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Bd. 5: Der österreichisch-ungarische Krieg

[511] Kapitel 22: Der Feldzug in Albanien1
Oberst Dr. h. c. Georg Veith2

Auf denselben Wegen, auf denen im Winter 1912/13 fliegende serbische Kolonnen unter dem Staunen Europas quer durch die unwirtlichsten Gebirge des Erdteiles siegreich nach der albanischen Küste zogen, fluteten drei Jahre später die geschlagenen Trümmer ihrer Armee dem gleichen Ziele zu. Den gebrochenen König und seinen totkranken Feldherrn in ihrer Mitte, zogen sie durch Fels und Schnee, inmitten einer feindlich gesinnten Bevölkerung dahin. Ihre letzten Geschütze hatten sie im oberen Drin versenkt, ihre Fuhrwerke verbrannt, ihre Pferde getötet; nur ihre Gefangenen schleppten sie mit sich. So kamen sie, immer noch zur Not kampffähig, an die Adria, um in den albanischen Häfen eingeschifft und zur Retablierung in die Ententeländer verteilt zu werden.

Wenn es so gelungen war, wenigstens einen Teil der serbischen Armee für die Entente zu retten, so war dies vor allem der Tatsache zu danken, daß die Mittelmächte in dem Bestreben, den Hauptgegner um so zermalmender zu treffen, während der Kämpfe in Serbien das kleine Montenegro so gut wie in Ruhe gelassen hatten. Erst als die Entscheidung gefallen war, wurde auch hier zunächst vom Sandschak aus, dann auch von der Küste her der Druck angesetzt; inzwischen aber hatten die serbischen Heerestrümmer das durch Montenegros Widerstand gedeckte albanische Küstengebiet erreicht. Es erging der Befehl an die 3. Armee (Generaloberst von Köveß), "durch Montenegro und Nordalbanien" die Verfolgung fortzusetzen. Gedacht war der zweite Teil dieser Aufgabe zunächst als direktes Nachstoßen der drei im Raume Prizren - Djakova stehenden Gebirgsbrigaden des VIII. Korps durch die nordalbanischen Berge auf Skutari - Alessio; aber was den flüchtenden Serben nur mit Aufopferung ihrer ganzen Artillerie und aller Trains möglich geworden war, erschien untunlich für eine Streitkraft, die auf diese Kampfmittel naturgemäß nicht verzichten konnte; auch reichten die verfügbaren Tragtiertrains nicht annähernd für den Nachschub einer solchen Macht. So ging die 2. Gebirgsbrigade, den Verhältnissen angemessen gruppiert, allein diesen Weg; der Hauptstoß mußte über Montenegro geführt werden.

[512] Am 10. Januar 1916 war der Lovćen gefallen, am 13. Cetinje, am selben Tage bat Montenegro um Frieden. Jetzt war der Weg frei; der Vorstoß erschien um so verlockender, als man hoffen durfte, in Albanien nicht nur den Rest der serbischen Armee, sondern auch die serbische Regierung fassen zu können, welche nach eingelangten Nachrichten in San Giovanni di Medua saß und von den eigenen Truppen gehindert wurde, sich vorzeitig in Sicherheit zu bringen.

Nichtsdestoweniger war der Entschluß zum Einmarsch in Albanien für die österreichisch-ungarische Heeresleitung ein verzweifelt schwerer. Der Grund lag in der Beschaffenheit dieses Kriegsschauplatzes.

Albanien war bis zum Kriege das wenigst erforschte Land Europas. Schuld war sowohl seine physikalische Beschaffenheit, als der Charakter seiner Bevölkerung.

Als Kriegsschauplatz betrachtet zerfällt das Land in zwei durchaus verschiedene Zonen: das Gebirge im Innern und die Küstenebene. Die vielgenannten und wenig gekannten nordalbanischen Kalkalpen sind neben dem montenegrinischen Durmitorgebiet wohl das wildeste und vor allem das an Hilfsquellen ärmste Gebirge Europas; ausschließlich "Durchzugsland". Weiter südwärts werden die Formen bei kaum abnehmender Durchschnittshöhe milder, stellenweise bis zu vollem Urgebirgscharakter; damit wachsen immerhin etwas Wegsamkeit und Ressourcen. Zu voller Wildheit erhebt sich wieder der stark küstenwärts vorgeschobene, vereinzelt aufragende Gebirgsstock des Tomor (fälschlich "Tomorica"), mit seinem messerscharfen Nordsüdgrat und seinen beiden gewaltigen Eckgipfeln, das typische Räuberheim des Balkans. Im Norden, etwa bis zur Höhe von Kruja, tritt die Gebirgszone ziemlich unvermittelt mit schroffen, meist verkarsteten Vorbergen hart an die Küstenebene heran; weiter südlich läuft sie in ein sanftes Hügelland aus, in dem neben weichem Sandstein und Konglomerat der Lehm vorherrscht. - Das Flachland kann man in fünf Abschnitte teilen: die Ebene des Skutarisees, das untere Drintal (Zadrima), die Küstenebene im Mündungsgebiet des Mat und Išmi, jene am Arsen, und endlich dem großen Komplex der mittelalbanischen Ebene mit der Fläche von Kavaja, der Großen und Kleinen Muzakja und der Mündungsebene der Vojusa. Die beiden ersten Abschnitte sind notdürftig kultiviert, der dritte Wald- und Sumpfwildnis, der vierte eine menschenarme Steppe; der letzte und größte zeigt heute immerhin nennenswerte Ansätze, sich dereinst zur Kornkammer des westlichen Balkans zu entwickeln.

