Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung,
Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des
Heeres
Kapitel 9: Das
Militärveterinärwesen
(Forts.)
Stabsveterinär Dr. Kurt Schulze und
Oberstabsveterinär Dr. Wilhelm Otto
6. Anpassung der Veterinärorganisationen
an die Kriegsverhältnisse unter besonderer Berücksichtigung
des Veterinärdienstes.
Nach dem Mobilmachungsplan waren als leitende Veterinäroffiziere je 1
Korpsveterinär für jedes aktive Generalkommando und 1
Etappenveterinär (ohne Angabe des Dienstgrades) für jede
Etappeninspektion vorgesehen. Jegliche weitere Organisation fehlte. Ungeahnte
Werte an unersetzlichem Pferdematerial und Schlachtvieh sind dadurch
verlorengegangen.
Als die Meldungen über Auftreten und starke Verbreitung von Seuchen
unter den Truppenpferden sich häuften, beantragte der
Generalquartiermeister in richtiger Erkenntnis, daß weitere Verluste und
Seuchen die Schlagfertigkeit der Armeen in Frage stellen würden, Anfang
Februar 1915 beim Kriegsministerium [589] die Schaffung weiterer
leitender Veterinärdienststellen zwecks dringend erforderlicher
Seuchenbekämpfung. Dem Antrag entsprechend wurden sofort folgende
Stellen beim Westheer errichtet:
- beim Generalquartiermeister 1 Chefveterinär West;
- bei den Armee-Oberkommandos 1 Armeeveterinär und bei der
Stabswache 1 Oberstabs- oder Stabsveterinär;
- bei sämtlichen mobilen Generalkommandos 1 Korpsveterinär
und bei der Stabswache 1 Oberstabs- oder Stabsveterinär;
- bei den Kavalleriedivisionskommandos 1 Oberstabs- oder
Stabsveterinär (als Divisionsveterinär);
- bei den Etappeninspektionen 1 Oberstabs- oder Stabsveterinär (als
Etappenveterinär).
Die gleiche Einrichtung wurde für das Ostheer im März 1915
getroffen.
Das Arbeitsgebiet dieser leitenden Veterinäroffiziere erstreckte sich auf die
Leitung der Seuchenbekämpfung im Feldheer, auf Viehseuchenabwehr im
besetzten Gebiet, Pferdefürsorge, Pferdepflege, Fütterung,
Überwachung des Hufbeschlags, Leitung und Aufsicht über den
gesamten Veterinärdienst bei Truppe und Verwaltung, Überwachung
des Nachschubs von Veterinärgerät, Arzneimitteln und
Hufbeschlagmaterialien, Überwachung der Pferdelazarette und der
Fleischbeschau und auf Kadaververwertung.
Die Chefveterinäre hatten noch die besondere Aufgabe, den gesamten
Veterinärdienst in Anpassung an die Feldverhältnisse einheitlich zu
organisieren, für die einzelnen Seuchen durch ihre Dienststellen die
Maßnahmen zu ihrer Unterdrückung, Bekämpfung und
Vorbeuge zu treffen und die an einzelnen Stellen gemachten besonderen
Erfahrungen zur Kenntnis aller Veterinäre zu bringen.
