Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung,
Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des
Heeres
Kapitel 4: Das Nachschubwesen
der Marine
und die Ausrüstung von
Hilfskriegsschiffen (Forts.)
Vizeadmiral Bernhard Rösing
B. Ausrüstung von
Hilfskriegsschiffen.
1. Umwandlung von Handelsschiffen in Kriegsschiffe, Hilfskreuzer
und Hilfsstreuminendampfer.
Nicht immer ist der Unterschied zwischen Kriegs- und Handelsschiffen so
ausgeprägt gewesen wie heute. - Die Segelschiffe, die nach den
großen Entdeckungen ausgesandt wurden, um Handelsbeziehungen mit den
neuerschlossenen Gebieten anzuknüpfen, waren bewaffnet, um sich der
Angriffe fremder Seefahrer erwehren zu können. Vielfach trieben sie selbst
Seeraub mit Billigung ihrer am Gewinn beteiligten Regierungen. Als dann der
Streit um die reichen Kolonialländer zwischen den europäischen
Seemächten begann, wurden diese bewaffneten Handelsschiffe zu
Trägern des Seekrieges. Auch die Flotte der Königin Elisabeth von
England, die im Jahre 1588 die spanische Armada auseinandertrieb und damit
eine entscheidende Wendung der Weltgeschichte herbeiführte, bestand nur
zu einem kleinen Teil aus Kriegsschiffen, die für den Kampf durch
bewaffnete Kauffahrtei- und Fischereifahrzeuge ergänzt wurden.
Später führte die immer stärker werdende Armierung des
Segel- [311] kriegsschiffes dazu,
daß das bewaffnete Handelsschiff, das sich wegen der allgemeinen
Unsicherheit der Seefahrt noch bis in das 19. Jahrhundert erhalten hat, im
Flottenkampfe zurücktrat; aber noch im nordamerikanischen
Sezessionskriege (1861 - 65) konnten die Südstaaten mit zu
Kriegsschiffen umgewandelten Handelsschiffen der amerikanischen Bundesflotte
erfolgreichen Widerstand leisten.
Die Entwicklung des Eisenschiffbaus und der Maschinen- und Waffentechnik
haben zu einer solchen Spezialisierung der Schiffstypen geführt, daß
eine Einstellung von Handelsschiffen in die Kampfgeschwader nicht mehr in
Frage kommt. Trotzdem hat ihre Verwendung im Seekriege nicht abgenommen.
Es sind vielmehr so viele Sonderaufgaben zu erfüllen, daß eine
moderne Flotte eine weitgehende Ergänzung aus den Reihen der
Handelsmarine im Kriege viel weniger entbehren kann als die Kriegsflotten der
klassischen Segelkriegsschiffszeit.
Vom seekriegsrechtlichen Standpunkt aus kann kein Zweifel über die
Rechtmäßigkeit der Umwandlung von Handelsschiffen in
Kriegsschiffe bestehen. Zwar protestierte die französische Regierung im
Jahre 1870 gegen die Verstärkung der deutschen Bundesflotte durch
Bildung einer "freiwilligen Seewehr". Aber die übrigen Seemächte,
insbesondere Großbritannien, lehnten die Unterstützung dieses
Protestes ab. Denn das Recht eines Staates, im Kriege alle Hilfsmittel des Landes,
auch wenn sie im Privatbesitz sind, nach eigenem Ermessen auszunutzen, kann
nicht bestritten werden. Frankreich berief sich auf die Pariser Seerechtsdeklaration
vom Jahre 1856, nach der die Kaperei untersagt war. Dieses Verbot bezog sich
aber nur auf die Ausgabe von Kaperbriefen an Private, die bis dahin im Seekriege
üblich gewesen war, und ihnen die Berechtigung erteilt hatte, auf eigene
Rechnung und Gefahr Krieg gegen den feindlichen Handel zu führen. Die
regelrechte Einstellung von Handelsschiffen in die Kriegsflotte, sei es zum
Angriff auf das feindliche Privateigentum auf See oder zu anderen Zwecken,
wurde damit nicht berührt. Nur über den Ort der Umwandlung
entstanden später Zweifel, und zwar benutzte die britische Regierung einen
Vorfall im Russisch-Japanischen Kriege im Jahre 1904, um einen Versuch zur
Einschränkung der Umwandlungsmöglichkeit zu machen. Zwei
Schiffe der russischen "freiwilligen Flotte" waren unter der Handelsflagge durch
die türkischen Meerengen und den Suezkanal gefahren, um sich im Roten
Meer in Kriegsschiffe zu verwandeln und Kreuzerkrieg zu führen. Auf
Englands Einspruch, eine solche Umwandlung sei nur in den
Hoheitsgewässern der Kriegführenden zulässig, zog die
russische Regierung, um Weiterungen zu vermeiden, die beiden Schiffe
zurück, ohne damit aber den englischen Standpunkt anzuerkennen.4 Sie nahm die Frage in das Programm
der zweiten Haager Friedenskonferenz auf.
