Unter der Schutzherrschaft der Könige von
Polen.
Von 1454 - 1793. (Teil 3)
3. Danzigs Kampf um seine Freiheit und um sein
Deutschtum
Die starken Bedenken, die den Vertretern Danzigs beim Übergange unter
die Schutzherrschaft der polnischen Könige aufstiegen, sollten sich alsbald
als nur zu sehr berechtigt erweisen. Danzigs Geschichte von 1454 bis zum
Übergange unter die preußische Herrschaft im Jahre 1793 ist
sozusagen ein ununterbrochener, bald scharfer und heftiger, bald
äußerlich weniger in die Erscheinung tretender aber darum doch nicht
minder zäher Kampf um seine Freiheit und Selbständigkeit und
darum auch um sein Deutschtum. Zwar tritt der Kampf für das
Deutschtum und den deutschen Charakter Danzigs äußerlich nicht so
in die Erscheinung, vielleicht ist diese Seite des mehrere Jahrhunderte langen
Ringens Danzigs Bevölkerung damaliger Zeit selbst gar nicht so zum
Bewußtsein gekommen, wie wir Nachfahren dies heute schauen, wo die
nationalen Probleme heftiger aufeinanderplatzen, wo der nationale Gedanke
stärker ausgeprägt ist und wo wir gewohnt sind, auch die
Vergangenheit stets mit unter diesem Gesichtswinkel zu betrachten. Aber
trotzdem war es, wie wir heute rückschauend feststellen können, ein
nicht weniger bedeutungsvoller Kampf auch um das Deutschtum, für
deutsche Sitte, deutsche Art und deutsche Kultur unserer Gegend. Hätte
Danzig nicht vermocht, für sich und sein Territorium die politische Freiheit
und Selbständigkeit neben der wirtschaftlichen Polen gegenüber zu
wahren, dann hätte es auch in seinem Deutschtum und seiner Kultur
unweigerlich gewaltige Rückschritte gemacht, dann wäre auch in
Danzig in Kultur, [173] Sprache und Sitte der polnische Einfluß
ständig gewachsen, wenn er nicht gar die Oberhand gewonnen hätte.
An Versuchen nach dieser Richtung hat es wahrlich nicht gefehlt. Daß diese
Verpolung auch Danzigs eingetreten wäre, erkennen wir überaus
deutlich an all den Städten
Polnisch-Preußens, die nicht die Privilegien besaßen, wie sie Danzig
aufweisen konnte, die nicht in der Lage waren, ihre Unabhängigkeit zu
wahren, sondern vollständig unter polnischen Einfluß gelangten. Sie
sind auf alle Weise - Zwang nicht ausgenommen - systematisch polonisiert
worden, und diese Polonisierung würde bei ihnen noch weiter
fortgeschritten sein, wenn sie nicht an dem allzeit deutschen und den deutschen
Charakter und die verbrieften Rechte betonenden und energisch verteidigenden
Danzig eine so starke Stütze und einen so mächtigen Rückhalt
gehabt hätten.
So mußte der Kampf Danzigs, der zunächst nur um die Rechte
und Privilegien geführt wurde, ganz von selbst zu einem Kampfe um das
deutsche Volkstum werden, wie auch heute Danzigs Kampf um jedes Tipfelchen
seiner ihm verbliebenen Rechte in der Hauptsache ein Kampf um die
Deutscherhaltung seines Charakters und um sein deutsches Volkstum ist. Es
mußte sich in diesem Kampfe entscheiden, ob Polentum oder Deutschtum
das Mündungsgebiet der Weichsel, überhaupt deren ganzen
Unterlauf, beherrschen sollte.
Polen nämlich hielt nicht lange die mit den preußischen
Ständen geschlossenen Verträge, die ihren Ausdruck in der vorhin
näher behandelten sogenannten Inkorporationsurkunde gefunden hatten.
Mag sein, daß der polnische König zunächst willens war, die
Privilegien zu halten, dem Lande wirklich die Freiheiten zu gewähren, das
Deutschtum nicht zu unterdrücken. Nicht so gesinnt jedenfalls waren die
polnischen Stände, war der polnische Adel, dessen Macht dem
Königtum gegenüber ständig wuchs und der es nicht dulden
wollte, daß Preußen nicht eine polnische Provinz war, der in
Preußen von allen Rechten und Ämtern, vom Erwerb von
Grundbesitz usw. ausgeschlossen war, dem gegenüber vor allem auch
Danzig hinsichtlich seines Hafens, des
Hafen- und Handelsverkehrs, der Steuerhoheit usw. völlig frei und
selbständig war. "Die Städter benehmen sich", so sagten sie,44 "als freye Leute wie die
Freystädte in dem deutschen Römischen Reich, wie sie sich auch
genennet und dafür gehalten" und "in Summa haben sie getrachtet,
daß so woll auf dem Meer als in der Stadt keine fußstapfen
übrig blieben königlicher Majestät Hoheit, sondern daß
sie selbst [174] möchten gebieten und daß sie als
freye Leite die Herrschung und das Regiment bey sich hätten, wie sie sich
dessen auch bey frembden Nationen gerühmet". Die Mißstimmung
der polnischen Großen gegen die Vorrechte herrschte von Anbeginn, ihr
Ziel ging auf deren Beseitigung.
