Bd. 5: Der österreichisch-ungarische
Krieg
[569]
Kapitel 24: Österreich-Ungarns
Seekrieg
Linienschiffsleutnant Peter Freiherr v. Handel-Mazzetti
und Fregattenleutnant Viktor Igálffy v. Igaly
Teils infolge der geringen Küstenausdehnung, teils jedoch auch infolge der
politischen und historischen Tradition, die Interessensphären nur auf dem
Festlande selbst suchte, besaß die
österreichisch-ungarische Monarchie unter den sieben
Großmächten der Vorkriegszeit den kontinentalsten Charakter. Aus
diesem Grunde war weder die Handels- noch die Kriegsmarine mit der
Größe des Staates und seiner immerhin bedeutenden politischen
Rolle übereinstimmend. Obwohl die letzte Generation
unverhältnismäßig viel zur Förderung der
Seemachtstellung leistete, konnte das Versäumnis eines Jahrhunderts in
dem kurzen Zeitraum nicht wettgemacht werden.
Österreich-Ungarn stand im Mittelmeere allein, weil seine Bundesgenossen
infolge ihrer Entfernung für einen Krieg nicht in Betracht kamen. Es
genügt daher, im folgenden in kurzen Zügen die
Gleichgewichts- oder vielmehr Nicht-Gleichgewichtslage im Mittelmeer zu
skizzieren. Obzwar Englands handelspolitische Interessen stark auf das
Mittelmeer als Verbindungsweg nach Indien gerichtet sind, hielt
Großbritannien in diesem Gebiet nur eine
verhältnismäßig kleine Flottenmacht in Dienst, deren
Basishafen Malta war. Der Grund für das Abziehen englischer
Seestreitkräfte aus dem Mittelmeer war das Marineabkommen zwischen
England und Frankreich, nach welchem England seinem Alliierten die Obsorge
über das Mittelmeer überließ, während die englische
Flotte auch den Schutz von Frankreichs atlantischer Küste übernahm.
Da in militärischen Kreisen Italien immer als Feind angesehen wurde,
erscheint diese Macht in der nachfolgenden Übersicht der
Seestreitkräfte im Mittelmeer schon von Beginn an als Rivale und nicht als
Verbündeter.
Aus der folgenden Gegenüberstellung ist die ungeheure Übermacht
der Feinde zur See ersichtlich; allein schon diese Zahlen beweisen den schweren
Stand, den Österreich-Ungarns Kriegsmarine im Weltkriege hatte.
Daß es trotzdem gelungen ist, die österreichischen
Küstengewässer vom Feinde reinzuhalten und allen an die Marine
gestellten Anforderungen zu entsprechen, ist in erster Linie dem vorzüglich
ausgebildeten Personal, seinem Opfermut, der Dienstesfreude und auch der guten
Führung zu verdanken. Die kurze Niederlegung der Ereignisse des
Weltkrieges soll der Mit- und Nachwelt Kunde davon geben, daß tapfere
Männer ihre Pflicht bis zum Äußersten erfüllten. Ihrem
Angedenken seien diese Zeilen gewidmet.
[570]
Italien (Mai 1915).1
Flottenkommandant Vizeadmiral Herzog der Abruzzen.
I. Geschwader (Konteradmiral Corsi). |
1. Division: |
|
Conte di Cavour
Leonardo da Vinci
Giulio Cesare |
|
22 400 t; 13 - 30.5, 20 - 12 cm; 22 Seemeilen |
|
Dante Alighieri |
|
19 500 t; 12 - 30.5, 20 - 12 cm; 23 Seemeilen |
|
Kreuzer Nino Bixio |
|
3 600 t; 6 - 15 cm; 22 Seemeilen |
|
und 5 Zerstörer Typ
Indomito. |
2. Division (Konteradmiral Cutinelli): |
|
Regina Elena
Vittorio Emanuele
Roma
Napoli |
|
12 800 t; 2 - 30.5, 12 - 20 cm; 22 Seemeilen |
|
Kreuzer Quarto |
|
3 300 t; 6 - 12 cm; 28 Seemeilen |
|
und 5 Zerstörer Typ
Indomito. |
3. Division (Konteradmiral Cagni): |
|
Amalfi
Pisa
San Giorgio
San Marco |
|
10 600 t; 4 - 25, 8 - 19 cm; 23 Seemeilen |
|
Kreuzer Marsala |
|
3 600 t; 6 - 15 cm; 29 Seemeilen |
|
Zerstörer Typ Bersaglieri. |
II. Geschwader (Vizeadmiral Presbiterio). |
4. Division (Konteradmiral Rubin de Cervin): |
|
Regina Margherita
Benedetto Brin |
|
14 500 t; 4 - 30.5, 4 - 20, 12 - 15 cm; 20 Seemeilen |
|
Amm. di Saint Bon
Emmanuele Filiberto |
|
10 000 t; 4 - 25, 8 - 15, 8 - 12 cm; 18 Seemeilen |
|
Zerstörer älteren
Typs. |
5. Division (Konteradmiral Trifari): |
|
Vettor Pisani |
|
7 200 t; 12 - 15, 6 - 12 cm; 20 Seemeilen |
|
Giuseppe Garibaldi
Francesco Ferrucio
Varese |
|
7 400 t; 1 - 25, 2 - 20, 14 - 15 cm; 20 Seemeilen. |
[571]
Frankreich.
Mittelmeerflotte (Admiral de Lapeyrère).2 |
I. Geschwader: |
II. Geschwader: |
Courbet
Jean Bart |
|
23 500 t;
12 - 30.5,
22 - 14 cm;
20 Seem. |
Patrie
(Vizeadmiral Darbel)
Republique |
|
14 800 t;
4 - 30.5,
18 - 16 cm;
19 Seem. |
Mirabeau
Diderot
Voltaire
(Konteradm. Lacage)
Condorcet
Danton
Vergmand |
|
18 300 t;
4 - 30.5,
12 - 24 cm;
19 Seem. |
Democratie
Justice
(Konteradm. Tracon)
Vérité |
|
14 800 t;
4 - 30.5,
10 - 19 cm;
19 Seem |
I. Keuzerdivision: |
II. Keuzerdivision: |
Waldeck Rousseau
(Konteradm. de Sagney)
Edgar Quinet |
|
14 000 t;
14 - 19 cm;
23 Seem. |
Leon Gambetta
(Konteradmiral Sénés)
Victor Hugo
Jules Ferry |
|
12 500 t;
4 - 19,
16 - 16 cm;
22 Seem |
Ernest Renan |
|
13 700 t;
4 - 19,
12 - 16 cm;
24 Seem. |
6 Zerstörerflottillen mit insgesamt 35
Torpedobootszerstörern;
2 Unterseebootsflottillen mit 16 Unterseebooten und 4
Torpedobootszerstörern als Begleitfahrzeuge. |
England.
Mittelmeergeschwader (Admiral Milne).
