Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung,
Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden
Organisationen
Kapitel 7: Das
Feldkraftfahrwesen (Forts.)
Hauptmann Walter Sußdorf
7. Das Jahr 1918.
Im Osten hatten die Friedensverhandlungen in
Brest-Litowsk zunächst zu keinem Erfolge geführt; Mitte Februar
1918 wurden daher die Feindseligkeiten wieder aufgenommen. Der Widerstand
des russischen Heeres war gering, so daß der Vormarsch der Armeegruppen
Eichhorn und Linsingen rasch vonstatten ging. Das Kraftfahrzeug spielte dabei
eine neue und bedeutende Rolle; man warf auf Kraftwagen gesetzte
Infanterie- und Maschinengewehr-Abteilungen längs der großen
Heeresstraßen vor und vereitelte auf diese Weise oft noch rechtzeitig die
von den Russen auf ihrem Rückzug beabsichtigte Zerstörung der
Wege und Brücken. Wo Straßenpanzerwagen zur Verfügung
standen, wurden diese vorausgeschickt; überall, wo sie erschienen, brachen
sie schnell jeden feindlichen Widerstand. Mit dem gleichen Erfolg wurden auf den
großen Eisenbahnstrecken einzelne Trupps mittels Schienenkraftwagen
vorgetrieben. Durch diese, den Verhältnissen mit Hilfe des Kraftfahrzeugs
geschickt angepaßte Eigenart des Vormarsches gelang es, in wenigen
Wochen trotz Schnee und Kälte außerordentliche Entfernungen
zurückzulegen; große Beutevorräte fielen dabei in die Hand
der Verbündeten, darunter auch zahlreiche Motorfahrzeuge. Von der
Ukraine aus wurden deutsche Truppen bis nach Kaukasien geführt, wo sie
zusammen mit türkischen Abteilungen Georgien besetzten und dabei in den
Besitz wertvoller Erdölvorräte gelangten, deren Abtransport zwar
eingeleitet, aber infolge Mangels geeigneter Tankschiffe auf dem Schwarzen Meer
nicht mehr durchgeführt werden konnte.
Nachdem der Friede mit Rußland geschlossen war, blieben die
Verhältnisse auf dem östlichen Kriegsschauplatze nach wie vor so
gespannte, daß daselbst Truppen, darunter auch Kraftfahrverbände, in
erheblich größerer Zahl zurückgelassen werden mußten,
als es im Hinblick auf die der Westfront bevorstehenden
Entscheidungskämpfe erwünscht war. Aber es war doch
möglich, im einzelnen Personal und Material, im besonderen auch
Gummilastkraftwagen, für den Westen frei zu machen.
Der bei Beginn des Jahres 1918 gefaßte Beschluß der deutschen
Heeresleitung, den Entscheidungsfeldzug an der Westfront angriffsweise zu
[382] führen, stellte
auch das Feldkraftfahrwesen vor neue schwere Aufgaben. Ihre gründliche
Vorbereitung wurde unverzüglich in die Hand genommen.
Für das Gelingen des Angriffs und den zu erwartenden Vormarsch war
größte Beweglichkeit der Stäbe und Truppen Vorbedingung.
Daher wurden die für den Angriff in Aussicht genommenen Divisionen
reichlich mit Kraftfahrzeugen ausgestattet und solche auch der Kraftzugartillerie,
den Luftstreitkräften und Nachrichtentruppen noch über die
bisherigen Kraftwagenstärken hinaus zugeteilt. Damit der Angriff im
Fluß blieb, war ferner nach den wiederholt gemachten Erfahrungen
reichlicher Einsatz leistungsfähiger Transportmittel zur Bewältigung
des Nachschubs von ausschlaggebender Bedeutung. Die Oberste Heeresleitung
veranlaßte daher rechtzeitig die Ausstattung der Angriffsarmeen mit
zahlreichen Kraftwagenkolonnen, so daß auf jede Angriffsdivision erster
Linie allein 4 Kolonnen kamen. Außerdem sollte jede Armee über
eine Anzahl Kraftwagenkolonnen als Reserve verfügen, um
nötigenfalls an der einen oder anderen Stelle eine Verzögerung im
Nachbau der Schienenwege ausgleichen zu können. Im ganzen wurden 200
Armeekraftwagenkolonnen für die Unterstützung des Angriffs
bereitgestellt, während an den übrigen Fronten immerhin noch 110
Kolonnen verblieben. Man konnte die nicht am Angriff beteiligten
Kampfabschnitte, da sie teilweise nur dünn besetzt blieben, nicht ganz von
leistungsfähigen Transportmitteln entblößen, mußte
vielmehr gerade dort in der Lage sein, jederzeit Truppen und Munitionsreserven
schnell an bedrohte Punkte heranzubringen. Zur Bildung einer Reserve der
Obersten Heeresleitung, die an und für sich äußerst
erwünscht gewesen wäre, reichte die Zahl der im Felde befindlichen
Kraftfahrverbände leider immer noch nicht aus.
Für den Verwundetenabschub wurden bei den
Sanitätskraftwagen-Abteilungen umfangreiche Vorbereitungen getroffen;
für jede Angriffsdivision war ein Sanitätskraftwagenzug bestimmt.
Desgleichen wurde für die schnelle und zuverlässige Verbindung der
Stäbe untereinander durch die Kraftradabteilung gesorgt, die ein
weitverzweigtes Stafettennetz einrichtete.
Im übrigen war an der Organisation der Kraftfahrtruppe
anläßlich der bevorstehenden großen Offensive kaum etwas zu
ändern; die Neuordnung im Winter 1916/17 hatte sich ausgezeichnet
bewährt. Den Heeresgruppenkommandos, denen für den
Angriffsfeldzug erhöhte Bedeutung zukam, wurde für die ihnen auf
dem Gebiete des Kraftfahrwesens zufallenden Aufgaben ein Stabsoffizier als
"Regimentskommandeur der Kraftfahrtruppen" zugeteilt; er hatte in erster Linie
den Ausgleich an Kraftfahrpersonal und -gerät sowie an Betriebsstoff
zwischen den der Heeresgruppe unterstellten Armeen vorzunehmen.
Zur Deckung des Personalbedarfs zog man aus der Heimat und von anderen
Kriegsschauplätzen alle verfügbaren Offiziere und Mannschaften
heran und füllte damit die Lücken in den für die Mitwirkung
beim Angriff in Aus- [383] sicht genommenen
Verbänden aus. Aber auch die Bereitstellung des erforderlichen
Geräts wurde frühzeitig in Angriff genommen. Die heimische
Industrie bekam den Auftrag, ihre Produktion an Lastkraftwagen um weitere 30%
zu steigern. Diese Mehrerzeugung bereitete jedoch die allergrößten
Schwierigkeiten, besonders in bezug auf die Beschaffung der erforderlichen
Rohstoffe und infolge der durch Kohlenmangel und Streiks hervorgerufenen
Erschwernisse. Es ist ein besonderes Verdienst der deutschen Automobilfabriken,
daß sie es trotzdem fertigbrachten, die geforderten Fahrzeuge nahezu
vollzählig zur rechten Zeit herauszubringen.
