Unter der Schutzherrschaft der Könige von
Polen.
Von 1454 - 1793. (Teil 7)
10. Danzigs Bildhauerei, Malerei und
Goldschmiedekunst unter deutschem Einfluß
Der hohen Blüte der Baukunst in Danzig entsprach auch die aller
anderen Künste und Handwerke, die teils in engster Verbindung mit
ihr oder in ihrem Gefolge, teils völlig frei auftraten. Auch da erkennen wir
bei uns in allem wesentlichen die Gleichrichtung mit Deutschland,
vornehmlich wieder wie in der Baukunst mit dem Niederrhein. Die
Kunstwerke wurden entweder von auswärts, besonders aus den
Niederlanden und vom Niederrhein eingeführt, oder aber Künstler
von dorther waren es, die sich in Danzig niederließen. Andererseits gingen
auch Söhne Danziger Bürger und andere Kunstbeflissene von Danzig
in die deutschen Lande, um dort die Kunst oder das
Handwerk - beide standen damals in allerengster Verbindung
miteinander - zu erlernen oder aber um sich in ihrem erlernten Berufe
fortzubilden. Bald finden wir in Danzig eine große Zahl von
Künstlern aller Berufszweige aus deutschen Landen eine überaus
reiche Tätigkeit entfalten, wie sie dem Sinn und der
Kunst- und Prunkliebe der reichen Danziger entsprach. Wir sehen den
Einfluß der niederrheinischen Kunst auch hier auf nahezu allen Gebieten die
Oberhand gewinnen und sich zu nachhaltiger Herrlichkeit entfalten. Wo es nicht
der Niederrhein war, da war es Süd- bzw. Westdeutschland.
Da verdient zunächst der Bildhauer unsere Aufmerksamkeit, der ja
dem Architekten am nächsten steht, Hand in Hand mit ihm arbeitet, ja wo
die Architekten zum Teil selbst zugleich Bildhauer oder die Bildhauer Architekten
waren. Das kommt besonders im 17. Jahrhundert zum Ausdruck, wo der
Bildhauer dem Baumeister gegenüber an Boden gewinnt, [269] wo die schöpferische Tätigkeit,
das baukünstlerische Entwerfen auf den Bildhauer übergeht, wo der
Stadtbaumeister nicht mehr der tonangebende Meister ist, sondern eher der
Bildhauer. Er gibt nun der architektonischen Entwicklung das Gepräge. Ihm
bieten sich die interessantesten Aufgaben im Wohnhause des Handelsherrn und
des begüterten Handwerksmeisters sowohl wie in der Ausgestaltung der
Fassaden und Innenräume der städtischen Gebäude und
Plätze. Die Danziger Renaissance wird nun eine wieder vom
Westen her beeinflußte Bildhauerkunst, und damit entwickelt sie
sich zu der uns so vertrauten Art des Danziger Barock, durch das das alte
Danzig in hervorragender Weise sein Gepräge erhält.
[269] Charakteristische altdanziger Patrizierhäuser
am Langen Markt.
Nach einer Radierung von Johann Carl Schulz.
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[270] Um 1639/40 tritt als "Steinhauer" Andreas
Schlüter der Ältere auf,113 der Vater des früher bereits
genannten, nachmals so berühmten Andreas Schlüter des
Jüngeren, des Schloßbaumeisters des Preußenkönigs
Friedrich I. Er ist in den Jahren 1640/42 in Danzig tätig gewesen und
hat hier zahlreiche Patrizierhäuser, u. a. das Haus
Jopengasse 1 (das sogenannte Schlüterhaus) und
Brotbänkengasse 28 in Entwurf und größtenteils
auch in der figürlichen Plastik ausgeführt. Seine Architekturformen,
die Art, wie er Fassaden zeichnete, weisen auf die in der Metropole
Amsterdam herrschende Schule hin, deren Begründer der Architekt
und Bildhauer Hendrik de Keyzer ist. Dem Realismus zugeneigt, wie er
dies namentlich in seinen plastischen Werken ausspricht, wußte dieser
Künstler der südholländischen Blendarchitektur und
Ziegelhausteinbauweise in Verbindung mit dem Schmuck der Bogenfelder und
Brüstungen ein monumentales Gepräge zu geben, bis eine
Studienfahrt nach Italien ihn dem Klassizismus gewann. Die übliche
Ausbildungszeit in Holland, wo Andreas Schlüter in der Stadtfabrik zu
Amsterdam Hendrik de Keyzers Schüler gewesen sein mag, vermittelte ihm
die Grundlagen seiner Kunst und seiner technischen Fertigkeiten. Aus den
Vorlagewerken Hans Fredemanns, Wendel Dieterleins und Paul
Fredemanns schöpfte er in formaler Beziehung.114
Übrigens war die Bildhauerkunst bereits längere Zeit vorher in
Danzig geschätzt, und wenn wir uns die erwähnten Werke
Obbergens, Kramers, von dem Blocks u. a. ansehen, so erkennen
wir, daß auch diese Meister in dieser Kunst erfahren waren oder aber
daß ihnen tüchtige Meister derselben zur Seite standen. Solche waren
auch offiziell in Danzig vorhanden, denn seit 1570 etwa wurden hier auch
Stadtbildhauer bestellt, die ähnlich wie die Ratsmaurermeister die
öffentlichen Arbeiten ausführten und daneben Privaten für
deren Bauten zur Verfügung standen.
Das Wirken zahlreicher tüchtiger Bildhauer tritt in der Danziger
Architektur besonders hervor und ist von großem Einfluß auf ihr
Gepräge gewesen. Diese Eigenheit wird gekennzeichnet durch die
formgewandte Durchbildung aller Einzelheiten, das Bevorzugen des Plastischen
vor dem Architektonischen, die Ausschmückung der Giebel mit zahlreichen
Steinfiguren und die mit besonderer Vorliebe als Fassadenschmuck verwendete
Figurenbüste und das Medaillonbildnis. Aus der flandrischen Kunst
übernommen, erfährt dies reizvolle Steinbildwerk hier eine sonst
nirgends zu beobachtende Fortentwicklung.115
[271] In den Bürgerbüchern Danzigs
finden wir eine Reihe niederrheinischer Künstler verzeichnet, die sich der
aufstrebenden Stadt zuwandten und in der Gewinnung des Bürgerrechts
erkennen lassen, daß sich ihnen auf dem neuen Boden alsbald die
erwünschte sichere Laufbahn eröffnete. Ihr zahlreiches Auftreten
erklärt die Formensprache
flandrisch-holländischer Kunst, welche bis in den Anfang des 18.
Jahrhunderts die Baukunst und Bildnerei in Danzig beeinflußten und dann
erst dem Kunstgeschmack Frankreichs der Zeit Ludwigs XIV. wichen.
Die Pflanzstätten niederrheinischer Kulturblüte: Antwerpen,
Amsterdam, Haarlem, Enkhuysen und Utrecht entsenden uns vornehmlich die
Künstler und Handwerker. Da ist um 1551 der Bildhauer und Schnitzer
Wylm van Gulich (Jülich), der Steinmetz Hinrick van Linth
aus Antwerpen und Cornelius Brun aus Brüssel, die 1561 Danziger
Bürger werden. 1575 erwirbt das Bürgerrecht der Maurer und
Steinmetz Kaspar Willems aus dem Haag. Genannt haben wir bereits
Hans Fredemann de Vries und seinen Sohn Paul aus Amsterdam, ferner
den Bildhauer Gerard Hendrikszon (Heinrichs) um 1572. Sein Sohn
Geert lebte gleichfalls als Bildhauer in Danzig.
Mit wenigen Worten muß noch auf Hans Fredemann de Vries und
sein Meisterwerk eingegangen werden, das sich im
Rechtstädtischen Rathaus befindet, die prachtvolle Ausgestaltung
der großen oder Sommerratsstube, die den Glanz des damaligen Danzig
innenarchitektonisch als schönstes Beispiel vergegenwärtigt, das
heute noch allgemein bewundert wird. Fredemann, dieser namhafte
niederländische Künstler, der eine große Zahl von
Vorlagenwerken herausgebracht hat, war, wie wir an anderer Stelle schon sagten,
damals in Danzig tätig, er hat, wie urkundlich nachweisbar ist, 1594 und
1595 Gemäldeschmuck für den Roten Saal des Rathauses geliefert,
der aber bereits 1608 dem jetzt noch erhaltenen Deckenschmuck weichen
mußte, während die gleichzeitig entstandenen sieben
Wandgemälde von seiner Hand, Tugend und Laster darstellend, sowie
ein Jüngstes Gericht an der Querwand noch heute erhalten sind.
Diese Gemälde sowie die ganze geradezu meisterhafte
Flächenaufteilung, sind wertvolle Denkmäler der
niederländischen Architekturmalerei in Danzig. Doch
müssen diese Gemälde zurücktreten gegenüber den
ausgezeichneten künstlerisch überaus bedeutsamen
Schnitzereien, die allerdings nicht von Fredemann stammen, sondern von
Simon Herle, einem höchstwahrscheinlich ortsansässigen
Künstler, der sicher eine große Werkstatt von bestgeschulten [272] Kräften besaß, dem aber Hans
Fredemann persönlich, der ja mit seinen etwa dreißig
Vorlagenwerken einer der führenden Künstlerpublizisten jener Zeit
war, Anregungen vermittelte.
Um 1583 wurden weiter in Danzig ansässig die Steinhauer Thomas
Frantzen aus Utrecht und Peter Janssen aus Enkhuysen, 1676 Hans
Steffen aus Herzogenbusch und der Bildschnitzer Heinrich Bruite aus
Lifferden bei Nimwegen. Das baugeschichtlich bedeutende Haarlem entsandte
den Bildhauer Frederik Hendriksz Vroom, den die Zeitgenossen zu den
hervorragendsten Baukünstlern rechnen. Die Gruppe der Bildhauer um den
gemeinsamen Namen von dem Block aus Hecheln haben wir bereits an
anderer Stelle genannt. Wir erwähnen weiter kurz: Wilhelm von der
Mehr (Meer), auch Barth der Ältere genannt, aus Gent in
Flandern als Steinhauer, und seinen Sohn Wilhelm von der Meer oder
Barth der Jüngere, der den großen Kamin im Roten Saal des
Rathauses und den Kamin nebst Gesims im jetzigen Empfangszimmer des
Rathauses fertigte, Hauptzierden des Rathauses, und der auch an den
Meißelarbeiten der Peinkammer und des Zeughauses nachweisbar ist.
[273] St. Georgsgruppe im Artushof.
(Die älteste Holzschnitzerei im Artushof. Im Hintergrunde im Rahmen an der Wand ein
Bild der Marienburg.)
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Wir müssen hier weiter besonders der Meister gedenken, die die
Schnitzarbeiten an den Banken der Brüderschaften des Artushofes
lieferten. Diese Schnitzereien sowohl wie die übrigen im Rathause weisen
ebenfalls fast ausschließlich nach dem Westen. Die Wände
des hohen Raumes des Artushofes sind außer den noch zu
erwähnenden Bildern durch reiche Schnitzereien belebt, die dem Ende des
15. und dem Anfang des 16. Jahrhunderts entstammen. Von diesen Schnitzwerken
nenne ich vorerst die aus dem Jahre 1545 stammende
St. Georgsgruppe und die ältere Figur des
hl. Jakobus des Älteren, treffliche Schaustücke der
Schnitzkunst. Über ihre Herkunft schweigen die Quellen, aber
unverkennbar sind bei ihnen die Einflüsse des großen
Nürnberger Veit Stoß, und wohl von einem seiner
Schüler, möglicherweise von Hans Brand herrührend,
der 1485 in Danzig nachweisbar ist und der auch der Verfertiger der aus rotem
Marmor hergestellten Grabplatte des hl. Adalbert im Dome zu Gnesen ist, wie ja
auch der Sarkophag des Heiligen von einem Danziger Goldschmied hergestellt
ist.
Als Nürnberger Schüler zu bezeichnen ist auch Meister
Paul, der über Sachsen nach Danzig gekommen ist, dem wir aus der
Zeit kurz nach 1525 den im Stadtmuseum befindlichen
Dreikönigsaltar sowie die Figur des Salvator mundi in der
Marienkirche zuzuschreiben haben und dessen letztes bekanntes Werk ein
wundervoll geschnitztes Kruzifix in der [273=Foto] [274] Marienkirche vom Jahre
1542 ist, dessen Kruzifixus so meisterhaft ist, daß die Sage entstanden ist,
der Meister habe seinen eigenen Sohn bzw. Schwiegersohn ans Kreuz geschlagen
um so die einzelnen Züge für sein Werk genau studieren zu
können. Von diesem Meister Paul stammt auch die 1542 angefertigte Figur
des Christophorus für die Christopherbank des Artushofes, wie er
auch die Schnitzarbeiten an der Christopherbank selbst, die sich durch
künstlerisches Ebenmaß auszeichnen, angefertigt hat.
Die Reinholdsbank schnitzte Meister Heinrich Holzapfel aus Kassel. Als
Bildschnitzer waren 1567/68 im Artushol weiter tätig: Hans Beißer,
Meister Sillnus und Meister Friedrich, wahrscheinlich Friedrich Fruchtte aus
Steinfurt in Westfalen, der sich 1567 in Danzig niedergelassen hatte. Der 1545/46
gesetzte 38 Fuß hohe Ofen, der noch heute zu den bekanntesten und
meist bewunderten Kunstwerken des Artushofes gehört, ist von Meister
Georg Stelzener, einem Genie in seinem Fach, gesetzt. Die Kacheln sind
mit Fluren geschmückt, und zwar zeigt jede Kachel ein anderes Bild, so
daß wir hier auf den Kacheln des Ofens nicht weniger als insgesamt 268
verschiedenartige Brustbilder haben. Sie erinnern ungemein stark an die
Portraits von Lukas Kranach und seiner Schule, namentlich scheint so
manches der sächsischen Kurfürstenbilder als Vorlage gedient zu
haben.
Das sind nur einige der bedeutendsten Meister und ihre Werke, die aber deutlich
genug zeigen, in welcher Richtung sich diese Art der Danziger Kunst bewegte.
Wir erwähnen zum Schluß noch manche Denkmäler in der
Marienkirche, z. B. das Freigrab des Simon Bahr und seiner Gattin
aus weißem und schwarzem Marmor, das wohl von Wilhelm von dem
Block stammt. Das erste bedeutende Kunstwerk Abraham von dem Blocks in
Danzig ist der Hochaltar von St. Johann. Auch hier hat der
Künstler, der etwa dreißig Jahre als Architekt und Bildhauer in
Danzig tätig gewesen ist, sich die niederländische Renaissance zum
Muster genommen. Dieser Altar ist zugleich auch der einzige Steinaltar
Danzigs. Der ganze Aufbau samt den Figuren und Reliefs dieses 12 Meter
hohen Altares sind aus Sandstein.
[275] Astronomische Uhr von Hans Düringer in der
Marienkirche. (Erbaut 1470.)
(Rechts unten der Barbaraaltar der Schuhknechte.
Um 1490.)
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Schließlich sei unter den profanen Kunstwerken noch die berühmte
große astronomische Uhr erwähnt, die ihren Platz bis auf den
heutigen Tag in der Marienkirche hat. Sie ist die älteste aller
vorhandenen Uhren dieser Art und in den Jahren zwischen 1464 und 1470 von
Meister Hans Düringer angefertigt worden. Nach
Lübeck weist unsere Uhr hin. Dort haben wir in der Marienkirche
eine ähnliche astronomische [275=Foto] [276] Uhr, die einen vollendeten
Renaissancebau zeigt und heute noch im Betrieb ist, während unser
Danziger Kunstwerk, in seinen gotischen Formen äußerlich scheinbar
unverletzt, bisher unheilbar geblieben ist. Doch die gegenwärtige
Uhr in der Lübecker Marienkirche kann das Vorbild für unsere
Danziger nicht sein, denn sie ist rund hundert Jahre jünger, sie ist erst in
den Jahren von 1561 - 66 entstanden. Aber sie hatte eine
Vorläuferin, die 1402 erbaut, aber schon zwei Jahre später durch
Feuer vernichtet wurde, von der aber bald wieder erneuten, also zweiten, stammt
eine Kalenderscheibe im Lübecker kunsthistorischen Museum, die der
Danziger auffallend ähnlich ist, nur ist die Danziger doppelt so groß.
Jene muß wohl als die Vorläuferin unserer Danziger angesprochen
werden.
Wie die Holzschnitzkunst von den amtlichen Vertretern und von den Banken
gepflegt und gefördert wurde, so geschah es auch von den vornehmen
Familien in ihren Privathäusern. Kunstvolle Holzschnitzereien und
eingelegte Täfelungen finden wir in allen Dielen und
Treppenhäusern der vornehmen Danziger. Die Künstler waren
vielfach im Dienste der Stadt stehende Meister, oft aber auch andere, die hierher
aus deutschen Landen zugewandert waren, auf die näher einzugehen wir
uns hier versagen müssen.
Auch die kirchliche Kunst jener Zeit in Danzig weist unzweifelhaft nach
dem deutschen Westen. Die Kirchen selbst waren ja im Bau fertig,
höchstens fanden noch Umbauten und Erweiterungen statt. Die Form des
Turmes der Marienkirche, der im ersten Jahrhundert der sogenannten
polnischen Herrschaft vollendet wurde, geht auf flandrische Vorbilder
zurück, wie wir bereits zeigten. Aber man wetteiferte nun in der inneren
Ausgestaltung. Und hier können wir den beherrschenden Einfluß
der Lübecker Kunst sowohl wie der niederrheinischen und
bis zu einem gewissen, wenn auch nur kleineren Teil der
süddeutschen ganz unzweifelhaft feststellen. Sämtliche
Altarbilder und Schnitzwerke der Marienkirche z. B. gehören mit
wenigen Ausnahmen dem Niederrhein an. Sie sind, wiewohl
künstlerisch von sehr verschiedenem Wert, in reicher Zahl vorhanden und
Zeugnisse der Kulturverbundenheit Danzigs mit dem deutschen Westen. Hier
seien kurz nur einige der Kunstwerke der Marienkirche genannt, vornehmlich
soweit ihre Meister bekannt sind.
Der kleine Schnitzaltar, der neben dem Pfeiler am Lutherdenkmal steht, wird mit
der Kunst Bernt Notkes in Zusammenhang gebracht. In die gleiche
Richtung weist nach den Forschungen von Ludwig Kaemmerer der
Mittel- [277] schrein des Barbaraaltars der
Schuhmacherzunft. Die Malereien des Dorotheenaltars sind zweifellos
norddeutschen Ursprungs, wenn es auch nicht sicher ist, ob sie in Danzig selbst
entstanden oder eingeführt sind. Sind sie hier entstanden, so doch von
einem Meister, der aus dem deutschen Nordwesten eingewandert war oder dort
seine Ausbildung genossen hatte. Sie stehen der Kunst des Hamburger
Meisters Francke so nahe, daß sie als Werk seiner Werkstatt bzw.
seines Kreises angesprochen werden müssen.
Der etwa aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammende Altar der St.
Jakobuskapelle gehört unzweifelhaft dem Kreise der
sundisch-lübischen Kunst an. Der Altar der Ferberkapelle
ist niederrheinisch, wie ja auch die ganze für Danzig so bedeutsame
Familie Ferber dem Niederrhein entstammt und mit ihm allezeit engste
Verbindung hielt. Der etwa um 1500 entstandene Adrianusaltar der
Fleischerzunft und der 1516 aufgestellte Altar in der Reinholdskapelle der
gleichnamigen Bruderschaft, ganz vortreffliche Werke der Schnitzkunst, sind
Antwerpener Werkstätten entsprossen, wie das auf beiden dem
Holz eingebrannte Händchen - das Zeichen der Antwerpener
Lukasgilde - ausweist. Die ganz vorzüglichen
Flügeldarstellungen des Reinholdaltares sind Meister Joos von
Cleve, der um diese Zeit in Antwerpen ansässig war,
zuzuschreiben.
Einst war in der Trägerkapelle ein Altar vorhanden, der von dem
Goldschmied und Maler Israel aus Mecheln stammte und sich besonders
durch sein kunstvolles Schnitzwerk auszeichnete.116 Holländische Arbeiten
sind auch zwei gemalte Altarflügel mit einer Anbetung und einer
Kreuzabnahme, die aus dem Ausgange des 15. oder dem Anfange des 16.
Jahrhunderts stammen.
