Unter der Schutzherrschaft der Könige von
Polen.
Von 1454 - 1793. (Teil 2)
2. Die politische Stellung Danzigs unter der
Schutzherrschaft der Könige von Polen
Für die Entwicklung und die weitere Geschichte Danzigs sowohl wie
für die Beurteilung seines Handels und seiner Beziehungen zu Deutschland
von entscheidender Bedeutung ist die Stellung gewesen, die Danzig unter der
Schutzherrschaft der polnischen Könige eingenommen hat. In dieser
Hinsicht muß von vornherein betont werden, daß Danzig sowohl wie
das übrige
Polnisch-Preußen - sein offizieller Name war: Preußische
Lande Königlich Polnischen Anteils [151] - nicht ein Teil des polnischen
Reiches war, sondern lediglich durch eine Art Personalunion mit
Polen in Verbindung stand, im übrigen aber seine Freiheit und
Selbständigkeit beim Abfall vom Orden von dem Könige von Polen
zugesichert erhalten hatte. Diese Freiheit hat Danzig und sein Territorium auch all
die folgenden Jahrhunderte - entgegen den übrigen Landen
Polnisch-Preußens - zu verteidigen und zu wahren gewußt, und
es hat weiter gleich zu Beginn seiner Verbindung mit den polnischen
Königen sich soviel Vorrechte und Privilegien zu erringen
verstanden, daß es faktisch eine völlig freie, sozusagen Polen
vollkommen ebenbürtige Stellung eingenommen hat, daß seine
Vertreter oft mit dem polnischen Könige verhandelten nicht wie
Untergebene mit ihrem Herrscher, sondern als ständen sie rechtlich auf der
gleichen Stufe. Ja die polnischen Könige waren in vielen Dingen,
namentlich soweit es ihre Finanzen betraf, von Danzig vollkommen
abhängig, sie haben sich nicht selten inständig bittend an Danzig
gewandt, und ebenso sind die Fälle nicht selten, in denen Danzig diesen
Bitten sein Ohr verschloß. Es ist notwendig, auf die Dinge hier etwas
näher einzugehen, da nur durch diese Stellung die weiter folgende
selbständige, von den übrigen preußischen
Landen - nur mit teilweiser Ausnahme von Elbing und in noch geringerem
Grade auch von Thorn - ganz verschiedene Entwicklung Danzigs
verständlich ist.
Die Stellung Danzigs unter der Krone der polnischen Könige
gründete sich auf die sogenannte Inkorporationsurkunde König
Kasimirs vom 6. März 1454, die für die ganzen unter die
Oberherrschaft des Polenkönigs gekommenen Gebiete des
Ordens - das sogenannte Polnisch-Preußen - maßgebend
war, sodann auf die Sonderprivilegien, die der König Kasimir der
Stadt in den Jahren 1454, 1455 und 1457 gerade wegen ihres entschlossenen und
außerordentlich erfolgreichen Handelns im 13jährigen Kriege
gewährte.
Die sogenannte Inkorporationsurkunde, durch die die vom Orden
abgefallenen Gebiete in die Schutzherrschaft der polnischen Könige
aufgenommen wurden, bildet die hauptsächlichste Grundlage für das
staatsrechtliche Verhältnis, in das die abgefallenen preußischen
Stände und Städte zur Krone Polens getreten waren, und auch
Danzigs allgemeine Stellung zum König von Polen beruht in der Folgezeit
im wesentlichen zunächst auf den Bestimmungen dieser in
deutscher Sprache abgefaßten Urkunde.
Nach Auffassung der preußischen Stände sollte die Inkorporation der
preußischen Lande nicht eine Einverleibung [152] in den polnischen Staat, sondern nur eine
Vereinigung mit ihm unter einem gemeinsamen Staatsoberhaupte, also eine
Personalunion sein.
Diese Tatsache wollen die polnischen Geschichtsschreiber nicht
anerkennen, sondern sie behaupten, daß das sogen.
Polnisch-Preußen nicht erst später - und zwar durch Bruch der
Privilegien und durch brutalen
Zwang - dem polnischen Reiche einverleibt worden sei, sondern schon im
Jahre 1454 sofort beim Abfall vom Orden, und daß dies geschehen sei im
Einvernehmen und mit Zustimmung der Stände und
Städte. Für diese Behauptung berufen sich die polnischen
Geschichtsschreiber auf den Wortlaut der Inkorporationsurkunde. In ihr, so sagen
sie, heiße es ausdrücklich: "Wir verleiben wieder dem Reiche
Polen ein, vereinigen wieder die Lande Preußen" u. s. w.
Hier werde also deutlich nicht nur die Vereinigung, sondern sogar die
"Wiedervereinigung" mit dem polnischen Reiche ausgesprochen; also die
Wiedergewinnung eines ursprünglich polnischen Landes. Eine Behauptung,
die ja auch in neueren und neuesten polnischen Propagandaschriften wiederkehrt,
die aber darum doch nicht wahrer wird.
Wir haben früher schon dargelegt, daß die Polen zur Zeit der
pommerellischen Herzöge wohl nach der Herrschaft über diese
Gebiete strebten, daß sie sie sich auch teilweise theoretisch
beilegten, daß sie sie aber praktisch niemals besessen haben. Wenn
also hier von einer "Wiedervereinigung" die Rede ist, so ist das,
wenigstens in bezug auf den nördlichen Teil der Lande einschließlich
Danzigs, ein geschichtlicher Irrtum, den die Beteiligten damals nicht
sofort erkannt oder auf dessen Berichtigung sie keinen Wert gelegt haben.
Für die Annahme einer "Wiedervereinigung" Westpreußens
mit Polen jedenfalls fehlt jede geschichtliche Grundlage.
Aber auch von einer "Vereinigung" mit dem ganz wesensfremden, aus
anderen staatlichen und völkischen Grundlagen erwachsenen polnischen
Reiche kann, wie sich aus der noch zu behandelnden staatlichen Sonderstellung
Preußens in Verfassung, Recht und Verwaltung trotz jenes Ausdrucks in der
Urkunde nicht die Rede sein. "Allerdings" sagt Archivdirektor Dr.
