Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung,
Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des
Heeres
Kapitel 5: Feldpost und
Etappentelegraphie (Forts.)
Oberpostrat Hermann Senger
A. Die Feldpost. Forts.
6. Die Post- und Telegraphenverwaltungen in Belgien, Polen, bei
Oberost, in Rumänien und die Etappenposten.
Am 5. September 1914 trat in Brüssel die Kaiserlich Deutsche
Post- und Telegraphenverwaltung für das Generalgouvernement Belgien in
Tätigkeit. Sie war ein Glied der unter dem Generalgouvernement
eingerichteten Zivilverwaltung, der die Aufgabe zufiel, dem von eigenen
Zivilbehörden entblößten Lande zur Wiederbelebung des
öffentlichen Dienstes und des Verkehrs, soweit es möglich und mit
den deutschen Interessen vereinbar war, neue Verwaltungsbehörden zu
schaffen. Die Leitung der Post- und Telegraphenverwaltung wurde einem
Präsidenten, dem bisherigen Oberpostdirektor in Erfurt,
Geh. Oberpostrat Ronge, übertragen. Nachdem zunächst nur
die größten Städte und die Orte mit dem Sitz eines Kreischefs
mit Postanstalten unter deutschen Beamten ausgestattet waren, entstand bald,
nachdem die Eisenbahnen des Landes auf den Hauptstrecken wiederhergestellt
waren, ein ausgedehntes Netz zahlreicher Postämter, Postagenturen und
Hilfsstellen unter Heranziehung früherer belgischer Postbeamter, die die
Verpflichtungserklärung abzugeben hatten, ihren Dienst gewissenhaft zu
erfüllen, nichts zu unternehmen und alles zu unterlassen, was der deutschen
Regierung in dem besetzten Teil des Landes schädlich sein könnte.
Das belgische Personal lehnte es zu Beginn des Krieges fast überall ab, den
Dienst unter deutscher Leitung wieder aufzunehmen, so daß in den meisten
großen Orten deutsches Postpersonal und deutsche Aushilfskräfte
eingestellt werden mußten. Nachdem aber der Generaldirektor der
belgischen Post Ende 1914 bekanntgegeben hatte, daß das Personal sich
durch die Aufnahme der Arbeit seinen Mitbürgern nützlich erweisen
könnte, trat ein Wandel ein.
Zum Ausbau des Postwesens wurden Kreispostämter unter deutscher
Leitung eingerichtet, deren Tätigkeit sich über den ganzen Kreis
ausdehnte und denen die Postämter mit belgischem Personal unterstellt und
kassenmäßig ange- [377] gliedert wurden. Der
Postdienst erstreckte sich auf zwei Gebiete, einmal auf die Versorgung der
deutschen Militär- und Zivilbehörden und der in Belgien stehenden
Besatzungstruppen im Rahmen der für den Feldpostdienst gegebenen
Vorschriften und auf einen Postverkehr für die Kriegsgefangenen und
für die Zivilarbeiter, dann auf die Herstellung eines Postverkehrs der
belgischen Bevölkerung innerhalb des Generalgouvernementsgebiets und
mit Deutschland. Die Posttaxen waren mäßig. An Postwertzeichen
kamen deutsche Marken mit dem Aufdruck "Belgien" zur Anwendung. Der
Privatbriefverkehr wurde allmählich auf den Verkehr mit Luxemburg,
Österreich-Ungarn, Niederlande, Dänemark, Schweiz, Schweden und
Norwegen usw. ausgedehnt, ein Privatpostanweisungsverkehr und ein
Nachnahmedienst, auch mit Deutschland und einigen neutralen Ländern,
eingerichtet und ab Juni 1915 für die Besatzungsbehörden
und -truppen eine besondere Paketbeförderung für Pakete bis
10 kg innerhalb des Gouvernementsgebietes und mit Deutschland
hergestellt. Mit den Einwohnern des belgischen Etappengebiets der 4. Armee
konnte die Bevölkerung in deutscher, flämischer und
französischer Sprache einen Postverkehr unterhalten, der offene
gewöhnliche Briefe, Postkarten und Warenproben umfaßte.