Der um 1500 entstandene Jerusalemaltar der Priesterbruderschaft, dessen
Malereien durchaus niederrheinischen Charakter tragen, zeigt in der
Komposition der Tafeln Elemente der vlamischen Miniaturmalerei. Die
Olansbrüder bestellten um 1500 für ihre Kapelle ein
Altargemälde für 80 Gulden Rheinisch im Westen, doch blieb das
Gemälde in Hamburg zurück, weil das Schiff unterwegs
strandete.117
[279] Blick auf den Hochaltar (erb. 1517) der Marienkirche.
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Das Hauptwerk unter den Altären der Marienkirche aber ist der
Hochaltar. Sein Meister ist der Maler Michael, von dem Simon
Grunau in seiner Chronik berichtet, daß er ein Schwabe aus
Augsburg gewesen sei, doch hat sich seine Herkunft aus Augsburg bisher
urkundlich noch nicht erweisen lassen. Der Altar wurde 1511 in Auftrag gegeben
und stand 1517 fertig da. Meister Michael ist aus der Schule
Albrecht [278] Dürers, siedelte 1510 nach
Danzig über und stand hier in solchem Ansehen, daß er 1518 unter
die Mitglieder der Reinholdsbank aufgenommen wurde. Die Gesamtkosten des
Altares betrugen 13 550 Mark 14 Schilling, d. h. nach unserem
Gelde etwa 57 800 Mark. Wir müssen bei dem Altar unterscheiden
zwischen dem Maler und der Gesamtkomposition einerseits und dem
unbekannten Schnitzer andererseits. Meister Michael war der
Unternehmer, der auch die Malereien ausgeführt hat, und es ist wohl mit
Sicherheit anzunehmen, daß auch der Gesamtentwurf von ihm stammt. Die
Malereien dieses Altares weisen ganz unzweifelhaft auf allerengste Beziehungen
zur Schule Albrecht Dürers hin, mit der der Meister in so enger
Verbindung gestanden haben muß, daß er die Motive zu den Bildern
und Holzschnitten teilweise den etwa gleichzeitig erschienenen Holzschnitten und
Kupferstichen Albrecht Dürers entnommen hat. Dagegen erinnern die
Schnitzereien, namentlich die der Gestalten, mehr an die norddeutsche als
an die süddeutsche Kunst, ja es sind bei den Köpfen gewisse
Zusammenhänge etwa mit jenen des Altares von Odense, den der
Lübecker Claus Berg um 1520 geschaffen hat, nicht zu
verkennen.
In der Zeit nach 1517 hat die kirchliche Kunst in Danzig etwa bis gegen die Mitte
des 16. Jahrhunderts nichts von Bedeutung geschaffen, selbst nicht in der Zeit, als
bedeutende Künstler aus
Süd- und Westdeutschland der Renaissancekunst auf dem profanen Gebiete
Eingang in Danzig verschafften und hier eine rege Tätigkeit z. B. in
der Ausschmückung des Artushofes und des Rathauses, entfalteten. Es ist
dies wieder die gleiche Beobachtung, die wir auch in deutschen Landen machen
können, namentlich in jenen, in denen die Reformation bald zum Siege
kam. Es vollzog sich im kirchlichen Leben ja eine grundlegende Änderung,
teilweise setzte geradezu eine Bilderstürmerei ein, kurze Zeit auch
in Danzig, und eine solche Zeit, die voller Gärung und religiöser
Unruhen war, war nicht geeignet, neue religiöse Kunstwerke zu schaffen.
Sie finden wir erst wieder, als eine gewisse Ruhe und Klärung eingetreten
war, etwa um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Nun, besonders aber seit dem letzten
Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts setzte eine regere Tätigkeit wieder auch auf
dem Gebiete der kirchlichen Kunst ein, und unter Beteiligung
vorzüglicher, aus den Niederlanden eingewanderter Künstler
wurden für die Kirchen jene prächtigen Ausstattungen geschaffen,
und zahlreiche, zum Teil mit großem Aufwand ausgeführte
Grabdenkmäler in Holz und Stein errichtet, deren
künstlerische Bedeutung noch heute [279=Foto] [280] anerkannt wird. Der bereits
erwähnte Renaissancealtar in St. Johann wurde zwischen 1598 und
1611 geschaffen, und die Altäre in St. Barbara und St.
Trinitatis sind erst zwischen 1613 und 1632 errichtet.
Aus der Marienkirche müssen wir noch kurz drei weiterer Kunstwerke
Erwähnung tun: Der Taufe, die 1554 in den Niederlanden in
Auftrag gegeben wurde, nachdem der Taufstein schon 1553 von einem vom
Westen her eingewandertes Danziger Steinhauer Cornelius gearbeitet und
durch die Meister Heinrich Nyenbroch und Bartold Pasteyde mit
den Skulpturen versehen worden war. Das Modell fertigte Heinrich
Willemszon in Utrecht, die Ausführung übernahm der
Kupferschläger Adrian Heinrichszon in Utrecht. Die
Zusammensetzung der einzelnen Stücke der Taufe in der Kirche erfolgte
unter Leitung des utrechter Meisters Claus und seiner beiden Gesellen. Die
Herstellung des ganzen Kunstwerkes erforderte zwei Jahre. Auch das den
Taufstein umgebende Messinggitter in gefälligen Renaissanceformen ist
niederländischen Ursprungs. Die gesamten Kosten betrugen
10 465 Mark 44 Schillinge, nach jetzigem Gelde rund 157 000
Reichsmark.
Die große Orgel der Marienkirche wurde von Meister Beyeman
aus Bautzen gefertigt, dessen Sohn Anton sie 1547 umbaute. In den Jahren
1583/86 fand ein vollständiger Umbau statt, und zwar durch den
hervorragenden Orgelbauer Julius Antoni von Friesland. Nach diesem
Umbau war sie eine der berühmtesten Orgeln jener Zeit. Ein westdeutscher
Künstler, der Dithmarsche Cajus Schmedeke oder Schmidtlin war
es, der sie bei der feierlichen Einweihung spielte und den die Danziger dauernd
bei der Kirche zu behalten suchten, was zunächst an der Geldfrage
scheiterte, bis der Plan nach einigen Jahren doch verwirklicht wurde und
Schmedeke bis zu seinem Tode im Jahre 1611 Organist bei der Marienkirche
blieb. Bei der Neubesetzung folgte der Rat der Empfehlung des berühmten
Organisten Max von Lübeck und berief dessen Schwiegersohn
Christoph Vater aus Flensburg nach Danzig.
Schließlich sei abschließend als Kunstwerk in der Marienkirche noch
das prächtige, in Gestalt eines gotischen Turmes aus Holz geschnitzte, auf
steinernem Fuße ruhende 19 Fuß hohe
Sakramentshäuschen erwähnt, das in der Zeit zwischen 1478
und 1482 entstanden ist und an Kunstfertigkeit und Größe zu den
besten seiner Zeit gehört. Auch dies Sakramentshäuschen weist
(ebenso wie das ganz anders geartete in der Kathedrale zu Oliva) nach
Deutschland. Denn das Deutschland der Spätgotik war es, das diese
Sakraments- [281] häuschen schuf, und zwar treten sie dort
auf vom Ende des 14. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Am häufigsten
treffen wir sie in Schwaben, am Niederrhein und vor allem in Westfalen.118 Es ist bemerkenswert, daß zu
gleicher Zeit auch die Lübecker Kirchen mit
Sakramentshäuschen geschmückt wurden, so die Marienkirche
1476/79, die Aegidikirche 1478, die Petrikirche 1487.
