Unter der Schutzherrschaft der Könige von
Polen.
Von 1454 - 1793. (Teil 4)
4. Zuwanderungen während der polnischen
Zeit
Wir haben früher gesehen, daß Danzig und das ihm beim
Übergang unter die polnische Oberherrschaft zugefallene Territorium
ausgesprochen deutsches Gepräge trug nach Sprache, Sitte und
Kultur sowohl wie nach der Abstammung seiner Bewohner. Dieser Zustand ist
auch während der ganzen sogenannten polnischen Zeit (von
1454 - 1793) erhalten geblieben. Zwar sind nun die Deutschen nicht mehr in so
großen Scharen herbeigeströmt wie einst unter der Ordensherrschaft,
aber das war auch nicht nötig, ja nicht einmal mehr möglich, weil mit
dem Ende der Ordensherrschaft die Besiedelung und Kolonisierung im
großen und ganzen ihren Abschluß gefunden hatte. Das ergibt
sich aus den Katastern, die aus der Zeit des Hochmeisters Konrad von
Jungingen (1344 - 1407) erhalten sind, ferner aus dem
Huldigungsbericht von
1450,58 in dem wir eine Übersicht
über die bestehenden Ortschaften, deren Leistungen an den Orden
u. s. w. haben. Was nach der Ordenszeit noch an
Neugründungen erfolgt, ist nur gering.
Aber doch hat auch während dieser ganzen Periode der Zustrom einzelner
Deutscher nie aufgehört, das gilt namentlich für
Danzig selbst, das ja zunächst in den Jahren zwischen 1550 und
1650 seine zweite Blüteperiode erlebte [188] und darum gewiß viele anzog. Auch
finden wir im 16. und noch im 17. Jahrhundert eine außerordentlich starke
Einwanderung aus Schottland und England und eine ebenso
mächtige aus den Niederlanden, wie wir an einzelnen Beispielen
sehen. So lassen sich beispielsweise59 aus den Danziger
Bürgerbüchern von 1562 bis 1754 allein 78 Namen von Hessen
nachweisen, die in Danzig das Bürgerrecht erworben haben, und zwar 15
Kaufleute, 51
Handwerker - davon allein 26 Schneider - 9 Arbeiter, 2 Schenken
und l Seefahrer. Die Zuwanderung aus Hessen hat auch nicht unwesentlich auf das
Danziger Geistesleben befruchtend eingewirkt. Es ist z. B. bezeichnend,
daß, wie ein Forscher60 festgestellt hat, unter den Predigern,
die von 1518 - 1806 an der St. Petrikirche in Danzig gewirkt haben, 30 aus
der Fremde stammten, und zwar in der Zeit von
1630 - 1760 aus Hessen nicht weniger als 15. Wir kommen später auf die
Wechselbeziehungen in geistiger Hinsicht noch in einem besonderen Kapitel
zurück - Knetsch zählt allein 236 Namen aus Hessen und
Waldeck auf, die bis zum Schluß der sogenannten polnischen Zeit in Danzig
als Gelehrte, Kaufleute, Handwerker u. s. w. tätig gewesen
sind.
Auch aus dem Rheinland ist die Zuwanderung in dieser Zeit, d. h. im 16.
bis 18. Jahrhundert, nicht unbedeutend gewesen.60a Diese Zuwanderung läßt
sich auf Grund der lückenlos erhaltenen Bürgerliste der Stadt Danzig
nachweisen, da die Eintragungen außer den
Familien- und Vornamen den Herkunftsort und den Beruf enthalten, zu dem der
neue Ankömmling sich als Bürger meldete. Aus diesen
Bürgerbüchern für die zweihundert Jahre von 1550 bis 1750
ergibt sich ferner, daß diese Zuwanderer überwiegend den kulturell
und wirtschaftlich höher stehenden Schichten entstammten und darum
einen wichtigen Bestandteil der Danziger Bürgerschaft bilden. Es ist
überaus bedeutsam, daß von den 258 in dieser Zeit sicher
festgestellten, in Danzig sich niederlassenden Rheinländern nicht weniger
als 164 dem Kaufmannsstande angehörten. Wenn man erwägt,
daß das Bürgerrechtsgeld in Danzig für den Kaufmann 340
Gulden damaliger Währung betrug, so leuchtet von vornherein ein,
daß der sich für diesen Bürgerstand Anmeldende ein nicht ganz
unbeträchtliches Vermögen mitgebracht haben muß, und daher
neben seiner Bildung und Energie Kapital der Stadt zuführte. Diese
Zuwanderer kamen in dieser genannten Zeit aus 91 Städten und Ortschaften
des Rheinlandes, Köln steht auch jetzt
wieder - nämlich mit 49, d. h. einem vollen Fünftel der
Zuwanderer - an der Spitze wie schon in [189] früheren Jahrhunderten. Ihm folgen die
Städte Essen (15), Aachen (13), Duisburg (11), Wesel (9), Neuß (8)
und Düsseldorf (7) in recht bedeutendem Abstande.60b
Weiter ist aber auch in dieser Zeit ein recht großer Teil des Zuzuges aus
dem übrigen sogen.
Polnisch-Preußen, d. h. aus dem ehemaligen Ordensgebiet, erfolgt,
wie dies ja in der vorigen Periode auch der Fall war, wo es
zahlenmäßig belegt worden ist. Dasselbe geschah nun auch unter der
polnischen Herrschaft. Diese Zuzöglinge aus
Polnisch-Preußen aber waren in den allerseltensten Fällen Polen, es
waren die Nachkommen eingewanderter Deutscher, also selbst Deutsche, auch
wenn sie mitunter polnische Namen trugen.
Verschwindend gering ist auch in dieser Zeit die Einwanderung aus dem
eigentlichen Polen, da der Rat Danzigs allezeit darauf bedacht war, Danzigs
deutsche Art zu schützen und fremde, unliebsame Eindringlinge in der
Stadt nicht aufkommen zu lassen. Das hängt auch eng zusammen mit den
Kämpfen Danzigs gegen Polen bzw. umgekehrt und der scharfen
Unterscheidung, die man hier allezeit, wie wir bereits an einigen Beispielen
gesehen haben, zwischen den Danzigern, die eben Deutsche waren, und den Polen
machte. Hatte doch auch das mit Polen um seine Rechte und Freiheiten
verzweifelt ringende Danzig geradezu ein lebenswichtiges Interesse daran, unter
seinen Bürgern möglichst wenige Polen zu zählen. Denn in
dem Maße, in dem diese an Zahl zugenommen hätten, in dem
gleichen Maße mindestens wäre die Widerstandskraft der Stadt
geschwächt worden.
Darum finden wir in den Danziger Bürgerbüchern auch aus dieser
Zeit sehr selten die Verleihung des Bürgerrechtes an einen Polen. Die
Verleihung des Bürgerrechtes für die nicht hansisch Geborenen
sowie für die Ausländer, und dazu zählten auch die Polen, war
in Danzig nicht leicht, denn zu ihrer Aufnahme als Bürger mußten
noch im 17. Jahrhundert alle drei Ordnungen der Bürgerschaft um ihre
Zustimmung gefragt werden. Die wenigen polnischen Bürger aber, die in
der Stadt vorhanden waren, hatten nichts zu bedeuten und sie gehörten
ausschließlich den armen und ärmsten Volksschichten an. Erst im 18.
Jahrhundert, als Danzig infolge der Mißwirtschaft in Polen und der
ständigen kriegerischen Verwicklungen im Osten seine alte Macht und
Pracht nach und nach einbüßte, erfolgte auch ein etwas
größerer Zuzug aus Polen, aber auch da wieder vornehmlich aus dem
ehemals deutschen Pommerellen, so daß meist auch die Träger
polnischer Namen Deutsche oder nur durch den voraufgegangenen Druck
polonisierte Deutsche waren.
[190] Mit diesen polnischen Namen, auf die
wir hier aus einem bestimmten Grunde etwas näher eingehen
müssen, aber hat es eine ganz eigene Bewandtnis. Wir
müssen auf diese Ereignisse hier deshalb etwas näher eingehen, weil
wir auch heute noch in der Stadt Danzig eine große Zahl sogenannter
polnischer Namen haben, und weil von den Polen alle Träger dieser
polnischklingenden Namen zu den Polen gezählt werden, weil die. Polen
behaupten, die Träger dieser Namen oder zumindest ihre Vorfahren seien
von den Deutschen zwangsweise germanisierte Polen gewesen, die nun dem
Polentum wieder zugeführt werden müßten. Ja, die Polen sind
soweit gegangen, daß sie in geradezu lächerlicher Weise das
Danziger
Einwohner- (Adreß)- Buch nach polnischen Namen
durchstöbert, alle gezählt, und nun in die Welt hinausgeschrieen
haben, in Danzig sei die Zahl der Polen so groß, alle diese Namen bewiesen,
daß der polnische Anteil in Danzig sehr erheblich sei. So lächerlich
eine solche Methode auch ist, so hat sie doch ihre Wirkung bei den mit den
Verhältnissen nicht Vertrauten nicht verfehlt. Die sogenannten polnischen
Namen bieten kein Kriterium für die Gesinnung der Träger, noch
weniger für den Charakter der Stadt Danzig.
Wir wollen aber auch mit ein paar Zeilen darauf hinweisen, woher diese
polnischen Namen gekommen sind.
