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Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung, Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden Organisationen

[1] Kapitel 1: Ausbau und Ergänzung des Heeres
Generalmajor Ernst v. Wrisberg

1. Die Entwicklung bis 1914.

Der Weltkrieg war ein Kampf des deutschen Volkes. Wer Waffen tragen konnte, zog in die Schlacht; wem dazu die Kräfte fehlten, trat hinter der Front und in der Heimat in den Dienst des Krieges. Und als die Not stieg, stellten Frauen und Jugendliche sich dem Vaterlande zur Verfügung, um alle Männer für die Abwehr des feindlichen Ansturms frei zu machen.

Wohl hatte das Volk ein schlichtes Gefühl für die gewaltige Größe seiner Leistungen. Noch heute weiß es nicht, wie groß, wie ungeheuer groß sie in Wirklichkeit gewesen sind.

Und doch ist es das Erschütterndste, was je ein Volk auf sich genommen hat. Weit ließen sie alles das hinter sich, was Preußen in den Befreiungskriegen, was die deutschen Staaten im französischen Kriege an Kämpfern aufgebracht haben. So geben die damaligen Stärken, die unsern Vätern und uns bewundernswert schienen, allein den richtigen Maßstab für den Opfermut des deutschen Volkes im Weltkriege.

Die Pariser Konvention vom 8. September 1808 hatte die Stärke der preußischen Armee auf 42 000 Mann festgesetzt. Die Aufstellung von Bürgergarden und die Einziehung von Milizen war verboten. Durch strenge Aufsicht wurde die Ausführung von den Feinden überwacht.

Fünf Jahre später zog ein Volk in Waffen in den Krieg, um sich vom napoleonischen Joch zu befreien. Die Welt staunte. Wie war dies möglich gewesen!

Die vorhandenen gedienten sowie durch das Krümpersystem ausgebildeten Leute hatten die Linientruppen ergänzt. Freiwillige Jäger-Detachements - eine Lieblingsschöpfung von Scharnhorst - waren durch eigene Mittel entstanden. Die wehrfähige Masse des Volkes zwischen 17 und 40 Jahren war durch die Landwehrordnung vom März 1813 aufgeboten und hatte die preußische Landwehr gebildet.

Während der Befreiungskriege entstand das Gesetz über die Verpflichtung zum Kriegsdienst vom 3. September 1814. Die allgemeine Wehrpflicht wurde hierdurch eingeführt, die größte und entscheidendste Maßnahme für die Entwicklung [2] der deutschen Kriegsmacht. Der Gedanke von Scharnhorst, daß der Einsatz einer ganzen Volkskraft nicht zu gut noch zu teuer sei, um nationale Existenz und nationale Kultur zu sichern, wurde damit Richtschnur.

Die militärischen Maßnahmen auf dem Gebiete der Heeresorganisation und der Ausbildung, die Erhebung des Volkes zu seiner Befreiung, die Taten seiner Söhne in dem Kriege sind Leistungen, die in der Weltgeschichte ewig bestehen bleiben.

Seit dieser Zeit bildete das Volk in Waffen Preußens Heer. Die Armee wurde die Waffenschule für die gesamte männliche Jugend des Landes. Sie war der feste wohlvorbereitete Rahmen, in den sich im Falle eines Krieges die bewaffnete Jugend des Landes einzufügen hatte.1

Der Krieg 1870/71 sah das deutsche Volk in Waffen.

Nach erfolgter Mobilmachung zählten die Streitkräfte

des Norddeutschen Bundes (einschl. Hessen):2
            396 Bataillone Infanterie und Jäger (davon 52 Landwehr-Bataillone),
320 Eskadrons (davon 16 Reserve-Eskadrons),
214 Batterien mit 1284 Geschützen (davon 12 Reserve-Batterien),
44 Pionier-Kompagnien (davon 4 Festungs-Kompagnien),
      der Feldarmee,
138 Bataillone (davon 24 mobile Linien-Infanterie-Bataillone),
48 Eskadrons,
27 Batterien mit 162 bespannten Geschützen,
173 Festungsartillerie-Kompagnien,
29 Pionier-Kompagnien,
      Besatzungstruppen und
118 Bataillone,
18 Jäger-Kompagnien,
76 Eskadrons,
41 Batterien mit 246 bespannten Geschützen,
13 Pionier-Kompagnien,
      Ersatztruppen,
      mit einer Verpflegungsstärke von 982 064 Mann und 209 403 Pferden.

