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Das Gebiet von Danzig unter pommerellischer Herrschaft.
Vom 10. bis 13. Jahrhundert.

1. Das Verhältnis zu Polen in staatlicher und sprachlicher Beziehung

Die historische Zeit beginnt für unser Danziger Gebiet etwa um das Jahr 1000, wenngleich auch aus dieser Zeit die geschichtlichen Nachrichten noch äußerst spärlich fließen. Zu Beginn dieser Periode ist unser Land, wie wir ausgeführt haben, von einer slawischen Bevölkerung in der Hauptsache bewohnt. Aber doch nicht ganz ausschließlich, denn gewisse Reste der germanischen Ureinwohner werden zurückgeblieben sein und sich mit den slawischen Zuzöglingen vermischt haben. Dann aber sind die letzten drei Jahrhunderte unseres Zeitabschnittes angefüllt mit den sogenannten Wikingerfahrten. Die Wikinger, diese kühnen Skandinavier, also Germanen, durchfuhren auf ihren schnellen Schiffen alle bekannten Meere, bald in kriegerischen Absichten, bald in friedlicher Weise mit den Küstenbewohnern Handel treibend.

Meistens suchten sie nur die Küstengebiete heim, nur vereinzelt drangen sie, ihnen geeignet scheinende Flußläufe benutzend, tiefer in das Innere des Landes ein. An den Küsten legten sie mitunter auch befestigte Plätze an und bevölkerten sie mit ihren Stammesgenossen. So war es auch an der Küste der Danziger Bucht, die sie gleichfalls heimsuchten, ja sie sind in ihr flußaufwärts auf Weichsel und Elbing vorgedrungen bis verhältnismäßig tief in unser Land hinein. So ist z. B. bei Mewe ein Grab gefunden worden, in dem ein Wikinger in voller Rüstung beigesetzt war, und im Wiesengelände des Sorgetales sind Reste eines Wikingerbootes gefunden worden, desgleichen auf dem Gelände der Stadt Danzig selbst. Auch über Niederlassungen an der Danziger Bucht verfügten sie. So werden die auf der Halbinsel Hela bzw. an ihrer Wurzel liegenden Ortschaften Hela, [65] Heisternest, Rixhöft und Oxhöft auf sie zurückgeführt, desgleichen dürfte auch Putzig eine ihrer Niederlassungen gewesen sein.1

Ganz ausschließlich slawisch ist also die Bevölkerung unserer Gegend auch damals nicht gewesen, wenn auch keinen Augenblick bestritten werden soll, daß das slawische Element weit in der Mehrzahl war und daß ein slawisches Fürstengeschlecht die Herrschaft führte.

Wem unterstand unser Land? Polnischerseits wird mit der größten Selbstverständlichkeit stets behauptet, die Gebiete um die Danziger Bucht, überhaupt das sogenannte Pommerellen, seien von Anbeginn ein Teil des polnischen Reiches, seine unter dem Namen Kaschuben bekannten Bewohner seien Polen gewesen, und so werden sie auch heute noch von den Polen geschichtlich für das Polentum in Anspruch genommen. Das aber ist historisch unrichtig und unhaltbar. Weder gehörte das Gebiet von Pommerellen zum polnischen Reiche, noch waren seine Bewohner, obwohl in der Hauptsache Slawen, Polen.

Einer der eifrigsten und erfolgreichsten neueren Forscher auf dem Gebiete der Danziger ältesten Heimatgeschichte, Professor Dr. Keyser, Direktor des Landesmuseums der Freien Stadt Danzig, hat die Frage der evtl. Zugehörigkeit Danzigs zu Polen einer eingehenden Untersuchung unterzogen und er weist2 an Hand der Urkunden und deren Wortlaut u. E. unwiderleglich nach, daß das Gebiet an der unteren Weichsel, das von eigenen Fürsten regiert wurde, nicht dem polnischen Reiche angegliedert war, daß dessen Grenzen vielmehr weit südlicher verliefen. Das Danziger Gebiet schob sich an der Ostsee wie ein Riegel vor das polnische und trennte dieses von der Ostsee. Unser Land macht beim Eintritt in die Geschichte den Eindruck eines ganz selbständigen Landes.

Auch daraus, daß der heilige Adalbert auf seiner Missionsreise von Polen nach Ostpreußen den Weg über Danzig nahm, daß er auf ihm bis Danzig von 30 polnischen Kriegern begleitet war, kann nicht, wie es manche Forscher tun, geschlossen werden, daß das Danziger Gebiet damals Polen unterstand. Ausdrücklich wird in der Lebensbeschreibung des hl. Adalbert berichtet, daß er beim Fürsten von Danzig, den er am polnischen Königshofe kennen gelernt und vermutlich getauft hatte, besonders ehrenvoll aufgenommen wurde. Aus dieser Tatsache aber darf höchstens geschlossen werden, daß damals zwischen beiden Herrschern [66] ein freundnachbarliches Verhältnis bestand und daß die polnischen Krieger ein Ehrengeleit für den Heiligen bildeten.

Betrachten wir das Verhältnis der beiden Herrscher zu einander, so können wir auch aus ihm schließen, daß beide völlig gleichberechtigt waren, daß seitens des Danziger kein Vasallenverhältnis zu dem von Polen vorlag. Als vollständig Gleichberechtigter erscheint der Pommerellenherzog an dem Hofe des Polenherzogs Boleslaw und wirbt um die Hand der Tochter desselben, die ihm auch gewährt wird unter der Bedingung, daß er das Christentum annehme. Das geschieht auch. So fand eine Familienverbindung zwischen den beiden Herzogsgeschlechtern statt, die gerade für den polnischen Staat von Wichtigkeit war und den Polen nur willkommen sein mußte, denn die für sie so wichtige Weichselmündung lag ja in den Händen eines anderen Fürsten, und durch diese freundschaftliche Familienverbindung erhielt Herzog Boleslaw die Möglichkeit, sie leichter zu benutzen. Vielleicht hat ihm beim Eingehen dieser Verbindung auch schon der Plan vorgeschwebt, sie auf diese Weise einmal selbst in Besitz zu bekommen.

Der Herzog Boleslaw Chrobry (der Tapfere), der um das Jahr 1000 in Polen herrschte, schloß die verschiedenen polnischen Stämme erst zu einem einheitlichen Reiche zusammen und führte sie dem Christentume zu. Im Ziel seiner Pläne mußte es liegen, auf das Mündungsgebiet der Weichsel Einfluß zu gewinnen, denn der polnische Drang zum Meere ist so alt wie die polnische Geschichte überhaupt. Das Endziel Boleslaws wird es offenbar gewesen sein, das damals seiner Herrschaft noch nicht unterstehende Danzig ihr einzuverleiben. Die ersten Schritte dazu hatte er jedenfalls durch die Heirat getan.

Doch Erfolg scheint ihm nicht beschieden gewesen zu sein. Denn schon unter seinem Sohne Mieczyslaw II. hören wir nichts mehr davon, und als nach dessen Tode im Jahre 1036 in Polen fast völlige Anarchie eintrat, fehlte der staatliche Zusammenschluß im eigentlichen Polenreiche, um wieviel mehr hat er mit unserem Gebiete gefehlt, das bisher mit ihm noch nicht verbunden gewesen war.

Später allerdings scheint unser Gebiet zeitweise unter die polnische Lehnshoheit gekommen zu sein, wenn auch nur für kurze Zeit, doch gestatten die Quellen einen klaren Blick hier nicht. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts jedenfalls beansprucht der Herrscher von Polen - ob zu Recht oder zu Unrecht muß dahingestellt bleiben - die Oberherrschaft über Pommerellen. Doch wir sehen auch in dieser [67] Zeit die pommerellischen Herzöge in allem vollkommen selbständig handeln, und wir vernehmen von einer tatsächlichen polnischen Oberherrschaft nichts. Die Abhängigkeit von Polen - wenn eine solche überhaupt je bestanden hat - ging jedenfalls sehr schnell vorüber, noch im 12. Jahrhundert, und es entstand unter dauernden Kämpfen gerade gegen Polen ein vollständig selbständiges, von Polen unabhängiges, unter einheimischen Fürsten stehendes pommerellisches Reich. Wie vorübergehend vermutlich unter polnischer Oberherrschaft, so hat Pommerellen auch vorübergehend unter dänischer Herrschaft gestanden. In der Zeit des Pommerellenherzogs Mestwin I. (gest. 1220) gelang es nämlich Waldemar von Dänemark, die Länder der südlichen Ostseeküste sich zu unterwerfen, und auch Mestwin I. mußte ihm den Lehnseid leisten. Es wären also auch die Dänen geradeso berechtigt wie die Polen, aus dieser zeitweiligen Abhängigkeit Ansprüche auf das Gebiet herzuleiten.