Kaufmann,17
"zeigt eine Vergleichung der
Unterwerfungsurkunde der Stände, also ihr Anerbieten an den
König, und die Inkorporationsurkunde einen wesentlichen
Unterschied. Denn während sich die Stände in ihrem Schreiben
an den polnischen König diesem und der polnischen Krone
unterwerfen und ihre Einver- [153] leibung in diese anboten (nur ein einziges Mal
wird das Reich Polen angeführt, sonst immer ausschließlich von dem
Könige und der Krone Polens, also von
Personalunion, gesprochen), verleibt die polnische Urkunde
ausdrücklich das Land in das Reich Polen ein. Ob die verblendeten
Stände nicht sofort diesen wesentlichen Unterschied merkten, oder ob diese
Umstellung mit persönlichen Vorteilen für Einzelne erkauft wurde,
muß dahingestellt bleiben, obwohl es das wahrscheinlichste ist. Die
Unterwerfung der Stände war freiwillig und ohne jeden Zwang
erfolgt, aber erst, nachdem der König für sich und seine Nachfolger
feierlich versprochen hatte, daß er sie bei ihren alten Rechten und Freiheiten
schützen wolle. Diese Rechte und Freiheiten bedingten aber gerade die
Unabhängigkeit und Unvereinbarkeit mit dem
stammfremden Reiche Polen, und bei ehrlicher Durchführung der den
Preußen gegebenen feierlichen Versprechungen hätte niemals eine
allem Rechte so ins Gesicht schlagende Vergewaltigung eintreten können
wie 1569."
Diesen Zwiespalt zwischen dem Anerbieten und dem Wortlaut der
Inkorporationsurkunde mögen sicher auch schon die Danziger Vertreter
beim Abschluß gemerkt haben, vielleicht durchschauten sie nun in Krakau
auch schon das Intrigenspiel, und daher ihre verzweifelte Stimmung,
daher ihre vorhin gekennzeichneten Warnungen an Danzig, daher die
Notwendigkeit der Zerstörung des Danziger Ordensschlosses.
Die Worte der Inkorporationsurkunde mögen, wortwörtlich
genommen, mehr der polnischen Auffassung Raum geben. Es darf aber dabei
doch keineswegs der tatsächliche Zustand und der Wille der sich
Unterwerfenden unberücksichtigt gelassen werden. Der
Übergang zur polnischen Krone erfolgte ja völlig freiwillig,
wie dies auch die Inkorporationsurkunde bezeugt, in der es ausdrücklich
heißt, daß sich die preußischen Lande "aus gutem und
freiem Willen" dem polnischen Könige unterstellt haben. Wenn sie
dies aber taten, so doch nicht, um unfreier zu werden als sie waren,
sondern um größere Freiheiten zu erlangen. Das ist eine
selbstverständliche Logik. Andererseits aber brauchte Polen die
Stände und
Städte - was diesen natürlich auch nicht unbekannt
war - unbedingt, wenn es den ihm verhaßten Deutschen Ritterorden
niederwerfen wollte. Auch aus diesen Gedankengängen heraus verlangt
eine gesunde Logik, daß die Stände und Städte nun für
sich größere Freiheit und Selbständigkeit werden
beansprucht haben, als sie sie unter der Ordensherrschaft besaßen, denn
sonst hätten sie ja von diesem Wechsel nicht nur keinen Vorteil, sondern
Schaden von vornherein gehabt.
[154] Weiter ist wohl zu beachten, daß sowohl
die preußischen Stände als auch Danzig die wirkliche Vereinigung
mit Polen stets bestritten und entschieden abgelehnt haben. Gleich als der
Lubliner Reichstag von 1569 die Union, d. h. die Vereinigung der
preußischen Lande, die bis dahin die volle Selbstverwaltung und Freiheit
gehabt hatten, mit dem Königreiche Polen aussprach, widersetzten
sich die preußischen Stände, und Danzig an der Spitze, sofort
mit aller Entschiedenheit, indem sie u. a. auch darauf hinwiesen, daß
schon die von der Verfassung Polens ganz verschiedene Verfassung
Preußens die Absicht und den Willen einer Einverleibung
ausschließen und daß die preußischen Stände
nicht das Joch der Ordensherrschaft abgeschüttelt hätten, um ein
anderes auf sich zu laden. Diese Auffassung hat in Preußen und speziell in
Danzig stets geherrscht, wie dies der Danziger Rechtsgelehrte, Syndikus und
Stadtsekretär Gottfried Lengnich noch im 18. Jahrhundert in seiner
Geschichte Preußens näher ausführt, wenn er darlegt,
daß nur eine unio subjektionis, eine Gemeinsamkeit der Untertanschaft,
nicht aber eine unio jurium, eine Gemeinsamkeit der Rechte und Pflichten
zuzugestehen sei, und daß auch gerade der Inhalt der Inkorporationsurkunde
für diese letztere Auffassung spreche, denn hier bewillige der König
den preußischen Landen eine derartige Fülle von Sonderrechten,
daß von einer unio jurium mit dem übrigen Polen tatsächlich
nicht die Rede sein könne, sondern lediglich von einer
Schutzherrschaft.
Auf einen weiteren Umstand, der - entgegen der polnischen
Behauptung - die vollständige Selbständigkeit der
preußischen Lande in dieser Zeit der Oberherrschaft der polnischen
Könige bezeugt, hat Archivdirektor Dr. Kaufmann neuerdings18 in seinen Darlegungen über das
Wappen der Lande Preußen hingewiesen. Er schreibt:
"Daß
Preußen sich vom Anfang seiner Verbindung im Jahre 1454 mit dem
polnischen Könige nicht als Teil des polnischen Reiches
betrachtete, sondern sich bewußt eine Sonderstellung als eigener
Staat vorbehielt, das beweist auch eine in ihrer Bedeutung bisher noch nicht
gewürdigte Tatsache: es führte ein eigenes, vom polnischen
grundverschiedenes Wappen, das es sich selbst gegeben hatte. Wenn man
bedenkt, welche Wichtigkeit jedem Wappen einer einzelnen Familie und erst
recht eines Landes im Mittelalter zukam, wie jeder einzelne Teil an ihm
symbolische Bedeutung hatte, so wird man nicht im Zweifel sein können,
daß aus dem Wappen Preußens eine ganz besondere Absicht spricht.
Dieses Wappen ist aber ein schwarzer Adler auf weißem Grunde.
Wappentier und [155] Farben sind die des Deutschen Ordens.
