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Unter der Herrschaft des Deutschen
Ritterordens.
Von 1308 - 1454. (Teil 1)
1. Übergang Danzigs an den Deutschen
Ritterorden
Wir haben bisher kurz geschildert, wie die Dinge im Lande lagen, als der
Deutsche Ritterorden im Jahre 1308 Herr der Stadt Danzig wurde,
nachdem das Werder bereits einige Jahre vorher in seinen Besitz
übergegangen war. Es kann nicht unsere Aufgabe sein und geht weit
über den Rahmen der beabsichtigten Arbeit hinaus, die geschichtlichen
Tatsachen hier im einzelnen näher zu erörtern, die dazu
führten, daß der Deutsche Ritterorden Herr dieses Gebietes wurde.
Hier soll lediglich ein kurzer zusammenfassender Überblick gegeben
werden.
Der Deutsche Ritterorden war um das Jahr 1230 vom Polenherzog Konrad von
Masowien gegen die heidnischen Preußen, deren fortwährender
kriegerischer Einfälle dieser sich nicht mehr zu erwehren vermochte, ins Land
gerufen worden, das er in 53jährigem Kampfe unterworfen hatte. Als
Gegenleistung hatte Konrad von Masowien das Kulmer Land und alle Gebiete,
die der Orden noch erobern würde, diesem von vornherein als Eigentum
feierlichst verbrieft. Die Polen, denen der Deutsche Ritterorden bis zur Stunde
verhaßt ist und die sein Herbeirufen bereits im 15. Jahrhundert als einen
Mißgriff betrachteten, suchen diese Tatsache zu bestreiten und
behaupten, wie es z. B. der polnische Historiker von Ketrzynski
tut,1 Herzog Konrad wollte Preußen
für sich erobern und berief zu diesem Zweck den Deutschen
Ritterorden in das Land, trat ihm das Kulmer Land ab unter der Bedingung der
Rückgabe nach vollendeter Eroberung. Mit allen Mitteln wird
polnischerseits versucht, diese mehr als seltsame These zu begründen, die
aber, wie schon der berühmte Forscher unserer Heimatgeschichte
Max [93] Perlbach2 unwiderleglich nachgewiesen hat, einer
ernsten und sachgemäßen Kritik in keiner Weise Stand hält.
Hochmeister Hermann von Salza hätte auch nicht der
Staatsmann sein müssen, der er tatsächlich war, um sich mit einer
solchen Stellung und einem solchen Dienste für seinen Orden zufrieden zu
geben. Er wußte sehr wohl, was er wollte, ja er ließ sich für die
völlige Übertragung des Gebietes eine mehr als doppelte
Sicherheit - nicht nur durch den Herzog Konrad, sondern auch durch den
Papst und den deutschen
Kaiser - geben, daß dieses zu erobernde Land wirklich und
eigentümlich in den Besitz des Ordens überginge. Dies hat
neuerdings (1924) noch Universitätsprofessor Dr. Erich Caspar3 in einer eigenen Schrift mit
großer Gründlichkeit unwiderleglich dargetan, und in gleicher Weise
hat mit aller Gründlichkeit von anderen Gesichtspunkten aus besonders
auch gegen die Darlegungen Ketrzynskis Johann Plinski4 im Jahre 1903 in einer Dissertation der
Breslauer kath. theol. Fakultät den Nachweis erbracht, daß Herzog
Konrad von Masowien dem Deutschen Orden sowohl das Kulmer Land wie das
noch zu erobernde Preußenland als unabhängiges Eigentum ohne
jeden Vorbehalt übergeben hat, daß die entgegengesetzten
polnischen Behauptungen völlig unwahr sind.
Nun sollte im Jahre 1308 der Orden, dessen Sieg über die Preußen
vollständig war, und der an der Weichsel einen mächtigen Staat
gebildet hatte, den er nach der kriegerischen Unterwerfung in der ihm eigenen
gründlichen Weise zu kolonisieren und zu heben suchte, auch Herr
über Danzig werden. Aber dies nicht auf dem Wege wilder
machtgieriger
Eroberung - wiewohl sein Streben nach dem Besitze Danzigs unzweifelhaft
vorhanden
war -, sondern auf vollkommen gesetzmäßigem Wege.
Er wurde selbst in das Land gerufen, auf das Polen keinen irgendwie
gearteten rechtmäßigen Anspruch erheben konnte, auf das der
Orden aber bereits gewisse Rechte besaß. Die Dinge lagen kurz
folgendermaßen:
Im Jahre 1294 war der Herzog Mestwin von Pommerellen kinderlos
gestorben, worauf gemäß eines Vertrages der König von Polen,
Przemyslaw, die Herrschaft antrat, jedoch nicht als König
von Polen, sondern lediglich persönlich als Erbe Mestwins. Doch
bald wurde er ermordet, und so setzte, da auch er keine leiblichen Erben
hinterlassen hatte, 1296 alsbald ein heftiger Streit über die Nachfolge in der
herzoglichen Würde ein, da Herzog Mestwin sich in der Verleihung nur
auf Przemyslaw und dessen Erben beschränkt hatte. [94] Mehrere Nachkommen des pommerellischen
Herzoghauses erhoben Anspruch auf das Herzogtum, doch gelang es
zunächst Herzog Wladislaw von Kujawien, einem Schwager
Przemyslaws, der diesem auch auf den polnischen Thron gefolgt war, sich
Anerkennung zu verschaffen, konnte sich aber weder auf dem polnischen Thron
noch in Pommerellen lange behaupten. Die Krone Polens wurde König
Wenzel II. von Böhmen übertragen, der im Einvernehmen
mit der mächtigen Familie der Swenzas auch den pommerellischen Adel
für sich zu gewinnen wußte. Nach dem Tode Wenzels folgte ihm sein
gleichnamiger Sohn, der aber schon im August 1305 sein vermeintliches
Anrecht auf Pommerellen an die Markgrafen von Brandenburg abtrat, die
bereits weit ältere Rechte auf das Gebiet besaßen, sie bisher
jedoch nicht geltend gemacht hatten.
Mestwin nämlich, der seines Vaters Politik fortsetzen wollte, ganz
Pommerellen unter sein Szepter zu bringen, griff seinen Bruder Wratislaw
an und vertrieb ihn aus seinen Besitzungen. Als nun letzterer sich an den Herzog
von Kujawien um Hilfe wandte, erbat sich Mestwin von dem Markgrafen
Konrad von Brandenburg Beistand, verpfändete diesem Danzig
und nahm sein Land von ihm als Lehen. Ausdrücklich heißt es in
der hierüber ausgestellten Urkunde: "Aus freiem Willen übergeben
Wir alle Unsere Güter und das Eigentum aller Unserer Güter
Unseren Herren, den Markgrafen von Brandenburg, und nehmen selbige
Güter von ihnen zum Lehn, indem, wie es Recht ist, Wir den Lehnseid
leisteten". In einem Briefe Mestwins, durch den er Danzig den Markgrafen von
Brandenburg übergibt, bemerkt er: "daß die neuen Herren den
deutschen Bürgern der Stadt Danzig... sehr angenehm sein
würden".
So sind also seit dem Jahre 1269 die Markgrafen von Brandenburg
Lehnsherren in Pommerellen, d. h. der Kreise Danzig, Neustadt,
Karthaus, Berent, Stargard, Konitz, Schlochau, Schwetz und Teilen von
Marienwerder gewesen.