Als Mestwin I. am 1. Mai 1220 mit Hinterlassung von vier Söhnen starb, übernahm Swantopolk als der älteste die Oberherrschaft, während das Land selbst geteilt wurde. Swantopolk erhielt zu der Oberherrschaft noch die Gebiete von Danzig und Schwetz. Seiner Tapferkeit gelang es unter geschickter Ausnutzung der Wirren, die der Ermordung des polnischen Großfürsten Leszek des Weißen im Jahre 1227 folgten, auch den letzten Rest der von Polen beanspruchten scheinbaren Lehnshoheit abzuwerfen. Als äußerstes Zeichen seiner vollständigen Souveränität und seiner nunmehrigen ranglichen Gleichstellung mit dem polnischen Herzoge nahm er gleichfalls den Titel "Herzog" (dux) an, während er sich bis dahin nur Fürst (princeps) genannt hatte. Das Verhältnis zu Polen war in dieser Zeit überaus gespannt, und als im Jahre 1224 die heidnischen Preußen in Ostpommern einfielen, die Klöster Zuckau und Oliva zerstörten und die Umgegend von Danzig verwüsteten, schrieb Swantopolk dies den Umtrieben der Polen zu. Überhaupt sah er in dieser Zeit die Polen und die Preußen als seine voraussichtlichen Landesfeinde an, was er in einer Urkunde, durch die er dem Kloster Oliva den Besitz der Güter und Rechte bestätigte, geradezu ausspricht,3 wenn er in ihr sagt: "Wenn die Heiden (d. h. die Preußen) oder die Polen versuchen sollten, in dies Land einzudringen". Also er unterscheidet sich und sein Land sehr scharf von jenem der Polen. Um sein Gebiet gegen die Polen zu schützen, stellt er es unter dem Schutz des heiligen Petrus, d. h. er schenkt es dem Papste und empfängt es aus dessen Hand als Lehen zurück. Nichts als diese Tatsache allein kann deutlicher beweisen, daß eine [68] Oberhoheit Polens über das Gebiet von Danzig wie überhaupt über das von Pommerellen nicht bestand, daß eine solche von den pommerellischen Herzögen nicht anerkannt wurde, daß also die gegenteiligen Behauptungen der Polen der Geschichte widersprechen.

Da die Polen ferner vor der ganzen Welt behaupten, die damaligen Bewohner des unteren Weichselgebietes, Pommerellens, seien Polen gewesen, müssen wir auch hier dieser Frage einige Zeilen widmen, wobei wir uns vornehmlich auf die eingehenden Untersuchungen von Dr. Lorentz4 und Archivdirektor Dr. Kaufmann5 stützen.

Die Bewohner Pommerellens gehörten um diese Zeit wohl dem slawischen Volksstamme an, aber sie waren nicht Polen, und es ist auch nicht nachzuweisen, daß die Polen bis zum Ausgange des 13. Jahrhunderts in dieser Gegend in irgendwie nennenswerter Zahl ansässig gewesen sind. Die Pomeranen waren ein nach der Sprache von den Polen völlig verschiedener slawischer Volksstamm. Die Grenze zwischen beiden bildete damals etwa die Netze. Wenn in dieser ganzen Zeit in ostpommerellischen Urkunden das Wort "Poloni" gebraucht wird, so sind damit stets Landfremde gemeint. An die Möglichkeit, daß Polen sich irgendwie in Ostpommern niederlassen oder ansiedeln könnten, wird niemals gedacht, nur für das Dorf Lipschin im Kreise Berent erhielt um 1247 bis 1249 das Spital St. Godehardi bei Wloclawek die Genehmigung, Deutsche und Polen anzusiedeln, letztere sollten dieselbe Freiheit haben "wie die anderen Polen der genannten Brüder unter den Herzögen der Polen Boleslaw und Kasimir".6

Die Pomeranen oder Kaschuben umfassen den damals im Gebiete des heutigen Pommerellens, des Freistaates Danzig und auch des östlichen Teiles der heutigen Provinz Pommern ansässigen slawischen Volksstamm, und es ist unter den Fachgelehrten viel darüber gestritten worden, in welchem Verhältnis diese Bewohner zu den Polen der sprachlichen Zugehörigkeit nach gestanden haben. Die Polen machen sich die Sache meist leicht, indem sie einfach behaupten, Kaschubisch sei weiter nichts als ein polnischer Dialekt, und dies findet rein äußerlich genommen, seine scheinbare Bestätigung darin, daß in dem heutigen Kaschubisch zahlreiche polnische Wörter enthalten sind. Doch man darf nicht vergessen, daß dieses Gebiet volle drei Jahrhunderte lang unter polnischer Herrschaft gestanden hat, während welcher Zeit das Polnische nicht nur die Amtssprache, sondern meist auch die Sprache der Kirche in [69] Predigt, Unterricht, Gesang und seelsorglicher Betreuung war, was natürlich von entscheidendem Einfluß sein mußte auch auf die sprachliche Umgestaltung des Kaschubischen, das aber auch heute noch immer so verschieden von dem wirklichen Polnisch ist, daß der Pole das Kaschubische nicht versteht. Ehedem aber war der Unterschied wesentlich stärker, beide waren zwei ganz selbständige, von einander verschiedene Sprachen.

Das Kaschubische ist kein Dialekt des Polnischen, sondern es gehört zu dem Pomoranischen, das einst in dem ganzen Lande zwischen Weichsel und Oder, Ostsee und der Warthe-Netze-Linie gesprochen wurde. Wir haben unter den in Betracht kommenden slawischen Sprachen drei Gruppen zu unterscheiden: das Polnische, das Kaschubische und das Polabische, die den übrigen slawischen Sprachen gegenüber wohl zusammen gehören und den sogenannten lechitischen Sprachstamm des Westslawischen bilden, die aber alle drei wesentlich verschieden von einander sind. Dr. Lorentz sagt:7 "Gelingt es, die kaschubische und die polabische Betonung zu erklären, so sind unzweifelhaft Kaschubisch und Polabisch Dialekte einer und derselben Sprache, die man als Westlechisch dem Ostlechischen, dem Polnischen gegenüberzustellen hätte; erweist es sich aber, daß Kaschubisch und Polabisch die urslawische Betonung, jedes für sich, umgeändert haben, so muß man sich damit begnügen, das Polnische, das Kaschubische und das Polabische als drei gleichberechtigte Zweige des Lechischen anzusehen, von denen keiner einem zweiten näher steht als dem dritten". Archivdirektor Dr. Kaufmann8 setzt sich über die gleiche Frage mit den verschiedenen polnischen Auffassungen auseinander und kommt zu dem ähnlichen Schluß: "Es ist demnach an der von dem russischen Sprachforscher A. Hilferding, dem ersten, der das Kaschubische wirklich wissenschaftlich bearbeitete, in seinen Überresten der Slawen an der Südküste des Baltischen Meeres (St. Petersburg 1862) aufgestellten, von A. Schleicher in seiner Laut- und Formenlehre der polabischen Sprache (St. Petersburg 1871 S. 16 f.) und auch von Baudouin de Courtenay in seiner Übersicht über die slawische Sprachenwelt (Leipzig 1884 S. 7 ff.) gebilligten Ansicht festzuhalten, daß Kaschubisch und Polabisch zusammengehören und dem Polnischen gegenüber als westlicher Zweig des Lechischen aufzufassen sind."

Damit liegt klar zu Tage, wie sehr die Polen die Welt mit ihrer Behauptung, die ja auch ihren Widerhall im sogenannten Versailler Friedensvertrag gefunden hat, irre- [70] führen, die Bevölkerung dieser Gebiete spreche mit ihnen die gleiche Sprache, sei polnisch und gehöre daher ganz selbstverständlich zum neuerstandenen polnischen Reiche. Von einer staatlichen oder sprachlichen Verbundenheit kann um die Wende des 13. Jahrhunderts nicht die Rede sein, die Polen galten in diesem Gebiete damals schon als Fremde, als Ausländer. Sie haben ihm aber auch nicht etwa Kultur und Zivilisation gebracht und sich so ein Anrecht auf dieses Gebiet erworben, sondern beide kamen auch schon in der Zeit der pommerellischen Herrschaft von anderswoher, von Deutschland, wie wir weiter für das Danziger Gebiet ausschließlich darlegen werden, wie sich dies aber auch mit der gleichen Deutlichkeit für die übrigen pommerellischen Lande nachweisen läßt, worauf wir in dieser Arbeit aber nicht näher eingehen wollen.



2. Die Kulturarbeit der deutschen Zisterziensermönche von Oliva

In der Zeit, da unsere engere Heimat, das Pommerellenland, in den Gesichtskreis der eigentlichen Geschichte tritt, wird es auch allmählich der Kultur erschlossen. Und da ist es charakteristisch, daß diese nicht aus dem Lande selbst, auch nicht aus dem unmittelbar benachbarten Polen, sondern ausschließlich aus dem Westen, aus Deutschland, kommt. Diese deutsche Kultur und Zivilisation dringt aber nicht etwa auf gewaltsamem Wege ein, nicht durch das Schwert, sondern es ist eine friedliche Durchdringung mit deutschen Menschen, deutschem Geiste, deutschem Wesen, deutscher Arbeit und deutscher Schaffensfreudigkeit. Die deutschen Kulturträger wurden von den pommerellischen Herzögen selbst herbeigerufen. Nun beginnt ein gründlicher Wandel der Verhältnisse, der insbesondere für unsere Gegend nicht erst einsetzte mit dem Eingreifen des Deutschen Ritterordens in die Geschichte des deutschen Ostens, sondern schon ein volles Jahrhundert früher.

Die damaligen Bewohner dieser Gegend waren bedürfnislos und indolent, wie es auch heute vielfach noch slawische Sitte zu sein scheint; sie besaßen damals noch nicht einmal die äußeren Zeichen der Zivilisation der Deutschen. Sie lebten in ärmlichen Verhältnissen und begnügten sich mit dem, was sie mit ihren primitiven Geräten dem leichteren Boden der Höhe oder den vereinzelten Siedlungsstellen im Werder abgewannen, und dem Fischfang. Da begann mit dem Ende des 12. Jahrhunderts mit neuen Bewohnern ein [71] anderer Geist einzuziehen, und gleichzeitig setzte eine friedliche aber stete Rückeroberung unserer Gebiete für das Deutschtum, die deutsche Kultur und Zivilisation ein. Und so gesellte sich zu dem historischen Recht auf den Boden um den Unterlauf der Weichsel das erworbene Recht durch die schwere und mühevolle Arbeit der deutschen Kolonisatoren.

Als erste deutsche Siedlung, von der ein gewaltiger Strom deutscher Kultur und Zivilisation ausgegangen ist, entstand das Zisterzienserkloster Oliva, nur 10 Kilometer von der heutigen Stadt Danzig entfernt, in die die Gemeinde Oliva seit dem Jahre 1926 auch eingemeindet ist.

Oliva. Blick auf Abteigarten, Abtei und Klosterkirche.

[71]    Oliva. Blick auf Abteigarten, Abtei und Klosterkirche
(heute Kathedrale der Diözese Danzig).
Wohl zunächst nicht aus eigenem Antrieb, sondern gerufen durch den im heutigen Danzig auf seiner Pfahlburg wohnenden Pommerellenfürsten, sind die ersten Mönche etwa um das Jahr 1176 aus dem im Jahre 1173 in Kolbatz bei Stettin gegründeten deutschen Zisterzienserkloster hierher gekommen, um, wie es bei ihnen auch sonst üblich war, die Verhältnisse am Gestade der Ostseebucht zu erkunden. Der [72] Pommerellenherzog hatte die überaus segensreiche Tätigkeit der Zisterziensermönche anderswo kennen gelernt und bat sie, als Kultur- und Zivilisationsträger und als Boten des Christentums auch in seine Lande zu kommen. Die slawischen Fürsten hatten eben in der Erkenntnis, daß ihr eigenes Volk sich selbst nicht die Segnungen der Kultur erschaffen konnte, deutsche Mönche und Nonnen herbeigerufen und wie hier in Oliva, so auch in Zuckau, Pelplin, Zarnowitz u. s. w. Klöster gegründet und ihnen große Ländereien angewiesen, auf denen die Mönche dann zahlreiche deutsche Dörfer anlegten.

Wie sehr gerade die slawischen Fürsten um die Ostsee die Tätigkeit der deutschen Ansiedler zu schätzen wußten, beweist u. a. auch der Umstand, daß selbst der unter dänischer Oberhoheit stehende Fürst Wizlow von Rügen, der die deutsche Einwanderung in sein Gebiet eifrig förderte, schon im Jahre 1221 sagte: "Gott möge verhüten, daß das Land jemals wieder in seinen früheren Zustand zurückfiele, daß die Slawen die deutschen Ansiedler vertreiben und wieder anfangen, das Land zu bebauen".9 So folgten auch die Zisterzienser dem Rufe des Pommerellenherzogs, kamen hierher und wählten zum Platz ihrer ersten Siedlung und ihres festen Sitzes jene Stelle, die sie Oliva nannten und der Gottesmutter weihten.

Nachdem die ersten Anfänge der Siedlung gemacht waren, statteten die Pommerellenherzöge, die das Kloster unter ihren ganz besonderen Schutz genommen und die seine Kirche sich zur Begräbnisstätte auserkoren hatten, das Kloster mit immer mehr Ländereien aus. Die älteste Urkunde, die uns über die Geschichte des Weichsellandes erhalten ist, ist auch die eigentliche Begründungsurkunde des Klosters Oliva. Sie stammt von dem Pommerellenfürsten Sambor, ist am 18. März 1178 auf der Burg in Danzig ausgestellt, und in ihr werden die Einkünfte und Rechte der Mönche genau umschrieben. Die erste Ausfertigung dieser Urkunde ist früh verlorengegangen, wir besitzen heute nur noch eine zweite Ausfertigung aus der Zeit um 1224 aus den Beständen des alten Klosterarchivs. Sie wird im Danziger Staatsarchiv aufbewahrt.10

In dieser Urkunde werden den Zisterziensern von Oliva "sieben Dörfer mit allem Zubehör und allen Einkünften" übergeben, ferner der Zehnte von allen Marktbuden der Siedelung Danzig, vom Zoll, von den Fischen u. s. w. sowie die Freiheit, in der See und im Frischen Haff alle Arten Fische zu fangen und in allen Gewässern des Landes mit beliebigen Netzen und Geräten zu fischen. Die Schiffe und [73] Waren des Klosters werden vom Zoll befreit, am Strießbach darf es eine Mühle errichten.

Die sieben Dörfer lagen in der näheren Umgebung Olivas. Da die Namen in der Überlieferung zumeist ungenau wiedergegeben sind, ist es kaum möglich, die genaue Lage im einzelnen zu bestimmen. Man wird unter den "Dörfern" natürlich nur kleine Siedlungen zu verstehen haben, die später untergegangen bzw. durch andere Namen ersetzt sind. Der älteste Besitz des Klosters dürfte sich somit vom Rande des pommerellischen Höhenzuges zwischen dem Strießbach und dem Glettkaubach bis zur Danziger Bucht erstreckt haben. Kurze Zeit darauf wurde dem Kloster auch Grundbesitz auf dem späteren Stadtgelände Danzig eingeräumt. Bereits Sambors Bruder und Nachfolger Fürst Mestwin I. stattete das Kloster mit weiteren Gütern aus, und gleichfalls vermehrte dessen Sohn Swantopolk den Klosterbesitz, so daß dieser schon von Putzig und Oxhöft im Norden über Zoppot, Glettkau und Brösen an der Küste sich ausdehnte und an der Grenze Langfuhrs entlang aufwärts bis zum Radaunetal reichte. Auch im Danziger Werder faßten die Mönche durch den Erwerb von Mönchengrebin festen Fuß. Es gehörten zur Ordenszeit, sozusagen ausschließlich aber schon aus der pommerellischen Zeit, zu Oliva folgende im Gebiete des heutigen Freistaates Danzig liegende Ortschaften: Pietzkendorf (Bisserken), Brösen (Bresin), Karlikau (Carlikow), Glettkau, Glukau (Glusdoho), Grenzlau (Gransow), Langfuhr, Mattemblewo, Matern, Pelonken (Polone), Brentau (Presentino), Quaschin (Quassinow), Zoppot (Sopot), Strieß, Schmierau, Nanz (?), Primore (wahrscheinlich Konradshammer), Mönchengrebin, Langenau, Gr. Sukzin, Schönwarling (Scowarnik). Also das ganze Gebiet des heutigen Freistaates Danzig nördlich der eigentlichen Stadt, dazu einige Dörfer in anderen Gegenden des Freistaates. Noch weit mehr Ortschaften gehörten dem Kloster in Pommerellen, das heute zu Polen gehört. So hatte der Abt von Oliva bereits am Schluß der pommerellischen Zeit, also um die Wende des 13. Jahrhunderts, die Stellung eines bedeutenden Territorialherrn erlangt, welche er auch durch die folgenden Jahrhunderte behielt.

Oliva war die älteste und bedeutendste Klostergründung in diesen Landen, es war die erste planmäßige Anlage, auf die die deutsche Mission und Kolonisation im Weichsellande zurückzuführen ist. Von hier aus empfing auch der Siegeszug des Deutschtums im Osten einen weiteren, durch mehrere Jahrhunderte stets fortdauernden Anstoß.

[74=Foto] [75] Wenn wir heute Oliva und seine Umgebung vor uns liegen sehen wie ein verzaubertes Märchenland im Schatten prächtiger Wälder, umgeben von ausblickreichen Höhen, umrauscht von den nicht fernen Wogen des Meeres, eingebettet in eine reiche Landschaft, wenn wir seine herrliche Kathedrale, die ehemalige Klosterkirche schauen, deren nächste Umgebung wie ein Paradiesesgarten anmutet, so können wir nur mit inniger Dankbarkeit, mit Ergriffenheit und Verehrung der vergangenen Zeiten gedenken, in denen die arbeitsamen Hände jener klugen, auf allen Gebieten der Kultur erfahrenen, kunstsinnigen und kunstliebenden Zisterziensermönche diese Gegend in ihre heutige Schöne umgestalteten.

Alles ist erst durch die nimmermüden Hände und den stets regen Geist der Mönche, die ebenso gute Kolonisatoren, Künstler und Gelehrte wie eifrige Beter waren, geschaffen worden. Als die ersten Zisterziensermönche um das Jahr 1175 hier ankamen, war diese Gegend bis zur See hin eine Wildnis mit Wäldern, Sümpfen und Morästen, unwirtlich und mit Menschen spärlich bevölkert. Nichts war vorhanden, selbst den Platz für das Kloster mit dem ersten bescheidenen Holzkirchlein mußten sie sich in harter Arbeit selbst schaffen.

Oliva. Haupteingang zur Klosterkirche

[74]    Oliva. Haupteingang zur Klosterkirche
(erbaut 1224 - 1350).
Bete und arbeite! Das ist der Wahlspruch der Zisterziensermönche, deren Orden der hl. Norbert im Jahre 1098 in Citeaux (Südfrankreich) gegründet und der in ganz kurzer Zeit einen gewaltigen Aufschwung genommen hatte. Diesen Männern war Arbeit nicht bloßer Zwang, nicht bloße Diesseitskultur oder Broterwerb, ihnen war sie Gottesdienst wie Gebet und Hymnengesang.

Religiöse Beweggründe waren es, die diese Männer dem Orden zuführten, und Christianisierung war darum auch der Hauptgedanke, der sie antrieb, immer weiter in diese unwirtlichen Gegenden vorzudringen. Mit dem Zeichen des Kreuzes als Waffe kamen sie, pflanzten es am Ostseestrande auf und predigten der spärlichen slawischen Bevölkerung in der Gegend von Oliva, Danzig und den Weichsellanden. Von ihrer Gründung Oliva als dem belebenden Mittelpunkte aus verbreiteten sie christlichen Glauben und christliche Sitte, und wir müssen sie sogar als die eigentlichen Träger des Christentums bei uns bezeichnen. Zwar waren bei ihrer Ankunft die Lehren des christlichen Glaubens hier schon gepredigt worden, gewiß hatte das Christentum schon Anhänger in Pommerellen, zwar war der Pommerellenherzog selbst bereits Christ, aber das Christentum war wohl doch zumeist nur an der Oberfläche haften geblieben. Nun galt es, alle auch innerlich von ihm zu durchdringen, auch der [76] christlichen Sitte und Gesittung Eingang zu verschaffen, die noch in den Herzen wurzelnde heidnische Unsitte und Barbarei zu verbannen. Das ist den Olivaer Mönchen, soweit ihr Einfluß reichte, gelungen.

Daß im Olivaer Kloster auch Kunst und Wissenschaft eine Pflegestätte fanden, daß es auch nach dieser Richtung hin ein Zentralpunkt wurde, ist wie bei allen anderen Klöstern der damaligen Zeit eine Selbstverständlichkeit. Davon zeugt heute noch trotz allerschwerster Schicksalsschläge die altehrwürdige Klosterkirche, heute baulich die älteste Kirche des gesamten Weichselgaues, zeugt die einstige umfassende Bibliothek, die durch die Wirren der Zeit wiederholt schwer gelitten und deren Reste durch Unverstand bei der Säkularisation in alle Welt zerstreut wurden und infolgedessen zum Wesentlichen Teil verlorengegangen sind. Zwar stammen keine sonstigen Kunstschätze der Kirche aus älterer Zeit, aber dies ist nur zu erklärlich, da ja das Kloster sehr zahlreiche Stürme hat bestehen müssen, in denen nichts an seinem Orte blieb, was nicht niet- und nagelfest war. Ja, nicht einmal die Altäre ließ man an ihrem Platze. So soll der Schwedenkönig Gustav Adolf im schwedisch-polnischen Kriege (1599-1660), als er im Jahre 1626 mit seiner Flotte auf der Reede von Zoppot erschien und sein Schiffsvolk Oliva und die ganze Umgegend heimsuchte, sämtliche Glocken und sieben kostbare Altäre nach Schweden entführt haben. Und bereits vorher, im Jahre 1577, hatte Oliva einen Bildersturm der empörten Danziger zu bestehen, die den Abt Jeschke beschuldigten, mit dem polnischen Könige im Bunde zu stehen und sich nun an dem Kloster rächen wollten. Daß hier in Oliva eine Klosterschule unterhalten wurde, ist ebenso selbstverständlich, und wiederholt begegnen uns Olivaer Schüler auf den Universitäten. Das Kloster gründete sogar im Jahre 1676 eine eigene Druckerei, die achtzig Jahre hindurch bestanden hat, aus der auch eine ganze Anzahl Druckschriften hervorgegangen sind, bis die Druckerei dann den Jesuiten in Braunsberg (Ostpr.) um die Mitte des 18. Jahrhundert überlassen wurde. - Für die Kranken bestand ein Hospital, an das heute noch das Lazarushaus erinnert.

Hand in Hand mit der Christianisierung ging auch die Kolonisierung, die Urbarmachung unseres Landes und dessen Gewinnung für die Kultur. Auf diesem Gebiete haben die Mönche vielleicht das Großartigste geleistet, hier haben sie Taten vollbracht, vor denen wir heute noch staunend stehen, aus denen wir heute noch reichen Nutzen ziehen. Die religiösen Orden waren ja im Mittelalter im allgemeinen [77] nicht nur die Hauptträger des Christentums und der Wissenschaft, sondern der Kultur und Zivilisation überhaupt. Dies gilt für den Zisterzienserorden noch mehr als für jeden anderen Orden.

Die Zisterziensermönche liebten es, sich in Talniederungen und wasserreichen Gegenden anzusiedeln und von hier aus, allmählich fortschreitend, ihre Arbeit zu beginnen. Dies hatte in praktischen Gründen seine Ursache, denn sie benötigten für ihren Mühlenbetrieb und ihre Teichwirtschaft genügende Wassermengen. Sie zeigten zudem außerordentliches Geschick im Wasserbau, und sie verstanden es, ausgedehnte Landstriche dem nassen Element zu entreißen und der Kultur zuzuführen.

Bereits im deutschen Mutterlande hatten sie, meist in Verbindung mit vlämischen Bauern, Außerordentliches für die Urbarmachung von Wildnissen und Sumpfländereien geleistet. Innerhalb weniger Jahrzehnte verloren so unter ihrer Hand ganze Gegenden ihr unwirtliches Aussehen, ganze Wüstungen waren in ertragreiche Ländereien, saftige Wiesengründe und nutzbringende Waldungen umgeschaffen. Es sei, um nur ein Beispiel anzuführen, hingewiesen auf die Kulturarbeit der Zisterzienser des Klosters Leubus in Schlesien, wo sie in der verhältnismäßig kurzen Zeit von 1204-1239 ein Areal von 950 000 Morgen der Kolonisation erschlossen und nicht weniger als 65 Dörfer neu gründeten oder als deutsche Siedlungen ausbauten. So wurde auf Anlegung der Äbte von Walkenried zwischen Südharz und Kyffhäuser die "Goldene Au" geschaffen, deren Namen schon auf die erzielte Fruchtbarkeit hindeutet. In den Saaleniederungen bei Naumburg war vom Kloster Pforta aus ähnliches Kulturland gewonnen worden. Gleiches geschah nun in unserer Gegend von Oliva aus, wohin man auch die gleichen dort angewandten Grundsätze übertrug und unter Nutzbarmachung der gewonnenen Erfahrungen vorging.

Die Mönche veränderten das Gesicht der Landschaft vollständig. Aus dichten Wäldern und unwirtlichen Strecken machten sie fruchtbare Felder und prangende Wiesen; wo Sümpfe und Moräste sich einst befanden, dort zog bald der Pflug seine Furchen, und statt der dürren Schilfstengel wiegten sich goldene Ähren im Winde. Es galt für die Mönche, dem Walde Ackerland abzugewinnen, und so lichtete sich dieser nach und nach unter den wuchtigen Streichen. Noch viel mehr aber galt es, des Wassers und der Sümpfe Herr zu werden, um saftige Wiesen und fruchtbare Felder zu gewinnen. Die Mönche erreichten es. Sie waren außer- [78] ordentlich geschickte Wasserbauer und verstanden die Kunst der Entwässerung. Die aufgestauten Teiche
Oliva. Mühlenteich und Karlsberg.

[78]    Oliva. Mühlenteich und Karlsberg.
bevölkerten sie mit wohlschmeckenden Fischen aller Art, denn Fischzucht gehörte mit zu ihren Sonderaufgaben, die sich von selbst aus der Klosterregel ergab. Bald erhoben sich auch die Wohnstätten, und die Siedlungen dehnten sich aus. Die Wasserkräfte wurden nutzbar gemacht und Mühlen und Stahlhämmer angelegt. So gehen beispielsweise die heutigen Hämmer und Mühlen am Glettkaubach noch auf diese von den Mönchen geschaffenen Anlagen zurück.

In allen Zweigen der Landwirtschaft, der Viehzucht und der Forstwirtschaft waren die Mönche ebenso erfahren, überall auf ihren Gütern legten sie Musterwirtschaften an und zeigten, was und wie etwas aus der unwegsamen Wildnis, aus den Sümpfen zu machen war, wie der Boden reiche Frucht tragen konnte. Ein solches Mustergut war neben Oliva z. B. auch das im Danziger Werder gelegene Mönchengrebin, das inmitten des Sumpfes aus einer Sumpflandschaft geschaffen wurde. Staunend schauten die Einheimischen überall zu. So wurden die Mönche die Lehrmeister für die ansässige Bevölkerung, die an den eifrigen Kolonisten in der grauen Kutte ein lebendiges und nachahmenswertes Beispiel erfolgreicher Bodenkultur vor Augen hatte, das [79] Vertrauen zu den Mönchen, zu dem Boden und auch zur eigenen Arbeit weckte, das Ansporn gab zur Nacheiferung.