[312] Das Ergebnis der
Beratungen war das 7. Abkommen über "die Umwandlung von
Kauffahrteischiffen in Kriegsschiffe". Es sind darin Regeln aufgestellt worden, die
eine deutliche Erkennbarkeit des Vorgangs der Umwandlung und die Festlegung
der Kriegsschiffeigenschaft gewährleisten sollen. Sie behandeln die
Unterstellung der umgewandelten Schiffe unter Befehl, Aufsicht und
Verantwortlichkeit der Macht, deren Flagge sie führen, das Tragen der
äußeren Abzeichen der Kriegsschiffe (Kriegsflagge und
Kommandozeichen), die Ernennung des Kommandanten durch eine
zuständige Stelle und seine Aufnahme in die Rangliste der Kriegsmarine,
die Unterstellung der Mannschaften unter die Regeln der militärischen
Disziplin, die Beobachtung der Gesetze und Bräuche des Krieges und die
Vermerkung der Schiffsnamen in der Liste der Kriegsschiffe.
Die Streitfrage über den zulässigen Ort der Umwandlung aber blieb
ungelöst. Die Inselstaaten, Großbritannien und Japan, denen sich die
Niederlande und Spanien anschlossen, wollten eine Umwandlung nur in den
staatlichen Hoheitsgewässern des Heimatlandes zulassen und beharrten auf
diesem Standpunkt im Gegensatz zu den Festlandsstaaten unter Führung
Deutschlands, Rußlands und Frankreichs. Nur darüber, daß
eine Umwandlung in neutralen Gewässern nicht geduldet werden durfte,
herrschte Übereinstimmung. Auch die Londoner Seekriegskonferenz
1908/09 ließ diese Frage offen, so daß im Kriege der Umwandlung
auf hoher See keine völkerrechtlichen Abmachungen im Wege standen.
Der hartnäckige Einspruch Englands war auf die Besorgnis vor der
Störung des britischen Seehandels durch zahlreiche auf hoher See
umgewandelte deutsche Kauffahrteischiffe im Falle eines Krieges
zurückzuführen. Mit Neid und Besorgnis betrachtete man die
Entwicklung der deutschen Linienreedereien mit ihren schnellen Dampfern und
fürchtete, daß diese bei Kriegsbeginn von den Auslandskreuzern oder
mit Hilfe von in den Laderäumen versteckten Geschützen bewaffnet
werden würden, um gleichzeitig auf allen Meeren den Handelskrieg zu
beginnen. Die verlangte Beschränkung der
Umwandlungsmöglichkeit hätte Deutschland, das nur einen
befestigten Stützpunkt im fernen Osten besaß und dessen heimische
Gewässer von der überlegenen englischen Flotte blockiert werden
konnten, in der Führung des Handelskrieges stark behindert.
Die Verwendung von Schnelldampfern, die mit ihrer großen
Geschwindigkeit und Kohlenausdauer dem Kampfe mit Kriegsschiffen auf hoher
See ausweichen konnten, zum Kreuzerkriege ist von allen Seemächten ins
Auge gefaßt und bereits im Frieden durch Subventionsverträge mit
den Schiffahrtsgesellschaften vorbereitet worden. Großbritannien war der
erste Staat, der diesen Weg betrat, indem er im Jahre 1887 seine bedeutendsten
Schnelldampferreedereien dazu verpflichtete, gegen bestimmte
Entschädigungen den Forderungen der Admiralität beim Bau der
Schiffe Rechnung zu tragen. Frankreich, [313] die Vereinigten
Staaten, Italien, Österreich-Ungarn, Spanien und Japan folgten diesem
Beispiel, während Deutschland sich zunächst noch
zurückhielt. Es ist bemerkenswert, daß die deutschen
Schiffahrtsgesellschaften für die Fahrt nach Nordamerika, in der ihre
schnellsten und am besten zu Hilfskreuzern geeigneten Schiffe liefen, niemals
staatliche Unterstützungen erhalten haben. Trotzdem haben sie aus freien
Stücken, soweit ihre wirtschaftlichen Interessen es zuließen, die
Wünsche der Marineverwaltung erfüllt. Diese bezogen sich in der
Hauptsache auf die Geschwindigkeit, die nicht unter 18 sm betragen sollte,
auf das Kohlenfassungsvermögen, die wasserdichte Einteilung der Schiffe,
die Lenz- und Feuerlöscheinrichtung, den Einbau eines Gefechtsruders
unter Wasser, den Kohlenschutz der Maschinen und Kessel und Einrichtung zur
Kohlenübernahme aus Dampfern. Auf Reichskosten wurden Versteifungen
der Decks für die Aufstellung von Geschützen eingebaut.