Mit dem Tode Mestwins, der keinen männlichen Leibeserben
hinterließ, mußte also Pommerellen als erledigtes Lehn an die
Markgrafen von Brandenburg fallen. Trotzdem hatte Mestwin, den
später sein Vertrag gereut hatte, sich auch mit dem Polenherzog
Przemyslaw verbunden und, wie wir bereits ausführten, aus
neuerstandener rein persönlicher Freundschaft dessen Neffen Boleslaw zum
Nachfolger bestimmt. Aber auch anderen ihm verwandten Fürsten, so dem
Herzog von Vorpommern, Witzlaw, Fürsten von Rügen,
hatte er Hoffnung auf die Nachfolge gemacht.
[95] Doch auch nun, nachdem ihnen Pommerellen
zum zweiten Male zugefallen war, benutzten die Brandenburger nicht
sofort die Gelegenheit, die Herrschaft anzutreten, und so gelang es Herzog
Wladislaw, der in Polen wieder zur Macht gelangt war, Pommerellen
für sich zu erobern.
Da endlich im Jahre 1308 entschlossen sich die Markgrafen Otto und
Waldemar von Brandenburg, ihre Rechte auf das Land wahrzunehmen. Im
Frühjahr 1308 rückten sie von Brandenburg gegen Pommerellen vor,
um sich des Landes und seines Vorortes Danzig zu bemächtigen.
Kaiser Albrecht hatte sie mit Pommerellen belehnt; zudem wurden
sie herbeigerufen und lebhaft unterstützt von den Häuptern des
pommerellischen Adels, den Swenzas, die während der Regierung
des polnischen Herzogs Wladislaw Lokietek und der böhmischen
Könige Wenzel II. und Wenzel III. fast
unumschränkt in Pommerellen geboten hatten, nun aber von Wladislaw
angeklagt und ihrer Ämter enthoben worden waren. Auch von den
Bürgern Danzigs wurden sie freudig begrüßt, so daß
ihnen bis zum Herbst die Herrschaft im Lande mit Ausnahme der Burg Danzig
zugefallen war. Die polnische Besatzung der Burg wehrte unter Führung
des früheren Landrichters Bogussa nur mit Mühe die
Brandenburger ab. Da der Herzog Wladislaw keine Hilfe zu schicken vermochte,
wandte sich Bogussa, angeblich auf den Rat des Danziger Dominikaners Wilhelm,
der als Anhänger der polnischen Partei beim Einrücken der
Markgrafen wohl in die Burg geflohen war, an den Deutschen Ritterorden
mit der Bitte um Unterstützung. Die Ordensritter übernahmen
nun die Verteidigung der Burg unter der Bedingung, daß sie bis zur
Erstattung der Unkosten in ihrem Besitz bleiben sollte. Es gelang ihnen, die
Angreifer zurückzuschlagen, und sie erhielten vollends die Übermacht, als
mit Beginn des Winters die Markgrafen die Belagerung aufgaben und in ihre
Heimat zurückkehrten.
Bald kam es auch zu Streitigkeiten auf der Burg zwischen den
Ordensrittern und den Polen, in deren Verlauf die Polen zum
Abzug gezwungen wurden. So befand sich der Orden im Alleinbesitz und
ließ nichts unversucht, sich die Stadt endgültig zu unterwerfen. Der
Landmeister Heinrich schloß sie mit einem Heere ein. Um der
Entstürmung zu entgehen, öffneten die Bürger die Tore und
lieferten die polnischen Ritter aus,
die - 15 oder 16 an der Zahl - der Orden als Räuber und
Wegelagerer hinrichten ließ. Das Ordensheer zog sich wieder nach
Preußen zurück. Danzig blieb im Besitze des Ordens.
[96] Die Polen waren über die
Verdrängung aus Danzig natürlich höchst empört, und
sie verbreiteten das Gerücht, die Ordensritter hätten in Danzig
schrecklich gehaust, die Stadt Danzig zerstört und 10 000 Bürger
niedergemacht. Diese
Legende - denn eine solche ist es - hat sich bis in die neueste Zeit
erhalten und findet sich noch in zahlreichen, selbst neueren Schriften über
diese Vorgänge, obwohl bereits Papst Klemens V. im Jahre
1310 eine eingehende Untersuchung über diese Anklagen gegen die
Ordensritter anordnete, die völlig negativ verlief, ebenso wie ein
vom Papste im Jahre 1320 nochmals eingeleiteter Prozeß. Beide Prozesse
vor der höchsten geistlichen Behörde, deren Akten samt den
Zeugenaussagen noch vorhanden sind, bieten nicht die geringste
Handhabe für die Begründung dieser Anschuldigung, so
daß sich auch Rom entschieden auf die Seite der Ordensritter stellte.
Professor Dr. Keyser5 hat dieser Frage eingehende
Untersuchungen gewidmet, auf die wir verweisen.
In dem Prozeß, der im Jahre 1320 in Rom gegen den Orden angestrengt
wurde, wurde polnischerseits auch die Anklage erhoben, die Ordensritter
hätten Polen Danzigs beraubt. Zunächst handelte es sich gar nicht um
die Stadt Danzig, denn aus dieser hatte ja der Markgraf von Brandenburg
die Polen schon längst vertrieben, und die Stadt war zu diesem
übergegangen, sondern lediglich um die Burg, in der sich die Polen
festgesetzt hatten. Rechtmäßig konnte der Streit zwischen Polen und
dem Orden also nur den Besitz der Burg betreffen; denn nur aus dieser hatten die
Ritter die polnische Besatzung verdrängt. Der Orden hatte aber für
seinen Abzug aus der Burg gleich von vornherein die Bedingung gestellt,
daß ihm von Polen die Kosten rückerstattet würden
und daß er die Burg nicht eher verlasse, als bis dies geschehen sei. Die
Polen hatten sich dazu verpflichtet, verweigerten nun aber die Bezahlung, so
daß der Orden nur im Sinne des Vertrages handelte, wenn er das Eroberte
nicht herausgab. Zudem gehörten rechtlich Burg und Stadt Danzig nicht
den Polen, sondern den Brandenburgern, die aber traten im Jahre 1309
ihre Rechte auf die Gebiete von Danzig, Dirschau und Schwetz gegen die Summe
von 10 000 Mark Silber an den Deutschen Ritterorden ab, so daß dieser nun
auch der rechtmäßige Nachfolger des legitimen Herrschers
wurde. Als solcher wurde er auch vom Papste Johann XXII.
ausdrücklich anerkannt, die entgegenstehenden Klagen Polens wurden
abgewiesen. Polen sträubte sich gegen die Anerkennung dieser Tatsache
zwar noch eine Zeit lang, hat dann aber im Frieden von Kalisch im Jahre
1343 auch förmlich auf seine vermeintlichen Ansprüche
verzichtet.
[97]
2. Bedeutung der Ordensherrschaft für Danzig
im allgemeinen
Der Deutsche Ritterorden war Herr über Danzig geworden, und diese neue
Herrschaft bedeutete für Danzig und das ganze Gebiet des Weichsellandes
einen kraftvollen Aufschwung. Es erlebte bald seine erste
Blüteperiode und wurde in den nun folgenden anderthalb
Jahrhunderten so ausgebaut, besiedelt und gefestigt, daß es in den dann
folgenden rund 350 Jahren der polnischen Oberherrschaft seine Freiheit wie sein
Deutschtum entschlossen verteidigen konnte.