Bayern stellte auf:
50 Infanterie- und Jäger-Bataillone,
40 Eskadrons,
32 Batterien mit 192 Geschützen,
6 Genie-Kompagnien
      an Feldtruppen,
[3]          24 Infanterie- und Jäger-Bataillone (davon 8 Linien-Bataillone),
3 - 4 Eskadrons,
16 Festungs-Batterien,
4 Festungs-Genie-Kompagnien,
      Besatzungstruppen und
16 Infanterie-Bataillone und 10 Jäger-Kompagnien,
10 Eskadrons,
8 Batterien zu 3 bespannten Geschützen,
2 Genie-Kompagnien,
      Ersatztruppen,
      mit einer Verpflegungsstärke von 128 964 Mann und 24 056 Pferden.

Die Kriegsmacht Württembergs belief sich an Feldtruppen auf:
15 Bataillone Infanterie und Jäger,
10 Eskadrons,
9 Batterien mit 54 Geschützen,
2 Pionier-Kompagnien,
      und an Besatzungs- und Ersatztruppen auf:
8 Bataillone Infanterie (davon 4 Linien-Bataillone),
6 Eskadrons,
3 Batterien mit 12 bespannten Geschützen,
4 Festungs-Batterien,
1 Genie-Kompagnie,
1 Pionier-Ersatzabteilung,
      zusammen an Verpflegungsstärke 37 180 Mann und 8 876 Pferden.

In Baden wurden aufgestellt:
13 Bataillone,
12 Eskadrons,
9 Batterien mit 54 Geschützen,
1 Pionier-Kompagnie,
      Feldtruppen,
11 Bataillone (davon 5 Linien-Bataillone),
1 Eskadron,
9 Festungs-Artillerie-Kompagnien (davon 1 bespannte zu 6 Geschützen),
1 Festungs-Pionier-Kompagnie,
      Besatzungstruppen und
6 Infanterie-Detachements,
3 Eskadrons,
2 Batterien mit 12 Geschützen,
1 Pionier-Detachement,
      Ersatztruppen,
      mit einer Verpflegungsstärke von 35 181 Mann und 8 038 Pferden.

[4] Zusammenfassend setzte sich das Heer zusammen aus
      der Feldarmee mit
474 Bataillonen,
382 Eskadrons,
264 Batterien,
53 Pionier-Kompagnien;
      den Besatzungs- und Ersatztruppen mit
328 Bataillonen,
144 Eskadrons,
82 Batterien,
201 Festungs-Artillerie-Kompagnien,
51½ Pionier-Kompagnien,
      mit einer Verpflegungsstärke von 1 183 389 Mann und 250 373 Pferden, davon
            882 990 Kombattanten mit 2 046 bespannten Geschützen.

Am 1. März 1871 zählte das Heer 1 350 408 Mann und 265 508 Pferde.

Diese kurze Zusammenstellung war notwendig, um sich ein Bild von den Leistungen im Kriege 1870/71 zu schaffen und dadurch einen Vergleich mit denen des Weltkrieges zu ermöglichen.

Dieses Bild würde aber der Vollständigkeit entbehren, wollte man nicht die Leistungen auf einzelnen Gebieten heranziehen.

An Munition wurden im Laufe des Krieges zur Füllung der Kolonnen der Feldartillerie verausgabt 338 309 Schuß Artilleriemunition und 16 823 011 Infanteriepatronen.

Der gesamte Munitionsverbrauch der Belagerungsartillerie ist nicht festgestellt. Es muß deshalb genügen, einzelne Fälle anzuführen. So wurden
für Straßburg 202 099 Schuß,
" Paris 110 286 "
verbraucht.

Auf dem Gebiete des Ersatzes hatte das Heer bis März 1871 im ganzen einen Nachschub von 2172 Offizieren, etwa 220 590 Mann und 22 013 Pferden erhalten.

Der Gesamtverbrauch an Feldgeschützen belief sich auf 116 Rohre.

Für die Leistungen im Sanitätsdienst sind folgende Zahlen bezeichnend:

Auf der Eisenbahn wurden nach Deutschland an Kranken und Verwundeten 240 426 Mann überführt.

In den staatlichen Reserve-Lazaretten einschließlich Kriegsgefangenen-Lazaretten sind 812 021 Mann behandelt. Zur Zeit des höchsten Bedarfes waren an 368 Orten insgesamt 111 932 Lagerstellen besetzt.

Die Feldpost hatte bis zum März 1871 von und zur Armee rund 102 Millionen Briefe und 2,4 Millionen Pakete zu befördern.

[5] Seit dem Kriege 1870/71 schritt der Ausbau des Heeres weiter fort.

Es wurde die Friedensstärke des Heeres festgesetzt für die Jahre

    1875-1881 auf 401 659 Mann,
    1881-1888   " 427 274     "
    1888-1894   " 486 983     "
    1894-1899   " 479 229     "
    1899-1905   " 495 500     "
    1905-1910   " 505 839     "
    1911-1916   " 515 321     "

Im Jahre 1875 bestand die Armee aus:

    469 Bataillonen Infanterie,
    465 Eskadrons,
    300 Feldbatterien,
    29 Bataillonen Fußartillerie,
    18 Bataillonen Pionieren und
    18 Train-Bataillonen.