Um den Hals trägt der Adler eine dreizackige Krone und unterhalb der
Krone wächst aus dem Halse ein gepanzerter Arm, der ein blankes Schwert
schwingt.
Das Wappen führte zuerst, wie es scheint, kraft eigenen, vom
Könige jedenfalls ursprünglich nicht verliehenen Rechts, der
Gubernator des Landes. Später wurde es das Wappen der Lande
Preußen und ist es bis auf den heutigen Tag geblieben. Es ist ein deutliches
Kampfwappen und findet sich bereits auf Urkunden, die kurz nach 1454
von den preußischen Ständen erlassen wurden... Das
Bedeutungsvollste ist, daß das Wappen klar ausspricht, daß das Land
altes deutsches Ordensland nach Anschauung der Preußen,
nicht ursprünglich polnisches Land war, das, wie die Polen
behaupten, zu seinem alten Stammlande Polen zurückkehrte. Nicht der
weiße Adler des polnischen Reiches, sondern der schwarze des Deutschen
Ordens ist das beherrschende Symbol. Der Arm mit dem gezückten
Schwert dürfte den Kampf um die »Freiheit«, die Krone den Schutz des
polnischen Königs ausdrücken. Es sagt also genau das, was die
preußischen Stände und vor allem Danzig immer behaupten,
daß das Land seinem Ursprunge nach ein vom polnischen Reiche
verschiedenes war, das nur mit der polnischen Krone, also dem
Könige, aber nicht mit dem polnischen Reiche in Verbindung
stand."
Ich möchte in diesem Zusammenhange auf einen weiteren, wie mir
scheint bisher völlig unbeachtet gebliebenen Umstand hinweisen, der auch
mit aller nur wünschenswerten Klarheit auszudrücken scheint,
daß sich die preußischen Lande, in diesem Falle speziell
Danzig, nur mit der Krone Polens, nicht mit dem polnischen Reiche
verbunden fühlten. An den in der sogenannten polnischen Zeit in Danzig
ausgeführten Bauten findet sich mitunter der polnische Adler neben
dem Danziger und neben anderen Wappen, was, wie die bekannte polnische
Postkarten- und Bilderserie beweist, die Polen neuerdings veranlaßt hat,
diese Bauten für die angebliche polnische Kultur in Danzig zu reklamieren,
um der Welt weiß zu machen, Danzig sei ursprünglich polnisch
gewesen, diese Bauten seien hier von den Polen errichtet worden. Sie
verschweigen natürlich, daß diese Bauten auf Veranlassung der rein
deutschen Stadt Danzig und von Baumeistern und Künstlern errichtet
worden sind, die die Stadt
Danzig - wie wir später sehen werden - aus dem Deutschen
Reiche oder aus den Niederlanden herangezogen hatte. Nun ist aber
bemerkenswert, daß auf allen jenen Denkmälern, auf [156] denen sich der polnische Adler befindet,
dieser Adler, also das eigentliche Symbol des polnischen Reiches, sich
nicht allein findet, sondern stets nur in Verbindung mit dem Wappen des gerade
regierenden polnischen Königs. Der polnische Adler trägt hier in
Danzig stets auf der Brust das Wappenschild des gerade in Polen regierenden
Hauses. So hat z. B. der Adler an dem zur Zeit des Königs
Stephan Bathory errichteten Hohen Tore den Stier; der in dem
früheren Altstädtischen Rathause sowie in der
großen Ratsstube die Garbe, das Zeichen des Hauses Wasa;
die Lilie in dem Wappen der Ratsstabe des Rechtstädtischen
Rathauses deutet hin auf den König Heinrich aus dem Hause Valois.
Mir scheint, daß die Danziger durch diese Wappen gleichfalls zum
Ausdruck bringen wollten, daß sie lediglich mit der polnischen Krone, nicht
aber mit dem Lande Polen verbunden waren.
Wir müssen uns nun die Privilegien, die den preußischen
Landen durch die Inkorporationsurkunde gegeben worden sind, etwas näher
ansehen. Preußen erhielt seine vom polnischen Reichstage völlig
unabhängigen Landtage; als königliche Statthalter durften
nur mit Zustimmung der Stände Gubernatoren ernannt und alle wichtigen
Landesangelegenheiten nur mit Beirat des Landesrates, d. h. der geistlichen
und weltlichen Räte des Adels und der großen Städte
verhandelt werden. Auch erhielten die preußischen Lande das sogen.
Indigenat, d. h. das Recht, daß alle Ämter und
Würden im Lande nur mit Einheimischen, nicht mit Polen, besetzt
werden durften. Die Huldigung an den neuen König sollte erst erfolgen,
[157] König Wladislaus IV. von Polen empfiehlt der
Stadt Danzig in deutscher Sprache am 7. September 1636 seinen
Gesandten nach Spanien. Eigenhändige Unterschrift.
(Danziger Staatsarchiv Abt. 300, 53 Nr. 952.
Nach Kaufmann: "Danzigs Deutschtum" Nr. 46.)
|
nachdem dieser den Eid auch auf die Landesprivilegien geleistet. Auch
sollten die Lande und Stände ihre bisherigen Rechte, Freiheiten und
Privilegien unverändert weiter behalten, deutsch sollte die
Umgangs-, Verwaltungs- und Gerichtssprache, auch die Verhandlungssprache der
Landtage sein. Selbst die Vertreter des Königs mußten sich der
deutschen, allenfalls der lateinischen Sprache bedienen, niemals
durften sie hier die polnische gebrauchen. Als dies in der Mitte des 16.
Jahrhunderts doch geschah, protestierten die Stände und Danzig
aufs heftigste als gegen eine Verletzung des Inkorporationsprivilegs. Das
Land behielt seine eigene, von der polnischen grundverschiedene Verfassung. Die
Stände und die großen Städte sollten zur polnischen
Königswahl hinzugezogen werden und überhaupt alle Rechte und
Freiheiten des polnischen Adels genießen. Sie sollten frei sein von den
Zöllen, namentlich sollte der sogen. Pfundzoll nicht mehr erhoben werden.
Kurz, es wurde den [157] Preußen ihre eigene, von Polen
völlig gesonderte Landesverwaltung zugestanden. So frei war
Polnisch-Preußen, daß Caro19 mit Recht sagt: "Die
preußischen Ständeversammlungen waren fast souverän, und
die königlichen Sendboten waren nicht viel mehr wie die Botschafter einer
befreundeten Macht."
War durch die Inkorporationsurkunde den Städten nebst der
Bestätigung ihrer früheren Rechte noch freier Handel durch ganz
Polen und mit dem Auslande, Abschaffung der Zölle und das
Münzrecht zugestanden, so gewährten mehrere auf Danzig
allein sich beziehende Privilegien diesem eine Unabhängigkeit, die,
wie König Kasimir selbst sagt, eine königliche Macht
bedeutete.
[158] Da wäre zuerst zu nennen die
Vereinigung der drei Danziger Sondergemeinden. Danzig wußte
sich seine Unentbehrlichkeit zu Nutze zu machen und erreichte so, nachdem der
Rechtstadt schon 1454 sämtliche Einkünfte der
Jung- und Altstadt zugefallen waren,20 am 15. Mai 1457 das Privileg,21 in dem ihm bewilligt wurde,
daß nunmehr die drei Städte Jungstadt, Altstadt und Rechtstadt
vereinigt wurden unter einem, dem rechtstädtischen Rat und
Gericht. Daneben hatte die Stadt gleich im ersten Privileg vom 16. Juni 1454 das
Gebiet des Ordens in der Stadt erhalten, vor allem auch die große
Ordensmühle, auf die sie ganz besonderen Wert legte.
Dann erhielt die Stadt durch die Urkunde des Königs Kasimir vom Jahre
1454 einen ausgedehnten und reichen Landbesitz, der ein Gebiet von etwa
15 deutschen Quadratmeilen umfaßte und in dem es alle grundherrlichen
Rechte bekam einschließlich der Gerichtsbarkeit. Es bestand dies
Landgebiet, das in der Urkunde genau bezeichnet wird, aus der Nehrung, dem
Stüblauschen Werder wie es die Ordensritter besessen hatten, den im
Kreise Danziger Höhe gelegenen bereits erwähnten zwölf
Dörfern. Diesen Besitz erweiterte die Stadt 1455 durch den Ankauf der
Starostei Putzig, und bei Abschluß des 13jährigen Krieges 1566
erhielt Danzig auch noch formell die Halbinsel Hela, die früher dem
Deutschen Ritterorden gehört hatte, über die sich aber Danzig gleich
im Jahre des Abfalls 1454 die Oberherrschaft zu sichern verstanden hatte. Schon
eine Woche nach dem Abfall vom Orden gab Danzig dem Städtischen Hela
eine Verfassung und setzte es durch, daß dessen Vertreter fortan von
Danzig ernannt wurde und daß er Danzig auch den Eid leistete.22 Weiter vermehrte Danzig seinen
Landbesitz dadurch, daß es die sogen. Scharpau, das alte Fischamt
des Ordens, die König Kasimir 1457 an einige Danziger Bürger mit
allen Höfen, Dörfern, Wassern und Rechten verpfändet hatte,
1530 im Umfange des alten Ordensfischamtes durch Kauf erwarb.23 Alle diese Käufe sind der Stadt
von den polnischen Königen ausdrücklich bestätigt worden,
und die Stadt ist während der ganzen polnischen Zeit im dauernden Besitz
dieser Ländereien geblieben.24
Dadurch war auch für den weitesten Teil des heutigen Danziger
Territoriums, ja weit über die Grenzen hinaus, die Verbindung geschaffen,
die für die Geschichte und Entwicklung dieser Gebiete von
allergrößter Bedeutung geworden ist. Ihr haben sie die
Möglichkeit zu verdanken, daß sie während der ganzen Zeit
der polnischen Herrschaft ihren [159] durch und durch deutschen Charakter bewahrt
haben und daß sie eine wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung
genommen haben, durch die sie über die ganze Umgebung weit
emporgehoben worden sind bis auf den heutigen Tag.
Am 15. Mai 1457 erteilte König Kasimir der Stadt dann das sogenannte
große Privileg,25 das Danziger Hauptprivileg, in dem
zunächst nochmals die Verleihungen von 145426 bestätigt werden und in dem
der Stadt dann weiter das Gericht gegeben wird in
Handels- und Strandangelegenheiten nebst der Aufsicht im ganzen Preußen,
nach welcher Danzigs Begehren stand. Im Umfange von fünf Meilen
sollte, wie es der Wunsch Danzigs war, weder ein Schloß noch eine Stadt
erbaut werden dürfen, keine neuen Steuern und Zölle sollten der
Stadt auferlegt werden. Überaus wichtig ist ferner die Bestimmung dieses
Privilegs, daß kein
Fremder - und dazu zählten auch die
Polen - das Recht haben sollte, ohne Erlaubnis der städtischen
Behörden in Danzig zu wohnen und hier Handel zu treiben. Kein Fremder,
nach damaligem Sprachgebrauch "Gast", und also auch kein Pole, durfte
mit einem Fremden hier Handel treiben, sondern dies Recht stand nur den
Danziger Bürgern zu. Die Stadt hat an diesem Recht stets streng
festgehalten, ja sogar den polnischen Königen gegenüber,
denen sie untersagte, ihr eigenes Getreide in Danzig unmittelbar an Fremde zu
verkaufen bzw. verkaufen zu lassen. Dieses Recht ist es zum guten Teil gewesen,
das das gewaltige Aufblühen der Stadt und ihren außerordentlichen
Reichtum in dieser Zeit bedingt hat und damit auch ihre gewaltige Macht.
Das bedeutendste der weiteren Privilegien ist das sogenannte
Hilfsgelderprivileg, durch welches die Stadt mit dem
Selbstbesteuerungsrecht ausgestattet wurde, d. h. das Recht erhielt,
selbständig und allein über die Einführung oder Abschaffung
von Steuern zu entscheiden. Es ist dies eines der wesentlichen Attribute einer
freien, reichsunmittelbaren Stadt. Dieser Machtzuwachs ist in diesem Falle um so
höher anzuschlagen, als die Krone Polens wirtschaftlich zumeist auf Danzig
angewiesen war und der König sich durch dies Privileg jede
Möglichkeit genommen hatte, in die Finanzverhältnisse der Stadt
irgendwie einzugreifen. Im engen Zusammenhange damit steht das Recht,
"Wilkore" selbständig zu erlassen, d. h. Gesetze zu geben.