II. Schlachtkreuzergeschwader: |
|
Inflexible
Indomitable
Indefatigable |
|
17 250 t
18 750 t |
|
8 - 30.5, 16 - 10 cm; 27 Seemeilen. |
I. Kreuzergeschwader (Konteradmiral Troubridge). |
|
Defence
Warrior |
14 600 t; 4 - 23, 10 - 19 cm; 23 Seemeilen
13 600 t; 6 - 23, 4 - 19 cm; 23 Seemeilen |
|
Black Prince
Duke of Edinburgh |
|
13 500 t; 6 - 23, 10 - 15 cm; 23 Seemeilen. |
[572]
Geschützte Kreuzer: |
|
Chatham
Dublin |
|
5 400 t; 8 - 15 cm; 26 Seemeilen |
|
Weymouth
Gloucester |
|
5 250 t; 8 - 15 cm; 25 Seemeilen
4 800 t; 2 -15, 10 - 10 cm; 26 Seemeilen |
16 Torpedobootszerstörer der "G"-Klasse: 950 t;
2 - 10, 2 - 7.6 cm; 27 Seemeilen;
3 Unterseeboote. |
Ordre de Bataille der
österreichisch-ungarischen Flotte (August 1914.)3
Flottenkommandant: Admiral Anton Haus.
Stabschef: Linienschiffskapitän Josef Rodler.
Flottenflaggschiff: S. M. S. "Viribus Unitis". |
I. Geschwader.
Vizeadmiral Maximilian Njegovan. |
II. Geschwader.
Vizeadmiral Franz Löfler. |
1. Division: |
3. Division: |
|
Tegetthoff
Viribus Unitis
Prinz Eugen |
|
20 000 t;
12 - 30.5;
12 - 15 cm;
20 Seem. |
|
Erzh. Karl
Erzh. Friedrich
Erzh. Ferdinand Max |
|
10 600 t;
4 - 24;
12 - 19 cm;
20 Seem. |
2. Division: |
4. Division: |
|
Erzh. Franz
Ferdinand
Radetzky
Zrinyi |
|
14 500 t;
4 - 30.5, 8 - 24,
20 - 10 cm;
20 Seem. |
|
Habsburg
Arpad
Babenberg |
|
8 300 t;
3 - 24;
12 - 15 cm;
19 Seem. |
Kreuzerflottille: Vizeadmiral Paul Fiedler. |
Kreuzerdivision: |
Sankt Georg |
|
7300 t; 2 - 24, 5 - 19, 4 - 15 cm; 22 Seem. |
|
Kaiser Karl VI. |
|
6300 t; 2 - 24, 8 - 15 cm; 20 Seem. |
|
Szigetvár
Aspern
Zenta |
|
2300 t; 2 - 24, 8 - 12 cm; 20 Seem. |
|
Saida |
|
3500 t; 9 - 10 cm; 27 Seem. |
I. Torpedoflottille. |
|
II. Torpedoflottille. |
Helgoland 3500 t; 9 - 10 cm; 27 Seem.
6 Typ Csepel 850 t; 2 - 10, 6 - 7 cm; 32 Seem.
6 Typ Huszar 400 t; 6 - 7 cm; 28 Seem.
6 Typ 74T 250 t; 2 - 7 cm; 28 Seem.
6 Typ 50E 200 t; —; 26 Seem. |
|
Admiral Spaun 3500 t; 7 - 10 cm; 26 Seem.
6 Typ Huszar 400 t; 6 - 7 cm; 28 Seem.
18 Typ 50E 200 t; —; 26 Seem. |
[573] In den ersten
Augusttagen des Jahres 1914 war die österreichisch-ungarische Flotte fast
vollständig im Hauptkriegshafen Pola versammelt. Die Mobilisierung
wurde dank der hervorragenden Organisation in größter Eile und
reibungslos durchgeführt. Frankreich und England, als die damaligen
Mittelmeergegner, kamen jedoch als Angriffsobjekte nicht in Frage. Die
k. u. k. Flotte war infolge ihrer Zusammensetzung aus Einheiten
älterer und neuer Konstruktion mit sehr verschiedener
Leistungsfähigkeit nicht geeignet, den Feind auf größere
Entfernung aufzusuchen. Überdies war Admiral Haus entschlossen, seine
Kräfte für den nach seiner Überzeugung unvermeidlichen
Kampf mit Italien aufzusparen.
Das deutsche Mittelmeergeschwader, Flaggschiff "Goeben" und Kreuzer "Breslau", eröffneten den Kampf zur See durch handstreichartige
Bombardements und Kommunikationsbeunruhigungen. Als das Geschwader nun
endlich von ganz bedeutenden feindlichen Seestreitkräften gestellt wurde,
war sein Eintritt in die Adria geplant. Die k. u. k. Flotte lief gegen
die Otrantostraße aus, um den Verbündeten aufzunehmen. Am 7.
August abends langte jedoch die Radiodepesche ein, daß "Goeben"
Kap Matapan umfahren und Kurs gegen Konstantinopel genommen habe,
worauf die Flottenabteilung wieder die Heimfahrt antrat. "Goeben" und "Breslau"
langten unbehelligt in Konstantinopel ein. Einige Tage darauf stellte sich die
Türkei auf die Seite der Mittelmächte; so trat das weitere Geschick
der deutschen Schiffe für Österreich aus dem Kreis der zu treffenden
strategischen Maßnahmen.
Da andererseits in den ersten Augusttagen auch der überlegene Feind in der
Adria nicht erschien, leitete die k. u. k. Flotte die vollständige
Blockierung Montenegros ein. Am 16. August trat Frankreich das erste Mal in der
Adria auf, um die Blockade gewaltsam aufzuheben. Am frühen Morgen
dieses Tages befanden sich "Zenta" und "Ulan" auf der Blockadelinie und sahen
sich mit unerwarteter Plötzlichkeit einer erdrückenden feindlichen
Großkampfflotte gegenüber. Der Ausgang des Gefechtes war ein
unzweifelhafter. Der alte Kreuzer "Zenta" sank nach scharfer Gegenwehr durch
Artilleriewirkung, während der Zerstörer "Ulan", hart unter der
montenegrinischen Küste fahrend, die Bocche di Cattaro erreichte. Die
österreichisch-ungarische Kriegsmarine hatte wohl den Verlust eines
Kreuzers zu beklagen und mußte die Blockade aufheben, doch bewies das
Gefecht die hohe Kampfesbereitschaft selbst ihrer ältesten Schiffe. Die
Franzosen, die nunmehr die Initiative der Seekriegführung in der Adria an
sich gerissen hatten, erschienen in der Folgezeit dreimal vor der Bocche di Cattaro
und beschossen, außerhalb der Minenverlegung bleibend, die
Außenforts, ohne aber nennenswerte Erfolge zu erzielen. Ihre Landungen
auf Lissa, Pelagosa und Lagosta waren bedeutungslose Operettenmanöver,
wobei sie sich dadurch auszeichneten, daß sie durch ungezogenes und
verabscheuungswürdiges Benehmen ihre Talmikultur an den Pranger
stellten. Die zu nächt- [574-575=Karten] [576]
lichen Gegenaktionen eingesetzten Torpedoverbände gelangten nie an den
Feind, da dieser nachtsüber die Küstengewässer stets
verließ. Der Erfolg der französischen Operationen beschränkte
sich darauf, daß die Entente in Antivari Transportdampfer zu löschen
vermochte, die Montenegro Kriegsmaterial und
Ausrüstungsgegenstände zuführten. Um die Artillerie des
Lovćen zum Schweigen zu bringen, wurde das Schlachtschiff "Radetzky"
in die Bocche entsendet und erzielte einen überraschend schnellen Erfolg
von bleibender Wirkung.
Gegen Ende des Jahres 1914 raffte sich der Feind nun auch zu
größeren Aktionen auf, die durch Unterseeboote eingeleitet werden
sollten. Das Unterseeboot "Bernouille" gelangte wohl in den Golf von Cattaro,
wurde jedoch gesichtet und entrann mit knapper Mühe, ohne zum
Schuß gekommen zu sein. Das Unterseeboot "Curie" versuchte die
Hafeneinfahrt Polas zu forcieren, blieb aber in den
Unterseeboots-Hindernissen hängen und konnte leicht versenkt werden.
Nach seiner Hebung wurde es als "U XIV" in die k. u. k.
Flotte eingereiht. Die leider nicht mehr ganz modernen Unterseeboote hatten
bisher in die Kampfhandlungen noch wenig eingegriffen und nur Kreuzungen vor
der montenegrinischen Küste durchgeführt. "U XII",
Kommandant Schiffsleutnant Lerch, unternahm als erstes eine
größere Ausfahrt und traf nördlich von Korfu die
französische Flotte bei schwerem Seegang an. Die zweimalige
Torpedierung des Flaggschiffes "Jean Bart" wirkte nachhaltig auf die
französische Großkampfflotte ein, die sich fortan vollkommen
zurückzog und bis zum Ende des Krieges nicht mehr wagte, mit
größeren Verbänden in der Adria aufzutreten. Die
Überwachung der montenegrinischen Küste konnte neuerlich
aufgenommen werden. Drei Torpedoboote drangen handstreichartig in Antivari
ein, zerstörten die Königsjacht und Magazine und kehrten unversehrt
wieder zurück. Durch die Versenkung des französischen
Panzerkreuzers "Leon Gambetta", der vom "U IV", Kommandant
Schiffsleutnant Trapp, torpediert wurde, gelang es auch, die leichten
französischen Streitkräfte aus der Adria endgültig zu
vertreiben und selbst die Bewegungsfreiheit zu vergrößern. Die
deutschen Unterseeboote VII, VIII und IX konnten von "Novara" und "Triglav"
bis auf die Höhe von Korfu geschleppt werden, um ihre Weiterreise nach
den Dardanellen anzutreten, wo sie zeitgerecht und erfolgreich in die dortigen
Kampfhandlungen eingriffen.
Diese rein defensive Stellung der Kriegsmarine im ersten Abschnitte des Krieges
hatte den großen Vorteil, daß die Mannschaft, bei fast
gänzlicher Vermeidung von Schiffsverlusten, hervorragend für den
Kriegsdienst geschult wurde. Als am 23. Mai die Kriegserklärung Italiens
erfolgte, konnte die Marine diesen Tag furchtlos bejubeln, da der Geist hoher
Kriegstüchtigkeit selbst dem letzten Matrosen eingeimpft war. Am
Nachmittage des erwähnten Tages wurden die letzten Dispositionen
ausgegeben und die Schiffe gefechtsklar gemacht. Admiral Haus wollte dem
längst erwarteten Feinde ungesäumt an den Leib rücken.
[577] Zwischen 6½
und 7½ Uhr abends liefen die Saida-Gruppe und sämtliche
dem Gros der Flotte zugeteilten Torpedoboote und Zerstörer aus. Um
8 Uhr gingen das zweite und erste Geschwader in See, "Habsburg" als
Flaggschiff des Marinekommandanten Admiral Haus. Im Kielwasser folgten die
beiden anderen Schiffe der Habsburgklasse, sowie die dritte Division (Erzherzog
Karl-Klasse), anschließend die 1. Division (Viribusklasse),
während die 2. Division (Radetzkyklasse) die Queue bildete. Nach
Passieren des Barrikadentores wurden die Geschwindigkeit auf 15 Seemeilen
erhöht, die Gefechtsstationen nach der Rolle "verschärfter
Wachtdienst" besetzt. Das Wetter war klar, Mondschein, leichte Bora. Nach
Passieren der Klippe Porer wurde Kurs auf Ancona gesteuert. Die leichten
Einheiten begaben sich auf die für den gesicherten Marsch
vorherbestimmten Positionen: Spitzenschiff "Csikos", zu beiden Seiten je ein
Kreuzer, die übrigen Einheiten schlossen in Kreisform, die Seitensicherung
des Gros bildend, gegen achter an. Vier Torpedoboote waren dem Flaggschiff als
Vedetten zugeteilt, je zwei Torpedoboote den Schlachtschiffen "Radetzky" und
"Zriny", welchen Spezialaufgaben zufielen. Um 12 Uhr 30 nachts
wurden Fahrzeuge Steuerbord dwars von "Szigetvár" gemeldet; kurz
darauf depeschierte "Szigetvár" das Eingreifen von Luftfahrzeugen aus
dieser Richtung. Kanonendonner und die Nacht aufhellender Feuerschein
alarmierten die Flotte, jedoch ward vom Gros nichts Verdächtiges gesichtet.
Spätere Meldungen besagten, daß das Geschützfeuer zwei
feindliche Torpedoboote und das Luftschiff "Cittá di Ferrara" vertrieb.
Um 1 Uhr früh setzten "Radetzky" und "Zriny" in ihre Kurse ab,
begleitet von den ihnen zugeteilten Torpedobooten. Ebenso trennte sich die
Kreuzergruppe "Saida", "Sigetvár", "Balaton" und "Triglav" vom Gros
und bezog auf der Linie Pedaso - Porto Tajer die Vedettenlinie.