Erst im Jahre 1898 schloß das Deutsche Reich mit dem Norddeutschen
Lloyd einen fünfzehnjährigen Subventionsvertrag zur Unterhaltung
regelmäßiger deutscher Postdampfschiffsverbindungen nach Ostasien
und Australien ab, nachdem vorher nur Postentschädigungen gezahlt
worden waren. Aber auch der Zweck dieses Vertrages war hauptsächlich
ein wirtschaftlicher. Er sollte den deutschen Handel unabhängiger von
ausländischen Schiffsgelegenheiten und dem ausländischen
Zwischengeschäft machen. Neben einem vierzehntägigen Verkehr
nach China und Japan und einem vierwöchigen nach Australien waren
Anschlußlinien zwischen Singapore oder Hongkong und dem deutschen
Schutzgebiet von Neuguinea vorgesehen. Im Jahre 1900 folgte ein
ähnlicher Vertrag auf 15 Jahre mit der deutschen Ostafrikalinie über
die Einrichtung von Postdampferverbindungen mit den afrikanischen Kolonien.
Die sonstigen Verträge mit der
Hamburg-Amerika-Linie über die Verbindung
Shanghai - Tsingtau - Taku und mit der Jaluitgesellschaft
über eine Rundfahrt im deutschen Schutzgebiet der Südsee sahen nur
Entschädigungen für die regelmäßige
Postbeförderung vor.
Nur der Vertrag über die ostasiatische und australische Linie enthielt eine
Verpflichtung, die neueinzustellenden Dampfer hinsichtlich des Baus und der
Verwendbarkeit im Kriege gewissen Anforderungen der Reichsmarineverwaltung
anzupassen, die auch bei Umbauten der bereits vorhandenen Schiffe soweit als
möglich zu berücksichtigen waren. Diese Anforderungen
entsprachen im allgemeinen den schon erwähnten Wünschen; aber in
der Hauptsache, nämlich in bezug auf die Geschwindigkeit, war durch den
Vertrag selbst eine enge Grenze gezogen, indem die Dampfer der ostasiatischen
Linie nicht mehr als 14 sm, die der australischen nicht mehr als
13,5 sm zu laufen brauchten. Der Afrikavertrag enthielt keine Bindung
hinsichtlich der Marineforderungen, so daß die Marine auch hier auf
freiwillige Leistungen angewiesen war. Dagegen wurde in beiden Verträgen
vereinbart, [314] daß die zur
Decksmannschaft und zum Maschinenpersonal gehörige Besatzung der
Dampfer, soweit sie im Inlande angemustert war und nicht aus
Minderjährigen bestand, aus Angehörigen des Beurlaubtenstandes
der Kaiserlichen Marine oder solchen Personen zusammengesetzt werden sollte,
die sich schriftlich verpflichteten, als Kriegsfreiwillige in den Dienst der Marine
überzutreten, wenn der Dampfer bei einer Mobilmachung von der Marine
gekauft, gemietet oder requiriert würde. Die Verträge legten den
Reedereien übrigens soviel Verpflichtungen in bezug auf die Gestaltung der
Tarife und die Festsetzung der Fahrpläne auf, daß diese geneigt
waren, auf den Strecken nach Ostasien und Afrika, die für die Zukunft
ausreichende Verdienstaussichten boten, nach Ablauf der Vertragsdauer auf
weitere Subventionen zu verzichten, um wieder volle Handlungsfreiheit zu
erhalten.
Die als Hilfskreuzer in Aussicht genommenen Dampfer - nur ein Teil der in der
amerikanischen oder ostasiatischen Fahrt befindlichen Schiffe wurde dafür
geeignet gehalten, während auf die australischen und afrikanischen wegen
zu geringer Geschwindigkeit ganz verzichtet
wurde - erhielten Geschützunterbauten und Einrichtungen zum
Aufstellen von Scheinwerfern. Alle übrigen Umwandlungsarbeiten, wie
Aufstellung der Geschütze, Einbau von Munitionskammern, Unterbringung
der Besatzungen, Anbringen von Signalapparaten und Einrichtungen zum
Abblenden des Schiffes mußten bei der Mobilmachung ausgeführt
werden. Für diejenigen Schiffe, die in den Heimathäfen
ausrüsten sollten, waren diese Einrichtungen ebenso wie die Bemannung so
vorbereitet, daß sie am Abend des zweiten Mobilmachungstages
auslaufbereit waren. Der Admiralstab hoffte, daß sie dann noch
vermöge ihrer hohen Fahrt die englische Blockade durchbrechen
könnten, und sah für diesen Zweck nur Schiffe von mehr als
18 sm Geschwindigkeit vor. Die im Auslande befindlichen
Schnell- oder Postdampfer sollten auf hoher See von Kanonenbooten, die selbst
zum Kreuzerkrieg ungeeignet waren, oder von Kreuzern oder Schulschiffen durch
Abgabe von Geschützen und Mannschaften umgewandelt werden. Die
Kommandanten waren schon im Frieden bestimmt, Treffpunkte waren verabredet
oder konnten durch chiffrierte Funksprüche vereinbart werden.