Die Ordensherrschaft ist für Danzig in vieler Beziehung sehr bedeutsam
geworden, und sie ist es gewesen, in der nicht nur Danzigs Ausbau, sondern zum
wesentlichen auch die Besiedlung von Stadt und Land erfolgte und damit die
allerengste Verbindung hergestellt wurde mit allen Teilen des Deutschen Reiches,
die dann auch in der späteren Zeit keine Unterbrechung erfahren, sondern
sich namentlich durch geistige Bande enger gestaltet hat. Nach verschiedenen
Richtungen müssen wir daher das Wirken des Ordens in und für
Danzig betrachten.
Wir können Danzig zwar nicht als eine Schöpfung des Ordens
bezeichnen, aber das Heranwachsen Danzigs zur eigentlichen Stadt vollzog sich
in diesen anderthalb Jahrhunderten von 1308 bis 1454. Unter dem Orden hat es
räumlich im wesentlichen schon den Umfang erreicht, den es noch
spät in die preußische Zeit hinein, ja bis gegen das Ende des 19.
Jahrhunderts hatte, und die belebende Kraft, die von der Vereinigung Danzigs mit
dem Orden ausging, kam auch bald in dem Stadtbilde zum Ausdruck.
Das erste und wichtigste Ereignis war zunächst, daß Danzig aus der
unsicheren Stellung einer deutschen Stadt unter stammesfremder Herrschaft in
den sicheren Schutz des stammesgleichen, starken, wohl organisierten und gut
verwalteten Ordensstaates gebettet war, daß durch Schaffung eines nach
außen geschützten, nach innen gesicherten und von betriebsamen
Kolonisten bebauten Hinterlandes, das in Danzig den natürlichen
Ausfuhrhafen für die Überschüsse seiner landwirtschaftlichen
Produkte fand, der Stadt erst die rechte Grundlage gegeben wurde. "Wohlstand
und Bildung mußten erstaunlich rasch emporschießen, wo die
Kapitalien und die eingeübte Arbeitskraft eines gesitteten und dennoch
jugendlichen Volkes vereint mit den durchgearbeiteten Gedanken der
päpstlichen, orientalischen und hansischen [98] Staatskunst auf die üppigen
Naturschätze eines unberührten Bodens befruchtend
einströmten".6
Die enge Verbindung Danzigs mit dem Ritterorden wurde so die Ursache
für die blühende Entwicklung, die sein Handel in dieser Zeit
erlebte. Vom Orden unterstützt, zumindest lange Jahrzehnte von ihm nicht
gehindert, dafür aber desto gesicherter und angesehen als führende
Hansestadt, konnte Danzig an den Unternehmungen der übrigen deutschen
Handelsstädte teilnehmen und sich im Osten unstreitig die
Führerstellung erobern. Bei ihren Handelsbeziehungen über
die Ost- und Nordsee und weiter hinaus konnten Danzigs Kaufleute sicher sein,
daß der starke Arm der auch im Auslande gekannten und hochgeachteten
Ordensritter schützend und stützend hinter ihnen stehen
würde. Das gab ihnen das Gefühl der Sicherheit und steigerte ihren
Unternehmungsgeist, das zog andererseits auch immer mehr Kaufleute und
Gewerbetreibende nach Danzig hin. Die Folge dieses engen Zusammenwirkens
von Kaufleuten und Ordensrittern mußte das schnelle Emporblühen
des Handels und damit Danzigs sein. Als Mitglied der Hansa fuhren die Kaufleute
weit über See nach Flandern, England, Spanien, Norwegen,
Dänemark usw., sie waren auch gern gesehene Gäste in den
kulturärmeren Gegenden des polnischen und preußischen
Hinterlandes. Danzig erhob sich allmählich zum blühenden
Umschlagplatz. Auch schafften die diplomatischen Beziehungen des
Hochmeisters ihren Bürgern Schutz und Anerkennung bei fremden
Mächten.
Vor allem erwies sich der Ritterorden in der Stadt auch als Kolonisator,
wenn wir auch heute nicht mehr im einzelnen festzustellen vermögen, was
er selbst unmittelbar nach dieser Richtung geleistet, was er gemeinsam mit der
Stadt Danzig oder was diese allein geschaffen hat. Soviel aber erscheint sicher,
daß er es zunächst gewesen ist, der die Voraussetzungen
schuf für die schnelle Entwicklung der Stadtsiedlung durch Urbarmachung
des Landes, auf dem Danzig heute steht und das damals zum größten
Teil völliger Sumpf war. Das weite Gelände zwischen der Rechtstadt
und der Ordensburg am Mottlauufer wurde der Besiedelung erschlossen, hier
entstand ein neuer Stadtteil. Dämme wurden durch das
Sumpfgelände geschüttet, um die Verbindung der Burg mit der Stadt
herzustellen, und Gräben zur Entwässerung gezogen. Diese
Dämme sollten zugleich gegen Überschwemmung schützen.
Nachdem so die Mottlau durch Bollwerke begrenzt und das zwischen ihr und den
Dämmen gelegene Gelände durch Schutt und Erde nach und nach
er- [99] höht worden war, konnte der Boden
bebaut werden. Danzigs Straßennamen Faulengasse, Faulgraben,
Alt- und Vorstädtischer Graben, Schwarzes Meer, Altes und Neues
Roß,7 Poggenpfuhl, Erster bis Vierter Damm,
Schüsseldamm, Grabengasse, Knüppelgasse, Schilfgasse,
Weidengasse, Englischer Damm usw. deuten auf die damaligen Zustände
und auf die geleistete Arbeit noch heute hin.
[99] Radaunekanal mit Blick auf die Katharinenkirche.
|
Eine der großartigsten Leistungen, die der Orden gleich in den ersten Jahren
seiner Herrschaft (vor 1338) über Danzig vollbrachte, war die
Verlegung des Radauneflusses, dessen Geschichte recht
merkwürdig ist, der aber für das alte Danzig von ganz
außerordentlicher Bedeutung war. Einst ging dieser Fluß, nachdem er
die Höhen verlassen, schon bei Krampitz in die Mottlau. Der Orden
faßte sogleich den Plan, das Wasser des klaren Bergflusses der Stadt
nutzbar zu machen zur Wasserversorgung, zum Betrieb von Mühlen aller
Art und zu sonstigen Zwecken. Er baute einen nahezu anderthalb deutsche Meilen
langen, fast schnurgeraden breiten Kanal am Fuße der Höhen entlang
von Praust bis zur
Stadt - alle Danziger kennen ja diesen Radaunekanal, der bis auf den
heutigen Tag erhalten ist und auf dessen Damm ungezählte Danziger
Spaziergänger sich tagtäglich, namentlich aber Sonntags, erholen und
der mit [100] prächtigen Bäumen eingefaßt
ist - und leitete das Wasser des Flusses so in mehreren Armen durch die
Altstadt und das Hakelwerk und legte an diesem Kanal zwei
Schleifmühlen, einen Kupferhammer, je eine
Loh- und Walkmühle für die Gerber und Wollweber und eine weitere
Lohmühle für die Beutler der Altstadt an. Daneben unterhielt hier der
Orden selbst in der Nähe der Burg eine eigene Sägemühle und
eine große Getreidemühle, die heute noch erhaltene und sich im
Betrieb befindende sogenannte "Große Mühle", eines der alten
Wahrzeichen Danzigs, die damals bereits 18 Gänge hatte. Heute noch ein
echter, alter Deutschordensbau.