Nach dem Gesetz vom 3. Juli 1913 sollte das Heer umfassen:

    669 Bataillone Infanterie einschließlich Jäger und Schützen,
    550 Eskadrons,
    642 Feldbatterien,
    55 Bataillone Fußartillerie,
    44 Pioniere,
    31 Bataillone Verkehrstruppen,
    28 Bataillone Train.

Von den hierneben zu bildenden Verbänden sollte ein Teil erst mit oder nach dem 1. 10. 14 errichtet werden, so daß das Heer bei Beginn des Krieges bestand aus:

    166 preußischen,
    72 bayerischen,
    51 sächsischen,
    30 württembergischen,

zusammen 319 Infanterie-Regimentern mit 651 Bataillonen. Dazu kamen noch 1 Lehr-Infanterie-Bataillon, 2 Infanterie-Schießschulen, 9 Unteroffiziersschulen;

    14 preußischen,
    2 bayerischen,
    2 sächsischen,

zusammen 18 Jäger-(Schützen-)Bataillonen;

    9 preußischen Maschinengewehr-Abteilungen, 180 Maschinengewehr-Kompagnien und 15 Festungs-Maschinengewehr-Abteilungen,
    1 bayerischen Maschinengewehr-Abteilung und 24 Maschinengewehr-Kompagnien,
    [6] 1 sächsischen Maschinengewehr-Abteilung und 19 Maschinengewehr-Kompagnien,
    10 württembergischen Maschinengewehr-Kompagnien,

zusammen 11 Maschinengewehr-Abteilungen, 233 Maschinengewehr-Kompagnien und 15 Festungs-Maschinengewehr-Abteilungen, außerdem 1 Lehr-Maschinengewehr-Kompagnie und 1 Maschinengewehr-Kompagnie bei dem Lehr-Infanterie-Bataillon;

    86 preußischen,
    12 bayerischen,
    8 sächsischen,
    4 württembergischen,

zusammen 110 Kavallerie-Regimenter mit 547 Eskadrons und 5 Reitschulen;

    76 preußischen,
    12 bayerischen,
    8 sächsischen,
    4 württembergischen,

zusammen 100 Feldartillerie-Regimentern mit 633 Batterien und 1 Feldartillerie-Schießschule zu 9 Batterien;

    19 preußischen,
    3 bayerischen,
    4 sächsischen,

zusammen 26 Fußartillerie-Regimentern mit 48 Bataillonen, 30 Bespannungsabteilungen, 1 Fußartillerie-Schießschule zu 1 Bataillon und 1 Versuchsbatterie;

    28 preußischen Pionier-Bataillonen mit 20 Scheinwerferzügen,
    4 bayerischen mit 3 Scheinwerferzügen,
    2 sächsischen mit 2 Scheinwerferzügen,
    1 württembergischen mit 1 Scheinwerferzug,

zusammen 35 Pionier-Bataillonen mit 26 Scheinwerferzügen und 1 Pionier-Versuchskompagnie;

an Verkehrstruppen bestanden:
3 Eisenbahnregimenter zu je 2 Bataillonen und 2 Bataillone (davon Bayern 1 Bataillon zu 3 Kompagnien, Sachsen 2 Kompagnien, Württemberg 1 Kompagnie),
1 preußische Eisenbahn-Betriebsabteilung mit sächsischem Detachement,
9 Telegraphen-Bataillone (davon 2 bayerische, 1 sächsisches Bataillon und 1 württembergische Kompagnie),
8 Festungs-Fernsprech-Kompagnien (davon 1 sächsische Kompagnie und 1 württembergisches Detachement),
5 preußische Luftschiffer-Bataillone (davon 1 sächsische und 1 württembergische Kompagnie),
[7]   5 Flieger-Bataillone (davon 1 bayerisches Bataillon, 1 sächsische Kompagnie),
1 preußisches Kraftfahr-Bataillon mit je 1 sächsischen und württembergischen Detachement,
1 bayerisches Luft- und Kraftfahr-Bataillon,
1 Versuchsabteilung mit Versuchskompagnie des Militärverkehrswesens (einschließlich je 1 sächsischen und württembergischen Detachement),
2 Kavallerie-Telegraphenschule (davon 1 bayerische),
25 Train-Bataillone (19 preußische, 3 bayerische, 2 sächsische, 1 württembergisches).

Diese Formationen waren in
25 Armeekorps (19 preußische, 3 bayerische, 2 sächsische, 1 württembergisches)
zusammengefaßt. Außerdem bestanden 8 Armeeinspektionen.


1 [1/2]Theodor v. Bernhardi, Denkschrift 1860. ...zurück...

2 [2/2]Generalstabswerk 1870/71. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte