweite Mal, als der Erfolg der österreichischen Waffen gegen die Franzosen die Kaiserwahl des Franz von Lothringen-Toskana entschieden hatte. Doch jedesmal wies Maria Theresia stolz die Friedensangebote zurück. Im Gegenteil. Trotz der Niederlagen ihres Hauptheeres versteifte sie sich in ihren Plan, den König von Preußen um jeden Preis niederzuringen. Schon hatte sie Verhandlungen mit der Kaiserin Elisabeth von Rußland angeknüpft, und da diese den Machtzuwachs Preußens mit scheelen Augen ansah, versprach sie, eine ansehnliche Truppenmacht zu mobilisieren. Hätte Maria Theresia nur einen einzigen Feldherrn gehabt, der annähernd über ähnliche große Gaben, wie Prinz Eugen sie in seiner Person vereinigte, verfügt hätte, so wäre ihr in der Fortführung des Krieges vielleicht doch noch der große Schlag gegen ihren Gegner geglückt. "Aber in dieser Phase des Krieges zeigte sich der immense Vorteil, welchen Friedrich dadurch voraus hatte, daß er als König und Feldherr in einer Person der alleinige Leiter und Herr [133] seiner Truppen war, während die Operationen seiner Gegner von Wien beeinflußt wurden und auch nicht so leicht ein Zusammenwirken der einzelnen Heeresteile herzustellen war."

Gerade auf dieses Zusammenwirken der einzelnen Heeresteile war der Plan aufgebaut, den man in Wien und bei den Feldherren zur weiteren Fortführung des Krieges gefaßt hatte. Nach der Schlacht von Soor waren die preußischen Truppen nach Schlesien zurückmarschiert. Es sollte nach neu getroffenen, geheimen Vereinbarungen zwischen den Sachsen und Österreichern ein österreichisch-sächsisches Heer gegen Berlin vordringen, während das Gros der preußischen Truppen noch in Schlesien stand. Da wurde der Plan durch die eitle Geschwätzigkeit des sächsischen Ministers Brühl bei seiner L'hombrepartie mit dem schwedischen Gesandten in Dresden diesen verraten. Der Schwede berichtete das Vorhaben der Verbündeten sogleich nach Berlin, und nun kam Friedrich II. seinem Gegner zuvor und eilte selbst so rasch als möglich nach Schlesien.

Noch zogen 10 000 Mann österreichische Truppen von der kaiserlichen Rheinarmee unter General Graf Grünne heran, die sich mit den Sachsen vereinigten und eine Teilung der preußischen Streitkräfte herbeiführen sollten, da erhielt Prinz Leopold von Dessau den Befehl des Königs, ein rasch bei Halle gesammeltes Korps nach Sachsen zu führen und nicht nur die Vereinigung der Sachsen mit Grünne, sondern auch die weitere Verbindung dieser Truppen mit Karl von Lothringen zu vereiteln. Plötzlich stand der Dessauer in Sachsen, näherte sich einem sächsischen Korps in der Nähe von Leipzig und zwang es zum Rückzug. Zur selben Zeit eilte König Friedrich mit seinen Truppen aus Schlesien herbei, überraschte ein zweites sächsisches Korps, das unweit von Lauban in der Lausitz stand und vernichtete es bei Katholisch-Hennersdorf beinahe vollständig, wobei sich besonders der Husarengeneral von Ziethen hervortat. Doch jetzt schob sich auch der alte Dessauer zwischen das sächsische Hauptheer, bei dem nun auch Grünne angelangt war und das unter dem Grafen Rutowski in der Nähe von Dresden stand und trennte es von dem österreichischen Hauptheer Karls von Lothringen ab. Statt sich nun auf den alten Dessauer zu werfen, ehe König Friedrich heran war, zog sich Karl von Lothringen unentschossen aus Sachsen zurück, wohin er gleich bei der neuerlichen Eröffnung der Feindseligkeiten vorgerückt war, und überließ Rutowski und Grünne ihrem Schicksal.

Erst als König August III. nun selbst nach Prag eilte und drohte, mit Friedrich zu unterhandeln, marschierte der Lothringen wieder nach Sachsen. Durch das Hin- und Herziehen waren die Truppen nutzlos ermüdet. Als das österreichische Heer nach einem äußerst beschwerlichen Marsch endlich am 13. Dezember 1745 wieder bei Dresden anlangte, [134] hatte sich die Lage für die Verbündeten weiter verschlechtert. Leopold von Dessau rüstete nämlich soeben zum Angriff auf die festen Stellungen der Sachsen bei Kesselsdorf.

Dennoch bot Lothringen dem sächsischen General Rutowski sofort Unterstützung an. Aber Rutowski wähnte sich mit seinen Truppen und in seinen Schanzen den Angreifern gewachsen, und weil bei dem sächsischen Heerführer wohl auch ein gewisser Ehrgeiz mitsprach, die Siegeslorbeeren für sich allein zu holen, wies er das Anerbieten des österreichischen Oberbefehlshabers voreilig ab.

Am 15. Dezember mittags griff der alte Dessauer Rutowski in seinen vorteilhaften, durch einen steilen Grund geschützten Verschanzungen an. Nach kaum dreistündigem Kampf zogen sich die Sachsen in Unordnung auf Dresden zurück.

Zehn Tage danach, am 25. Dezember 1745, wurde dann endlich der Friede von Dresden zwischen Preußen, Österreich und Sachsen unterzeichnet. Wohl war der König von Preußen noch als Sieger in Dresden eingezogen, aber die Bündniserklärung Kaiserin Elisabeth von Rußland für Maria Theresia und die beinahe völlige Erschöpfung seiner Kassen bewogen auch ihn, dem Kampf ein Ende zu machen. Anderseits wirkte England auf Maria Theresia ein, das erklärte, seine Geldunterstützungen einstellen zu wollen, wenn sich die Kaiserin nicht zur Beendigung des Krieges entschließen würde. So kam, während Karls von Lothringen Heer wieder in Böhmen stand, der Friede zustande, der Sachsen eine Million Taler und Maria Theresia endgültig Schlesien kostete, der Kaiserin aber die preußische Anerkennung der vollzogenen Kaiserwahl einbrachte.

Für das kaiserliche Heer aber war der Feldzug auch jetzt noch nicht zu Ende. Bei allen Erfolgen, die den Ruhm der preußischen Waffen während des Feldzuges von 1745 so hoch über den ihrer Gegner erhoben, darf bei der Beurteilung der Schlagkraft des kaiserlichen Heeres niemals der Fehler unterlaufen, daß man die anderen Kriegsschauplätze am Rhein, in den Niederlanden und in Italien vergißt, auf denen die vielleicht bedeutend fähigeren Generale als jene der Hauptarmee sich gegen den französisch-spanischen Gegner zu wehren hatten. Seit den Kriegen Prinz Eugens zeichnete sich immer deutlicher die Aufgabe des kaiserlich-österreichischen Heeres ab, daß es nicht nur während der Regierungszeit Maria Theresias, sondern auch für die ganze Dauer der Fortentwicklung des österreichischen Staates dazu bestimmt war, stets gleichzeitig an verschiedenen Fronten, die außerdem noch weit voneinander entfernt lagen, zu kämpfen. So mußte das kaiserliche Heer seine Kräfte im Gegensatz zu den Gegnern, die ihre Heeresmassen fast immer [135] in einem weitaus kleineren Kampfraum zusammenballen konnten, fast in jedem Kriege zersplittern und den weit ausgreifenden Raum des habsburgischen Besitztums im Norden und Süden, im Nord- und Südwesten und im Südosten Mitteleuropas beschützen. Dieser Zwang der Trennung wertvoller Kräfte, die die Schlagkraft der Truppe und die Einheitlichkeit der Führung der österreichischen Armee in vielen Kriegen lähmte, wurde oftmals von einer oberflächlichen Kritik übersehen, die nur die Niederlagen des Hauptheeres in den preußisch-österreichischen Feldzügen sah. Nur derjenige, der Gelegenheit hat, sich dann und wann in die Regimentsgeschichten dieser uralten, einstigen kaiserlich und königlichen Truppenkörper zu vertiefen, wird gewahr, welche ungeheure Leistung dieses Heer vollbracht hat, dessen Regimenter oft während eines einzelnen Krieges, heute in Schlesien, morgen in den Niederlanden, dann wieder am Rhein, in Oberitalien, ja in Neapel und zuletzt noch im fernen Südosten fochten.

Auch als der Dresdner Friede geschlossen wurde, rollte das Kriegstheater an den übrigen Fronten noch weiter mit unverminderter Heftigkeit ab.

Mit Truppen, die bisher am Rhein und in Böhmen und Sachsen gestanden hatten, zogen die beiden besten Generale, Browne und Bärenklau, nach Italien. Ein entschlossener Vorstoß der beiden gegen die Adda warf bald die Franzosen und Spanier aus Mailand, Casale und Gustalle.

Kühn griff Liechtenstein, der seit der Vereinigung mit Browne und Bärenklau den Oberbefehl übernommen hatte, das stark befestigte Piacenza an. Da entschloß sich der spanisch-französische Heerführer Gages zum Entsatz, der gleichzeitig eine Entscheidung herbeiführen sollte. Die Entscheidung fiel, aber zugunsten der Österreicher. In der blutigen Schlacht vor Piacenza am 15. Juni 1746 wurde der rechte Flügel des französisch-spanischen Heeres völlig vernichtet und die spanischen Truppen, die den rechten österreichischen Flügel mit einer gewaltigen Übermacht angegriffen hatten, so blutig zurückgeschlagen, daß sie nach einem Verlust von 12 000 Mann bis über den Po zurückfluteten. Nun erwies sich Bärenklau wieder als einer jener wenigen Generale Maria Theresias, dessen Fähigkeiten und vor allem dessen rasche Entschlußkraft viel nutzbringender auf dem schlesisch-böhmischen Kriegsschauplatz, als am Rhein und jetzt in Italien angewendet worden wären. Ohne den Gegner zu Atem kommen zu lassen, griff er ihn noch während des Rückzuges bei Roddofredo stürmisch an. Schon war er ihm am Ufer des Tidone zuvorgekommen, hatte ihm die Übergangsmöglichkeit über den Fluß versperrt und setzte soeben zur völligen Umzingelung und Vernichtung [136] der feindlichen Streitkräfte an, da wurde er von einer Kugel niedergestreckt. Nur der Verwirrung, die durch den jähen Tod des beliebten Generals bei den Österreichern entstand, vermochte es Gages zu danken, daß er den größten Teil seines Heeres noch über den Tidone bekam. Mit Bärenklau aber hatte Maria Theresia einen ihrer besten und kühnsten Generale verloren.

Nach dem Rückzug der Franzosen und Spanier über den Tidone fiel auch Piacenza, dessen Festung sich bisher noch gehalten hatte. Immer weiter wichen die Franzosen und Spanier. Anfangs September zogen die Österreicher als Sieger in Genua ein, Browne marschierte jedoch weiter und stand am 7. Dezember 1747 vor Antibes in der Provence. Da brach ein Aufstand der Genuesen aus. Die schwache Besatzung, 3000 Mann, wurde in verlustreiche Straßenkämpfe verwickelt. Als die Aufständischen dann noch starken Zuzug vom Lande erhielten, nahm der Aufruhr bald ein solches Ausmaß an, daß man sich zur Räumung der Seestadt entschloß. Nach schweren Marschgefechten, die durch die immer heftiger werdenden Überfälle der Landbewohner besonders verlustreich wurden, gelang es der Besatzung, endlich Parma zu erreichen.

Der Verlust Genuas zwang auch Browne zur Aufgabe der Belagerung von Antibes. Ohne von dem neuen Befehlshaber der Franzosen im Süden, Belle-Isle, angegriffen zu werden, ging er auf Nizza zurück und bezog dort Winterquartiere. Als dann Graf Schulenburg im kommenden Jahre, allerdings vergeblich, Genua von neuem belagerte, marschierte Browne bis in die piemontesischen Alpen und blieb dort nach der siegreichen Abwehr des Gegners am Col d'Assieste zur Sicherung der wiedereroberten habsburgischen Gebiete und des sardinischen Piemonts Gewehr bei Fuß stehen.

Am 18. Oktober 1748 schloß der österreichische Gesandte in Paris, Wenzel Anton Graf Kaunitz, für Habsburg den Frieden von Aachen ab. Dank der Unfähigkeit der Heerführung im Nordwesten ging das mit soviel Erfolg behauptete und eroberte Gebiet von Parma, Piacenza und Guastalla in Italien an Don Philipp von Spanien verloren. Die habsburgische Niederlande wurde von den Franzosen geräumt und blieben weiterhin in österreichischer Hand. Nach achtjährigem Krieg traten die österreichischen Truppen endlich wieder den Rückmarsch in ihre Friedensstandorte an. Dringend notwendige Reformen der Ausbildung und Ausrüstung erwarteten sowohl die Soldaten als auch durchgreifende Veränderungen in der obersten Befehlsgewalt die vordringlichste Forderung aus den Erfahrungen dieses unheilvollen Krieges waren.