Den Bewohnern der Rechtstadt ließ der Orden völlige Freiheit,
förderte ihr Gemeinwesen wo und wie er konnte, aber zugleich ging er auch
daran, in ihrer unmittelbaren Nähe, im Anschluß an die alte slawische
Siedlung, eine eigene Stadt, die sogenannte Altstadt, zu gründen, in
der er selbst unbeschränkter Grundbesitzer blieb und in der sich besonders
die Gewerbe der Schuhmacher, Leinenweber, Beutler, Schneider, Fleischer,
Brauer, Krämer usw. entwickelten. Die ganze Anlage war so groß
gedacht, daß selbst noch in der Blütezeit Danzigs ein Teil dieses
Stadtbezirks unbebaut blieb.
3. Die Besiedlung Danzigs unter dem Deutschen
Ritterorden
Während der Herrschaft des Deutschen Ritterordens vollzog sich nun
der Auf- und Ausbau Danzigs. In Scharen strömten die Neubürger
aus allen Gegenden des Deutschen Reiches hierher, und so gestalteten sich die
Beziehungen Danzigs und seiner gesamten näheren und ferneren
Umgebung zu Deutschland immer enger und mannigfaltiger. Wesentlich
gefördert wurde die Einwanderung durch den emporblühenden
Handel Danzigs, der Kaufleute, Gewerbetreibende, Handwerker in großer
Zahl nach Danzig führte und sie hier festhielt. So erstarkte Danzig, die
ausschließlich deutsche Stadt, immer mehr und mehr,
überflügelte alle anderen Städte an der östlichen
Ostseeküste.
Über die Besiedlung Danzigs im 13. und namentlich im 14. Jahrhundert hat
Professor Dr. Keyser überaus eingehende,
ergebnis- und lehrreiche Untersuchungen angestellt,8 die uns sehr klaren Aufschluß
geben und zeigen, wie und woher diese Zuwanderung erfolgte. Einzelne andere
Forscher9 haben landsmannschaftlich nach den
verschiedensten Richtungen hin wertvolle ergänzende Beiträge
geliefert, [101] so daß wir nach dieser Richtung
für diese Zeit bereits aus dem veröffentlichten Material klar und
unzweifelhaft sehen können. Und da schauen wir, wie die deutsche, und
zwar ausschließlich deutsche Bevölkerung nach Danzig
strömt.
Die wertvollsten Unterlagen für diese Untersuchungen bietet das
Erbbuch der Rechtstadt für das Jahr 1357. "Es ist ein besonders
glücklicher Zufall, daß in Danzig gerade für jenen Zeitraum
Quellen in reicher Fülle vorhanden sind, in denen die Stadt eine
räumliche Ausdehnung und eine gewaltige Zunahme der
Bevölkerung erlebte. Nachdem bereits zu Beginn der Ordensherrschaft der
ältere Kern der Rechtstadt eine gewisse Erweiterung erfahren hatte, wurde
seit 1340 die Besiedlung jenes Gebietes unternommen.....
Während bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts nur spärliche Unterlagen
für die Bevölkerungsgeschichte Danzigs vorhanden sind, beginnen
die Quellen mit dem Jahre 1357 reichlicher zu fließen. Das in diesem Jahre
angelegte, älteste erhaltene Erbbuch der Rechtstadt, das bis zum Jahre 1382
im Gebrauch war, vermerkt eine große Anzahl von Bürgern, die
Besitzer der in der Rechtstadt gelegenen Erben. Mit dem Jahre 1364 setzen ferner
die Bürgerlisten ein, in die alle Personen, die in den Jahren
1364-1434 das Bürgerrecht in der Rechtstadt erworben haben, eingetragen
wurden. Und schließlich bietet das Schoßbuch10 aus dem Jahre 1377/78 die
Möglichkeit, die gesamte damals in der Rechtstadt vorhandene
Bevölkerung festzustellen... Es ist dadurch... auch möglich, einen
wichtigen Einblick in die Zahlenverhältnisse, die soziale Stellung und den
Altersaufbau der Danziger Bevölkerung für diesen Zeitraum zu
gewinnen. Darüber hinaus kann auch aus den Namen der Bürger und
Einwohner ihre nationale Zusammensetzung sowie die Zahl und Herkunft der
Bewohner bestimmt werden".11
[106] Zwei Blatt aus der ältesten Willkür der Stadt
Danzig,
etwa vom Jahre 1454. Überschriften: "Von Czynße Geystlicher
Perßonen ader Geste. - Von Kouffslagen und Handelunge der
Borger und Geste. - Keyn Gast [d. h. kein Fremder, wozu auch
die Polen zählten] myt Gaste zcu Kouffschlagen. - Wie wenyngk
eyn Gast an Herynge und Saltzce verkouffen magk. - Den Gesten sey
verboten offene Hewser, Keller oder Buden zcu halden."
(Danziger Staatsarchiv Abt. 300, H. fol. 2.
Nach Kaufmann: Danzigs Deutschtum
Nr. 2.)
|
Eine Beschränkung der Zuerteilung des Bürgerrechtes nur auf
Einwohner und Einwanderer deutscher Zunge war in der Danziger Willkür,
dem Stadtrecht, zwar nicht enthalten, so daß rechtlich auch Nichtdeutsche
Bürger Danzigs werden konnten. Trotzdem sind nur in ganz wenigen
Fällen einige Böhmen, Polen, Engländer und Skandinavier
als Bürger aufgenommen worden. Im allgemeinen wurde an dem sonst in
den Hansastädten geltenden Grundsatz festgehalten, nur Deutsche
als Bürger aufzunehmen.
Die Zahl der Personen, die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in der
Rechtstadt Danzig das Bürgerrecht erworben haben, war
außerordentlich groß. Sie betrug, wie Keyser12 errechnet hat, in den Jahren
1364-1399 nicht [102] weniger als 6289 Personen, d. h.
durchschnittlich 175 Personen im Jahre. Diese hohen Zahlen finden ihre
Erklärung in der damaligen zahlreichen Einwohnerschaft der Rechtstadt
und in der ständigen Einwanderung von auswärts. Die
Bevölkerung der Rechtstadt berechnet Keyser um 1380 auf rund
10 000 Personen. Keyser hat weiter errechnet, daß unter den
6289 Neubürgern der Jahre
1364-1399 sich 2708, d. h. 43 Prozent Einwanderer befunden
haben.
Der Anteil der Einwanderer aus dem deutschen Mutterlande an der gesamten
Einwanderung, soweit sie sich aus den Herkunftsbezeichnungen ergibt, belief
sich, gleichfalls nach Keyser, in den Jahren
1364-69 auf 31 Prozent, 1370-79 auf 29 Prozent,
1380-89 auf 25 Prozent, 1390-99 auf 27 Prozent. Dem Kolonisationsgebiete
gehörten dagegen die doppelte Zahl von Neubürgern ihrem
Ursprunge nach an, nämlich von
1364-69 53 Prozent, 1370-79 59 Prozent,
1380-89 57 Prozent, 1390-99 59 Prozent, in den Jahren
1364-1399 insgesamt also 58 Prozent. Der übrigbleibende Rest ist der
Einwanderung aus dem Auslande oder aus solchen Orten zuzuschreiben, die
keinem der beiden großen Ursprungsgebiete zugewiesen werden
können.