Einer Bestätigung solcher Gesetze durch den König hat es rechtlich
nicht bedurft. Außerdem erhielt die Stadt neben den im
Inkorporationsprivileg zugestandenen Rechten das weitere Recht der
freien und selbständigen Besetzung aller
welt- [160] lichen und geistlichen Ämter und
Lehen innerhalb seiner Grenzen mit alleiniger Ausnahme der Marienkirche.
Ferner bedeutet das Privileg von 1457, da[s] bei Strafe der Konfiskation den
Danziger Bürgern eine Appellation an das polnische Reich in weltlichen
oder geistlichen Dingen verbietet, eine starke Begünstigung des Danziger
Rates. Es wird in ihm ausdrücklich ausgesprochen, daß er in
weltlichen Dingen keinem andern zum Gehorsam verpflichtet sein solle, als
allein dem Könige oder seinem persönlichen Stellvertreter
für die Lande Preußen oder die Stadt selbst.
Wenn sich der König auf Grund dieses Privilegs einen Vertreter in der
Stadt bestellte, einen "Hauptmann" oder "Burggraf", der seine Rechte
wahrzunehmen hatte, so folgte er hierin dem Orden, unter dessen Herrschaft in
Danzig ein Hauskomtur als Stellvertreter des Hochmeisters residiert hatte. Aber
auch bezüglich dieses "Hauptmanns" ging nun das Recht der Stadt viel
weiter als unter der Ordensherrschaft. Die Stadt hatte jetzt sozusagen auch die
Besetzung dieses Postens in Händen. Denn das Privileg gab ihr das
Recht, dem Könige für diesen Posten jährlich acht Mitglieder
des Danziger Rates in Vorschlag zu bringen, aus denen der König den
"Hauptmann" auswählen mußte. Also auch hinsichtlich der Wahl
seines persönlichen Vertreters war der König sehr
eingeschränkt.
Kennzeichnend für Danzigs freie und selbständige Stellung ist auch,
daß beim polnischen Königshofe es einen ständigen Vertreter,
den "Sekretär bei Hofe", hielt, der die Interessen Danzigs auf allen
in Frage kommenden Gebieten wahrzunehmen und über die laufenden
Vorgänge dem Rat Bericht zu erstatten hatte. Also ein Gesandter. Das
Gesandtschaftsrecht, d. h. das Recht, eigene selbständige,
von Polen gänzlich unabhängige Gesandte in fremde Staaten zu
entsenden und von ihnen zu empfangen, sei es für einzelne Fälle, sei
es für dauernd, hat die Stadt in der polnischen Zeit stets ausgeübt.27 Schottmüller28 hat diplomatische Vertreter folgender
Mächte in folgender Zahl in Danzig nachgewiesen:
Brandenburg-Preußen 12, Dänemark 17, England 7, Frankreich 9,
Schweden 8, Spanien 5. Sicherlich ist hiermit die Gesamtzahl bei weitem noch
nicht erschöpft. Diese Geschäftsträger fremder Mächte
in Danzig, die ursprünglich den Namen "Faktoren" führten, an
dessen Stelle späterhin die Titel Agenten, Residenten und Kommissarien
traten, waren bei dem Rat der Stadt accreditiert, und zwar ohne jede polnische
Zwischenschaltung. Erschien ein solcher Abgesandter einer fremden Macht in
Danzig, so [161=Faksimile] [162] überreichte er dem
[161] König Wilhelm III. von England teilt am
5. März 1688 den "sehr lieben Freunden", dem Senat der Stadt
und des Staates (civitatis et reipublicae) Danzig seine Thronbesteigung
mit und unterzeichnet eigenhändig "Euer guter Freund König
Wilhelm" (Vester bonus amicus Gulielmus Rex).
(Danziger Staatsarchiv Abt. 300, 53 Nr. 628.
Nach Kaufmann: "Danzigs
Deutschtum" Nr. 27 und 28.)
|
Präsidenten sein Kreditiv oder ließ es ihm durch einen Sekretär
einhändigen. Der Präsident legte es dem Rat vor. Hatte dieser nichts
einzuwenden, so wurde der Neuaccreditierte im Namen der Stadt durch einen
bevollmächtigten Sekretär bewillkommnet. Was diesen
Geschäftsträgern von ihren Mächten an die Stadt Danzig
aufgetragen wurde, teilten sie entweder schriftlich oder mündlich dem
[163] Präsidenten mit, von dem sie auch die
Antwort in ähnlicher Weise erhielten. Solchen
Geschäftsträgern auswärtiger Mächte begegnen wir hier
zu allen Zeiten. So waren beispielsweise im Jahre 1743 bei Danzig accreditiert28a die Vertreter folgender
Mächte: Rußland, Frankreich, England, Polen, Sachsen, Schweden,
Dänemark, Preußen und die Niederlande.
Der Bedeutung der Stadt Danzig entsprach auch ihre Geltung im Bereiche der
europäischen Staaten und deren [164] wohlwollende, meist sogar ausgesprochen
freundschaftliche Stellung zum Rate.29 Es wurde dem Danziger Rat nicht nur,
wie das unter selbständigen Staaten üblich ist, die Thronbesteigung
eines neuen Herrschers, wie z. B. Wilhelms III. von England am 5.
März 1688, König Friedrichs des Großen von Preußen
am 28. Juni 1740, König Fried- [165] rich III. von Dänemark am 4. Mai
1661, Gustav Adolfs von Schweden am 20. April 1612 u. s. w. von
diesen Herrschern unmittelbar mitgeteilt, der Tod einzelner Mitglieder regierender
[162] König
Ludwig XIV. von Frankreich teilt
am 25. Juni 1674 den "sehr lieben und guten Freunden" (très
chers et bons amis), dem Senat von Danzig mit, daß er den bisherigen
Konsul der "französischen Nation" um ihn zu ehren, zum
Kommissär ernannt habe. Eigenhändige Unterschrift.
(Danziger Staatsarchiv Abt. 300.
Nach Kaufmann: "Danzigs Deutschtum" Nr. 34.)
König Ludwig XVI. von Frankreich teilt
am 20. September 1791 mit dem Ausdruck seiner Wertschätzung und
Freundschaft dem Senat von Danzig mit, daß er die neue Verfassung
Frankreichs angenommen habe. Eigenhändige Unterschrift.