Im Frühjahr 1913 hatte der damalige Erste Lord der britischen
Admiralität, Churchill, die Bewaffnung englischer Handelsschiffe schon im
Frieden angekündigt. Das sollte offenbar eine Gegenmaßnahme
gegen den von deutscher Seite erwarteten Handelskrieg mit Hilfskreuzern bilden.
Churchill begründete den auffallenden Schritt damit, daß
Gründe zur Annahme vorlägen, daß eine beträchtliche
Anzahl fremder Handelsdampfer schnellstens in bewaffnete Schiffe umgewandelt
werden könnten, indem sie auf hoher See Geschütze aufstellten.
Diese Behauptung wurde, wie aus der englischen Literatur hervorging, allgemein
so aufgefaßt, als ob deutsche
Handelsschiffe - andere Nationen kamen nach Lage der Dinge nicht in
Frage - schon im Frieden Geschütze und Munition [315] in den
Laderäumen versteckt hätten, um sich damit auf einen drahtlosen
Befehl hin auf hoher See selbst in Hilfskreuzer umwandeln zu können. Bei
dem vorzüglichen Nachrichtendienst der Engländer ist anzunehmen,
daß die Admiralität ganz genau wußte, daß dies nicht der
Fall war; aber die englischen Regierungsvertreter haben niemals vor einer
Irreführung der Öffentlichkeit zurückgescheut, wenn es darauf
ankam, ihre Zwecke zu erreichen. Nach dem englischen Vorgehen hätte
auch die deutsche Regierung dasselbe Recht in Anspruch nehmen können;
aber es bestand die Befürchtung, daß den Reedereien wirtschaftliche
Nachteile entstehen könnten, wenn den Passagierdampfern wegen der im
Raum gelagerten Munition von fremden Hafenbehörden Schwierigkeiten
gemacht würden. Eine wesentliche Erleichterung und Beschleunigung der
Umwandlung hätte aber schon erreicht werden können, wenn nur die
Geschütze mitgegeben worden wären, wodurch eine
Gefährdung des Schiffes nicht eintreten konnte. Im Kriegsfalle brauchte
dann von den Kriegsschiffen nur Munition abgegeben zu werden. Bevor jedoch in
dieser Hinsicht etwas geschehen war, brach der Krieg aus. Dessenungeachtet
halten englische Publizisten an der Behauptung fest, daß es Deutschland
gewesen sei, welches schon im Frieden damit angefangen hätte,
Handelsdampfern Artilleriewaffen mitzugeben. In einer von
H. W. Leslie herausgegebenen Schilderung der Kriegserlebnisse der
Royal Mail Dampfer ist zu lesen, daß zehn Dampfer dieser Gesellschaft seit
einigen Monaten vor dem Kriege mit je einem
12-cm-Geschütz bewaffnet waren, weil auch deutsche Handelsschiffe
Geschütze und Munition in ihren Räumen mit sich führten.
Der Verfasser fügt ausdrücklich hinzu: "Damals war dies nicht
allgemein bekannt, kann aber jetzt als Tatsache festgestellt werden!" Die
Behauptung ist natürlich, wie so viele Zwecknachrichten, absolut
unwahr.
Als der Krieg ausbrach, lagen die Verhältnisse für die
Indienststellungen von Hilfskreuzern nicht besonders günstig. Von den in
erster Linie geeigneten vier Schnelldampfern des Norddeutschen Lloyds lag nur
"Kaiser Wilhelm der Große" in Bremerhaven, der am Tage der englischen
Kriegserklärung auslief, die Blockadelinie glücklich durchbrach, aber
nach kurzer Kriegstätigkeit auf der spanischen Reede des
Rio de Oro an der nordafrikanischen Küste, wo er im
Vertrauen auf den Schutz der Neutralität zum Kohlennehmen vor Anker
lag, von dem britischen Kreuzer "Highflyer" in Brand geschossen wurde. Die
übrigen drei befanden sich in New York oder in See. Von ihnen erhielt
"Kronprinz Wilhelm" den Befehl, sich mit S. M. S. "Karlsruhe" zu
treffen, von dem er zum Hilfskreuzer umgewandelt wurde. Außerdem
stellte das an der westafrikanischen Station befindliche Kanonenboot "Eber" den
Dampfer "Cap Trafalgar" der Hamburg-Südamerikanischen
Dampfschiffahrtsgesellschaft in Dienst. Im Atlantischen Ozean befand sich sonst
kein Kriegsschiff, das einen Hilfskreuzer ausrüsten konnte, da das zweite
Kanonenboot der westafrikanischen Station gerade zur Grundreparatur in
Deutschland weilte und die vier Schul- [316] schiffe noch in den
heimischen Gewässern kreuzten. Im übrigen kamen nur noch die
Kanonenboote der ostasiatischen Station in Frage, von denen "Luchs" und "Tiger"
den Lloyddampfer "Prinz Eitel Friedrich", und "Cormoran" den Dampfer der
russischen freiwilligen Flotte "Rjäsan", eine Prise S. M. S.