Nach der gewaltsamen Einverleibung des späteren Westpreußen in
das polnische Reich fand auch eine systematische Polonisierung der deutschen
Namen der Bewohner statt, wie wir diesen Vorgang auch heute
wieder in dem zu Polen gefallenen ehemaligen Westpreußen überall
sehen, wo die deutsche Bevölkerung gezwungen wird, nicht nur die
Vornamen zu polonisieren, sondern auch die Familiennamen, zumindest sie in
polnischer Form zu schreiben. Dieser Vorgang ist nicht neu, Polen hat
Übung darin, es wiederholt jetzt nur, was es auch vor Jahrhunderten in der
gleichen Gegend schon einmal getan hat. Unter der damaligen polnischen
Herrschaft sind die deutschen Namen polonisiert worden. Als das Gebiet
dann zu Preußen kam, hat eine Regermanisierung nicht
stattgefunden, und daher die vielen sogenannten polnischen Namen. Polen treibt
bei seiner Propaganda mit diesen polnischen Namen ein sehr unehrliches
Spiel. Nur einige Beispiele sollen hier angeführt werden:
Um den Einfluß nicht ganz zu verlieren gegenüber den polnischen
Magnaten und um wirtschaftlicher Vorteile willen, mitunter auch infolge des
behördlichen Druckes, polonisierte der ansässige deutsche und
preußische Adel teils seine guten [191] deutschen Namen, teils übersetzte er sie,
teils nahm er von seinen Gütern, die nun naturgemäß polnische
Namen trugen, neue Namen an. Schon der deutsche Altreichskanzler Fürst
Bismarck hat einmal in einer Rede darauf hingewiesen, wie die
Hutten, die Nachkommen eines echt deutschen Mannes, sich von
Chapski (von czapka - Hut), die Stein von Kaminski (von
kamien - Stein) nannten. Da sind weiter die Jaczkowski, die von
Nostitz hießen, die Czarlinski, einst von Schedlin oder
Schädel. Ich nenne von den damals polonisierten.deutschen. Adelsnamen
weiter: Bazewski (von Baysen), Bichnowski (von Bichau),
Bronski (von Bronken), Karlinski (von Carlowitz),
Elzanowski (von Elsenau), Franki (Frank), Gluchowski
(von Glauch), Kobierzycki (von Kobersee), Kochanski (von
Kochenstein), Milewski (v. d. Mülbe), Olßowski (v.
Olschau), Pilawski (v. Pfeilsdorf), Pruski (von Preuß),
Szynewski (von Schönwiese), Troszka (v. Troschka),
Wysiecki (v. Wiese), Werda (v. Werden), Wilzycki (v.
Wildschütz), Wolslegier (Wollschläger),
u. s. w.
Ein anderer Teil übersetzte, wie gesagt, seine Namen ins Polnische,
wie z. B. die Herren von Schmidt nannten sich Kowalski
(kowal - Schmid), von Ende - Koniezki (von
koniec - Ende), von Holden - Lubodzki (von
lubo - hold), von Horn - Rogowski (von
rog - Horn), von
Natterfeld - Zmiletvski (von zmija - Natter), von
Otterfeld - Rybinski (hängt mit
ryba - Fisch zusammen), von Rohr - Trzcinski (von
trzcina - Rohr) u. s. w.
Dem Adel taten es oder mußten es tun die bürgerlichen Kreise gleich.
Die polnische Behörde zumindest schrieb die Namen polnisch und sprach
sie polnisch aus, so daß auf diese Weise es zur Polonisierung der Namen
kam. So wurde aus dem deutschen Namen Anders ein Andersz, aus
Schuhmann ein Szumann, aus Schmidt ein Sczmit, aus Schulz ein
Sczulc, aus Rietschel ein Riczel, aus Schönbeck ein
Szembek u. s. w. Der bekannte deutsche Vorname
Rosemarie wurde zu
Roza-Marja u. s. f. Nach Hunderten und Aberhunderten kann
man diese Namen anführen, die ursprünglich samt ihren
Trägern deutsch waren, die aber in dieser polnischen Zeit eine polnische
Form erhalten haben, die auch heute noch besteht. So und nicht anders ist auch die
große Zahl der polnischen Namen in Danzig zu erklären. Ihre
deutschen Träger waren ursprünglich in Pommerellen
ansässig, zogen dann aber in die Stadt. Es ist also ein gründlicher
Irrtum, wenn man aus den heutigen Namen schließen wollte, ihre
Träger oder deren Voreltern seien ursprünglich Polen gewesen.
[192] Seit dem 16. Jahrhundert kamen zu den vorhin
bereits erwähnten Einwanderern noch recht erhebliche Mengen aus den
deutschen Gebieten an der Südküste der Ostsee, namentlich aus
Mecklenburg und Pommern, es kamen ferner
Zuzöglinge aus Schlesien. Die
Mecklenburger61 sind in dieser Zeit in Danzig recht
zahlreich vertreten, namentlich unter den das Bürgerrecht erwerbenden
Kaufleuten. Das war ja gerade für die Mecklenburger nicht schwer, denn
zur Erlangung des Bürgerrechts auf den Kaufmann (es gab daneben noch
das auf den zünftigen Handwerker und das auf den Arbeiter), das das
vornehmste war und daher das "große Bürgerrecht" hieß, galten
die hansisch geborenen Fremden von vornherein unbedingt für
befähigt, und zu diesen zählten alle Mecklenburger, da sie ja alle im
Bereich der mecklenburgischen Hansestädte Rostock und
Wismar das Licht der Welt erblickt hatten. 45 Mecklenburger haben
nachweislich diese Art des Bürgerrechts erworben. Größer war
die Zahl jener Mecklenburger, die das Bürgerrecht auf den Handwerker
erwarben. Es sind, wie Grotefend62 nachgewiesen hat, 52 verschiedene
Handwerksarten hier vertreten bei 215 bekanntgewordenen mecklenburgischen
Namen. Weitaus die stärkste Gruppe darunter bilden auch hier wieder die
Schneider mit 62 Namen, d. h. 29 Prozent, es folgen die Schiffer mit 26,
die Feinbäcker mit 22, die Schopenbrauer mit 13 usw., in 30
Handwerksarten findet sich nur je ein Mecklenburger. Das Bürgerrecht auf
den Arbeitsmann haben 73 Mecklenburger erworben. Der Zuzug erfolgte aus allen
möglichen Orten, am stärksten aus Rostock, Wismar,
Güstrow, Parchim und Schwerin.
Diese Zuzöglinge aus allen Gegenden des Reiches sind nicht in
größeren Massen herbeigeströmt, sondern nur einzeln, die
Handwerker häufig infolge der für sie notwendigen Wanderschaft,
auf der sie sich in Danzig seßhaft machten, die Kaufleute infolge ihrer
Handelsbeziehungen, die ja gerade in dieser Periode überaus lebhaft waren
und mit allen Gegenden des Reiches unterhalten wurden, in erster Linie
natürlich mit den Küstenstädten und jenen Städten, die
an größeren Strömen lagen.
Aber auch in dieser polnischen Zeit hat es noch einmal eine große
Einwanderung Deutschstämmiger nach Danzig und in das Danziger
Territorium gegeben, die ihren Höhepunkt etwa um die Mitte des 16.
Jahrhunderts erreicht haben dürfte und die vom Niederrhein,
vornehmlich aus Holland kam. Es handelt sich um die Einwanderung
vornehmlich der aus Holland stammenden Wiedertäufer oder
Mennoniten, die sowohl nach Danzig und dessen engste
Umgebung wie ganz [193] besonders in das Danziger Landgebiet
erfolgte. In beiden lagen die Verhältnisse aber wesentlich verschieden, so
daß wir sie kurz getrennt betrachten müssen.
Sehr enge Beziehungen zwischen Danzig und den Niederlanden haben von jeher
bestanden, sie waren ja auch durch den regen Handelsverkehr, die
Zugehörigkeit zur deutschen Hanse und die Stammesverwandtschaft von
vornherein gegeben. Dieser lebhafte Verkehr hatte dann auch, wie wir schon
zeigten, zur Seßhaftmachung zahlreicher Niederländer namentlich in
der Ordenszeit geführt. Aus den Niederlanden erfolgte darum auch in dieser
Zeit zunächst weiter ein ständiger Zustrom von Einwanderern, der in
der ersten Zeit der polnischen Herrschaft bedingt war mit zum wesentlichen durch
die in den Niederlanden herrschenden Kriegsunruhen. Die Kriege mit Geldern, die
schon unter der Regierung Philipps des Schönen
(1494 - 1506) getobt hatten und unter Kaiser Karl V. (seit 1506) mit erneuter
Heftigkeit einsetzten, veranlaßten viele Bewohner aus Stadt und Land zur
Auswanderung, und zwar handelte es sich jetzt zumeist um die
begüterten Kreise, die ihr Geld und Gut in fremden, ruhigeren
Landen zu sichern und zu vermehren suchten.63 Sie wandten sich zum Teil in unsere
Stadt und Gegend, sie wurden Kaufleute in Danzig oder auch (weniger) Bauern
auf dem Lande. Bedingt wurde diese Auswanderung dann etwas später
noch zum wesentlichen Teil mit durch die Maßnahmen Kaiser Karls V. zur
Unterdrückung der auch dort immer weiter um sich greifenden
Reformation. Um den harten Verfolgungen zu entgehen, wanderten viele
Protestanten aus und fanden in Danzig eine sichere Statt.
Unabhängig von diesen Zuwanderern war der gewaltige Strom der
Mennoniten, der sich in das Weichseldelta ergoß. Die
Danziger waren, soweit die Stadt selbst in Frage kommt, von diesem Zustrom
nicht sehr erfreut, denn es herrschte auch hier ihnen gegenüber
seitens der Danziger Protestanten eine sehr starke religiöse
Unduldsamkeit, vor allem aber bedeuteten diese Zuwanderer für die
Gewerbetreibenden in der Stadt eine nicht unerhebliche Konkurrenz. Sie wollten
die Niederländer in der Stadt nicht haben, sofern sie nicht dem lutherischen
oder dem katholischen
Bekenntnis - letzteres dürfte unter den Ansiedlern dieser Zeit
überhaupt kaum vertreten gewesen
sein - angehörten. Höchstens in den Vorstädten durften
sie in den "Gärten" Wohnung nehmen und "Nahrung treiben". Die
Abhaltung des öffentlichen Gottesdienstes jedoch war ihnen
verboten.64 Vom Bürgerrecht waren sie
ausgeschlossen, und sie haben es tatsächlich auch [194] erst 1808 erlangt. Denn es galt hier das alte
Herkommen, "daß nur die Anhänger der drei Hauptreligionen, der
Lutherischen, Reformierten und
Römisch-Katholischen, freie Religionsübung haben und das
Bürgerrecht erlangen konnten".65
So saßen denn die Mennoniten in den Vorstädten als
"Unterbürger" ohne bürgerliche Rechte, und der Rat
begegnete ihnen bald mit Wohlwollen, bald mit Zurückhaltung, bald auch
gar mit einer gewissen Unterdrückung. Veranlassung dazu gaben dann
regelmäßig die Zünfte, die den Wettbewerb der
Wiedertäufer am meisten empfanden, weshalb sie unablässig auf ihre
Vertreibung drängten, ohne daß sie aber praktische Erfolge
gehabt hätten. Der Rat ließ sie in den Vororten ruhig ihre "Nahrung
treiben" und führte auch die strengen Edikte, die er von Zeit zu Zeit
notgedrungen erlassen mußte, um die Zünfte zu beschwichtigen, stets
sehr milde durch. Sonst hätte es nicht geschehen können, daß
"die Holländer zu bequemer Fortsetzung der Handlung in der Stadt zu
wohnen und die ansehnlichsten Häuser zu beziehen anfingen".66 Schon zwischen 1580 und 1600
ließ der Rat es auch stillschweigend geschehen, daß die Mennoniten
in den Vorstädten Grundstücke erwerben und auf ihren Namen ins
Grundbuch eintragen lassen konnten, welches Recht ihnen 1603 sogar durch
Ratsbeschluß ausdrücklich eingeräumt wurde.
