Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung,
Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des
Heeres
Kapitel 9: Das
Militärveterinärwesen
(Forts.)
Stabsveterinär Dr. Kurt Schulze und
Oberstabsveterinär Dr. Wilhelm Otto
7. Die Veterinärausrüstung des
Heeres, ihre Vervollkommnung und Beschaffung im
Kriege.
Es zeigte sich im Kriege bald, daß das Veterinärgerät weder in
bezug auf Menge noch in bezug auf Ausrüstung den alle Voraussicht
übersteigenden Anforderungen genügte. Es mußten daher
umfangreiche Neuausrüstungen geschaffen werden. Der laufende Bedarf
des Feldheeres an der gesamten Veterinärausrüstung wurde
bestimmungsgemäß durch die Etappensanitätsdepots gedeckt,
die ihre Bestände aus den Sammelsanitätsdepots auffüllten.
Neuformationen wurden im Inlande durch die
Train- und Artilleriedepots mit dem planmäßigen
Veterinärgerät ausgerüstet. Diese dezentralisierende
Beschaffung erwies sich bald als den praktischen Bedürfnissen nicht
Rechnung tragend, da sowohl in den Train- und Artilleriedepots wie in den
Sanitätsdepots Fachleute, Veterinäroffiziere, fehlten. Daher litt die
Beschaffung unter dem Mangel an Sachverständnis, sowohl seitens der
angegebenen Dienststellen als auch seitens der Lieferer, da sich im Frieden
eigentlich nur eine Firma - H. Hauptner in
Berlin - speziell mit der Herstellung von Veterinärinstrumenten
befaßt hatte. Zahlreiche für die Veterinärmedizin wenig
brauchbare und unbrauchbare Veterinärgeräte wurden daher
beschafft. Diese Übelstände veranlaßten das
Kriegsministerium im Mai 1915 zur Zentralisation der Beschaffung des
Veterinärgeräts bei der Militärveterinärakademie. Diese
Maßnahme hat sich ausgezeichnet bewährt.
[597] Wegen der inzwischen
erwiesenen Unzulänglichkeit des Veterinärgeräts, besonders
für Vormärsche, wurden im Mai 1915 für die Kavallerie auf
Packpferde zu schnallende Veterinärpacktaschen beschafft, deren Inhalt
dem Veterinär eine Behandlung der erkrankten und verwundeten Pferde
sicherte. Aber auch für die anderen Truppenteile ergab sich die
Notwendigkeit, Vorräte an Arzneien, Verbandmitteln, Instrumenten
mitzuführen. Im September 1915 trat daher zum Stabe jedes
Generalkommandos, jeder selbständigen
Infanterie- und Kavalleriedivision, zunächst nur des östlichen
Kriegsschauplatzes, ein Veterinär-Vorratswagen; später, als sich die
Brauchbarkeit dieser Einrichtung erwiesen hatte, wurden sämtliche
Divisionsstäbe (Divisionsveterinäre) damit ausgerüstet. Im
Mai 1916 wurden dann alle Pferdelazarette mit einem
Veterinärmittelwagen und einem umfangreichen, auf alle
Verhältnisse eingestellten Operationsbesteck ausgestattet. Die weiteren
Kriegserfahrungen führten ferner zur Einführung eines leichten
Kavallerie-Eskadronschmiedewagens mit dem nötigen
Hufbeschlaggerät, Hufeisen, Stollen, Kohlen, Feldschmiede usw.,
der überallhin folgen konnte.
Als dann im späteren Verlauf des Krieges Ochsenkolonnen aufgestellt
wurden, wurde zur Behandlung der Ochsen ein besonderer Arzneikasten
zusammengestellt. Die Einführung der Neukonstruktionen erfolgte anfangs
zu Versuchszwecken in beschränktem Umfange. Denn die
Veterinärmedizin arbeitete bezüglich der Ausrüstung auf
vollkommenem Neuland, da aus keinem der bisherigen Kriege brauchbare
Unterlagen niedergelegt waren.