"Csikos" und "Velebit" liefen dem Gros voraus nahe an den Kopf des
Wellenbrechers von Ancona heran, um im Hafen befindliche Schiffe zu
versenken. Die übrigen Torpedoboote suchten die zu steuernden Kurse
nach Minen ab. Um 2 Uhr 30 löste sich das zweite
Geschwader mit erhöhter Geschwindigkeit vom ersten ab und steuerte, von
Süden kommend, Ancona an. Um 4 Uhr früh wurde der erste
Schuß abgefeuert, gleichzeitig die kleine Flaggengala gehißt, worauf
das plangemäße Bombardement begann. Als Ziele dienten alle
militärisch wichtigen Objekte, die Küstenbefestigung,
Semaphorstation, Öltanks und Bahnhof. Das Gegenfeuer der
Küstenbatterien war schwach und wurde überhaupt eingestellt, als
die österreichischen Seeflugzeuge über dem Fort Savio erschienen
und die aus dem Schlafe geschreckten Geschützbemannungen durch
[574]
Skizze 20: Operationen in der Nordadria.
|
Maschinengewehrfeuer vertrieben. Die Flugzeuge bewarfen sodann die weiter im
Innern des Landes befindlichen Objekte mit Bomben. Eines der Torpedoboote lief
in den Hafen von Ancona ein und versenkte einen Dampfer. Nachdem das zweite
Geschwader, langsam fahrend, Ancona passiert hatte, steuerte auch das erste
Geschwader der Küste zu und eröffnete das Feuer auf 6000 m.
Die ganze Stadt [578] hüllte sich in
schweren Rauch, die vorbestimmten Ziele waren vernichtet. Um 5 Uhr
wendete die Flotte im Gegenkurs gegen Norden. Ein italienisches Luftschiff
erschien, das jedoch nach Eröffnen des Feuers abschwenkte und schnell
außer Sicht kam. Nach Vereinigung des Gros mit den inzwischen
angeschlossenen Schlachtschiffen "Radetzky" und "Zriny" wurde in
Kolonnenformation und "gesichertem Marsch gegen Unterseeboote" die
Heimfahrt nach Pola angetreten.
Das Schlachtschiff "Zriny" erschien um 3½ Uhr vor Senigalia,
beschoß die Eisenbahnbrücke über den Fluß Misa, die
Bahn- und die Wasserstation auf 3000 m. Diese Objekte wurden
gründlich zerstört und ein zufällig die Brücke
überfahrender Transportzug vernichtet. Das Schlachtschiff "Radetzky" traf
um 3½ Uhr bei der Mündung des Potenzaflusses ein und
versuchte die Zerstörung der Eisenbahnbrücke, ohne jedoch vollen
Erfolg zu erzielen. Die Novaragruppe Kommandant Schiffskapitän Horthy
(Kreuzer "Novara", Zerstörer "Scharfschütze",
Hochseeboote 78, 79, 80 und 81), lief Porto Corsini an,
"Scharfschütze" drang, über Heck fahrend, in den Kanal ein, nahm
exerzierende Infanterieabteilungen unter überraschendes Feuer und
zerstörte die Kaserne. Inzwischen kam "Novara" in schweres Feuer
mittlerer Geschütze der Strandbatterien. Das Schiff erwiderte.
Torpedoboot "80" bekam einen Treffer in die Offiziersmesse und leckte.
"Novara" erhielt zahlreiche Treffer, wobei ein Offizier und vier Mann
getötet und mehrere verwundet wurden. Die Führung dieser Gruppe
war eine hervorragende. Der Panzerkreuzer "Sankt Georg" und die beiden
Torpedoboote "1" und "2" erschienen vor Rimini und beschossen die
wichtigen Objekte in der Nähe dieser Stadt. Die Saidagruppe auf der
Linie Pedaso - Porto Tajer sichtete keinen Feind und vereinigte sich
bei der Rückfahrt wieder mit der Flotte.
[575]
Skizze 21: Operationen in der Südadria.
|
Gleichzeitig wurden in der Südadria Vorstöße von der ersten
Torpedobootflottille ("Helgoland", "Csepel", "Lika", "Tatra" und "Orjen") und
der zweiten Torpedobootflottille ("Admiral Spaun", "Wildfang", "Streiter",
"Ulan", "Uskoke") durchgeführt. Diese Flottillen versahen vor der
Kriegserklärung Italiens den Sicherungsdienst auf der Linie
Gargano - Pelagosa bezw. Pelagosa - Lagosta. In der
auf die Kriegserklärung folgenden Nacht übernahm die erste Flottille
wieder verschärfte Sicherung auf der vorerwähnten Linie,
während "Helgoland" nördlich von Pianosa kreuzte. Diese Sicherung
hatte den Zweck, dem Gros vor Ancona das Herannahen starker italienischer
Kräfte rechtzeitig zu melden. Am darauffolgenden Tage setzten beide
Verbände zum Angriff gegen die feindliche Küste von Termoli
über Vieste bis Barletta an. "Helgoland" beschoß trotz starker
Regenböen und unsichtigen Wetters Barletta auf nur 700 m.
Während der Beschießung kamen zwei feindliche Zerstörer
Typ "Nembo" in Sicht, worauf "Helgoland" das Feuer einstellte und die
Verfolgung des näher befindlichen, es war "Aquilone", aufnahm. Dieser
entkam, mit hoher Fahrt im Zickzackkurs unter Land fahrend, gegen Bari.
"Csepel" [579] und "Tatra", die
inzwischen Manfredonia beschossen, wurden radiotelegraphisch
verständigt und steuerten zum Vereinigungspunkt seewärts Vieste.
Hier lief ihnen der zweite feindliche Zerstörer "Turbine", von "Helgoland"
verfolgt, entgegen. Die beiden Zerstörer eröffneten das Feuer, das der
Feind erwiderte. Nach kurzer Gegenwehr manövrierunfähig
geschossen, strich "Turbine" die Kriegsflagge und hißte am Fockmast die
weiße Fahne. Während der Rettungsaktion kamen zwei
stärkere feindliche Einheiten in Sicht, weshalb "Turbine" leck und
brennend im sinkenden Zustande verlassen werden mußte. Die
österreichischen Schiffe führten auf weite Distanz das
Artilleriegefecht mit den beiden feindlichen Einheiten und liefen dann wieder
Sebenico an. Während dieser Zeit hatten die Einheiten der zweiten Flottille
die Eisenbahnbrücke über den Sinarcafluß und die
Eisenbahnstation Campomarino, sowie die beiden Semaphorstationen Tremiti und
Torre di Mileto beschossen und demoliert.
Der Gesamterfolg der überraschend durchgeführten Angriffe der
gesamten Flotte auf die italienische Ostküste kann als ein glänzender
bezeichnet werden. Der Feind erlitt schwere Verluste an Mann und Material, vor
allem aber wurde, was von besonderer Bedeutung war, der Verkehr an der
Ostküste der apenninischen Halbinsel lahmgelegt und dadurch der
Aufmarsch der Italiener an der Isonzofront bedeutend verzögert. Der
moralische Erfolg war ein nachhaltiger. Die Stimmung der Bewohner der
Ostküste blieb während des ganzen Krieges durch diese und die
folgenden Aktionen schwer gedrückt. Die italienische Schiffahrt, selbst die
Küstenschiffahrt, blieb vollkommen unterbunden. Um diese Lebensader
Italiens zu schützen, war nicht nur die Bildung eines großen
militärischen Apparates an der Ostküste notwendig, sondern auch
manche Einrichtung kriegstechnischer Natur, wodurch dem an der Front
kämpfenden Heere Kraft und Material entzogen wurden.
In den nächsten Monaten des Jahres 1915 folgten diesem großen
Angriffe auf die italienische Ostküste zahlreiche kleinere. Stets mit
leichteren Kampfeinheiten durchgeführt, lösten sie wohl nicht jene
Wirkungen ans, wie der erste Angriff, trugen jedoch nichtsdestoweniger viel dazu
bei, daß die Küste in ständige Beunruhigung versetzt und die
Adria, insbesondere die Nordadria, von der österreichischen Marine
beherrscht blieb. Die italienische Marine begnügte sich anfänglich
mit Luftschiffaktionen gegen Pola und Fiume. Die Erfolge der Bombardements
waren jedoch ganz besonders spärliche; überdies wurden diese
Angriffe bald dadurch zu nichte gemacht, daß schon am 8. Juli "Citta di
Ferrara" durch das Flugzeug "L 48" und am 6. August "Citta di Jesi" durch
Artilleriefeuer abgeschossen wurden. Die österreichischen Seeflugzeuge
griffen fast in jeder Mondnacht die italienische Küste an und bombardierten
sie meist mit gutem Erfolg. Die Unterseeboote, insbesondere die in Pola in Dienst
gestellten neuen deutschen Unterseeboote, leisteten als Vedetten
vorzügliche Dienste; am 10. Juni versenkte "U 11" das italienische
Unterseeboot "Medusa" vor Venedig. Wegen [580] der starken
Minenverseuchung in der Nordadria konnte jedoch der Aufforderung des 5.
Armeekommandos, den linken Flügel der Isonzoarmee durch die
Kampfschiffe zu stützen, nicht Folge geleistet werden. Trotzdem zwang die
andauernde starke Beunruhigung die italienische Flottenleitung zur Verlegung der
4. Division nach Venedig, die bereits am 7. Juli einen schweren Verlust
erlitt, indem der moderne Panzerkreuzer "Amalfi" vom deutschen Unterseeboot "U 26" versenkt wurde. Fast zu gleicher Zeit versenkte das Unterseeboot
"U 10" das Torpedoboot "V BN" und liefen das italienische
Unterseeboot "Nautilus" und die Torpedoboote "VI BN" und
"XVII OS" auf österreichische Minen auf und sanken. Die
nächtlichen maritimen Gegenaktionen des Feindes beschränkten sich
auf Minenlegungen im dalmatinischen Inselgebiet. Es gelang aber der
vorzüglichen Suchtätigkeit der Flugzeuge und der Torpedoboote die
Schiffahrtsrouten immer frei zu halten und sogar die geborgenen Minen der
Wiederverwendung zuzuführen.
Durch italienische Minen wurde keines der österreichischen Schiffe
versenkt; im Jahre 1915 war bis auf den Abschuß dreier Seeflugzeuge nur
der Verlust der beiden Unterseeboote "U 12" und "U 3" zu
beklagen.
In der Südadria begünstigte den Feind die Nähe des gut
ausgebauten Kriegshafens Brindisi. Im Juni und Juli erschienen leichte
italienische Einheiten vor den Inseln Meleda und Lagosta und zerstörten die
nur schwach bewachte Kabelsperre. Aushebungen von Signalstationen
glückten ihnen jedoch nicht. Vor allem legte die italienische Flottenleitung
scheinbar besonderes Gewicht auf den Besitz des Eilandes Pelagosa. Nach der
billigen Eroberung baute sie es als Stützpunkt aus, ließ
Schützengräben und Depots anlegen und eine Radiostation errichten.
Wenn auch der Besitz Pelagosas nicht von einschneidender Bedeutung für
die Kriegführung war, ermöglichte er den Italienern doch, die
Schiffsbewegungen zu beobachten und zu melden. Die k. u. k.
Marine ließ es sich deshalb bald angelegen sein, den Feind zu vertreiben.
Am 27. Juli gingen "Helgoland" und "Saida" mit der 1. und 3. Torpedodivision in
See, um Pelagosa zurückzugewinnen. Nach einleitender Beschießung
wurde unter noch heftigem feindlichen Feuer ein Landungsdetachement entsendet.
Doch hätte die Eroberung infolge der dominierenden Stellung der
italienischen Besatzung größere Menschenopfer bedingt, weshalb
vorläufig hiervon abgesehen wurde. Das bei der Insel stationierte
italienische Unterseeboot "Nereide" wurde am 5. August von dem
Unterseeboot "5" versenkt. Am 10. und 11. August bombardierten
Flugzeuge das Eiland und am 17. August liefen die leichten Einheiten aus
Sebenico aus, um Pelagosa von den Italienern zu säubern. Das
Bombardement war heftig und scheinbar von katastrophaler Wirkung, da eine am
21. August vorgenommene Rekognoszierung ergab, daß die Insel
geräumt sei. Vereinzelte Aktionen der Italiener mit großen
Schiffsverbänden gegen Dalmatiens Südküste können
wohl nur als Propagandafahrten ge- [581] wertet werden und
fanden am 18. Juli nach der Versenkung des Flaggschiffes "Garibaldi" durch
Unterseeboot "5", Linienschiffsleutnant Singule, ihr Ende.
Der Rückblick auf die Ereignisse des Jahres 1915 liefert den
vollständigen Beweis der taktischen Überlegenheit der
k. u. k. Flotte über die italienische. Letztere erlitt eine
Fülle schwerer Verluste, welchen noch die Explosion des Schlachtschiffes
"Benedetto Brin" anzufügen ist, das von italienischen Verrätern
vernichtet wurde.
Einen neuen Abschnitt der Seekriegsgeschichte im Weltkriege in der Adria leitete
die jetzt einsetzende Offensive gegen Serbien ein. Italiens Anstrengungen, Serbien
noch bis zum letzten Augenblicke zu stützen, verursachten einen regen
Transportdampferverkehr von Brindisi nach San Giovanni di Medua, Valona,
Durazzo und Antivari. Einer Störung dieser Transporte standen die
ungünstigen strategischen Verhältnisse beeinträchtigend
entgegen, da die feindlichen Signalstationen auf dem Lovćen die
Schiffsbewegungen im Golfe von Cattaro überwachen und melden konnten,
während der Auxiliarhafen Sebenico zu weit von der Fahrlinie der
Transporte entfernt war. Trotzdem fehlte es nicht an Operationen leichter
Streitkräfte, deren Kühnheit sich jedoch nicht durch den
entsprechenden Erfolg bezahlt machte. Nur wenige Transportdampfer und
mehrere Segler konnten versenkt werden. Am 1. Dezember 1915 beschoß
der Kreuzer "Novara" San Giovanni di Medua, versenkte drei Dampfer,
fünf große und zahlreiche kleinere Segler und zerstörte die
Kaserne sowie das Munitionsdepot. Gleichzeitig wurde auch das vor der
Bojanamündung aufgefahrene französische Unterseeboot "Fresnell"
vom Zerstörer "Warasdiner" versenkt. Diese Tat hatte zur Folge, daß
montenegrinische Häfen von italienischen Transportdampfern nicht mehr
angelaufen wurden, was viel zur Niederkämpfung Montenegros beitrug. In
der Folgezeit wurden Torpedoboots-Rekognoszierungen gegen Durazzo
unternommen, kurze Beschießungen durchgeführt, vorwiegend
jedoch die albanesische Küste bis südlich Durazzo von Seefliegern
bombardiert.