"Emden", besetzten. Die Verwendung, die Fahrten und Schicksale dieser
Hilfskreuzer sowie ihr Einfluß auf den Seekrieg sind in Band 4 geschildert und bedürfen
deshalb hier keiner Darstellung.
Eine Sonderart der Hilfskreuzer bildeten die Hilfsstreuminendampfer. Man
brauchte dazu handliche Fahrzeuge von möglichst hoher Geschwindigkeit,
mit einem langen durchlaufenden Deck, auf dem sich eine große Anzahl
Minen wurfbereit aufstellen ließen. Es war geplant, mit diesen Dampfern
unmittelbar nach der Kriegserklärung einen Vorstoß nach der
feindlichen Küste zu machen, um die dortigen Kriegshäfen mit
Minen zu versperren. In der Nordsee waren dazu die beiden
Seebäderdampfer "Kaiser" und "Königin Luise" ausersehen. Sie
waren die einzigen, die für diese Verwendung überhaupt in Frage
kamen, da sie Turbinenmaschinen hatten, die ihnen eine Geschwindigkeit von
19 - 20 sm verleihen sollten. Leider stellte sich aber heraus,
daß die Maschinen des Dampfers "Kaiser" schon so abgenutzt waren,
daß das Schiff bei dem durch die schwere Minenladung vermehrten
Tiefgang zu viel Fahrt einbüßte. So blieb nur die "Königin
Luise" übrig, der bekanntlich die Ehre der Eröffnung der
Feindseligkeiten gegen England zufiel. Die Vorbereitungen für die
Ausrüstung und Indienststellung waren so getroffen worden, daß das
Schiff sechs Stunden nach erhaltenem Befehl mit voller Minenladung zum
Auslaufen bereit war. Es legte die befohlene Minensperre vor der
Themsemündung, wurde dann aber von 16 englischen Zerstörern
überrascht, gegen die es keine wirksamen Verteidigungsmittel besaß.
Nach tapferer Gegenwehr sank das Schiff in dem aussichtslosen Kampfe. Vier
Offiziere und 73 Mann fanden dabei den Heldentod. Unter ersteren befand sich
der bisherige Schiffsführer, Kapitän Fölser von der
Hamburg-Amerika-Linie, der freiwillig an Bord geblieben war, um dem
Kommandanten, Korvettenkapitän Biermann, zur Seite zu stehen. Dieser
konnte von dem britischen Torpedoboot aus, das ihn aufgenommen hatte, noch
sehen, wie das feindliche Führerschiff "Amphion" auf die von ihm gelegte
Sperre lief, wobei auch leider 18 gerettete deutsche Matrosen mit in die Tiefe
sanken.
Eine gelungene Minenunternehmung führte Ende Oktober 1914 der zum
Minenkreuzer umgewandelte Lloyddampfer "Berlin" unter Kapitän zur See
Pfundheller gegen die Nordküste Irlands aus. Nach glücklicher
Durchbrechung der englischen Bewachungslinien zwischen Norwegen und
Schottland drang das Schiff bis vor den Zugang zum Nordkanal der Irischen See
vor, wo es die Minen unbemerkt in der Fahrstraße der von Amerika
kommenden Dampfer auslegte. Einige Tage später ist eins der neuesten
britischen Schlachtschiffe, "Audacious", während einer
Geschwaderübung auf diese Sperre gelaufen und [317] gesunken. Auf der
Rückfahrt wurde "Berlin" von englischen Kreuzern in den norwegischen
Hafen von Drontheim gedrängt, wo das Schiff bis Kriegsende
interniert blieb.
In der Ostsee bewährte sich als Hilfsstreuminendampfer der
Eisenbahnfährdampfer "Deutschland" der Linie
Saßnitz - Trelleborg. In dem für die
Eisenbahnzüge bestimmten Deck ließen sich bis zu 700 Minen
unterbringen. Da das Schiff außerdem über eine
Dauergeschwindigkeit von 15 sm, die sich vorübergehend bis auf
16,5 sm steigern ließ, und einen großen Aktionsradius
verfügte, konnte es mit Vorteil zu Unternehmungen im Finnischen
Meerbusen verwendet werden. Außerdem wurden für den
Minendienst kleine Ostseepassagierdampfer benutzt.