[137-138=Illustrationen] [139] Der Friede von Aachen brachte für das kaiserliche Heer endlich jene großzügigen Reformen, an deren vollkommener Durchführung es bisher infolge der ununterbrochenen Kriegsdauer gemangelt hatte. Keinen Augenblick dachte Maria Theresia daran, den Gedanken an eine spätere Rückgewinnung Schlesiens endgültig zu begraben, sondern ihr Ziel und Streben war neben den Plänen, die sie hinsichtlich des Staatsneubaues durchzuführen beabsichtigte, stets auf die Heilung der schmerzlichsten Wunde am Körper dieses Völkerstaates gerichtet, und diese Wunde hieß Schlesien!

Ausgehend von den Reformen, die seit 1744 den Feldzügen zwar unzureichend und nur ganz allmählich und nicht allgemein Schritt gehalten hatten, ging man nunmehr seit dem Aachener Friedensschluß daran, alle Angelegenheiten der Reichsverteidigung von Grund aus neu zu gestalten. Wenn früher die Bewilligung von Truppenstellungen die Lieferungen, überhaupt die Ausrüstung und Verpflegung zum großen Teile von dem Belieben der einzelnen Landstände abhingen, so übte von 1748 an der Staat den entscheidenden Einfluß auf die Organisierung und Verpflegung des Heeres: in seinem Namen, nicht mehr in jenem der einzelnen Länder, die ganz natürlich oft feilschten und kargten, um die eigene Last zu vermindern, werden künftig Rekruten ausgehoben, Truppenkörper aufgestellt und entlassen und die Armee, welche den Arm des Staates darstellt, auch von diesem allein gelenkt und bewahrt.

Das Heer wurde also, nach preußischem Vorbild, auch in Österreich die bewaffnete Trägerin der Staatsidee. Bedeutsam war jedoch, daß sie nach ihrer inneren Ausrichtung und auch nach der äußeren Gestalt nicht als das waffentragende Spiegelbild des habsburgischen Völkerstaates gedacht war, sondern, daß man ihr, eingedenk der Zielsetzung Prinz Eugens, einen deutschen Charakter gab. Da nun gerade die Truppen aus den Erblanden den Kern des Heeres zu bilden hatten, lag es auf der Hand, daß man noch einen Schritt weiter ging und auf Grund der bevorzugten Einstellung deutscher Mannschaften auch als allgemeine Dienstsprache des Heeres die deutsche Sprache anwandte. Gleichzeitig wurde versucht, die zu den Fahnen geworbenen Mannschaften, besonders soweit sie Deutsche waren, auch weiterhin für den Dienst des Staates zu erhalten. So besagte ein kaiserliches Edikt, das die Werbung deutscher Waffenfähiger verlangt, "daß auch von Seiten des Ziviles auf derlei Capitulanten, wenn solche nach geendigten Krieg nicht mehr in Militär-Diensten verbleiben, sondern sich irgendwo ansäßig machen wollen vor allem auf sie reflektiert und dieselbe nach Maß ihrer besitzenden Wissenschaft oder erlernter Kunst, Profession oder Handwerk auf ihr allmaliges Ansuchen bei sich ereigneten Aperturen vorzüglich untergebracht [140] oder zum Bürgerrecht und Meisterschaft befördert werden sollen." So wurde aus Soldaten nicht nur ein vorwiegend deutscher Beamtenkörper geschaffen, sondern man ging auch darauf aus, den einzelnen durch die Aussichten auf ein besseres ziviles Fortkommen nach Ablauf der Dienstzeit wehrfreudiger zu machen. Grundsätzlich hielt man dabei noch an der ausschließlichen Werbung fest. Die Einteilung des ganzen Reiches in Werbekantone für die einzelnen Regimenter wurde erst 1771 allgemein durchgeführt. Noch später, Anno 1780, sollte dann auch in Österreich die Allgemeine Konskription an Stelle der Werbung treten. Nur in Ungarn bestand auch weiterhin die "Insurrection", deren Kosten vom Landtag des Königreiches aufgebracht wurden. Versuche, die Stellung von Freikorps, die neben den vom Lande aufgebrachten Adelsbanderien und Heeresregimentern Kriegsdienste taten, später durch Konskription abzulösen, scheiterten noch zu Josef II. Regierungszeit am einmütigen Widerstand der Komitate.

Mehr Erfolge hatte man dagegen mit der Errichtung eigentlicher Grenzerregimenter am Stelle der bisher bestehenden Grenzerfreikorps und einer erweiterten Einteilung der Gebiete an der türkischen Grenze in militärische Schutzbezirke. Das Banater, Szekler und wallachische Grenzland erhielt den ausgesprochenen Charakter einer Grenzmark, die durch einen, neben dem Waffendienst auch Zivilberufe ausübenden Soldatenstand geschützt wurde. Als dann noch 1746 in Kroatien aus den Grenzschutzsoldaten 16 Grenzinfanterieregimenter aufgestellt wurden, denen Grenzkavallerie und Artillerie beigegeben war, hatte sich Maria Theresia damit ein Truppenkontingent geschaffen, das sich später im Siebenjährigen Kriege durchaus bewähren sollte. Auch das Titler Czaikistenkorps wurde 1747 aufgestellt und hat sich als Stammtruppe der österreichischen Pioniere bis zu den großen Kriegen um die Mitte des 19. Jahrhunderts erhalten. Von den Seressanern, einer Art Gendarmeriekorps, die man aus verschiedenen Grenzregimentern, dem Ottochaner-, Szluiner- und Liccaner-Regiment aufstellte, wurde schon bei den Heeresreformen Eugens von Savoyen gesprochen.

Büchsenmeister und Füsilier der Artillerie.
Berittener Pandur und Kroat eines Grenzregiments.
[138]      Österreichische Truppen unter Kaiserin Maria Theresia.
Links: Büchsenmeister und Füsilier der Artillerie. Rechts: Berittener Pandur und Kroat eines Grenzregiments.

Nach Aquarellen von Rudolf von Ottenfeld. (Österreichische Lichtbildstelle, Wien)

Für die deutsche Soldatengeschichte von besonderer Bedeutung ist jedoch, daß in jener Epoche vor, während und kurz nach dem Siebenjährigen Krieg der größte Teil aller österreichischen Regimenter, also auch diejenigen, deren Tradition die großdeutsche Wehrmacht heute übernommen hat, gegründet worden ist. Ohne hier auf Einzelheiten eingehen zu wollen, sei zusammenfassend gesagt, daß vor allem jene Truppenkörper, die während des Weltkrieges und in der Nachkriegszeit dem Soldaten des damals reichsdeutschen Heeres als durchaus ebenbürtige österreichische Regimenter in Erinnerung geblieben waren, in jener Zeit [141] aufgestellt worden sind, soweit sie nicht schon bestanden. Lediglich aus Gründen uniformgeschichtlichen Interesses sei hier noch erwähnt, daß die erste Aufstellung der wegen ihrer prunkvollen Uniformen bekannten österreichischen und ungarischen Leibgarden durch Maria Theresia und ihrem Sohne Josef II. ebenfalls zu jenem Zeitpunkte stattfand, wie auch die unterschiedlichen Farben, welche die österreichischen Infanterie- und schweren Kavallerieregimenter damals erhielten, bis zum Ende des Weltkrieges, die gleichen geblieben sind. So zeigte der Stand der österreichischen Armee in der Zeit der Friedensperiode zwischen dem österreichischen Erbfolgekrieg und dem Siebenjährigen Krieg jene ähnliche Steigerung, wie sie zur gleichen Zeit bei allen Heeres Europas festzustellen war. Zu Beginn des österreichischen Erbfolgekrieges hatten 52 Infanterieregimenter, 18 Kürassierregimenter, 14 Dragonerregimenter und 8 Husarenregimenter in einer Gesamtstärke von 158 762 Mann bestanden. Als dann Maria Theresia in den Siebenjährigen Krieg eintrat, zählte die österreichische Armee 54 Infanterieregimenter (davon 39 deutsche, 1 spanisches, 5 walachische und 9 ungarische), 41 Kavallerieregimenter (18 Kürassier-, 12 Dragoner- und 11 Husarenregimenter), so daß die Stärke des österreichischen Heeres unter Einrechnung hier nicht angeführter ungarischer Sonderkontingente auf 195 183 Mann angestiegen war.

Grundlegend waren auch die Änderungen im Aufbau der Führung des gesamten Kriegswesens und in der militärischen Verwaltung des Staates. Maria Theresia bewies hier bei der Wahl der Männer, denen sie die Umgestaltung des Heeres anvertraute, eine glückliche Hand. Ganz unabhängig davon, ob diese Generale in der Schlachtenführung gegen das Feldherrngenie eines Friedrich II. glücklich oder unglücklich waren, haben sich alle als die großen Organisatoren eines einheitlichen, deutschgeführten Heeres von vielen Völkerschaften erwiesen.

Der bedeutendste dieser Männer war der berühmte "Cunctator" des Siebenjährigen Kriegs, Friedrich II. zäher und nicht immer erfolgloser Widersacher, Feldzeugmeister Graf Leopold Daun, der, als Sohn des berühmten Verteidigers von Turin, in den Jahren vor dem Siebenjährigen Kriege an der Spitze der bereits geschaffenen und unter seiner Leitung neu errichteten Militärbildungsanstalten stand. Neben dieser Aufgabe übte er gleichzeitig auf die gesamten Reformen des Heerwesens einen bedeutsamen Einfluß aus. Obwohl er beim Heere wenig beliebt war, genoß er doch das volle Vertrauen der Kaiserin. Der zweite bedeutende General, den man sogar als den Schöpfer des modernen österreichischen Heeres ansprechen kann, war Franz Moritz Graf Lascy, der aus einer alten irländischen Familie stammte. Er kam aus russischen [142] Diensten, wo sein Vater den Rang eines Feldmarschalls und Gouverneurs von Livland innegehabt hatte, 1743 in österreichische Dienste. Rasch erklomm er in Anerkennung seiner Tapferkeit und großen Verwendbarkeit die militärische Stufenleiter und war zu Beginn des Siebenjährigen Krieges bereits Generalmajor. Zusammen mit dem dritten der großen Feldherren Maria Theresias, Laudon, erhielt er das Großkreuz des Maria Theresienordens und wurde während des Siebenjährigen Krieges durch den zweiten Zug der Österreicher nach Berlin bekannt. Der Tag von Torgau sollte ihm den Titel eines Feldmarschalls bringen, doch lehnte er ihn, um ältere Generale nicht zu kränken, ab und wurde später zum "General-Inspektor" der Armee ernannt.

Der dritte große Feldherr Maria Theresias war Gideon Freiherr von Laudon. Auch er stammte aus dem Ausland, aus Schottland, kam ebenfalls aus Livland, wo sich seine Familie niedergelassen hatte und trat aus russischen Diensten, nach einem vergeblichen Versuch, in Preußen unterzukommen, 1740 in österreichische Dienste. Da er keine Empfehlungen nachweisen konnte, mußte [er] zuerst im Pandurenkorps Trenks seine ersten Sporen bei den Kaiserlichen verdienen. Zerwürfnisse mit seinem Chef, dessen grausame Kriegsführung Laudons Ablehnung fand, zwangen ihn dann zur Niederlegung seines Dienstranges. Nun mußte er sich mit Schreibereien und mathematischen Arbeiten sein täglich Brot verdienen.

Es war Fürst Kaunitz, der auf den hageren Mann mit den roten Haaren und dem düsteren, harten Gesichtsausdruck eines Tages aufmerksam wurde. Auf seine Verwendung bekam er neuerdings ein Kommando bei einem Grenzerregiment. Als er sich dann zu Beginn des Siebenjährigen Krieges besonders in der Führung leichter Truppen derartig auszeichnete, daß man ihn beachten mußte, wurde er noch 1757 General. Der weitere Verlauf dieses Krieges hat ihn dann Zug um Zug die höchsten militärischen Rangstufen erklimmen lassen.

Unterstützt von Männern, deren hervorragendste Vertreter Browne, Daun, Lascy und später dann auch Laudon waren, wurden von Maria Theresia als erste durchgreifende Verordnung der obersten Heeresbehörde neben dem auch weiterhin fortbestehenden Hofkriegsrat drei Departements, eines für das Militärgerichtswesen, ein zweites für die ökonomischen und ein drittes für die militär-politischen Angelegenheiten geschaffen.