(Danziger Staatsarchiv Abt. 300, 53 Nr. 636.
Nach Kaufmann: "Danzigs
Deutschtum" Nr. 35.) [163]
|
Häuser oder die Ernennung eines Stellvertreters während der
Abwesenheit eines Fürsten, wie z. B. von Zar Alexej im Jahre 1659
offiziell bekanntgegeben oder der Rat zur Feier der Krönung eines neuen
Herrschers eingeladen (z. B. König Friedrich II. von
Dänemark ladet am 30. Juni 1559 die Stadt Danzig zu seiner
Krönung nach Kopenhagen [166] ein), auch Staats- und
Verfassungsänderungen wurden der Stadt offiziell und unmittelbar zur
Kenntnis gebracht. Noch König Ludwig XVI. von Frankreich teilte der
Stadt im September 1791 in aller Form die Übernahme der neuen
Verfassung mit.
So weit ging Danzigs Selbständigkeit sogar, daß es ohne
Rücksicht auf den polnischen König sich an auswärtigen
Kriegen beteiligte und Verträge mit fremden Staaten abschloß.
Nicht minder hatte es eigene Militärhoheit innerhalb seiner
Grenzen. Fremde Truppen, auch die polnischen, durften die Stadt nicht
betreten. Dementsprechend hat die Stadt auch das Recht ausgeübt, auf
ihrem Territorium Befestigungen jeder Art ohne Rücksicht
auf Polen und ohne Fühlungnahme mit ihm anzulegen, Bündnisse
einzugehen [167] nicht nur ohne Rücksicht auf Polen,
sondern sogar gegen Polen. Auch die Festungen sind ja im wesentlichen
mit zum Schutze gegen Polen ausgebaut worden. Nicht minder besaß
Danzig eigenes, völlig unabhängiges Münzrecht.
Zu dem sogenannten Hauptprivileg mit seinen überaus wertvollen Rechten
kam zehn Tage später, am 25. Mai 1457, die Verleihung einer Zahl von
besonderen Ehrenvorrechten,30 nämlich das Führen der
goldenen Krone im Wappen, das Siegeln mit rotem Wachs und
das Recht für den Stadthauptmann und den Bürgermeister, fortan
Goldschmuck an ihren Gewändern zu tragen. Das Wappen Danzigs
bestand bisher nur aus zwei übereinanderstehenden weißen Kreuzen
in rotem Felde.31 Die Verleihung der goldenen
Krone wird nun polnischerseits als ein besonderes Zeichen gerade der
engen Verbindung Danzigs mit Polen angesehen, und auch in
deutsch-Danziger Kreisen ist diese Auffassung teilweise verbreitet, was sich
besonders bemerkbar machte bei der Beratung der
Flaggen- bzw. Wappenfrage für den neuen Freistaat Danzig im Volkstage
im Jahre 1920, wo teilweise aus diesem Grunde heftig gegen die Beibehaltung der
Krone Sturm gelaufen wurde. Die Dinge liegen aber wesentlich anders,
nämlich gerade umgekehrt, wie Archivdirektor Dr. Kaufmann32 mit aller Klarheit nachgewiesen hat.
Da auch die Verleihung gerade dieses Privilegs die völlig freie Stellung
Danzigs kennzeichnet, lasse ich den Hauptteil der Ausführungen Dr.
Kaufmanns über dies Privileg hier folgen. Dr. Kaufmann schreibt:
"Sehen wir uns
daraufhin einmal die Verleihungsurkunde etwas
näher an. Nach starker Betonung der großen Verdienste und des
treuen Beistandes der Stadt bei der Eroberung der Lande Preußen und nach
Hervorhebung ihrer Berühmtheit, durch die sie anerkannt vor anderen
Städten des Königs sich auszeichne, erklärt der König,
er wolle sie zu ihrer »Verbesserung und Vermehrung« mit Ehrungen nach
Gebühr belohnen. Daher verleiht er ihr zunächst das Recht, mit
rotem Wachs ihre Urkunden zu siegeln. Dieses Ehrenvorrecht hatte
damals große Bedeutung und Wichtigkeit, wurde daher viel begehrt und seit
dem 14. Jahrhundert von Kaisern und Königen als besondere
Auszeichnung erteilt... Weiter bestimmt der König »zu unserer und
unseres Reiches Polen wie auch derselben unserer Stadt Danzig Ehre und Zierde«
das Wappen der Stadt »zu erneuern und zu verbessern«, indem er ihr erlaubt,
fortan für alle Zeiten »eine goldene Krone im Oberteil ihres Schildes zu
führen«... Selbst wenn es die Urkunde nicht besonders hervorhöbe,
[168] würde schon die Zusammenstellung mit
den beiden anderen Rechten die Verleihung der Krone sich als eine
Ehrung der Stadt erweisen, und, fügen wir hinzu, als eine von
der Stadt begehrte, nicht ihr aufgedrängte scheinbare Ehrung. Denn sie
beeilt sich, sofort ein neues Petschaft stechen zu lassen und an Thorn einen damit
gesiegelten Brief zu schicken. Es ist weiter anzunehmen, daß der Wortlaut
der Urkunde, die in Danzig gegeben ist, von der Stadt selbst
entworfen und vom Könige angenommen worden ist. Denn sie ist in
deutscher Sprache verfaßt, während sich sonst die polnischen
Könige zu ihren Urkunden in der Regel der lateinischen Sprache
bedienten.... Durch die Erneuerung und Verbesserung sollte aber nach dem
Wortlaut der Urkunde nicht nur die Stadt, sondern auch der König selber
und das Reich Polen geehrt werden. Es ist nicht bedeutungslos, daß
der König betont, durch Ehrung Danzigs sowohl sich selbst wie auch
das Reich mitzuehren. Es spricht sich darin eine Art von
Gleichstellung der mächtigen Stadt mit dem Könige aus. Und
in diesem Sinne vor allem ist die Verleihung zu verstehen. Denn nicht die
polnische Königskrone wird verliehen, sondern ganz allgemein das
Sinnbild der höchsten Machtvollkommenheit und Hoheit. Darum
heißt es auch in der Urkunde nie unsere oder des
Königs Krone, sondern eine goldene Krone, die eben nur
ein Sinnbild sein soll. Damit erledigt sich auch der etwaige Einwand, daß
durch die Krone das Abhängigkeitsverhältnis Danzigs von Polen
gekennzeichnet werden solle, von selbst. Wollte man dem Könige eine
[164] König Philipp von Spanien teilt in deutscher Sprache
am 21. April 1597 dem Rat von Danzig mit, daß er eine Gesandtschaft
"etlicher Sachen und Geschäfte halben" nach Danzig schicke.