Als es im Frühjahr 1915 darauf ankam, die Einfahrt zum Hafen von
Archangelsk, nach Schließung der Dardanellen die einzige Verbindung
Rußlands mit dem Meere, zu verseuchen, wurde ein im Hafen von Hamburg
beschlagnahmter kleiner englischer Passagierdampfer dazu ausgewählt, der
unter dem Kommando des Korvettenkapitäns v. Knorr durch seine
schneidigen Fahrten als Hilfskreuzer "Meteor" bekannt geworden ist. Nach der
Verseuchung des Seegebiets vor Archangelsk, durch die die Versorgung der
russischen Armee lange empfindlich gestört worden ist, legte das Schiff im
August 1915 mehrere Minensperren im Firth of Moray, nachdem es in dunkler
Nacht zwei englische Vorpostenlinien durchbrochen hatte. Auf demselben Wege
unbemerkt wieder entkommen, traf es auf dem Rückmarsch mit dem sehr
viel größeren und stärker bewaffneten englischen Hilfskreuzer
"The Ramsey" zusammen, den es, nachdem er zur Untersuchung dicht
herangekommen war, durch überraschenden Angriff mittels
Torpedoschuß versenkte. "Meteor" war der erste Hilfskreuzer, der
Torpedoarmierung erhalten hatte. Nachdem diese sich so glänzend
bewährt hatte, wurde sie allen später ausgerüsteten
Hilfskreuzern mitgegeben. Leider wurde "Meteor" auf der Weiterfahrt bei Horns
Riff von englischen Kreuzern umstellt, wobei es aber dem Kommandanten, den
seine Kaltblütigkeit nicht einen Augenblick verließ, gelang, die
gesamte Besatzung auf einen in der Nähe befindlichen schwedischen
Fischkutter in Sicherheit zu bringen, nachdem er sein Schiff versenkt hatte.
Der Schutz der zu Beginn des Krieges gegen den feindlichen Seehandel
angesetzten Hilfskreuzer gegen feindliche Angriffe bestand lediglich in ihrer
Geschwindigkeit, mit der es ihnen möglich war, sich außerhalb des
feindlichen Feuerbereichs zu halten. Ihre Armierung war so schwach, daß
sie gerade zum Anhalten von Handelsschiffen genügte, für ein
Gefecht mit feindlichen Kriegsschiffen oder auch den viel stärker
bewaffneten feindlichen Hilfskreuzern aber völlig unzureichend war. Ihre
auffallende Größe und Bauart machte sie weithin erkennbar, so
daß sie von feindlichen Handelsschiffen gemieden, von Kriegsschiffen
leicht gefunden und überrascht werden konnten, wenn ihre
Geschwindig- [318] keit nicht ganz
erheblich überlegen war. Ihr starker Kohlenverbrauch bei hoher Fahrt
zwang sie außerdem zu häufigem Kohlennehmen, was immer die
Gefahr eines Überfalls in sich schloß.
Da die schnellsten noch verfügbaren Dampfer nicht mehr als 17 sm liefen,
ging der Admiralstab dazu über, den Schutz in einem unauffälligen
Äußeren, einer längeren Seeausdauer und einer stärkeren
Armierung mit weittragenden Geschützen zu suchen. Es wurden
Frachtdampfer eingestellt, die in ihrem Aussehen nichts Auffälliges hatten
und mit ihren einfachen Maschinen so wenig Kohlen verbrauchten, daß der
durch Hinzunahme von Ladungsräumen vergrößerte
Kohlenvorrat monatelang ausreichte. Ihre Geschütz- und Torpedoarmierung
wurde so stark gemacht, wie es die Schiffsverbände zuließen. Die
Aufstellung der Geschütze erfolgte hinter Klappvorrichtungen, so daß
sie gegen Sicht geschützt, aber in kürzester Zeit gefechtsklar gemacht
werden konnten. Auf diese Weise entstanden die durch ihre verwegenen Fahrten
berühmt gewordenen Hilfskreuzer "Möwe" und "Wolf", sowie
"Greif" und "Leopard", von denen der erstere, ein Schiff von 4900
Bruttoregistertonnen, am 29. Februar 1916 in der englischen Bewachungslinie den
15 300 Bruttoregistertonnen großen Hilfskreuzer "Alcantara"
versenkte, dann aber nach einem heftigen Gefecht mit einem zweiten
Hilfskreuzer, nachdem alle Kampfmittel erschöpft waren, von der eigenen
Besatzung versenkt werden mußte. Der Kommandant,
Fregattenkapitän Tietze, und ein Teil seiner tapferen Mannschaft fanden
den Tod, als die Engländer auf die Rettungsboote schossen, angeblich in
dem Glauben, daß in der Nähe ein Unterseeboot gesichtet worden
wäre.