Diese wenigen Hinweise auf die kirchliche Kunst mögen hier
genügen. Wir sehen auch da in der Marienkirche eine vollkommene
Beeinflussung durch den deutschen Westen, was natürlich nur
möglich war durch die allerengsten Beziehungen zu ihm. Was uns hier
entgegentritt, ist durch und durch deutsche Kunst oder italienische in
deutschem Gewande, ist deutsche Auffassung, die grundverschieden ist von
der polnischen
Auffassungs- und Darstellungsweise. Letztere finden wir in Danzigs Kirchen
nicht. Was von der Marienkirche gesagt ist, gilt im wesentlichen auch von
allen anderen Danziger Kirchen und ihren Kunstwerken.
Gedenken müssen wir unter den Künstlern, die in erster Linie, aber
doch keineswegs ausschließlich, für die kirchliche Kunst tätig
gewesen sind, unbedingt auch der Danziger
Gold-und Silberschmiede,119 die hier in recht erheblicher Zahl
ansässig waren und Meisterwerke geschaffen haben, die weit über
Danzigs Grenzen hinaus verbreitet sind und zu den bedeutendsten
Kunstschätzen zählen, soweit sie noch vorhanden sind und einer
Beurteilung unterliegen. Denn viele sind durch Kriege und durch die Ungunst der
Zeit zerstört worden oder in Verlust geraten, viele sind auch in der
Kriegsnot eingeschmolzen worden, wie dies z. B. in Danzig selbst der Fall
gewesen ist. Die Bedeutung der Danziger
Gold- und Silberschmiede für den deutschen Osten können wir schon
daraus erkennen, daß das Gewerk der Danziger Goldschmiede bis zum 18.
Jahrhundert erheblich mehr Mitglieder besaß als das Gewerk der Danzig an
Einwohnerzahl und Größe erheblich überlegenen Stadt
Breslau. Überall in Westpreußen, im Ermland, in der Provinz Posen
und darüber hinaus stößt man in den Kirchen auf Danziger
Goldschmiedearbeiten. Aus Polen selbst gingen zahlreiche Bestellungen in
Danzig ein, Danzigs Goldschmiede waren berühmt. Noch heute stehen als
Zeugnisse der Kunstfertigkeit der Danziger Edelschmiede die großen
Prunkgräber mit den silbernen Sarkophagen des hl. Adalbert in der
Domkirche zu Gnesen und des hl. Stanislaus in der Kathedrale auf
dem Wawel zu Krakau, beides schwungvolle Arbeiten aus dem Ende des
17. Jahrhunderts. Der Meister beider Grabmale ist der bedeutendste
Danziger [282] Meister des 17.
Jahrhunderts, der aus einer niederrheinischen Goldschmiedefamilie
stammende, 1607 geborene Peter von der Rennen, dessen Vater nach
Danzig eingewandert und hier 1592 Meister geworden ist.
Schon in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, also kurz nach Beginn der
Ordensherrschaft, begegnen wir in Danzig Goldschmieden, ihre Zahl vermehrt
sich in den folgenden Jahrhunderten bedeutend. Sie sind aus deutschen
Landen nach Danzig eingewandert, und stets begegnen uns die gleichen immer
deutschen Namen. Im 16. Jahrhundert sind es die John, Schulte, Gronau, Kolner,
Stechmesser, im 17. dazu die Dettleff, Rode, Mackensen, Kadau, dann die
Schmidt, Holt, Preßding, Haase, Wonnecker u. s. w. Die
Wiederkehr der gleichen Namen, oft einer ganzen Reihe zur gleichen Zeit, hat
ihren Grund darin, daß die Angehörigen des Danziger
Goldschmiedegewerks durchweg verwandt und verschwägert waren, da die
Goldschmiedesöhne
und -töchter gewöhnlich wieder Goldschmiedekinder und die
Witwen von Goldschmieden wieder Goldschmiede heirateten. Aber stets
wanderten auch aus der alten deutschen Heimat immer wieder frische
Goldschmiede zu, oft Verwandte hier schon ansässiger Goldschmiede. Aus
ganz Deutschland kamen sie, insbesondere aus den berühmten
Goldschmiedestädten. Eine sehr stattliche Anzahl haben
Nürnberg und Augsburg geliefert. Aus der Augsburger
Familie Holt allein sind z. B. nicht weniger als sechs
Abkömmlinge in Danzig vertreten. Von den süddeutschen
Städten seien weiter genannt: Ansbach, Schwabach, Frankfurt a. M.;
Schlesien, Sachsen, Thüringen und Meißen sind u. a. vertreten
mit Liegnitz, Görlitz, Torgau, Saalfeld, Mühlhausen,
Schönborn. Der Norden schickte Meister aus Dithmarschen (Lunden),
Holstein (Rendsburg, Husum, Delmenhorst, Flensburg), Hamburg; die
Niederlande aus dem Haag, Deventer, Antwerpen u. s. w. Auch
Schottland, Dänemark und Schweden sind vertreten.
Die in Danzig ausgebildeten Goldschmiedegesellen aber hatten, bevor sie
sich zum Meisterstück meldeten, oft ein gutes Stück von
Deutschland gesehen und ihre Kunst an mancherlei Orten und auf mancherlei
Weise betrieben. Von ihnen wurde eine Wanderzeit von mindestens einem halben
Jahr gefordert; auch bei Meistersöhnen wurde von dieser Bestimmung nicht
abgesehen, selbst in dringenden Fällen nicht, bei denen es sich z. B.
um den Sohn eines Goldschmiedes handelte, der das väterliche Erbe
übernehmen sollte. Norddeutschland, Hamburg, Rostock, die
preußischen Städte Thorn, Elbing, Königsberg und Allenstein,
aber auch Bres- [283] lau, Wien, Dresden, Nürnberg,
Augsburg, der Haag u. a. werden oft als Orte genannt, an denen die in
Danzig zur Meisterschaft sich meldenden Gesellen gearbeitet hatten. Nicht selten
kam es auch vor, daß die Danziger auswärts blieben, dort das
Meisterrecht erwarben und sich in den deutschen Städten
niederließen. In den von Th. Hampe herausgegebenen
Nürnberger Ratserlässen über Kunst und Künstler im
Zeitalter der Spätgotik und Renaissance (1904) sind z. B. vielfach
Namen von Danziger Goldschmiedegesellen vertreten, die zum Teil auch in
Nürnberg das Meisterrecht gewannen und sich dort niederließen. So
z. B. 1572 ein David Stechmesser, 1574 ein Endres Stechmesser, 1593 ein
Abraham Düttich (Tideke), Lorenz Dittich u. s. w.