Bis vor nicht vielen Jahren hat man allgemein angenommen, daß es erst der Deutsche Ritterorden war, der das Gebiet der Sümpfe und Moräste im Werder in größerem Umfange einzudämmen und den Flüssen ihre festen Grenzen abzustecken begann. Das scheint nach den neuesten Forschungen, besonders Bertrams,11 nicht mehr haltbar zu sein, sondern die Anfänge der Dämme, wenn auch bei weitem nicht in der Größe und der Ausdehnung wie in der Ordenszeit, scheinen unbedingt bereits vor der Ankunft der Ritter vorhanden gewesen zu sein. Die Olivaer Zisterzienser waren volle 130 Jahre früher hier tätig als der Deutsche Ritterorden, und da sie überaus geschickt in der Kunst der Entwässerung waren, muß mit größter Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß diese Anfänge der Eindeichung des Landes, der sogenannte alte Damm, auf die Tätigkeit und die Initiative der Olivaer Mönche zurückgeht. Sie dämmten ihren eigenen Besitz im Werder ein und leiteten die einheimische Bevölkerung an, ein Gleiches mit ihrem Besitz im bescheidenen Umfange zu tun. Gern folgte diese ihren Weisungen und Ratschlägen, da sie ihren eigenen Nutzen sehr bald erkannte.

Es wirkte noch ein weiterer Umstand mit: Die Olivaer Zisterziensermönche standen mit den einheimischen Bewohnern auf durchaus gutem Fuße, da sie diese nicht durch ungestümes und unvorsichtiges Handeln reizten und abstießen. Sie unterdrückten sie nicht, wohl aber suchten sie sie durch berechtigtes Entgegenkommen zu gewinnen und an sich zu fesseln.

Zunächst bewirtschafteten die Mönche das eigene Klostergebiet selbst mit den angeworbenen Knechten und Tagelöhnern. Doch bald konnte dies bei der weiten Ausdehnung nicht mehr geschehen, und deswegen zogen sie immer mehr und mehr auch die Einheimischen heran, denen sie zahlreiche Rechte und Freiheiten gaben. Durch Darbietung günstiger Lebensbedingungen und durch freiheitliche Regelung der rechtlichen und sozialen Verhältnisse gelang es ihnen, die wirtschaftlich und kulturell tiefstehenden Einwohner emporzuführen.

Da aber unsere Gegend verhältnismäßig sehr spärlich bevölkert war, der Natur aber immer mehr anbaufähiger Boden abgerungen wurde, zogen die Mönche immer mehr Ansiedler aus der deutschen Heimat heran und machten sie hier seßhaft, besonders nachdem dem Orden im Jahre 1208 vom Ordenskapitel gestattet worden war, entferntere oder [80] weniger ertragreiche oder kultivierte Güter zu verpachten. Über See und zu Lande kamen die Deutschen nun in den Weichselgau. Eine Welle deutschen Bauerntums schob sich, zunächst unter Führung der Mönche, ostwärts vor. Und mit dem deutschen Bauern fand auch das deutsche Wirtschaftsrecht hier Verbreitung. Schon während des ersten Jahrhunderts seines Bestehens legte Oliva zahlreiche deutsche Bauerndörfer an in dem bewußten Streben, sein Landgebiet durch deutsche Ansiedler aus dem Zustande der Unkultur zu heben. Konsequent ging es auf diesem Wege weiter. Nur ein Beispiel: Im Jahre 1283 trat der Pommerellenherzog Mestwin II. das Land Mewe an den Deutschen Ritterorden ab und entschädigte gleichzeitig das Kloster Oliva, das dort Besitzungen hatte, für diesen Verlust durch Verleihung von fünfzehn "Dörfern", unter denen sich auf dem Gebiete des heutigen Freistaates Danzig Brodwin und Sopoth befanden. Beide Dörfer gehören zu dem Gebiete, aus dem sich die heutige Stadt Zoppot entwickelt hat, bestanden aber noch im 15. Jahrhundert getrennt und wurden erst im 16. Jahrhundert unter dem gemeinsamen Namen Zoppot zusammengefaßt. Auch in diesen beiden Dörfern siedelte Oliva unmittelbar nach der Besitzergreifung sofort deutsche Bauern an, und beide Orte erhielten sehr schnell deutschen Charakter. Dieser blieb auch unter der sogenannten polnischen Zeit, auch unter den polnischen Äbten, vollkommen erhalten, denn um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde Zoppot besonders der Sommeraufenthalt der reichen Danziger Kaufleute. Die Klostergüter in Zoppot wurden an diese Deutschen in Erbpacht gegeben, und so wurden fast alle Bauernhöfe mit Zustimmung der Olivaer Äbte von den deutschen Danziger Patriziern nach und nach erworben und in Land- und Lusthäuser umgewandelt.

Ähnlich war es mit den Gütern des Klosters in dem zwischen Oliva und Langfuhr gelegenen Pelonken. Auch hier gaben - in der polnischen Zeit - die Olivaer Äbte, die mit den Danziger Patriziern trotz der Verschiedenheit des Religionsbekenntnisses im allgemeinen gute Nachbarschaft und Freundschaft hielten, bereitwillig die sogenannten Pelonker Höfe in Erbpacht, und so erhoben sich hier, besonders vom Ende des 16. Jahrhunderts an, auf den der See zugekehrten Abhängen der Olivaer Höhen die prächtigen Sommersitze vornehmer Danziger Patrizier, wodurch auch in dieser Zeit eine Polonisierung dieses Gebietes gänzlich ausgeschlossen wurde.

Auf dem Klostergebiet ließen sich auch deutsche Handwerker nieder und gründeten hier Papier- und Pulvermühlen, [81] Eisen- und Kupferhämmer, in denen deutsche Werkmeister und Arbeiter tätig waren. Die deutschen Mönche von Oliva verfügten weiter über Handelsschiffe, mithin müssen ihre
Oliva. Chorabschluß der Klosterkirche.

[81]    Oliva. Chorabschluß der Klosterkirche.
Beauftragten - und auch die waren dem ganzen Charakter der Niederlassung entsprechend, ausschließlich Deutsche - von Danzig aus Handel getrieben haben. Ja, es ist nicht ganz ausgeschlossen, und manche Anzeichen deuten geradezu darauf hin,12 daß auch die Einrichtung der deutschen Marktsiedelung neben der Fischersiedelung auf dem Boden Danzigs, der späteren Rechtstadt Danzig, auf die Olivaer Mönche zurückzuführen ist. Zwischen dem Kloster Oliva [82] und mit der als Danzig bezeichneten Siedelung am Mottlauufer haben überhaupt bereits am Ende des 12. Jahrhunderte sehr enge Beziehungen bestanden,13 und Olivas Einfluß auf Danzig und seine Entwicklung ist vielleicht größer, als man bisher geahnt hat. Dies kommt auch in den ältesten Danziger Bauten, vor allem den der ältesten Kirchen, zum Ausdruck. Hier haben offenbar die Olivaer deutschen Zisterzienser nicht nur den ersten Anstoß zum Aufschwung der deutschen Siedlung gegeben, sondern auch ihre allgemeine und namentlich ihre bauliche Entwicklung beeinflußt. Dies ist um so eher zu vermuten, als ja dem Lande jede Tradition fehlte und somit für den Bau der Kirchen die Übernahme fertiger Baupläne nötig war. Danzigs älteste Kirche, die Katharinenkirche, erinnert mit ihrem Chorabschluß an Oliva, und der Grundriß beider Kirchen ist in ihrer sehr großen Ähnlichkeit unverkennbar. Ähnlich liegen die Dinge bei St. Marien und bei St. Peter und Paul, die ebenso wie St. Katharinen ursprünglich im basilikalen System erbaut waren.14

So wurde auf dem Gebiet Olivas im Laufe der Jahrhunderte die waffenlose Eroberung und friedliche Durchdringung des Landes eine vollendete Tatsache. Die einheimische Bevölkerung vermischte sich mit den deutschen Kolonisten, nahm deren höherstehende Kultur und Gesittung und natürlich auch die Sprache an und ging schließlich ganz in ihr auf. So hatte sich langsam aber sicher unter dem Krummstab des Abtes von Oliva die Kolonisierung und gleichzeitig die Germanisierung unserer Heimat vollzogen. Die Olivaer Siedlungspolitik ließ die schönsten Früchte deutscher Kultur in unseren Landen reifen.

So ist das Kloster Oliva nicht nur die Zelle, sondern auch der Bahnbrecher und Vorkämpfer des deutschen Gedankens bei uns geworden, mindestens soweit, wie der Einfluß des Klosters Oliva reichte. Und der war immerhin sehr bedeutend.

Die Mönche, die diese Siedelung gründeten, kamen aus dem Kloster Kolbatz, dem mächtigsten Vermittler deutscher Kultur in Hinterpommern. Ihm erstand in Oliva ein ebenbürtiges Tochterkloster. Kolbatz war ein deutsches Zisterzienserkloster, und gute und treudeutsche Herzen schlugen unter der grauen rauhen Kutte der Mönche, die in unsere Gegend kamen. Auch in der Folgezeit ergänzten sich die Insassen des Klosters größtenteils aus Deutschland. Es wurden lange Zeit hindurch nur Deutsche aufgenommen und das Kloster blieb viele Jahrhunderte lang stets in innigstem Konnex mit dem Mutterkloster und dem deutschen Hinterlande, aus dem es ungezählte Ansiedler in unser Land zog. [83] Auch seine Güter besetzte Oliva grundsätzlich nur mit deutschen Ansiedlern, ein Recht, das ihm mehrfach von den pommerellischen Landesfürsten bestätigt worden ist.