Willkommenere Aufnahme als in der Stadt selbst fanden die Mennoniten
in der allernächsten Umgebung Danzigs, nämlich im
Gebiete des Bischofs von Leslau, das unmittelbar neben der Stadt lag, wie
die heute mit Danzig verbundenen bzw. in der Stadt aufgegangenen Vororte
Neuschottland und Hoppenbruch. Hier bildete sich
allmählich eine recht bedeutende Kolonie holländischer,
meist mennonitischer Handwerker: Leineweber, Gerber, Schuhmacher,
Krämer und vor allem Tuchmacher, welches Gewerbe erst Ende des 16.
Jahrhunderts durch diese holländischen Einwanderer hierher kam. Auch in
Schidlitz auf dem "Nonnenacker", einer Besitzung des Danziger
Brigittinnenklosters, durften sie sich ansiedeln.
So finden wir in den gesamten Danziger Vorstädten und Vororten:
Langfuhr, Heiligenbrunn, Schidlitz, Neugarten, Sandgrube, Petershagen,
Schottland, Hoppenbruch, Stolzenberg, Nobel und Krampitz, eine sehr
beträchtliche Anzahl holländischer Mennonitenfamilien. Ihre Zahl
und Bedeutung muß immerhin so groß gewesen sein, daß der
Begründer und Organisator der Wiedertäufer, Menno
Simons, seine holländischen Landsleute und Glaubensgenossen in der
Zeit von 1547 - 1552 hier wiederholt besucht hat.67 Genaue
zahlen- [195] mäßige
Angaben liegen aus der ersten Zeit nicht vor, aber aus allen Anzeichen muß
man schließen, daß sie immerhin recht beträchtlich gewesen ist.
Aus dem Jahre 1681 liegt ein Verzeichnis der Mennoniten in und außerhalb
der Stadt vor,68 das auf Anweisung der
Behörden angefertigt ist und in dem es sich nicht um eine Angabe der
Personen, sondern der Haushaltungen handelt. Es sind deren 124
angeführt, wobei alle auf dem bischöflichen Gebiete und auf
dem Lande wohnenden fehlen. Mannhardt berechnet ihre Zahl
für diese Zeit einschließlich der Kinder auf etwa 1000. Eine
sorgfältige Zählung in der Stadt liegt aus dem Jahre 1749 vor mit 229
Haushaltungen, darunter 137 wohlhabende und 92 arme, d. h. solche, die
sich von ihrer Hände Arbeit nährten, also wohl meist kleinere
Handwerker. Außerdem waren im Armenhause acht alte Ehepaare und 16
Einzelpersonen. Man muß beachten, daß im Jahre 1709 in Danzig die
Pest furchtbar gewütet hatte, die in der flämischen
Gemeinde, die die stärkste
war - daneben gab es noch eine waterländische oder friesische, die
auf dem Lande stärker vertreten
war - allein 409 Todesopfer gefordert hatte. Auch daraus muß
geschlossen werden, daß sie recht stark war und daß immer weiterer
Zuzug aus den Niederlanden erfolgte.
Wesentlich anders stellte sich die Stadt Danzig den holländischen
Zuzöglingen in ihrem Landgebiete gegenüber. Hier
begrüßte sie sie herzlich und förderte sie. Sie kamen ja
aus einem wirtschaftlich und geistig hoch entwickelten Lande und brachten
Kenntnisse nicht nur von neuen Gewerben und große Betriebsamkeit mit,
sondern diese holländischen Bauern eigneten sich auch ganz besonders
für die Arbeit in dem teilweise durch Krieg, Überschwemmung und
Pest verwüsteten und entvölkerten Werder, wo die Stadt sie
ansiedelte und wo sie durch ihre Geschicklichkeit im Entwässern, im
Graben-, Damm- und Mühlenbau die teilweise versumpften
Ländeieien in wenigen Jahren wieder ertragreich machten. Schon vor dem
Jahre 1550 finden wir holländische Bauern in Reichenberg, und
kurze Zeit später auch in Weßlinken, Wotzlaff, Landau,
Scharfenberg, Schmerblock. Die sich noch im Danziger Stadtarchiv
befindenden Handfesten dieser Dörfer enthalten durchweg
holländische Namen. Auch in anderen Gegenden des Weichseldeltas
siedelten sie sich an, so im Gebiet von Tiegenhof, das damals im
wesentlichen noch eine Sumpflandschaft war, und entfalteten hier eine sehr rege
kolonisatorische Tätigkeit. Vom Tiegenhöfer Gebiet aus verbreiteten
sie sich immer weiter, und so haben sie ganzen Dörfern ihr Gepräge
aufgedrückt bis auf den heutigen Tag, wo noch die Bauweise der
Häuser, die Namen der Besitzer und das
Religionsbe- [196] kenntnis ganz offensichtlich nach den
Niederlanden und auf diese Zeit der Einwanderung hinweisen. Wir nennen aus
dieser Gegend hier nur die Orte: Platenhof, Tiegenhagen, Tiegerweide,
Reimerswalde, Orlofferfelde, Plattendorf, Orloff, Pietzkendorf, Petershagen,
Heubuden, Gurken, Herrenhagen u. s. w. Um die Mitte des 17.
Jahrhunderts betrug das in den beiden Werdern zwischen Danzig und Elbing
belegene, von Mennoniten kultivierte und besiedelte Areal, das ihnen in Erbpacht
gegeben war, etwa 430 holländische Zinshufen.69 Sie hatten ihren Besitzstand bis zu
dem im Jahre 1772 erfolgten Übergange an Preußen wesentlich
vergrößert. Es befanden sich damals in diesem Gebiet, das in der
Hauptsache, aber nicht ganz, zum heutigen Freistaate Danzig gehört, etwa
8300 Seelen, die ein Areal von 1460 Hufen besaßen.70
Die Mennoniten sowohl in Danzig und dessen näherer Umgebung wie auch
diejenigen in den Werdern unterhielten mit ihren Glaubensgenossen und mit ihrer
alten Heimat engen Verkehr. Wiederholt sind die Führer des
Mennonitentums zu den entfernten Glaubensbrüdern gekommen, von der
Heimat aus empfingen sie immer wieder neue Anregungen. In die alte Heimat,
nach Amsterdam, Rotterdam, Harlem, schickten die wohlhabenden Familien ihre
Söhne, um dort den Handel zu erlernen, in ihrem häuslichen Verkehr
und auch im Gottesdienst behielten sie lange Zeit hindurch die
holländische Sprache noch bei, die sich hier aber allmählich
in ein behagliches Plattdeutsch mit holländischen Resten umwandelte.
Es war also auch wieder deutsches Blut, das in dieser Zeit hierher
strömte, vom Westen her, aus den germanischen Gebieten kamen auch in
dieser polnischen Zeit ununterbrochen die Zuwanderer, während Stadt und
Land der polnischen Einwanderung verschlossen blieben.
So ist es denn auch selbstverständlich, daß Stadt und Land Danzig
auch in dieser sogenannten polnischen Zeit durchweg kerndeutsch blieben. Auf
die Stadt braucht hier nach den bisherigen Ausführungen nicht mehr
eingegangen zu werden, auch nicht mehr auf die Gebiete der Werder. Nur noch
ganz wenige Worte aber über das Landgebiet Danzigs, soweit es bisher
noch nicht erwähnt ist. Auch dieses blieb nach wie vor der gewaltigen
Überzahl nach in ausgesprochen deutschen Händen, wie die Namen
der Besitzer auch aus dieser polnischen Zeit in den einzelnen Gemeinden
beweisen. Welchen Ort der Höhe man auch herausgreift, überall sind
die Namen der Besitzer ausschließlich oder zum überwiegenden Teile
deutsch. Archivdirektor Dr. Kaufmann hat über eine [197] große Reihe von Ortschaften des Kreises
Danziger Höhe, der noch am meisten vom Einfluß des Polentums
bedroht gewesen ist, weil dort die Lebensbedingungen, der leichtere Boden usw.
die Polen eher anlockten, genaue Untersuchungen angestellt71 und ist dabei zu folgendem Ergebnis
gekommen: im Jahre 1740 befanden sich in den zum Danziger Gebiet
gehörigen Ortschaften des Kreises Danziger Höhe 964
Grundstücke; davon standen, wie sich seit dem Beginn des
Höhischen Erbbuches, dem die Angaben entnommen sind, im Jahre 1638
feststellen läßt, ununterbrochen in deutschem Besitz 928, in
polnischem Besitz 11 Grundstücke. Durch Teilungen, Teilveräußerungen
usw. gingen in diesem Zeitraum aus dem deutschen
Besitz in den polnischen über 19 Grundstücke, vom polnischen in
den deutschen Besitz sechs. Die geringe Zahl der Übergange von
polnischem Besitz in deutsche Hand erklärt sich aus dem weit geringeren
Vorhandensein polnischer Grundstücke. Im Jahre 1740 setzte sich also der
gesamte Bestand an Grundstücken folgendermaßen zusammen:
928 + 6 = 934 deutsche Besitzungen und
11 + 19 = 30 polnische Besitzungen. Auf die
einzelnen Ortschaften verteilt, ergibt sich folgendes Bild:
Ortschaft |
Gesamtzahl |
Dtsch. |
Poln. |
Übergang in Besitz |
Besitzungen |
v. Deutsch. |
v. Poln. |
Petershagen |
177 |
171 |
3 |
1 |
2 |
Ohra |
181 |
172 |
1 |
1 |
7 |
Hoppenbruch |
48 |
45 |
— |
1 |
2 |
Guteherberge |
28 |
28 |
— |
— |
— |
Praust |
36 |
36 |
— |
— |
— |
Zipplau |
12 |
12 |
— |
— |
— |
Rostau |
12 |
12 |
— |
— |
— |
Müggenhahl |
59 |
59 |
— |
— |
— |
Hundertmark |
17 |
17 |
— |
— |
— |
Kemlade |
36 |
35 |
1 |
— |
— |
Wonneberg |
22 |
18 |
4 |
— |
— |
Gischkau |
30 |
30 |
— |
— |
— |
Müggau |
15 |
15 |
— |
— |
— |
Kowall |
15 |
15 |
— |
— |
— |
Löblau |
41 |
41 |
— |
— |
— |
Zigankenberg |
65 |
62 |
1 |
— |
2 |
Kl. Zigankenberg |
170 |
160 |
1 |
3 |
6 |
|
|
|
964 |
928 |
11 |
6 |
19 |
Ziehen wir den Schluß: Unser gesamtes Gebiet in Stadt und Land, selbst
die ungünstigsten Gegenden mitgerechnet, ist auch in der sogen. polnischen
Zeit nur von einer deutschen Bevölkerung bewohnt worden.
[198] 5. Danzigs Stellung
zum Deutschen Reiche in der sogenannten polnischen Zeit
Wir müssen noch kurz die Frage der Stellung Danzigs zum Deutschen
Reiche erörtern in der Zeit, da die Stadt unter der Oberherrschaft der
Könige von Polen stand, d. h. die.Frage der
Abhängigkeit Danzigs von ihm und der offiziellen
Verbindung mit ihm. Nicht die sonstigen irgendwie gearteten Beziehungen sollen
in diesem Abschnitt zur Sprache kommen.
Der Ordensstaat stand in engster Verbindung mit dem deutschen Kaiser, das
Ordensland war deutsches Reichsland. Das Reich allerdings war in sich selbst
zerrissen und in Parteiungen gespalten, so daß dem Orden in seinen
schwersten und unglücklichsten Jahren von dort keine Hilfe wurde und er
schließlich unterlag, was dann den Abfall der Lande Preußen zur
Folge hatte. Wie stellte sich nun Danzig, das ja als Stadt des Deutschen
Ritterordens auch zum Reiche gehörte, wie stellte sich dieses Danzig
nach dem Abfall und der Wahl des Polenkönigs zum Oberherrn?
Dieser Frage hat Hoffmann[42] eine eigene Untersuchung gewidmet,
und alle Bearbeiter der Geschichte Danzigs, vornehmlich Danzigs
größter Historiker der neueren Zeit, Simson, kommen
wiederholt auf dies eigenartige Verhältnis zurück, das andererseits
wieder von Polen ausgebeutet wird, um Danzigs enge Verbindung mit Polen und
seine Trennung vom Reiche zu bekunden, um auch mit diesem Mittel Danzig
für Polen zu reklamieren.
Danzig hat nach dieser Richtung eine ganz eigenartige Stellung
eingenommen, d. h. es ist in eine solche Stellung hineingezogen worden.
Seine eigene Stellungnahme war klar, nur wollte sie Deutschland nicht gelten
lassen. Das Reich beanspruchte nach wie vor Danzig für sich,
betrachtete Danzig als zum Reiche gehörig, als eine freie deutsche
Reichsstadt. Darum weigerte sich auch der deutsche Kaiser
Friedrich III., dem Thorner Frieden vom Jahre 1466, der dem
13-jährigen Kriege ein Ende machte, zuzustimmen und die neue Stellung,
die Danzig und das sogenannte
Polnisch-Preußen einnahmen, anzuerkennen. Während seiner ganzen
Regierungszeit hält Kaiser Friedrich an der Jurisdiktion über Danzig
fest, wenngleich er auch nicht in der Lage ist, sie zur Anerkennung in Danzig zu
bringen.
Sein Nachfolger, Kaiser Maximilian, nahm die gleiche Stellung ein, gab
dann aber schließlich doch im
Preßburg-Wiener Vertrage vom Jahre 1515 seine persönlichen
An- [199] sprüche auf und stimmte dem Thorner
Frieden zu, aber nur, wie er ausdrücklich betonte, für seine
Person und seine Regierungszeit, nicht dagegen für das Reich und
auch nicht für seine Nachfolger.[43] In einem Schreiben vom 4. August
1515 an den Kammerrichter Sigismund, Grafen zum Hag, erklärte er, was
er dem polnischen Könige bereits mündlich bei den Verhandlungen
bedeutet hätte, er habe Danzig und Elbing von der Acht absolviert, die
Städte in des Reiches Gnade aufgenommen und "dartzu zugesagt, unser
leben lang nichz wider Sy procedieren zulassen und empfehlen euch ernstlich, das
Ir gegen den genanten von Tautzgau und Elwingen... unser leben lang
nicht richtet, urteilet oder procedieret".
Die Betrachtung Danzigs als zum Deutschen Reiche gehörig war in den
verschiedensten Maßnahmen zum Ausdruck gekommen. So erschien
z. B. 1491 ein kaiserlicher Bote in Danzig und forderte die Stadt im Namen
des Kaisers und der Kurfürsten auf, dem Kaiser mit 30 Reisigen, 60
Fußsoldaten und 20 Wagen auf 20 Wochen zu Hilfe zu kommen im Kriege
gegen Wladislaw von Böhmen. Der Reichstagsabschied von Koblenz im
folgenden Jahre forderte von Danzig einen Beitrag zur "eylenden hilff", der von
Worms vom gleichen Jahre ein Darlehn für Italien. Der gleiche
Reichstagsabschied von Worms fordert auch Danzig auf, dem Großmeister
von Livland gegen den Großfürsten von Moskau Hilfe zu leisten.
Danzig leistete keiner der Aufforderungen Folge, und so lud das unter
Kaiser Maximilian errichtete Reichskammergericht die Stadt wiederholt
vor seine Schranken nach Frankfurt am Main und sprach im Jahre 1497
über die ungehorsame Stadt die Reichsacht aus, in der sie bis zum
Jahre 1515 blieb, aus der sie durch den angeführten persönlichen
Verzicht Kaiser Maximilians befreit wurde. Durch diese Acht und die
Vorladungen entstanden der Stadt natürlich mancherlei
Unannehmlichkeiten, Nachteile und Verwicklungen. Aber trotzdem sie in der
Acht war, wurde sie doch auch zu dem für das Jahr 1507 nach Konstanz
ausgezeichneten Reichstage eingeladen und sollte wohl auch hier wieder zur
Hilfeleistung gegen Frankreich herangezogen werden.
Maximilians Nachfolger Kaiser Karl V. erhob wieder die alten
Ansprüche auf Danzig. Das unter seiner Regierung geschaffene
Reichsregiment trat an Danzig heran mit der Aufforderung zur Kriegshilfe
sowie zur Unterhaltung des Kammergerichts und behandelte Danzig ganz wie
eine deutsche Reichsstadt. Am 29. September 1525 erging an die Stadt der
Ruf nach Augsburg, und als diese Tagung nach Speyer [200] verlegt worden war, erhielt Danzig den
Reichstagsabschied und wurde aufgefordert, 1980 Gulden für den
Türkenkrieg, 169 Gulden für das Zustandekommen eines
künftigen Konzils und 241 Gulden für das Kammergericht und das
Reichsregiment zu zahlen. Weiter verbot Karl V. der Stadt jeden Handel mit
Schweden und jede Feindseligkeit gegen Dänemark und bedrohte sie im
Falle der Nichtbeachtung mit Erneuerung der Reichsacht.
Auch später ließ das Reich nicht ab, seine Ansprüche auf
Danzig geltend zu machen, wenn nun auch größere
Zwischenräume zwischen den einzelnen Versuchen lagen. So wurden der
Stadt 1558, also volle hundert Jahre nach der Unterstellung unter die
Schutzherrschaft der Könige von Polen, vom kaiserlichen Kammergericht
Strafen angedroht, und nicht müde wurden Kaiser und Reich, immer wieder
Türkenhilfe und andere Beiträge von der Stadt zu fordern,
Einladungen zu den Reichstagen zu senden und mit strengeren, sich immer
erhöhenden Strafen zu drohen. 1570 trat Kaiser
Maximilian II. an Danzig mit der Aufforderung heran, den Reichstag
zu Speyer zu beschicken, und im Jahre 1577 forderte sein Nachfolger
Rudolf II. wieder Beiträge zum Türkenkriege und zu
einer Gesandtschaft nach Rußland, 1582 wurde die Stadt zur Beschickung
des Reichstages nach Augsburg eingeladen, und 1584 erging eine neue
Aufforderung zur Türkenhilfe. So ging es weiter. Das Reich betrachtete
Danzig nach wie vor als zu ihm gehörig und hat niemals seine
Ansprüche und Rechte auf die Stadt aufgegeben, wenn es auch nicht in
der Lage war, sie zur Geltung zu bringen oder die angedrohten Strafen
auszuführen. Mir will scheinen, daß das Reich durch diese sich
immer wiederholenden Vorladungen und Einladungen seinen Protest gegen
die Loslösung Danzigs aus dem Reichsverbande zum Ausdruck
bringen und betonen wollte, daß es nie willens sei, auf diese deutsche Stadt
an der Weichselmündung zu verzichten.
Welches war nun die Stellungnahme Danzigs selbst? Danzig hat all diesen
Aufforderungen des Reiches stets Widerstand entgegengesetzt. Es hat sich
als nicht mehr zum Deutschen Reichsverbande gehörig betrachtet
und die Beschickung sowohl der Reichstage und die Anerkennung des
Kammergerichts wie die sonstigen vom Reiche geforderten Hilfen abgelehnt mit
dem Hinweis darauf, daß es mit der Krone Polens verbunden sei und sich
mit der Lossagung vom Ritterorden auch aus dem Verbände des Deutschen
Reiches gelöst habe. Es hat sich der Verantwortung dem Reiche
gegenüber stets zu entziehen gewußt, und andere Mächte,
[201] vor allem auch den König von Polen, als
Mittler und Vermittler benutzt, um aus der mitunter verzwickten Situation
herauszukommen und Schaden von sich möglichst abzuwehren. Aber
daß es aus dem Reichsverbande von seiten des Reiches tatsächlich
gelöst wurde, konnte es nicht erreichen, wiewohl sonst die
Beziehungen Danzigs zum Reiche gute waren und das Reich und seine Vertreter
wiederholt im Interesse Danzigs tätig gewesen sind, ja manchmal sogar als
Vermittler zwischen Danzig und Polen gedient haben.
Fragen wir nun nach den Gründen, die Danzig zu dieser Haltung
bestimmten, so scheiden für jeden, der mit den Danziger
Verhältnissen auch nur einigermaßen vertraut ist, nationale
Gründe von vornherein aus. Ebensowenig, wie solche beim Abfall vom
Orden eine Rolle gespielt haben, ebensowenig sprachen sie jetzt mit. Danzig war
ja nach wie vor eine ausgesprochen deutsche Stadt, lebte mit Deutschland sonst in
den allerengsten und herzlichsten Beziehungen. Zu dieser Haltung wurde es
einzig und allein bestimmt durch sein Streben nach unbeschränkter Freiheit
und Selbständigkeit. Von Polen war es, wie wir gesehen haben,
gänzlich unabhängig, die Rechte des polnischen Königs waren
auf ein kaum bemerkbares Minimum beschränkt. Die gleiche Stellung
wollte die Stadt natürlich auch dem Reiche gegenüber einnehmen.
Vergegenwärtigen wir uns die Stellung und die Macht Danzigs, so werden
wir diese Haltung auch dem Reiche gegenüber vollauf verstehen.
6. Religiöse und wissenschaftliche Beziehungen
zwischen Danzig und Deutschland
Die geschilderten politischen Kämpfe zwischen Danzig und Polen hatten
natürlich zur Folge, daß sich während derselben auch die
nationalen Gegensätze immer mehr zuspitzten, daß
noch eine schärfere Scheidung eintrat zwischen den Danzigern und
den Polen, und daß sich die Danziger nun erst recht bewußt
als Deutsche zu fühlen begannen. Dieser Gegensatz kommt recht deutlich
zum Ausdruck auch namentlich in den religiösen Wirren der
Reformationszeit.
Im Gegensatz hierzu knüpfte die Reformation das Band zwischen dem
deutschen Danzig und dem deutschen Mutterlande nur noch enger, und es kam zu
dem nationalen Gegensatz zwischen Danzig und Polen nun noch der
religiöse. Durch die Reformation erfuhr das deutsche
Bewußtsein Danzigs zweifelsohne eine wesentliche Stärkung, und
man kann [202] gerade in dieser Zeit die Bedeutung der
Bewegung für die Deutscherhaltung Danzigs nicht hoch genug anschlagen,
eben weil sie zu dem bestehenden nationalen Gegensatz nun noch den gerade in
damaliger Zeit gewaltig empfundenen religiösen brachte, so daß sich
Danzig nun auch aus diesem Grunde erst recht von Polen abschloß und
Verbindung mit Deutschland suchte, das ihm geistig gleichgerichtet war.
Die Reformation fand in Danzig recht schnell Aufnahme und weiteste
Verbreitung bei allen Schichten der Bevölkerung, wozu natürlich
wesentlich beitrug, daß die alten kirchlichen Gebräuche, Formen,
Formeln und Gewänder noch lange Zeit beibehalten wurden. Vornehmlich
aber hingen der Reformation hier schnell an die Gebildeten und Führenden,
wenn diese aus geschickter und kluger Politik zunächst auch eine gewisse
vorsichtige Zurückhaltung übten. Daß aber die von Wittenberg,
gewissermaßen dem Herzen Deutschlands, ausgehende religiöse
Bewegung in Danzig so schnell und so nachhaltig gewaltige Wellen schlug, ist
ohne Zweifel zu einem sehr beträchtlichen Teil dem Umstände
zuzuschreiben, daß innigste geistige und wirtschaftliche
Wechselbeziehungen zwischen Danzig und Deutschland bestanden. Der
näheren Darlegung dieser Beziehungen sollen diese Kapitel gewidmet sein,
denn beide lassen sich in dieser Periode eigentlich gar nicht trennen, beide
gehören zusammen.
Die enge Verbindung, in der Danzig mit allen Teilen des Reiches, namentlich
auch mit den Stätten der Wissenschaft stand, bewirkte es, daß man in
Danzig auch über die geistigen Bewegungen genau unterrichtet war und
lebhaft Anteil an der religiösen Neuerung nahm. Kennzeichnend für
diese engen Beziehungen ist, daß gleich das erste Auftreten Luthers in
Danzig kräftigen Widerhall fand und daß bereits ein Jahr danach hier
die reformatorische Tätigkeit energisch begann. Der Pfarrverweser
Jakob Knothe von der Danziger St. Petrikirche, ein geborener Danziger
und beliebter Prediger, trat schon 1518, als in dieser Zeit auch in Danzig das neue
Evangelium zu erwachsen begann,72 in seinen Predigten für die
Ideen Luthers ein und zog als erster in Danzig die Konsequenzen und verheiratete
sich. Die Worte, Lehren und namentlich auch die Schriften des großen
deutschen Landsmanns Luther wurden in Danzig begierig aufgenommen. Danzig
war bald nach Ausbruch der Reformation eine ausgesprochen
protestantische Stadt, während umgekehrt Polen in der Hauptsache
ein katholisches Land blieb, von dem auch nun die
Rekatholisierungsbestrebungen namentlich unter der Führung polnischer
Bischöfe und polnischer Jesuiten einsetzten, gegen die sich Danzig mit aller
Gewalt sträubte. So [203] kam es, daß man sowohl in Danzig wie in
Polen mit dem Begriff des Lutheraners bzw. des Protestanten zugleich den des
Deutschen verband, während man umgekehrt katholisch und
polnisch gleichsetzte. Diese Gleichsetzung in damaliger
Zeit - wiewohl sie zu unrecht erfolgt ist - hat sich auf beiden
Seiten teilweise leider noch bis in unsere Tage erhalten.
Das gleiche Religionsbekenntnis nun zwischen der Hauptmasse der Danziger
Bevölkerung und des damaligen nördlichen Teiles des Deutschen
Reiches schloß das geistige Band, das bisher schon wegen der
Stammeszugehörigkeit, der Kultur und Sitte bestand, noch viel enger, und
die geistigen Beziehungen gestalteten sich nun besonders vielseitig, was um so
bedeutender war, als allüberall in deutschen Landen nun eine überaus
rege literarische Tätigkeit einsetzte, deren Wellen auch nach Danzig in ihrer
vollen Wucht hineinreichten.
Diese Verbindung kommt einmal zum Ausdruck in dem Besuch der deutschen
Universitäten, andererseits in dem Aufschwung, den das geistige Leben in
Danzig selbst nahm. Und da muß gesagt werden, daß gerade in der
Zeit der polnischen Oberherrschaft diese geistigen Beziehungen zwischen Danzig
und Deutschland sich außerordentlich eng gestalteten, ja daß
geradezu ein ungeheurer Strom geistiger Kultur sich aus den deutschen Gauen
nach dem Lande an der Mündung der Weichsel ergoß. Alle
geistigen Kräfte, die hier lebendig wurden, wurden durch Deutschland
geweckt bzw. beeinflußt oder aber sie kamen selbst von dort her.
Das gilt namentlich von den geistigen Führern der damaligen Zeit, den
Theologen und den Schulmännern, welch letztere übrigens auch zum
größten Teil Theologen waren. Die in Danzig später
wirkenden, in Danzig aber geborenen Theologen hatten ausnahmslos in
Wittenberg und an den anderen deutschen protestantischen Universitäten
studiert und dort teilweise auch schon als Lehrer und Prediger gewirkt.
Andererseits war die Zahl jener Theologen, die aus allen Gauen des Deutschen
Reiches nach Danzig kamen, nicht gering. Ich erwähnte bereits an anderer
Stelle, daß beispielsweise unter den 80 Predigern, die von
1518 - 1806 an der Petrikirche in Danzig gewirkt haben, 30 aus
Deutschland, und von diesen wieder mindestens 15 aus Hessen stammten. Nicht
anders war es bei den anderen Kirchen, namentlich bei St. Trinitatis, die
mit dem akademischen Gymnasium etwas enger verbunden war, und bei der
Hauptkirche von Danzig, der St. Marienkirche.
[204] Auch die Männer, die ihre ganze Kraft
der Danziger Jugend gewidmet haben, namentlich soweit die höheren
Schulen in Betracht kamen, stammten entweder aus Deutschland, oder sie hatten
zumindest in der Hauptsache dort ihre geistige Vorbildung genossen und auch
dort bereits als Prediger oder Jugenderzieher gewirkt. Von Deutschland gingen
auch die Anregungen aus für die Pflege und Förderung des
Schulwesens, und sie fanden gerade auch in Danzig freudigen Widerhall und
begeisterte Aufnahme. Und während das Schulwesen, das höhere
sowohl wie das niedere, in den umliegenden polnischen Gebieten immer mehr
und mehr in Verfall geriet, blühte es in Danzig und seinem Territorium
immer mehr auf, so daß es in nichts den anderen deutschen Landen
nachstand, ja daß man in Danzig in mancher Beziehung, z. B.
hinsichtlich der allgemeinen Schulpflicht, den meisten übrigen deutschen
Gebieten sogar voraus war, während Polen den entgegengesetzten
Weg ging.