Im weiteren Verlauf des Krieges machte sich das Fehlen von
Divisionsveterinären bei den Infanteriedivisionen auf das empfindlichste
bemerkbar. Die Korps- und Armeeveterinäre waren bei den ausgedehnten
Fronten und bei dem häufigen Wechsel der Divisionen nicht in der Lage,
die Beaufsichtigung und dauernde Regelung des Veterinärdienstes bei den
Infanteriedivisionen ordnungsmäßig durchzuführen. Im
Oktober 1916 wurde daher die Zuteilung eines
Oberstabs- oder Stabsveterinärs als Divisionsveterinär zu den
Infanteriedivisionen befohlen. Nun erst konnte der Veterinärdienst an allen
Stellen des Heeres unter sachgemäßer Verteilung der
Veterinäre auf die vorhandenen Formationen geregelt werden. Im Westen
entfielen auf den einzelnen Veterinär mitunter 1000 Pferde. Daraus geht
hervor, welche ungeheuren Anforderungen an den einzelnen Veterinär, dem
bestimmungsgemäß nur ein
Reitpferd - und meist nicht ein
gutes - zustand, gestellt werden mußten, zumal wenn man bedenkt,
daß die Pferde der ihnen zugeteilten Formationen auf große
Entfernungen [590] verteilt untergebracht
waren. Im Bewegungskriege erwuchs dem Divisionsveterinär eine weitere
sehr verantwortungsvolle Aufgabe in dem richtigen Einsatz des
Divisionspferdelazaretts und der von diesem vorzuschiebenden Sammelstellen.
Der Divisionsveterinär war das Rückgrat des ganzen
Feldveterinärdienstes - mit ihm stand und fiel die
Marschfähigkeit der Division.
Die Zuweisung und Verteilung der Veterinäre auf die Armeen und die
einzelnen Kriegsschauplätze erfolgte in den ersten Kriegsjahren durch das
Kriegsministerium. Es stellte sich aber sehr bald die Notwendigkeit heraus,
daß die Verteilung und der Ausgleich von einer Stelle im Felde ausgehen
mußte. Ferner war eine richtige Verteilung der Veterinärformationen
(Blutuntersuchungsstellen, Pferdelazarette, Pferdedepots) auf die einzelnen
Armeen nur von einer Feldstelle aus möglich, die außer den
veterinären Verhältnissen auch mit den Absichten der Obersten
Heeresleitung und den sonst getroffenen Maßnahmen vertraut war.
Aus diesen Gründen wurde im Februar 1917 dem Generalquartiermeister
ein leitender Chefveterinär, Generalveterinär Schlake, mit einem
Stabsveterinär zur Bearbeitung aller veterinären Fragen zugeteilt.
Gleichzeitig wurde noch die Stelle eines Chefveterinärs Südost
für die deutschen Truppen auf dem südöstlichen
Kriegsschauplatz einschließlich Balkan geschaffen (zunächst
Generaloberveterinär Feldtmann, später Generaloberveterinär
Kammerhoff). Die drei Chefveterinäre (West, Ost, Südost) wurden
dem leitenden Chefveterinär unterstellt.
Der leitende Chefveterinär war Vorgesetzter sämtlicher
Veterinäre des Feldheeres und Leiter des gesamten
Feldveterinärdienstes. Einen großen Abschnitt seines gewaltigen
Arbeitsgebiets nahm der Personalausgleich ein. Für die Verteilung der
Veterinäre konnte wegen des großen Mangels nur der jeweilige
Bedarf maßgebend sein. Ferner mußten dabei die verschiedenen
Verhältnisse der einzelnen Kriegsschauplätze
Berücksichtigung finden. Im Südosten z. B. waren wegen der
schwierigen Wege- und Unterbringungsverhältnisse für die gleiche
Anzahl von Pferden mehr Veterinäre erforderlich, als auf dem
östlichen Kriegsschauplatz, und auf diesem wieder mehr als auf dem
westlichen Kriegsschauplatz. Ungeachtet der in den Stärkenachweisungen
der Truppen vorgesehenen Stellenzahl konnten bei den Formationen stets nur so
viel Veterinäre belassen werden, als zur Sicherstellung des
Veterinärdienstes gerade ausreichten. Eine Veterinärreserve stand
leider nicht zur Verfügung. Aus diesen Gründen war eine
häufige Versetzung der einzelnen Veterinäre unvermeidlich. Ein
Umstand, der zu berechtigten Klagen Veranlassung gab, sich aber nicht abstellen
ließ.
Der rege Truppenverkehr auf den Feldartillerie- und
Fußartillerieübungsplätzen, auf denen unter anderem auch eine
Sanierung und Auffrischung des Pferdematerials der Artillerie vorgenommen
wurde, machte die Einsetzung von Platzveterinären auf diesen
Übungsplätzen erforderlich.
[591] Mit Einrichtung der
Kriegshundeschule und Meldehundeschulen zu je 150 Meldehunden bei den
Armee-Oberkommandos wurde auch die Regelung dieses Veterinärdienstes
notwendig. Für die den Infanterieregimentern zugeteilten Meldehunde war
veterinäre Hilfe stets vorhanden, da die Infanterieregimenter
veterinärärztlich versorgt waren.
Infolge des wachsenden Pferdemangels wurde den Korps- und
Divisionsveterinären das zweite Reitpferd gestrichen. Diese
Maßnahme erschwerte besonders den Divisionsveterinären den
Dienst sehr, namentlich im Osten, wo die Divisionen teilweise eine
Frontlänge von 60 km hatten. Sie waren daher nicht mehr in der
Lage, einen berittenen Pferdehalter mitnehmen zu können, und damit
gezwungen, mit ihrem Pferd auf verseuchte Gehöfte zu reiten.
Durch die unbedingt notwendige und bewährte Schaffung der leitenden
Stellen wurde eine nicht unerhebliche Anzahl tüchtiger älterer
Veterinäroffiziere dem Truppendienst entzogen. Dazu kam der große
Bedarf an älteren Veterinären für die zahlreichen
Pferdelazarette und -depots. Ein Teil der älteren Veterinäre, die sich
nicht in leitenden Stellen befanden, war körperlich den Anforderungen des
Fronttruppendienstes nicht gewachsen und mußte daher in der Etappe oder
Verwaltung Verwendung finden. Somit verblieben der Fronttruppe in der
Mehrzahl nur jüngere Veterinäre.
Die Tätigkeit der Etappenveterinäre war sehr umfangreich und
verantwortungsvoll. Ihnen waren mitunter 70 Veterinäre unterstellt. Dem
Etappenveterinär lag die Organisation des Veterinärdienstes in der
Etappe ob. Er leitete den Veterinärdienst in den großen
Etappenpferdelazaretten, Pferdedepots, Pferdeerholungsheimen,
Fohlenhöfen, Etappenschlächtereien, sorgte für
Rückführung der dienstunbrauchbaren oder an Heimatlazarette
abzugebenden Pferde und für ordnungsmäßige
Durchführung der Fleischbeschau. Ferner hatte er die technische Aufsicht
über Hufeisendepots und Kadaververwertungsanlagen und den Nachschub
von Tierarzneimitteln und Veterinärgerät in Verbindung mit dem
Etappensanitätsdepots zu regeln. Endlich hatte er auch für die
Überwachung des Gesundheitszustandes und für die
Seuchenbekämpfung bei dem Einwohnervieh und den militärischen
Schlachtviehdepots Sorge zu tragen.
In den Generalgouvernements Belgien und Warschau war vom Kriegsministerium
je ein Generaloberveterinär als leitender Veterinär eingesetzt worden,
denen die Organisation und Leitung des Veterinärdienstes oblag. In den
Generalgouvernements mit ihrem Viehreichtum war die seuchenpolizeiliche
Überwachung des Einwohnerviehes von allergrößter
Wichtigkeit. Durch die straffe einheitliche militärische Organisation des
gesamten Veterinärdienstes in Belgien gelang es sehr schnell, die dort
aufgetretenen Seuchen zu unterdrücken. Hier waren
Gouvernementsveterinäre eingesetzt worden, die gleichzeitig die
Geschäfte des Kreistierarztes zu versehen hatten. Im Generalgouvernement
Warschau lag die veterinärpolizeiliche Überwachung des
Einwohnerviehs bei [592] der Zivilverwaltung,
der für diesen Zweck ein leitender Tierarzt und eine größere
Anzahl von Veterinäroffizieren als Kreistierärzte vom
Kriegsministerium überwiesen waren. Militärisch war das
Generalgouvernement Warschau auch in Gouvernements eingeteilt, denen je ein
Gouvernementsveterinär beigegeben war. In beiden Generalgouvernements
waren je eine großangelegte und daher außerordentlich
leistungsfähige Blutuntersuchungsstelle und mehrere große
Pferdelazarette und -depots eingerichtet. Im Generalgouvernement Warschau
befand sich außerdem eine Reihe von Quarantäneanstalten, die zur
Verhütung der Verschleppung von Tierseuchen nach der Heimat und dem
Feldheer errichtet waren.
Bei der Einrichtung der Verwaltung Oberost (östliche Randstaaten) war es
notwendig, das ganze Veterinärwesen neu aufzubauen. Aus russischer
Verwaltungszeit war nichts übrig geblieben. Die Veterinärakten
waren weggeschafft und die Tierärzte mitgenommen. Bekannt war,
daß in Friedenszeiten dauernd aus Rußland Tierseuchen, namentlich
Rotz, Tollwut, Pferderäude, Maul- und Klauenseuche, Pockenseuche der
Schafe, Beschälseuche und Geflügelcholera nach Deutschland
eingeschleppt worden waren. Auch mit der Gefahr der Rinderpest war zu rechnen.
Russischen Nachrichten zufolge sollte auch die in Deutschland unbekannte
Pferdemalaria im westlichen Rußland verbreitet sein. Demnach mußte
auch in der Verwaltung Oberost die Veterinärpolizei der Eckpfeiler des
Veterinärwesens sein.
Die veterinärhygienischen Verhältnisse waren in Rußland
trostlos. Die veterinären Aufgaben konnten erst in Angriff genommen
werden, als von den Truppen und im Inlande die erforderlichen
tierärztlichen Arbeitskräfte frei gemacht werden konnten. Das
geschah in den Monaten Januar bis Mai 1916. Die veterinäre Organisation
der Verwaltung Oberost wurde vom Chefveterinär Ost ins Leben gerufen,
in dessen Hand auch die Leitung dieses Veterinärwesens blieb. Dieser
bleibende Zusammenhang von Militär- und Zivilveterinärwesen hat
sich bewährt. Der Verwaltung Oberost wurde ein älterer aktiver
Stabsveterinär für die Bearbeitung der
Veterinärangelegenheiten beigegeben. Ferner erhielt jede der vier
Militärverwaltungen (Kurland, Litauen,
Wilna - Suwalki,
Bialystock - Grodno) einen Veterinärreferenten.
Außerdem wurden im ganzen Bereich
50 - 60 Etappenkolonnenveterinäre nebenamtlich mit der
Verwaltung von Kreistierarztstellen beauftragt. Bei der späteren
Umgestaltung der Militärverwaltung Oberost wurde dem
Militärgouvernement Litauen ein Korpsveterinär zugeteilt.
Aus den vielen Zweigen des Veterinärwesens in der Verwaltung Oberost
sei nur die Organisation der Fleischbeschau herausgegriffen. Da Trichinen und
Finnen bei den Schlachttieren in Rußland viel häufiger waren als in
Deutschland, war für die baldige Durchführung der Fleischbeschau
mitbestimmend die Tatsache, daß von Heeresangehörigen vielfach
Fleisch und Wurstwaren, die [593] nicht aus
militärischen Schlächtereien stammten, für den eigenen
Gebrauch angekauft und von Urlaubern in Mengen mit nach Deutschland
genommen oder von den Mannschaften in Feldpostpaketen in großer Zahl
nach der Heimat geschickt wurden. Damit war eine große Gefahr für
die Gesundheit der Soldaten und ihrer Angehörigen in der Heimat gegeben.
Die vorhandenen Schlachthäuser bildeten die Grundlage der Organisation.
Jedes noch so kleine Städtchen besaß für rituelle
Schlachtungen ein Schlachthaus. Allerdings befanden sich alle
Schlachthäuser in einem unglaublich schmutzigen Zustande. Sie konnten,
wenn sie nicht nachteilig wirken sollten, ihren Zweck erst nach gründlicher
Reinigung, Instandsetzung und Verbesserung
erfüllen. - Die größten Schwierigkeiten machte die
Frage der Fleischbeschauer. Die militärischen Beschauer mußten
nach und nach an die Front zurückgezogen werden. Einheimische waren
nur schwer zu bekommen; man konnte auch nur wenigen von ihnen
genügendes Verantwortungsgefühl zutrauen. Jeder
Wirtschaftsabschnitt war schließlich auf Selbsthilfe angewiesen. Bald
halfen die Kreistierärzte als Fleischbeschauer aus, bald war der Lehrer
zugleich Fleischbeschauer oder der Kreistierarzt hatte eine andere ihm geeignet
erscheinende Person ausgebildet. Vielfach wurden auch die Gendarmen
ausgebildet und nebenamtlich als Fleischbeschauer verwendet.
Auch bei der Militärverwaltung in Rumänien wurde der Ausbau des
Veterinärwesens erforderlich. Zu diesem Zweck wurde dort ebenfalls ein
leitender Veterinäroffizier eingesetzt und diese Stelle wegen der Gefahr der
Einschleppung der Rinderpest aus der Türkei mit einem auf diesem Gebiet
erfahrenen Stabsveterinär d. R. (Professor an einer
tierärztlichen Hochschule) besetzt. Entsprechend der Einteilung des
Verwaltungsgebiets in Distrikte wurden Distriktstierärzte mit den
Funktionen eines Kreistierarztes eingesetzt. Unter ihnen war noch eine Reihe von
Kommandanturveterinären tätig. Die Verwaltung verfügte
außerdem über eine Blutuntersuchungsstelle, mehrere Pferdelazarette
und -depots.
Das Friedensheer hatte rund 800 Veterinäre. Diese konnten dem Riesenheer
mit 1,5 Millionen Pferden nur als Skelett dienen. Von vornherein war Mangel an
Veterinären. Zum Glück war die wissenschaftliche Durchbildung der
deutschen Tierärzte eine so vollkommene, daß man die Kräfte
der Veterinäroffiziere des Beurlaubtenstandes und des Landsturmes voll in
Rechnung stellen konnte. Die beste Organisation hätte sonst nichts leisten
können.
Alle dienstpflichtigen und verfügbaren Tierärzte in der Heimat
mußten aufgeboten, auch die nicht dienstpflichtigen (gediente und
ungediente) Tierärzte mußten nach Möglichkeit herangezogen
werden, ebenso die Studierenden der Tierheilkunde. Diese wurden, sofern sie ein
fünfsemestriges Studium mit bestandener tierärztlicher
Vorprüfung und ein klinisches Semester hinter sich hatten, zu
Feldunterveterinären ernannt und später zu
Feldhilfsveterinären befördert. Die übrigen Studierenden, die
diese Bedingungen nicht erfüllten, [594] wurden zumeist zur
Militärveterinärakademie Berlin kommandiert, um durch Fortsetzen
des Studiums zum Feldunterveterinär herangebildet zu werden. Die
Militärveterinärakademie, die Bildungsstätte der aktiven
Veterinäroffiziere, war zu Beginn des Krieges geschlossen worden, weil
sämtliche Studierenden sich freiwillig zu den Fahnen gemeldet hatten.
Schon im November 1914 mußte die Anstalt aber wieder eröffnet
werden, um den Nachwuchs für das aktive Veterinäroffizierkorps
sicherzustellen. Die nicht aktiven oder nicht im Reserveverhältnis
stehenden Veterinäre wurden zu Veterinäroffizieren auf Kriegsdauer
befördert. So entstand neben dem aktiven Veterinäroffizierkorps und
dem des Beurlaubtenstandes die große Reihe der "Veterinäroffiziere
auf Kriegsdauer" und der Feldunter- und Feldhilfsveterinäre, sowie der
vertraglich verpflichteten Tierärzte. Letztere taten nur Dienst bei immobilen
Formationen.
Der Bedarf an Veterinären wurde immer größer. An die
türkische Armee mußte eine Anzahl Veterinäroffiziere
abgegeben werden. Ferner mußten privaten Seruminstituten
Veterinäre zugewiesen werden, um die Sicherstellung der Armeen mit
Impfstoffen zu gewährleisten. Daher mußten die bei den immobilen
Formationen befindlichen Tierärzte immer schärfer fürs Feld
herangezogen werden, die wegen Unabkömmlichkeit noch nicht
einberufenen dienstpflichtigen Tierärzte immer wieder zum freiwilligen
Eintritt geworben werden. Auch auf solche Tierärzte und Studierende
mußte zurückgegriffen werden, die als Truppenoffiziere eingestellt
oder freiwillig eingetreten waren.
Die im Heeresinteresse erforderliche Heranziehung aller nur irgend greifbaren
Tierärzte hatte naturgemäß zur Folge, daß der
heimatliche Viehbestand tierärztlich nicht mehr so versorgt werden konnte,
wie es nötig war. Große Viehverluste waren die Folge. Es
mußte daher im letzten Kriegsjahre nicht nur von der Einziehung weiterer
Tierärzte Abstand genommen
werden - in manchen Kreisen waren nur noch wenige Tierärzte
vorhanden -, sondern es mußte zu einem vorübergehenden
oder dauernden Entlassen eingezogener Tierärzte geschritten werden.
Andererseits wurden Veterinäroffiziere dort, wo sie nicht mehr unbedingt
nötig waren, zurückgezogen.
Im Interesse der Fortbildung mußte es trotz des Mangels an
Veterinären auch ermöglicht werden, daß von Zeit zu Zeit eine
Anzahl leitender Veterinäroffiziere sowie nach und nach sämtliche
Pferdelazarettleiter an kurzfristigen Demonstrationskursen an der
Militarveterinärakademie (Gasabteilung) teilnahmen. Der Mangel an
durchgebildeten Kräften wurde dadurch immer drückender,
daß infolge der Überanstrengungen der einzelnen Veterinäre,
denen der so notwendige Erholungsurlaub nicht im gewünschten
Maße gewährt werden konnte, der Abgang an Veterinären
groß war. Ein nicht unerheblicher Teil fiel auch durch Verwundung und
Tod vor dem Feinde aus. Von den 5354 Veterinären, die am Kriege
teilnahmen, fielen oder starben infolge Verwundung und im Kriege zugezogener
Erkrankung 242 = 4,5%.
[595] Durch diesen
Personalmangel mußte die veterinäre Tätigkeit überall
leiden. Im Osten waren im Jahre 1917 52% Veterinärstellen unbesetzt, im
Westen 43% und im Südosten 34%. Dabei darf auch der Umstand nicht
außer acht gelassen werden, daß 17% der Veterinäre des
Feldheeres aus Feldunter- und Feldhilfsveterinären bestanden. Wenn auch
einzelne von ihnen praktisch so viel leisteten wie ein Veterinär, so war ihre
Verwendungsmöglichkeit doch nur eine bedingte, da ihnen
selbständige Stellen nicht übertragen werden konnten.
Der Mangel an Veterinären wurde so drückend, daß im Jahre
1917 zuerst im Feldheer, später auch im Heimatsheer zur Ausbildung von
"Veterinärgehilfen" geschritten werden mußte - allerdings
nicht ohne Bedenken - denn man mußte damit rechnen, daß
man dadurch spätere Kurpfuscher ausbildete; die Verhältnisse
zwangen jedoch dazu. Ihre Tätigkeit bestand darin, die
Veterinäroffiziere bei der Durchführung und Fortsetzung der
Behandlung zu unterstützen, bei plötzlichen Erkrankungen erste
Hilfe zu leisten und die rechtzeitige Hinzuziehung des Veterinärs zu
veranlassen. Insbesondere sollten sie durch tägliche Beobachtung der
Pferde die ersten Fälle von Räude rechtzeitig ermitteln helfen, damit
diese sofort abgesondert werden konnten. Diese Einrichtung bewährte sich
im Felde, so daß vom Generalquartiermeister allgemein angeordnet wurde,
soviel Veterinärgehilfen auszubilden, daß jede mit Pferden versehene
Formation über einen Veterinärgehilfen verfügte. Ende 1917
waren rund 7000 ausgebildet. Diese Zahl hat sich im Jahre 1918 wesentlich
erhöht.
Von den 7200 deutschen Tierärzten einschließlich der 800 aktiven
Veterinäroffiziere waren rund
4600 = 64% im Heeresdienst. Dazu kamen noch 754
Feldhilfs- und Feldunterveterinäre.
Eine zahlenmäßige Erläuterung der Leistung der
Truppenveterinäre lediglich hinsichtlich Behandlung erkrankter Pferde mag
folgender Auszug geben:
Westlicher
Kriegsschauplatz: |
1918: |
Pferde-Iststärke |
kranke Pferde:
|
% der Iststärke: |
Januar |
829 897 |
177 183 |
21% |
Februar |
865 372 |
181 186 |
21% |
März |
873 383 |
210 380 |
24% |
April |
956 856 |
253 684 |
27% |
Mai |
898 981 |
233 720 |
26% |
Juni |
948 539 |
236 024 |
25% |
Hufbeschlagpersonal.
In diesem Zusammenhange sei auch der unermüdlichen Tätigkeit der
Fahnen- und Beschlagschmiede gedacht, die durch harte Arbeit und Einsatz ihrer
ganzen Leistungsfähigkeit wesentlich zur Erhaltung der
Marschfähigkeit der Truppe beigetragen haben. In der ersten Kriegszeit
starb ein größerer Teil der den [596] Patrouillen
beigegebenen Beschlagschmiede, die sich vielfach aus Begeisterung auch zu
diesen Aufgaben drängten, den Heldentod. Von der weiteren Zuteilung
eines Beschlagschmiedes zu den Patrouillen nahm man aber von selbst bald
Abstand; denn bei der begrenzten Zahl der Schmiede lag es im Interesse der
Marschfähigkeit der ganzen Truppe, sich die Schmiede zu erhalten.
Wenn auch bei den vielen Neuformationen die Zahl der aktiven
Fahnen- und Beschlagschmiede bei weitem nicht ausreichte, so befand sich doch
unter den Reserve- und Landwehrjahrgängen eine große Zahl von
Schmieden, die dank der ihnen während ihrer aktiven Dienstzeit zuteil
gewordenen gründlichen Ausbildung im Hufbeschlag voll in Rechnung
gestellt werden konnten. Der Bedarf konnte aber auch damit nicht gedeckt
werden, so daß alle Mannschaften, die Schmiede von Beruf waren, als
Beschlagschmiede und auch als Fahnenschmiede Verwendung finden
mußten. Zu ihrer weiteren Ausbildung waren bei den Pferdelazaretten etwa
sechs- bis achtwöchige Kurse eingerichtet worden, zu denen die
Beschlagschmiede kommandiert wurden, eine Maßnahme, die zwar den an
sich schon überlasteten Leitern der Pferdelazarette große Mühe
bereitete, sich aber sehr gut bewährt hat und von den Schmieden sehr
begrüßt wurde.
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