Der Wagenpark aller Kraftfahrverbände und der sonstigen mit
Kraftfahrzeugen ausgerüsteten Waffen wurde einer genauen Durchsicht
unterzogen, alte und abgenutzte Wagen durch neue ersetzt und die
Ausrüstung mit Werkzeug, Ersatzteilen und Zubehör
vervollständigt. Da bei angestrengtem Betrieb mit größeren
Ausfällen gerechnet werden mußte, wurden die
Instandsetzungsmöglichkeiten der Armeekraftwagenparks vermehrt, mit
Maschinen und Vorratslagern ausgestattete Zweigparks in der Nähe der
Front eingerichtet und auch fahrbare Werkstattzüge bereitgestellt, die in der
Lage waren, der Truppe bei ihrem Vormarsch zu folgen und sie bei leichteren
Reparaturarbeiten zu unterstützen. Auch in den
Kraftwagenwerkstätten des General-Gouvernements Belgien wurde alles
für die Aufnahme und schnelle Wiederherstellung der von der Front
zurückkommenden Fahrzeuge vorbereitet. Der Nachschub aus der Heimat
wurde durch Einlegen besonderer Material- und Betriebsstoffzüge auf der
Eisenbahn sichergestellt.
Zur Munitionsversorgung der in Stellung befindlichen Batterien auf schwierigem
Gelände abseits der festen Straße und als Vorspannmaschine zur
Hilfeleistung für schwere Geschütze beim Stellungswechsel kam ein
ganz neuer Typ eines Kraftfahrzeuges, der "Raupenkraftwagen", zur
Einführung, der sich nach Art der Kampfwagen mit Hilfe endloser
Ketten - Raupen - fortbewegte. Die Raupenwagen, zu besonderen
Kraftfahrverbänden zusammengestellt, haben auch unter den schwierigsten
Verhältnissen ausgezeichnete Beweglichkeit im Gelände bewiesen
und der Artillerie wertvolle Dienste geleistet; sie besaßen nur den Nachteil,
daß sie wegen ihrer starken Maschine verhältnismäßig
viel Betriebsstoff verbrauchten.
Die bereits erwähnten außerordentlichen Ansprüche an die
Leistungsfähigkeit der heimischen Kraftfahrzeugindustrie verhinderten
auch jetzt noch, daß der Bau von Kampfkraftwagen in
größerem Umfange aufgenommen wurde. Die Oberste Heeresleitung
legte für die Offensive mehr Wert auf das Vorhandensein von
Lastkraftwagen für den Heeresnachschub als von Panzerwagen, da sie sich
auch ohne deren Unterstützung den Durchbruch durch die feindliche Front
mit Hilfe anderer neuartiger Kampfmethoden versprach, eine Annahme, die durch
den späteren Verlauf des Angriffes bestätigt worden [384] ist. Wenn die deutsche
Offensive schließlich scheiterte, so war dies sicherlich nicht auf das Fehlen
eigener Tanks zurückzuführen.
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Kampfkraftwagen als Begleitwaffe der Infanterie standen zu Beginn der Offensive
also nur in beschränktem Umfange zur Verfügung. Lediglich zwei
Panzerwagen-Abteilungen, je eine aus deutschen und aus erbeuteten englischen
Tanks bestehend, waren verwendungsbereit; erst später kamen weitere
Abteilungen hinzu.
Schwere Sorge machte von vornherein die Frage der Sicherstellung des
Betriebsstoffbedarfs für die anläßlich der Offensive mit
Sicherheit zu erwartende außerordentliche Inanspruchnahme aller
Kraftfahrzeuge der Angriffsarmeen. Im vergangenen Jahr war es trotz
größter Sparsamkeit nicht möglich gewesen, irgendwelche
nennenswerte Vorräte in der Heimat anzusammeln, da der gesamte Zugang
an Betriebsstoffen aus Rumänien und aus der heimischen Erzeugung durch
die militärischen Bedürfnisse aufgezehrt worden war. Der gegen das
Vorjahr wiederum fast auf das Doppelte angewachsene Betriebsstoffverbrauch
war neben der dauernd zunehmenden Motorisierung der Kampfwaffen und des
Nachschubs auch auf die Durchführung des umfassenden
Fliegerprogramms zurückzuführen gewesen. Ein großer Teil
des gewonnenen Benzols wurde außerdem laufend in der Heimat für
landwirtschaftliche Zwecke, für die Munitionsherstellung und die zur
Behebung der Verkehrsnotlage eingesetzten immobilen Kraftwagenkolonnen in
Anspruch genommen. Eine Steigerung der Benzolerzeugung in Deutschland war
aber wegen des Mangels an Steinkohlen, dem Ausgangsprodukt des Benzols,
ausgeschlossen. Auch die Benzingewinnung mit Hilfe der Erdölquellen
Rumäniens ließ sich nicht von heute auf morgen über ein
gewisses Maß hinaus vermehren, da die Wiederherstellungsarbeiten auf den
Ölfeldern trotz größter Anstrengung wegen der hierbei zu
überwindenden Hindernisse nur langsam vorangingen. Andere
Betriebsstoffe standen nicht zur Verfügung; das vielleicht noch in Betracht
kommende Treiböl, ebenfalls aus rumänischem Rohöl
gewonnen, wurde für die Dieselmotore der Unterseeboote gebraucht und
reichte schon für diese kaum aus. Bei dieser Sachlage mußte also von
Anfang an mit aller Schärfe darauf gedrungen werden, daß bei den
beginnenden Operationen mit Betriebsstoff sparsam gewirtschaftet wurde; es war
unvermeidlich, daß die volle Ausnutzung der verwendungsbereiten
Kraftfahrzeuge dadurch an vielen Stellen beeinträchtigt wurde. Wenn die
beschränkte, insgesamt zur Verfügung stehende Menge an Benzin
und Benzol wenigstens zur Deckung des Bedarfs an den eigentlichen
Kampffronten ausreichen sollte, mußte vor allem eine Einschränkung
im Verbrauch bei den Armeen an ruhigen Fronten eintreten; ihre
Monatskontingente wurden daher auf das mit der militärischen Lage gerade
noch zu vereinbarende Maß herabgesetzt. Der Betriebsstoffbestand an der
Front reichte, da besondere Vorratsläger nicht angelegt werden konnten, im
allgemeinen [385] nur für knapp 20
Tage, und das auch nur dann, wenn nicht größere Kampfhandlungen
hinzutraten. War letzteres der Fall, so mußte der hiervon betroffenen Armee
sofort Betriebsstoff aus den Reserven der Heeresgruppe oder von der Heimat aus
nachgeschoben werden. Die Bestände in Deutschland waren aber auch
derart zusammengeschmolzen, daß sie eine Deckung des Bedarfs sogar nur
für etwa 10 Tage darstellten, so daß man also in der gesamten
Betriebsstoffwirtschaft buchstäblich von der Hand in den Mund lebte. Es
durfte weder eine Unterbrechung der Zufuhr aus Rumänien noch eine
längere Stockung im Nachschub auf der Eisenbahn zur Front eintreten,
wenn nicht die schwerwiegendsten Folgen entstehen sollten. Wiederholt ist die
Betriebsstofflage im Westen so gespannt gewesen, daß die
Heeresverwaltung gezwungen war, aus Rumänien anrollende
Benzinzüge gleich quer durch Deutschland hindurch bis zu den
kämpfenden Armeen weiterzuleiten, obgleich dadurch der
regelmäßige Kesselwagenumlauf zwischen Deutschland und dem
Balkan gestört wurde.