Die meist bei schwerem Wetter in der Otrantostraße kreuzenden kleinen
Unterseeboote kamen leider nie zum Schuß, so daß ihrem Heldenmut
und ihrer aufreibenden Dienstleistung die gebührenden Erfolge versagt
blieben.
Für die Nacht vom 29. auf 30. Dezember wurde eine große Aktion
der Flottillen angeordnet, deren kurze Skizzierung durch den Auslaufbefehl
beiläufig gekennzeichnet ist: "Auf die Verbindungslinie
Durazzo - Brindisi zusteuern, seewärts Durazzo im Rechen4 nach den zwei avisierten
Zerstörern kreuzen, bei Lichtwerden gegen Durazzo steuern. Falls im Hafen
keine Zerstörer, jedenfalls dort liegende Schiffe vernichten."
[582] Im gesicherten Marsch
gegen Südost fahrend, wurde um 3 Uhr vormittags das
französische Unterseeboot "Monge" von "Helgoland" überfahren und
von "Balaton" durch Artilleriefeuer versenkt. Da sich auf der Route gegen
Brindisi nichts Verdächtiges zeigte, wurde um 6½ Uhr
früh Kurs verkehrt. "Helgoland" und "Balaton" steuerten gegen
Kap Laghi, um aus Durazzo flüchtende Fahrzeuge abzuschneiden,
während die übrigen Einheiten der Flottille sich direkt gegen
Durazzo wandten. Die Abwesenheit feindlicher Kriegsschiffe ausnutzend, liefen
"Csepel", "Triglav", "Orjen" und "Lika" um 7 Uhr 50 Minuten in die
Bucht ein, eröffneten auf die im Hafen liegenden Schiffe das Feuer und
brachten sie zum Sinken. Um 8 Uhr liefen die Zerstörer im selben
Kurse wieder aus, wurden hierbei aus gut maskierten Artilleriestellungen unter
Feuer genommen, das "Helgoland" sofort erwiderte. Um dem Kreuzer freien
Ausschuß zu verschaffen und gleichzeitig selbst aus dem Feuerbereich zu
kommen, wendeten die Zerstörer nach Backbord, wobei "Lika" und
"Triglav" ins feindliche Minenfeld gerieten. "Lika" stieß zuerst mit dem
Heck auf eine Mine, wodurch der Backbordpropeller weggerissen wurde. Kurz
darauf stieß sie Backbord fahrend auf eine zweite Mine, die ebenfalls zur
Explosion gelangte, worauf "Lika" langsam mit dem Bug voraus zu sinken
begann. "Triglav", hinter "Lika" fahrend, hatte eine Minenexplosion zwischen
dem mittleren und achtern Kesselraum, behielt jedoch trotz des ausgedehnten
Lecks seine Schwimmfähigkeit. Während "Tatra" die Bemannung
von "Lika" rettete, versuchte "Csepel" "Triglav" in Schlepp zu nehmen.
Die folgenden Ereignisse hatten ihre Ursache in einer aus Versehen zu spät
abgegebenen Radiodepesche der "Helgoland" nach Cattaro, weshalb "Kaiser
Karl VI." erst gegen Mittag aus dem Golfe auslief. Inzwischen griff ein
feindlicher starker Kreuzerverband - ein englischer Kreuzer Typ "Bristol"
und ein italienischer Typ "Quarto" - den Flotillenverband an, deren
Beweglichkeit der geschleppte, lecke Zerstörer wesentlich behinderte. Um
aktionsfähig zu bleiben, mußte "Triglav" durch Sprengung versenkt
werden. "Helgoland" und die Zerstörer, den im Artilleriekampf
überlegenen Feinden ausweichend, nahmen mit maximaler
Geschwindigkeit Westkurs auf. Die feindlichen Kreuzer eröffneten im
Parallelkurs auf 13 000 m das Feuer, das "Helgoland" trotz seines
kleinen Kalibers erwiderte. Doch selbst bei höchster Aufsatzstellung waren
die Lagen meist zu kurz. "Helgoland" blieb von diesem Augenblick (1 Uhr
30 Minuten) bis zum forcierten Durchbruch um 6 Uhr
30 Minuten im feindlichen Feuer. Dank der hervorragenden Leistung des
Maschinenpersonals, überholte allgemach "Helgoland", mit 29 Seemeilen
fahrend, die feindlichen Kreuzer und brach mit ihren Zerstörern endlich
durch. Während dieser schweren Verfolgungsfahrt kamen in nordwestlicher
Richtung weitere zwei Kreuzer in Sicht, die, auf 11 000 m
herangekommen, ebenfalls das Feuer eröffneten. Auch zwei große
moderne italienische Zerstörer des Typs "Indo- [583=Karte] [584] mito"
beteiligten sich kurze Zeit am Kampfe. Bei Einbruch der Dunkelheit setzte die
heftigste Phase des Kampfes ein, wobei "Helgoland" drei Treffer erhielt, die
jedoch nur geringfügige Beschädigungen verursachten. "Helgoland"
hatte zu dieser Zeit die Geschwindigkeit auf nahezu 30 Knoten erhöht; nach
gelungenem Durchbruch konnte die Geschwindigkeit herabgesetzt und die
Heimfahrt endlich angetreten werden. Wenn auch der sehr schmerzliche Verlust
zweier Zerstörer den Erfolg dem Feinde zusprach, so bedeutete doch das
Ergebnis, was Schiffbau und Maschinentechnik anbelangt, eine ganz
hervorragende Leistung der k. u. k. Marine. Die beispielgebend
kaltblütige und großzügige Führung des
Flottillenkommandanten Linienschiffskapitäns Seitz verdient als
denkwürdig verzeichnet zu werden. Leider übersteigt es den Raum
dieser Darstellung, die interessanten Einzelheiten seiner hervorragenden Taktik
vor Augen zu führen.
Während der Operation der Flottillen kreuzten Unterseeboote in der
Südadria, wobei es den deutschen Unterseebooten unter anderen gelang,
auch vor Valona Minen zu legen, welchen der italienische Hilfskreuzer
"Re Umberto", der Zerstörer "Intrepido" und ein Typ "Agordat" zum
Opfer fielen.
