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Unter der Schutzherrschaft der Könige von
Polen.
Von 1454 - 1793. (Teil 1)
1. Danzigs Abfall vom Deutschen Ritterorden
und sein Übergang zu den Königen von Polen
Rund 150 Jahre (von 1308-1454) hat das Gebiet der heutigen Freien Stadt Danzig
unter der Herrschaft des Deutschen Ritterordens gestanden. Stadt und Land waren
während dieser Zeit zu hoher Blüte und Kultur gelangt. Da brach das
Verhängnis herein, das wir heute tief beklagen, das für weiteste
Gebiete des Deutschordensstaates sich sehr bald unheilvoll auswirken sollte, das
aber auch vornehmlich - wenn nicht
ausschließlich - den Grund gelegt hat für die heutigen
ungesunden Verhältnisse, politischen Unmöglichkeiten und die
Widersinnigkeit im deutschen Osten. Es kam der Abfall der preußischen
Lande und mit ihnen Danzigs vom Deutschen Ritterorden.
Es war ein Vorgang, den wir Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts, bei denen
das Nationalgefühl und das Gefühl der nationalen und
nationalstaatlichen Verbundenheit so stark entwickelt ist, bei denen alles zur
nationalen Einheit und zur Vereinigung aller national gleichgerichteten
Völker und Stämme drängt, kaum zu verstehen
vermögen. Wollen wir jedoch die damalige Handlungsweise der
preußischen Stände und Städte in etwa begreifen, so
müssen wir uns unbedingt einen Augenblick völlig frei machen
von unserer heutigen Auffassung und uns in jene so ganz anders
geartete und gerichtete Zeit hineinversetzen, in der von diesem heutigen
nationalen und völkischen Einheitsgedanken so gar nichts vorhanden war,
in der man viel universeller dachte, in der alles zur Selbständigkeit,
zur Eigenmacht und zum Partikularismus drängte, in der selbst die eigenen
Stammesgenossen sich aufs heftigste befehdeten, in der sie sich mit national ganz
anders gerichteten Fürsten verbanden zum [136] Kampfe gegen die eigenen deutschen
Stammesgenossen, ja, selbst gegen ihren höchsten weltlichen Herrn, den
Deutschen Kaiser selber.
Wir sehen dies Auseinanderfließen, dies Sichverbinden mit fremden
Mächten gegen eigene Volksgenossen in der deutschen Geschichte
sozusagen des ganzen Mittelalters, nicht nur im deutschen Ordensstaate, sondern
überall in deutschen Landen. Glücklicherweise hat sich diese
Verbindung nirgends so unheilvoll ausgewirkt wie leider im deutschen Osten.
Nur unter vollster Berücksichtigung und Beachtung der Einstellung und
Auffassung der damaligen Zeit und der damals lebenden
Menschen können wir die sich nun vollziehenden Vorgänge im
deutschen Osten verstehen und einigermaßen gerecht beurteilen. Daß
die Entwicklung im Osten diesen Weg nahm, ist die Folge einer Verkettung von
unglücklichen Zufällen, Ungeschicktheiten, bewußter Hetze
einiger Gruppen unter den Ständen selbst und schließlich zu
allem noch einer ganz geschickt angelegten polnischen Agitation, in der sich
diese Nation schon damals als Meister erwiesen hat, wie ja dies auch heute der
Fall ist, wie es heute der Danziger jeden Tag merken und beobachten kann.
Im Jahre 1454 lösten sich die gesamten Lande an der unteren Weichsel
einschließlich der Stadt Danzig von der Herrschaft des Deutschen
Ritterordens und begaben sich unter die Schutzherrschaft der Könige von
Polen. Es kann nicht meine Aufgabe sein, die Geschichte dieses Abfalls hier
näher darzulegen oder auch die "Schuldfrage" im einzelnen zu
erörtern. Das ist in eingehender und erschöpfender Weise bereits in
den einschlägigen Werken geschehen. Hier sollen der Verbindung und des
näheren Verständnisses halber nur kurz die geschichtlichen
Tatsachen angeführt und die wichtigsten Gründe des
Überganges geschildert werden, und in Verbindung damit die Rolle, die
Danzig in dieser Angelegenheit gespielt hat.
Durch die furchtbare Schlacht von Tannenberg im Jahre 1410 zwischen
den Polen und dem Deutschen Ritterorden, in welcher der Hochmeister mit der
Mehrzahl seiner Ritter auf der Walstatt geblieben war, auf der auch Danzigs
Truppen auf Seiten des Ordens gefochten hatten, war die bisherige
Machtstellung des Ordens gebrochen, nun begann sehr schnell sein eigentlicher
Abstieg, nun begann und mehrte sich aber auch der Zwist und die Streitigkeit
zwischen den preußischen Ständen und Städten
einer- und dem Orden andererseits. Durch die unglücklichen Kämpfe
mit Polen [137] waren Not und Elend in das Land eingezogen,
der Orden selbst befand sich in größter Not und Bedrängnis,
jede Hilfe aus dem Reiche blieb aus, und er sah sich gezwungen, mit der
Forderung einer außerordentlichen Steuer, einer "Notbede", an seine
Untertanen heranzutreten. Die gab dem Adel und den Städten
Veranlassung, zum ersten Male vereint in der Öffentlichkeit gegen den
Orden aufzutreten. Beide waren müde der Herrschaft des Ordens, in dem
sie selbst nichts zu sagen hatten, dessen Ritter ausschließlich Adlige waren aus
zugewanderten Deutschen, und die sich nicht auch aus den hier Seßhaften
ergänzten. Dieser zugewanderte deutsche Adel allein herrschte, besetzte die
maßgebenden Stellen, worüber Mißstimmung herrschte,
besonders bei dem hier seßhaften Adel, dem jede
größere Freiheit unter der Ordensherrschaft genommen war, der aber
sah, wie gerade seine Standesgenossen im benachbarten Polen
gewissermaßen kleine Könige waren. Die Städte aber
waren unzufrieden, weil der Orden, der ihrer Entwicklung ursprünglich
völlige Freiheit gelassen hatte, nun in gar manchem als ihr scharfer
Konkurrent auftrat, indem er begann, in größerem Umfange selbst
Handel zu treiben, wodurch sie sich in ihrer Handels- und Gewerbetätigkeit
beeinträchtigt sahen. Nun, als die Macht des Ordens gebrochen war, waren
sie nicht mehr gewillt, nur Untertanen einer Herrschaft zu sein, deren Mitglieder
keine Landbündler und einheimische Städter, sondern meist
Auswärtige waren, und sie sehnten sich nach einer Mitwirkung an der
Regierung und auch nach einer größeren politischen
Selbständigkeit.
Die erste allgemeine Ständeversammlung auf der Landschaft und
Städte gemeinsam vertreten waren, fand am 22. Februar 1411 zu
Osterode (Ostpr.) statt. Auf ihr wurde dem Hochmeister Heinrich von
Plauen, auf sein Verlangen, zur Bestreitung der ersten Kriegsrate an Polen ein
allgemeiner Landesschoß zugesagt und von allen Ständen entrichtet,
nur Danzig weigerte sich und wollte vorher gewisse Klagen gegen den
Orden beseitigt sehen. Vor allem handelte es sich um Erkämpfung des
Rechtes der freien Wahl der Ständeboten. Die Städte bestritten dem
Hochmeister die bisher innegehabte Befugnis, die städtischen
Landtagsmitglieder zu ernennen, sie nahmen das Recht, Abgeordnete für
die Tagfahrten zu erwählen, für sich selbst in Anspruch; sie setzten
zugleich fest, daß, falls der Hochmeister dennoch wider den Willen der
Städte jemanden bestimmen sollte, derselbe auf seine eigenen oder des
Ordens Kosten reisen und von der betreffenden Stadt keine Vollmacht bekommen
sollte.1
[138] So hatten sich die Stände und
Städte gegen den Orden das Selbstversammlungsrecht und eine gewisse
Selbständigkeit der Ordensherrschaft gegenüber erzwungen. Aber es
fehlte ihnen immer noch an einer festen Vereinigung, infolge deren sie nicht, wie
bisher, als Einzelpersönlichkeiten, sondern als eine geschlossene
Körperschaft der Regierung gegenüber auftreten konnten. Zwar
hatten sie dies in gewissem Sinne schon im Jahre 1412 dadurch erreicht,
daß sie den Hochmeister Heinrich von Plauen zwangen, den
Landesrat einzusetzen, der sich aus Mitgliedern beider Stände, im
ganzen aus 47 Vertretern, zusammensetzte und den Zweck hatte,
"Mitwissenschaft von den Sachen des Ordens zu haben und zum Besten des
Ordens und des Landes mitzuraten".2
Durch diese ersten Errungenschaften ermutigt, suchten die Stände nach und
nach immer größere Rechte zu erwerben, und sie ließen sie sich
von jedem neugewählten Hochmeister vor der Huldigung eigens feierlich
bestätigen. Dies gelang ihnen umso mehr, als unter Heinrich von Plauens
Nachfolgern "dy hirschaft nichts tat sunder des gemeynen landis wissin, wend sy
alle czit mit yn worin ym erim rate". So berichtet der Chronist Johann von
Posilge.3 Auf diese Weise erlangten die
Stände fast auf alle Angelegenheiten einen immer größeren
Einfluß, insbesondere auf die Steuergesetzgebung, die allgemeine
Landesgesetzgebung und auch auf die auswärtige Politik.
Dazu kam, daß sich auch die Beschwerden über
Gewalttätigkeiten einiger Ordensgebietiger und Ordensritter über
Bedrückung der Untertanen oder Eingriffe in deren Rechte, die immer mehr
um sich greifende Beeinträchtigung des Handels durch eigene
Unternehmungen und ähnliche Übelstände mehrten.4 Es gab zahlreiche Schäden und
noch viel mehr Ungeschicklichkeiten im Orden, auch herrschte in ihm nicht mehr
der Geist und die sittliche Zucht, die ihn einst ausgezeichnet und groß
gemacht hatten. Aber es muß doch betont werden, daß die
Zustände im Orden um die Mitte des 15. Jahrhunderts niemals so verrottet
gewesen sind, wie sie eine gehässige und tendenziöse
Geschichtsschreibung, besonders auf polnischer Seite, dargestellt hat. Die Lage in
Preußen war wohl durch das Zusammentreffen der verschiedensten
Umstände gespannt, aber keineswegs unerträglich. Ja das Gegenteil
läßt sich aus manchen Tatsachen und Schriftstücken sogar
noch aus der Zeit unmittelbar vor dem Abfall beweisen.
Aber der Geist der Unzufriedenheit und der Empörung hatte sich
gemehrt. Unter den Gliedern des Ordens selbst, [139] unter den Gebietigern, herrschte der Geist des
Ungehorsams und der Auflehnung, so daß es zu offenen Empörungen
innerhalb des Ordens selber kam. Das mußte die Stände und
Städte natürlich zum Vorgehen gegen den Orden selbst und zur
Erkämpfung ihrer vollen Unabhängigkeit ermuntern.
Ihre Haupttätigkeit suchten die Stände auch auf dem Gebiete der
auswärtigen Politik zu entfalten. Schon früher waren vom
Orden Vertreter von Land und Städten zu Akten von politischer Bedeutung
wie Bündnissen, Friedensverträgen u. s. w.
hinzugezogen worden. So finden wir z. B. bei der Gesandtschaft des
Ordens auf dem Konzil von Konstanz Vertreter des Landes und der
Städte.5 Ebenso sind in den Jahren
1414-1419 bei allen wichtigen Verhandlungen zwischen dem Orden und Polen
stets Mitglieder der Stände anwesend,6 so daß sie bald eine
außerordentliche Bedeutung und Macht erlangten, wodurch ihr
Macht- und Selbstgefühl und ihr Streben nach voller
Mitbestimmung und voller Freiheit nur noch gestärkt wurde.
Bezeichnend dafür, welchen gewaltigen Einfluß sich Stände
und Städte schon zu erkämpfen verstanden hatten, ist die
Bestimmung der Urkunde des Jahres 1422 am Melnosee zwischen dem Orden und
Polen abgeschlossenen Friedens, daß, wenn der Orden oder Polen den
Frieden brechen und den Krieg von neuem beginnen sollte, die Untertanen des
den Krieg beginnenden Teiles von jeder Hilfeleistung sowie überhaupt von
allem Gehorsam gegen die Herrschaft entbunden wären, ohne von ihr
bestraft werden zu dürfen. Diese Bestimmung betraf hauptsächlich
den Orden, wie sich dies auch alsbald zeigte. Der Orden hatte mit dem
Großfürsten Swidriga von Litauen ein Bündnis geschlossen,
infolgedessen er im Jahre 1432 in einen neuen Krieg mit Polen verwickelt wurde,
welcher durch den Frieden von Leczyc vorläufig beendet werden sollte. Als
der Hochmeister aber nach Thorn kam, um ihn zu besiegeln, fand er Gesandte des
Deutschen Kaisers vor, die diesen Frieden zu verhindern suchten. Da brach aber
der Mißmut und der Unwille der Stände und Städte, der schon
während des ganzen Krieges geherrscht und nur mit Mühe
zurückgedrängt worden war, um so ungestümer durch, und der
Hochmeister wurde zur Unterzeichnung des Paktes geradezu gezwungen.
Kennzeichnend für die unter den Beteiligten herrschende Stimmung ist,
daß der Bürgermeister von Thorn, Hermann Rewsap, dem
Hochmeister namens der Stände und Städte die Drohung
entgegenschleudern konnte: "Wurd ewer gnade ein sollichs nicht thun (d. h.
den Frieden nicht unterschreiben) und uns frid und ruhe schaffen, so soll ewer
[140] gnaden wyssen, das wir selber dafür
gedenken wollen und wollen eyn herrn suchen, der uns ruhe und friede wirt
schiycken".7 Dieser Ausspruch ist
überaus deutlich und kennzeichnend sowohl für die Stimmung als
auch für den Einfluß und den Willen der Sprechenden. Bezeichnend
ist auch, daß der Sprecher der Bürgermeister von Thorn ist, das in der
Abfallsbewegung die Führung hatte und das die Mittlerrolle
gespielt hat zwischen den Ständen und Polen in der Abfallsbewegung.
Aus dieser offenen Drohung aber kann man auch erkennen, daß die
Mißstimmung in den preußischen Landen gegen den Orden schon
einen außerordentlichen Höhegrad erreicht haben
mußte. Und es gab hier genug Elemente, die sie auszunutzen und zu
schüren verstanden. Nach dieser Richtung stand an der Spitze ein
Großteil des Adels des Kulmer Landes, der meist aus Eingeborenen
bestand, die sich in der sogenannten Eidechsengesellschaft
zusammengeschlossen hatten und große Sympathien für Polen
hegten, allerdings nicht aus ideellen oder nationalen, sondern aus sehr
materiellen Beweggründen heraus. Der Orden übte auch
über diese Ritter ein ziemlich straffes Regiment, sie besaßen im.
Lande und auch auf ihren Gütern nicht den Einfluß, den sie sich
wünschten, zumal da sie sahen, wie die polnischen Adligen
unumschränkte Herrscher waren, die ihnen untertänigen Bauern nach
Lust und Willkür für sich arbeiten ließen, wie sie sie geradezu
auspreßten, während die Adligen selbst nichts taten und eine Art
Schlemmerleben führten.
Diese Macht, Freiheit und Alleinherrschaft des polnischen Adels sagte den
Adligen des Kulmer Landes mehr zu als ihre Stellung unter der Ordensherrschaft,
und so ging ihr
Streben - wie dies unter der Hochmeisterschaft Paul von Rußdorffs
ziemlich klar zu Tage
tritt - dahin, die Herrschaft des Ordens mit derjenigen Polens zu
vertauschen. Zwar haben sie alles getan, diese Bestrebungen zu
verheimlichen, um sich nicht vorzeitig zu verraten. Aber
daß sie diese Absichten hegten, zeigt schon ihr Verhalten in der
Schlacht bei Tannenberg (1410), wo sie das Kulmer Banner
unterdrückten, und ferner die Tatsache, daß die von den Kulmer
Rittern besetzten Ordensburgen ohne weiteres an die Polen ausgeliefert
wurden. Darauf weist ferner die Teilnahme der Eidechsenritter an der
Verschwörung gegen den Hochmeister Heinrich von Plauen hin.
Bezeichnend ist auch, daß die Teilnehmer dieser Verschwörung
nach ihrem Mißlingen zum Könige von Polen flüchteten
und dessen Schutz und Verwendung beim Hochmeister in Anspruch nahmen,
daß [141] der König sie ihnen gewährte. Aus
alledem geht unzweifelhaft hervor, daß zwischen diesen Kulmer
Rittern und den Polen zahlreiche Verbindungen bestanden, deren
Fäden planmäßig immer stärker gesponnen wurden, bis
sie schließlich unzerreißbar waren und es kein Zurück mehr
gab, das von diesen ja auch nie ernstlich gewollt worden ist.
Der sogenannte Preußische Bund war der eigentliche Vorbereiter
und geschickte Schrittmacher der Abfallsbewegung, und der
Auflösungsbefehl dieses Bundes durch den Hochmeister und die
gleichlautende Entscheidung des Deutschen Kaisers als des angerufenen
Schiedsrichters gaben dann auch den letzten Anstoß zum Abfall.
Dieser Bund war 1440, wahrscheinlich schon nicht ohne Zutun Polens und auf
Betreiben der Kulmer Ritterschaft, gegründet worden, seine Wegbereiter
waren eben diese Ritter und die Stadt Thorn, und beide wurden auch die Seele des
Widerstandes gegen die Ordensherrschaft. Von Thorn aus gingen auch die
Fäden nach dem Kulmer Lande und nach Polen.
Wenn aber der Adel des Kulmer Landes solche Absichten hegte, so konnte er
nirgends größere Hilfe und besseren Beistand finden, als bei den
reichen Handelsstädten, die schon dadurch, daß sie infolge ihrer
selbständigen Verwaltung gewissermaßen einen eigenen Staat im
Ordensstaate bildeten, in Opposition zur Regierung standen, die ferner dem Orden
wegen der Beeinträchtigung ihres Handels, besonders in der letzten Zeit,
nicht freundlich gesinnt waren, und die gleichfalls nach möglichster
Unabhängigkeit vom Orden strebten. Es war auch hier der damals in der
Entwicklung aller modernen Staaten auftretende Gegensatz zwischen der
Landesherrschaft, den Ständen und den Städten, es war der Wunsch,
neben der wirtschaftlichen auch die politische und
territoriale Unabhängigkeit zu gewinnen, die namentlich Danzig
erst die volle Ausnutzung seiner günstigen Lage zu gestatten schien. Danzig
hatte schon unter der Regierung des Hochmeisters Winrich von Kniprode
den Gedanken gefaßt, die Ordensherrschaft abzuschütteln und sich
zur freien Hansestadt zu machen,8 einen Gedanken, den es wohl niemals
ganz aufgegeben hat. Wenigstens hat es 1411 den Anschein, als ob es sich mit
Hilfe der Lübecker frei machen wollte,9 und noch im Jahre 1454 tauchte dieser
Gedanke wieder auf: "Ik lede mi dunken", schreibt der Ratsherr
Marquardt Knake von Lübeck aus nach Danzig,10 "wolde wi vri syn, id solde uns nu wol
gevallen".
So begegneten sich die Interessen beider, der Eidechsenritter
einer-, der Städte andererseits in dem Ziel nach [142] größerer Freiheit und
möglichster Unabhängigkeit. Freilich, die
Beweggründe beider waren grundverschieden, und die
Mittel und Wege, die sie einschlugen, ebenso. Bei der Ritterschaft des Kulmer
Landes und wohl auch bei Thorn liegt der Verrat offen zu Tage, sie haben
auf den Anschluß an Polen systematisch hingearbeitet aus
allerpersönlichsten Interessen heraus. Wesentlich anders lagen die
Verhältnisse bei den nördlichen Städten, vornehmlich bei
Danzig, das von derartigen Absichten völlig frei war und
lediglich die Freiheit und das in dieser Zeit durch den Orden behinderte
Emporblühen der Stadt verfolgte. So verschieden also die
Beweggründe auch waren, so führten sie letzten Endes doch zu dem
gleichen bedauerlichen Ziel, zum Abfall vom Orden und zur Unterstellung unter
die Oberherrschaft der Könige von Polen, die im Jahre 1454 zur Tatsache
wurde. Die preußischen Stände kündigten dem Orden am 4.
Februar dieses Jahres "wegen Rechtsbruch" den Gehorsam auf und begaben sich
unter die Schutzherrschaft des Königs von Polen. König
Kasimir von Polen vollzog diese Vereinigung durch das sogenannte
Privilegium incorporationis am 6. März des gleichen Jahres und
machte dabei den Ständen und Städten weitgehende
Zugeständnisse.11
Ganz abwegig ist es natürlich, diesen Abfall vom Orden, ganz besonders
soweit Danzig in Frage kommt, und den Anschluß an die Krone von Polen
auf nationale Gründe oder auf eine besondere Vorliebe
für Polen zurückzuführen, wie es eine gewisse
tendenziöse polnische Geschichtsschreibung zu tun beliebt. Das ist eine
durch nichts erwiesene und durch nichts erweisbare Behauptung, ja die
Geschichte bezeugt durchgängig das gerade Gegenteil. Nationale
Gründe haben bei diesem Abfall Danzigs vom Orden und dem
Übergang zur polnischen Krone überhaupt keine Rolle gespielt,
konnten keine Rolle spielen, weil diese Gebiete deutsch waren.
Hätten nationale Beweggründe damals wirklich eine besondere
Bedeutung gehabt, dann wäre dieser Anschluß sicherlich
nicht erfolgt, und viele Kämpfe in der späteren Zeit
wären der Stadt und dem Lande erspart geblieben.
Ein nationaler Gegensatz zwischen dem Orden und seinen Ständen
und Städten hat niemals bestanden. Ritter, Bürger und
Bauern fühlten sich in gleicher Weise als Glieder des deutschen
Volkes und Träger der gleichen altererbten deutschen Kultur, mit
deren Hilfe jeder an seinem Platze und nach seinem Vermögen die einst
unwirtliche Ostmark zu einer der fortgeschrittensten Landschaften Europas
um- [143] gestaltet hatte. Deutsch war das Land in
allen seinen bei dieser Umwandlung in Frage kommenden Gliedern;
deutsch war die
Umgangs-, Geschäfts- und Gerichtssprache; nur deutsch wurden die
Verhandlungen auch auf den preußischen Ständetagen bis tief in die
polnische Zeit hinein geführt, und nachdrücklichst wurde
Verwahrung eingelegt gegen die vielen polnischen Versuche, die deutsche
Sprache zurückzudrängen oder auszuschalten, wie dies die Akten der
Ständetage beweisen. Die deutsche Sprache wurde den
preußischen Landen durch den polnischen König ausdrücklich
sichergestellt, und auch nicht nur Danzig, das an seinem Deutschtum und an der
deutschen Sprache zu Gunsten Polens auch nicht einmal einen
I-Punkt hat verrücken lassen, sondern auch in den übrigen zur Krone
Polens übergetretenen Städten des Ordenslandes war die Sprache nur
deutsch, wie die Ratsbücher und Ratsprotokolle, die Gerichtsbücher,
der Schriftverkehr mit anderen Städten u. s. w. ausweisen, und
zwar teilweise bis tief in die polnische Zeit hinein. Erst durch die
systematische Polonisierung und den von Polen unter Bruch der
Verträge auf diese Städte ausgeübten Druck und
Zwang ist die polnische Sprache nach und nach in Aufnahme und
Übung gekommen. Auch die Willküren der Städte und die
Rollen der Gewerke waren stets deutsch abgefaßt. In Marienwerder
z. B. galt noch 1480, also 26 Jahre nach dem Abfall, der Grundsatz: "Es
soll kein rechter geborener Pole Bürger werden noch Bürgernahrung
(d. h. ein Gewerbe) treiben". Von der Danziger Altstadt haben wir
bereits in unseren früheren Ausführungen vernommen, daß in
dieser gleichen Zeit in einigen Gewerken die polnische Sprache und die
Aufnahme polnischer Mitglieder sogar ausdrücklich verboten
wurden. Deutsch war auch die ganze Verfassung des Landes, deutsch das gesamte
Gerichtswesen. So deutsch war man, daß wegen des Anschlusses an eine
völlig anders geartete Nation nach dieser Richtung gar keine Bedenken
aufstiegen, weil man gar nicht daran dachte, daß dieser deutsche Charakter
dadurch irgendwie beeinflußt werden könnte. Leider ist
es - mit Ausnahme von Danzig und seinem
Gebiete - zum größten Leidwesen bei den meisten
preußischen Städten und Landen anders gekommen.
Für unsere Darstellung ist noch von besonderem Interesse, welche
Stellung die Stadt Danzig in dieser Abfallsbewegung eingenommen hat. Eine
besondere Sehnsucht nach der polnischen Oberherrschaft hatten die Stände
und Städte im allgemeinen nicht, am allerwenigsten aber Danzig.
Dies geht aus gar vielen Umständen hervor, auch daraus, [144] daß von vornherein der Anschluß
an Polen nicht als die einzige Möglichkeit erwogen wurde, sondern
daß auch die Anlehnung an Dänemark oder
Böhmen in Frage stand, und Polen nur als der mächtigste und
nächste Nachbar schließlich den Vorzug erhielt. Dazu kommt,
daß man namentlich in Danzig bei der anerkannten inneren Schwäche
Polens glaubte, im Könige von Polen auf jeden Fall einen weit weniger
strengen Herrn zu haben, als im Deutschen Ritterorden.
Obwohl Danzig an der Ordensherrschaft der letzten Zeit recht viel auszusetzen
hatte, obwohl ihm der Orden gerade in seinem Lebensnerv, dem Handel, nicht
unwesentliche Konkurrenz bereitete, obwohl ihm durch die Ermordung der beiden
Bürgermeister seitens des Danziger Ordenskomturs die höchste
Beleidigung zugefügt worden war, obwohl es mit allem Nachdruck nach
größerer Freiheit, Macht und Selbständigkeit strebte, hat es
doch sehr gezögert, vom Orden abzufallen und sich unter die
Schutzherrschaft des Königs von Polen zu stellen, wohl in der Voraussicht,
daß ihm aus dieser Unterstellung schwere Gefahren und Kämpfe
erwachsen würden.
Danzig war nicht die Führerin der Abfallsbewegung, nur ungern
entschloß es sich nach langem Zögern dazu "polensk" zu werden.
Die Danziger haben die Abschüttelung der Ordensherrschaft in dieser Form
nicht gewollt, ja sie haben gegen den Übergang zu Polen bis zum
letzten Augenblick sogar verzweifelt Widerstand geleistet, sie sind aber
schließlich von ihren eigenen Volksgenossen und den heimlichen
Verrätern in die Bewegung mit hineingerissen worden. Bis zum letzten
Augenblick hat Danzig gewarnt, und hätten die preußischen
Stände in den Jahren 1451/54 auf die Warnrufe Danzigs gehört, dann
wäre Westpreußen niemals polnisch geworden, weder einst noch
jetzt.
Danzig konnte sich zum Abfall nur sehr schwer entschließen. Als es ihn
nicht mehr verhindern konnte, da suchte es ihn wenigstens noch möglichst
lange hinauszuziehen, da hat es als retardierendes Moment gewirkt, stets
in der Hoffnung, daß doch noch eine glückliche Wendung eintreten
könnte. Danzig erstrebte eine Versöhnung mit dem Orden.12 Nur einige wenige Momente
mögen zur Erhärtung dieser Tatsache hier hervorgehoben
werden.
Wie wir bereits hinwiesen, wurde die Streitfrage wegen der Auflösung des
preußischen Bundes 1453 dem deutschen Kaiser zur
schiedsrichterlichen Entscheidung vorgelegt, beide Teile sandten zur Verteidigung
ihrer Stellungnahme
Ver- [145] treter an den Kaiserhof. Danzig ahnte den
Ausgang und suchte die Gesandtschaft und die Entscheidung überhaupt zu
verhindern und dafür zu vermitteln, um eine Einigung ohne Schiedsrichter
herbeizuführen. Als dieser Plan Danzig nicht glückte, suchte es
zunächst wieder die Abreise der Gesandtschaft zu verzögern und
schickte dann als seinen Vertreter den Ratsherrn Wilhelm Jordan, einen
ausgesprochenen Freund des Ordens, der unmittelbar vor Antritt seiner Reise
nach Wien dem Ordenskomtur in Danzig die Versicherung gab, er werde seine
Pflicht gegenüber dem Orden nie aus dem Auge verlieren. Der Danziger
Rat aber hatte ihm aufgetragen, auch jetzt noch dahin zu wirken, daß die
Streitfrage vom Kaiser zurück nach Preußen käme und hier
entschieden werde, weil er die Folgen des kaiserlichen Schiedsspruches
voraussah, und er wollte sie vermeiden. Ja die Stadt erklärte sich sogar
noch im letzten Augenblick bereit, aus dem preußischen Bunde
auszutreten, wenn der Hochmeister sich erbötig zeigen würde,
ihre eigenen Beschwerden gegen den Orden abzustellen. Doch leider ließ
der Orden diese günstige Gelegenheit ungenützt, denn es ist nicht
anzunehmen, daß die übrigen Stände, vor allem auch die Stadt
Elbing, den verhängnisvollen Schritt ohne Danzig getan haben
würden. Aus den erhaltenen schriftlichen Zeugnissen jener Tage erkennen
wir klar, wie bitter der Danziger Rat die Tragik empfand, machtlos mit ansehen zu
müssen, wie die Massen in der Stadt immer mehr gegen den Orden
aufgehetzt wurden, wie die Stadt in die ganze unheilvolle Politik hineingezogen
wurde, infolge der Mißgriffe und des unerklärlich untätigen
Verhaltens des Ordens.
Unglücklicherweise kam hinzu, daß auf die preußische
Gesandtschaft nach Wien, bei der sich der genannte Danziger Vertreter befand,
ein Überfall verübt wurde, als dessen Anstifter das
Gerücht den Orden bezeichnete, was unter der Danziger
Bevölkerung natürlich eine neue Empörung auslöste.
Nichtsdestoweniger aber begaben sich am 1. Juli 1453 zwei Ratsherren und zwei
Danziger Schoppen auf das Schloß des Komturs, baten diesen, die
Ordensritter zu versammeln und erklärten diesen feierlich, sie sollten ja
nicht meinen, die Danziger wollten sie vertreiben; im Gegenteil, sie
wünschten sich keinen anderen Herrn als den Orden. "Is gee, welchen
weg is gee", erklärten sie, "so willen dise allhir zcu Danczk wedir ew. gn.
nicht thun und ap ymandes von den andern ichts args wider ew. gn. anfahen
oder thun welde, zo welden sy in doch nicht folgen". Veranlaßt war diese
[146] Erklärung durch die drohende Haltung
eines Teiles der verhetzten Bevölkerung. Der Rat wollte auf diese Weise
Maßnahmen des Komturs vermeiden, durch die das Verhältnis
natürlich nur noch verschlechtert worden wäre.
Auch nachdem dann am 1. Dezember 1453 die Entscheidung des Kaisers, wie zu
erwarten, gegen den Bund gefallen und die Erregung in Preußen
gegen den Orden aufs höchste gestiegen war, gab Danzig die Hoffnung auf
Verständigung noch nicht auf, sondern suchte zu vermitteln, indem es die
beiden Bürgermeister Stargard und Niederhoff am 27.
Dezember zum Ordenskomtur schickte und ihn bitten ließ, der Hochmeister
möchte sich doch bereitfinden, eine Tagfahrt zur Schlichtung des
Streites anzusetzen. In der gleichen Angelegenheit begaben sich die
Bürgermeister Niederhoff und Cremon drei Tage
später abermals zum Komtur und baten um Auskunft, ob das verbreitete
Gerücht wahr sei, der Markgraf von Brandenburg stehe im Begriff, in
Preußen einzumarschieren. Als der Komtur dies Gerücht als unwahr
bezeichnete, versicherten ihm die beiden Ratsherren ihre Treue und
erklärten sich bereit, ihre Aussage durch einen Eid zu erhärten,
daß sie und ihre Freunde in der Stadt nur einen Wunsch hätten, Ruhe
und Eintracht wieder herzustellen.
Leider scheint der Hochmeister, dem der Komtur dies alles unverzüglich
übermittelte, die Lage nicht überschaut und die Gefahr nicht erkannt
zu haben. Er zögerte und gab nur verklausulierte Antworten, so daß
der preußische Bund, bei dem Danzig gleichfalls zu vermitteln suchte,
nichts von einer Versöhnung wissen wollte und Danzigs Vertreter beim
Bunde verzweifelt ausriefen: "Unsere gute Meinung wird uns überall
überstimmt".
Den Gang der Entwicklung im preußischen Bund selbst suchte Danzig zu
verzögern, immer in der Hoffnung, der Hochmeister werde sich
doch noch zur befreienden Tat aufraffen. Der Bund war zum Abfall entschlossen,
stand mit den Polen in ununterbrochener Verhandlung, während dies selbst
alle Minen springen ließ, den Anschluß zu beschleunigen. Nur
Danzig bremste wieder. Auch hierfür nur ein Beispiel als Beleg: Der
Bund hatte beschlossen, einen ständigen engeren Bundesrat einzusetzen, der
die jetzt zahlreicher und dringender werdenden Geschäfte leichter, schneller
und mit größerer Heimlichkeit führen sollte als die
schwerfällige allgemeine Bundesversammlung. Danzig widersprach
zunächst. Er wurde doch eingesetzt, und Danzig wurde aufgefordert,
einen Bürgermeister als Vertreter der [147] Stadt in ihn zu entsenden. Danzig jedoch
entsprach dieser Aufforderung nicht so schnell, worüber beim Bund nicht
geringe Empörung herrschte. Als dessen Drängen dann immer
heftiger wurde, entsandte Danzig schließlich den Bürgermeister
Niederhoff, einen erklärten Freund des Ordens, nach Thorn,
der hier wieder im Sinne einer Verständigung zu wirken suchte, leider ohne
Erfolg. In klug berechnender Absicht hatte ihm aber der Danziger Rat für
die entscheidenden Fragen keine Vollmachten mitgegeben. Als es daher
zur Abstimmung darüber kam, ob eine Gesandtschaft an den polnischen
König zur Unterhandlung über den Übergang unter seine
Schutzherrschaft gesandt werden sollte, hatte der Danziger Vertreter keine
Vollmacht, die Entscheidung mußte einstweilen vertagt werden.
Wieder wandte sich nun der Bundesrat flehentlich an Danzig, es möchte
doch endlich die Vollmacht ausstellen.
Ja hier im Bunde selbst scheint es zwischen den Danzigern und den übrigen
Mitgliedern zu schweren Zusammenstößen gekommen zu
sein. Danzig scheint schließlich am Beschluß des Abfalls
überhaupt nicht beteiligt gewesen zu sein, es scheint sich von den
übrigen Mitgliedern getrennt zu haben. Das Schreiben des Bundes an
den Hochmeister, in dem diesem der Gehorsam aufgekündigt wird,
trägt gleichfalls weder die Danziger Unterschrift noch das Danziger
Siegel.
Der Bund sandte nun seine Vertreter zum polnischen Könige nach Krakau
zu offiziellen und abschließenden Verhandlungen. Danzig zögerte
wieder, immer noch in der Hoffnung, es werde auch jetzt noch durch den
Hochmeister eine Wendung herbeigeführt werden. Nichts indes geschah.
Und so entschlossen sich endlich auch die Danziger Vertreter, drei Tage nach
der Abreise der übrigen Beauftragten des Bundes, den schweren und
unerwünschten Weg nach Krakau zu gehen, aber jedenfalls mit der
bestimmten Instruktion, die Unterwerfung unter den König von Polen
wenn möglich noch zu verhindern und sie nur im äußersten
Falle und dann gegen möglichst bedeutenden Gewinn für die Stadt
mitzumachen.
Nun gab es kaum noch einen Rückzug mehr, sie alle waren in der
Falle, Polen handelte nun kurz entschlossen, erklärte dem Orden den
Krieg und zog die Verhandlungen in die Länge. Da gingen den
Abgesandten die Augen auf. Vielleicht aber wäre es auch jetzt noch nicht
zu spät gewesen, Danzigs Vertreter sträubten sich noch, aber der
Hochmeister blieb auch weiter völlig untätig, und so nahm [148] das Verhängnis seinen Lauf, obwohl
die Danziger sich noch volle acht Tage gegen den Abschluß
sträubten. Erst als sie unzweifelhaft erkennen mußten, daß
sie ihre Kollegen nicht umstimmen konnten und der Orden nichts tat, gaben sie
schließlich nach.
Die Stimmung der Danziger Vertreter war alles andere als rosig und
siegesfroh, sie war geradezu verzweifelt. "Wir hatten eine Weile wohl gewollt,
daß wir eine halbe Meile weit über die polnische Grenze gegangen
wären, dann wären wir sicher nicht nach Krakau gegangen",
schreiben sie von Krakau nach Danzig. Und weiter heißt es in einem ihrer
Briefe etwas drastischer über den in Krakau empfangenen Eindruck:
"Dem Herrn Könige hängt die Lunge sehr nach Danzig". Als
sich dann der Hochmeister, leider zu spät, endlich entschlossen hatte, auf
die Forderungen des Bundes einzugehen und zu einer Tagfahrt einzuladen, da
antworten sie dem Rat auf seine diesbezügliche Mitteilung: "Wäre
der Brief acht Tage eher gekommen, dann wären wir sicher
nicht polnisch geworden". Als sie den Vertrag mit dem Könige
abgeschlossen hatten, da wußten sie schon, wie sie sich ausdrückten,
"dat wy uns vorrant in dem ersten".
Das war die Gesinnung der Danziger zum Orden und zu Polen. Sie war dem
Orden gegenüber eher alles andere als Haß und Feindschaft, sie war
ausgesprochene Zuneigung und Freundschaft trotz schwerer
Differenzen. Diese Gesinnung drücken die Danziger auch noch nach dem
Abfall aus. Der Hochmeister hatte nämlich nach dem Abfall noch
zwei hohe Ordensbeamte nach Thorn gesandt, damit sie mit den Vertretern des
Bundes verhandeln sollten. Doch hinterlistig wurden sie hier von den
Bündlern gefangengenommen. Sobald die Danziger dies hören,
treten sie sofort für sie ein und schreiben an den engeren Rat des Bundes:
"Denn lieben Herren, obwohl wir dem Hochmeister und dem Orden die
Mannschaft aufgesagt haben, so sind sie doch nicht unsere erklärten
Feinde".
Daß zwischen Danzig und dem Ritterorden wirklich keine Feindschaft
bestand, zeigt ferner die Art, wie die Danziger nach dem Abfall die Besatzung der
Danziger Ordensburg behandelten. In Thorn z. B. stürmte die
Menge das Ordensschloß und zerstörte es wutentbrannt. Anders
in Danzig. Hier schloß der Rat mit den Rittern einen regelrechten Vertrag
wegen der Übergabe. Die Angehörigen des Ordens blieben
völlig unbehelligt, sie erhielten freien Abzug, Danzig gab ihnen die
Verpflegung und freies Geleit für den Weg, die alten und kranken
Ordensmitglieder blieben [149] in der Stadt und wurden in die Danziger
Hospitäler aufgenommen.
Zwar ist auch in Danzig das prächtige Ordensschloß leider
abgebrochen worden, aber erst einige Wochen nach dem Abzuge der
Ordensritter und aus Gründen, die für Polen wenig
schmeichelhaft sind. Der Abbruch geschah nicht aus Feindschaft gegen
den Orden, sondern aus Mißtrauen gegenüber den Polen. Die
Danziger hatten die Polen gleich von Anbeginn richtig eingeschätzt und
fürchteten, die Polen könnten sich hier festsetzen. Um dies zu
verhindern, erfolgte der Abbruch, und zwar auch auf ausdrückliches
Anraten der Danziger Vertreter in Krakau.13 Die Danziger beabsichtigten wohl
zunächst, das Schloß zu erhalten. Am 11. Februar 1455 schrieb der
Rat von Danzig14 an seine Gesandten in Thorn: "wir
werden das sloß zcu Danczigk entfangen und innehumen und haben allreitte
eyn vorburghe inne durch beteygedinge". Doch als von der Danziger
Gesandtschaft in Krakau die Nachricht kam, daß dem "König die
Lunge auf Danzig hänge", wurden sie anderen Sinnes. Auch die Gesandten
in Krakau mahnten unter dem 3. März15 dringend dazu: "was huser de
gebroken sin, dy sullen gebroken bliven, sundermen asal gern slote mer
breken ane rat und medeweten des hern konyngs, der lande und stete. Darume
guden vrunde, hebbegy nicht gebroken, so rade wy ju up allen rat, dat gy
breken jo er jo lever, und jo er wy heyme comen, wente deme hern konynge
henget de lunge sere up Danczigk". Der gleiche Rat wird von den Gesandten am
folgenden Tage nochmals eingeschärft.
Das ist der Gang der Ereignisse. Er zeigt überaus deutlich, auf welcher
Seite die Sympathien der Danziger waren, daß sie diesen Weg nur mit
innerem Widerstreben und mit einer gewissen bangen Vorahnung der Folgen
mitgemacht haben.
Nachdem aber der Abfall einmal vollzogen war, stellte sich Danzig entschlossen
auf den Boden der neu geschaffenen Tatsache und entschloß sich zu
tatkräftigem Handeln, um aus dem ihm unliebsamen Geschäft
möglichst viel Gewinn zu erzielen, um seinen Einfluß und seine
Ansprüche zu sichern und um den neuen Lehnsherrn im Lande nicht zu
mächtig werden zu lassen. Danzig trat nun sofort auf die Seite Polens und
bot seine ganzen Kräfte an Menschen und Geldmitteln auf, um im Verein
mit Polen den Orden niederzuringen. Als es kein Zurück mehr gab,
wurde es zur Seele des Aufstandes. König Kasimir verdankt
tatsächlich den schließlichen Sieg über den Orden in erster
Linie Danzig.
[150] Danzig hatte sofort ein festes Programm,
das auf die Eroberung der unbeschränkten Vorherrschaft in
Pommerellen hinausging. Seine Gesandten in Krakau hatten den Auftrag
gehabt, das ganze Gebiet der Ordenskomturei Danzig, das Lauenburger Gebiet,
dann Putzig, Grebin, Sobbowitz und Bütow, also das ganze nördliche
Pommerellen, soweit es dem Orden gehörte, zu fordern. Das war in Krakau
nicht erreicht worden, zum guten Teil deswegen nicht, weil die Mitgesandten der
Stände und übrigen Städte, die an und für sich wegen
des Zögerns schon auf Danzig erbittert waren, eifersüchtig auf das
Erstarken Danzigs, Schwierigkeiten bereitet hatten und weil diese unvorsichtig
dem Polenkönige gegenüber ihre Trümpfe zu früh aus
der Hand gegeben hatten. Was Danzig in Krakau auf dem Wege der Verhandlung
nicht gelungen war, das suchte die Stadt nun in dem dem Abfall folgenden
13jährigen Kriege durch seine Waffentaten zu erreichen, und es hat
geradezu Hervorragendes geleistet.16 Dies aber nicht etwa, wie die Polen zu
behaupten belieben, aus Feindschaft gegen den Deutschen Ritterorden oder gar
aus Liebe zu Polen, sondern einfach um seiner selbst willen, um seinen
Einfluß zur Geltung zu bringen, seine gleich den übrigen
preußischen Ständen und Städten erworbenen Rechte nicht nur
zu festigen, sondern sie wesentlich zu erweitern, was ihm auch gelang und was
für die gesamte politische, wirtschaftliche und geistige Entwickelung
Danzigs ebenso bedeutsam geworden ist wie für die Erhaltung des
Deutschtums in der Stadt selbst und in dem umfangreichen ihr zugehörigen
Landgebiete. Auf den 13jährigen Krieg näher einzugehen ist hier
nicht der Ort, wohl aber müssen wir die Stellung näher betrachten,
die Danzig nach ihm und teilweise gerade durch ihn einnahm, weil sich gerade
aus ihr die restlose Erhaltung des Deutschtums und der Kulturgemeinschaft mit
dem deutschen Volke in den ganzen folgenden 350 Jahren erklärt.
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