Eigenhändige Unterschrift.
(Danziger Staatsarchiv Abt. 300, 53 Nr. 353.
Nach Kaufmann: "Danzigs Deutschtum" Nr. 41.)
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solche Absicht bei der Verleihung unterstellen, wäre das Geschenk also
alles andere eher als ein Lohn für die Hilfe der Stadt, so wäre nicht
zu begreifen, weshalb sie gerade Danzig allein und nicht auch den anderen
Städten Thorn, Elbing, Graudenz auferlegt worden wäre. Die waren
doch dem Könige gegenüber in wesentlich anderer Lage als Danzig.
Danzigs Stellung war 1457 tatsächlich die, daß der König der
mächtigen und reichen Stadt stark verpflichtet war, alle möglichen
Rücksichten auf sie nehmen mußte und allen Anlaß hatte, sich
mit ihr gut zu stellen, ihr jeden Wunsch zu erfüllen, geschweige gar, ihr
eine ihrem Stolze und Selbstbewußtsein wenig angenehme Last
aufzuerlegen."
Diese Darlegungen Kaufmanns sind überzeugend.
König Kasimir hat der Stadt dann im Jahre 1472 noch ein weiteres
Privileg gegeben,33 das gleichfalls geeignet war, die
Unabhängigkeit von der Krone zu stärken. Es bestimmte, daß
in Schuldsachen für Danzig der Rat die höchste
Instanz wäre, daß keine Berufung an den König gestattet
sein solle. [169] In Danzig machte sich nun das Streben geltend,
die Berufung an den König überhaupt zu beseitigen.
Bezeichnend dafür ist, daß im offiziellen Exemplar der
Willkür der Stadt die Stelle, die von der Berufung in sonstigen Dingen an
den König handelt, durchstrichen ist, daß dann aber in der
wohl auch in der der Zeit Kasimirs angehörigen nächsten
Revision dieses Gesetzes von einer Berufung an den König nur
mehr insofern die Rede ist, als sie durch den Zwang, dabei einen Protonotar
anzunehmen, erschwert ist. In Danzig jedenfalls war man sich schon seit 1466
darüber klar, daß man vom Rate grundsätzlich keine
Berufung zulassen wollte.34
Eines wichtigen Rechtes muß noch ganz besonders etwas
ausführlicher gedacht werden, weil diese Frage für den
jetzigen Freistaat Danzig von entscheidender, ja von
lebenswichtiger Bedeutung geworden ist, die Frage nach dem
damaligen Verhältnis des Hafens von Danzig zu Danzig oder richtiger zu
Polen. Denn polnischerseits ist behauptet worden und wird weiter behauptet,
[165] König Friedrich II. von Dänemark ladet am
30. Juni 1559 in deutscher Sprache die Stadt Danzig zu seiner Krönung
nach Kopenhagen ein. Eigenhändige Unterschrift.
(Danziger Staatsarchiv Abt. 300, 53 Nr. 952.
Nach Kaufmann: "Danzigs Deutschtum" Nr. 42.)
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der Hafen von Danzig habe einst zu Polen gehört, Polen habe
allerweiteste Rechte nicht nur im Hafen gehabt, sondern sogar das
Bestimmungsrecht in ihm und über ihn. Durch diese kühnen
Behauptungen und die systematische Propaganda dieser Ideen haben sich auch die
Mächte der Entente am Schlusse des Weltkrieges in Versailles mit
bestimmen lassen, die heutige unglückliche und ungesunde Regelung zu
treffen. Die Dinge liegen vielmehr so, daß Danzig, und zwar Danzig
allein, auch während der ganzen polnischen Zeit das
unbeschränkte Recht im Hafen und über den Hafen hatte, daß
nach dieser Richtung hin Polen völlig von Danzig abhängig war,
daß Danzig den Hafen öffnen und schließen konnte, wann und
wie es wollte und dementsprechend die Bestimmungen über den Verkehr
und auch die Gebühren allein festsetzte. Danzig war der
unbeschränkte Herr über den Hafen. Polen hatte in ihm und
über ihn nichts zu sagen.
Archivdirektor Dr. Kaufmann hat auch dieser Frage eine eingehende
Studie gewidmet in der Festschrift anläßlich des 70. Geburtstages des
Präsidenten der Danziger Handelskammer Willi Klawitter im Jahre
1926,35 der wir im Nachfolgenden in den
wichtigsten Tatsachen folgen.
Den Danziger Vertretern war es beim Abfall vom Orden klar, daß der Hafen
für die Stadt von ausschlaggebender Bedeutung war. Würde er ihr
aus der Hand genommen, hinge seine Benutzung von der Gnade oder Ungnade
der polnischen Könige ab, dann hätte Danzig den Schlüssel
zur Stadt selbst in fremde Hände gegeben, dann hätten
fremde Kräfte über [170] ihre Entwicklung und ihren Wohlstand zu
entscheiden gehabt, dann wäre Danzig nicht Subjekt mehr, sondern nur
noch Objekt gewesen. Das konnte natürlich nicht im Sinne der
selbstbewußten, freiheitlich kraftvoll emporstrebenden Stadt liegen, und
darum forderte und erlangte sie das vertraglich festgelegte Recht auf den
Hafen.36 Im großen Privileg vom 15. Mai
145737 erhielt die Stadt daher die feierliche
Zusicherung, daß sie außer dem freien Handel an allen Küsten
Preußens das Recht der Öffnung und Schließung des
Hafens erhalte, d. h. also das Recht, selbständig zu entscheiden,
ob der Hafen für die Schiffe frei oder gesperrt sei.