Auch in der Kleinkunst sind uns prächtige Stücke dieser
Gold- und Silberarbeiten erhalten. So finden wir z. B. ausgezeichnete
Schmuckkästchen mit eingelegten gravierten Silberplatten, auf denen
sowohl historisch-biblische Gegenstände, wie auch arabeskenartige
Schnörkel mit Vögeln, Tieren, Figuren u. s. w.
abgebildet sind. Sie sind ganz im Stile Albrecht Dürers gehalten
und erinnern besonders an dessen Randzeichnungen im Gebetbuch für
Kaiser Maximilian. Die Verfertiger dieser Schmuckkästchen hießen
Silberkistler, sie kamen teils von Augsburg und
Nürnberg, zum erheblichen Teil aber sind sie auch in Danzig selbst
angefertigt worden von Künstlern, die bei deutschen Meistern ihre
Ausbildung genossen hatten. Ja Danzigs Künstler sind es teilweise
gewesen, die dort Werkstätten errichteten und Jünger ihrer Kunst um
sich sammelten. So sagt z. B. Paul von Stetten der Jüngere in seiner
Kunst-Gewerbe- und Handwerksgeschichte der Rechtstadt Augsburg vom
Jahre 1779 an einer Stelle, an der er von solchen Silberkistlern spricht: "Zu dieser
Art von Künstlern gehört Daniel Herz, welcher sehr artige
Arbeiten fertigt, besonders aber Emanuel Eickel aus Danzig
gebürtig, welcher Manus Schüler gewesen ist." Auch erwähnt
er den aus Danzig gebürtigen Formschneider Daniel Volkert als
eines Schülers von Schlüter.120
In den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts wurde in Danzig auch die
Herstellung des gesponnenen
Gold- und Silberdrahtes aufgenommen. Bisher waren die Fabrikate dieser Art von
Venedig und namentlich aus Nürnberg und Leipzig bezogen worden. Es
hatten Nürnberger, Augsburger und andere westdeutsche Fremde mit ihnen
in Danzig gehandelt. Besonders bekannt und beliebt waren im 17. Jahrhundert die
Nürnberger Fabrikate, da in den Berichten aus damaliger Zeit immer wieder
Nürnberg als vorzüglichster Herstellungsort genannt wird. In
Nürnberg war dieser Zweig [284] in Deutschland auch am ehesten in Aufnahme
gekommen, und von Nürnberg wurden im Jahre 1627 die ersten Hersteller
dieser Fäden nach Danzig gerufen, denen später weitere folgten.
Doch hat man auch in der nachfolgenden Zeit in Danzig die Nürnberger
Erzeugnisse sehr häufig den einheimischen vorgezogen.121
Unsere Erörterungen über die Beziehungen Danzigs zur deutschen
Kunst wollen wir schließen mit einem ganz kurzen Hinweis auf zwei
Künstlergruppen, die ganz eng miteinander in Beziehung stehen und von
denen beide Arten nicht selten vom gleichen Künstler geübt worden
sind: die Maler und die Kupferstecher. Bereits in den
voraufgegangenen Darlegungen ist ja wiederholt einzelner Maler und
Gemälde gedacht worden, die nach Deutschland weisen. Hier sollen nur
einige ganz knappe Ergänzungen folgen.
Mit der zweiten Blüteperiode Danzigs, in der die übrigen
Künstler hier so herrliche Werke schufen, durfte die Kunst des Malers nicht
zurückstehen, und die Bildwerke wurden entweder in deutschen Landen in
Auftrag gegeben, oder aber, was wohl am häufigsten der Fall war, die
deutschen Maler kamen nach Danzig, wo sich ihnen ein so reiches
Betätigungsfeld bot. Wir vernehmen, daß der Danziger Rat selbst
Aufträge nach Amsterdam erteilte,122
daß er dorther Tapeten mit eingewebten Bildern bezog.
In Danzig sind die verschiedenen Richtungen der Malerei vertreten, eine
eigentliche Schule, wie anderswo, gibt es in der Danziger Malerei aber nicht. In
ihrer Geschichte heben sich vielmehr im Laufe der Jahrhunderte eine Reihe
einzelner Künstler heraus. Sind sie in reiferen Jahren nach Danzig
eingewandert, so pflegen sie die Malerei ihres heimatlichen Kunstkreises, sind sie
in der Ostmark bodenständig, so ziehen sie hinaus und bilden sich in den
Kulturstätten des Westens, Oberdeutschlands und des Südens.123 Ich will mich begnügen, hier
nur einige.Namen zu nennen: Isaak von dem Block, der "Maler von
Danzig", Anton Möller, Rumpel von Uhlenberg, Lucas Ewert, der
aus Neuß am Rhein eingewanderte Hermann Hahn, Bartholomäus
Miltwitz aus Pommern, Adolf Boy, Wolf Sporer, Andreas Stech, der
Rheinländer Antonius Wiedt, Laurentius Deneter, Isaak und
Enoch Seemann u. a. Diese Namen allein schon beweisen neben
den bereits früher genannten, daß auch die Malkunst in Danzig genau
wie die übrige Kunst Danzigs ausschließlich durch den deutschen
Westen beeinflußt worden ist.
Daß die Stadt Danzig selbst natürlich auch Künstler
hervorgebracht hat, ist selbstverständlich bei einer für die [285] Kunst so interessierten Stadt. Und es gibt so
manchen Sohn der alten Weichselstadt, dessen Namen im Reiche der Kunst einen
guten Klang hat.
Die ersten Versuche in der Danziger Kupferstechkunst fallen bereits in das
Ende des 16. Jahrhunderts, die erste hier gestochene bekannte Ansicht von
Danzig, aus dem Jahre 157[5], stammt von einem unbekannten Meister. Aber auch
die Kupferstecher kommen aus dem Westen oder haben ihre Kunst dort gelernt.
Ich nenne wieder nur einige: Nikolaus Andrea, als Maler und
Kupferstecher recht beachtlich, stammte aus Flensburg in
Dänemark, weilte 1573 in Augsburg, 1581 in Wilna, hielt sich
längere Zeit in Danzig auf, wo er auch seine besten Stiche vollendete.