Bedeutsam für unsere Arbeit ist natürlich die Beantwortung der
Frage: Woher stammten diese Scharen der Einwanderer? Auch darauf
haben uns die vorhin genannten Forscher in genauen Einzeluntersuchungen
für das eigentliche Danzig, die Rechtstadt, bereits die Antwort
ausführlich gegeben, so daß wir uns hier mit den Ergebnissen
begnügen können. Auf Grund der Eintragungen in den vorhin
genannten Büchern ist es auch möglich, die Heimat der
Zuzöglinge genau zu bestimmen und auch den Anteil zu ermitteln, den die
einzelnen deutschen Gegenden bzw. Stämme an der Zusammensetzung der
Bürgerschaft Danzigs hatten, auch zu erkennen, wie groß der Anteil
der polnischen bzw. slawischen Bevölkerung gewesen ist.
Daß für das Gebiet der Stadt Danzig selbst - und nur dies
gehörte ihr in der Ordenszeit, kein größeres Landgebiet wie
später - der Zuzug in erster Linie wenn nicht gar ausschließlich
aus den Städten erfolgte, ist selbstverständlich; denn nur in
ihnen saßen die Kaufleute, und Danzig war ganz auf den Handel eingestellt,
ist nur durch ihn groß geworden. Dieser Handel war es, der den Kaufmann
in mehr oder weniger feste Beziehungen zu allen Städten des deutschen
Reiches brachte, und aus diesen Handelsverbindungen wird auch zum erheblichen
Teil wenigstens der Antrieb entsprossen sein, sich am Gestade der Danziger Bucht
dauernd [103] niederzulassen. Der Zustrom erfolgte daher
auch am stärksten aus jenen Gegenden, mit denen der Danziger Handel
ganz besonders lebhaft war, den Städten der deutschen Hanse und der
südlichen Ostseeküste. Doch auch aus anderen Gegenden kamen die
Zuzöglinge, so daß wir sagen können, ganz Deutschland
hat die Bevölkerung Danzigs geliefert.
Die Verteilung der Zuwanderer auf die einzelnen deutschen Gaue kann mit
ziemlich großer Sicherheit erfolgen. Keyser unterscheidet unter den
Gebieten des Mutterlandes, die Einwanderer nach Danzig abgaben, folgende
Landschaften: Süddeutschland,
Hessen-Nassau, Thüringen, die Niederlande, Rheinland, Westfalen,
Hannover und die deutsche Nordseeküste zwischen Ems und
Wesermündung. Aus Süddeutschland und den angrenzenden
Gebieten des heutigen Österreich ist der Zustrom nur sehr gering gewesen, er
wird auf nur 0,9 Prozent errechnet. Erklärlich, denn diese Gebiete lagen
weitab von den Handelswegen Danzigs, die doch vornehmlich über See
gingen. Noch weniger Zuwanderer hat in diesem Zeitraum aus den gleichen
Gründen das benachbarte Thüringen geliefert, dessen Anteil nur 0,6
Prozent beträgt. Nicht viel mehr das heutige
Hessen-Nassau mit 1 Prozent. Schon stärker sind die Rheinlande (mit 2,8
Prozent) und die Niederlande (mit 2,8 Prozent) vertreten, was seinen Grund in den
engeren Handelsbeziehungen hat. Aus den Niederlanden stammten in der Zeit von
1364-1399 insgesamt 76 Neubürger der Rechtstadt, vom Niederrhein,
d. h. aus der Rheingegend von Bingen bis zur niederländischen
Grenze sind 52 Namen aus 28 Ortschaften verzeichnet, unter denen an erster
Stelle Köln steht, dann folgen Frankfurt a. M., Brinckhausen,
Scharfenstein, Andernach usw.
Der Hauptstrom der deutschen Zuwanderer aus dem eigentlichen Deutschland
kam aus dem Nordwesten, vor allem aus Hannover und Westfalen.
Ersteres ist mit 7, letzteres mit 9,6 Prozent der Zuzöglinge vertreten.
Wesentlich westfälische Einwanderer waren es, die 1150
Lübeck gegründet hatten. Auch die benachbarten Seestädte
Stralsund und Greifswald wiesen von Anfang an einen starken
westfälischen Einschlag auf. Bei der Gründung Danzigs waren sie ja
dabei und spielten hier, wie wir sahen, eine hervorragende Rolle schon in der
pommerellischen Zeit. Jetzt war es nicht anders. Es finden sich in dem
Grundzinsbuch der Rechtstadt eine ganze Fülle von Namen, die von der
alten westfälischen Heimat, ihren großen, kleinen und kleinsten Orten
hergenommen und von den Einwanderern, wie ihre [104] Nachnamen beweisen, als Familiennamen
geführt und hier zu Ehren gebracht wurden. Der Zugang aus Westfalen
belief sich in der Zeit zwischen 1364 und 1399 auf insgesamt 259
Neubürger der Rechtstadt, aus Hannover in der gleichen Zeit auf 190.
Diese engen Beziehungen Danzigs der Abstammung und auch dem Verkehr nach
kommen auch in den engen Beziehungen zum Ausdruck, in die Danzig
während des 15. Jahrhunderts zu den westfälischen
Femgerichten getreten ist oder vielmehr, in die es gezogen wurde.13 Zahlreiche Vorladungen sind von den
westfälischen Femgerichten nach Danzig ergangen, wie dies Voigt
eingehend dargestellt und Rothert ergänzend getan hat. Den Grund
für dies häufige Eingreifen der Femgerichte, wobei es sich meist um
Familien- und Erbstreitigkeiten handelte, haben wir in den vielfältigen
Beziehungen zu einander zu suchen. Namentlich die Dortmund benachbarten
Freistühle spielen dabei eine Hauptrolle. Der Höhepunkt der
Femgerichte liegt im allgemeinen zwischen 1430 und 1440. Bei uns liegt das
Schwergewicht ihrer Tätigkeit etwa ein Jahrzehnt später, wobei wohl
die große räumliche Entfernung mitgesprochen hat. In das Jahr 1430
fällt die erste bekannte Vorladung Danzigs vor einen Freistuhl, in den
folgenden Jahren mehren sich dann die Fälle beträchtlich, und sie
halten an trotz der bald einsetzenden sogenannten polnischen Zeit bis zum
beginnenden 16. Jahrhundert, wo sie dann ganz verschwinden.
Auch sonst ist dieser rege Verkehr im 14. und 15. Jahrhundert vielfach bezeugt.
Der Schriftwechsel nach den westfälischen Städten ist sehr lebhaft
gewesen,14 meist handelt es sich auch hier um
Erbschaftsregulierungen, am meisten zwischen Danzig und
Dortmund und Danzig und Soest. Wir erkennen daraus
ebenso den regen Verkehr wie aus den sogenannten Geburtsbriefen, die
nach Tausenden im Danziger Stadtarchiv vorhanden sind, Bescheinigungen der
Heimatbehörden über eheliche Geburt und freie deutsche
Abstammung, mittels denen sich die Zuzöglinge ausweisen mußten.