Polnisch-Preußen sollte seiner Privilegien beraubt werden. Um dieses Ziel
zu erreichen, übten sie auf den polnischen König unausgesetzt einen
Druck aus, ja machten teilweise schon seine Wahl von diesbezüglichen
Versprechungen abhängig. Und diesen unausgesetzten Bemühungen,
die vor keinem Mittel zurückschreckten, war schließlich auch der
Erfolg beschieden, nur nicht in Danzig, das siegreich widerstand.
Dennoch wurde auch es von der polnischen Übermacht mitunter hart
bedrängt. Um seine Rechte und Freiheiten zu wahren, mußte man
sich auch in Danzig schließlich daran gewöhnen, überall da,
wo der Weg des Rechtes und der öffentlichen politischen Verhandlung
nicht zum Ziele führte, Nebenwege zu beschreiten, die man sich durch die
reichen Geldmittel der Stadt gangbar machte. Es bildete sich in den nie
endenwollenden Unterhandlungen am polnischen Hofe allmählich eine
bestimmte Geschäftspraxis heraus, die im Grunde auf Verschleppung aller
beschwerlichen Angelegenheiten und Gewinnung der einflußreichsten
Personen durch feinere oder gröbere Bestechung hinauslief. Daß
diese Praxis schließlich an der Tagesordnung war, ist nicht die Schuld
Danzigs, sondern die des korrupten Polens, bei dem Recht und Gerechtigkeit nicht
mehr galten, das nur noch Sinn hatte für die Argumente der klingenden
Münze.
Der Gang der Ereignisse in den 350 Jahren war mit kurzen Strichen gezeichnet
folgender: Die polnischen Könige begannen danach zu streben, ihrem
Staate als Ganzes ein festes Gefüge zu geben, ein einheitliches Staatsrecht
in allen ihren Landen einzuführen. Diesem Bestreben, das man vom
nationalpolitischen Standpunkte wohl verstehen und würdigen muß,
standen natürlich die Rechte und Privilegien der preußischen Lande
entgegen. Da die preußischen Stände nicht gewillt waren, ihre Rechte
und damit ihr Deutschtum aufzugeben, so versuchte sie ihnen Polen mit brutaler
Gewalt, mit der Gewalt des Stärkeren, zu entreißen und, nachdem
ihm dies später teilweise gelungen war, auch die Polonisierung
systematisch durchzuführen. Jetzt begann sich der Abfall vom Orden und
die politische Kurzsichtigkeit sehr schnell verhängnisvoll auszuwirken.
Schon unter König Kasimir begegnen wir schwachen Versuchen,
das Verhältnis Preußens zum Lande Polen enger [175] zu gestalten und es aus einer
Personalunion zu einer Realunion zu machen. "Die Vereinigung
der Unterwürfigkeit in eine solche der Rechte" zu machen, wie man sich
damals ausdrückte.45 Zuerst wandte sich der Widerspruch
gegen das preußische Indigenat. Bereits 1471 verbot der König den
Preußen, ohne seine ausdrückliche Genehmigung Tagfahrten zu
halten, was diese jedoch damit beantworteten, daß sie erklärten, sie
werden sich dies Recht nicht nehmen lassen. Im Jahre 1490 wurde von den Polen
dann auch auf dem Reichstage zu Petrikau dagegen Einspruch erhoben, daß
der König gesondert mit den Preußen verhandelte.46 Es drohte schon jetzt zu einem
scharfen Konflikt zu kommen, der lediglich durch den 1492 erfolgten Tod
König Kasimirs verhindert wurde.
In den Unionsbestrebungen Sigismund Augusts, welche die Einigung von
Kleinpolen, Großpolen und Litauen zum Ziele hatten, versuchte man von
neuem, auch die preußischen Lande dem polnischen Staate
einzufügen. Hatte doch schon der junge König
Sigismund I. bei seiner im Jahre 1529 erfolgten Wahl auf
Drängen der polnischen Stände versprechen müssen, eine
innige Verbindung der Lande Preußen und Polen zu bewirken. Er hatte
jedoch im Gefühl der Ungerechtigkeit dieser Forderung die
Ausführung seinem Sohne und Nachfolger Sigismund August
überlassen, der sie sich auch tatsächlich angelegen sein ließ. Er
wollte Preußen, wie Lengnich sich ausdrückte,47 nichts als den bloßen Namen,
die Muttersprache und ein trauriges Andenken der verlorenen Freiheit
übriglassen. Daß in diesem Falle auch die Erhaltung der
Muttersprache auf die Dauer unmöglich gewesen wäre, sieht heute
jeder von vornherein ein.
Schon auf dem ersten unter Sigismund Augusts Regierung abgehaltenen
Reichstage zu Petrikau im Jahre 1548 sahen sich die preußischen
Räte veranlaßt, den König zu bitten, sie bei ihren
Gerechtsamen zu schützen, die durch Nichtbeachtung des
Einzöglingsrechtes, durch die Einladung auf die Reichstage, Vorzeigung
der Originalprivilegien außerhalb ihrer Aufbewahrungsstelle, durch die
Aufforderung zum Sitzen und Stimmen im polnischen Senat u. a. verletzt
wären. Die Beschwerden der Preußen fanden jedoch ebensowenig
jetzt wie auf dem folgenden Reichstage zu Petrikau (1552) Abhilfe. Die
polnischen Landboten, Vertreter des niederen Adels, drangen nun, um die
Preußen zu schädigen und gefügig zu machen, in Sigismund
August, die, dem vom Könige Alexander 1504 gegebenen Gesetz zuwider,
verschenkten oder auf andere Art veräußerten Güter und
Ein- [176] künfte der Krone wieder einzuziehen,
was man mit dem Namen Exekution der Gesetze oder kurz Exekution zu
bezeichnen pflegt. Sigismund August erstrebte mehr. Er wollte auf dem
Reichstage zu Petrikau 1562 nicht nur diese Exekution, sondern auch die von den
Polen eifrig gesuchte, von den polnischen Ständen geforderte
gänzliche Vereinigung der preußischen Lande mit dem
Reiche Polen zur Ausführung bringen, d. h., die preußischen
Lande dem Königreiche Polen völlig eingliedern und sie dessen
Wojewodschaften gleichstellen. Charakteristisch für die polnische
Auffassung und dafür, daß man nicht gewillt war, sich auf die
Rechtsfrage einzulassen, ist das Wort des den Preußen wohlwollenden
polnischen Großkanzlers Dembienski, der ihnen sagte,48 "Euch hilft kein Recht, ihr werdet
euch müssen setzen (d. h. in den polnischen Senat); ihr möget
wohl auf andere Mittel bedacht seyn. Zudem müßt ihr mit mir eine
neue Grammaticum lernen", d. h. also ganz klipp und klar, daß ihnen
auch die deutsche Sprache genommen und sie gezwungen werden sollten, sich der
polnischen Sprache zu bedienen.
Unter Bruch des Rechtes und der Privilegien entschied der König dann
auch auf dem Reichstage zu Lublin am 16. März 1569, daß
Polen und Preußen als gemeinsame Einwohner und Untertanen eines
Reiches zu betrachten wären, gleiche Vorteile genießen und gleiche
Lasten tragen sollten. Damit war ausgesprochen, was Polen in der ganzen Zeit
erstrebt hatte, damit war durch einen Gewaltstreich des Königs und
seines Reichstages die Vereinigung der Preußischen Lande mit Polen
theoretisch vollzogen, Preußen war theoretisch ein Teil Polens
geworden. Aber doch nur durch brutale Vergewaltigung. Und der Erfolg?
Er war verschieden. Während das platte Land unter diesem Druck und der
inneren Uneinigkeit mehr oder weniger im polnischen Staatskörper aufging,
setzten die großen Städte, allen voran Danzig, das geradezu die
Seele der preußischen Opposition gewesen war und auch weiterhin erst
recht blieb, allen Vereinigungsbestrebungen zähen und ausdauernden
Widerstand entgegen, und Danzig wußte durch Aufbietung aller seiner
Machtmittel der Waffen, des Geldes und gefügiger internationaler
Hilfskräfte der Vergewaltigung durch Polen zu entgehen.
Das ist mit knappen Strichen der Gang der Ereignisse, die überaus
mannigfaltig und bewegt waren, die sich oft mit hochdramatischer Wucht
abspielten, worauf hier natürlich nicht näher eingegangen werden
kann.49 Aber auf die Folgen [177] für die vergewaltigten Lande
Preußens - mit Ausnahme der größeren
Städte -, muß doch mit einigen wenigen Worten hingewiesen
werden.
Mit dem Lubliner Dekret begannen die eigentlichen recht erbitterten
Kämpfe. In den Preußischen Landen sollte es zur
Durchführung gebracht werden. Auf dem Lande stieß diese
Durchführung nicht auf besondere Schwierigkeiten. Hier war
polnischerseits bereits in den vorangegangenen Jahren gut vorgearbeitet worden.
Alle maßgebenden Stellen im Lande waren durch polnischgesinnte oder
willfährige einheimische Günstlinge und unter Bruch des
Inkorporationsprivilegs zum bedeutenden Teil auch mit nichtpreußischen
Polen besetzt worden. So begann nun nicht nur der langsame Verfall des Landes,
sondern auch seine systematische Polonisierung. Wir können an
Hand der Briefe der Städte, der Stadtbücher, der Bürgerlisten,
der Gerichtsakten u. s. w. genau verfolgen, wie die deutsche Sprache
im Lande
Polnisch-Preußen immer mehr zurückgedrängt wurde, wie das
Polnische immer mehr und mehr an Boden gewann, bis es schließlich die
Alleinherrschaft hatte. Diese Polonisierung ging so weit, daß sie auch auf
die Personennamen übergriff, was sich auch heute noch bei uns in
Danzig und anderwärts auswirkt und worauf wir noch in dem
späteren Kapitel über die
Zuwanderungen in dieser Periode zurückkommen werden.
Daß die mächtige Stadt Danzig diese ein volles Jahrhundert
währende Entwicklung bis zur vollen Einverleibung des Landes mitmachen
würde, war ebenso unwahrscheinlich, wie es unwahrscheinlich war,
daß sie sich diesem Gewaltakt Polens, dieser "vollendeten Tatsache", wie
man wohl heute sagen würde, beugen würde. Und so war es in der
Tat. Danzig ist vom ersten Augenblick der Unterstellung der
Preußischen Lande unter die Oberhoheit der polnischen Könige
geradezu eifersüchtig darauf bedacht gewesen, mit größter
Energie nicht nur seine eigenen weitgehenden Rechte und Freiheiten zu wahren,
sondern auch nachdrücklichst die des übrigen
Polnisch-Preußen zu verteidigen, ja mehr zu verteidigen, als es dies
mitunter selbst tat.
Für diesen ununterbrochenen und erbitterten Kampf bieten die
außerordentlich reichen Bestände des Danziger
Stadt- und Staatsarchivs mehr als den hundertfachen Beweis. Sorgfältig
sind hier die Briefe gesammelt, die von den Gesandten des Rats an die Stadt
abgingen. Sie sind in vielen Bänden als Acta Internuntiarum
vereinigt und bilden eine der wichtigsten Quellen. Das Gegenstück dazu
sind die Missivbücher des Rates, in welche die ausgehenden
Schreiben [178] eingetragen wurden. Wenn die Stadt einen
Reichs- oder Landtag beschickte oder eine Gesandtschaft aussandte, so wurden
von den Bevollmächtigten die Ereignisse in einem Rezeß
sorgfältig aufgezeichnet, und in diese Rezesse wurden auch die Abschriften
der wichtigsten Urkunden und Briefe aufgenommen. Auch für bestimmte in
sich abgeschlossene Ereignisse, wie z. B. die Tätigkeit der
verschiedenen polnischen Kornmissionen in Danzig, wurden Rezesse aufgesetzt.
Die Rezeßbände bilden im Archiv eine lange Reihe. Eine
andere Gruppe von Rezessen gibt die Verhandlungen der städtischen
Körperschaften, der Ordnungen miteinander wieder. Diese sogenannten
Ordnungsrezesse sind genaue Protokolle über Beratungen, die von
den Vorstehern der dritten Ordnung, den Quartiermeistern, abgefaßt sind.
Außerdem enthalten sehr reiches Material die Akten der Ständetage.
Und nicht unerwähnt bleiben soll die große Zahl von Urkunden und
Aktenstücken, die Briefe der Könige, polnischer Großer, von
Städten, Rechtssprüchen , u. s w. enthalten. Sie alle
legen beredtes Zeugnis dafür ab, daß Danzig allezeit einen
ununterbrochenen siegreichen Kampf gegen Polen und die
Polonisierungsbestrebungen geführt hat.
(Aus dem 16. Jahrhundert.
Danziger Staatsarchiv Ab. 300, 43 Nr. 17a Bl 2.)
Zwei Seiten aus den Schöffenbüchern der Stadt Danzig. (Nach
Kaufmann: "Danzigs Deutschtum" Nr. 6, 8.) [179]
(Aus dem 18. Jahrhundert.
Danziger Staatsarchiv Ab. 300, 43 Nr. 142 Bl 33.)
|
Alle diese vielen Aktenbände sowohl wie die seit Beginn des 15.
Jahrhunderts in nicht weniger als 208 mächtigen Pergamentbänden
gesammelten Akten des alten Danziger Gerichts legen auch den
untrüglichen Beweis dafür ab, daß Stadt und Land
kerndeutsch waren und blieben, daß die deutsche Sprache nicht nur
die vorherrschende, sondern die allein maßgebende und auch allein
gebräuchliche war, auch in der ganzen sogenannten polnischen Zeit,
wie denn auch die nach vielen Tausenden zählenden Eintragungen in die
Bürgerbücher der Stadt fast ausschließlich deutsche
Namen aufweisen. "Das große Danziger Stadtarchiv birgt in fast
unübersehbarer Fülle vieler Tausender von Bänden den
handgreiflichen Beweis für das durch keine Zeit unterbrochene Deutschtum
der Stadt, aber auch für den Kampf um dessen Erhaltung gegen das
Polentum, sei es in eigener Sache, sei es als Vormacht und Schützerin der
anderen deutschen Volksteile in ihrem Ringen um ihre nationale und kirchliche
Freiheit und Selbständigkeit".50
Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, diesen erbitterten Kampf Danzigs
für seine Rechte und Freiheiten und für sein Deutschtum im
einzelnen zu schildern, ich muß mich hier begnügen mit dem
Hinweis auf die gerade über diese Frage bestehende reichhaltige und gute
Literatur, die sowohl den ganzen Kampf als auch einzelne Phasen desselben
gründ- [179=Faksimiles] [180] lich behandelt. Ich
beschränke mich darauf, lediglich zur Illustration dieses Ringens einige
Beispiele aus vielen kurz herauszugreifen.
Schon ganz kurz nach dem Abschluß des Thorner Friedens vom Jahre 1466
begann der polnische König den Geist und den Widerstand Danzigs zu
spüren, aber auch dessen Willen, völlig selbständig zu
handeln. Es begann der sogenannte Pfaffenkrieg, ein
zwölfjähriger, von
1467 - 1479 dauernder Kampf von außerordentlicher Bedeutung
für die preußischen Stände, da es dabei letzten Endes um ihre Rechte
und Privilegien ging. Trotzdem Danzig unmittelbar an der Angelegenheit nicht
beteiligt war, warf es doch seine ganze Kraft und Macht gegen den polnischen
König für die preußischen Rechte in die Waagschale.
König Kasimir wollte nämlich den vom ermländischen
Domkapitel rechtmäßig zum Bischof von Ermland gewählten
Nikolaus von Tüngen nicht anerkennen, sondern einen Polen,
Vinzens von Kielbassa, den Bischof von Kulm, zum Bischof von Ermland
machen. Das wäre eine offene Verletzung der preußischen Privilegien
gewesen, nach denen nur Landeseingeborene Ämter innehaben durften.
Danzig trat sofort entschlossen für Tüngen ein.51 Es kam zum bewaffneten
Kampfe zwischen Tüngen und dem Könige von Polen, da
letzterer seinen Günstling mit Gewalt auf den ermländischen
Bischofsstuhl bringen wollte. Der König bittet Danzig dringend um Hilfe,
denn "man müsse die Flamme ersticken, ehe sie groß werde".
Vergebens. Danzig tritt nicht für seinen Oberherrn, sondern für
den von diesem befehdeten Bischof ein. Auf der Tagfahrt von Marienwerder
1472 verlangt es, "upschof" in dieser Sache und die preußischen
Stände stimmen ihm zu. Es zwang den König zu Verhandlungen
mit Tüngen, die jedoch an der Starrköpfigkeit des Königs
scheiterten. Der König kämpft weiter. Immer dringender werden
seine Bitten an Danzig, er erinnert es an seine frühere Treue, bezeichnet
Tüngen als Landesfeind, Friedensbrecher und kann in seinen Briefen dessen
angebliche Schandtaten nicht schwarz genug malen. Vergebens. Danzig tut nichts,
überläßt es den polnischen Truppen, den Kampf zu
führen, die schließlich unterliegen. Später verlassen selbst die
preußischen Stände, auch die Stadt Elbing, Tüngen und gehen
zum Könige über, doch Danzig verharrt bei seiner bisherigen
Haltung und macht auch die gegen das Ermland beschlossene Handelssperre nicht
mit, ja verhindert schließlich den König am weiteren Kampfe.
[181] Bald nach Tüngens Tod brach der zweite
ermländische Bistumsstreit aus, in dem Danzig wieder eine entscheidende
Rolle spielte, wieder gegen den König. Gemäß den
Privilegien hatte das ermländische Domkapitel einen Einheimischen,
Lukas von Watzelrode, zum Bischof gewählt. Doch der
Polenkönig hintertrieb die Bestätigung beim Papste, sprach dem
ermländischen Domkapitel seine schärfste Mißbilligung aus
und suchte seinen eigenen Sohn an Stelle Watzelrodes auf den
Bischofsstuhl zu bringen. Da das Domkapitel seiner Forderung nicht entsprach,
suchte er sie jetzt wieder mit Gewalt durchzusetzen. Um eine vollendete Tatsache
zu schaffen, sandte er unter dem Vorwande, das Land gegen feindliche Scharen
schützen zu müssen, Truppen ins Land und forderte die
preußischen Stände auf, ihnen die Grenzfesten einzuräumen.
Auch jetzt erwies sich wieder Danzig allein als der sicherste Schutz, an das
sich die bedrohten Städte wandten. Danzig wird zur Seele des Widerstandes
gegen den König, es bestimmt u. a. die Stadt Konitz, dem
polnischen Heere im Jahre 1489 den Einlaß zu verweigern, so daß
dessen Befehlshaber Jassyenski ergrimmt ausruft: "Das möchte ein Kind
merken, daß die Danziger und das ganze Land einen Bund gemacht haben",
worauf er die bezeichnende und für die Stimmung im Lande
charakteristische Antwort erhält: "Set, was ih redt, yo weld ir polenschen
herren uns armen preußen mit ewren munden vernichten". Wieder kommt
dem Polenkönig leider die preußische Uneinigkeit zu Hilfe. Die
Kulmer Ritter schließen sich ihm an, ihnen folgen die pommerellischen,
auch die anderen Stände sind bereit. Nur Danzig widersteht
entschieden und scheint schließlich die anderen noch umgestimmt zu
haben, dem Willen des Königs vorerst nicht zu entsprechen.
Schließlich im August 1488 stellen sich wieder alle, auch Elbing und Thorn,
auf die Seite des Königs, Danzig verharrt auf seinem ablehnenden
Standpunkt und ruft den Ständen auf der Graudenzer Tagfahrt 1490 zu:
"Am nechsten czu Dirsau haben wyr des Bistums halben vil gehandelt, dar das
nebenn unns unnd mit dem lande in eyns blebe. Nhu wird es ganz abgeslagen, und
sullen wy hij im lande nnoch wol faren, so mussen wyr mit enen und sy mit
uns bleben." Der Tod des Königs machte dann dem Streit ein Ende,
Watzelrode behielt den Bischofssitz gegen den Willen des Königs, was das
unbestreitbare Verdienst Danzigs war.
Ein anderes Beispiel. Wir haben an einer früheren Stelle schon kurz auf die
sogenannte Exekution hingewiesen und auch von der Union
gesprochen, in denen es ja um die Kern- [182] frage ging, in denen es hart auf hart kam und in
der Danzig nicht vor dem letzten Mittel, dem offenen Kriege gegen seinen
Oberherrn zurückschreckte. Im Frühjahr 1567 erschien in Danzig
als königlicher Revisor der Sekretär Johannes Ravagoski, um
von der Stadt auf Grund
des - von ihr nicht anerkannten - Exekutionsgesetzes drei in der
Scharpau, dem fetten Lande an der Mündung der Elbinger Weichsel
gelegene Dörfer (Brunau, Jankendorf und Tiegenort) sowie Hela, die
Nehrung und einige Wiesen bei Grebin für den König
herauszufordern. Danzig schickte ihn kurzerhand unverrichteter Dinge
heim, ließ ihn hier seine Tätigkeit überhaupt nicht
beginnen.
Dieser Vorfall sowie mancherlei andere Reibereien hatte die Stimmung zwischen
dem König und Danzig nicht verbessert, und es mußte über
lang oder kurz zur Entscheidung kommen, wenn Polen bei seinen Plänen
verblieb. Welch eine gewaltige Kluft sich zwischen Danzig und Polen ein
Jahrhundert nach dem Übergang unter die Schutzherrschaft der polnischen
Könige aufgetan hatte, zeigte der Ausspruch eines Danziger Bürgers.
Dieser sagte 1552 mit seltener Offenheit dem Könige Sigismund
August:52 "Gnädiger Herr, der
Erdboden im Lande kann es nicht leiden, daß die Polen über die
Preußen regieren sollen und Gewalt an ihnen üben." Wie
grimmig in Danzig die Wut auf die Polen war, zeigt auch ein in einem
Sammelband des Danziger Archivs53 erhaltenes Gedicht, das aus den
fünfziger Jahren jenes Jahrhunderts zu stammen scheint, in dem die Polen
verächtlich gemacht und in dem ihnen die größten
Scheußlichkeiten nachgesagt werden.
Der Polenkönig wollte auf die Ausführung der Exekution nicht
verzichten und ernannte am 18. September 1568 eine aus fünf Mitgliedern
bestehende Kommission, an deren Spitze der erklärte Gegner Danzigs, der
Bischof von Leslau, Stanislaus Karnkowski, stand, die den Auftrag erhielt,
die Verwaltung der Städte Elbing und Danzig zu prüfen, die
angeblich eingerissenen Mißstände zu beseitigen, alle
Verhältnisse genau zu untersuchen, gegebenenfalls Beamte
ab- und einzusetzen. Diese Maßnahme des Königs war ein
unerhörter Gewaltakt. Der eigentliche Zweck dieser Kommission aber war,
zunächst den Widerstand der Städte Danzig und Elbing gegen die
Exekution und die Unionsbestrebungen auf brutale Weise zu brechen, die dem
Könige bei diesem Beginnen hindernd im Wege stehenden Beamten zu
beseitigen, ihm willfährige Subjekte an ihre Stelle zu setzen.
[183] Danzig betrachtete die Kommission als
ungesetzlich und bat den König, sie aufzulösen, da die Stadt
nur verpflichtet sei, dem Könige selbst und dem Burggrafen im Rahmen
ihrer Pflichten zu gehorchen. Vergebens. Die Kommission wurde abgesandt und
ging zunächst nach Elbing, das sich ihr nicht widersetzte.54 Danzig jedoch handelte anders. Das
am 12. Oktober 1568 durch Boten ausgedrückte Verlangen der
Kommission, das königliche Mandat, das ihr Erscheinen ankündigte,
zu veröffentlichen, wurde abgewiesen. Die Stimmung der Bürger
war so gereizt, daß die Diener der Kommissare verhöhnt und
mißhandelt wurden. Der Danziger Bürgermeister Kleefeld
war vor die Kommission nach Elbing geladen, der Rat verbot ihm, der Ladung
Folge zu leisten. Die Ordnungen forderten die Kommission auf, Danzig mit ihrem
Besuch zu verschonen, andernfalls aber, so erklärten sie, wären
sie entschlossen, Gewalt entgegenzusetzen und ihr den Eintritt in die Stadt nicht
zu gestatten. Als die Kommission dann aber am 29. Oktober trotzdem vor der
Stadt (dem Werdertor) erschien, wurde ihr der Eintritt in die Stadt
tatsächlich verweigert, sie mußte unter Drohungen und
Verhöhnungen des Danziger Volkes abziehen.
Der König und seine Umgebung waren darob natürlich aufs
äußerste erbittert. Der König forderte Anerkennung der
Kommission, Entlassung der städtischen Söldner und
äußerte dem Danziger Vertreter in Warschau am 1. November
u. a. auf polnisch: "Versteht ihr nicht lateinisch, so soll man es euch
polnisch sagen. Man darf nicht mit mir disputieren, ob ich Kommissionen
hineinzubeordern befugt bin oder nicht. Ich will es so haben. Ich
muß wissen, wie man das Haus hält." Das war die unverhohlene
Drohung mit der brutalsten Gewalt, seinen Willen unter gröblichster
Verletzung aller Rechte durchzusetzen. Und diesen Weg beschritt er auch.
Zunächst beraubte er die Stadt ihrer Führer dadurch, daß er
sie, die zum Reichstage erschienen waren, gefangen nehmen und viele
Monate lang in unwürdiger Haft halten ließ, um sie dann als
Hochverräter anzuklagen. Während dieser Zeit, da Danzig so seiner
eigentlichen Führer beraubt war, erschien die Kommission zum zweiten
Male in Danzig, wo sie diesmal nach vielem Hin und Her eingelassen wurde,
doch zeigte man ihr gegenüber überall die kalte Schulter, sie
vermochte nichts auszurichten. Als Hauptdenkmal ihrer Tätigkeit
hinterließ sie bei ihrer Abreise nach vier Monaten gewisse Konstitutionen,
die nach dem Führer der Kommission als statuta Karnkowiana
bezeichnet werden.55 Sie haben [184] zwar mancherlei in die Rechte Danzigs
eingreifende Bestimmungen erlassen, die aber von der Stadt nie
anerkannt, geschweige denn durchgeführt worden sind und die auch
später ihre formelle Aufhebung erfuhren.
Unter Androhung härtester Druckmittel auf Einzelpersonen erreichte es der
König
schließlich - während er die Danziger führenden
Männer immer noch widerrechtlich in unwürdiger Haft
hielt - daß Danziger Vertreter eine demütigende und
entwürdigende Abbitte auf dem Warschauer Reichstage im Juli 1570
leisteten. Doch als Danzig von diesem Verhalten seiner Gesandten erfuhr, brach
ein gewaltiger Entrüstungssturm los, man forderte die sofortige
Zurückberufung und Bestrafung der Schuldigen, die der Stadt eine
solche Schmach angetan. Die Ordnungen forderten Einberufung der
Älterbank der Gewerke, um ihnen die gegebenen Instruktionen an die
Gesandten zu verlesen, damit sie erkennen könnten, daß nicht die
Ordnungen an dem "unglücklichen Ereignis", d. h. an der
demütigenden Abbitte schuld seien, sondern daß die Gesandten ihren
Instruktionen entgegen gehandelt hätten. Man beschimpfte die Gesandten
als Schelme und Diebe, vor denen die Tore geschlossen werden
müßten, ja, man sollte sie an den Bäumen aufhängen.
Dagegen bereitete man den zurückgekehrten, in anderthalbjähriger
Gefangenschaft gehaltenen Danziger Bürgermeistern Kleefeld, Ferber,
Proite und Giese den stürmischsten Empfang und setzte sie
sofort wieder in ihre Ämter ein.
In Danzig war man auch nach diesen harten Gewaltmaßnahmen nicht
gewillt, sich beugen zu lassen. Ebensowenig wie man gewillt war, die
Bestimmungen der Karnkowiana auszuführen, ebensowenig duldeten die
Danziger die Durchführung der Exekution. Auch hier schritt man, wo damit
begonnen wurde, überall zu Gewaltmaßnahmen, vertrieb die
königlichen Bevollmächtigten. Der König mußte
einsehen, daß sein Kampf vergebens war, und er gab ihn endlich auf. Die
Stadt war zwar durch die Vorgänge schwer geschädigt, aber ihren
Willen zu brechen oder ihre Freiheit und Privilegien zu rauben, war nicht
gelungen, die Danziger willfahrten auch weiter dem Könige nicht, wenn
seine Forderungen oder Anordnungen ihren Privilegien widersprachen. Sie
lehnten es auch ab, irgendwie in polnischer Sprache zu verhandeln und hielten
sich nach wie vor dem polnischen Senat fern.
Wenige Jahre später jedoch kam es zum schärfsten
Zusammenstoß zwischen Danzig und Polen. Als Stephan Bathory
den polnischen Königsthron bestieg, betrachtete er [185] es als eine ihm von seinem Vorgänger
hinterlassene Aufgabe, die durch das Lubliner Dekret vom Jahre 1569 geplante
Einverleibung Preußens in den polnischen Staat auch in Danzig
durchzuführen und dort die Karnkowiana in Kraft zu setzen. Bei den
übrigen preußischen Ständen war alles, wenn auch unter
Protest, erreicht, die preußischen Landesräte mußten in den
polnischen Senat, die Vertreter der Ritterschaft in die Landbotenstube. Aus den
preußischen Landtagen, die bisher das Organ einer unabhängigen
ständischen Regierung bildeten, waren Gerichtstage bzw.
Vor- und Nachversammlungen der polnischen Reichstage geworden. Der
preußische Adel hatte die polnischen Kontributionen auf sich genommen
und sich unter die Jurisdiktion des Petrikauer Tribunals begeben.56 Danzig allein steht allem
ablehnend gegenüber. Danzig ist noch frei. Diesen freien Willen der
Danziger zu brechen, war Stephan Bathorys Ziel, als er am 14. Dezember 1575
gegen den Willen der Danziger zum Könige von Polen gewählt
worden war.
Danzig beschloß, ihn nicht eher als König anzuerkennen, ihm seine
Tore nicht zu öffnen, bevor die Privilegien von ihm feierlich
bestätigt worden sind, bevor die Gründe mancher Beschwerden
beseitigt waren. Stephan war nicht willens, dieser Forderung nachzukommen,
zumal da ihm Thorn die Tore geöffnet und den Eid der Treue geleistet
hatte, welchem Beispiele Elbing alsbald gefolgt war. Er erklärte, das von
Preußen in Anspruch genommene Recht, von ihm einen besonderen
Eid auf die Landesprivilegien fordern zu dürfen, bestehe nicht, der
für Polen und Litauen geleistete Eid beziehe sich auch auf Preußen
mit Vorbehalt der Rechte und Privilegien dieser Lande. Danzig jedoch
genügten diese Erklärungen nicht, es verlangte wie von den
Vorgängern einen eigenen Eid, da es sonst die Rechte und
Freiheiten nicht genügend gesichert glaubte. Der König verharrte auf
seinem Standpunkt, die Stadt auf dem ihrigen, und sie verweigerte die Huldigung.
Der König beschloß, die Stadt mit Gewalt zur Anerkennung zu
zwingen, und so erklärte er sie zunächst am 24. Dezember 1576 in
die Reichsacht. Jedoch schon deren Verkündigung in der Stadt
konnte er nicht durchsetzen, sie mußte unterbleiben. Dann ging er mit
Waffengewalt gegen sie vor, und es kam zu einem blutigen, mehr als
einjährigen Kampfe, den Danzig entschlossen gegen die polnische
Übermacht aufnahm, in dem es von polnischen Kugeln
überschüttet wurde, in dem seine Ländereien und Dörfer
von polnischen Truppen zerstört und verwüstet wurden, in dem
es aber doch Sieger blieb. Die [186] polnischen Truppen wurden wiederholt von den
Danzigern in blutigen Treffen geschlagen und mußten sich
zurückziehen. König Stephan sah sich nach solchen Niederlagen
schließlich gezwungen, die Belagerung Danzigs aufzugeben, den Krieg
gegen die Stadt abzubrechen und Frieden zu schließen, in dem der
König sich zur Eidesleistung bereit erklärte, worauf die Stadt ihn
anerkannte und ihm huldigte. Sie hatte ihren Willen durchgesetzt. Polen hatte
ihre Macht und Stärke erkannt, und das trug nicht unwesentlich bei einmal
zur Hebung ihres Selbstgefühls und zur Stärkung ihrer Macht, zum
andern, daß sie fortan von derartigen Vergewaltigungsversuchen
verschont wurde. Die Kosten, die dieser Krieg der Stadt verursacht hatte, betrugen
1 521 865 Gulden, ungerechnet der ungezählten Verwüstungen
und
Räubereien durch die polnischen Truppen. Es ist nicht uninteressant, zu
wissen, wie stark die Truppen waren, über die Danzig verfügte. Nach
den aktenmäßigen Berechnungen von Hoberg57 betrug die Streitmacht der Danziger
während der Belagerung durch Stephan Bathory:
9 Fahnen Bürger zu 16 Rotten zu 35 Mann |
5 040 Mann |
5 Fahnen Soldtruppen durchschnittlich zu 400 Mann |
2 000 Mann |
2 Fahnen der Hauptleute Jost v. Pein und Gall v. Harz |
873 Mann |
6 Fahnen Schotten durchschnittlich zu 200 Mann |
1 200 Mann |
1 Fahne Reiter unter Klaus von Ungarn |
502 Mann |
1 Fahne Reiter von der Stadt angen. Hofleute |
374 Mann |
Büchsenmacher |
168 Mann |
Handlanger bei den Geschützen |
178 Mann |
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Zusammen: |
10 335 Mann |
Außerdem befanden sich in Weichselmünde: |
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Soldtruppen |
550 Mann |
Büchsenmacher und Handlanger |
34 Mann |
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Insgesamt also: |
10 919 Mann |
Das sind einige Beispiele aus sehr vielen. Sie zeigen mehr als viele Worte, was
von der polnischen Behauptung zu halten ist, Danzig habe zum polnischen Reiche
gehört, Danzig sei ein Teil Polens gewesen. Zwar hat Polen ununterbrochen
versucht, Danzig unter Bruch aller Verträge und unter Anwendung
aller Gewaltmittel unter seine
Bot- [187] mäßigkeit zu bringen, nie aber ist
es ihm, wie diese wenigen Beispiele schlagend beweisen, gelungen.
Unablässig ist der Kampf zwischen Danzig und Polen während der
350 Jahre geführt worden, wenn auch mit wechselnder Stärke und
mit größeren und kleineren Friedenspausen.
War es auch nicht immer die blanke Waffe des Schwertes, wie in dem
angeführten Falle, so war es gar häufig die nicht minder blanke
Waffe des Geldes, die mitunter noch größeren Eindruck machte. Die
Stadt Danzig ist nach jeder Richtung hin als Siegerin aus diesem
verhältnismäßig ungleichen Kampfe hervorgegangen, sie hat
ihre Freiheit und damit ihr Deutschtum bewahrt, und dies zum nicht
unwesentlichen Teile deswegen, weil sie engste Verbindung hielt auch mit dem
deutschen
Geistes- und Kulturleben, weil sie in dieser Hinsicht sich systematisch gegen
Polen und seine Einflüsse abschloß, dagegen seine Arme nach
Deutschland hin weit öffnete und ihm von dort her überaus reiche
Kräfte und immer frisches Blut zuströmten. Davon soll weiter die
Rede sein.
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