Die Gummilage hatte sich im Jahre 1917 weiterhin verschlechtert, woran auch die
vom Hilfskreuzer
Wolf mitgebrachte kleine Menge Rohgummi, so erfreulich dieser
Zuwachs an und für sich war, nichts zu ändern vermocht hatte. Die
zur Verarbeitung freizugebenden monatlichen Kautschukkontingente wurden
daher von der Kriegsrohstoffabteilung immer mehr zusammengestrichen und
gestatteten kaum noch, in nennenswertem Umfange neue Kraftwagenbereifung
herzustellen. Infolgedessen mußte auf die letzten im Vorjahre ersparten
Luftreifen zurückgegriffen werden; sie wurden vorsorglich schon immer
den Angriffsarmeen zugeführt, reichten aber auch nur für
höchstens 3 Monate. Was dann werden sollte, war vorläufig noch
nicht abzusehen. Zur Sicherheit ging man schon immer daran, nunmehr auch
für Personenkraftwagen gummilose Ersatzreifen (starres Laufband mit
Stahlfedern, Lederdecke mit besonderer Füllmasse u. a.)
einzuführen. Ihre Verwendung war aber nur auf glatten ebenen
Straßen möglich und daher an der Front so gut wie ausgeschlossen; es
gab eben nichts dem Gummi gleichwertiges! Schließlich half man sich
kümmerlich damit, daß man zu geringen, in der Heimat von der
Beschlagnahme her noch übrigen Restposten ungängiger
Gummibereifung nachträglich die passenden Räder anfertigen
ließ, alles nur, um mit diesen wenigstens noch einige Zeit länger
fahren zu können. Unterdessen war man in der Herstellung des
synthetischen Gummis trotz zahlreicher Rückschläge nun doch
vorangekommen und konnte schon immer mit einer gewissen monatlichen
Erzeugung rechnen. Es stellte sich aber bald heraus, daß sich der
künstliche Gummi für die Herstellung von Kraftwagenbereifung
wenig eignete, während er für den sonstigen Bedarf
(z. B. für Zwecke der Kabelisolierung oder als Hartgummi bei
Akkumulatorenkästen in Unterseebooten) mit Vorteil zu verwenden war.
Für die Anfertigung von Luftschläuchen, die besonders knapp waren,
kam er leider gar nicht in Betracht; als Zusatzmittel zum Regenerat bei
Herstellung von Laufdecken war er immerhin [386] zu gebrauchen.
Später fertigte man auch Vollgummireifen aus synthetischem Gummi an,
hatte damit aber wenig Erfolg; die Reifen waren hart und wenig elastisch und
wiesen auch nur eine geringe Lebensdauer auf. Unter diesen Umständen
verschlechterte sich die Gummiversorgung der im Felde stehenden Kraftfahrzeuge
von Monat zu Monat, und die meisten Personenwagen verfügten schon
über keine Reservereifen mehr. Alles was an Gummibereifung noch
aufzutreiben war, wurde den im Kampf stehenden Stäben und Truppen
zugeteilt; die übrigen Stellen mußten sehen, wie sie sich
behalfen.
Besondere Vorbereitungen für den Angriff waren schließlich noch in
der Vervollständigung des in Betracht kommenden Straßennetzes zu
treffen. Hierzu ist viel, aber wohl nicht überall genug geschehen, auch
ließ die Regelung des Verkehrs auf den Straßen meist sehr zu
wünschen übrig. Der Forderung der Kraftfahrtruppe, in jedem
Kampfabschnitt für ihre Fahrzeuge eine eigene Straße für den
Hin- und Rückmarsch zur Front, wenigstens für bestimmte Stunden
am Tage, zur Verfügung zu haben, wurde von den wenigsten
Kommandostellen entsprochen. Wo eine Trennung von dem übrigen
Verkehr durchgeführt wurde, hat sich diese Maßnahme
außerordentlich bewährt, da erst durch freie Bahn und schnelles
Vorwärtskommen die eigentliche Leistungsfähigkeit des
Kraftwagens ausgenutzt und dann von ihm in der gleichen Zeit ein Mehrfaches
geleistet werden konnte, als wenn man ihn, wie es meist geschah, in die
Marschkolonne der Truppen und Pferdefahrzeuge eingliederte. Er mußte
dann eben mit im Schrittempo vorrücken, und konnte seine
überlegene Geschwindigkeit nicht zur Geltung bringen; es ergab sich dann
auch der Nachteil, daß Motor und Getriebe, die auf so geringe
Geschwindigkeiten nicht eingerichtet waren, übermäßig in
Mitleidenschaft gezogen und bald instandsetzungsbedürftig wurden.
Der Aufmarsch zur Offensive begann frühzeitig. Das nächtliche
Auffüllen der Munitionsdepots und Pionierparks bei der zum Angriff
bestimmten 17., 2. und 16. Armee durch die zugeteilten
Kraftwagen- und Pferdekolonnen sowie das Heranführen der Kampftruppen
gelang, ohne daß auf der gegnerischen Seite etwas gemerkt wurde. Der
allgemeine Angriff im Morgennebel des 21. März stieß daher auf
einen gänzlich überraschten Feind. Schnell drangen die deutschen
Divisionen in breiter Front über das Trichtergelände vor, das auch
von den Kraftfahrverbänden auf rasch gebesserten Wegen und
behelfsmäßig geschlagenen Brücken besser als erwartet
überwunden wurde. Dagegen war es bei der Schnelligkeit des Vormarsches
anfangs nicht möglich, den Schienenstrang so beschleunigt nachzubauen,
daß der Nachschub in erster Linie den Eisenbahnen hätte
übertragen werden können; er fiel wieder einmal vorzugsweise dem
beweglichen Kraftfahrzeug zu. Als dann aber die im ehemaligen
Kampfgelände anfänglich doch nur notdürftig gebesserten
Straßen infolge der starken Belastung durch den gesamten Fahrverkehr
allmählich [387] nachgaben und nun
für den Nachschub erhebliche Schwierigkeiten bereiteten, wurde die
Versorgung der Front und damit der ungestörte Fortgang der Operationen
stark beeinträchtigt. Nur wenn die Transportleistung im Operationsgebiet
den Nachschubbedürfnissen der vorgehenden Truppe gleich ist, kann ein
Angriff im Fluß bleiben. Inzwischen hatte der Feind seine als Heeresreserve
zurückgehaltenen Divisionen, teilweise mit Hilfe von Kraftwagenkolonnen,
an die Einbruchsstellen herangeworfen; sein Widerstand erstarkte und der
deutsche Vormarsch kam zum Stillstand. Harte Kämpfe entspannen sich in
der neugewonnenen Stellung, wobei am 24. April in der Abwehr eines heftigen
englischen Angriffes bei Villers-Bretonneux die deutschen
Kampfwagenabteilungen Nr. 1, 2 und 3 erfolgreich mitwirkten. Einzelne
ihrer Panzerwagen kamen an diesem Tage mit feindlichen Kampfwagen ins
Gefecht, behielten aber im Kampfe Tank gegen Tank trotz
zahlenmäßiger Unterlegenheit die Oberhand. Diese erste
"Seeschlacht auf dem Lande" fiel somit zugunsten des deutschen Panzerwagens
aus, wenn an diesem Tage schließlich auch 2 deutsche Fahrzeuge in der
Hand des Gegners blieben.