Gerade die niederdeutschen Einwanderer sind es, die in Danzig zu Macht und
Ansehen gelangen, die die herrschende Schicht bilden, die zu den höchsten
Ehren und Ämtern emporsteigen, aus deren Geschlechtern die meisten Danziger
Bürgermeister und Ratsherren hervorgegangen sind, wie eine eingehende
Betrachtung ihrer Familien- und Heimatbeziehungen sehr deutlich ausweist.15
Mit den Angehörigen, die diese Neubürger aus ihrer alten Heimat
mitbrachten und den Familien, die sie hier [105] gründeten, führten sie der
eingesessenen Bürgerschaft so reichlich neues Blut zu, daß der
niederdeutsche Einschlag zu allen Zeiten der Danziger Bevölkerung sein
Gepräge aufgedrückt hat. Er wurde dadurch verstärkt,
daß nicht nur die in der Mitte des 14. Jahrhunderts bereits hier heimischen
Bewohner in der Hauptsache Niederdeutsche waren, sondern daß auch die
Einwanderer aus den Ostseestädten und den landeinwärts gelegenen
Kolonialgebieten zum größten Teil gleichfalls den Landschaften
zwischen Elbe und Rhein entstammten. Niederdeutsche Sitte und Mundart
faßten deshalb in der Weichselstadt feste Wurzeln und haben die Jahre der
Einwanderung weit überdauert. Das Niederdeutsche bildete Danzigs
Geschäfts- und Schriftsprache. Eine Ausnahme machte der
Schriftverkehr der Stadt mit dem Deutschen Ritterorden, an den bereits
hochdeutsch geschrieben wurde.16 Auch im 15. Jahrhundert blieb im
allgemeinen das Niederdeutsche vorherrschend, doch gewann nun das
Hochdeutsche immer mehr und mehr an Boden, besonders im Schriftverkehr mit
den hochdeutschen Empfängern, wie den Herzögen von Schlesien,
den Markgrafen von Meißen, dem Erzbischof von Köln, den
Städten Breslau, Liegnitz, Krakau usw.17 Auch an den König von
Polen wurde Hochdeutsch geschrieben. Selbst an die Herzöge von
Pommern findet sich gelegentlich schon (1432) ein hochdeutsches Schreiben,
wiewohl sonst der Schriftverkehr mit letzteren durchaus niederdeutsch blieb.
Niederdeutsch wurde regelmäßig, vor allem im hansischen Verkehr,
an die pommerschen und westfälischen Städte geschrieben. In der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde dann das Hochdeutsche immer
mehr und mehr Übung,18 vornehmlich infolge der Reformation,
der sich Danzig sehr schnell anschloß und infolge der sich daraus
ergebenden überaus engen Beziehungen zu Wittenberg. Um 1530 wurde
noch an Lübeck, Stralsund, an die Könige von Schweden und
Dänemark niederdeutsch geschrieben. Die letzten bekannten
Empfänger niederdeutsch geschriebener Briefe sind die niederdeutschen
Städte. Der sehr lebhafte Briefwechsel mit Amsterdam ist noch bis 1561
regelmäßig niederdeutsch. 1563 setzt dann auch hier das
Hochdeutsche ein. Das letzte bekannte amtliche Schreiben Danzigs in
Niederdeutsch ist 1563 an die Stadt Nieuport in Flandern gerichtet.19
Als Herkunft der Neubürger Danzigs sind aus Westfalen 74 Städte
und Dörfer nachweisbar, aus Hannover 74. Von den westfälischen
Städten sind u. a. vertreten: Dortmund, Schwerte, Lünen,
Olpe, Menden, Unna, Iserlohn, Attendorn, [106=Foto] [107] Westhofen, Essen, Werden,
Münster, Osnabrück, Minden, Lippstadt, Paderborn, Büren,
Steinheim u. a.
Die meisten Zuwanderer nach Danzig aber sind aus dem sogenannten
Kolonisationsgebiet östlich der Elbe gekommen, d. h. aus der
Gegend von Meißen, der Mark Brandenburg, aus Schlesien und aus den
Gebieten an der Ostseeküste:
Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Pommern und schließlich aus dem
Ordenslande selbst, welches die meisten Zuzöglinge lieferte, nämlich
27 Prozent, während aus den Küstengebieten der Ostsee 13 Prozent
gekommen sind. Alle diese Neubürger waren auch Deutsche, die
entweder selbst sich dort seßhaft gemacht hatten, oder aber es waren
Söhne
nieder- und westdeutscher Väter, die dorthin ausgewandert waren. Sie alle
hielten mit ihrer
west- und norddeutschen Heimat enge Verbindung. Familienbeziehungen und
Verwandtschaften spannen viele Bande hin und her. Schauen wir uns die Heimat
dieser Zuzöglinge auch etwas näher an.
Verhältnismäßig zahlreich war der Zuzug aus dem
Siedlungsgebiet zwischen Elbe und Saale, das einst am
frühesten von der deutschen Besiedlung ergriffen worden war. 62 Danziger
Neubürger aus 34 Ortschaften lassen sich für den angegebenen
Zeitraum von
1364-1399 in der Rechtstadt nachweisen. Etwa gleich viele Einwanderer stammen
aus der Mark Brandenburg nebst der Neumark, nämlich 64
Personen aus 32 Orten, u. a. aus Berlin, Angermünde, Ruppin,
Damerow, Buckow, Prentzlau, Hasselbusch, Stoltenberg usw. Weit
größer war der Zustrom aus Schlesien, woher in dieser Zeit
nicht weniger als 110 Neubürger aus 45 Ortschaften kamen, u. a. aus
Glogau, Schweidnitz, Hirschberg, Görlitz, Goldberg, Oppeln, Breslau, am
häufigsten aus Sagan.
Schleswig-Holstein einschließlich Hamburg und
Lübeck lieferte 98 Neubürger. Neben Hamburg und
Lübeck u. a. auch Stade, Hadeln, Oldenburg, Anvorde und Bremen.
Mecklenburg gab in stets wachsendem Umfange 85 Neubürger aus
47 meist kleineren Orten an Danzig ab. Besonders stark ist dieser Zuzug, wie wir
später noch sehen werden, in der sogenannten polnischen Zeit. Von den
mecklenburgischen Städten seien u. a. genannt: Güstrow,
Waren, Gadebusch, Sulte, Wismar, Malcho und vor allem Rostock. Aus
Vorpommern stammten 64 aus 41 Orten. Weit stärker ist wieder der
Zuzug aus Hinterpommern, 99 Bürger aus 43 Orten.
Fast die Hälfte aller aus dem Kolonisationsgebiet stammender
Neubürger und etwa ein Viertel aller von auswärts Gekommenen war
im Ordenslande selbst beheimatet. Auch sie waren ganz
überwiegend deutscher Herkunft. Sie waren [108] Nachkommen der hier vom Deutschen
Ritterorden seit seinem Erscheinen angesiedelten Deutschen aus allen Gauen des
Reiches. Von diesen 730 Neubürgern aus dem Ordensstaate waren 234 aus
Pommerellen, 240 aus der Weichselniederung und 262 aus dem übrigen
Ordenslande. Aus der
Weichsel- und Nogatniederung erfolgte der Zuzug nach Danzig aus 51 Orten. Aus
der näheren und nächsten Umgebung von Danzig sind z. B.
vertreten: Dirschau, Praust, Zuckau, Pelplin, Putzig, Zankenczin, Matzkau,
Kowall; aus der ferneren u. a. Thorn, Kulm, Eylau, Christburg, Osterode,
Lessen usw. Alle Eingewanderten tragen deutsche Namen, ein Beweis,
daß auch die Orte, aus denen diese Zuwanderer kamen, von Deutschen
besiedelt waren, entgegen der heutigen polnischen Behauptung, die alle diese Orte
samt ihren Bewohnern für die Polen reklamiert.