Auch während der Oberherrschaft der Könige von Polen (1454-1772) - wir greifen hier diesem Abschnitt vor, wie schon einmal, um nicht später nochmals auf Oliva zurückkommen zu müssen - sind sie ihrem Deutschtum im wesentlichen treu geblieben, trotz der polnischen Äbte, die ihnen zeitweilig aufgezwungen wurden, trotz des polnischen Druckes, der auf sie mitunter ausgeübt wurde. Denn der Petrikauer Reichstag von 1511 bestimmte auch, daß in Zukunft nicht ausschließlich Deutsche in die Klöster aufgenommen werden sollten, und die Bischöfe wurden angewiesen, die Privilegien der zu ihren Sprengeln gehörenden Klöster zu prüfen und, wenn nicht ganz ausdrücklich darin festgesetzt wäre, daß nur Deutsche aufgenommen werden dürften, dafür Sorge zu tragen, daß in Zukunft auch Polen zugelassen würden.

Das Kloster Oliva zählte auch damals nur deutsche Mönche zu seinen Insassen, und so blieb es in der Hauptsache auch später. Einen Hauptbeweis für diese Tatsache sehen wir in dem Beschluß des Generalkapitels der Zisterzienser vom 14. September 1487, der im folgenden Jahre nochmals bestätigt wurde. Damals nämlich wurde in Citeaux beschlossen, daß die Klöster Oliva und Pelplin, die ja 1454 unter die Herrschaft der polnischen Könige gekommen waren, wegen der größeren örtlichen Entfernung und wegen der Verschiedenheit der Sprache und Sitte zwischen den Polen und den Insassen dieser beiden Klöster nicht der Oberaufsicht und Visitation der polnischen Klöster unterworfen seien. Dieser Beschluß ist ausdrücklich gegen die polnischen Bestrebungen gefaßt worden. Denn bereits 1480 war Oliva von den polnischen Zisterziensern aufgefordert worden, fortan die Verbindung mit dem deutschen Kolbatz zu lösen, einen polnischen Visitator anzuerkennen und die studierenden Mönche nach Krakau zu entsenden. Dem Beispiele der polnischen Klöster war alsbald der Bischof von Kujawien (Leslau) gefolgt, zu dessen Sprengel Oliva gehörte. Dies jedoch widerstand mit aller Entschiedenheit und rief das Kapitel des Ordens gegen die polnischen Äbte, den Papst gegen den Bischof von Leslau an. Die Entscheidung des Generalkapitels war der eben mitgeteilte Beschluß, und auch der Papst entschied gegen den Bischof, der nun von seiner Forderung abstehen mußte. Auch dadurch ist der durch und durch unzweifelhaft deutsche Charakter des Klosters und seiner Insassen erwiesen.

[84] Erst im Jahre 1580 wurde Oliva mit den polnischen Klöstern in nähere Verbindung gebracht. Zum Teil war dies eine Folge der Wirren der Reformationszeit. Zudem hatte seit 1538 der König von Polen das Recht, die Äbte zu ernennen. Dazu kam, daß die preußischen Stände seit 1540 [auf] Säkularisation drängten und daß besonders in Bezug auf Oliva unter den mächtigen Danziger Patriziern sich die gleichen Gelüste regten, wodurch Oliva mitunter in eine recht bedrängte Lage kam. Aber auch nach dem Jahre 1580 waren die Mönche des Olivaer Klosters in der Mehrzahl Deutsche, wie aus den Namen und Heimatorten derselben zu ersehen ist. Auch die Bewohner der Klostergüter blieben, wie wir bereits an einigen Beispielen gezeigt haben, Deutsche, wenn auch im 18. Jahrhundert die Zoppoter Besitzungen unter polnische Herrschaft kamen. Auch Oliva selbst blieb die ganze Zeit hindurch deutsch. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, daß die im Jahre 1772, also am Schlusse der sogenannten polnischen Zeit, für den Ort Oliva aufgestellten Einwohnerlisten 484 Personen verzeichnen, von denen nicht weniger als 421 unzweifelhaft deutsche Namen tragen.15

Aber die Kolonisierung des Klostergebietes war im wesentlichen durchgeführt, schon als das Kloster unter die Herrschaft der polnischen Könige kam, so daß auch diese polnische Herrschaft und die teilweise Aufnahme polnischer Insassen des Klosters für den deutschen Charakter des Landes und seiner Bewohner ohne Bedeutung und ohne nachteiligen Einfluß blieb. Von polnischer Kultur ist auf dem Gebiete des Olivaer Klosterterritoriums nichts gewesen, und es konnte infolgedessen auch nichts von ihr bis in unsere heutige Zeit bleiben. Was geschaffen und was noch erhalten ist, ist ausschließlich deutsches Kulturgut. Es ist daher geradezu lächerlich und bewußt auf die Irreführung der in der Geschichte unserer Gegend nicht bewanderten Öffentlichkeit berechnet, wenn die Polen z. B. vor einiger Zeit eine Serie von Kunst- und auch von Ansichtskarten herausgegeben haben, die stolz den Titel trägt: "Denkmäler der polnischen Kultur in der Freien Stadt Danzig", und wenn hier als eines der vornehmsten dieser Denkmäler ausgerechnet die altehrwürdige Olivaer Klosterkirche erscheint. Schlimmer kann man die Geschichte wirklich nicht fälschen. Übrigens gilt dies von all diesen Ansichten "polnischer Kultur in Danzig", bei denen die Fälschungen teilweise sogar noch erschreckender sind.

Was von Oliva gesagt ist, gilt auch von den anderen Klöstern und namentlich, soweit ihr Besitz in das heutige [85] Danziger Territorium hineinreichte, was allerdings nur mit kleineren Teilen der Fall war. In diesem Sinne wirkte das im Jahre 1258 von demselben Orden gegründete Kloster Pelplin, das Benediktinerkloster zu St. Albrecht bei Danzig, die Nonnenklöster zu Zuckau und Sarnowitz in der Nähe von Putzig und die Johannitersiedlungen in Stargard und Liebschau, die teilweise auch Besitzungen im Territorium der heutigen Freien Stadt Danzig hatten.



3. Das Danzig der pommerellischen Herzöge

Oliva und seine Tätigkeit ist die eine Seite der Verbindung des Danziger Landes mit dem deutschen Volke seit der geschichtlichen Zeit. Aber nicht weniger bedeutend ist die andere, die uns mitten hineinführt in unser Danzig und seine Anfänge. Die pommerellischen Herzöge wußten nicht nur die deutschen Missionare zu schätzen und heranzuziehen, sie erkannten auch die Notwendigkeit und Bedeutung des Handels und jener Zweige der Betätigung, die mit ihm im Zusammenhang stehen. Sie hatten die Tatkraft und Entschlossenheit der deutschen Kaufleute und Gewerbetreibenden erkannt, sie wollten ihre Kultur und Wirksamkeit auch ihrem Lande nutzbar machen, und so zogen sie sie heran. Swantopolk bediente sich der deutschen Kaufleute, der werktätigen Bürger, um mit ihrer Hilfe den in Pommerellen noch schwach entwickelten auswärtigen Handel und das Gewerbe zu heben. Auf die Einwanderung von deutschen Edelleuten scheint er dagegen kein Gewicht gelegt zu haben.

Die Gründungsurkunde des Klosters Oliva vom 18. März 1178 ist zugleich auch der früheste urkundliche Beleg für das Vorhandensein einer Burg in Danzig. Über die Herkunft des Namens Danzig selbst ist viel geschrieben und gestritten worden.16 Wir wollen hier darauf nicht näher eingehen, möchten nur bemerken, daß er höchstwahrscheinlich gleichfalls germanischen Ursprungs ist, und daß die spätere slawische Bevölkerung ihn von den Resten der bei der Auswanderung wohl zurückgebliebenen germanischen Urbevölkerung übernommen hat. Wir pflichten auch der Auffassung Keysers17 bei, daß diese Bezeichnung nicht eine Orts-, sondern eine Gaubezeichnung gewesen ist, daß sie für den Gaubezirk Danzig galt, in dem der Pommerellenherzog auf seiner Burg seinen Sitz hatte. Diese lag auf dem linken Mottlauufer, dort, wo der Fluß unterhalb der Rechtstadt eine scharfe Biegung von Norden nach Osten macht und wo sich heute die Radaune in die Mottlau "Am brausenden [86] Wasser" ergießt. Hier erhob sich inmitten einer sumpfigen Niederung ein schmaler, sandiger Rücken, der zum weiteren Schutz noch mit Wall- und Pfahlwerk umgeben gewesen sein mag. Innerhalb dieser Umfriedung befanden sich die Gebäude der Burg, über die sich nichts Näheres mehr sagen läßt. Nachweisbar haben hier die pommerellischen Herzöge des Danziger Gebietes während des ganzen 13. Jahrhunderts ihren Wohnsitz gehabt.18