Johannes Bensheimer aus Dresden, hervorragend als Stecher und
Medailleur, lebte von
1670 - 1680 in Danzig. Daniel Chodowiecki, einer der
fruchtbarsten und originellsten Stecher, hauptsächlich durch seine
geistreich ausgeführten kleinen reizenden Blätter, entstammte wohl
einer großpolnischen Familie, war aber völlig eingedeutscht,
lebte bekanntlich in Berlin, wo er von der Akademie der schönen
Künste schon 1764 zum Rektor ernannt wurde. 1788 wurde er
Vizedirektor, 1797 Direktor der Akademie. Matthias Deisch, der von 1760
bis zu seinem Tode im Jahre 1789 in Danzig lebte, war 1724 in Augsburg
geboren, das damals für Kupferstecher dasselbe bedeutete wie heute
Leipzig für den deutschen Buchhandel, lebte als Maler und Stecher
längere Zeit in seiner Vaterstadt, wo er die Künste in den
Werkstätten der Rugendas und Kilian gelernt hatte. Der Lehrer des
Jeremias Falk, der ohne Zweifel den ersten Rang unter Danzigs Stechern
einnimmt, und zu den besten Stechern aller Zeiten gehört, war ein
Schüler des Holländers Hondius, den wir früher bereits
genannt haben und der sich längere Zeit, von 1636 bis 1655, in Danzig
aufhielt. David Loggan, 1633 zu Danzig geboren, genoß seine
Ausbildung bei Simon de Paas und Wilhelm Hondius. Stephan van Praet,
der sich um 1645 in Danzig niederließ, stammte aus Holland und war ein
Nachahmer des Hondius. Friedrich Rosenberg, 1752 in Danzig geboren,
mehr wohl als Maler wie als Stecher bekannt, genoß seine Ausbildung in
Deutschland, der Schweiz und in
Holland. - Diese Hinweise mögen abschließend
genügen.
[286]
Zusammenfassende
Schlußbetrachtung
Wir sind am Schluß unserer Darstellung der Beziehungen Danzigs zum
Deutschen Reiche von seinen ältesten Zeiten bis zur Einverleibung Danzigs
in die preußische Monarchie im Jahre 1793. Es waren Einzelbilder,
die wir nach den verschiedensten Richtungen hin und in mannigfachster
Perspektive geschaut haben. Sie machen auf Vollständigkeit keinen
Anspruch und können in gewaltiger Weise ergänzt und bereichert
werden. Aber ich glaube, daß schon die angeführten Tatsachen, die
für Danzig auf allen Gebieten geradezu typisch sind, mit aller nur
wünschenswerten Klarheit dargetan haben, daß Danzig und sein Land
mit Deutschland in jeder Beziehung und zu jeder Zeit aufs innigste
verbunden gewesen ist wie kaum ein zweites Gebiet mehr sein konnte.
Urgermanisch ist der Boden, auf dem wir uns befinden. Weit mehr als ein
Jahrtausend saßen schon in der vorgeschichtlichen Zeit, angefangen mit
ihrem Ausgange, nur germanische Völkerschaften, die vom Westen nach
dem Osten drängten. Die slawische Zeit war nur von ganz kurzer Dauer, sie
hat keine Spuren hinterlassen, und es war vor allem auch keine
polnische Zeit, weder nach der Bevölkerung noch nach der Oberherrschaft.
Diese slawischen Bewohner aber waren nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft
emporzuarbeiten zu höherer Kultur und zur Urbarmachung des Bodens,
sondern die slawischen Fürsten selbst waren es, die die deutschen
Kolonisten und Kulturträger, Ordensleute, Kaufleute, Gewerbetreibende
und Bauern herbeiriefen, so daß die Deutschen auf allen Gebieten die
Lehrmeister wurden. Danzig selbst aber ist von Anbeginn eine deutsche
Gründung und eine deutsche Stadt gewesen.
In großen Scharen strömten zur Deutschordenszeit aus allen
deutschen Gauen die deutschen Ansiedler herbei, bevölkerten dies Gebiet,
erweiterten die Stadt, besiedelten und kultivierten das Land, ja schufen es durch
ihren unermüd- [287] lichen Fleiß und in härtester Arbeit
zum großen Teile erst. Kolonisation und Germanisation waren auf
friedlichem Wege völlig durchgeführt, als der Deutsche Ritterorden
abtrat.
Nicht politische oder nationale Beweggründe waren es oder gar
Sympathien für Polen, die Danzig zum Abfall vom Orden
veranlaßten, und Danzig ist nie mit dem polnischen Reiche vereinigt
gewesen, lediglich durch die Person des Königs war es mit ihm verbunden,
der faktisch nur Scheinoberhaupt war, denn Danzig war und blieb auch
während dieser Zeit vollständig frei und selbständig auf
allen Gebieten, und es hat sich nicht gescheut, zur Verteidigung dieser
Freiheit und seiner Rechte gegen den Schutzherrn selbst zu den Waffen zu greifen
und sie siegreich gegen ihn zu führen, sobald dieser Schirmherr versuchte,
Danzigs Rechte und Freiheiten anzutasten. Dieser Kampf hat bis zum letzten
Augenblick gedauert, bis zur Teilung Polens im Jahre 1773, in dem
Westpreußen außer Danzig und Thorn an Preußen fiel. Bei den
damaligen Verhandlungen war Danzig mit allen Mitteln darauf bedacht, daß
über die Abtretungen und die künftige Verfassung Polens,
über den Handel und die Grenzregulierung alle auf Danzig
bezüglichen Abmachungen nicht durch die polnische Delegation
verhandelt wurde, sondern durch den Danziger Rat mit den in Danzig anwesenden
Kommissaren von Rußland und Preußen, und mit allen Mitteln
strebte Danzig dahin, nicht etwa nun der Republik Polen unterworfen zu werden.
Noch am 9. September 1773 schrieb der Danziger Resident in Warschau, Dr.
Karl Friedrich Gralath, der Sohn des Danziger Bürgermeisters
u. a.:124 "Es ist bekannt, daß die
Republik (Polen), uns als eine ihr untergebene Stadt behandeln will. Dieses haben
die Polen in diesen Tagen mehr als zu deutlich an den Tag gelegt. Sie wollen uns
den Hafen nehmen und den Handel durch denselben gleich unseren Bürgern
führen, sie wollen vermöge einer Konstitution sich das Recht
anmaßen, Speicher in unseren Mauern zu besitzen, sie wollen, wie der
Hofmarschall Gurowski gestern dem Gert (dem Residenten der
Stadt Thorn) gesagt hat, uns wegen unseres Ungehorsams und harten Verfahrens
gegen polnische Edelleute und sogar gegen Landboten bestrafen und alle unsere
Vorrechte benehmen und neue Gesetze für uns machen."
Die Zeit der sogenannten polnischen Oberherrschaft ist eine Zeit
unablässiger, zäher und erbitterter Kämpfe gegen Polen
für die Freiheit und das Deutschtum gewesen, wie umgekehrt Polens
Streben stets vergebens dahin ging, sich Danzig einzuverleiben und seiner Rechte
und Freiheiten zu berauben, wobei die polnischen Könige und
Großen vor keinem [288] Mittel zurückschreckten, weder vor
Rechtsbruch noch vor Gewalt. Es hat in den damaligen 360 Jahren
genau die Spannung und der Kampf geherrscht, den wir heute in Danzig seit
Errichtung des Freistaates erleben und der mit aller Zähigkeit geführt
wird, geführt werden muß, weil es um Sein und Nichtsein der
Freiheit und des Deutschtums Danzigs heute geht wie ehedem. Es war nicht
Nationalismus, der einst den Danzigern gegen die polnischen
Gewaltbestrebungen die Waffen in die Hand drückte, und es ist heute
nicht Nationalismus oder Fanatismus, der Danzig jedes Tüpfelchen
seines ihm verbliebenen Rechtes bis zum äußersten verteidigen
läßt, sondern es war damals wie es heute ist der Kampf um die
Freiheit und das Deutschtum der Stadt und seiner Bewohner. Die Probleme sind
heute für Danzig genau so gestellt wie einst in den 350 Jahren der
polnischen Oberherrschaft, nur mit dem Unterschiede, daß für die
Freie Stadt Danzig der Kampf sich jetzt infolge der Ungereimtheiten,
Unmöglichkeiten und Widersinnigkeiten des Diktates von Versailles und
der Verschiedenartigkeit der Kräfteverteilung einerseits, des Fanatismus
und der Rücksichtslosigkeit Polens auf der anderen Seite noch viel
schwieriger gestaltet, weil Danzig heute wirtschaftlich an Händen und
Füßen gebunden und Polen gewissermaßen ausgeliefert ist, was
einst nicht der Fall war.