Am 7. Januar begann der Angriff auf die montenegrinischen Stellungen des
Lovćen, der von den in der Bocche liegenden Schiffseinheiten auf das beste
unterstützt wurde und zum überraschend schnellen Fall dieser
beherrschenden Stellung führte. In der Folgezeit waren die Verbände
von weniger Glück begünstigt. Die Italiener vermochten die
Transporte der serbischen Truppen und des Materials verlustlos den
Bestimmungsorten zuzuführen. - Mit der Eroberung Nordalbaniens
fiel eine neue Aufgabe in den Tätigkeitsbereich der Kriegsmarine; es galt,
die Heerestransporte gegen feindliche Angriffe zu schützen und die
Nachschublinien zu sichern. Da die Hauptschiffsroute ihren Ausgangspunkt in
Fiume hatte, war diese Aufgabe keine geringe, wurde jedoch bis zur Beendigung
des Krieges beinahe ohne irgendwelche Verluste aufrechterhalten. Die
Unterseeboote versenkten in jener Zeit in der Otrantostraße die italienischen
Hilfskreuzer "Principe Umberto", "Cittá di Messina" und den
Zerstörer "Impetuoso", während die im Mittelmeer operierenden
deutschen Unterseeboote Erfolg an Erfolg reihten. Feindliche Unterseeboote
kamen fast nie zum Angriff, wohl aber gelang es zwei k. u. k.
Torpedobooten, das italienische Unterseeboot "Vellila" im Kanal von Lissa zu
versenken. Das französische Unterseeboot "Foucault" wurde durch einen
Seeflieger vernichtet. Der um diese Zeit von Konfidenten in die Luft gesprengte
Dreadnought "Leonardo da Vinci" fügte der italienischen Marine eine
weitere schwere Einbuße an Schiffsmaterial zu.
Die fast unglaublich erscheinenden Erfolge der Unterseeboote der
Mittelmächte zwangen die Alliierten, die schärfsten
Abwehrmaßnahmen zu ersinnen und durchzuführen. So sperrten sie
schließlich die Otrantostraße fast hermetisch [585] ab. Doch diese
Sperrlinie wurde durch heldenhafte Vorstöße der Kreuzer und
Flottillen immer wieder gestört und beunruhigt. Der berühmteste
dieser Vorstöße ist jener, der von den Kreuzern "Novara", "Saida"
und "Helgoland" und der Zerstörergruppe "Csepel", unter dem Kommando
Horthys, am 15. Mai 1917 in die Otrantostraße unternommen wurde.
"Csepel" erzielte auf einem feindlichen Zerstörer schwere Treffer, die einen
Brand verursachten, während "Balaton" zwei Dampfer durch
Torpedotreffer versenkte und einen dritten im sinkenden Zustande
zurückließ. Die Kreuzer stießen unterdessen bis Santa Maria di
Leuca vor, griffen die Sperrlinie der Fischdampfer von Westen kommend an und
versenkten sie der Reihe nach. In Sicht kommende feindliche Zerstörer
wendeten nach kurzem Feuergefecht ab, während italienische Flugzeuge
die Kreuzer erfolglos bombardierten. Erst gegen 9 Uhr kamen mehrere
englische und italienische Kreuzer, von Zerstörern begleitet, in Sicht. Auf
9 000 m herangekommen, eröffneten sie das Feuer. Die
"Novara" erhielt mehrere Treffer, darunter einen schweren, im Maschinenraum. In
diesem für den Feind so günstigen Augenblick versagte jedoch
dessen Führung. Den k. u. k. Einheiten kam der Panzerkreuzer
"Skt. Georg" zu Hilfe. Ein deutsches Unterseeboot torpedierte einen der
englischen Kreuzer. Das Ergebnis dieses schön geführten Raids war
nicht nur eine schwere Schädigung des Feindes, sondern auch die
Erschütterung seiner Unterseebootssicherung für längere Zeit.
Es war dies die letzte Operation in der Otrantostraße bis zur
Übernahme des Flottenkommandos durch Admiral Horthy. Inzwischen
entfalteten die feindlichen Flugzeuggeschwader eine erhöhte
Bombardementstätigkeit, griffen des öfteren Durazzo und sogar die
Bocche di Cattaro an. Da auch die feindliche Unterseebootssicherung immer
stärker wurde, sollte im April 1918 mit den größten Einheiten
der Flotte die feindliche Sicherung in der Otrantostraße neuerlich
angegriffen und endgültig aufgerollt werden. Doch dieses kühn
angelegte Unternehmen mußte infolge Versenkung des Kampfschiffes
"Szent Istvan" leider vorzeitig abgebrochen werden und der Verband wieder nach
Pola einrücken. Es war dies der schwerste Schlag, den die
österreichische Marine im ganzen Kriege erlitt. Von diesem Zeitpunkt an
wurden fast nur mehr Unterseeboote und Flugzeuge für die Kampfaktionen
verwendet.
Von besonderem Interesse für den Inhalt des Gesamtwerkes ist es, das
Zusammenwirken der Flotte mit den Landstreitkräften zu beleuchten, nicht
nur weil ein Zusammenwirken von Heer und Flotte im allgemeinen als besonders
schwierig gilt, sondern weil eben die Verhältnisse in der Nordadria die
Verwendungsmöglichkeit der großen Kampfschiffe fast ausschlossen.
Einerseits ist die Wassertiefe sehr gering (Lagunen), so daß selbst an den
tiefsten Stellen noch das Ausbringen von Minenverlegungen möglich ist,
andererseits mangelte es an geeignetem Schiffsmaterial, ähnlich den
englischen Küstenmonitoren. Das Zusammenarbeiten besorgten deshalb
vorwiegend die [586] Seeflieger und die
Unterseebootswaffe. Letztere ließ fast ständig ein altes Unterseeboot
zwischen dem Golf von Triest und Venedig kreuzen. Die Triester Flugzeugstaffel
wurde buchstäblich der Schrecken Venetiens. Insbesonders der
Kommandant Linienschiffsleutnant Banfield machte sich durch seine
hervorragenden Leistungen weithin berühmt und gefürchtet. Die
meisten Angriffe wurden über die Befestigungen der
Sdobbamündung geflogen, oft auch weiter ausholend, um die
Kommunikationen über den Tagliamento und über die Piave zu
zerstören, oder auch Venedig zu beunruhigen. Der den
österreichischen Seefliegern vom Feinde gemachte Vorwurf des
barbarischen Vorgehens muß als ungerechtfertigte, bewußte
Lüge zurückgewiesen werden. Daß auch ab und zu eine Bombe
ihr Ziel fehlte und ein Privathaus oder eine Kirche zerstörte, liegt in der
Schwierigkeit des Bombenabwurfes.