Die größte Fürsorge galt natürlich der Schaffung neuer Exerziervorschriften für die drei großen Truppenkörper der Infanterie, der Kavallerie und der Artillerie und deren neuzeitlicher Bewaffnung. Das bereits 1737 herausgebrachte "Exerzier- und Dienstreglement" fand in General [143] Guasco einen umfassenden Bearbeiter, für die Kavallerie wurden neue Dienstvorschriften von General Ayassassa verfaßt, und auch das Ingenieurkorps erhielt 1748 Dienstanweisungen in deutscher und französischer Sprache. In der Umänderung der Bewaffnung wurde bei den leichten Fußtruppen mit der Einführung neuer Doppelflinten, von denen ein Lauf glatt und der andere gezogen war, der Anfang gemacht. Ebenso wurde die seit 1742 in Angriff genommene Ausrüstung der Infanterie mit eisernen Ladestöcken allgemein durchgeführt. Die Mannschaften erhielten neben dem Bajonett noch einen leichten Säbel, und mit den Grenadieren wurde statt des Gebrauches der Handgranate der ausschließliche Musketierfeuerdrill einexerziert.

Am durchgreifendsten waren Maria Theresias Reformen jedoch bei der Artillerie. Der Feldmarschall Fürst Wenzel Liechtenstein, der sich schon vor Piacenza einen Namen gemacht hatte, war es, der hier zum großen Organisator und zum Schöpfer des in allen Kriegen berühmt gewordenen österreichischen Geschützwesens wurde. Liechtensteins Erfahrungen aus dem ersten schlesischen Kriege und in den Feldzügen in Italien und Frankreich legten ihm den Gedanken nahe, die Artillerie in eine Feldartillerie und eine schwere oder Belagerungsartillerie zu teilen und durch eine Verkürzung des Geschützrohres sowie durch die Regulierung des Geschoßkalibers dem Feldgeschütz eine größere Beweglichkeit zu geben, ohne daß dessen Feuerwirkung beeinträchtigt wurde.

So wurde durch diese grundlegenden Veränderungen bei den einzelnen Waffengattungen, dann durch den Neuaufbau des Mineurkorps, die Schaffung eines eigenen Geniewesens, die Aufstellung von Sappeurkompagnien, eines Pionierbataillons und Pontonierkorps die Schlagkraft des Feldheeres bedeutend vermehrt. Auch die "Roßpartei" mußte noch vor und während des Siebenjährigen Krieges einem gesonderten Fuhrwesenkorps weichen. Für die finanzielle Versorgung und die Verpflegung der Armee, die bisher einem System unterstanden, das durch die dauernde Ebbe der Kassen das Heer so oft einer völligen Auflösung nahe gebracht hatte, wurden völlig neue und feste Normen entworfen.

Nur kurz sei hier noch auf die Gründung einiger bedeutender Militär-Unterrichtsanstalten hingewiesen. So wurde das Jahr 1747 zum vorbereitenden Gründungsjahr der Alma mater aller höheren österreichischen Offiziere, der Wiener Neustädter Militärakademie. Nach einer von dem Hofkammerrat Johann Richthausen Freiherrn von Chaos gemachten Stiftung ließ Maria Theresia in diesem Jahr eine Kommission zusammentreten, die den Entwurf einer neuen Militärakademie für die wissenschaftliche Ausbildung des Offiziersnachwuchses ausarbeiten sollte. Nach diesem Entwurf wurden erst noch zwei Anstalten, ein in Wiener [144] Neustädter Burg untergebrachtes Kadettenkorps und eine Militärpflanzschule in der Wiener Stiftskaserne geschaffen. Oberdirektor beider Anstalten wurde Feldmarschall Daun. Am 14. März 1769 sprach dann Maria Theresia die Vereinigung beider Anstalten zu einer "Militär-Akademie" in Wiener-Neustadt aus. Das Gebäude in Wien wurde der schon von Prinz Eugen ins Leben gerufenen Ingenieurschule übergeben. In der weiteren Regierungszeit Maria Theresias und Josefs II. sind dann noch eine höhere Artillerieschule, eine medizinisch-chirurgische Akademie, achtzehn deutsche und zwölf ungarische Erziehungshäuser für Soldatenkinder, ein Offizierstöchter-Erziehungsinstitut und Invalidenhäuser entstanden.

Alle diese Reformen haben Maria Theresia beim Heere den Namen der "mater castrorum", der Mutter der Heerlager eingebracht. Mit jeder dieser Maßnahmen, welche den ganzen Heeresorganismus umfaßten, wurde naturgemäß auch ein mächtiger Einfluß auf den Geist der Armee ausgeübt. Sie fühlte sich nicht mehr bloß während des Krieges als eine Notwendigkeit, sondern die ihr auch während der Friedensjahre zugewendete umfassende Vorsorge lehrte sie, sich überhaupt als wichtiges Glied des Staatsorganismus zu betrachten. Dieses Bewußtsein tat sich in manchen Äußerlichkeiten kund, gab aber im ganzen dem Geist in der Armee eine neue Richtung.

Weil aber diese Richtung in der Verteidigung eines völkervermengenden Staatssystems ihre höchste Aufgabe sah, konnte sie sich nur so lange bewähren, als nicht die einzelnen Völker erwachten. Der Zwangslauf des deutschen Schicksals hat es mit sich gebracht, daß diese neue Armee schon in dem Manne ihren ersten Meister fand, der sein Heer auf die Einheit von Volk und Staat aufgebaut hatte. Dennoch sollte auch aus dem Blute der Deutschen der Ostmark, die nunmehr in der Erfüllung ihrer Soldatenpflicht als die hervortretendsten Waffenträger ihres Staates gegen andere Deutsche in den Kampf ziehen mußten, jener Lorbeer erwachsen, der sie Jahrhunderte später für alle Zukunft zusammenband.

Während so auf allen Gruppen des Heerwesens grundlegende Neuerungen angebahnt und durchgeführt wurden, erfuhr auch der innere Aufbau des Staates eine entscheidende Umänderung seiner gesamten Verwaltung. Der Völkerstaat, der in den Niederlanden, in Italien, an der Drina, Donau, Drau und in den habsburgischen Vorlanden des Reiches seine Ausläufer hatte, sollte dem Einfluß der auseinanderstrebenden Interessen der Länderregierungen völlig entzogen werden und [145] in der straffsten Zusammenfassung aller Kräfte um die Person des Monarchen seine Einigung finden. Allenthalben wurden Bahnen eingeschlagen, die für jenes Staatsgebilde die Grundlagen hergaben, das als die K. u. K. Monarchie der Habsburger dann noch durch rund 170 Jahre seinen wechselvollen Schicksalsweg durch die Weltgeschichte angetreten hat. Bedeutungsvoll bei diesem Neubau des Staates war für das Deutschtum neben der allgemeinen Einführung des deutschen Schulwesens vor allem auch die weitverzweigte Einsetzung deutscher Beamter in den habsburgischen Landen. Auf Veranlassung des Grafen Haugwitz, Sohn eines sächsischen Generals, in dem Maria Theresia den tatkräftigen Baumeister ihres inneren Staatsneubaues fand, traten damals tausender deutscher Verwaltungsbeamter ihren schweren Weg in alle Landschaften der Völkermonarchie an. Ihrer jahrhundertelangen und den zahllosen stillen Opfern getragenen Arbeit ist es zu danken, wenn sich heute noch der deutsche Einfluß in den Verwaltungsgrundlagen vieler Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie bemerkbar macht. Durch mehr als anderthalb Jahrhunderte hat sich die deutsche Sprache in jenen Ländern nicht nur als die von Maria Theresia eingeführte Staatssprache, sondern auch als Umgangssprache der Gebildeten erhalten. Freilich, für die Erhaltung des Volkstums hat dieser Einsatz deutscher Menschen außerhalb ihrer deutschen Heimat auch eine allmähliche Zerreibung und den Verlust deutscher Geschlechter auf jenem Boden gebracht, wo nach dem Jahre 1918 jeder Deutsche notwendig war. Doch in Anerkennung der unleugbaren Verdienste Maria Theresias, die einmal ihrer Tochter, der Königin von Neapel, schrieb, "vergiß niemals, daß Du als Deutsche geboren bist!", sei gesagt, daß der von ihr als Verkörperung der habsburgischen Hausmacht aufgebaute Staat niemals anders als ein Staat mit deutscher Zielsetzung gedacht war.

Um so tragischer für die Gestaltung des Reichsgedankens erwiesen sich jedoch die Auswirkungen des innerdeutschen Machtkampfes, als Maria Theresias Staatskanzler Fürst Kaunitz in die bisherige europäische Bündnisordnung eine völlige Umwälzung brachte, die in jener deutschen Zielsetzung für die Dauer des Siebenjährigen Krieges im krassesten Widerspruch stand. Noch war Preußen nicht von der Bindung mit Frankreich gegen Österreich zurückgetreten, als Kaunitz, damals noch Kaiserlicher Gesandter in Versailles, bereits die ersten Fäden der Annäherung zwischen den bisher unversöhnlichen Gegnern vieler Jahrhunderte, Frankreich und Österreich, spann. Friedrich der Große nahm die Annäherung wahr und handelte. Er löste nicht nur seinen Vertrag mit Ludwig XV. auf, sondern knüpfte nun seinerseits Verhandlungen mit England an. Da England und Frankreich sich seit 1755 in einem erbitterten Kolonial- [146] krieg in Nordamerika gegenüberstanden, hatte das Britische Königreich ein Interesse daran, das ihm in Deutschland verbündete Hannover von jeder Gefahr eines französischen Angriffs fernzuhalten. Als aber Österreich eine Unterstützung Englands gegen Frankreich nur dann zusagte, wenn England seinerseits eine neuerliche Bündnishilfe zur Wiedereroberung Schlesiens versprach, lehnte der ältere Pitt dieses Ansinnen ab. Erst jetzt schloß er mit Preußen den Vertrag von Westminster, wonach nicht nur die Neutralität aller Staaten im englisch-französischen Konflikt gesichert werden sollte, sondern worin sich auch England Friedrich II. im Falle eines auswärtigen Angriffes auf Preußen zu dessen Beistand verpflichtete.

Ein Bündnisabkommen Österreichs mit Frankreich im Mai 1756 war die Antwort. Zum ersten Male trat Frankreich auf die Seite Habsburgs. Wenn auch diese Verbindung beider Mächte ein diplomatisches Meisterstück Kaunitz' war, so vermag auch der gewiß begründete Hinweis auf die früheren Bindungen Brandenburg-Preußens und anderer deutscher Fürstenhäuser mit Frankreich gegen den Kaiser das größere Schuldmaß Kaunitz' vor der Sache des Reiches nicht zu vermindern, weil er die Trägerin der deutschen Kaiserkrone mit dem erbittertsten Reichsfeind gegen andere Deutsche verband. So stand denn an der Wiege des neuen habsburgischen Hausmachtstaates das müde, nur mehr, wie Friedrich der Große es nannte, dem alten Phantom eines "Ideals" gleichende Römische Reich Deutscher Nation Pate und legte dem Kaiserreich Österreich jenen Keim der Zersetzung durch innere und äußere seine Einheit zerstörende Kräfte mit in die Wiege, deren man sich selbst soeben im gegenseitigen Dienst der Reichszerstörung bediente.

Es war eine gewollte Fügung des Schicksals, daß der "Reichszerstörer" Friedrich der Große mit dem Ziele, aus seinem Staate eine neue Keimzelle deutscher Größe zu schaffen, schon das junge Österreich im verblichenen Purpurmantel des versinkenden alten Reiches mit seinem furchtbaren Schlage traf. Aufmerksam und durch seine geheimen Agenten stets auf das beste von den Vorgängen auf den europäischen Fürstenhöfen unterrichtet, hatte König Friedrich die österreichischen Rüstungen und das Spiel der Diplomaten verfolgt. Als dann noch Rußland und Sachsen dem österreich-französischen "Schutz- und Trutzbündnis" beitraten, war sich der große König darüber klar, daß in den geheimen Artikeln, die alle diese vertragsschließenden Mächte hinter den bekanntgegebenen Satzungen ihrer gegenseitigen Abkommen verbanden, als erster Punkt die Zerstückelung Preußens und die Rückerwerbung Schlesiens durch Österreich stand. Zweimal ließ er daraufhin in Wien noch über die Gründe der auffallenden Heeresverstärkungen Österreichs anfragen. [147] Wie dann die Antwort, die er erhielt, voller Ausflüchte war, erwiderte er die hinhaltende österreichische Haltung mit dem Einmarsch in Sachsen.

Damit begann, Anfang September 1756, der Krieg. In drei Kolonnen, mit insgesamt 70 000 Mann und 224 Geschützen betrat das preußische Heer sächsischen Boden und drang ungestüm vor. Schon am 9. September stand König Friedrich vor Dresden, durch Herzog Ferdinand von Braunschweig wurde Leipzig genommen, und der Herzog August Wilhelm von Bevern näherte sich Chemnitz. General Rutowski, der wiederum die sächsischen Truppen befehligte, blieb unschlüssig in einem befestigten Lager bei Pirna stehen und versäumte es, sich rechtzeitig auf das österreichische Hauptheer zurückzuziehen, das sich in Böhmen zu sammeln begann.

Da rückte König Friedrich selber ins Böhmische vor. Er ließ ungefähr 30 000 Mann zur Einschließung Rutowskis um Pirna zurück, befahl dem Feldmarschall Grafen Schwerin, von Schlesien aus nach Böhmen zu marschieren und ging selber mit den Korps Bevern und Keith auf das österreichische Heer des Feldmarschalls Browne los, das soeben Anstalten machte, den bei Pirna bedrängten Sachsen Hilfe zu bringen. Am 1. Oktober 1756 stießen die beiden Heere bei Lobositz an der Elbe im ersten schweren Treffen dieses Krieges zusammen. Ohne geschlagen worden zu sein räumte Browne das Schlachtfeld und marschierte nach Budin, um von dort aus seinen Plan, Rutowski zu Hilfe zu eilen, zur Durchführung zu bringen. Auch die Preußen gingen wieder an die sächsische Grenze zurück. Die Hartnäckigkeit des Kampfes, 3400 Mann Verluste bei den Preußen, 2000 Mann auf österreichischer Seite, hatte ihnen bewiesen, daß die Österreicher seit den schlesischen Kriegen viel hinzugelernt hatten.

Als aber Browne jetzt einen kühnen Vorstoß wagte, um die Sachsen endgültig zu befreien, mißglückte es wiederum an der zaudernden Haltung Rutowskis. Am 12. Oktober mußte sich der sächsische General mit 12 000 Mann den siegreichen preußischen Truppen bei Pirna ergeben. Der größte Teil der Gefangenen wurde in zehn neuformierte Regimenter gesteckt, die sächsischen Offiziere, die das Ehrenwort, nicht mehr gegen die preußischen Truppen zu kämpfen, verweigerten, wurden in preußische Städte gebracht und Sachsen vollkommen unterworfen.

Mit der Tragödie von Pirna war der Feldzug 1756 zu Ende. Am 17. Januar 1757 erklärte der Reichstag von Regensburg Friedrichs Einmarsch in Sachsen für einen Reichsfriedensbruch und sagte Maria Theresia die mehr als zweifelhafte "eilende Reichshilfe" zu. Aber auch Frankreich und Schweden erklärten nun Friedrich dem Großen und zwar unter dem grotesken Hinweis auf den Westfälischen Frieden im März [148] 1657 offen den Krieg. Die Franzosen eröffneten mit dem Einmarsch des Prinzen Rohan von Soubise in Geldern die Feindseligkeiten. Als Elisabeth von Rußland sich mit Maria Theresia einigte und beide Kaiserinnen sich gegenseitig verpflichteten, solange zu kämpfen, bis Schlesien und Glatz wieder mit Österreich vereinigt seien, stand Friedrich der Große mit 140 000 Mann preußischer Truppen und einer alliierten Armee von Engländern, Hannoveranern, Braunschweigern, Hessen, Gothaern und Lippern beinahe allein gegen eine Übermacht von 400 000 Mann feindlicher, über bedeutende Hilfsmittel verfügender Kräfte.

Von den Gegnern waren allerdings vorläufig nur die Österreicher schlagfertig. So ging König Friedrichs Feldzugsplan darnach, mit vier Korps aus Sachsen und Schlesien in Böhmen einzumarschieren, die Armee vor Prag zu vereinigen und hier eine erste entscheidende Schlacht gegen die Truppen Maria Theresias zu schlagen. Vom Siege überzeugt, wollte er dann nur ein Korps zur Verfolgung der Österreicher ansetzen und mit den übrigen Truppen nach dem Westen marschieren, um dort im Verein mit seinen Verbündeten die Franzosen zu schlagen.

Doch dieses Mal vereitelte die völlig veränderte Haltung der österreichischen Truppen und die Tatkraft ihrer besten Generale Friedrichs genialen Plan. Noch war es allerdings Prinz Karl von Lothringen, der als wieder hervorgeholter oberster Befehlshaber des österreichischen Heeres entgegen den eindringlichen Vorstellungen Brownes einige unglückliche Proben seiner unzureichenden Feldherrnbegabung gab. So vermochte König Friedrich, der in der zweiten Aprilhälfte in fünf Kolonnen in Böhmen eindrang, erst noch eines der vier dort stehenden österreichischen Korps in der Nähe von Reichenberg zu schlagen und die übrigen kaiserlichen Truppen in blutigen Reitergefechten auf Prag zurückzudrücken. Anfang Mai traten sich dann die beiden feindlichen Hauptheere in der unmittelbaren Nähe der böhmischen Hauptstadt gegenüber. Die Österreicher hatten ihre Stellungen zwischen dem rechten Ufer der Moldau und dem linken Ufer der Elbe gewählt. König Friedrich war links der Moldau aufmarschiert, während Graf Schwerin seine Truppen um Brandeis konzentrierte.

Als König Friedrich nun vom Herannahen weiterer österreichischer Verstärkungen unter Feldmarschall Daun erfuhr, beschloß er, der Vereinigung Dauns mit Karl von Lothringen zuvorzukommen. Er ließ 20 000 Mann vor Prag zurück, zog die Truppen Schwerins an sich und befahl am 5. Mai den Angriff auf die Österreicher. Ein furchtbarer Kartätschenhagel wirft die Preußen anfangs immer wieder zurück. Die auf beiden Seiten zur Unterstützung eingesetzte Kavallerie zersplittert ihre Attacken [149] in eine Reihe von Einzelkämpfen. Da ergreift Schwerin die Fahne seines Regiments und führt seine Leute persönlich zum Sturm. Von fünf Kugeln getroffen, sinkt er tot zu Boden. Fast gleichzeitig zerschmettert eine Kanonenkugel Browne, der für den durch einen Brustkrampfanfall gehinderten Karl von Lothringen während der Schlacht den Oberbefehl übernehmen mußte, den Fuß. Einige Tage später starb Browne in Prag. Der Tod zweier unvergeßlicher Soldaten verbindet das Andenken an diese Schlacht zum gemeinsamen Vorbild deutschen Soldatenruhms. Das österreichische Heer war nun durch das Ausscheiden Brownes führerlos geworden. Neue Vorstöße der Preußen zerreißen jetzt die gegnerische Front. Die Österreicher treten den Rückzug an. Der Hauptteil, unter ihnen auch Karl von Lothringen, wirft sich in das befestigte Prag. Trotz der Niederlage haben sich die Österreicher mit einer Tapferkeit geschlagen, die den großen König die ganze Hartnäckigkeit der kommenden Kämpfe vorausahnen läßt.

Als in den ersten Vormittagsstunden des 6. Mai die Kanonen der Schlacht bei Prag zu donnern begannen, hatte der Führer des zur Vereinigung mit Karl von Lothringen heranmarschierenden österreichischen Korps, Feldmarschall Graf Leopold Daun, soeben bei Podibrad haltmachen lassen. Als er dann gegen Abend bis Böhmisch-Brod weitermarschierte, traf ihn hier die Nachricht von der unglücklichen Schlacht. Am nächsten Tage rückte er dann auch noch das Grenadierkorps des Feldmarschalleutnants Puebla an und kaum, daß sich dessen Kompanien in die Infanteriebataillone Dauns eingegliedert hatten, tauchten auch schon die Husaren Ziethens auf, welche die Bewegungen des frischen österreichischen Korps erkunden wollten.

Aber Daun ließ sich zu keiner Blöße bewegen. Ohne sich vorerst um die immer dringender werdenden Hilferufe Karls von Lothringen aus Prag beirren zu lassen, richtete er sein ganzes Augenmerk darauf, das einzige noch schlagfertige Korps der Kaiserin durch neuen Zuzug an waffenfähigen Mannschaften zu verstärken.

"Fabius Cunctator" nannten Offiziere und Soldaten diesen wenig beliebten, schon durch seine Reformarbeit beim Heere bestens bekannten Feldmarschall Daun. Alles erschien an diesem Manne kühle Berechnung, und überall dort, wo die Truppen gerade gegenüber der blitzartigen, durch seine überraschenden Angriffe an die Feldherrnkunst Prinz Eugens gemahnende Kriegsführung Friedrichs des Großen ein energisches Vorgehen verlangten, wich Daun seinem Gegner hartnäckig aus. Und doch schien seine Kriegsführung nichts von der zögernden Unsicherheit eines [150] Karl von Lothringen an sich zu haben. Jeder Entschluß, den er sich abrang, ging von dem Gesetz der "Erhaltung der Schlagfertigkeit" aus, und wenn er auch späterhin oft eine günstige Gelegenheit zu entscheidenden Schlägen verpaßte, verstand er es meisterhaft, nicht nur den kühnen Offensivgeist Friedrichs des Großen durch gut gewählte Positionen zu hemmen, sondern er holte auch plötzlich energisch zu gefährlichen Vorstößen aus.

Es war dieses Mal Prag, das nunmehr in äußerster Not Daun zum ersten seiner energischen Vorstöße zwang. Obwohl Friedrich der Große die Stadt wegen ihrer Ausdehnung von mehr als zwei Meilen nicht vollkommen zernieren konnte, unterwarf er Prag nach einem Bombardement. Wohl gelang es den Verteidigern, sich in einer Reihe kleinerer Ausfälle Luft zu verschaffen, aber der Proviant und die Munition wurden immer knapper, so daß man schon an einen endgültigen Durchbruch des eingeschlossenen Hauptheeres dachte. Damit wäre Prag jedoch auf jeden Fall in die Hände des Feindes gegangen. Da erhielt König Friedrich die Nachricht, daß Daun herannahe. Sofort brach Friedrich nun mit dem größten Teil des Belagerungsheeres gegen den kaiserlichen Feldmarschall auf. Bei Kauszim vereinigte er sich am 14. Juni mit dem Herzog von Bevern und traf am 17. Juni auf den bereits in Schlachtordnung zwischen Planian und Kolin stehenden Daun.

Schon seit dem 16. Juni steht die Armee des Feldmarschalls Daun auf dem Boden des Schlachtfeldes. Das dehnt sich südlich der Prager Straße zwischen Planian und Kolin über ein allmählich ansteigendes Hügelgelände aus und wird vor allem durch zwei Höhenzüge beherrscht, auf denen eine ganze Reihe kleinerer Ortschaften liegen. Eine Einsenkung trennt diese beiden Höhen in einen westlichen und einen nördlichen Zug auseinander, und hier ist es vor allem der mit seiner Längsrichtung fast senkrecht auf den westlichen Höhenrücken weisende Komjaheker Berg, der die erstere Hügelkuppe stark überhöht. Die Dörfchen Hradenic, Pobor und Krychnow liegen auf dem westlichen und Březan, Chocenitz, Křečhoř auf dem östlichen Berg. Am Osthange des Komjaheker Berges zieht sich noch außerdem ein dichtverwuchertes Eichenwäldchen dahin, das seine Ausläufer bis an die Häuser von Křečhoř und Křutlič heranschiebt. Hier lagert sich nun das österreichische Heer. Mit der Front nach Westen hat Daun hier eine erste Stellung gewählt, deren rechter Flügel sich vorerst noch an das Dörfchen Hradenic anlehnt, während der linke Flügel weiter südwestlich bei Neudorf steht. Nahe dem rechten Flügel bei den wenigen Häusern des Fleckens Svoisič hat Daun eine starke [151] Reserve unter dem Befehl des Feldmarschalleutnants Grafen Wied-Runkel bereitgestellt, während Fürst Liechtenstein, der große Artillerieorganisator, heute persönlich die Geschützpostierungen auswählt und sich die Reiterregimenter unter den Befehlen ihrer besten Generale, Serbelloni, Lützow, Benedict Daun und Starhemberg, vor dem Zentrum und an den Flügeln formieren.

In voller Schlachtordnung, am Gewehr rastend, verbringt das österreichische Heer den Rest der Nacht. Als der Morgen graut, erkennen die Weißröcke in der Ferne auf der Straße Planian - Kolin bereits die dunklen Linien der preußischen Grenadiere. Immer weiter nach Osten schiebt sich an der Spitze der preußischen Kolonnen die Kavallerie Ziethens in raschester Gangart vor. König Friedrich hat inzwischen auf dem Kirchturm von Planian den Morgen erwartet und hier die ersten Schlachtdispositionen getroffen. Er läßt seine Armee in schiefer Schlachtordnung vorrücken, sein linker Flügel greift weit nach vorne und der rechte ist zurückgenommen, so daß die Hauptwucht des preußischen Angriffs den rechten österreichischen Flügel werfen und Dauns gesamte Aufstellung umgehen soll.

Es ist kurz nach ein Uhr mittags, als König Friedrich den Befehl zum Angreifen gibt. Er ahnt nicht, daß Daun hinter den schützenden Höhen seine Reserve noch dichter an Křečhoř heranzieht, und daß er jetzt auch die leichte Reiterei Nadasdys zur Deckung seiner rechten Flanke gegen das Eichenwäldchen auf den Ostabhang des Komjaheker Berges befiehlt.

Alle diese Bewegungen bei den Österreichern vollziehen sich noch, während die preußischen Bataillone und Schwadronen jetzt in der vollendeten schiefen Schlachtordnung vorrücken. Noch bevor die vordersten Bataillone des preußischen Infanteriekorps Hülsen an das Eichenwäldchen und Křečhoř heran sind, hat Daun hinter den vor ihm stehenden Grenzerbataillonen und im Schutze der Husaren Nadasdys eine Flanke gebildet, während beide Treffen des Heeres in gleicher Höhe mit den Preußen gegen Křečhoř abrücken.

Mit dem gewohnten Elan werfen sich die Bataillone Hülsens auf die vor dem Eichenwäldchen postierten ungarischen und kroatischen Grenzer. Auch längs des ganzen Westfronthanges des Komjaheker Berges, bei Chocenitz und vor allem um Křečhoř, entbrennt sofort ein heftiger Kampf. Im Sturm wird Křečhoř genommen. Ein Versuch, jetzt den Eichenwald zu umgehen, mißlingt an dem gut gezielten Feuer der Grenzer. Darauf setzt Hülsen neue Bataillone ein, denen es endlich gelingt, das Wäldchen zu nehmen. Doch jetzt kommt österreichische Infanterie zur Unterstützung der Grenzer. Nach erbittertem Kampf fällt [152] das Eichenwäldchen wieder in die Hände der Österreicher. Die Wiedereroberungsversuche der Preußen scheitern am Kartätschenfeuer frisch herangeführter Feldbatterien.

Um vieles furchtbarer ist der Kampf, der inzwischen vor dem österreichischen Zentrum, um die Kuppe des Komjaheker Berges und um die Höhen südlich des Fleckchens Břistvy entbrennt. Dort halten, zur Verschleierung der hinter ihnen stehenden Infanterie, die Schwadronen Benedict Dauns in dicht nebeneinandergeschobenen Treffen. Kaltblütig, in möglichst festgefügter Ordnung das Anreiten der kaiserlichen Reiter erwartend, rücken die preußischen Grenadiere unter dem Wirbel pausenlos geschlagener Trommeln gegen die Reitermassen heran. Jeden Augenblick, so vermeinen sie, werden vor ihnen über den Reiterlinien die Attackesignale ertönen, werden hochgereckte Pallasche blitzen und ein Gewoge mächtiger Rosseleiber gegen den Wald ihrer Bajonette herabpreschen. Doch noch immer verhält die kaiserliche Kavallerie vor ihnen in beinahe bewegungslos verharrenden Linien. Da steigen die Preußen entschlossen das letzte Stück des allmählich steiler werdenden Wiesenhanges hinan.

In diesem Augenblick ertönt droben über den Reitermassen endlich das lang erwartete Signal. Aber es ist kein Ruf zur Attacke, der jetzt aus dem ehernen Mund der Trompeter aufgellt. Links und rechts schwenken! heißt der Befehl, den jeder Regimentshornist neben der flatternden Standarte vor den glitzernden Linien der Kürassiere und den weißen Dragonerschwadronen bläst. Schon brechen die Züge im kurzen Galopp nach den anbefohlenen Richtungen ab, Staub wirbelt auf, und ehe noch die plötzlich stutzenden Preußen den Sinn des unerwarteten Manövers erkennen, schlägt ihnen von den Höhen ein furchtbarer Feuerorkan aus den Gewehren der dort stehenden deutschen Fußregimenter der Kaiserin entgegen. In wenigen Minuten ist der Boden ringsherum mit Hunderten von getroffenen Grenadieren bedeckt.

Nur einen Augenblick gerät der preußische Angriff jetzt ins Stocken. Aber dieser Moment genügt den Führern der österreichischen Regimenter, um sofort den Vorteil ihrer Lage zu erkennen. Mit gefälltem Bajonett stürmt als erstes das Deutschmeisterregiment von den Höhen herab. Dicht aufgeschlossen folgt das Regiment Baden-Baden und als drittes greift jetzt auch noch das Infanterieregiment Botta die preußischen Grenadiere in ihrer Flanke an. Wie immer, wenn Deutsche gegen Deutsche kämpfen, verbeißen sich Preußen und Österreicher in einem wütenden Handgemenge. Siebenmal versuchen die Preußen, die Höhen zu gewinnen, siebenmal werden sie zurückgeworfen, vor allem dank der Zähigkeit des Regiments Deutschmeister. Von allen Seiten [153] gepackt, fliehen schließlich die preußischen Grenadiere über die Hänge hinab, verfolgt von dem erbitterten Gegner.

Der Erfolg des Zentrums im Kampf um den Komjaheker Berg veranlaßt Daun, seinen eigenen linken Flügel überraschend zum Angriff gegen König Friedrich vorzuführen. Durch die schiefe Schlachtordnung der Preußen ist hier der Kampf zuletzt entbrannt, und nun will Daun dem Anmarsch der Preußen auf den wichtigsten Stützpunkt seines linken Flügels, Chocenitz, durch einen entschlossenen Gegenstoß begegnen. So treffen die beiden feindlichen Truppenmassen mit voller Wucht aufeinander, und in dem Kampf, der nunmehr entbrennt, beweist der preußische General von Mannstein, daß er gewillt ist, mit seinem Korps, das als letzte Reserve der Preußen hier steht, die Lage doch noch für seinen König zu retten.

Auch der König, der nun in der Nähe von Kolin auf einer Anhöhe hält, will jetzt die Entscheidung. Mit zunehmender Sorge beobachtet er, daß Daun seine gesamten Angriffsdispositionen nicht nur durch eine umfassende Vorsicht zu vereiteln versteht, sondern daß sich die österreichischen Truppen heute überall mit einer außerordentlichen Zuversicht schlagen. Schon befallen ihn Zweifel am glücklichen Ausgang der Schlacht.

Da setzt Friedrich in einem letzten und mit äußerstem Einsatz vorgetragenen Stoß gegen die österreichischen Linien an. Alles, was er noch an Fußvolk, Batterien und Reitern zusammenraffen kann, wird gegen den schwächsten österreichischen Punkt, das Eichenwäldchen bei Křečhoř, geworfen. Mit gefälltem Bajonett greifen die preußischen Bataillone die Österreicher an. Gegen die Front und die Flanke der Regimenter Los Rios, Salm und Platz richtet sich der preußische Angriff. Weil die preußischen Grenadiere und Musketiere wissen, daß von diesem Ansturm das Schicksal des Tages abhängt, werfen sie sich mit einer solch entschlossenen Erbitterung auf den Feind, daß der Gegner allmählich weicht. Sofort setzt Hülsen Dragoner gegen die sich auflösenden Kompanien der Kaiserlichen an. Schon attackieren die Dragoner das zweite Treffen, da wirft sich ihnen als letzte österreichische Reserve das junge ungarische Infanterieregiment Haller mit solcher Behendigkeit entgegen, daß es ihnen in einem grimmigen Handgemenge gelingt, den Ansturm des Gegners zu brechen.

Mit gleicher Heftigkeit tobt inzwischen der Kampf an den anderen Punkten des Wäldchens. Dort werden die Regimenter Neipperg, die Vorfahren jenes heldenhaften siebenten Kärntner Infanterieregiments Khevenhüller Nr. 7 und Gaißrigg, bis zum Untergange des K. u. K. Heeres Österreichs berühmtes deutsch-böhmisches Grenadierregiment [154] Nr. 42, von allen Seiten umzingelt. Mit den vorstürmenden Linien der Infanterie haben die Preußen Geschütze vorgebracht, deren Salven die Reihen der Deutschösterreicher fürchterlich lichten. Schon wimmelt es zwischen niedergebrochenem Geäst und gesplitterten Baumstämmen Blechmütze an Blechmütze der immer dichter andringenden preußischen Grenadiere. Ein weiteres österreichisches Regiment, Erzherzog Karl, das am äußersten rechten Flügel des ersten kaiserlichen Treffens steht, muß mit dem dritten und vierten Glied bereits seine Front verkehren, um sich gegen den Feind, der auch hier in seinem Rücken auftaucht und an den Waldrand herandringt, zu wehren, und nun winkt den Preußen tatsächlich endlich der Sieg, denn jetzt ist das österreichische Zentrum in der Flanke und im Rücken bedroht - da taucht in vollem Galopp Feldmarschall Daun, heute bereits zweimal verwundet, mit seinem Gefolge in der unmittelbaren Nähe des Kampfgetümmels auf.

"Das sächsische Regiment Prinz Karl zur Attacke!" befiehlt er und gleich darauf "Die Regimenter Brühl und Prinz Albrecht folgen!" Jetzt verfolgt er trotz der Gefahr des Augenblickes mit kaltblütiger Spannung, wie vorne außerhalb des Eichenwaldes preußische Kürassiere den Rest eines Bataillons Salm buchstäblich zerhauen. Doch jetzt brausen die einzigen der Vernichtung von Pirna entgangenen sächsischen Chevauxlegersregimenter in äußerster Gangart an ihm vorüber. Grüßend senkt der Obristleutnant von Benkendorf im Vorbeijagen vor dem Feldmarschall seinen Degen. Der dankt ihm mit flüchtigem Gruß, wirft noch rasch einen Blick zu den auseinanderflüchtenden Musketieren der Salminfanterie, und dann verrät keine Miene in seinem Gesicht, daß von diesem Angriff der sächsischen Reiter das Schicksal des Tages abhängt.

Mit stürmischer Wucht prallen die Sachsen auf die feindlichen Kürassiere und Musketiere. Es ist, als wollten sie sich heute für das Unglück von Pirna rächen. Sofort sind Reiter und Pferde in dem Gewühl des Nahkampfes verkeilt, sausend fahren die Klingen auf die preußischen Blechmützen nieder. Kolben splittern, Degen zerbrechen, Pallasche klirren an stählernen Panzern, Standarten, zerschossen und zerfetzt, flattern und sinken mit auseinandergeschlagenen Schäften, und über dem ganzen Gewühl und Gebrüll rast das Donnern und Brüllen der Schlacht, die noch einmal auf allen Linien entbrennt.

"Sie schaffen sich zu wenig Luft! Die Attacke ist aufgefangen!" Erst jetzt verrät Dauns Gesicht, daß er plötzlich mit dem Entschluß, die Schlacht abzubrechen, kämpft. Da hört er neben sich eine jugendliche Stimme. Noch während seine Augen den Kampf der sächsischen Reiter unablässig verfolgen, vernimmt er, wie die Stimme neben ihm in fran- [155-156=Illustrationen] [157] zösischer Sprache etwas von der Ehre, attackieren zu dürfen, erwähnt. Da wendet sich der Feldmarschall verwundert herum. Der da neben ihm hält ist der junge Obrist Comte des Thienes vom Dragonerregiment Prinz de Ligne, dessen Mannschaft nur aus jungen bartlosen Rekruten besteht. "Euer Liebden dürsten nach Tatenruhm!" Dauns Gesicht verzieht sich in einem etwas geringschätzigen Lachen. Doch plötzlich nickt er. Schon wieder abwesend und den Blick von neuem nach dem Verlauf des Kampfes vorne gerichtet, meint er noch: "Mais vous ne ferez pas grande chose avec vos blanc becs!" (Aber Ihr werdet nicht viel ausrichten mit Euern Grünschnäbeln!)

Da antwortet Oberst de Thienes stolz: "Vous allez le voir!" Er senkt den Degen, wendet seinen Rappen kurz auf der Hinterhand und sprengt mit hochgerecktem Degen vor die Front seines unweit haltenden Regiments.

"Blanc becs, Grünschnäbel!" ruft er seine bartlosen Reiter an. "Zeigt, daß ihr beißen könnt ohne Bart, zeigt, daß zum Beißen nur Zähne und kein Schnurrbart gehören!"

Ein tausendstimmiger Ruf ist die Antwort auf diese Worte. Blitzend fahren die Pallasche aus den Scheiden, noch einmal fassen tausend Hände die Zügel zu einer kurzen Parade, dann drücken tausend Schenkel die Gäule im Galoppsprung voran, und nun brandet mit flatternder Standarte das jüngste Reiterregiment der kaiserlichen Armee an Daun vorbei und wirft sich gegen den Feind.

Ist es das Ungestüm der Jugend, das diesen Reitern eine unwiderstehliche Kraft verleiht? Im ersten Anritt sind sie schon tief in den preußischen Linien drinnen, entlasten die Sachsen und brechen immer stürmischer in die preußischen Linien ein. Attacke um Attacke wirft die sich mit Aufbietung aller Kräfte wehrenden Gegner auseinander. Oberstleutnant Thoricourt sammelt die im Kampfgewühl auseinandergeratenen Schwadronen und führt sie immer von neuem gegen den Feind. Schon klafft ein furchtbarer Keil in der Schlachtordnung des linken preußischen Flügels. Da jagt, von Daun rasch herbeigerufen, jetzt auch noch das Regiment Prinz Eugens, die Savoyendragoner, unter General Serbelloni heran. Nun bricht der Widerstand der letzten preußischen Bataillone. Die gesamte feindliche Kavallerie wird geworfen. 14 Bataillone sind nahezu vernichtet, und das ganze Regimentsgeschütz des feindlichen Fußvolkes geht verloren. Da bläst es hinter den zurückflutenden Resten der preußischen Infanterie zum endgültigen Rückzug. So wie die Österreicher bei Hohenfriedberg, flutet heute das preußische Fußvolk gegen die Prager Straße zurück. Auch der rechte preußische Flügel muß endgültig weichen. Jetzt ist es nur Ziethen, der heldenmütig mit seinen Rei- [158] tern den Abmarsch des Heeres vom Schlachtfelde deckt. Daun läßt den Gegner durch Nadasdys Reiter verfolgen. Weil aber seine Truppen selbst völlig erschöpft sind, beläßt er die Armee in der Stellung und bemüht sich, die Verwundeten und Toten, 6437 Mann, darunter die Generale Lützow und Wolf, während der Nacht und am folgenden Tage zu bergen.

Dragoner des Regiments Prinz de Ligne, Dauns
Grünschnäbel, reiten die entscheidende Attacke bei Kolin.
[155]   Dragoner des Regiments Prinz de Ligne, Dauns Grünschnäbel, reiten die entscheidende Attacke bei Kolin.
Nach einem Gemälde im Wiener Heeresmuseum. (Österreichische Lichtbildstelle, Wien)

Mit dem Siege von Kolin hat das österreichische Heer ungemein an Selbstvertrauen gewonnen. Zum erstenmal ist es gelungen, den bisher unbesiegten preußischen König und sein stolzes Heer zu bezwingen. Noch am Abend des blutigen Tages langt König Friedrich mit seinem kleinen Gefolge in Nimburg an, steigt vom Pferde und sitzt erst lange Zeit, stumm in Gedanken versunken, auf einer Brunnenröhre und zeichnet Figuren in den Sand. Sein gewaltiger Kriegsplan, die Einnahme Prags, alles scheint mit dem Siege des Zauderers Daun wie im Sande zerronnen. 6500 Tote, preußische Soldaten, darunter 326 Offiziere, decken das Schlachtfeld. An die 14 000 Mann, 45 Geschütze und 22 Fahnen hat der furchtbare Tag insgesamt dem Heere des Königs gekostet. Ein düsterer, für die weitere Fortführung des Krieges unheilverkündender Tag! Müde, das edle Antlitz von schweren Sorgen zerfurcht, legt sich der große König für wenige Stunden auf der Bank eines Bäckerhäuschens zur Ruhe. Aber schon bald nach Mitternacht erhebt er sich wieder. Er steigt von neuem zu Pferde und schlägt die Richtung nach Prag ein. Während er mit seinem kleinen Gefolge durch die in düsterer Nachtschwüle daliegende böhmische Landschaft dahinreitet, eilen seine Gedanken schon wieder neuen Plänen entgegen. Er wird nicht nachgeben, aber er wird Böhmen räumen, wird sich dann seinem Gegner auf preußischem Boden entgegenstellen und wird das Erbe der Väter trotzig und wenn es sein muß mit dem letzten Grenadier und dem letzten Dragoner verteidigen!

Es war vorauszusehen, daß der Sieg von Kolin dem österreichischen Heere neben dem jetzt wieder mächtig geweckten Bewußtsein, sich die Ebenbürtigkeit mit dem preußischen Gegner erkämpft zu haben, auch eine ganze Reihe bleibender Ehrungen und Auszeichnungen für Offizier, Mann und geschlossene Truppenteile brachte. Schon König Friedrich hatte selber wenige Tage nach der Schlacht von Kolin die völlig veränderte Haltung der kaiserlichen Truppen anerkannt. "Die kaiserlichen Grenadiere", so schrieb er, "sind eine bewunderungswürdige Truppe; sie verteidigten eine Höhe, welche zu nehmen meine beste Infanterie nicht imstande war. Die Feinde hatten auch den Vorteil einer zahlreichen und gut bedienten Artillerie, sie macht dem Liechtenstein, der ihr vorsteht, alle Ehre!" Unvergleichlich höheres Lob spendete natürlich die jetzt [159] hochgestimmte Kaiserin. Am Tage, da sie die Nachricht vom Siege ihrer Truppen erhielt, am 22. Juni 1757, stiftete sie für die Armee den militärischen Maria-Theresien-Orden, dessen erstes Großkreuz Daun als der Mann erhielt, der seine "Ordensproben vor den Augen der ganzen Armee schon abgelegt" habe. Das Regiment Deutschmeister und vor allem die Lignedragoner erfuhren besondere Ehrungen. Die Offiziere und Mannschaften des letzteren Regiments sollen für alle Zeiten zum Andenken an die Grünschnäbel von Kolin keine Bärte mehr tragen. Noch im Weltkriege, draußen im Schützengraben des Ostens, sind den Truppen aus dem Altreich oftmals die stets glattrasierten Mannschaften des Dragonerregiments "Fürst Windischgrätz" als Nachfolger der de-Lignedragoner aufgefallen.

Die erste Folge des Sieges von Kolin war die Aufhebung der Belagerung Prags. Am 20. Juni schon räumten die preußischen Truppen ihre Stellungen am Ziškaberg. Nun trat das gesamte Heer in getrennten Kolonnen den Rückzug aus Böhmen an. Am 21. Juni stand kein Feind mehr auf österreichischem Boden. Da nun auch im Westen die Franzosen, die Russen im Osten und die Schweden im Norden gegen König Friedrichs Erblande vorzumarschieren begannen, sah sich dieser nun tatsächlich mehr vor die eine Aufgabe gestellt, auf preußischem Boden fechtend zu siegen oder unterzugehen.

Und er siegte! - Plötzlich, ohne sich davon beirren zu lassen, daß die Niederlage von Kolin und die Räumung Böhmens seinen ursprünglichen Plan in dessen ersten und wesentlichen Punkt, der Vernichtung der Österreicher, zunichte gemacht hatte, nahm er den zweiten Punkt dieses Planes wieder auf und warf sich gegen die Franzosen. Nicht einmal das Gros seines Heeres führte er zu diesem Zuge mit sich, sondern nur an die 20 000 Mann. In Schlesien ließ er den Herzog von Bevern zurück, und während er sich gegen Westen ins Thüringische wandte, überließ er Schlesien dem Einbruch der vorläufigen Sieger. So vermochte Daun, der nun wirklich nach Schlesien vorrückte, inzwischen noch etliche bedeutende Vorteile zu erringen. In der Nähe von Görlitz, bei Moys, warfen Nadasdys Reiter die Vorhut Beverns unter Winterfeld, wobei dieser tapfere General, der außerdem ein persönlicher Freund König Friedrichs war, den Heldentod fand. Immer größere Gebiete auf Schlesiens Boden fielen jetzt in österreichische Hand. Nadasdy eroberte das tapfer verteidigte Schweidnitz, Hadik unternahm seinen kühnen Husarenzug nach Berlin, und als dann im österreichischen Hauptquartier die Nachricht vom glänzenden Siege König Friedrichs über die Fran- [160] zosen und die Reichsarmee bei Roßbach eintraf, beschlossen Daun und Herzog Karl von Lothringen, der unglücklicherweise wieder beim kaiserlichen Heere eingetroffen war und nun das Kommando zusammen mit dem Sieger von Kolin führte, den Angriff auf die Stellungen des Herzogs von Bevern bei Breslau.

Am 22. November 1757 kam es zur Schlacht. Nach viermaligem, vergeblichen Sturm eroberten die Österreicher endlich die Verschanzungen Beverns. Bei Einbruch der Dunkelheit räumten die Preußen das Schlachtfeld und zogen sich auf die Festung Breslau zurück. Der Tag hatte ihnen an die 10 000 Mann Verluste gekostet, aber auch die Österreicher hatten über 6000 Mann eingebüßt. Um so größer war ihr Jubel, als der Herzog von Bevern noch in den Morgenstunden des 23. November Breslau verließ und über die Oder zurückging. Der General Leßwitz, den er mit einer kleinen Besatzung in der Festung gelassen hatte, mußte schon am nächsten Tage kapitulieren. Bevern selbst fiel fast zu derselben Stunde bei einem Rekognoszierungsangriff in die Gefangenschaft ungarischer Husaren und Kroaten.

Damit schien trotz des Sieges von Roßbach das Schicksal Friedrichs des Großen besiegelt. Fast ganz Schlesien war wieder in österreichischer Hand, die Russen hatten bereits Ende August den Feldmarschall Lehwald bei Großjägerndorf zum Rückzug gezwungen, und wenn sie sich auch weiterhin nur abwartend verhielten und am Njemen stehenblieben, hatte es doch den Anschein, als würde die Übermacht der feindlichen Streitkräfte das immer mehr zusammenschmelzende preußische Heer endlich zu Boden zwingen.

Aber mit dem Siege von Roßbach hatte sich trotz der inzwischen errungenen österreichischen Erfolge in Schlesien das Kriegsglück wieder seinem Liebling Friedrich II. zugewandt. Es war sein überragendes Feldherrngenie, das dem Gegner von jetzt ab wiederum das Gesetz des Handelns abrang. Fünf Tage nach der Schlacht bei Roßbach kam er in Leipzig an. Dort ließ er den Feldmarschall Keith zur Sicherung seiner rechten Flanke gegen Hadik und den nunmehr General gewordenen Laudon zurück, brach mit der Hauptarmee nach Schlesien auf und vereinigte sich bei Parchwitz mit den Resten des Bevernschen Korps.

Wieder war es der Herzog von Lothringen, der in Nichtbefolgung des Rates Dauns, den Gegner in seiner befestigten Stellung bei Breslau zu erwarten, das kaiserliche Heer um alle Früchte der Siege von Kolin und Breslau brachte. Trotz der Warnungen Dauns brach er sein Lager ab und marschierte dem König entgegen. Am 4. Dezember bezog er dann angesichts des Gegners eine Stellung zwischen Neumarkt und [161] Lissa und übersah dabei ganz, daß sein Heer durch die übermäßige Ausdehnung desselben eine viel zu geringe Tiefe hatte. Es lag auf der Hand, daß ein solcher Meister der Taktik, wie König Friedrich es war, diesen Fehler auszunützen verstand. Der König setzte seine kleine Armee, nachdem er den Generalen eine begeisternde, aber auch überaus ernste Ansprache gehalten hatte, am gleichen Tage, da Lothringen bereits seine Stellungen bezogen hatte, in Marsch und traf am 5. Dezember auf die feindliche Hauptmacht. Als König Friedrich nun die weit auseinandergezogene Stellung Lothringens erkannte, beschloß er, den linken österreichischen Flügel anzugreifen und marschierte kaltblütig an der Front der Österreicher vorüber. Sobald aber die preußische Armee dem zurückgebogenen Haken des linken österreichischen Flügels gegenüberstand, ließ der König in Schlachtordnung einschwenken und trat damit zu der so herrlich geschlagenen Schlacht bei Leuthen an.

Zehn preußische Bataillone warfen sich gegen ein Uhr mittags auf die am linken Flügel postierten leichten Truppen Nadasdys. Diese hielten der Wucht des Stoßes nicht stand. Schon bald ging einer ihrer wichtigsten Stützpunkte, die Höhen des Kiefernberges bei Sagschütz, verloren. Als auch Ziethen mit seinen Husaren dazwischenfuhr, sprengten die Preußen diesen Flügel Lothringens vollkommen auseinander. Zu spät schob dieser jetzt auch den rechten Flügel vor, um die Preußen in einer parallelen Schlachtfront zu binden. Er ballte dadurch den größten Teil seiner Truppen um das Dorf Leuthen zusammen, so daß die Regimenter dort Klumpen statt Linien bildeten und der preußischen Artillerie ausgezeichnete Ziele darboten.

Beim Dorfe Leuthen stockte der preußische Angriff. Dort stemmte sich der Gegner den andrängenden Grenadieren mit solcher Hartnäckigkeit entgegen, daß der Sturm dreimal wiederholt werden mußte. Erst als Hauptmann von Moellendorf mit seiner Gardekompanie den Kirchhof erstürmte, fiel die brennende Ortschaft in preußische Hand. Noch einmal setzten sich die Österreicher auf dem Windmühlenberge entschlossen zur Wehr. Das Regiment "Roth-Würzburg", das dort stand, verlor bei diesem Kampf beinahe seinen ganzen Bestand. Es brachte nur mehr 4 Offizieren und 33 Mann aus dem Nahkampf zurück. Auch vom Regiment Daun rettete sich nur ein schwaches Bataillon. Wie dann ein überraschender preußischer Kavallerieangriff unter General von Driesen die in einer Mulde nahe dem Mühlenberge haltenden österreichischen Schwadronen auseinanderwarf, versuchte sich der Rest der Mühlenbergbesatzung noch weiter verzweifelt zu halten. Das Regiment Wallis hatte dort oben zuletzt nur mehr als 3 Kompanien, und vom Regiment Baden-Durlach überlebten überhaupt nur 1 Offizier und [162] 8 Mann den blutigen Tag. Schritt um Schritt kämpfend zogen sich nach dem schließlichen Verlust des Windmühlenberges die übrigen Teile der österreichischen Schlachtfront zurück. Erst die Dunkelheit brachte den Truppen den Abbruch der Schlacht. Mehr als 6000 Mann hatte das kaiserliche Heer an Kampfunfähigen und Toten zu beklagen, König Friedrich hatte mit dem bedeutend geringeren Verlust von 3000 Mann einen seiner glorreichsten Siege erfochten. Mit einem Schlag waren wieder alle Vorteile der Truppen Maria Theresias in Schlesien verloren. Kurz nach der Schlacht rückten die österreichischen Korps aus Schlesien ab und zogen nach Böhmen und Mähren. Breslau fiel bald darauf am 21. Dezember 1757 wieder in die Hand König Friedrichs, auch Liegnitz kapitulierte, allerdings unter der Zubilligung aller militärischen Ehren und freien Abzuges für die tapfere Besatzung. Nur Schweidnitz, das General Türheim verteidigte, leistete weiteren Widerstand und vermochte sich noch bis zu April 1758 zu halten.

Der einzige Vorteil, den der unglückliche Ausgang des unter so vielversprechenden Anfangserfolgen begonnenen Feldzuges von 1757 für das österreichische Heer brachte, war die endgültige Niederlegung des Oberbefehls durch Herzog Karl von Lothringen. Durch den Abgang dieses Mannes, dessen Abberufung Maria Theresia in unmißverständlicher Weise endlich verlangt hatte, war es möglich, die Führung des Heeres in der Hand der zwei bedeutendsten Feldherren der Kaiserin nunmehr wieder straffer zusammenzufassen. Der eine dieser beiden Generale war der Sieger von Kolin und Breslau, Feldmarschall Daun. Der zweite war der jetzt plötzlich ganz in den Vordergrund tretende Laudon.

König Friedrich war mit 40 000 Mann über Troppau nach Mähren aufgebrochen und näherte sich Olmütz. Während er die Belagerung dieser Festung begann, stand Daun in gewohnter abwartender Haltung bei Leitomischl. Er holte sich, erst bedächtig auf die musterhafte Verteidigung Olmütz' vertrauend, Verstärkung um Verstärkung heran. Als dann sein Heer auf 70 000 Mann angeschwollen war, brach er plötzlich gegen Olmütz auf und erschien plötzlich im Rücken des Königs. Ein rasch ausgeführter Angriff warf das preußische Belagerungskorps auseinander und brachte Olmütz außer Gefahr. Jetzt war es Laudon, der durch einen gelungenen Überfall die ganze Verbindung des preußischen Heeres mit Schlesien in höchste Gefahr brachte. Man hatte im kaiserlichen Hauptquartier erfahren, daß ein großer Konvoi an Wagen, Geschützen und Proviant für die preußischen Truppen über Troppau in Anmarsch sei. Dieser Transport wurde bei Domstadtl von Laudon überfallen und kostete dem preußischen Heere trotz tapferster Gegenwehr der Bedeckungs- [163] mannschaften 3 Kanonen, 3000 Pferde, mehrere hundert Stück Schlachtvieh und 2000 Wagen.

Als aber nun auch die Russen wieder herankamen und sich anschickten, das für Friedrich wichtige Küstrin zu belagern, faßte der König den Entschluß, sich durch einen raschen Schlag gegen den schwerfälligen Heereskörper des russischen Generals Fermor wieder Luft zu verschaffen. Am 25. August 1758 griff er die Russen bei Zorndorf mit nur 32 000 Mann an und warf sie in einer der blutigsten Schlachten dieses Krieges. Unverzüglich ging Friedrich jetzt wieder auf Daun los, der sich soeben anschickte, Dresden zu befreien. Er warf dessen Vorhut auf Stolpen zurück, wagte dann aber selbst nicht, gegen Dauns Hauptstellungen vorzugehen und erklärte, "er habe keine Lust, sich daran die Nase zu zerstoßen!" Als Daun dann aber abzog und nach Schlesien marschierte, folgte ihm König Friedrich, vermochte es aber nicht zu verhindern, daß Laudon seine Vorhut bei Putzkau überfiel und ihr empfindliche Verluste beibrachte. Noch schlimmer erging es ihm bei Hochkirch. Hier war Daun plötzlich stehengeblieben, hatte seine Front überraschend verkehrt und erwartete hinter der Ortschaft und dann durch dicht bewaldete Höhenzüge gedeckt den Anmarsch des preußischen Königs. Er traf dabei alle diese Vorbereitungen so geheim und weihte selbst seine Generale über den eigentlichen Zweck seiner Aufstellung nicht ein, so daß sein plötzliches Anhalten des österreichischen Heeres und seine Vorbereitungen zum Kampf dem preußischen König zuerst völlig verborgen blieben.

Erst am 10. Oktober erkannte Friedrich plötzlich, daß er beinahe in die österreichische Aufstellung hineinmarschiert war. Ohne zu ahnen, in welcher Stärke ihm der Gegner gegenüberstand, und vor allem, wo sich Dauns Truppen überall eingenistet hatten, bezog er zwischen Hofkirch und Weißenberg ein Lager.

Als die Nacht des 13. Oktober hereinbrach, machte Daun sich ganz im stillen marschfertig und schritt in den Morgenstunden des 14. Oktober zum erfolgreichen Angriff. Obwohl die jäh alarmierten preußischen Truppen überall tapferen Widerstand leisteten, traf sie die feindliche Übermacht fast auf allen Punkten mit unbezwinglicher Wucht. Mit der Aufgabe Hochkirchs war die Niederlage Friedrichs entschieden. Schon gegen zehn Uhr vormittags trat das preußische Heer einen völlig geordneten, von Friedrich meisterhaft durchgeführten Rückzug gegen die schlesische Grenze an.

Durch Hofkirch waren die großen Kampfhandlungen des Jahres 1758 beendet. Erst im Frühjahr 1759 begannen dann von neuem die Auseinandersetzungen. Kühn, wie er fast immer den Gegner das Überraschungsmoment abzuringen verstand, packte Friedrich die Österreicher [164] sofort in ihren eigenen Hoheitsgebieten an. Prinz Heinrich erschien nicht nur plötzlich in Komotau und Budin und plünderte dort die kaiserlichen Magazine, sondern zog sogar bis nach Prag und vermochte durch die völlige Zerstörung der dortigen Magazine dem österreichischen Heere gewaltig zu schaden. Friedrich selbst wartete aber erst die Bewegungen des russischen Heeres unter Soltikoff ab. Der rückte langsam gegen die Oder heran und bezog bei Kunersdorf ein befestigtes Lager. Nun gelang es Laudon in einem glücklich durchgeführten Marsch, Soltikoff 18 000 Mann österreichischer Truppen zuzuführen. Die russische Armee zählte 46 000 Mann Infanterie, war zwar schwach an Reiterei, verfügte aber über 300 Geschütze in einer vorzüglich gewählten Stellung. Zwischen Hügeln, geschickt angelegten Verhauen und Gräben wähnte sie sich gegen alle Angriffe sicher.

Aber schon marschierte Friedrich mit 48 000 Mann und 233 Geschützen auf Kunersdorf los. Um seine Erblande wiederum vor der russischen Bedrohung zu schützen, hatte er Sachsen verlassen und Prinz Heinrich zur Beobachtung Dauns zurückgelassen. Am 12. August 1759 griff er um die Mittagszeit die russischen Verschanzungen an und warf diese im wütenden Vorstoß über die Hügel zurück. Nur noch die letzten feindlichen Stellungen boten Widerstand, und nun durcheilten die preußischen Bataillone einen Wiesenhang, der wenige Stunden später den Namen "Laudonsgrund" zur Erinnerung an diesen Schlachttag erhalten sollte.

Plötzlich stockte der preußische Angriff. Ein verheerendes Feuer aus den auf diesen letzten vom Feinde besetzten Höhen postierten Batterien wies jedes weitere Vordringen ab. Diesen Augenblick benützte Laudon, denn er war es, der auf diesen letzten Höhenstellungen stand, um durch einen überraschenden Gegenstoß in die preußische Flanke die Schlacht zu entscheiden. In eiliger Flucht lösten sich die preußischen Verbände, die sich bisher so tapfer gehalten hatten, auf und trugen dabei noch Verwirrung in die übrigen noch kämpfenden Teile des preußischen Heeres.

550 Offiziere und 18 000 Soldaten kostete dem tief erschütterten König diese furchtbare Schlacht. 172 Geschütze und 28 Fahnen fielen den Siegern in die Hände. Aber auch ihre eigenen Opfer waren überaus schwer. Russen und Österreicher hatten den Verlust von 15 000 Mann zu beklagen.

Wenige Monate später traf Friedrich ein neues Verhängnis. Er beorderte den General Fink mit 13 500 Mann, um Dauns Rückzugslinien nach Böhmen abzuschneiden. Aber Daun war wachsam. Während er selbst seine Bewegungen dem König zu verschleiern verstand, setzte er einen Teil seiner Truppen und das Reichsheer gegen General Fink in Marsch und umzingelte das preußische Korps am 20. November 1759 bei [165] Maxen. Vor die Entscheidung gestellt, von der Übermacht vernichtet zu werden oder sich gefangen zu geben, streckte General Fink tags darauf mit 12 000 Mann die Waffen.

Gideon Freiherr von Laudon, einer der bedeutendsten Gegner
Friedrichs des Großen.
[156]      Gideon Freiherr von Laudon,
einer der bedeutendsten Gegner Friedrichs des Großen.

Nach einem Gemälde von S. L'Allemand. (Historia-Photo, Berlin)
Und noch ein drittes Mißgeschick traf den König bald darauf zu Beginn des Feldzuges von 1760. Immer mehr entwickelte sich General Laudon, der seit der Schlacht von Kunersdorf Feldzeugmeister geworden war, zu einem zweiten gefährlichen Gegner des Königs. Mit 50 000 Mann brach er in Schlesien ein und marschierte auf Glatz. Durch ein Scheinmanöver verstand er den General Fouqué, der bei Landshut stand, zu täuschen und legte sich in einen Hinterhalt.

Wie bei Hochkirch und Maxen erkannten die preußischen Führer zu spät die Gefahr ihrer Lage. Nur daß dieses Mal Fouqué, anders wie General Fink, entschlossen war, sich trotz der Gefahr einer Umzingelung bis zum letzten zu wehren. Erst zu Karrees und dann nur mehr zu sich verzweifelt wehrenden Klumpen zusammengeballt, wehrten sich die preußischen Grenadiere gegen die von allen Seiten auf sie eindringenden Feinde. Fouqué selber focht wie ein einfacher Soldat mitten in den Reihen seiner Soldaten. Als er aus drei Wunden blutend vom Pferde sank, deckte ihn ein Reitknecht mit seinem Leibe. Österreichische Offiziere hoben ihn dann auf und brachten ihn zu Laudon, der mit Worten höchster Auszeichnung von ihm und der Haltung der preußischen Truppen sprach.

Nach der Gefangennahme Fouqués ergab sich der Rest der preußischen Truppen. Dieser Tag beschloß aber auch die Reihe der bedeutsamen Erfolge der kaiserlichen Waffen. Trotzdem sein Heer wiederum um einen beträchtlichen Teil zusammengeschmolzen war, raffte sich Friedrich mit Aufbietung seiner letzten Kraft auf, und nun erhob sich der preußische Adler zu jenem letzten und größten Siegesfluge dieses Krieges, der ihm für alle Zeiten die Bewunderung der ganzen Welt einbrachte und der Preußen endgültig durch das Blut furchtbarer Schlachten und den Heldenmut seiner Soldaten zu jenem Staatswesen schmiedete, aus dem für Deutschland einmal der Baumeister des Zweiten Reiches erwuchs.