In Brüssel wurde von der Post- und Telegraphenverwaltung ein eigenes
Bahnpostamt errichtet, dem zunächst die Eisenbahnstrecken
Herbesthal - Brüssel - Lille und
Herbesthal - Chauny, später auch
Brüssel - Gent - Ostende - Kortrijk,
Brüssel - Lille,
Brüssel - Valenciennes und
Brüssel - Mézières zugeteilt wurden.
Im Jahre 1916 wurde für die Bevölkerung noch der
Postauftragsdienst, ein innerbelgischer und ein Paketverkehr mit Deutschland, ein
Postscheck- und Überweisungsdienst innerhalb des Generalgouvernements
eröffnet. Die Wiederaufnahme des Postsparkassendienstes, der seit
Kriegsbeginn in Belgien geruht hatte, im Mai 1917 krönte dann die
Entwicklung des für das reiche Industrieland zur Belebung des Verkehrs
unentbehrliche und vielseitige Post- und Telegraphenwesen.
In dem von deutschen Truppen besetzten Teil von Russisch-Polen war eine
Anzahl von deutschen Postanstalten eingerichtet worden, die der Kaiserlich
Deutschen Post- und Telegraphenverwaltung in
Russisch-Polen unterstellt wurden und den Postverkehr der deutschen
Zivil- und Militärverwaltungsbehörden und Besatzungstruppen nach
Art der Feldpost, sowie in beschränktem Umfange auch den sonstigen
Postverkehr von Privatpersonen im innerpolnischen Verkehr und mit Deutschland
vermittelten. Für den privaten Postverkehr waren offene gewöhnliche
und eingeschriebene Briefsendungen und Postanweisungen zugelassen. Alle
Sendungen unterlagen der Zensur. Die Frankierung erfolgte zunächst nach
den deutschen Gebührensätzen, unter Verwendung deutscher
Wertzeichen mit dem Überdruck
"Russisch-Polen", in späterer Zeit mit dem Aufdruck
"Gen.-Gouv. Warschau". Eine Postbestellung fand nicht statt; die Tätigkeit
der Postverwaltung hörte vielmehr mit der Aushändigung der
Sendungen an die [378] abholenden
Empfänger oder an den von der Gemeinde eingerichteten Bestelldienst
auf.
Bei der geringeren Bevölkerungszahl und Besiedelung, dem Mangel an
Industrie, Eisenbahnen und sonstigen Verkehrsstraßen konnte der Verkehr,
der auch mit dem Postgebiet des Oberbefehlshabers Ost aufgenommen wurde,
naturgemäß nicht den Umfang und die Bedeutung erreichen, den er in
Belgien hatte. Er wurde auch auf den Privatverkehr mit dem von
Österreich-Ungarn verwalteten Südpolen, den k. u. k.
Generalgouvernements Belgrad und Cettinje, wo ebenfalls ein solcher Verkehr
eröffnet worden war, sowie mit Luxemburg,
Österreich-Ungarn, Bosnien-Herzegowina und Rumänien
ausgedehnt.
Anfang 1916 wurde die Leitung des inzwischen, wie in Belgien, zur Kaiserlichen
Post- und Telegraphenverwaltung für das Generalgouvernement
ausgebauten Postwesens einem Präsidenten, dem bisherigen
Oberpostdirektor Prinz in Liegnitz, übertragen und ein
Privatpostpaketverkehr und ein Nachnahmedienst, auch mit Deutschland,
eingerichtet.
Die Postversorgung des Hauptquartiers Oberost war im allgemeinen nach den
für den Feldpostdienst geltenden Bestimmungen geordnet. Darüber
hinaus wurde bei besonderen Anlässen mit der Einrichtung von schnellen
Feldpostkurierverbindungen begonnen. Die Kuriere, Feldpostsekretäre,
wurden während der Russenoffensive des Generals Brussilow erstmalig am
3. August 1916 von Brest-Litowsk nach Lemberg, später über
Lemberg nach dem Standort des Hauptquartiers der Heeresgruppe
Boehm-Ermolli abgefertigt. Während der
Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen in
Brest-Litowsk wurde zwischen diesem Ort, Wien, Budapest, Sofia und
Konstantinopel eine besondere Postverbindung hergestellt, die bis Wien durch
Feldpostsekretäre als Kuriere, zwischen Wien und Budapest durch
Feldpostschaffner als Kuriere, von Budapest aus mit der Feldpost von Hand zu
Hand unterhalten wurde.
Ende 1915 wurde eine Post- und Telegraphenverwaltung im Postgebiet des
Oberbefehlshabers Ost mit dem Amtssitz in Kowno eingerichtet, die vom 15.
Januar 1916 ab den Post- und Telegraphenverkehr der Bevölkerung mit
Deutschland und dem Gebiet des Generalgouvernements Warschau, sowie
innerhalb des Etappengebiets des Oberbefehlshabers Ost vermittelte und deren
Leitung dem zum Präsidenten ernannten Postrat Storm übertragen
wurde. In Bialystok, Grodno, Kowno, Libau, Mitau, Poniewicz, Schaulen,
Suwalki und Wilna wurden Reichspostanstalten eingerichtet, die vorläufig
nur den Verkehr der Bevölkerung vermittelten, während der
Postverkehr der Militär- und Zivilbehörden der Feldpost
überlassen blieb. In 9 Orten besorgten dagegen die Feldpostanstalten den
Postverkehr der Bevölkerung mit. Zugelassen waren offene
gewöhnliche und eingeschriebene Briefsendungen jeder Art und
Postanweisungen. Für Briefsendungen und Postanweisungen galten die
inneren deutschen Gebührensätze, und alle Sendungen waren vom
Absender freizumachen, wozu [379] im Postgebiet des
Oberbefehlshabers Ost deutsche Wertzeichen mit dem Überdruck
"Postgebiet Ob. Ost" zu verwenden waren. Eine Postbestellung fand, wie in
Polen, nicht statt. Anfangs 1917 wurde auch hier der Privatbriefverkehr mit
Österreich-Ungarn und Bosnien-Herzegowina zugelassen.
Im Mai 1918 wurde endlich der Privatbrief- und Telegrammverkehr in Livland
und Estland eröffnet mit besonderen Postämtern in Dorpat, Reval,
Wenden usw., und auf der Insel Ösel vermittelte die in Arensburg
tätige Feldpoststation den Privatpostverkehr.
In Rumänien bestand seit 1. Januar 1917 für die
Militärverwaltung, die für die Verwaltung und wirtschaftliche
Ausnutzung des Landes geschaffen worden war, eine deutsche Postdirektion mit
dem Sitz in Bukarest. Die Postbeförderung erfolgte zumeist von Dresden
nach Belgrad mit Militärurlauberzügen, zwischen Belgrad und
Turn-Severin mit täglich fahrenden Donauschiffen. Dann wurde die Strecke
Budapest - Orsova unter deutscher Begleitung benutzt. Der
Feldpostverkehr für die Behörden und die Besatzungstruppen
gestaltete sich sehr lebhaft; besonders setzte ein starker Päckchenverkehr
nach der Heimat mit Lebensmitteln ein. Der Wertzeichenerlös stieg
infolgedessen von Januar bis März 1917 bei den 23 Anstalten von
11 000 Mk. auf über 33 000 Mk.