Die deutsche Heeresleitung hatte sich inzwischen für eine neue Offensive
weiter nördlich bei der 6. und 4. Armee entschieden. Dorthin wurden alle
verfügbaren Kräfte in kürzester Frist verschoben und am 9.
und 10. April gegen die englisch-belgische Front zum Angriff eingesetzt. Auch
hier gelang es, den Feind zu überrennen, aber bald beeinträchtigte
das ungünstige Gelände mit seinen zahlreichen Wasserläufen
und Gräben das weitere Vorgehen der kämpfenden Truppe. Auch
für den Nachschub ergaben sich Schwierigkeiten, da die meisten
Straßenzüge ungünstig zur Vormarschrichtung verliefen,
abgesehen von der großen breiten Chaussee
Lille - Armentières die daher auch einen ununterbrochenen
Verkehr von zur Front fahrenden und von dort zurückkehrenden
Kraftfahrzeugen aller Art über sich ergehen lassen mußte. Eine dichte
Staubwolke hüllte die lange Wagenreihe ständig ein und legte sich
Mensch und Tier lähmend auf die Lunge. Die straßenpolizeiliche
Regelung des Verkehres war an diesem Abschnitt der Front wesentlich besser
eingespielt, hatte man doch inzwischen von den in der Vergangenheit gemachten
Fehlern gelernt. Die Kraftfahrtruppe leistete auf ihrem Gebiete Hervorragendes
trotz feindlicher Artillerie- und Fliegereinwirkung; mit Rücksicht auf das
unbedeckte und flache Gelände mußte sie ihre Fahrten jetzt fast
ausschließlich während der Dunkelheit ausführen, in der das
Fahren ohne Licht auf den schmalen, kaum wiederhergestellten Straßen
Auge und Nerven des Wagenführers dauernd aufs äußerste
anspannte. Am Tage mußte dann durch geeignete Aufstellung der
Fahrzeuge oder durch Maskierung mit grünen Büschen und Zweigen
Fliegerdeckung genommen werden. Wie groß im übrigen die
Beteiligung der Kraftfahrtruppe an den Ereignissen war, läßt sich
z. B. daraus erkennen, daß in jenen Tagen allein der Kommandeur
der Kraftfahrtruppen der 4. Armee insgesamt rd. 200 Offiziere und
10 000 Mann [388] mit etwa 6000
Kraftfahrzeugen befehligte, also mehr wie bei Ausbruch des Krieges in West und
Ost überhaupt ins Feld gerückt war.
Nach dem Einstellen des Vormarsches in Flandern waren zahlreiche Fahrten zum
Heranbringen des für den Bau neuer Stellungen benötigten Materials,
sowie zum Zurückführen der reichen Beutebestände zu leisten.
Da die meisten Kolonnen nun schon seit Monaten, erst bei der Offensive gegen
Amiens, dann bei diesem Unternehmen ununterbrochen hintereinander eingesetzt
gewesen waren, begann man jetzt damit, besonders mitgenommene und
ermüdete Formationen aus der Front herauszuziehen und Personal und
Gerät bei einem Armeekraftwagenpark oder in den belgischen
Werkstätten wieder aufzufrischen. Die herausgezogenen Formationen
standen während dieser Zeit zur Verfügung der Obersten
Heeresleitung und stellten eine Reserve für besondere, unvorhergesehene
Fälle dar. Da an allen Teilen der Front dauernd nach Kraftwagenkolonnen
verlangt wurde, konnte die Zeit der Erholung meist nur sehr knapp bemessen
werden und hat vielfach gerade ausgereicht, um die Motoren
auseinanderzunehmen, zu reinigen und wieder zusammenzusetzen, eine Arbeit,
die bei der starken Inanspruchnahme der Werkstattarbeiter vielfach von dem
eigenen Kolonnenpersonal vorgenommen werden mußte.
Zu einem überraschenden Vorstoß gegen die Marne hatte die
deutsche Heeresleitung Ende Mai zahlreiche Angriffsdivisionen bei der 8., 7. und
1. Armee zusammengezogen; das bedingte wieder umfassende Maßnahmen
auch auf dem Gebiet des Kraftfahrwesens. Zunächst waren alle
beweglichen Verbände entsprechend umzugruppieren; sie erreichten ihr
Ziel größtenteils auf dem Landwege, da die Eisenbahn mit
Truppentransporten bereits stark belastet war. Die bodenständigen
Formationen der genannten Armeen (Kraftrad-Abteilung, Kraftwagenstaffel,
Sanitätskraftwagen-Abteilung, Armee-Kraftwagenpark u. a.)
waren schleunigst zu verstärken und in ihrer Leistungsfähigkeit zu
erhöhen, sowie die Betriebsstoff- und Materialnachschübe
umzuleiten, da die Front bei der allgemeinen Knappheit immer nur gerade
über soviel Vorrat verfügte, als für den laufenden
gewöhnlichen Bedarf benötigt wurde. Wiederum gelang es,
unbemerkt alle Vorbereitungen zu treffen und die Munitionierung der für
den Angriff in Stellung gebrachten Batterien ungestört während der
Nacht vorzunehmen. Nach erfolgtem Durchbruch durch die feindliche Kampflinie
wurde der Vormarsch in wenigen Tagen bis zur Marne ausgedehnt, aber die
Versorgung der Angriffstruppe gestaltete sich diesmal von vornherein schwierig,
da Eisenbahnen im Marnebogen fast vollständig fehlten. Die
Kraftwagenkolonnen wurden daher in ganz besonderem Maße in Anspruch
genommen und waren Tag und Nacht unterwegs. Dabei lagen die
Verhältnisse für ihren Einsatz recht ungünstig, weil die
schweren Lastkraftwagen bei der Hin- und Rückfahrt immer erst die steilen
Hänge des Damenwegs auf wenigen, stark zerfahrenen Straßen zu
überwinden hatten; die Folge davon war der Ausfall [389] zahlreicher Fahrzeuge,
der nicht immer gleich ersetzt werden konnte. Der außerordentlich starke
Kraftwagenverkehr führte aber auch ein erhebliches Überschreiten
des für die Operationen ursprünglich vorgesehenen
Benzolkontingents herbei und zehrte die geringen vorhandenen Heeresreserven
fast völlig auf.