Wenn heute von polnischer Seite immer wieder darauf hingewiesen wird,
daß sich Danzig 1793 gegen die Einverleibung in den preußischen
Staat gesträubt habe, und wenn daraus der Schluß gezogen wird,
Danzig habe bei Polen bleiben wollen, Danzig habe Sympathien für Polen,
dagegen Antipathien gegen Preußen gehegt, so gehen diese Schlüsse
gänzlich fehl, wie schon aus unseren Darlegungen genugsam
hervorgeht. Die Gründe, die Danzig bewogen, sich gegen eine Vereinigung
mit Preußen zu sträuben, waren ähnlicher Natur wie jene, die
es einst bestimmten, sich vom Deutschen Ritterorden loszusagen. Danzig nahm
im polnischen Staate eine völlig selbständige Stellung ein, war nur
dem Könige unterworfen, was praktisch völlige Freiheit zu bedeuten
hatte. Danzigs Einwohner fühlten sich als freie Republikaner, die
ihre Freiheit durch Jahrhunderte gewahrt, ja mit ihrem Blute erkauft hatten.
Danzig war sich seiner Macht als Schlüssel zur Weichsel bewußt,
und da war es bei dem konservativen und auf Selbständigkeit und Freiheit
gerichteten Sinn der Stadt klar, daß sie sich gegen eine Einverleibung nach
Preußen sträuben mußte, denn sie war sich bewußt,
daß sie damit ihre bisherige Selbständigkeit einbüßen
und unter das strenge und straffe Regiment der preußischen Herrschaft kam.
Daß diese für Danzig von außerordentlicher Bedeutung [289] und von großem Segen geworden
ist, wissen alle, die Danzigs Geschichte und Entwicklung kennen. Und auch
Danzigs Bürger erkannten das sehr bald, so daß sie in sehr wenigen
Jahren aus "Mußpreußen" begeisterte Anhänger
Preußens wurden und sich schnell in dem preußischen Staate
wohl fühlten trotz des Verlustes ihrer politischen Freiheit und
Selbständigkeit, die sich in damaligen Zeiten nicht weiter aufrecht erhalten
ließ, wie auch der heutige Zustand auf die Dauer unmöglich
erscheint. Nun erst fühlten sich Danzigs Bürger wieder wohl,
nachdem sie mit ihren Stammesgenossen vereint, aus einer andersgearteten
Umklammerung befreit waren, und Danzigs Emporblühen begann alsbald
wieder auf allen Gebieten.
Die sogenannte polnische Zeit aber hat an Danzig, seinem Charakter und seinen
Bewohnern nichts zu ändern vermocht, alles blieb kerndeutsch nach
Sitte, Sprache und Gewohnheiten. Danzig war die Vorkämpferin des
Deutschtums im Osten, die Stütze und der Halt für die übrigen
Deutschgesinnten, und es hat nicht gezögert, dies auch den
pommerellischen Ständen und Städten einzuschärfen. Danzig
hat das Deutschtum stets betont und sich nicht gescheut, auch nach dieser
Richtung gewissen vornehmen Herren gelegentlich die Wahrheit zu sagen. So
erklärte es beispielsweise 1608 dem einer alten deutschen Familie
entstammenden pommerellischen Wojewoden Ludwig von Mortangen auf
einen von diesem in polnischer Sprache abgefaßten Brief, es
hätte es viel lieber gesehen, wenn er nach altem Brauche sich der
deutschen oder doch wenigstens der lateinischen Sprache bedient
hätte, nicht aber der polnischen.125
Mit Deutschland blieb es nach wie vor geistig aufs engste verbunden, alle dortigen
geistigen Strömungen und Regungen empfand es und machte es mit, weiter
ergänzte es seinen Zuwachs aus deutschen Landen, und die Ströme
der geistigen Kultur flossen nach jeder Richtung ausschließlich aus
Deutschland. Alle Gaue des deutschen Vaterlandes gaben ihre Kräfte
für Danzig her, Mitteldeutschland sowohl wie Norddeutschland, der
Niederrhein und Süddeutschland, je nachdem, welche Gegend in damaliger
Zeit auf diesem oder jenem Gebiete die Führung hatte oder besonders
zahlreiche Kräfte hervorbrachte. Ja das deutsche Reich selbst hat Danzig
nach wie vor als zu seinem Organismus gehörig betrachtet, es war nicht
willens, Danzig preiszugeben, wenn es seinen Willen auch nicht durchzusetzen
vermochte.
Andererseits hat sich Danzig in dieser Zeit geistig Polen gegenüber
vollständig hermetisch abgeschlossen, die Polen [290] wurden als Ausländer betrachtet
und behandelt, auf keinem einzigen Gebiete ist in Danzig polnischer
Einfluß zu erkennen, von einer "polnischen Kultur" oder gar von
"Denkmälern polnischer Kultur" in Danzig kann nicht im entferntesten
gesprochen werden, wer es tut, macht sich in den Augen jedes Kenners der Dinge
und der Geschichte nur lächerlich, er stellt die Geschichte geradezu auf den
Kopf und führt alle jene, die mit Danzig und seiner ruhmreichen Geschichte
nicht so vertraut sind, nicht so vertraut sein können, irre. Nur dieser
zielbewußten Irreführung der beim Abschluß des Versailler
Vertrages maßgebenden Männer und ihrem Willen, Deutschland
unter allen Umständen zu zerschlagen, ist es zuzuschreiben, daß die
heutige unglückliche, Danzig vergewaltigende und ihm und seinen
Bewohnern schwere Kämpfe aufzwingende Regelung getroffen worden ist,
die, wenn sie so bleibt, nie zum Segen für Danzig und nie zum Heile
für Europa ausschlagen kann. Man hat nicht nur die
Bevölkerung, sondern auch die Geschichte und die Natur
vergewaltigt, als durch den Machtspruch von Versailles das deutsche Danzig
mit seiner kerndeutschen Bevölkerung gegen deren Willen aus ihrer
natürlichen Verbindung mit dem deutschen Mutterlande riß, Danzig
zur Freien Stadt erklärte und dadurch einen Herd der Zwietracht
und Gefahr schuf, der für ganz Europa verhängnisvoll
werden kann.
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