Im Westen von der Burg war längs der Mottlau das slawische Fischerdorf vorgelagert, für das der Name Danzig selbst nirgends bezeugt ist. Wie weit diese Siedlung zurückreicht, hat sich bisher nicht bestimmen lassen. Diese kleine slawische Ansiedlung bestand auch nicht, wie sich aus unseren früheren Ausführungen ergibt, aus Polen, sondern aus Kaschuben (Pommeranen) und zum Teil sogar aus Preußen. Diese pommerellisch-preußische Siedlung ist noch, getrennt vom eigentlichen Danzig, im 14. Jahrhundert nachweisbar. Sie lag auf dem sogenannten Hakelwerk. Keyser19 vermutet, daß ihr ursprünglicher Name Rambowo gewesen sein könnte, doch steht diese Frage noch vollkommen offen. Urkundlich ist über diese Fischersiedlung aus älterer Zeit nichts bekannt, und auch die vorgeschichtliche Forschung hat auf dem Boden des ältesten Danzig - wenn wir diesen Namen auch für die slawische Siedlung gebrauchen dürfen - bisher noch keine Funde zutage gefördert, die über ihr Alter Auskunft geben könnten.20 Der früheste urkundliche Hinweis auf sie ist in der Bulle des Papstes Eugen III. vom Jahre 1148 enthalten, in der er dem Bischof von Leslau Abgaben von dem dort befindlichen Fischfang zuerkennt. Erst aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gewinnen wir aus den urkundlichen Quellen einen gewissen Aufschluß, und zwar bezeugen zwei Urkunden aus den Jahren 1271 und 1301 die preußische und pommerellische Herkunft der Bewohner im Gegensatz zur Bevölkerung der benachbarten, damals schon vorhandenen deutschen Stadtgemeinde Danzig.21

Die erwähnte Urkunde für Oliva vom Jahre 1178 enthält auch den geschichtlich ersten Hinweis auf den an der Weichselmündung damals schon unzweifelhaft bestehenden Handelsverkehr. Es heißt in der Urkunde: "Wir befreien auch ihre (des Klosters Oliva) Leute von jeder Abgabe und Dienstleistung mit Ausnahme der Pflicht zur Wiederherstellung der Burg und Brücke in Danzig. Ferner übertragen Wir ihnen den Zehnten von allen Marktbuden der vorgenannten Burg, den Zehnten des Zolles... Ihre Schiffe und Waren befreien Wir auch vom Zoll durch Unser Gebiet". [87] Brücke - unter der ein Bollwerk am Mottlauufer entsprechend unserer heutigen "Langen Brücke" zu verstehen ist - und Zoll deuten unzweifelhaft auf überseeischen Handel hin. Während es dahingestellt bleiben muß, in wessen Hand der Binnenhandel gelegen hat, muß dieser Außenhandel ganz zweifellos den deutschen Kaufleuten zugeschrieben werden, die am Ende des 12. Jahrhunderts von Lübeck aus an der Küste der Ostsee entlang bis hinauf zum Baltenlande zu fahren pflegten; wurde doch von ihnen bereits 1201 Riga gegründet. Sie waren in der Beherrschung der Ostseefahrt die Nachfolger der Dänen geworden und verfolgten die gleichen Bahnen, auf denen schon im 9. christlichen Jahrhundert der Seefahrer Wulfstan gen Osten gelangt war. Die angeführten Urkunden weisen somit darauf hin, daß schon zu dieser Zeit in Danzig eine Handelsniederlassung bestanden hat, und zwar eine Handelsniederlassung deutscher, vornehmlich wohl Lübecker Kaufleute, die getrennt lag von der slawischen Siedlung und sich auf dem Gebiete der späteren Rechtstadt, wohl in der Gegend des "Langen Marktes", befunden hat. Sie ist der Kern für die Entwicklung der späteren Stadt Danzig geworden, und die urkundlichen Quellen aus dieser Zeit zeigen, daß zwischen ihr und dem Kloster Oliva die denkbar engsten Beziehungen unterhalten wurden.

Wann diese Siedlung entstanden ist, welchen Umfang sie um diese Zeit gehabt hat, läßt sich nicht nachweisen. Unzweifelhaft aber ist, daß sie im Jahre 1178 vorhanden war. Ihre Entstehung dürfte in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts anzusetzen sein. Es ist an anderer Stelle schon die Vermutung ausgesprochen, daß die Mönche von Oliva an dieser Entstehung zumindest an der ältesten Entwicklung nicht unwesentlich beteiligt sein dürften, so daß auch diese Marktsiedlung mehr oder weniger als eine Gründung des deutschen Oliva zu betrachten ist.22

Mögen diese Dinge nun liegen wie sie wollen, mögen die Olivaer Mönche oder die Lübecker Kaufleute oder die pommerellischen Herzöge den größeren Anteil an der Gründung dieser Marktsiedlung gehabt haben, entscheidend ist, daß sie deutsch, und zwar ausschließlich deutsch war. Daran ist nach den vorliegenden Beweisstücken nicht im mindesten zu zweifeln. Niemand anders als der Pommerellenherzog Mestwin II. selbst bezeugt es. Als er nämlich im Jahre 1271 Burg und Stadt Danzig den Markgrafen von Brandenburg anbietet, fordert er sie auf, zu kommen zu ihrem Nutzen und zum Nutzen der "treuen deutschen Bürger der Stadt Danzig", sowie der Preußen und gewisser dem Herzog be- [88] sonders treuer Pommeranen.23 Diese Urkunde zeigt deutlich die Gegenüberstellung einer deutschen Stadt und der nicht als Stadt bezeichneten preußisch-pommerellischen Ansiedlung. Die gleiche Tatsache ergibt sich noch aus einer Reihe anderer Umstände, auf die wir später noch hinweisen werden.

An dem Handel in Danzig waren vor allem Lübecker Kaufleute beteiligt, die darum auch hier in Danzig gewisse Vorrechte genossen. Schon zu Anfang seiner Regierung sicherte Herzog Swantopolk ihnen gegen eine geringe Abgabe Sicherheit vor dem bis dahin geübten harten Strandrecht im Falle des Schiffbruchs und Hilfe, falls ein Schiff im Hafen auf Grund stoßen sollte, zu.24 Ebenso wird die Höhe der Hafengebühren für sie gesondert festgesetzt. Bald setzten die Lübecker Kaufleute es dann durch, daß Swantopolk für sie das Strandrecht überhaupt aufhob und ihnen ohne jede Abgabe Freiheit an Leben und Gut beim Schiffbruch zusicherte.25 Gleichzeitig setzte er für sie den Zoll herab, der von nun an auch nicht mehr in Waren, sondern in Geld erlegt wurde.

Dies alles zeugt von der Bedeutung, die der Pommerellenherzog der Tätigkeit der Lübecker Kaufleute beimaß, zeugt von dem großen Einfluß der Lübecker in der jungen Siedlung. Diese rege Verbindung ergibt sich auch daraus, daß schon im Jahre 1259 ein Danziger als Bürger in Lübeck aufgenommen wird.26 Auch in Elbing wurden 1262 zwei aus Danzig stammende deutsche Bürger Mitglieder des dortigen Rates,27 in Kolberg findet sich 1266 ein Johann von Danzig in der gleichen Stellung.28 Das alles deutet sicher darauf hin, daß ein recht reger Verkehr geherrscht und daß die Stadt schon eine gewisse Ausdehnung erreicht haben muß.

Herzog Wratislaw von Pommerellen trat in der Handelspolitik in die Fußtapfen seines Vaters Mestwin (gest. 1266), indem er sich um die weitere Aufwärtsentwicklung des Handels mit Lübeck bemühte. Er bestätigte dessen Bürgern alle ihnen durch seinen Vater zugestandenen Rechte und gewährte ihnen zudem völlig freien Handelsverkehr in seinem Lande.29 Aber er verlangte auch für seine Danziger Untertanen die gleichen Rechte in Lübeck. Wir erkennen daraus, daß nicht nur Lübecker Kaufleute nach Danzig handelten, sondern daß auch umgekehrt schon der Danziger Handel nach Lübeck recht rege gewesen sein muß. Ähnlich rege war um diese Zeit auch die Handelsverbindung mit den anderen deutschen Städten der Ostseeküste.