Die Bekämpfung der Pferderäude bedingte im Jahre 1916 die
Beschaffung sehr großer Mengen von Schermaschinen und
Handpferdescheren, da zur rationellen Behandlung die Schur gehört. Auch
hier handelte es sich um ein Gerät, das nur wenig am Markte war. Dasselbe
gilt für die in gewaltigen Mengen benötigten Desinfektionsapparate
zur Desinfektion der - besonders mit
Räude - verseuchten Stallungen. Durch Anspannung aller
Kräfte gelang es der Firma Hauptner in Berlin, unter Ausnutzung ihrer auf
den Export eingestellten großen Lager, den plötzlich ins
Ungemessene gehenden Anforderungen nachzukommen.
Durch Einrichtung den Etappensanitätsdepots angegliederter
Reparaturwerkstätten für die Schermaschinen,
Instrumente usw. wurde die Ausnutzung des Materials gesichert.
Daß die Aufstellung der zur Bekämpfung der Rotzkrankheit
dienenden fahrbaren und feststehenden
Rotz-Blutuntersuchungsstellen eine gewaltige Arbeit erforderte, ist schon bei dem
Kapitel Seuchenbekämpfung
erörtert. Die Spezialfirma Lautenschläger, Berlin, hat sich um die
rechtzeitige Lieferung der umfangreichen Laboratoriumsgegenstände
verdient gemacht.
Auch an dem bei Beginn des Krieges schon vorhanden gewesenen
Veterinärgerät hatten sich Mängel befunden, so daß
Um- und Neukonstruktionen der [598]
Pferdearzneikästen, Verband- und Satteltaschen vorgenommen werden
mußten. Hinzu trat zur Veterinärausrüstung ein für den
persönlichen Fachbedarf des Veterinäroffiziers hergerichteter
Veterinärkoffer. Die mit den neukonstruierten Modellen gemachten
Erfahrungen konnten leider nicht vollständig abgeschlossen werden.
Da, wie oben schon ausgeführt, mit der Länge des Krieges
naturgemäß auch die Seuchen bei allen Haustieren zunahmen,
steigerte sich der Bedarf an Tierimpfstoffen zur Heilung oder zum Schutze von
Tierseuchen dauernd und gewaltig. Um mit den knapp gewordenen Impfstoffen
hauszuhalten, wurde die Veterinärakademie mit der einheitlichen
Beschaffung und Verteilung sämtlicher für die Heeresverwaltung
erforderlichen Tierimpfstoffe Anfang März 1916 beauftragt. Die
Veterinärakademie hatte große Schwierigkeiten, ihren Bedarf zu
decken, da es für die Herstellung der Sera nur eine geringe Anzahl
Seruminstitute gibt. Allein im Laufe des Jahres 1916 sind rund
1 500 000 ccm Rotlaufserum und 100 000 ccm
Rotlaufkulturen ausgegeben worden.
Die anderen Impfstoffe (z. B. gegen Schweineseuche, Schweinepest, Milzbrand,
Petechialfieber, Druse, Geflügelcholera usw.) traten bezüglich
der verbrauchten Mengen erheblich hinter den Rotlaufimpfstoffen zurück.
Um ein einheitliches und voll brauchbares Malleïn zu haben, wurde die
Veterinärakademie schon im September 1914 beauftragt, Malleïn
selbst in ihrem Laboratorium herzustellen.
Seitdem 1912 die souveräne Wirkung des Neosalvarsans auf den Verlauf
der Brustseuche der Pferde festgestellt war, hatte die bis dahin gefürchtete
Seuche ihre Gefahr verloren. Es waren schon im Frieden Preisabmachungen mit
der dieses Mittel allein herstellenden Firma, den Höchster Farbwerken,
getroffen worden. Für etwa fünf Millionen Mark Neosalvarsan ist
während des Krieges beschafft worden.
Die starke Ausbreitung der Räude Ende 1915 machte die einheitliche
Beschaffung eines in großen Mengen vorhandenen Räudemittels
nötig, da die sonst gebräuchlichen und bekannten Heilmittel
(z. B. Fette, Glyzerin, Öle, Schwefel, Kreolin, Spiritus) nicht mehr
zu haben waren. Auf Grund praktischer Erfahrungen in der
österreichisch-ungarischen Armee wurde vom Kriegsministerium
"galizisches Boryslavöl" aus Österreich eingeführt. Dieses
Mittel hat dem deutschen Heere aus großer Verlegenheit geholfen, wenn es
auch kein ideales Heilmittel war. Außerdem stellte die
Olex-Petroleumgesellschaft zu dem gleichen Zweck ein in der Zusammensetzung
dem Boryslavöl ähnliches Mineralöl her. Daß die
Beschaffung von Petroleum, das sich später als das damals beste
Räudemittel herausstellte, auf fast unüberwindliche Schwierigkeiten
stieß, braucht wohl bei dem im Kriege herrschenden Mangel an
Beleuchtungsmitteln kaum näher erörtert zu werden.
[599] 8. Beschaffung der
Hufbeschlagmaterialien.
Die Durchschnittstragezeit eines Hufeisens betrug im Frieden etwa vier Wochen.
Für die Etatsstärke des deutschen Friedensheeres an Pferden
(160 092 Stück) stellte sich somit der monatliche Bedarf an Hufeisen
im Frieden auf etwa
160 092 x 4 = 640 368 Stück. Die
planmäßige Kriegsstärke an Pferden betrug rund
880 000; nimmt man die Tragezeit der Hufeisen mit Rücksicht auf
die stark erhöhte Beanspruchung auf etwa 14 Tage an, so ergibt sich ein
Monatsbedarf von
880 000 x 8 = 7 040 000
Stück. Die Kriegsstärke an Pferden stieg bald auf
1 000 000 und bis April 1915 auf etwa 1 270 000
Pferde. Es mußte danach mit einem Hufeisenbedarf von rund
8 000 000 - 10 000 000 Stück und
mit den entsprechenden Zahlen an Hufnägeln, Schraubstollen und
Strohsohlenhaltern monatlich gerechnet werden. Dazu kamen noch große
Anforderungen der Türkei an Hufeisen und Hufnägeln.
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Zur Deckung des ersten Kriegsbedarfs waren bestimmungsgemäß
für jedes Pferd der Feld-, Reserve-, Ersatz- und Landwehrtruppen sowie der
planmäßigen Neuformationen vier Paar Hufeisen mit der
entsprechenden Anzahl von Hufnägeln und Schraubstollen vorrätig
zu halten. Den weiteren Bedarf der Feldtruppen sollten für die Reitpferde
der Kavallerie die Ersatztruppen in den eigenen Schmieden herstellen und
nachschieben. Für den Nachschub der Hufeisen usw. aller
übrigen Formationen sowie für die Zugpferde der Kavallerie hatten
die Artillerie- und Traindepots zu sorgen.
Durch den schnellen Vormarsch war der Verbrauch der Hufeisen
ungewöhnlich groß. Hinzu kamen die gewaltigen Anforderungen
für die vielen überplanmäßig aufgestellten
Neuformationen. Daher wurden die Ersatzeskadrons angewiesen, Zivilschmiede
heranzuziehen, ferner auch alle anderen erreichbaren Quellen für
Beschaffung von Hufeisen auszunutzen. Sie wurden außerdem
ermächtigt, Maschinenhufeisen bei Privatfirmen sicherzustellen. Sechs
Wochen nach Ausbruch des Krieges war aber der Hufeisenmangel so bedenklich,
daß die weitere Gefechtstätigkeit der Truppe in Frage gestellt war.
Auch die Vorräte an Schraubstollen schmolzen bei Beginn der kalten
Jahreszeit so erheblich zusammen, daß auch
H-Stollen neben den vorschriftsmäßigen Meißelstollen
nachgeschoben werden mußten. Die
H-Stollen haben sich im übrigen, von Sonderfällen abgesehen, den
Meißelstollen gegenüber als gleichwertig und besser
erwiesen. - Zum Teil war der Mangel an Hufeisenbeschlagmaterial auf die
allgemein unzulängliche Nachschuborganisation
zurückzuführen. Die Hufeisensendungen erreichten die Truppe
infolge der häufigen Verschiebungen nicht.
Das Kriegsministerium erteilte nun an eine Reihe bekannter Firmen
Aufträge auf Hufeisen. Von den Fabriken konnten vielfach nur halbfertige
Hufeisen geliefert werden, die erst gebrauchsfertig gemacht werden mußten.
Zu diesem Zweck wurden die Militärlehrschmieden in Berlin,
Königsberg, Breslau und [600]
Frankfurt a. M. wieder in Betrieb gesetzt. Zum gleichen Zweck
wurden Abkommen mit den Zentrallehrschmieden in Hannover und Köln
getroffen. Inzwischen wurden in Belgien große vorhandene
Hufeisenfabriken mit bedeutenden Beständen an halbfertigen Hufeisen in
Betrieb gesetzt.
Die Zuführung der Vorräte an die Front geschah nunmehr dadurch,
daß jedes einzelne stellvertretende Generalkommando für eine
bestimmte Armee sorgte. Alle Vorräte mußten der Sammelstation der
betreffenden Armee zugeleitet werden, von wo die Etappeninspektion sie
für die Truppen je nach Bedarf heranzog. Da durch die Aushebung eines
großen Teils der Zivilpferde die kleineren Schmiedebetriebe keine
ausreichende Arbeit mehr hatten, wurden auch sie im sozialen Interesse zur
Anfertigung von Hufeisen herangezogen.
Die dargelegten Verhältnisse bei der Versorgung der Truppen mit
Hufbeschlagmitteln zeigen somit, daß für diese in keiner Weise
genügend vorgesorgt war. Denn durch den Ankauf von seiten einzelner
Dienststellen (Lehrschmieden, Ersatztruppenteile, Depots aller Art) war ein
rationelles Beschaffen guten Materials sehr erschwert. So war es nicht zu
vermeiden, daß die von den Fabriken angelieferten Hufeisen häufig
ohne Hinzuziehung von Sachverständigen - rein
zahlenmäßig - abgenommen wurden, so daß die Klagen
aus der Armee über schlechte und sogar unbrauchbare Eisen nicht
verstummen wollten. Eine schon im Frieden vorgesehene veterinäre
Zentralleitung hätte hier segensreich vorauswirken können.
Am 1. Juni 1915 wurde dann richtigerweise die zentrale Beschaffung des
gesamten Hufbeschlaggeräts aller Waffengattungen zur einheitlichen
Versorgung der gesamten Armee in die Hand der damaligen Feldzeugmeisterei
gelegt und dieser ein Veterinäroffizier als Referent beigegeben.
9.
Tierkörperverwertung.
In der ersten Kriegszeit, namentlich während des Bewegungskrieges,
wurden die Tierleichen, sowie das zum menschlichen Genuß untaugliche
Fleisch durch Vergraben beseitigt. Dieses Verfahren war aber aus hygienischen
und wirtschaftlichen Gründen zu verwerfen. Denn das nicht selten nur sehr
flüchtige und oberflächliche Verscharren schloß schwere
Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier in sich. Außerdem
gingen dadurch ungeheure Werte verloren. Denn die bei
zweckmäßiger Verarbeitung der Kadaver und Schlachtabfälle
gewonnenen Erzeugnisse, wie Fett, Leim, Tierkörpermehl, sind Stoffe, die
infolge der langen Kriegsdauer hohe wirtschaftliche Bedeutung erlangten, ganz
abgesehen von den wertvollen Häuten, die verlorengegangen sind.
Vom Jahre 1915 ab entstanden nach Einsatz der leitenden Veterinäre im
Felde und in den besetzten Gebieten die verschiedensten
behelfsmäßig und neuzeitlich eingerichteten Anlagen zur
Verarbeitung der Tierleichen und Schlachtabfälle.
[601] Im Osten hatten zuerst
die Pferdelazarette, die mit den zur Räudebehandlung nötigen
Mengen an Ölen und Fetten nicht mehr beliefert werden konnten,
"Fettschmelzen" eingerichtet, dann weiter auch einzelne Truppenteile.
In den einfachen Anlagen der Truppe blieben Tiere, die an Rotz, Milzbrand oder
Tollwut gelitten hatten, von der Verwendung ausgeschlossen, da die für die
sichere Vernichtung aller Infektionsstoffe erforderlichen Hitzegrade nicht mit
Sicherheit erreicht werden konnten. Die Verarbeitung dieser Tiere war nur in den
modern eingerichteten Verwertungsanstalten erlaubt und technisch
möglich.
Während die Kadaververwertungsanlagen außer Fett und Leim noch
Fleischmehl und Knochenmehl herstellten, wurde in den, meist den großen
Etappenschlächtereien angeschlossenen
Schlachtabfallverwertungsanstalten - neben der Gewinnung von Fett und
Leim - Mischfutter für Pferde und Schweine hergestellt. Hierzu
wurden sämtliche zur menschlichen Nahrung ungeeigneten
Schlachtabfälle, Blut, beanstandete ganze Tiere und der Panseninhalt der
Wiederkäuer verwendet.
In Libau wurde eine dort schon in Friedenszeiten zur Verwertung der
Schlachtabfälle vorhandene Einrichtung großen Stils zur Gewinnung
von Tierkörpermehl und Blutmehl für Futterzwecke verwendet. Das
dabei gewonnene Fett wurde in der angegliederten Seifenfabrik zu Seife für
die Truppe verarbeitet oder zur Salbenbereitung für die
Räudebehandlung benutzt.
Bei der Verfütterung des Fleischmehls an Pferde sind die verschiedensten
Erfahrungen gemacht worden, je nachdem es gelungen war, durch Mischung mit
anderen Futtermitteln den Geruch und Geschmack zu verdecken. Edle Pferde
verweigerten im allgemeinen die Aufnahme, kaltblütige und Russenpferde
dagegen gewöhnten sich allmählich daran.
Besonders erwähnenswerte große Anlagen im Westen befanden sich
in Abscon und Bouchain. Dort konnten täglich bis zu 35 Pferdeleichen
verarbeitet werden. Im Westen befanden sich schließlich im Bereich einer
Armee durchschnittlich sechs Tierkörperverwertungsanlagen.
Um zahlenmäßig zu ermitteln, welche Werte für die
Volkswirtschaft durch zweckmäßige Verarbeitung der Kadaver und
Schlachtabfälle gewonnen werden können, hatte der
Chefveterinär West in einer "behelfsmäßigen" Anlage
sorgfältige Versuche angestellt. Aus den in drei Monaten eingelieferten und
verarbeiteten 158 Pferden, 52 Rindern, 59 Schweinen, 4 Schafen und
5553 kg Schlachtabfällen wurden gewonnen:
4 006,5 kg |
Fett, |
10 642,5 kg |
Leim, |
22 657,5 kg |
Tierkörpermehl. |
Nach Abzug der Unkosten wurde unter Zugrundelegung der damaligen Preise ein
Reingewinn von 8541 Mark errechnet. Überträgt man die Ergebnisse
[602] der in einer auf das
primitivste eingerichteten Verwertungsanlage angestellten Versuche auf die
wesentlich wirtschaftlicher arbeitenden neuzeitlichen Anlagen, wie sie im Laufe
der Jahre 1916/18 erstanden, so zeigt sich, daß Werte gewonnen wurden,
deren wirtschaftliche Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden
kann. So wurden z. B. im Oktober 1916 in sämtlichen
Verwertungsanstalten des Westens gewonnen: 66 127 kg Fett,
135 481 kg Fleisch- und Knochenmehl, 55 411 kg
Mischfutter, 3500 kg Dörrfleisch, 1498 kg Klauenöl,
14 984 kg Leim.
In der gleichen Zeit wurden in einer bei einer Landwehrdivision eingerichteten
Knochenentfettungsanlage aus 59 271 kg Knochen hergestellt:
1378 kg Röhren- und Klauenöl, 339 kg Knochenfett,
866 kg technisches Fett.
Auf die Ablieferung der Felle und Häute, Haare, Mähnen, Schweife
und des Hufhornes an die Magazine hatten die Intendanturen schon
frühzeitig hingewiesen.
Zur Vermeidung von Seuchenverschleppungen oder Übertragungen von
Seuchen auf den Menschen mußte das Abhäuten von Tieren bei
Rinderpest, Milzbrand, Rauschbrand,
Wild- und Rinderseuche, Tollwut, klinischem Rotz oder bei dem Verdacht dieser
Seuchen verboten werden. Wegen der ständig zunehmenden großen
Lederknappheit konnte auf die Häute und Felle an anderen Seuchen
erkrankter Tiere aber nicht verzichtet werden. Gestattet wurde daher die
Verarbeitung der Häute und Felle, wenn sie in vollständig
getrocknetem Zustande aus dem Seuchengehöft ausgeführt oder
unmittelbar an eine Gerberei des besetzten Gebietes abgeliefert wurden:
- von räudekranken Pferden und Schafen,
- von an Lungenseuche erkrankten oder der Seuche verdächtigen
Tieren,
- von an Maul- u. Klauenseuche erkrankten oder der Seuche
verdächtigen Tieren,
- von Schafen mit Pockenseuche oder -verdacht,
- von Pferden, die auf Grund der Blutuntersuchung für rotzkrank
erklärt waren, aber keine klinischen Erscheinungen und bei der Zerlegung
keinen frischen (akuten) Rotz zeigten. Die Häute mußten aber durch
Einlegen in Kalkmilchlösung entkeimt sein.
Bei allen anderen Seuchen wurde die Verwendung der Häute ohne
besondere Vorsichtsmaßregeln gestattet.
Eine Rückführung von Häuten und Fellen von seuchenkranken
Tieren nach der Heimat war bis Ende 1917 verboten. Von Januar 1918 ab wurde
jedoch wegen des Ledermangels die Zurückführung zugelassen, und
zwar nur für Häute und Felle der in den ersten drei Absätzen
genannten seuchenkranken
oder -verdächtigen Tiere sowie für völlig getrocknete Felle
von nur ansteckungsverdächtigen Schafen aus pockenseuchekranken
Beständen, ferner Wolle von ansteckungsverdächtigen Schafen,
wenn sie in festen Säcken verpackt war.
Die Bergung der Häute und Felle von gestorbenen oder getöteten
Tieren in den Kampfabschnitten machte indes große Schwierigkeiten.
Einzelne Armee- [603] Oberkommandos des
Westens hatten "Enthäutungskommandos" eingerichtet, bestehend aus
einem Unteroffizier oder Gefreiten und einigen Mannschaften (Schlächtern)
und einem Fahrzeug. Da dieses Verfahren sich als sehr zweckmäßig
erwiesen hatte, wurde die gleiche Maßnahme allen übrigen
Armee-Oberkommandos des Westens empfohlen.
Aus dem Dargelegten ergibt sich, daß durch die Organisation der
Tierkörperverwertung im Felde unter hervorragender Beteiligung der
leitenden Veterinäre große volkswirtschaftliche Werte gewonnen
wurden, deren Bedeutung durch den dadurch erreichten hygienischen Schutz
für Mensch und Tier noch wesentlich erhöht wird. Es ergibt sich
daraus aber auch die Ungeheuerlichkeit der von den Feinden, besonders den
Franzosen, aufgestellten und hartnäckig aufrechterhaltenen Lüge von der
Verwertung menschlicher Leichen in den
Kadaververwertungsanstalten.
10. Rückblick.
Zusammenfassend darf man wohl sagen, daß trotz der beim Kriegsbeginn
recht mangelhaften Organisation auf allen Gebieten des Veterinärwesens es
im Kriege gelungen ist, die fehlende Organisation aufzubauen. Ohne
leistungsfähiges Veterinärwesen, wie es, durch die Not der Zeit
gebieterisch gefordert, gewissermaßen aus dem Boden gestampft wurde,
wären die Armeen allein durch das Umsichgreifen der Kriegstierseuchen
sehr früh bewegungsunfähig und damit kampfunfähig
geworden. Der aufopfernden und hingebenden, vorbeugenden, organisatorischen
und kontrollierenden Tätigkeit aller Veterinäre und ihres
Hilfspersonals ist es zu danken, daß die Beweglichkeit des Feldheeres
jederzeit im nötigen Umfange erhalten geblieben ist und weiter, daß
dem Vaterlande nicht noch größere Verluste an seinen unersetzlichen
Viehbeständen erwachsen sind.
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