Die Danziger, die sich dem Studium widmeten, zogen auf die deutschen
Universitäten, in erster Linie natürlich nach Wittenberg,
saßen dort zu Füßen der deutschen Lehrer und übten, in
die Heimat zurückgekehrt, namentlich als Geistliche und Lehrer einen
überaus nachhaltigen Einfluß aus. Vergegenwärtigen wir uns
einige Phasen dieser Beziehungen etwas näher. Es können nur
Andeutungen sein, die hier gemacht werden, denn gerade nach dieser
Richtung hin hat sich die sonst so eifrige Danziger Forschung bisher etwas
nachlässig gezeigt, es liegt da noch so unendlich viel ungehobenes Material
in unseren Archiven, das erst durch Einzelforschung zutage gefördert
werden muß. Aber die großen Linien lassen sich doch schon
völlig klar an Hand des erarbeiteten Materials zeichnen.
Die Wellen der ganzen großen deutschen Geisteskultur hatten ja schon, wie
wir gesehen haben, in der Ordenszeit recht weit und reich in unser Gebiet
geschlagen, und sie ebbten mit dem Abfall vom Orden nicht zurück
und machten einer anderen Geistesrichtung Platz, sondern wurden nur noch
stärker, besonders nach dem Ausbruch der Reformation.
Auch in dieser sogenannten polnischen Zeit besuchten die jungen Danziger
Wissenschaftler sehr zahlreich die deutschen Universitäten. An erster Stelle
steht zwar anfangs noch Krakau, wo von
1493 - 1517 nicht weniger als 88 aus Danzig stammende Studenten immatrikuliert
waren. Das darf uns nicht stutzig machen, und darf nicht etwa ausgelegt werden
als Zuneigung zu Polen. Wir dürfen nicht vergessen, daß eben auch
Krakau ursprünglich eine deutsche Stadt war, [205] die erst später völlig polonisiert
worden ist. Fassen wir aber alle Danziger Studenten in dieser Zeit auf den
deutschen Universitäten zusammen, so überwiegen letztere
doch ganz gewaltig. Es studierten in dieser Zeit auf den Universitäten zu:
Leipzig 34, Rostock 18, Greifswald 17,
Wittenberg und Köln je 9, Wien 5, Erfurt 3,
Tübingen und Heidelberg je 2 Danziger. Dazu kommen in
dieser Zeit 15 Danziger auf der erst 1502 gegründeten Universität
Wittenberg und 67 auf der Universität Frankfurt an der Oder, die
erst 1506 ins Leben trat. Auf ausgesprochen deutschen Universitäten hatten
also in der Zeit von
1493 - 1517 insgesamt 171 Danziger ihre Vorbildung genossen. Wir können
also sagen, daß auch schon in dieser Zeit die deutschen Universitäten
Danzigs Geistesleben völlig beeinflußt haben. Zwischen ihnen und
Danzig hatte sich ein inniger geistiger Verkehr herausgebildet.
Infolge der Wirren der Reformation nahm der Besuch der Universitäten in
den nächsten Jahren durch Danziger merklich ab, wie dies überall
der Fall war. Das hatte seine Ursachen zunächst in den allgemeinen Wirren,
dann auch darin, daß jeder seine Kraft vorerst in der Heimat gebrauchte. In der Zeit von
1518 - 1525 lassen sich überhaupt nur 52 Danziger Studenten
nachweisen,73 die sich auf nur 5 Universitäten
verteilen. Wien, Köln, Erfurt, Greifswald und Tübingen fallen ganz
aus. Leipzig ist mit 2, Rostock mit 4, Krakau und Frankfurt mit je 15 und
Wittenberg mit 16 Danzigern vertreten. Charakteristisch ist, daß Krakau
verhältnismäßig gewaltig zurückgegangen ist, daß
aber trotz des allgemeinen Rückganges Wittenberg, das an der
Spitze steht, nicht nur keinen Rückgang, sondern sogar in diesem kurzen
Zeitraum eine gewaltige Steigerung aufweist. Das beweist, wie gerade
Wittenberg Danzig anzog, wie stark die dortigen Kräfte auf Danzigs
Geistesleben einwirkten. Zwar erging im Jahre 1539 vom polnischen
Könige der Befehl, niemand solle künftighin seine studierenden
Söhne nach Wittenberg und den anderen der Ketzerei verdächtigten
oder ergebenen Orten senden und die dort bereits Studierenden
zurückrufen, doch Danzig beachtete diesen Befehl nicht in der geringsten
Weise. Es ließ seine Söhne nicht nur weiter auf diesen
Universitäten, sondern hat sie auch in allen folgenden Jahren weiter dorthin
gesandt, besonders auch nach Königsberg. Die wissenschaftliche
Ausbildung haben die Danziger in der nun folgenden Zeit ausschließlich
auf den deutschen Hochschulen erhalten.
Die Reformation und ihre Männer gaben aber auch den Anstoß zur
Gründung des sogenannten akademischen
Gym- [206] nasiums in Danzig, das wir nicht mit
einem Gymnasium im heutigen Sinne des Wortes einfach gleichsetzen
können, sondern das schon bis zu einem sehr weiten Grade auch den
Lehrstoff der Universität bewältigte und darum zu seinen
Schülern auch bereits ältere Studenten zählte, ja solche, die
schon anderwärts auf der Universität gewesen waren.74
Die Reformatoren, vor allem Melanchthon, drangen darauf, daß
überall neue Schulen gegründet wurden und daß auf ihnen das
Studium der Humanitätswissenschaften mit dem Unterricht im
protestantischen Christentum in die engste Verbindung gebracht wurde. Die von
Melanchthon verfaßten Lehrbücher für den
Religionsunterricht, seine fast für jeden Zweig der
Humanitätswissenschaften verfaßten Kompendien, die von ihm und
seinen Freunden entworfenen Schulordnungen erhielten auch in Danzig
ziemlich allgemeine Geltung. Das wichtigste Verdienst Melanchthons für
das Schulwesen aber liegt darin, daß er ausgezeichnete Männer in
großer Zahl zu Lehrern heranbildete, die sich über ganz Deutschland
verbreiteten und über dasselbe auch eine gewisse geistige
Übereinstimmung in der pädagogischen Wirksamkeit verbreiteten, wenn
auch die einzelnen Landschaften gemäß ihren Eigenheiten gewisse
Sonderheiten aufwiesen. Durch diese aus Wittenberg aus der Schule Luthers und Melanchthons kommenden Männer wurde auch
Danzig ganz in den Kreis dieser deutschen Bildung und der deutschen
Schulgestaltung hineingezogen, von Deutschland kam das Muster für
das gesamte Danziger Schulwesen, in erster Linie zunächst für
das akademische Gymnasium.
Diese Anstalt wurde im Jahre 1558 ins Leben gerufen und führte zunächst
(1558 - 1580) gewöhnlich die Bezeichnung "Partikular". Sein Organisator
war der Magister der Theologie an der Universität Königsberg,
Johann Hoppe, der aus Bautzen stammte. Er hatte in Wittenberg
zu den Füßen des großen Reformators gesessen und wirkte
dann als Begründer wissenschaftlicher Anstalten. 1538 war er Rektor der
Schule von Freistadt in Schlesien, 1544 berief ihn Herzog Albrecht von
Preußen an die neugegründete Universität
Königsberg als Professor der Philosophie und Beredsamkeit. 1549
wurde er Rektor der Universität. Dann eröffnete er 1554 die neugegründete
höhere Schule in Kulm,75 wurde 1555 nach Elbing
berufen, um hier das verfallene Gymnasium zu reformieren. Drei Jahre
später berief ihn der Rat der Stadt Danzig, wo er am 13. Juni 1558
das akademische Gymnasium, das für das gesamte Bildungswesen nicht nur
Danzigs, sondern auch Pommerellens von so außerordentlicher Bedeutung
werden sollte, ins Leben rief. Hoppe richtete diese Schule [207] vollkommen nach deutschen
Vorbildern ein, gab ihr die Schulordnung, leitete sie als Rektor bis 1560, in
welchem Jahre er wieder nach Kulm ging, wo er im gleichen Sinne noch
fünf Jahre wirkte.
Hoppes Nachfolger in Danzig wurde ein nicht weniger bedeutender Mann, der aus
Frankenstein in Hessen gebürtige Heinrich Moller, der seine
Ausbildung gleichfalls in Wittenberg genossen hatte, dann in den
verschiedenen Ämtern tätig gewesen war, u. a. als Erzieher in
Schweden am Hofe Gustav Wasas. 1556 kam er an die Schule nach Kulm, wo er
vier Jahre als Lehrer der Dichtkunst wirkte und wo er bereits eine Reihe
später bedeutender Danziger zu seinen Schülern zählte. 1556
ging er nach Wittenberg zurück und wurde dort Magister der Philosophie.
Von dort berief ihn der Danziger Rat an sein Gymnasium, wo er sieben Jahre lang
als Rektor bis zu seinem Tode im Jahre 1567 wirkte.
Sein Nachfolger an dieser Anstalt wurde gleichfalls aus Wittenberg berufen. Es
war der 1536 zu Meiningen geborene Professor der Beredsamkeit und der
Geschichte Andreas Frankenberger, ein im Sinne jener Zeit sehr gelehrter Mann,
der das Gymnasium bis 1576 leitete, dann aber zu Beginn der Belagerung Danzigs
durch den Polenkönig Stephan Bathory die Stadt verließ und wieder
nach Wittenberg zurückging, wo er als Professor der dortigen
Universität im Jahre 1590 starb.
Die Kriegswirren, in die die Stadt Danzig wegen der früher kurz
dargelegten Verweigerung der Huldigung an Stephan Bathory verwickelt wurde,
brachten zunächst andere Sorgen, so daß das Rektorat der Anstalt
einige Zeit unbesetzt blieb. Doch schon 1580 wurde ein neuer Rektor berufen, der
bis 1620 wirkte. Es war Dr. Jakob Schmidt, der dem Brauche seiner Zeit
gemäß seinen Namen latinisierte und sich Fabricius nannte,
unter welchem Namen er auch zumeist bekannt ist. Er war ein geborener
Danziger, hatte seine Ausbildung zunächst auf dem Danziger
Gymnasium erhalten und dann sechs Jahre in Wittenberg studiert, wo er
ein eifriger Anhänger und Verteidiger der Lehren Calvins geworden
war, so daß er in Danzig nun auch die größte Stütze der
dortigen Calvinisten wurde. Seine Tätigkeit ist für den
protestantischen Norden von außerordentlicher Bedeutung gewesen. Nicht
nur aus Danzig, sondern auch aus der ganzen näheren und weiteren
Umgegend strömten ihm die Schüler in Scharen zu.