Eine Anzahl von Orten, deren Namen als Herkunftsbezeichnung angegeben wird,
sind entweder topographisch nicht zu bestimmen, oder zum mindesten nicht
einem bestimmten Bezirk zuzuweisen. Aus solchen "unbestimmten" Orten, deren
es 133 gibt, waren 252 Danziger Neubürger. Schließlich gibt es noch
188 weitere Orte, deren Lage man nicht genau bestimmen kann, weil sie in
Deutschland und auch im Kolonisationsgebiete vorkommen, mitunter sogar
mehrere Male. Zu diesen Plätzen gehören z. B. Orte wie
Frankfurt, Freiburg, Neuenburg, Osterode, Strasburg und Wittenberg.
In welchem Verhältnis zu dieser Masseneinwanderung Deutscher stand
nun die Zuwanderung aus Polen bzw. die Zuwanderung von Polen? Aus
Polen haben in dieser ganzen Zeit nur 61 Personen, die aus 15 Orten
stammten, das Bürgerrecht der Rechtstadt Danzig erworben, d. h.
zwei Prozent der gesamten Einwanderer. Ähnlich wie es bei den
Böhmen der Fall war, werden sie meist als "pole" bezeichnet. Auch
hier ist ihre Herkunftsbestimmung nicht immer sicher. Bei der Untersuchung aus
den slawischen Gebieten ist, so sagt richtig Keyser, nicht nur die Zahl und
Herkunft der Zuzöglinge bedeutsam, sondern vornehmlich ihre
nationale Abstammung. Denn bei der Ausbreitung der Deutschen in jener
Zeit in diesen Gegenden und bei dem starken Einfluß des deutschen
Volkstums und der deutschen Kultur in den böhmischen und polnischen
Städten ist es nötig, die ihrer Geburt nach deutschen und slawischen
Einwanderer aus den slawischen Landen zu scheiden, denn denken wir daran,
daß z. B. Krakau eine ursprünglich völlig deutsche
Stadt war, mit deutscher Sprache, deutschem Schriftverkehr,
deutschem [109] Recht, daß alle seine Akten
ursprünglich in deutscher Sprache geführt worden sind. Wir
haben ja auch die Möglichkeit, diese Scheidung vorzunehmen, "da das
Bürgerbuch eine strenge Unterscheidung macht zwischen
pole und polonus und die letzte Bezeichnung nur in dem Falle
anwendet, in denen ein Stammpole mit einem deutschen oder einem auch
bei deutschen Familien vorkommenden Vornamen als solcher gekennzeichnet
werden sollte. Die Bezeichnung pole läßt dagegen genau wie die
Bezeichnung westfal., holste oder sasse nur auf die örtliche Herkunft, aber
nicht auf die völkische Zugehörigkeit schließen".20
Von den 61 Neubürgern, die aus Orten benannt sind, die im damaligen
Polen lagen, kommen aber nur etwa zehn Namen als Slawen in Betracht.
Aber auch die Zuzöglinge aus Dörfern in Pommerellen trugen fast
ausschließlich deutsche Namen. "Selbst wenn alle Neubürger, deren
Vornamen nur in geringster Weise die Möglichkeit einer slawischen,
tschechischen, polnischen oder kassubischen sowie preußischen
Abstammung anzunehmen gestatten, berücksichtigt werden, kann die Zahl
dieser slawischen Einwanderer... von 1364 bis 1399 zusammen auf 41,
d. h. 1,5 Prozent aller Einwanderer berechnet werden".21 Das bedeutet nichts gegenüber
dem gewaltigen Anteil, den die deutschen Stämme an dem Danziger
Neubürgertum hatten. Charakteristisch ist auch folgender Umstand, auf den
Keyser22 hingewiesen hat: die eingewanderten
Nichtdeutschen werden nicht, wie dies bei den Deutschen der Fall ist, nach den
eingewanderten Orten bezeichnet, sondern lediglich als Polen, Kaschuben bzw.
Preußen aus der Menge der deutschen Siedler herausgehoben. Dies beweist
einmal, daß ein scharfer Unterschied gemacht wurde zwischen den
deutschen Einwanderern und jenen anderer Nationalität, und zweitens,
daß auch Polen, Kaschuben und Preußen als verschiedene
Gruppen scharf voneinander gesondert werden.
Da diese geringe Zahl der Nichtdeutschen bedeutungslos ist, müssen wir
feststellen, daß die Neubürger der Rechtstadt Danzig
ausschließlich Deutsche waren. Dies trifft aber nicht nur für die
Zuwanderer zu, sondern auch für die bereits ansässige
Bevölkerung, wie wir dies bereits früher dargelegt haben. Für
diese Zeit nun haben wir aber in dem Schoßbuch sozusagen auch
den urkundlichen Beweis für die Tatsache. Selbst wenn alle im
Schoßbuch von 1377/78 mit slawischen Namen Verzeichneten als Slawen
betrachtet werden, würde ihre Zahl mit 29 verzeichneten Einwohnern unter
2862 Gesamteinwohnern nur ein Prozent betragen. [110] Also auch hier wieder ergibt sich, daß der
slawische Anteil völlig bedeutungslos ist. Dazu kommt noch, daß
diese Slawen oder Polen zu den ärmsten und damals
völlig einflußlosen Bevölkerungskreisen gehört
haben. Wie sich aus dem Schoßbuch ergibt, wohnten sie in den
Hintergassen und Nebenstraßen der Stadt, dürften also mit
Gütern gerade nicht reich gesegnet gewesen sein und zu den Dienern und
Fischern gehört haben.
Die hier dargestellten Tatsachen, die wir auf Grund der vorliegenden eingehenden
Untersuchungen für die eigentliche Stadt Danzig, die Rechtstadt, kurz
zusammenfassend dargestellt haben, gelten für die ganze Ordenszeit. Aber
sie gelten auch im wesentlichen für jene Stadtteile, welche speziell durch
den Orden neu angelegt und besiedelt worden sind, wie das ja überall seiner
Praxis entsprach. Auch hier war das polnische Element verschwindend, das
vorhandene slawische, d. h. kaschubische und preußische in der
ehemaligen altpommerellischen Fischersiedlung in der Nähe der
nunmehrigen Ordensburg ging bald in dem deutschen Element der neben ihr
gegründeten sogenannten Altstadt auf. Professor Dr. Keyser
hat auch der Frage der Besiedelung und der nationalen Zusammensetzung der
Bevölkerung der Altstadt Danzig eine eingehende Studie gewidmet.23 Er errechnet die Zahl der Bewohner
der Altstadt am Ende des 15. Jahrhunderts auf rund 3650 Einwohner, die des
Hakelwerks, d. h. der
slawisch-preußischen Fischersiedlung auf 600. Auch die Bewohner der
Altstadt waren, wie sich aus ihren uns erhaltenen Namen ergibt, ganz
überwiegend deutscher Herkunft. "Selbst wenn alle Personen", sagt
Keyser am Ende seiner Untersuchung,24 "deren Namen auch nur den
geringsten slawischen Einschlag aufweisen, abgerechnet werden, bildeten die
Deutschen in der Altstadt und, was besonders beachtenswert ist, auch auf dem
Hakelwerk die Mehrheit. Dabei setzte sich nicht nur die eingewanderte
Bevölkerung aus Deutschen zusammen, sondern auch die im Hakelwerk
eingesessene, ehemals slawische Bewohnerschaft war schon nahezu
völlig eingedeutscht worden, wie die Wahl echt deutscher
Vornamen für Personen mit slawischen Familiennamen bezeugt. Auch
weisen sehr viele slawische Familiennamen eine deutsche Urform auf... Es darf
die Behauptung aufgestellt werden, daß die Bevölkerung der Altstadt
zu 94 Prozent und die des Hakelwerks zu 84 Prozent unzweifelhaft dem
deutschen Volkstum zugehört hat. Die Personen mit slawischen
Vor- und Zunamen betrugen um 1500 nur 0,7 Prozent (in der Altstadt) bzw. (auf
dem Hakel- [111] werk) 3 Prozent, und die mit deutschen
Vornamen und einem bereits stark eingedeutschten, slawischen Familiennamen 5
Prozent bzw. 13 Prozent der gesamten grundbesitzenden
Bevölkerung."