Wohl fiel jetzt noch Glatz in die Hände der Österreicher, Breslau, durch General Tauentzien verteidigt, wehrte sich noch, auch die Bedrohung Dresdens durch Friedrich vermochte Daun noch durch geschickte Manöver zu vereiteln. Als jetzt der König seinem Bruder Heinrich zu Hilfe eilte, der zwischen den Russen und Laudon stand, gelang es Daun noch einmal, sich dazwischen zu schieben. Als er aber zu einem neuen großen Schlage ausholte und den König mit seinem Heere zwischen sich, dem russischen Fürsten Tschernitscheff, Laudon und Lascy in eine Falle locken wollte, zwang Friedrich durch rasches, dem Gegner zuvorkommendes [166] Handeln das Kriegsglück wieder auf seine Seite. Durch Verrat gewarnt, wahrscheinlicher aber noch, weil er seit Hochkirch jede der Bewegungen Dauns argwöhnisch zu beobachten gewohnt war, beschloß er mit einem kühnen Vorstoß die bereits beinahe vollzogene Umzingelung zu durchbrechen. Unerwartet, mit jener Kühnheit und taktischen Meisterschaft, die seine Kriegführung gerade im Moment der höchsten Gefahr auszeichnete, entzog er sich durch einen Nachtmarsch der drohenden Gefahr, warf sich bei Liegnitz auf Laudon und zwang ihn zum Rückzug. Daun, der von Ziethen in Schach gehalten wurde, und auch Lascy kamen nicht mehr rechtzeitig heran, und so war mit dieser Schlacht der große Einkreisungsplan Dauns zunichte geworden.

Daun und Laudon zogen sich nun nach Striegau zurück. Friedrich führte eine Vereinigung mit dem Heere des Prinzen Heinrich durch, marschierte dann nach Sachsen, das fast gänzlich von den Österreichern und Reichstruppen besetzt war, mußte sich aber dann erst nach Berlin zurückwenden, weil diese Stadt vor starken russischen Kräften und dem Korps Lascys kapituliert hatte. Bei dem raschen Herannahen Friedrichs zogen sich diese jedoch eilig zurück.

Als Daun vom Marsche des Königs auf Berlin erfuhr, folgte er ihm erst vorsichtig. Nachdem dann die Russen unter Tottleben, Tschernitscheff und Fermor wieder nach Osten abgeschwenkt waren und Lascy sich wieder mit Daun vereinigt hatte, wandte er sich, in der Voraussetzung, daß der König jetzt wieder nach Sachsen ziehen würde, ebenfalls dorthin und bezog bei Torgau auf dem Süptitzer Berg ein befestigtes Lager.

Dieses Manöver Dauns brachte Friedrich wieder in eine gefährliche Lage. Auch die Russen hatten haltgemacht, und da Daun dem König mit seinem Anmarsch zuvorgekommen war, bestand für Friedrich die Gefahr, daß er nun von den Russen und Österreichern vereint angegriffen wurde. Es ist die Geschichte der k. u. k. Armee, die dem nun folgenden Entschluß des großen Königs uneingeschränkte Anerkennung zollt. "Friedrich II. blieb seinem Grundsatz treu", heißt es darin, "daß in verzweifelter Lage der kühne Ratschluß auch der beste sei, und wagte einen Sturm auf Dauns feste Stellung."

Erst am Nachmittag erfolgte der preußische Angriff. Er brach jedoch schon bald im vernichtenden Feuer der österreichischen Batterien zusammen, und als die Dunkelheit hereinbrach schien es, als hätten die Preußen den Kampf schon verloren. Da entschied Ziethen die Schlacht zu Friedrichs Gunsten. Er war nämlich bereits in der Dunkelheit aufgebrochen und hatte den Rückzug anbefohlen. Da verirrte sich eine seiner Kolonnen unter Führung des Oberleutnants von Möllendorf. Sie ver- [167] lor die Richtung, geriet plötzlich auf den Süptitzer Damm und besetzte ihn unverzüglich. Als dann Ziethen von dieser Besetzung erfuhr, holte er sofort seine Truppen zurück, schob seine gesamten Streitkräfte über den Damm und erschien überraschend auf den Höhen. Nach kurzem Kampfe brachte er diese in seine Gewalt und nun war der Schlüsselpunkt der österreichischen Stellung dank der Unfähigkeit des Daun vertretenden Generals in die Hände des Feindes gefallen. Es war noch ein Glück, daß Daun in Torgau rechtzeitig von der Sprengung der österreichischen Schlachtfront erfuhr. Noch bevor ein allgemeiner preußischer Angriff erfolgen konnte, befahl er den Rückzug auf Dresden, der sich dann noch während der Nacht in vollkommener Ordnung und ohne weitere Verluste vollzog.

Mit Torgau endeten die großen Waffengänge des Siebenjährigen Krieges. Friedrich sah sich von nun ab zur bloßen Verteidigung seiner Länder beschränkt. Zu großen Offensiven reichten seine Kräfte nicht mehr aus. So bezog er 1761 ein festes Lager bei Bunzelwitz und konnte es nicht hindern, daß sich Laudon nach der Beendigung eines kurzfristigen Waffenstillstandes im April 1761 in Schlesien breitmachte, und daß es trotz der immer mehr zögernden Haltung der russischen Generale im August 1761 zur Vereinigung der verbündeten Streitkräfte bei Jauer kam. Immer bedrohlicher wurde jetzt Friedrichs Lage, und eine Katastrophe schien für ihn unvermeidbar.

Da rettete ihn die Haltung der russischen Generale. Man erwartete in Petersburg jeden Tag das Ableben der Kaiserin Elisabeth, und da die Verehrung ihres Nachfolgers Peter III. für den großen König allgemein bekannt war, richteten sich die russischen Heerführer danach und vermieden jeden neuen Waffengang mit dem König. Vergebens drang Laudon in die jetzt die russischen Truppen befehligenden Generale Butturlin und Tschernitscheff, gemeinsam mit ihm Bunzelwitz anzugreifen. Sie weichen aus und zogen sich schließlich gänzlich nach Polen zurück.

Erst jetzt vermochte der König Bunzelwitz zu verlassen. Aber er irrte sich in der Annahme, daß Laudon ihm folgen und dadurch seine Verbindung mit Sachsen aufgeben würde. So zog sich König Friedrich unbelästigt nach Neiße zurück, während Laudon den Abmarsch des Königs sogleich benutzte, um sich mit allen Kräften auf die Festung Schweidnitz zu werfen. Ein Überfall auf die Festung gelang und brachte dieses wichtige Bollwerk Schlesiens in österreichische Hand. Zum ersten Male bezogen die kaiserlichen Truppen Laudons in Schlesien Winterquartier.

Dennoch dachte der große König jetzt nicht mehr daran, sich durch [168] jenes örtliche Mißgeschick von der Weiterführung des Krieges abbringen zu lassen. Die Haltung der russischen Generale hatte ihm deutlich gezeigt, daß auch die Front seiner Gegner jetzt von Tag zu Tag mehr zu zerbröckeln begann. So konnte er bei aller Ungunst seiner augenblicklichen Lage doch mit vollem Recht sagen: "Wir leben in traurigen Zeiten und in einer verzweifelten Lage. Ich selbst gleiche dem Helden des Trauerspiels, stets dem Untergang nahe. Aber dennoch wollen wir auf eine günstige Wendung der Dinge hoffen!"

Es war die Zuversicht dieser letzten Worte, die seine Haltung bestimmte, als er stolz und ungebrochen jeden Gedanken an einen demütigenden Frieden zurückwies. Zum letzten Male in diesem Kriege erhob er sich mit verzweifelter und doch unüberwindlicher Kraft. Am 5. Januar 1762 starb die Zarin Elisabeth in Petersburg. Sofort stellte ihr Nachfolger Zar Peter III. die Feindseligkeiten gegen Preußen ein. Schon am 16. Februar wurde ein Waffenstillstand und dann am 5. Mai der Friede zwischen Rußland und Preußen geschlossen. Auch Schweden trat diesem Frieden schon am 22. Mai bei. Was aber die Lage König Friedrichs noch darüber hinaus völlig zu seinen Gunsten verwandelte, war ein Schutz- und Trutzbündnis, das Rußland am 19. Juni 1762 mit Preußen abschloß.

Voller berechtigter Hoffnung auf den nun endgültigen Sieg seiner Waffen trat der König noch im Sommer fest vereint mit den Russen den Waffengang gegen die Österreicher an. Als durch die Ermordung Zar Peters und die Thronbesteigung der Zarin Katharina die Mitwirkung der russischen Streitkräfte an der Seite Friedrichs wiederum in Frage gestellt wurde und zuerst auch ein Befehl der russischen Kaiserin anlangte, der den russischen Truppen den Abmarsch befahl, überredete der König den russischen General Tschernitscheff, doch noch solange an seiner Seite zu bleiben, bis er Daun gestellt und geschlagen hatte. Und nun gelang es ihm auch wirklich, Daun am 20. Juli 1763 bei Burkersdorf zum Kampfe zu zwingen. Der kaiserliche Feldmarschall sah sich gezwungen, zwei Brigaden zur Beobachtung der Russen abzustellen und geriet dadurch in eine ungünstige Lage. Er mußte weichen und zog sich auf Glatz zurück, um Böhmen zu decken.

Die letzte Kriegshandlung war dann die Belagerung des tapfer gehaltenen Schweidnitz. Neun Wochen hielt die Besatzung unter dem Feldzeugmeister Graf Guasco allen Anstürmen stand.

Erst am 11. Oktober, nach einer Verteidigung von zwei Monaten, streckte die Besatzung die Waffen. 218 Offiziere und 8694 Mann verließen unter militärischen Ehren die Festung. König Friedrich erwartete an der Spitze seines Stabes den Feldzeugmeister Guasco, ritt ihm ent- [169] gegen und sagte zu dem österreichischen General, der nun als letzter feindlicher Befehlshaber des Siebenjährigen Krieges vor ihm stand: "Mein Herr, Sie haben allem, welche Plätze zu verteidigen haben, ein schönes Beispiel gegeben; ich drücke Ihnen meine Bewunderung aus, obwohl Ihr tapferer Widerstand mich schwere Opfer gekostet hat!"

Dieses Wort des großen Siegers über die Heere Maria Theresias krönte die Waffenehre eines Soldatentums, das in Sieg und Niederlage durch sieben furchtbare Kriegsjahre zur wahren Waffenschmiede Preußen geworden war.

Als wenige Wochen nach dem Fall von Schweidnitz, schon am 24. November 1763, die ersten Waffenstillstandsverträge in Sachsen und Schlesien zustande kamen, konnte das österreichische Heer von sich sagen, daß es sich trotz aller Wechselfälle des Krieges mit unermüdlich gleichbleibender Ausdauer geschlagen hatte. Gleich wie das preußische Heer hatte es sich ebenfalls stets wieder nach schweren Niederlagen erhoben, und wenn auch dieses einzige Mal während des Siebenjährigen Krieges dem kaiserlichen Heere reichliche Hilfsquellen, Geldmittel und zahlreiche Verbündete zur Verfügung standen, so entschied gegenüber dem Feind letzten Endes doch stets nur die Tapferkeit des Soldaten. Und hier vermochten sich beide Gegner, die als Diplomaten im Schlosse Hubertusburg bei Dresden zu den Friedensverhandlungen zusammentraten, draußen vor den Feldlagern in Schlesien ehrlich die Hände reichen. Denn beide hatten auch in diesen Jahren eines furchtbaren deutschen Fürsten- und Hausmachtstreites dem deutschen Soldatentum herrlichen Ruhm eingebracht.

Der Friede von Hubertusburg beschloß am 15. Februar 1763 diese bitterste Phase deutscher Uneinigkeit. Ein Ergebnis an Ländergewinn hat der Krieg für die beiden deutschen Mächte nicht gebracht. Er kostete nur schier unerschöpfliche Ströme besten, deutschen Blutes. Seinen entscheidenden Sinn kann man nur aus der späteren Entwicklung der deutschen Geschichte erfassen. Er hatte die Großmacht Preußen geschaffen und wurde der Anfang vom Ende des Habsburgerstaates. Erst mußte durch Preußens Aufstieg wieder Deutschland entstehen, bis die Auflösung des Habsburgerstaates und die staatliche Selbstaufgabe Österreichs den Weg für Großdeutschland frei machte. Stolz stehen heute die Namen von Leuthen und Kolin im Siegeszeichen des Hakenkreuzes auf der einigenden großdeutschen Fahne!

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Österreichs Blutweg
Ein Vierteljahrtausend Kampf um Großdeutschland
Anton Graf Bossi Fedrigotti