Diese letztere Tatsache erweckte die allergrößten Besorgnisse; die
Oberste Heeresleitung, der vom Feldkraftfahrchef über die gespannte Lage
der Betriebsstoffversorgung laufend Vortrag gehalten wurde, mußte scharf
durchgreifen. Sie verlangte bei den nicht im Großkampf stehenden Armeen
nachdrücklich jede mit der taktischen Lage nur irgend zu vereinbarende
Einschränkung im Verbrauch, kürzte ihre Monatskontingente und
verwies auf restlose Ausnutzung aller Voll- und Schmalspurbahnen zur
Befriedigung des Transportbedürfnisses.
War bisher der Einsatz aller Kraftfahrverbände innerhalb einer Armee
durch den Kommandeur der Kraftfahrtruppen einheitlich geregelt worden, so
mußte jetzt notgedrungen eine Änderung insofern eintreten, als sich
infolge des starken Anwachsens der Zahl der Verbände und
Einzelfahrzeuge von einer Stelle aus der gesamte Betrieb nicht mehr
übersehen ließ. Um daher die Gewähr zu haben, daß
jedes Kraftfahrzeug sachgemäß behandelt und ausgenutzt, und
daß beim Verbrauch von Betriebsstoff und Gummi größte
Sparsamkeit beobachtet wurde, setzte man bei jedem Generalkommando einen
Gruppenführer der Kraftfahrtruppen ein und räumte diesem in
Vertretung des Kommandeurs der Kraftfahrtruppen der Armee die technische
Aufsicht über den gesamten Kraftfahrbetrieb innerhalb des Korpsbereichs
ein.
Zu erwähnen ist noch, daß beim Angriffe der 1. und 3. Armee, der am
16. Juli östlich Reims angesetzt war, mehrere aus englischen Beutetanks
zusammengestellte deutsche Kampfwagenabteilungen ins Gefecht kamen. Sie
brachen ohne Rücksicht auf das schwere feindliche Artilleriefeuer zum
Angriff vor, erlitten aber durch Volltreffer und Flatterminen schwere Verluste und
mußten daher wieder aus der Front herausgezogen werden. Im Tankhafen
zu Charleroi arbeitete man fieberhaft, um den Ausfall durch Fertigstellung neuer
Beutetanks, sowie Instandsetzung der beschädigten auszugleichen. In den
späteren Abwehrkämpfen, z. B. südlich Cambrai,
sind dann wiederholt weitere Kampfwagenabteilungen im Feuer gewesen und
haben durch ihr unerschrockenes Vorgehen stets die besondere Anerkennung der
mit ihnen zusammenwirkenden Truppen gefunden. Leider war ihre Zahl zu
gering, um einen entscheidenden Einfluß auf den Ausgang der
Kampfhandlungen auszuüben; wo sie eingesetzt wurden, haben sie die
Infanterie durch Vernichtung feindlicher Maschinengewehrnester wirksam
unterstützt.
Bereits am 20./21. Juli war der Angriff über die Marne und beiderseits
Reims eingestellt und die Abfahrt der Truppen zum neuen Angriff in Flandern
eingeleitet worden. Da traf die deutsche Front überraschend der
französische Gegenstoß. Er richtete sich gegen die
ungeschützte Flanke der 7. Armee aus [390] dem Walde von
Villers-Cotterets heraus, der es den Franzosen gestattet hatte, unbemerkt viele
hundert Tanks eines neuen, außerordentlich beweglichen Typs (Fabrikat
Renault) bereitzustellen. Mit Hilfe seiner Tankgeschwader, die den Sturmtruppen
vorausfuhren, gelang es dem Feinde, die deutsche Front an mehreren Stellen zum
Wanken zu bringen; der Stoß konnte erst weiter rückwärts
durch rasch herbeigeholte Reserven aufgefangen werden. War schon bisher die
Versorgung der im schmalen Marnebogen stehenden deutschen Truppen
schwierig gewesen, so gestaltete sich nunmehr die Nachschublage der 7. Armee
immer bedrohlicher, besonders als der Feind auf ihre rückwärtigen
Eisenbahnverbindungen noch schweres Störungsfeuer legte. Die Zahl der
Kraftwagenkolonnen, die jetzt hauptsächlich für
Truppenbewegungen in Anspruch genommen wurden, reichte aber nicht aus, um
gleichzeitig auch den gesamten Nachschub zu bewerkstelligen; auch ließ
der starke Verbrauch an Motorenbetriebsstoff eine Verkürzung der langen
Fahrstrecken dringend erwünscht erscheinen. Alle diese Umstände
bestärkten die Heeresleitung in dem Entschluß, die Front von jenseits
der Marne bis nördlich der Vesle zurückzunehmen. Soweit es die
Umstände erlaubten, wurden mit Hilfe der auf das schärfste
beanspruchten Kraftwagen vorher die aufzugebenden Lazarette sowie die
Munitions- und Proviantdepots geräumt.
Infolge der erfolgreichen französischen Offensive wurde das deutsche Heer
in die Abwehr gedrängt. Der Feind verdankte seinen Erfolg vor allem der
technischen Überlegenheit seiner Truppen, namentlich in bezug auf die
Ausrüstung mit Kampfwagen. Auch die Engländer brachten jetzt
einen neuen leichten Typ heraus; er besaß, wie der französische
Renault-Tank, nur zwei Mann Besatzung, von denen einer das Fahrzeug, der
andere das Maschinengewehr bediente. Schnell und wendig, infolge ihrer
geringen Größe von der deutschen Artillerie nur schwer zu fassen,
stellten diese leichten Tanks eine Kampfwaffe dar, die namentlich dann von
größter Wirkung sein mußte, wenn ihr Stoß
überraschend und in großen Massen auf eine bereits
erschütterte oder doch nicht mehr vollkampfkräftige Front traf. War
auch die Waffenwirkung der Tanks selbst meist nicht sehr erheblich, so war es
doch vornehmlich der große moralische Eindruck, der ihnen beim Angriff
zum Erfolg verhalf.