Es ist erklärlich, daß dies Polen mitunter unbequem wurde,
und daß daher die späteren polnischen Könige wiederholt
versuchten, dies alleinige Recht Danzigs einzuschränken, Polen
dagegen einen gewissen Einfluß einzuräumen. Doch Danzig war
nicht gewillt, sich dieses Recht, dessen Bedeutung es sehr wohl erkannte,
[166] Wallenstein (Herzog Albrecht von Mecklenburg) erbittet
sich am 10. März 1630 den Danziger Oberst Hatzfeld und erklärt
sich bereit, ein Fußvolk nach Danzig zu schicken.
(Danziger Staatsarchiv Abt. 300, 53 Nr. 4.
Nach Kaufmann: "Danzigs Deutschtum" Nr. 30.)
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irgendwie kürzen oder schmälern zu lassen, ja, es schreckte selbst
nicht davor zurück, dies Recht, wie wir später darlegen werden, mit
der Waffe in der Hand gegen Polen zu verteidigen, siegreich zu verteidigen.
Zwar bestimmten die unter Bruch des Rechtes von Polen erlassenen sogenannten
statuta Karnkowiana vom Jahre 1570, daß der König von Polen sich
nicht nur die Entscheidung über Erlaubnis und Verbot der Schiffahrt
vorbehalten, sondern auch Vorsorge getroffen habe, daß sich die Stadt den
Gebrauch der Schiffahrt nicht ohne Wissen und Willen des Königs
herausnehmen dürfe. Der König beanspruchte also das der Stadt
Danzig bisher allein zustehende Recht über den Hafen als Kronregal, was
einen glatten Bruch des großen Privilegs bedeutete. Danzig
jedoch verweigerte die Anerkennung dieser Bestimmung, verweigerte sie mit
kriegerischen Mitteln erfolgreich im Kampfe gegen den Polenkönig
Stephan Bathory und erreichte im Friedensschluß vom Jahre 1585
auch eine formelle Aufhebung dieser tatsächlich nie in Kraft
getretenen Bestimmung.38
Das alte Recht blieb der Stadt nun fortan ungeschmälert, und sie hat es
nicht nur gegen andere Staaten, sondern auch gegen Polen angewandt.
Im Gegensatz zu den heutigen polnischen Behauptungen muß ferner darauf
hingewiesen werden, daß Danzig damals die Verwaltung des Hafens nicht
etwa mit Polen geteilt hat, wie das heute der Fall ist, und daß auch die
Gebühren nicht zur Hälfte der Stadt, zur andern dem
polnischen Könige zuflossen. Auch diese polnische Behauptung
entbehrt jeder tatsächlichen Grundlage. Keine Urkunde, keine Beweise
[171] gibt es, die für sie sprechen; dagegen
bezeugen hunderte von Urkunden das Gegenteil. Danzig allein
führte die Aufsicht durch die Beamten der
Seetiefs-Funktion bzw. die Pfahlherren bzw. Weichselherren über den
Außenhafen. Von irgendeiner Beteiligung der Beauftragten des polnischen
Königs ist nirgends eine Spur zu finden. Ebenso lagen die Dinge im inneren
oder eigentlichen Hafen, an dem allein bis ins 18. Jahrhundert die Schiffsladungen
gelöscht wurden. Er unterstand seit 1589 der Aufsicht zweier Danziger
Ratsherren, die allein für die Unterhaltung dieses Hafenteils zu sorgen
hatten. Seit 1632 wurden die technischen Arbeiten hier vom Stadtbauamte
geführt, aber immer unter alleiniger Aufsicht der sogenannten
Mottlauherren. Auch hier ist von einer Beteiligung der Vertreter des polnischen
Königs keine Spur. Es läßt sich also geschichtlich auch
nicht der geringste Anhaltspunkt für eine gemeinsame Verwaltung
erbringen. Auch die Einnahmen flossen ausschließlich in die
städtischen Kassen. Das Pfahlgeld, von dem die polnischen Könige
einen Teil empfingen, hat mit der Verwaltung des Hafens nicht das geringste zu
tun, die Stadt hatte das alleinige und ausschließliche Erhebungsrecht.
Die Verpflichtungen dagegen, die Danzig dem Könige von Polen
gegenüber hatte, waren überaus gering. Sie bestanden in der
Anerkennung seiner Oberhoheit, in einer jährlichen Rente von 2 000
ungarischen Gulden an den König, die später etwas erhöht
wurde, und außerdem mußte die Stadt ihn mit seinem Gefolge bei
seiner Anwesenheit in Danzig drei Tage lang frei bewirten und ihm ein Haus und
einen Stall für 200 Pferde, sowie einen guten Speicher zu bauen und zu
unterhalten sich verpflichten. Danzig jedoch beeilte sich nicht, diesen letzten
Verpflichtungen nachzukommen. Bis 1568, also volle hundert Jahre nach der
Anerkennung der Oberhoheit, war noch nichts gebaut, doch bald nach diesem
Jahre wurde der Speicher errichtet, der jedoch städtisches Eigentum
blieb und über den auch die Stadt frei verfügte, wenn er nicht
gerade für königliches Getreide in Anspruch genommen wurde. Der
Bau des Hauses wurde zwar 1589 bewilligt, ist aber nie ausgeführt
worden, der König mußte bei seiner Anwesenheit in Danzig nach wie
vor in ihm zur Verfügung gestellten Privathäusern wohnen. Auch das
Grüne Tor ist nicht, wie man vielfach gemeint hat, für den
König als Absteigequartier, sondern als Zeughaus und Festhalle für
die Stadt erbaut worden.39
Das waren die Rechte, die dem Könige von Polen in Danzig und auf
Danzig zustanden. Sie waren mehr als
be- [172] scheiden. Der polnische König war
wirklich, wie Lengnich40 juristisch ausführt, das einzige
Verbindungsglied mit Polen, von dem Danzig in allem grundverschieden und
völlig frei war. Die Stadt hatte eine Stellung erreicht, wie sie ihr wohl als
Ziel ihrer Wünsche vorgeschwebt hatte, eine Stellung, wie sie
tatsächlich nicht mächtiger sein konnte. Sie war so
mächtig, daß sie keine Wünsche mehr zu äußern
wußte, als der Polenkönig ihr 1460 zu großem Danke
verpflichtet war.41
Diese Stellung Danzigs ist auch den Polen stets zum Bewußtsein
gekommen, von ihnen unangenehm empfunden worden, und unablässig hat
es in den nachfolgenden Jahren für Danzig Mühe gekostet, den
polnischen Anstürmen standzuhalten.
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