Im November 1917 kamen die alten Küstenpanzer "Wien" und "Budapest"
in den Hafen von Triest, um an der Novemberoffensive mitzuwirken. Doch wurde
"Wien" durch einen schneidig durchgeführten italienischen
Motorbootsangriff am 9. Dezember versenkt. Trotz dieses Verlustes gingen am
19. Dezember die Schlachtschiffe "Arpad" und "Budapest", sowie der Kreuzer
"Admiral Spaun", von einer großen Torpedobootsgruppe begleitet, in See,
um Cortelazzo unter Feuer zu nehmen. Unsichtiges Wetter erschwerte das
Bombardement, das auch bald abgebrochen wurde. Ende des Jahres 1917 und im
Jahre 1918 machte sich auch in der Nordadria erhöhte Flugtätigkeit
des Feindes bemerkbar. Die Angriffe erfolgten mit immer größeren
Geschwadern. Die noch im Jahre 1915 und anfangs 1916 den Italienern
überlegenen Seeflugzeuggeschwader standen nun einer erdrückenden
Übermacht des Feindes entgegen. Im letzten Kriegsjahre dürfte das
Verhältnis wohl 10 zu 1 zugunsten der Italiener gewesen
sein.
In diese Kriegsperiode fällt auch der tollkühne Plan einer
Truppenlandung in Ancona zwecks Zerstörung feindlicher Anlagen. Infolge
Verrates mißglückte leider das Unternehmen und die Teilnehmer
gerieten in italienische Gefangenschaft.
Des eng bemessenen Raumes wegen konnten gerade nur die markantesten
Ereignisse in der Adria besprochen werden und mußten viele Einzelheiten,
die für das volle Verständnis der Seekriegführung notwendig
wären, ausgelassen werden. Wichtig erscheint es jedoch, einiges über
die Stimmung des Personals während des Krieges zu sagen. In den Jahren
1914, 1915 und 1916 war die Kriegsstimmung wohl in einem ständigen
Aufstieg begriffen. Die Mannschaft war opferfreudig und glänzend
ausgebildet, mit Leib und Seele mit der Flotte verwachsen. Nationale
Zwistigkeiten waren nie zu verspüren, jeder arbeitete zum Wohle des
Ganzen und für den Sieg des Vaterlandes. Die insbesonders ins Jahr 1915
fallenden, kleineren nationalen Bewegungen von Mannschaft italienischer
Nationalität versiegten bald wieder, [587] ohne daß
irgendwelche Maßregelungen stattfinden mußten. Selbst für
den als Hochverräter im Jahre 1916 zum Tode verurteilten Nazario Sauro,
der als österreichischer Staatsbürger auf dem feindlichen
Unterseeboot "Giaginto Pullino" gefangengenommen wurde, löste sich
keine nationale Reaktion in Istrien aus.
Im Jahre 1917, im vierten Kriegsjahre, machten sich schon einige Anzeichen der
beginnenden Kriegsmüdigkeit und der nationalen Zersetzung stark
fühlbar. Der Desertion einzelner Leute in Fischerbooten folgte der
überaus traurige Fall des Torpedobootes "11", das
tschechisch-nationale Unteroffiziere von Sebenico nach Italien führten,
wobei nicht nur der Kommandant und der erste Offizier, sondern auch sich
widersetzende Mannschaftspersonen gefesselt wurden. Im Jahre 1918 nahmen die
Unruhen größeren Umfang an, deren bedeutendste die Marinerevolte
in der Bocche di Cattaro war. Die meuternde Mannschaft auf den Schiffen
"Sct. Georg", "Kaiser Karl VI." und "Gäa" nahm ihre
Offiziere gefangen. Dank des treuen Verhaltens der Bemannung der Flottille
konnte dieser Aufstand rasch unterdrückt werden. Der Herd dieser
Bewegung war in Laibach. Unzufriedenheit mit der Kost erleichterte den
Rädelsführern, Tschechen und Slowenen, ihr Vorhaben. Der
Verpflegung wurde denn auch in der Folge erhöhte Aufmerksamkeit
geschenkt. Der Zusammenbruch erfolgte in einem überraschenden Tempo
und hatte seinen Ausgangspunkt im Durchbruch der Balkanfront. Das
plötzliche Zurückgehen der k. u. k. Truppen von der
Vojusalinie, das beginnende Chaos in der Südwestfront, sowie die dichter
werdenden feindlichen Flugangriffe brachten Erregung in die Mannschaft. Gerade
in jener Zeit hatten die kleinen Einheiten als Begleitschiffe der Truppentransporte
den anstrengendsten Dienst. Wo immer sie zum Kampfe kamen, lösten sie
ihre Aufgabe mit bewundernswertem Heldenmut. Doch das fortgesetzte
Räumen der Stützpunkte, zuerst Durazzo, dann San Giovanni di
Medua, endlich Antivari, übte einen schwer niederdrückenden
Einfluß auf die schon kriegsmüde Mannschaft aus. Auf den
großen Schiffen lockerte sich die Disziplin, hier und da kamen
Befehlsverweigerungen vor. Doch die k. u. k. Unterseeboote blieben
bis zum letzten Augenblick am Feinde und leisteten Hervorragendes. Am 28.
Oktober riß der Vorsitzende des Matrosenkomitees, Fregattenkapitän
Method Koch, ein nationaler Slowene, die Gewalt an sich. Kaiser Karl sah sich
gezwungen, die Flotte dem jugoslawischen Nationalrat zu unterstellen. Auf den
Schiffen wurde die rot-weiß-rote Flagge heruntergeholt, die jugoslawische
Flagge gehißt. In der darauffolgenden Nacht gelang zwei italienischen
Offizieren ihr seit langem vorbereiteter kühner Plan, in Pola einzudringen
und im Morgengrauen das Flottenflaggschiff "Viribus unitis" zu versenken. Ein
seltsames Spiel des Schicksals brachte es so mit sich, daß mit dem Zerfall
der Habsburgermonarchie auch jenes Schiff sank, das die Devise des alten Kaisers
zum Namen hatte.
[588] Die vom Kaiser Karl
angeordnete Übergabe der Flotte an den jugoslawischen Nationalrat
beendete jäh die Geschichte der
österreich-ungarischen Kriegsmarine. Die Ereignisse der Folgezeit, das
Schicksal der Schiffe und der Seeleute gehört nicht mehr in den Rahmen
dieser Darstellung. Wie von einem entfesselten Sturm wurde alles Alte und Gute
hinweggefegt, ohne Neues - geschweige denn Besseres zu schaffen. Leute,
die mit Leib und Seele ihrem Berufe dienten, Offiziere und Mannschaften
mußten sehen, wie die Flagge, der sie Treue geschworen, eingeholt und die
feindliche gehißt wurde.
Doch das schmachvolle Ende wird die ruhmreichen Leistungen während
des Krieges nicht vergessen machen. Blitzartig hellte das Chaos des Unterganges
auf, welch schwierige Verhältnisse in der alten Monarchie sich allgemach
herausgebildet hatten, und die Nachwelt wird gerade deshalb die Erfolge
während der Kriegsjahre, die Heldentaten und die Opferfreudigkeit des
Personals noch vielfach höher bewerten und schätzen.
Die rot-weiß-rote Kriegsflagge ist von den Meeren verschwunden. Die
Geschichte des Weltkrieges aber wird ihr einen Ehrenplatz einräumen
müssen und sie damit vor dem Vergessenwerden bewahren.
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