[89] Welchen Umfang diese deutsche Siedlung Danzig gehabt hat, vermögen wir nicht zu sagen, da jedes urkundliche Material fehlt. Immerhin muß der rege Verkehr eine recht beträchtliche Anzahl deutscher Kaufleute, Gewerbetreibender und Handwerker veranlaßt haben, sich in Danzig niederzulassen, so daß die Siedlung immer mehr emporblühte, was den tatkräftigen und unternehmungslustigen Fürsten Swantopolk von Pommerellen veranlaßte, bald nach seinem im Jahre 1220 erfolgten Regierungsantritt die Umwandlung dieser deutschen Marktgemeinde in eine Stadtgemeinde in Aussicht zu nehmen, welchen Plan er auch um 1234 ausführte. Auch da ist wieder charakteristisch, daß der Stadt deutsches Recht verliehen wird. In einer Urkunde des Herzogs für das Kloster Oliva30 äußert er noch vor Erhebung Danzigs zur Stadtgemeinde ausdrücklich die Absicht, der zu gründenden Stadt das ius theutonicum, das deutsche Recht, zu verleihen. Das "deutsche Recht" war nicht "slawisches Recht", Mestwin II. stellt das ius Polonicum dem ius Theutonicum mehrfach ausdrücklich gegenüber.31 Dem Polnischen Recht, das durch eine Fülle von Abgaben an den Landesherrn gekennzeichnet war, war gleichwertig das ius Pomeranicum, das Pommerellische Recht, von dessen Geltung Herzog Sambor II. die in den Dörfern Polenczin und Brutnino angesiedelten Deutschen ausdrücklich befreite.32 Mestwin II. unterschied das ius Pomeranicum sive Slavicum von dem ius Theutonicum.33 Auch sonst werden beide Rechte streng voneinander gesondert. Die Verleihung des deutschen Rechtes bedeutet die Aussonderung der betreffenden Siedlung von dem Geltungsbereich des slawischen, polnischen oder pommerellischen Rechtes, d. h. die Befreiung von einer Unzahl von Leistungen und Abgaben, die mit diesen Rechten verbunden waren. Es kann bei dem Mangel an Urkunden nicht festgestellt werden, mit welcher Art des deutschen Rechtes Danzig begabt worden ist, ob mit dem Magdeburgischen oder dem Lübischen. Aber bei dem lebhaften Verkehr Danzigs mit Lübeck liegt die Vermutung nahe, daß es auch das in Stettin geltende Lübische Recht war, mit dem es ausgestattet wurde, dessen Praxis sich wohl auch schon mehr und mehr eingebürgert hatte. Auf diesen Umstand weist wohl auch die Tatsache hin, daß sich der Herzog Swantopolk und die Bürger von Danzig 1263 an Lübeck wenden mit der Bitte, ihnen eine Abschrift des der Stadt Lübeck von Heinrich dem Löwen verliehenen Rechtes zu schicken. Die Lübecker kommen34 dieser Bitte nach und lassen ihr Stadtrecht, die iustitia civitatis Lubycensis, für Danzig aufzeichnen.35 Dies Lübische Stadtrecht nun ist [90] ein ausgesprochen deutsches, auf Soest in Westfalen zurückgehendes Recht und zeigt, daß Danzig vom ersten Augenblick seines Bestehens an eine deutsche Stadt war.

Was die Größe der Stadt angeht, so berechnet Keyser,36 die Zahl der Bevölkerung Ende des 13. Jahrhunderts auf nicht mehr als 1500-2000. Alle Namen, die uns aus dieser Zeit irgendwie begegnen, sind deutsch. Woher die Einwanderung im einzelnen erfolgt ist, läßt sich bei dem Mangel an Quellen nicht feststellen, doch dürfen wir nach den vorhin gemachten Ausführungen mit Bestimmtheit annehmen, daß sie in der Hauptsache aus Lübeck und dessen Umgegend und aus den Gebieten an der südlichen Ostseeküste stammten, durch die ja auch schon damals eine Handelsstraße nach Danzig führte. Das schließt natürlich nicht aus, daß Neubürger auch aus anderen deutschen Gegenden sich hier ansässig machten. Jedenfalls deutet alles darauf hin, daß die Siedler Niederdeutsche waren, worauf auch folgender Umstand hinweist: Deutsche Bewohner niederdeutscher Heimat müssen in dieser Zeit schon auf der Nehrung gesessen haben, denn sonst könnte es in einer Urkunde Mestwins vom Jahre 1292 nicht heißen:37 "Der Ort heißt slawisch woyces, deutsch negen water, gelegen zwischen dem Orte, der slawisch zevantzosna, deutsch negen vichten genannt wird, und einem anderen Ort, der Worla heißt". Die hier gebrauchten Worte "negen vichten" und "negen water" sind unzweifelhaft niederdeutsch und weisen auf niederdeutsche Besiedlung hin.



Fassen wir die Ergebnisse zusammen, so können wir feststellen, daß um die Wende des 13. Jahrhunderts von irgendwelchem nennbarem Einfluß des slawischen Elements auf den Besitzungen des Klosters Oliva nicht die Rede sein kann, daß hier vielmehr deutscher Geist, deutsche Kultur und deutsche Menschen neues Leben emporsprießen ließen, und daß neben der kleinen slawischen Siedlung sich eine junge, schnell emporblühende deutsche Kaufmannssiedlung erhob, die das Fischerdorf sehr schnell überflügelt hatte und mit Stadtrecht ausgestattet wurde. Beide Siedlungen, Oliva und Danzig, standen in innigem Verhältnis zueinander, und beide pflegten regen Verkehr mit dem deutschen Mutterlande, aus dem unablässig deutsche Kaufleute, deutsche Gewerbetreibende und Handwerker, deutsche Bauern, und auch die Träger der geistigen Kultur und des Christentums, deutsche Mönche und Geistliche hierher strömten, so daß bereits am [91] Schluß der pommerellischen Periode der Stadt Danzig und der gekennzeichneten näheren Umgebung vollkommen der deutsche Stempel aufgedrückt, daß alles durch die Deutschen geschaffen war. Das Gebiet selbst steht unabhängig da, die pommerellischen Herzöge wahren im allgemeinen ihre Freiheit und Selbständigkeit auch gegenüber verschiedenen polnischen Versuchen, sie in ihre Botmäßigkeit zu bringen, sie erblicken in den Polen zeitweise ihre größten und gefährlichsten Feinde, die die junge, hier aufsteigende deutsche Kultur bedrohen. Von einer irgendwie gearteten kulturellen oder zivilisatorischen Arbeit seitens Polens in unseren Gebieten oder für sie ist mit keiner Andeutung etwas wahrzunehmen. Was entstanden ist, ist durch deutschen Geist und durch deutsche Menschen geschaffen. Die Deutschen besitzen schon jetzt hier Heimatrecht im besten und edelsten Sinne des Wortes.

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1Vergl. Lorentz, Geschichte der Kaschuben S. 12 f. ...zurück...

2Die Entstehung Danzigs, S. 9 ff. ...zurück...

3Urkunde vom April 1224. ...zurück...

4Geschichte der Kassuben, S. 9 ff., und S. 44 ff.; - Lorentz, "Sprache und Volkstum der Kaschuben." In: Keyser, Der Kampf um die Weichsel, S. 55-68. ...zurück...

5Das Verhältnis der Deutschen, Polen und Kaschuben, S.  24 ff. ...zurück...

6Vergl. Lorentz, Geschichte der Kaschuben, S. 46. ...zurück...

7"Sprache und Volkstum der Kaschuben." In: Keyser, Der Kampf um die Weichsel, S. 65. ...zurück...

8Das Verhältnis der Deutschen, Polen und Kaschuben, S. 24 ff. ...zurück...

9Hampe, Der Zug nach dem Osten, S. 35. ...zurück...

10Abgedruckt in lateinischem Text und deutscher Übersetzung in: 750 Jahre Oliva, S. 8 ff. ...zurück...

11Die Entstehung des Deich- und Entwässerungswesens. ...zurück...

12Vergl. Keyser, Die Stadt Danzig, S. 53 f. ...zurück...

13Vergl. Keyser, Die Entstehung, S. 6. ...zurück...

14Vergl. Fritz, Die Kirche St. Katharinen zu Danzig, S. 50 ff. ...zurück...

15Vergl. Kaufmann, Das deutsche Westpreußen, S. 7. ...zurück...

16Vergl. Keyser, Die Stadt Danzig, S. 36 ff.; - Lorentz, Der Name Danzigs. ...zurück...

17Die Entstehung Danzigs, S. 12 ff. ...zurück...

18Vergl. Näheres Keyser, Die Danziger Burg, S. 217 ff. ...zurück...

19Die Entstehung Danzigs, S. 48. ...zurück...

20Vergl. Keyser, Die Entstehung, S. 37 ff. ...zurück...

21Vergl. Simson, Geschichte der Stadt Danzig, Bd. IV Nr. 38 und 59. ...zurück...

22Vergl. Keyser, Die Entstehung, S. 29 f. ...zurück...

23Vergl. Simson, Geschichte der Stadt Danzig, Bd. IV Nr. 38. ...zurück...

24Ebendas, Nr. 9. ...zurück...

25Ebendas, Nr. 22. ...zurück...

26Ebendas, Nr. 29. ...zurück...

27Ebendas, Nr. 30. ...zurück...

28Ebendas, Nr. 35 und 36. ...zurück...

29Ebendas, Nr. 36 und 37. ...zurück...

30Vergl. Perlbach, Urkundenbuch Nr. 52. ...zurück...

31Ebendas, Nr. 317 und 469. ...zurück...

32Ebendas, Nr. 162. ...zurück...

33Ebendas, Nr. 466 und 505. ...zurück...

34Ebendas, Nr. 204. ...zurück...

35Nähere Einzelheiten des der Stadt verliehenen Rechtes vergl. Keyser, Die Entstehung, S. 69 ff. ...zurück...

36Die Bevölkerung Danzigs im 13. und 14. Jahrh., S. 9. ...zurück...

37Dictus est locus Slavize woyces, Theutonice enge water, sintus inter locum zevantzosna Slivize. Theutonice vero dictum negen vichten et locum alterum, qui Worla nuncupatur. ...zurück...

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4000 Jahre bezeugen Danzigs Deutschtum
Geschichte der ethnographischen, geschichtlichen, kulturellen, geistigen und künstlerischen
Verbundenheit Danzigs mit Deutschland von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart.

Franz Steffen