Nachdem dann das Rektorat wegen der in Danzig unter den verschiedenen
protestantischen Richtungen herrschenden [208] erbitterten Kämpfe und Streitigkeiten
einige Jahre unbesetzt geblieben war, übernahm es 1630 ein eifriger
Verteidiger des Luthertums, der im Jahre 1600 zu Herford in Westfalen
geborene Dr. Johannes Botsack, der im 13. Lebensjahre nach
Lübeck gekommen war, dort und in Hamburg seine
wissenschaftliche Ausbildung genossen, dann in Wittenberg,
Königsberg und Rostock die Universität besucht und
schließlich in Wittenberg seinen Wohnsitz aufgeschlagen hatte. Als
der Danziger Rat nach Beilegung der größten theologischen
Streitigkeiten das Rektorat wieder besetzen wollte, wandte er sich an die
Universität Jena um eine tüchtige Kraft, als welche ihm
Botsack mit ganz besonderer Empfehlung genannt wurde. Er wurde hierher
berufen, wirkte zwölf Jahre lang als Rektor und wurde dann im Jahre 1643
zur ersten geistlichen Würde in Danzig, zum Pfarrer von St. Marien,
berufen, wo er noch 29 Jahre bis zu seinem Tode (1674) wirkte.
Sein Nachfolger im Rektorat wurde der 1612 zu Mohrungen in Ostpreußen
geborene Abraham Calov, der in Königsberg und
Rostock studiert hatte und nun in Königsberg als
außerordentlicher Professor der Theologie wirkte. Er verließ 1651
Danzig wieder und ging an das Elbinger Gymnasium, kehrte aber nach sechs
Jahren (1657) wieder nach Danzig zurück.
Der Rat berief zum Leiter 1551 den zu Freiburg in Sachsen geborenen Dr.
Johann Maukisch, der an der Leipziger Universität wirkte und sich
einen berühmten Namen erworben hatte. Als er 1669 starb, wurde der zu
Wittenberg geborene Aegidius Strauch (1670) berufen, der
nacheinander bereits an der Universität seiner Vaterstadt
außerordentlicher Professor der Geschichte, Licentiat der Theologie,
ordentlicher Professor der Geschichte und daneben der Mathematik geworden
war. Später wurde er noch Doktor der Theologie und war seit 1666
Professor der theologischen Fakultät. Er ist einer der bedeutendsten, aber
auch der kampfesfrohesten Männer seiner Zeit. In Danzig wirkte er als
Lehrer in vortrefflicher Weise bis zu seinem Tode im Jahre 1682.
Strauchs Nachfolger wurde von 1685 - 1715 der in Lissa geborene
Dr. Samuel Schelwig, der in
Wittenberg als Adjunkt der philosophischen Fakultät, dann als
Professor der Philosophie und Theologie in Thorn gewirkt und dann bereits seit
einiger Zeit am Gymnasium in Danzig tätig war, daneben als Prediger bei
der St. Katharinenkirche. Nach Schelwigs Tode wurde Rektor der 1680 zu
Königssee in Thüringen geborene Dr. Johann Georg
Abicht, der vor seiner [209] Berufung Professor der Sprachwissenschaft in
Leipzig gewesen war. Im Jahre 1730 wurde er von Danzig weg als
Professor nach Wittenberg berufen, und nun folgte ihm 1732 der 1672 zu
Gotha geborene und seit 1724 als Direktor am Gymnasium zu
Coburg tätige Dr. Albert Meno
Ver-Poortenn, der bis zu seinem Tode im Jahre 1752 wirkte. Sein Nachfolger
war der 1721 zu Osnabrück geborene, seit 1749 als Professor der
Theologie in Helmstädt wirkende Dr. Ernst August
Bertling, einer der berühmtesten Polemiker seiner Zeit. Als er 1769
starb, verwaltete sein Amt von 1770 bis 1794 Dr. Wilhelm Paul
Ver-Poortenn, der Sohn des früheren Rektors. Er war auch in
Deutschland, nämlich 1721 zu Neustadt a. d. Heide in
Thüringen geboren.
Das Gymnasium hatte nach einer ungefähren Berechnung76 einschließlich der unteren
Klassen in der Zeit von
1580 - 1715 durchschnittlich 350 Schüler.
Unter Fabricius, Botsack, Strauch und Schelwig durchschnittlich
300 - 400, unter Calov und Maukisch
400 - 600. Wie man aus diesen Zahlen sieht,
muß der Einfluß der Schule recht bedeutend gewesen sein.
Diese manchem vielleicht etwas trockene Aufzählung aller Rektoren des
Gymnasiums und ihrer wichtigsten Wirkungsorte charakterisiert vielleicht mehr
als alles andere die enge Verbindung, die Danzig in geistiger Hinsicht mit
Deutschland hatte. Gerade die Rektoren waren es ja, die der Anstalt den Stempel
aufdrückten. Sie entstammten mit nur einer einzigen Ausnahme den
verschiedensten Gauen Altdeutschlands, sie alle hatten im Herzen Deutschlands
ihre Bildung genossen, auch der einzige geborene Danziger unter den Rektoren.
Jeder irgendwie nach anderer Richtung laufende Einfluß ist vollkommen
ausgeschaltet. Die geistige Verbindung mit Deutschland ist die allerengste, von
dorther strömt Danzig die geistige Nahrung zu, wie einst von dorther die
Siedler in unsere Gaue gekommen waren. Denn nicht nur die Rektoren kamen aus
Deutschland und hatten dort ihre Bildung genossen; das von ihnen Gesagte gilt
auch von den am Gymnasium wirkenden anderen Lehrern wie auch von den
an den verschiedenen Kirchen, besonders auch an der Marienkirche wirkenden,
Predigern, wie ja denn auch die Rektoren des Gymnasiums gleichzeitig meist die
Vorsteher der Trinitatiskirche waren.
Es würde zu weit führen, wollte ich hier im einzelnen die Lehrer
behandeln wie die Rektoren. Es würde sich aber im großen genau
das gleiche Bild ergeben, nur mit dem Unterschiede, daß unter ihnen
die geborenen Danziger stärker
ver- [210] treten sind, die aber auch ihre
Universitätsbildung in Deutschland genossen haben. Einige Zahlenangaben
nur möchte ich machen.77 Von den fünf neben den
Rektoren von 1558 - 1580 am Gymnasium wirkenden "Collegen" waren nicht
weniger als drei aus Mitteldeutschland, nämlich aus Leipzig, Sorau
und Magdeburg; zwei aus dem Osten, nämlich einer aus
Marienburg, der andere "aus Preußen", es war dies Magister
Tiedemann, also auch ein Deutscher. Von den beiden
außerordentlichen Lehrern dieser Zeit stammte einer aus Danzig, der andere
aus Jüterbog. Von den von
1580 - 1794 tätigen zwölf Professoren der Rechtswissenschaft und der
Geschichte waren nicht weniger als sieben in Deutschland geboren. Sie stammten
aus Arnswalde, Stettin, Glogau, Putlitz in der Mark, Brieg, Wittenberg und
Lauban. Der achte stammte aus Graudenz, aber er trägt den
charakteristischen deutschen Namen Johann Schulz. Die übrigen stammten
aus Danzig. Von den zehn Professoren der Physik und Medizin stammten in der
gleichen Zeit sieben von außerhalb, und zwar aus folgenden Orten:
Joachimsthal in Böhmen, Thüringen, Stettin, Nürnberg,
Stargard in Pommern, Breslau und Elbing. Von den vierzehn Professoren der
Poesie und Beredtsamkeit stammten neun von auswärts, nämlich aus
Braunsberg, Stolpe, Usedom, Liegnitz, Eneries, Wittenberg, Magdeburg,
Königsberg und Soest.
So könnte man alle Disziplinen durchgehen, und es würde sich im
wesentlichen immer das gleiche Bild ergeben. Verfolgen wir den Lebensgang
dieser Männer und auch der in Danzig geborenen und später hier
wirkenden, so stellen wir fest, daß es die deutschen
Universitäten sind, an denen sie ihre abschließende Bildung genossen
haben.
Die gleichen Feststellungen können wir bei allen anderen Danziger
Lateinschulen machen, speziell auch bei der ältesten, der sogenannten
Marienschule (nicht zu verwechseln mit der heutigen katholischen
Marienschule). Es würde hier zu weit fuhren, auf alle diese Einzelheiten
einzugehen. Das ist Aufgabe einer Spezialforschung. Nur summarisch
möchte ich noch von einer zweiten "höheren" Schule in Danzig
sprechen, der neben der Marienschule ältesten der Stadt, der aus der Zeit
der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammenden Schule zu St. Petri
und Pauli.78 Auch hier stammen die meisten
Rektoren aus Deutschland, alle haben dort ihre Universitätsbildung
genossen. Ich nenne: Antonius Lindemann (ca.
1561 - 1565), aus Wittenberg, Paul Aleber (1565 bis 1578) "von der Horst"
bei Pyritz, in Wittenberg studiert, dann vor der Berufung als Lehrer in Elbing und
Anger- [211] münde und als Magister in
Königsberg tätig; Adrianus Pauli
(1578 - 1580), aus Danzig, in Wittenberg studiert; Christophus Preuß
(1580 - 1610), geboren in Frankfurt an der Oder, studierte in Frankfurt und war vor
seiner Berufung als Professor in Königsberg tätig; Valentius
Burchardus
(1611 - 1622), aus Moringen in Sachsen, studierte in Frankfurt an der Oder;
Abraham Prätorius (1622), aus Ruppin gebürtig; Peter
Bertram aus Danzig
(1622 - 1647); Johann Georg Möresius
(1647 - 1657) aus Vacha in Hessen, auf dem Gymnasium zu Hersfeld vorgebildet,
studierte in Marburg und Frankfurt an der Oder; Johann Friedrich
Strackius
(1658 - 1669) aus Danzig; Gerson Wenceslaus Brosius
(1670 - 1684) aus Buntzlau in Böhmen; Johann Gerwich
(1685 - 1702) aus Hessen; Johann Serenius Chodowiecki
(1702 - 1726), in Danzig geboren, hatte in Amsterdam, Oxford, London und
Frankfurt an der Oder studiert, wurde 1701 von der Berliner Akademie der
Wissenschaften unter ihre ersten auswärtigen Mitglieder aufgenommen;
Nikolaus Thumsener
(1726 - 1733) aus Bremen, wurde 1716 Konrektor in Frankfurt an der Oder, 1721
Rektor in Köthen in Anhalt; Michael Bernhard von Wencko
(1733 - 1749) aus Wien, außerordentlicher Professor am Joachimsthaler
Gymnasium in Berlin; Karl Payne
(1749 - 1790) aus Danzig, wo er sich bereits 1736/37 an der damals in Danzig
erscheinenden moralischen Wochenschrift "Der Teutsche Diogenes" beteiligte;
Franz Bellair (1790 - 1812) aus Danzig, studierte in Halle.
Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den 22 Konrektoren, bei den
Kantoren und selbst bei einem großen Teil der 73 "Kollegen". Aus allen
Teilen des deutschen Reiches kamen sie, und an deutschen Hochschulen hatten
sie, soweit sie akademische Bildung hatten, was bei der großen Mehrzahl
der Fall war, ihre Ausbildung genossen. So können wir sagen, daß
das gesamte höhere Danziger Schulwesen in der sogenannten polnischen
Zeit ausschließlich in deutschen Händen lag, daß es
ausschließlich von Deutschland seine Anregungen empfing und von dort
aus auch befruchtet wurde.
Galt dies für das höhere Schulwesen und die gesamte
Theologenschaft, so, wenn auch in etwas anderer, aber nicht minder nachhaltiger
Weise für das niedere Schulwesen, das im Gebiete von Danzig,
sowohl in der Stadt wie auf dem Lande, ja namentlich auf dem Lande,
mustergültig geordnet war im scharfen Gegensatz zum polnischen
Schulwesen der gleichen Zeit. Die genannten deutschen Männer,
Theologen und Schulmänner, waren es ja, die im Verein mit den
füh- [212] renden Danziger Bürgermeistern das
niedere Schulwesen nicht nur beaufsichtigten, sondern auch Verordnungen
für dasselbe erließen, die methodischen Anweisungen erteilten und
auch die Bücher und sonstigen
Lehr- und Lernmittel schufen. Wir haben auf die Anfänge des niederen
Schulwesens in der Stadt schon unter der Ordensherrschaft hingewiesen, und auch
auf dem Lande lassen sich vereinzelte Schulen aus jener Zeit bereits nachweisen,
so für die Jahre 1442 in Hela, Gottswalde, Gr. Zünder, Hochzeit,
Praust, Stüblau und Wotzlaff, aus welchen Dörfern wir
sogar bereits Studenten auf den Universitäten nachweisen können. Es
besteht kein Zweifel darüber, daß auch in zahlreichen anderen Orten
Schulen, wenn auch in geringerem Umfange, bereits zur Deutschordenszeit
bestanden. Waschinski79 vermutet schon in der Ordenszeit das
Bestehen von Schulen wenigstens in jedem Kirchdorf, das würden
etwa für unser Gebiet 30 Landschulen schon unter der Ordensherrschaft
bedeuten. Ein vielversprechender Anfang jedenfalls war gemacht.
Daß das Schulwesen nun in Stadt und Land unter dem Einfluß der
reformatorischen Bewegung und der außerordentlichen Aktivität des
Danziger Rats auf diesem Gebiete weitere Fortschritte machen würde, liegt
in der Natur der Verhältnisse begründet. Und wie in Danzig im
höheren Schulwesen eine gewaltige Lebendigkeit und ein riesiger Aufstieg
zu verzeichnen ist, so trifft dies auch für das niedere Schulwesen zu.80 Die deutschen Reformatoren forderten
ja von den Städten ganz entschiedene Hebung und Besserung des
Schulwesens. Der an die Marienschule berufene, aus Breslau stammende
Andreas Goldschmied (meist unter seinem latinisierten Namen
Aurifaber bekannt), der im Jahre 1539 auf Melanchthons besondere
Empfehlung nach Danzig an die Marienschule (bei der Marienkirche)
gekommen war, war es, der in seiner Schrift "Schola Dantiscana"
Vorschläge für die gesamte Umgestaltung des Schulwesens machte,
die sich zwar zunächst auf das höhere Bildungswesen beziehen, die
aber doch auch für die Gestaltung des niederen insofern von besonderer
Bedeutung gewesen sind, "als fortan alle Privatschulen von der Stadt verboten
und die in jedem Kirchspiel getrennt nebeneinander bestehende lateinische und
deutsche Schule dergestalt zu einer einzigen Lehranstalt verbunden wurden,
daß die Elementarklasse wie später etwa die Volksschulen oder heute
die Grundschule den Unterbau und die Lateinklassen den Oberbau bildeten. Diese
Schulen wurden von den Kindern der wohlhabenden wie der armen Leute
besucht".81
[213] Noch günstiger als in der Stadt selbst, wo
man das Hauptgewicht auf die Lateinschulen legte, war in dieser Zeit das
Schulwesen im Danziger Landgebiet, wo gleich in der ersten Zeit der
Reformation nicht nur das
Kirchen-, sondern auch das Schulwesen gänzlich neu geordnet wurde.
Hinsichtlich der Ordnung und Beaufsichtigung dieser Schulen wurde genau nach
dem Muster der protestantischen Territorien Deutschlands vorgegangen. Ja wir
haben ein Edikt vom Danziger Rat aus dem Jahre 1601, in dem schon die
allgemeine Schulpflicht gefordert wird, und zwar sowohl für die
Knaben wie für die Mädchen. Sie sollten vom 7. Jahre ab so lange
zur Schule gehen, bis sie den Katechismus Luthers sowie deutsch lesen und
schreiben könnten. Jedem aber sollte es unbenommen bleiben, seinen
Kindern noch weitere Bildung zuteilwerden zu lassen.
Es kann hier auf weitere Einzelheiten nicht eingegangen werden, wir verweisen
nur auf die überaus gründliche Arbeit von Waschinski, der
auch den Unterschied gerade zwischen den Schulen im Danziger und dem
übrigen umliegenden Gebiet hervorhebt. "Wir dürfen sagen", so
urteilt Waschinski,82 "daß der Danziger Rat
mindestens seit 1600 die allgemeine Schulpflicht für das Land
vorgeschrieben hatte, und daß demgemäß auch jedes nicht
allzukleine Dorf einen Schulmeister haben sollte. Tatsächlich besitzen wir
denn auch seit dem 17. Jahrhundert urkundliche Nachrichten von Schulmeistern
aus den Nebendörfern Fischerbabke, Pasewark, Stutthof, Freiwald, Kl.
Zünder, Landau, Guteherberge, Hohenstein, Wonneberg. Im ganzen sind
mir in diesem Gebiet 52 Schulen bis zum Beginn der preußischen
Herrschaft bekannt geworden. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß es
nicht mehr gewesen sein können. Die Zahl 52 bedeutet nur die
Mindestzahl."
Daß auch das niedere Schulwesen im Danziger Gebiet auf so hoher Stufe
stand, ist ausschließlich dem völlig deutschen Charakter der
Stadt und ihrer innigsten geistigen Verbundenheit mit Deutschland zuzuschreiben.
Auch hier machte sich also der aus dem Deutschen Reiche kommende gewaltige
geistige Einfluß ganz offensichtlich bemerkbar, das Danziger Gebiet hebt
sich auch nach dieser Richtung völlig ab vom es umgebenden polnischen,
in dem entgegengesetzte Wege eingeschlagen werden.
Es müßte nun eigentlich noch unsere Aufgabe sein, näher zu
untersuchen, welche Wechselwirkung zwischen Danzig und dem
Deutschen Reiche stattgefunden hat, d. h. welchen Einfluß die
geborenen Danziger im Reiche ausgeübt haben, wo [214] und wie sie dort tätig gewesen sind.
Wenn dieser Frage auch bei weitem nicht die Bedeutung zukommt, wie jener nach
dem deutschen Einfluß auf Danzig und die Danziger, so ist sie doch
überaus interessant, lehrreich und dient zur Vervollständigung des
gesamten Bildes der Beziehungen. Auf diese Frage kann hier jedoch nicht
näher eingegangen werden, weil zu ihrer Beantwortung ein sehr
langwieriges Vorstudium nötig ist, für das die hier zur
Verfügung stehende Zeit bei weitem nicht ausreicht. Es müßte
systematisch die Geschichte aller Städte und vor allem ihrer Schulen und
protestantischen Kirchen durchforscht werden, um festzustellen, ob und in
welchem Umfange Danziger dort als Lehrer oder Prediger oder in sonst einer
Stelle gewirkt haben. Daran, daß Danziger in größerer
Zahl in den verschiedenen Städten des Reiches tätig gewesen sind,
ist nicht im mindesten zu zweifeln, wie schon aus ganz gelegentlichen
Nachrichten hervorgeht. Und es ist diese Wirksamkeit ja auch nur zu leicht
erklärlich. Sie standen an den deutschen Hochschulen, an denen sie ihre
Studien vollbrachten, in engsten Beziehungen zu den Mitstudierenden aus dem
Reiche, es wurden zu den wirtschaftlichen Fäden, mit denen Danzig mit
dem Reiche bereits verbunden war, nun zahlreiche geistige geknüpft, und
da schon immer das Wort gegolten hat, daß der Prophet in der Fremde mehr
geschätzt wird als in der Heimat, so werden auch viele Danziger innerhalb
des Reiches als Lehrer oder Prediger eine Stelle angenommen haben, zumal ja
viele Studenten nach damaliger Sitte schon als Bakalaurier oder Magister als
Dozenten an den Universitäten tätig waren und den Nachweis ihrer
Befähigung erbringen konnten. Von den Universitäten wurden sie
dann oft unmittelbar in die Städte berufen, oder aber die Städte
wandten sich unmittelbar an die Universitäten und baten um Entsendung
tüchtiger Kräfte.
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