Seit 1. Juni 1917 wurde für die Bewohner des Gebiets ein Postverkehr in
beschränktem Umfange für Briefe und Postkarten zugelassen. Zu
diesem Zwecke wurde in Bukarest ein Postamt unter deutscher Leitung mit
rumänischem Personal eingerichtet, während die
Distriktskommandanturen in ihrem Bereich zur Annahme und Ausgabe der
Landespostsendungen Poststellen zu unterhalten hatten. Die Beförderung
der geschlossenen Bunde übernahm die Feldpost, nachdem die Sendungen
durch eine militärische Postüberwachungsstelle geprüft
worden waren. Zur Freimachung der aufgelieferten Sendungen dienten
Postwertzeichen der deutschen Reichspostverwaltung, die den Aufdruck
"M. V. i. R." und des Verkaufswertes in der
Landeswährung (Bani) erhielten.
Mit Rücksicht auf die weiten Entfernungen zwischen Rumänien und
der Heimat und wegen der langsamen Beförderung der bei den
Militäreisenbahn-Verkehrsämtern aufgelieferten Pakete, zumal durch
Ungarn, hatte sich bei der Truppe das Bedürfnis herausgestellt, Privatpakete
mit leicht verderblichem Inhalt, besonders mit Lebensmitteln, entgegen den
allgemeinen Grundsätzen mit der Feldpost in die Heimat zu
befördern. Die Pakete liefen in Säcken bis zu den Postleitpunkten
Dresden und Breslau und wurden von da aus als Pakete des gewöhnlichen
inneren deutschen Verkehrs weiterbehandelt. Unzuträglichkeiten haben sich
aus dieser Einrichtung nicht ergeben; der Zweck, die Lebensmittel noch frisch
nach Deutschland senden zu können, ist jedenfalls voll erreicht worden.
Wie bei der Darstellung der Posteinrichtungen in den Generalgouvernements
Belgien und Warschau, sowie im Postgebiet des Oberbefehlshabers Ost und
für Rumänien ausgeführt worden ist, bestand für die
Bevölkerung der [380] Etappengebiete ein
beschränkter Postverkehr. Im März 1917 wurden die Bestimmungen
darüber für das westliche Etappengebiet einheitlich geregelt. Im
Einwohnerpostverkehr waren offene gewöhnliche Briefe, Postkarten und
Postanweisungen bis 800 Mk. in deutscher, flämischer und
französischer Sprache zugelassen. Der Postverkehr wurde auch auf den
Verkehr mit der Bevölkerung im Generalgouvernement Belgien, und soweit
Briefe geschäftlichen Inhalts zwischen Gewerbetreibenden in Frage kamen,
an deren Beförderung ein deutsches Interesse bestand, mit Deutschland und
dem neutralen Ausland ausgedehnt. Die Annahme und Ausgabe im Etappengebiet
lag den Etappenkommandanturen, die Prüfung der für jede Armee
gebildeten militärischen Postüberwachungsstelle, die
Beförderung der Feldpost ob. Zur Freimachung der im Etappengebiet
aufgelieferten Sendungen, mit Ausnahme der Postanweisungen, dienten
neueingeführte Armeemarken "Deutsches Reich" mit dem Überdruck
der Frankenwährung in "F" und "Cent".
Ähnliche Einrichtungen bestanden im Etappengebiet des östlichen
Kriegsschauplatzes. Im Juli 1918 trat ferner zwischen Deutschland und dem
Generalgouvernement Warschau einerseits und der Ukraine andrerseits ein
beschränkter Postverkehr der Einwohner ins Leben. Befördert
wurden offene gewöhnliche Briefe, Postkarten und Warenproben durch
Vermittlung der Feldpost. Ende August 1918 wurde dazu ein
Wertbankbriefverkehr zwischen bestimmten Banken in Kiew, Charkow und
Odessa mit ihren deutschen Bankverbindungen unter der Kontrolle der
Reichsbank durch Vermittlung der Feldpost, im Oktober 1918 auch ein
beschränkter Privatpostverkehr zwischen Deutschland und der Krim
eingerichtet.
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