Auch die deutsche Heeresverwaltung blieb in der Tankfrage nicht
müßig. In der Heimat waren inzwischen zwei Gattungen von
Kampfwagen weiter entwickelt worden, einmal der große Tank mit
leistungsfähigem Geschütz-Kaliber und starker, selbst gegen
Artillerievolltreffer ausreichender Panzerung, gewissermaßen das
Schlachtschiff der neuen Landflotte, und dann der Typ der leichten Kreuzer,
d. h. der kleine Tank, nur mit einem Maschinengewehr bestückt und
lediglich gegen Infanteriefeuer schützender Panzerung versehen, seine
Stärke in der Schnelligkeit und Beweglichkeit suchend. Während
von der ersteren Art bis Kriegsschluß noch kein Stück ganz
fertigzustellen war, wurden Konstruktion und Erprobung des leichten Tanks
schneller beendet, so daß im Sommer 1918 [391] mit der
Massenanfertigung begonnen werden konnte; die Möglichkeit hierzu war
jetzt gegeben, da sich die Industrielage in der Heimat infolge der Abwicklung des
Hindenburg-Programms inzwischen gebessert hatte. Jetzt ordnete die Oberste
Heeresleitung endlich auch die Aufnahme des Kampfwagens in die
Dringlichkeitsklasse 1 an. Um schnell voranzukommen, wurden zum Bau
der neuen Tanks gleich die Motoren und Triebwerkteile der zahlreichen, wegen
Gummimangels von früher her in der Heimat abgestellten starken
Personenkraftwagen verwendet. Immerhin war vorauszusehen, daß sich die
Lieferung größerer Mengen von
Kampfwagen - rd.1000 waren zunächst in Auftrag
gegeben - wegen Bereitstellung der erforderlichen Panzerplatten und
infolge der schwierigen Montagearbeiten bis zum Frühjahre 1919 hinziehen
würde. Da aber Frankreich und England für den Tankbau schon
vorher zahlreiche Kraftwagen- und sonstige Fabriken frei gemacht und mit
amerikanischer Hilfe eingerichtet hatten, mußte sich das
Mißverhältnis in der Ausrüstung der Feldheere mit diesem
neuen technischen Kampfwerkzeug immer mehr zuungunsten des deutschen
Heeres verschieben. Für 1918 hatte die französische
Heeresverwaltung bereits 4000, die englische gar 5000 Tanks in Auftrag gegeben,
deren größter Teil im Laufe des Jahres auch nach und nach zur
Ablieferung kam. Die Kampfwagen haben den Feind in der Folgezeit bei
Einleitung seiner Angriffe wiederholt wirksam unterstützt, während
die deutschen Abwehrmaßnahmen diesem Masseneinsatze nicht immer
gewachsen waren, wenn es auch meist gelang, den feindlichen Tankgeschwadern
bei ihrem Vorgehen erhebliche Material- und Personalverluste beizubringen.
Der schwerste Schlag, der dem Feinde mit Hilfe seiner Tanks und unter
Anwendung künstlichen Nebels glückte, wurde von ihm am 8.
August an der Somme geführt, wo es überraschend vorbrechenden
feindlichen Kampfwagen gelang, an einzelnen Stellen bis zu den
Divisionsstabsquartieren durchzubrechen. Erhebliche Einbußen hatte dieser
Tag für die betroffene Armee zur Folge.
Auch sonst kam dem Gegner die seinen Truppen durch die Ausrüstung mit
zahlreichen Kraftfahrzeugen aller Art verliehene Beweglichkeit immer mehr
zustatten. Wie berichtet wird, standen im Spätsommer 1918 allein an der
Westfront den Amerikanern etwa 40 000, den Franzosen etwa
100 000 Kraftfahrzeuge zur Verfügung, ungerechnet die
Kampfwagenabteilungen mit ihrem Fahrzeugpark; für die Engländer
sind nähere Angaben noch nicht bekannt. Insgesamt wird die Entente also
allein in Frankreich und Belgien über 200 000 Kraftfahrzeuge
(einschließlich der Krafträder) besessen haben. Demgegenüber
hat das deutsche Heer an allen Kriegsfronten, einschließlich
Ost- und Südostfront, niemals mehr wie 40 000 Kraftfahrzeuge
verfügbar gehabt. Allein schon der Vergleich dieser beiden Zahlen zeigt die
materielle Überlegenheit des Feindes auch auf diesem Gebiet.
[392] Die sich immer
erneuernden, örtlich wechselnden Offensiven des Marschalls Foch brachten
eine schwere Belastungsprobe für die deutsche Front; nur wenn es gelang,
jeweils frische Truppen an bedrohte Punkte zu werfen und abgekämpfte
durch ausgeruhte zu ersetzen, konnte verhindert werden, daß der
Zusammenhang der Armeen an einer Stelle gelöst und damit die deutsche
Stellung aufgerollt wurde. Jetzt zeigte sich erst die volle Bedeutung des
beweglichen Kraftwagens auch in operativer Hinsicht; er wurde nunmehr ein
geradezu unentbehrliches Hilfsmittel zur schnellen Ausführung der
Truppentransporte. Der Nachteil, daß immer nur die Infanterie gefahren
werden konnte, während Artillerie und Pferdefahrzeuge zu marschieren
hatten, mußte in Kauf genommen werden. Während der
Kampfhandlungen dieser Monate haben die Kraftfahrtruppen aller Armeen durch
ihre in unermüdlicher Ausdauer unternommenen Fahrten zu
Truppenverschiebungen und Munitionstransporten wesentlich dazu beigetragen,
daß der Versuch des Feindes, die deutsche Front zu durchbrechen,
mißlang.
Infolge des zunehmenden Pferdemangels wurden jetzt auch eigentliche
Kampftruppen, z. B.
Maschinengewehr-Scharfschützen-Abteilungen, auf Kraftwagen gesetzt.
Die Kraftfahrtruppe erhielt damit ein Feld der Tätigkeit, das ganz neue
Ansprüche an den Fahrdienst stellte. Man führte den Kraftzug
nunmehr auch bei Heeresartillerie-Regimentern ein, um diese schnell von einer
Armee zur anderen ohne Inanspruchnahme der Eisenbahn verschieben zu
können. Die Rücksicht auf die Rohstofflage gestattete jedoch nicht,
jedes der in Frage kommenden Regimenter mit der vollen
Kraftfahrzeugausrüstung zu versehen. Man stellte also besondere
Kraftfahrverbände - Kraftwagenstaffeln - auf, die im
Bedarfsfalle zur Beförderung mehrerer Regimenter nacheinander dienen
sollten; außerdem erhielt jedes Regiment eine Anzahl eigener
Personen- und Lastkraftwagen zur Beförderung des Regimentsstabes, zum
Munitionieren und zur wirtschaftlichen Versorgung des Regiments. Die Lafetten
wurden für den Landmarsch mit Hilfe besonderer Einrichtungen auf die
Motorwagen verladen, während die Protzen meist angehängt wurden.
Wenn keine Zeit zu verlieren war, wurden die Gefechtsbatterien durch die
Kraftwagenstaffel gleich bis unmittelbar in die Feuerstellungen gefahren und die
Geschütze dort abgeladen; die frei werdenden Lastkraftwagen standen dann
ebenfalls zur Munitionierung zur Verfügung. Diese
Feldartillerie-Regimenter auf Kraftwagen stellten eine wertvolle Reserve in der
Hand der höheren Truppenführung zur schnellen Verstärkung
bedrohter Kampfabschnitte dar und haben infolge ihrer großen
Beweglichkeit erhebliche Entfernungen auf dem Landwege von einer Armee zur
anderen zurückgelegt.
Die Weiterentwicklung der Kraftfahrtruppe, im besonderen die immer enger
werdenden Beziehungen zur fechtenden Truppe, bedingten auch den weiteren
Ausbau des Stabes des Feldkraftfahrchefs; ihm wurden jetzt auch [393] mehrere
Generalstabsoffiziere unter einem Chef des Generalstabs beigegeben, welche die
taktischen Fragen beim Einsatz und Zusammenwirken der Kraftfahrtruppen
einschließlich Panzerwagenabteilungen mit den übrigen Waffen,
sowie vorbereitende Maßnahmen für größere
Kampfhandlungen zu bearbeiten hatten.
In jener Zeit wurde auch das militärische Kraftbootwesen dem
Feldkraftfahrchef unterstellt. Es befanden sich damals etwa 450 Motorboote beim
Feldheere, darunter zahlreiche Boote des Freiwilligen Motorbootkorps, das bereits
im August 1914 gegründet und seitdem bei den Kampfhandlungen in
Flandern, auf den Strömen und Seen Rußlands, sowie im
Patrouillendienst auf der Donau mit besonderem Erfolg tätig gewesen war.
Auch bei den Dienststellen des Feldeisenbahnchefs befanden sich zur
Beaufsichtigung der Schiffahrtsstraßen und Regelung der Wassertransporte
zahlreiche Motorboote. Die technische Überwachung aller dieser Boote fiel
nunmehr den Kommandeuren der Kraftfahrtruppen innerhalb ihres
Befehlsbereiches zu, während die Instandhaltung von den
Armee-Kraftwagenparks mit Hilfe besonders eingerichteter Bootswerften
übernommen wurde.
Den Weisungen der Heeresleitung folgend, gingen die deutschen Armeen unter
dem Drucke des überlegenen Feindes Schritt für Schritt auf ihre
rückwärtigen Stellungen zurück, nachdem vorher
möglichst die aufzugebenden Munitionsdepots und Vorratslager
geräumt und die bodenständigen Einrichtungen nach
rückwärts verlegt worden waren. Der größte Teil dieser
Räumungstransporte fiel der Kraftfahrtruppe neben ihren sonstigen
Aufgaben zu; dabei hatten sie auch noch für die rechtzeitige
Rückverlegung ihrer eigenen Werkstätten,
Reifen- und Betriebsstoffbestände zu sorgen. Wie bei der fechtenden
Truppe mußte in diesen schweren Wochen des Rückzugs
höchste Kraftanstrengung auch von den Leuten im Lederrock gefordert
werden; an ein Ausruhen und Auffrischen ermüdeter Formationen war nicht
mehr zu denken.
Die Entente hatte inzwischen am 15. September an der Salonikifront den Angriff
gegen die deutsch-bulgarische Front eröffnet. Dadurch, daß die
bulgarischen Divisionen vollständig versagten, wurden auch die
zahlreichen zugeteilten deutschen Kraftfahrformationen in eine schwierige Lage
gebracht, aus der sie sich nur unter Aufgabe wertvoller Materialbestände
frei machen konnten. Als die wenigen deutschen Divisionen nach aufopferndem
Widerstande den Rückzug antraten, wurde dieser von den bei der
Heeresgruppe befindlichen Kraftfahrformationen begleitet. Im nördlichen
Serbien hörte jedoch die Möglichkeit der Verwendung von motorisch
betriebenen Fahrzeugen bald auf, da schlechtes Wetter und Regen die serbischen
Straßen wieder wie im Jahre 1915 unfahrbar machte.
Der Zusammenbruch Bulgariens und das Vorgehen der Entente bis zur Donau
rückte eine große, unter Umständen kriegsentscheidende
Gefahr in greifbare Nähe, nämlich den Verlust Rumäniens mit
seinen reichen Getreide- und [394]
Erdölvorräten. Wurde der Betriebsstoffnachschub von dort nach
Deutschland unterbunden, so war der Zeitpunkt, wo an der Front jedes motorisch
betriebene Fahrzeug zum Stillstand kam, nicht mehr fern. Was das für die
Kriegführung bedeutete, war klar zu übersehen; ohne
Unterstützung durch den Verbrennungsmotor war an eine
erfolgversprechende Weiterführung des Kampfes wohl kaum noch zu
denken. Auch mit Hilfe der von der Marine inzwischen aufgespeicherten
Vorräte an U-Boot-Treiböl konnte man die Betriebsstoffversorgung
des Feldheeres gegebenenfalls nur um wenige Wochen länger
aufrechterhalten, dann war es auch damit zu Ende. Diese außerordentlich
ernsten Umstände fielen schwer mit in die Wagschale, als es sich darum
handelte, die Möglichkeiten abzuwägen, ob unter Ablehnung der
Deutschland zugedachten demütigenden Waffenstillstandsbedingungen der
Krieg weitergeführt werden könne oder nicht.
Inzwischen hatten die Kämpfe an der Westfront ihren Fortgang genommen.
Zwar hielten die Armeen unter sich noch den Zusammenhang aufrecht, aber die
Etappen begannen sich bereits unter dem Eindrucke der haltlosen Zustände
in der Heimat aufzulösen, die Versorgung der Truppe war aufs schwerste
gefährdet. Nur mit Mühe gelang es, den Betriebsstoff aus der Heimat
weiter bis zur Front vorzubringen. Da führte die ausbrechende Revolution
das Ende des deutschen Widerstandes herbei, und die durch den Umsturz ans
Ruder gelangte neue Regierung sah sich gezwungen, den Waffenstillstand
anzunehmen. Eine seiner härtesten Bedingungen war die Räumung
der linken Rheinseite durch die deutschen Truppen innerhalb einer aufs knappste
bemessenen Frist. In der nicht völlig zu vermeidenden Unordnung lockerte
sich an vielen Stellen die Manneszucht in bedenklicher Weise und zahlreiche
Führer von Kraftfahrzeugen einzelner Stäbe und
rückwärtiger Formationen suchten ihr Heil in schleuniger Fahrt nach
Deutschland. Die eigentlichen Kraftfahrformationen blieben aber zum
überwiegenden Teile geschlossen in der Hand ihrer Führer und
unterstützten den Rückmarsch der in guter Ordnung
zurückgehenden Kampftruppen, denen es vorzugsweise durch ihre Hilfe
wider Erwarten gelang, die von der Entente festgesetzten Räumungsfristen
tatsächlich innezuhalten.
Nach Überschreiten des Rheins verfielen die Feldtruppenteile und damit
auch die Kraftfahrverbände der Auflösung; dabei geriet zum Nachteil
des Reiches zahlreiches wertvolles Kraftfahrgerät in Verlust. Dem
tatkräftigen Eingreifen des Kriegsministeriums war es zu danken, daß
trotz der Revolutionswirren wenigstens die Organisation der immobilen
Kraftwagenkolonnen aufrechterhalten blieb; in Zivilbetriebe umgewandelt, haben
diese Kolonnen mit ihren Lastkraftwagen zur Milderung der durch den
unglücklichen Ausgang des Krieges und die Demobilmachung
hervorgerufenen Verkehrsnot noch wertvolle Dienste geleistet. Für die an
allen Fronten erprobte Kraftfahrtruppe war es ein unvorhergesehenes Ende, das
ihr, wie allen übrigen Waffen, in diesen Wochen durch den allgemeinen
Zusammenbruch bereitet wurde.