"Leopard" war ein von S. M. S. "Möwe" eingebrachtes englisches Schiff
mit Namen "Yarrowdale", das unter Fregattenkapitän v. Laffert im
März 1917 bei der Ausfahrt von dem englischen Panzerkreuzer "Achilles"
zwischen Norwegen und Island nach heftiger Gegenwehr vernichtet wurde, ohne
daß ein Mann der Besatzung gerettet wurde. Eine in Norwegen
angeschwemmte, während des Gefechts über Bord geworfene, von
einigen Unteroffizieren geschriebene Flaschenpost, die von der treuen
Pflichterfüllung der Besatzung Zeugnis ablegte, bildete das letzte
Lebenszeichen.
Ein Teil dieser Hilfskreuzer führte Minen mit sich, die vor feindlichen
Häfen geworfen wurden und die Schiffahrt empfindlich störten. Eine
eigenartige Aufgabe wurde dem Hilfskreuzer "Wolf"
zugedacht, für die das Schiff auf Grund der bisherigen Erfahrungen mit
besonderer Sorgfalt ausgerüstet wurde. Es sollte die Minenverseuchung in
die Küstengewässer der britischen Kolonien tragen, um auch dort in
Ergänzung des Unterseebootskriegs Unsicherheit in die Schiffahrt zu
bringen. Man versprach sich um so mehr davon, als anzunehmen war, daß
dort zunächst die Hilfsmittel zum Feststellen und Forträumen der
Minenfelder fehlen würden. Vorbedingung für das Gelingen des
Planes [319] war, daß das
Schiff völlig unbemerkt blieb, bis es die Minen gelegt hatte. Es durfte also
auf der Ausreise weder Prisen machen, noch Kohlen nehmen und mußte
daher einen besonders großen Kohlenvorrat, der zur Zurücklegung
einer Strecke von mindestens 35 000 sm ausreichen sollte,
mitnehmen. Erst auf der Rückfahrt sollte Kreuzerkrieg geführt
werden. Für diesen Zweck wurde der große Frachtdampfer der
Bremer Hansa-Linie, "Wachtfels", ausgerüstet, ein noch ziemlich neues, in
Deutschland gebautes Schiff von 5809 Bruttoregistertonnen Raumgehalt, mit
großen Ladungsräumen und geringem Kohlenverbrauch, da seine
Höchstgeschwindigkeit nur 11 sm betrug. Da bei der großen
Anhäufung der Kohlen in den schlecht zu lüftenden Räumen
leicht Selbstentzündung eintreten konnte, wurde eine
Stickstoffkühlanlage eingebaut. Der Kohlenvorrat betrug 6300 t, der
Proviant war für 15 Monate berechnet. Gute Unterkunftsräume
für die 350 Köpfe umfassende Besatzung und eine gleiche Zahl
Gefangene wurden vorgesehen. Das Schiff erhielt einen versenkbaren
Scheinwerfer, Masten und Schornsteine wurden zur Verminderung der
Sichtbarkeit zum Verkürzen eingerichtet. Die Geschützarmierung
bestand aus 7 - 15-cm-Schnellfeuerkanonen, die Torpedoarmierung
aus 4 - 50-cm-Decksrohren mit 12 Torpedos, die Minenladung aus
405 Minen. Alles war verdeckt aufgestellt, aber so, daß sofort nach
gegebenem Befehl das Feuer eröffnet werden konnte. Ferner wurden
Trimmtanks eingebaut, um bei stark vermindertem Kohlenvorrat die Tiefenlage
des Schiffes durch Wasserballast wieder herstellen zu können, da ein leeres
Schiff leicht auffallen konnte. Eine moderne Funkentelegraphenstation, eine
Unterwasserschallanlage und eine drahtlose Richtungsanlage vollendeten die
Ausstattung. Für die Aufklärung und zum Anhalten feindlicher
Dampfer wurde ein Flugzeug mitgegeben. In wie glänzender Weise das
Schiff seine Aufgabe in fünfzehnmonatiger Fahrt unter Führung des
Fregattenkapitäns Nerger gelöst hat, ist an anderer Stelle
geschildert.5 Einen Beweis für die
Vorzüglichkeit des deutschen Schiff- und Maschinenbaus bedeutete es,
daß es diese gewaltige Inanspruchnahme ohne größere
Instandsetzung aushalten konnte.
Endlich ist noch des Hilfskreuzers "Seeadler" zu gedenken, des bekannten
Segelkriegsschiffes, das durch seine kühnen Fahrten unter
Kapitänleutnant Graf Luckner die Welt in Erstaunen versetzte.5 Die
Anregung zu seiner Ausrüstung war von dem Leutnant
z. S. d. R. Kling, dem späteren I. Offizier des
Schiffes, einem erfahrenen Segelschiffskapitän, ausgegangen. Er wies
darauf hin, daß die zwischen den Passaten in Windstille treibenden
großen Segler, die infolge der Schiffsraumknappheit wieder zahlreicher in
Fahrt gesetzt worden waren, eine leichte Beute für ein mit einem
Hilfsmotor versehenes bewaffnetes Segelschiff sein würden. Ein geeignetes
Fahrzeug bot sich in einem, von einem Unter- [320] seeboot in der Nordsee
aufgebrachten amerikanischen Vollschiff. In dieses wurde ein vierzylindriger
Schiffsmotor eingebaut, der mit etwa 900 P.S. dem Schiffe bei ruhigem
Wasser eine Geschwindigkeit von
8 - 9 sm geben konnte. Für den Brennstoff wurden 16
große Öltanks an Bord untergebracht. Im übrigen wurden alle
Einrichtungen für eine lange Kreuzfahrt getroffen. Die Armierung bestand
aus 2 - 10,5-cm-Schnellfeuerkanonen.
Da nicht angenommen werden konnte, daß das vom Winde
abhängige Schiff unbemerkt durch die englischen Bewachungslinien
kommen würde, wurden die Geschütze, der Maschinenraum, die
Funkenstation und was sonst verdächtig erscheinen konnte, geschickt
verdeckt und der Zugang zu den unteren Räumen durch eine Decksladung
von schweren Holzplanken unmöglich gemacht. Es wurde angenommen,
daß die Engländer bei einem Segelschiff keinen Verdacht
schöpfen und sich mit einer oberflächlichen Durchsuchung auf hoher
See begnügen würden, anstatt das Schiff im Hafen auspacken zu
lassen. Die Ausfahrt erfolgte in der stürmischen Weihnachtsnacht des
Jahres 1916. Wie es gelungen ist, bei der tatsächlich erfolgten
Untersuchung auf See die englischen Seeoffiziere zu täuschen, ist von dem
Kapitänleutnant Graf Luckner in humorvoller Weise in dem Buch
Seeteufel geschildert worden, das auch eine spannende Schilderung der
erfolgreichen Kreuzfahrten des Schiffes und der Schicksale seiner Besatzung nach
der am 2. August 1917 infolge einer Flutwelle erfolgten Strandung bei der
Gesellschaftsinsel Mopelia enthält.
Der oft erörterte Plan einer noch weiteren Ausdehnung des
Hilfskreuzerkrieges scheiterte hauptsächlich an der Besatzungsfrage. Schon
die Bemannung der in den Jahren 1915/17 ausgerüsteten wenigen
Hilfskreuzer konnte kaum gestellt werden, da das verfügbare
seemännische und technische Personal für Unterseeboote dringend
gebraucht wurde. Einen Ersatz für den Unterseebootskrieg konnten die
Hilfskreuzer aber keinesfalls bieten. Ebenso wie sie im Anfang des Krieges nur
zur Ergänzung des Kreuzerkrieges dienten, so lag ihr Wert im
späteren Kriegsverlauf darin, daß sie die lähmende Wirkung
des Unterseebootsangriffs auf den feindlichen Seehandel verschärften,
indem sie auch entfernte Meeresteile, die von den Unterseebooten nicht erreicht
werden konnten, beunruhigten. Ihre Erfolge verdankten die Hilfskreuzer zum
großen Teil ihrem überraschenden Auftreten. Eine
kriegsentscheidende Wirkung, wie sie den Unterseebooten hätte beschieden
sein können, war von den Hilfskreuzern
allein - auch bei zahlreicherer
Verwendung - nicht zu erwarten, da die Engländer in ihrer
großen Flotte viel wirksamere Gegenmittel dagegen in der Hand hatten, als
gegen Unterseeboote. Man denke nur an das Geleitsystem, das gegen
Unterseeboote immer noch ein unvollständiger Schutz blieb, Hilfskreuzern
dagegen jede Möglichkeit des Erfolges raubte, und an die Absperrung der
Nordsee, die den Hilfskreuzern nur in den langen Winternächten ein
Aus- und Einlaufen erlaubte, das auch dann nur unter besonders günstigen
Umständen glückte.
[321] Die Fahrten und Taten
der deutschen Hilfskreuzer aber gehören zu den hervorragendsten
Leistungen der Geschichte der Seefahrt und legen Zeugnis ab für den
Unternehmungsgeist und die Berufstüchtigkeit des deutschen Seemannes.
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