Diese Tatsache des somit völlig deutschen Charakters der Altstadt wird
auch dadurch bezeugt, daß die Wollweber im Jahre 1459, also
wenige Jahre nachdem Danzig sich unter die Schutzherrschaft der polnischen
Könige gestellt hatte, beschlossen, keinen Polen mehr als Meister oder
Lehrling aufzunehmen, und daß auch die Kistenmacher der
Altstadt um die gleiche Zeit verboten, in ihrem Gewerk polnisch zu sprechen
oder zu singen.25 Diese Tatsache widerlegt vielleicht
auch besser als jedes weitere Wort die von den Polen aufgestellte, später
noch zu erörternde Behauptung, Danzig sei vom Orden aus
nationalen Gründen abgefallen und habe sich aus dem Gefühl
völkischer Zusammengehörigkeit an Polen angeschlossen. Nichts ist
unsinniger als eine solche Behauptung.
Wir können somit feststellen, daß am Schluß der
Deutschordenszeit, also um die Mitte des 15. Jahrhunderts, das ganze Danzig eine
rein deutsche Stadt war, und daß es dies nicht geworden ist durch
Unterdrückung und gewaltsame Germanisierung der ansässigen
Bevölkerung, sondern durch massenweise Zuwanderung aus allen Gauen
des Deutschen Reiches. Alle Gegenden und Stämme Deutschlands haben
die Bevölkerung Danzigs geliefert, und diese blieb in inniger Verbindung
mit ihrer Heimat, vor allem durch die großen und zahlreichen
Handelsbeziehungen. Danziger Kaufleute suchten die deutschen Städte und
Länder auf, und deutsche Kaufleute wiederum kamen in großer Zahl
nach Danzig, um hier Handel zu treiben, ihre Waren abzusetzen bzw. neue
einzukaufen. So fand vielfach auch ein landsmannschaftlicher
Zusammenschluß statt, der seinen äußeren Ausdruck
gefunden hat teilweise in dem Zusammenschluß der Banken im
Artushof, der zwar erst, wie es scheint, in der ersten Zeit der sogenannten
polnischen Herrschaft erfolgt
ist - wenigstens stammen die ersten Nachrichten von den Banken oder
Bruderschaften des Artushofes aus dieser
Zeit -, der aber hier schon erwähnt sein mag, weil die
landsmannschaftlichen Zusammenhänge zweifellos auch schon in diese
Zeit zurückgehen.
So dürfen wir die als erste der Banken 1481 erwähnte
Reinholdsbank, die in diesem Jahre mit 106 Brüdern verzeichnet
ist, wohl zunächst als einen landsmannschaftlichen Zusammenschluß
der in Danzig ansässigen und hier zu [112] Handelszwecken verkehrenden Kaufleute des
Niederrheins und Westfalens betrachten, denn gerade dort wurde
der hl. Reinhold besonders verehrt, wie u. a. die diesem Heiligen
geweihten Kirchen in Köln, Dortmund und anderswo in jener Gegend
bezeugen. Auch weist auf diesen landsmannschaftlichen Charakter der gut
erhaltene Schnitzaltar dieser Bank in der Reinholdskapelle der Marienkirche hin,
der eine niederrheinische Arbeit ist, das Werk des Joost von Cleve.
Auch die nach dem Brüderbuch seit 1483 bestehende Heilige
Dreikönigsbank halte ich unbedingt für einen
landsmannschaftlichen Zusammenschluß, und zwar vornehmlich der
Kölner und der Rheinländer überhaupt. Denn
gerade in Köln wurden und werden die heiligen drei Könige
besonders verehrt, sie gelten als die Schutzheiligen der Reisenden. Wie treffend
paßt diese Bezeichnung daher für eine Vereinigung reisender
Kaufleute! Gerade damals standen diese Heiligen im Rheinlande in besonderer
Verehrung, seitdem der Kölner Erzbischof Reinald von Dassel ihre
Reliquien 1164 nach Köln gebracht hatte, wo ihnen im 13. Jahrhundert der
wundervolle Dom in seinen Anfängen erstand. Um diese Zeit hatten die
Wallfahrten zum Grabe der Drei Könige, die bald nach ihrer Übertragung
begonnen hatten, einen gewaltigen Umfang angenommen. Es ist daher auch nicht
ausgeschlossen, daß wir in den Mitgliedern der Dreikönigsbank
wenigstens teilweise auch solche Wallfahrer zu suchen haben. Auf jeden Fall
weist diese Bank auf die engen Beziehungen Danzigs zu Köln hin.
Die Lübische Bank, deren Statut von 1482 sich bemerkenswerter
Weise erhalten hat, weist ohne weiteres auf die engen Beziehungen zu
Lübeck und dessen Nachbarschaft hin. Kein Wunder, wenn die in
Danzig überaus zahlreich ansässigen und die mit Danzig Handel
treibenden Lübecker Kaufleute die geschäftlichen Verbindungen mit
ihren Handelsfreunden nun auch zu gesellschaftlichen machten.
Die vierte, zweifellos auch auf landsmannschaftlicher Grundlage beruhende
Bruderschaft des Artushofes war die Holländer Bank. Zwar wird sie
erst 1492 erwähnt, in welchem Jahre ihren Brüdern vertraglich eine
Kapelle in der Dominikanerkirche St. Nikolaus gesichert wird, aber auch hier
gehen ja engste Handelsbeziehungen auf eine weit frühere Zeit
zurück. Bis zum Jahre 1400 sind in Danzig u. a. angesiedelte
Bürger aus Amsterdam, Deventer, Dordrecht, Herzogenbusch,
Kämpen, Middelburg, Nimwegen, Utrecht und anderen Städten
nachweisbar. Ihre Stammverwandten aus den Niederlanden haben im 15.
Jahrhundert, [113] auch in gespannten Zeiten, das Recht behalten,
auf dem Artushof wenigstens ihre Geschäfte zu treiben. Simson meint,
daß diese Bank ursprünglich nur aus Holländern bestanden hat
und führt als Beweis die Tatsache an, daß sie sich 1514 den oben
genannten Vertrag mit den Dominikanern von der Stadt Amsterdam
bestätigen läßt. Auch der wertvolle Kunstbesitz der
Nikolaikirche, ein großes, auf Goldgrund gemaltes Marienbild, trägt
das Wappen von Amsterdam und bewahrt so das Andenken seiner Stifter.
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