[395] Auch auf dem
türkischen Kriegsschauplatze hatten sich unterdessen entscheidende
Vorgänge ereignet. In Palästina, wo der Oberbefehl über die
verbündeten deutsch-türkischen Truppen an General Liman von
Sanders übergegangen war, wurden zwar noch im Frühjahr 1918
Vorstöße englischer Reiterei abgewiesen, wobei auch deutsche
Kraftfahrtruppen beteiligt waren; aber eine im September 1918 mit starken
Kräften angesetzte Offensive der Engländer brachte die schon nicht
mehr kampfkräftige türkische Front zum Weichen und führte
in wenigen Wochen den völligen Zusammenbruch herbei, der auch durch
die geringen deutschen Kräfte nicht aufzuhalten war. Infolge des
Durchbruchs einer englischen Kavallerie-Division in der Gegend von Nazareth
wurden die dort stehenden, zahlreichen deutschen Kraftfahrverbände
abgeschnitten und fast gänzlich aufgerieben; Offiziere und Mannschaften
fielen in verzweifeltem Widerstand oder gerieten in Gefangenschaft; nur wenigen
gelang es, sich durchzuschlagen. Kurz entschlossen raffte man die
verfügbaren deutschen Truppen aller Waffen zusammen und warf sie der
die rückwärtigen Verbindungen bedrohenden Kavallerie entgegen;
leider hatten die deutschen Abteilungen, darunter auch zahlreiche Kraftfahrer, in
den Gefechten schwere Verluste zu beklagen. Für die durch die
Auflösung der türkischen Armeen in Mitleidenschaft gezogenen
Kraftfahrverbände wurde zunächst Damaskus als Hauptsammelplatz
bestimmt, jedoch mußte die Stadt vor dem nachdrängenden Feind
bereits am 30. September geräumt werden. Die Formationen gingen unter
Mitnahme der Verwundeten und des Geräts über Homs in die
Gegend von Aleppo zurück; von dort marschierten sie, nachdem die
Verbände neu geordnet waren, auf dem Landwege über den Amanus
und Taurus nach Bozanti und wurden dort, da ein Weiterkommen zu Lande
unmöglich war, mit der Bahn nach Haidar Pascha am Bosporus verladen.
Einigen Kraftfahrverbänden gelang es, von dort aus noch rechtzeitig
über Odessa und die Ukraine nach Deutschland zurückzukommen.
Der größere Teil von ihnen geriet jedoch infolge des
Waffenstillstands in Kriegsgefangenschaft, wurde mehrere Monate in der
Umgebung von Konstantinopel interniert und erst zu Beginn des Jahres 1919 auf
dem Seewege durch das Mittelmeer heimbefördert, nachdem die Entente
die Benutzung deutscher Schiffe hierzu freigegeben hatte.
Eine besondere Leistung vollbrachten die der türkischen 6. Armee zugeteilt
gewesenen deutschen Kraftfahrverbände. Da sie auf ihrem Rückzuge
von Mossul die Eisenbahn nördlich Aleppo bereits von englischer Reiterei
unterbrochen sahen, wandten sie sich quer durch Kleinasien über Siwas
nach Samsun am Schwarzen Meer und schlugen damit teilweise denselben Weg
ein, wie mehr als 2300 Jahre früher der Rest der 10 000 griechischen
Söldner des Kyros unter Xenophon. Infolge der gänzlich
ungenügenden Wegeverhältnisse und der Knappheit an
Nahrungsmitteln gestaltete sich der Rückmarsch außerordentlich
schwierig; nur dadurch, daß man auf der Mitte der Strecke durch eine
Kraft- [396] wagenexpedition aus
Bozanti Nachschub und Unterstützung erhielt, gelang es, nach
mühseligem Marsche endlich die Küste des Schwarzen Meeres zu
erreichen. Von dort wurde die Truppe im Frühjahr 1919 dann ebenfalls auf
dem Seewege nach Hause befördert. Unberührt durch die
zersetzenden Wirkungen der revolutionären Ideen hat sie bis zuletzt straffe
Manneszucht gehalten und ist trotz der ausgestandenen Strapazen in
ausgezeichneter Verfassung in der Heimat eingetroffen.
8. Rückblick.
Überblicken wir noch einmal kurz den Werdegang des Feldkraftfahrwesens
während des Krieges.
Bei Kriegsbeginn so gut wie keine Erfahrungen auf diesem Gebiete, die
militärischen und wirtschaftlichen Vorbereitungen vielfach
unzulänglich und jedenfalls nicht auf längere Kriegsdauer eingestellt.
Im Verlaufe des Feldzugs wurde dann die Verwendung des Kraftfahrzeugs
für die Zwecke der Kriegführung in ganz ungeahntem Umfange
notwendig, so daß alles erst neu geschaffen werden mußte. Die
militärischen Erfordernisse zeigten jeweils den einzuschlagenden Weg an,
wobei aber noch die Eigenart der Verhältnisse auf den einzelnen
Kriegsschauplätzen zu berücksichtigen war. Der
Durchführung der erkannten Notwendigkeiten stellten sich je länger,
je mehr die geschilderten außerordentlichen Schwierigkeiten in der
Personal- und Materialfrage, vor allem die jede freie Betätigung stark
einengende Knappheit an Gummi und Betriebsstoff, entgegen. Wenn die deutsche
Heeresleitung trotzdem der sich immer höher auftürmenden
Schwierigkeiten lange Zeit Herr geworden ist, so ist dies einmal ein Erfolg der
hoch entwickelten deutschen Technik auf diesem Gebiet, dann aber insbesondere
das Verdienst der Truppe und ihrer Führer. Die "schwarze Garde", wie die
Kraftfahrtruppe schon im Frieden genannt wurde, hat jederzeit ihre volle
Schuldigkeit getan; sie kann auf die vollbrachten Leistungen stolz sein. Daß
die Entente schließlich mit ihren Tanks ein überlegenes Kampfmittel
in entscheidender Zahl ins Feld führen konnte, mag an einer
anfänglichen Unterschätzung derselben von deutscher Seite gelegen
haben; aber auch die jedes Maß überspannenden Anforderungen der
Kriegführung auf allen Gebieten mußten schließlich die
deutsche Kraft versagen lassen.
Die gegen die Vorkriegszeit erheblich gesteigerte Ausstattung der jetzigen
deutschen Wehrmacht mit Kraftwagen läßt erkennen, daß die
Erfahrungen des Krieges auf diesem Gebiet auch für die veränderten
Aufgaben des neuen Reichsheeres nutzbar gemacht worden sind. Bei
fortschreitender Entwicklung und technischer Vervollkommnung wird das
Kraftfahrzeug militärisch noch an Bedeutung gewinnen und sich weitere
Verwendungsgebiete erobern.
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