Der ganze landschaftliche und wirtschaftliche Charakter Albaniens wird zum großen Teil durch seine hydrographischen Verhältnisse bestimmt. Nicht im Sinne der benachbarten Karstländer; im Gegenteil ist Albanien in allen Teilen wasserreich, und selbst in den dürrsten Sommermonaten besteht in dieser Hinsicht weder Gefahr noch die Notwendigkeit besonderer Vorsorgen. Das Land wird von einer Reihe gewaltiger Flüsse durchströmt, die ihr Bett, wie [513] der Fachausdruck lautet, noch lange nicht "gezähmt" haben, so daß es fortgesetzt oft sehr bedeutenden Veränderungen unterworfen ist, was wiederum das ganze Anland - oft in sehr weitem Sinne - in Mitleidenschaft zieht. Ihrem Charakter nach sind die albanischen Flüsse innerhalb der Gebirgszone, soweit die Talbreite es gestattet, Torrenten; in der Ebene fließen sie geschlossen zwischen hohen und brüchigen, stärkster An- und Abschwemmung unterliegenden Ufern dahin. Eine Ausnahme bildet der Mat, der den Torrentencharakter, und zwar in schärfster Form bis zur Mündung beibehält, eine furchtbare Geißel des Anlandes und das schwerste Hindernis für Verkehr und Kriegführung. Der Wasserstand der Flüsse ist nach der Jahreszeit sehr verschieden.

Zur hydrographischen Eigenart des Landes zählen außer den Flüssen noch ausgedehnte Sumpfgebiete, die längs der Küste als Lagunen, im Innern als Schilfwälder mit kleinen offenen Stellen, zwischen Drin und Išmi auch als Sumpfwälder auftreten.

Die Bodenbedeckung ist durch den für adriatische Verhältnisse nicht unbedeutenden Reichtum an Wäldern gekennzeichnet, die sich naturgemäß vorwiegend im Gebirge, stellenweise aber auch im Flachland und selbst an der Küste finden. Daneben bedeckt die typische mediterrane, fast undurchdringliche Macchia (Bosco), insbesondere im Hügel- und Berglande, weite Strecken.

Übersichtskarte des serbischen und albanischen
Kriegsschauplatzes
[Beilage zu Bd. 5]      Übersichtskarte des serbischen und albanischen Kriegsschauplatzes.      [Vergrößern]

Das allerwichtigste Merkmal zur Charakterisierung Albaniens als Kriegsschauplatz liegt jedoch in seinen klimatischen Verhältnissen und deren Folgeerscheinungen; sie gipfeln einerseits in der bereits streng nach den Gesetzen der subtropischen Zone durchgeführten Scheidung von Trocken- und Regenzeit, andererseits in dem gleichfalls im Rahmen der Jahreszeiten geregelten Auftreten der Malaria.

Die Regenzeit setzt durchschnittlich Anfang oder Mitte Oktober mit einer Reihe heftiger, mehrtägiger Gewitter ein und dauert bis März oder April; in die Mitte dieser Epoche ist meist eine mehrwöchentliche Reihe schöner, aber kalter Tage eingeschoben. Natürlich ist Dauer und Intensität der Regenzeit nicht jährlich dieselbe; so war von den beiden Wintern, die unsere Truppen zur Gänze im Lande verbrachten, der erste ein besonders nasser, der zweite ein verhältnismäßig trockener und kühler.

Mit dem Eintritt der Regenzeit ist es mit der Gangbarkeit wenigstens in der Ebene nahezu zu Ende. Die tief aufgeweichten Wege werden durch die fortgesetzte Benutzung alsbald gänzlich unpassierbar. Immer größere Flächen der Ebene treten ganz unter Wasser; aber auch die nicht geradezu überschwemmten Teile sind derart aufgeweicht, daß ein dauerndes Freilager hier nicht denkbar ist. Der Verkehr ist jetzt fast ausschließlich auf die etwas festeren Flußufer beschränkt, längs denen das landesübliche Zugtier, der Büffel, bis zum Bauch einsinkend, die weithin knarrenden und kreischenden, hochrädrigen Karren durch [514] das Kotmeer schleift. Die erwähnte Regenpause geht an diesen Zuständen ziemlich spurlos vorüber, da ihre scharfen Nachtfröste die Verdunstung behindern.

Die Flüsse bleiben schwere Hindernisse bis ins späte Frühjahr.

In den Gebirgen entlädt sich die Regenzeit in nach mitteleuropäischen Begriffen ganz ungeheuerlichen Schneefällen; dagegen gehört in der Ebene Schneefall zu den allergrößten Seltenheiten. Häufiger kann ein Zufrieren der Gewässer, auch Eisgang beobachtet werden. Besonders warm ist der albanische Winter keineswegs.

Im April etwa beginnt die Sonnenwärme sich nachdrücklich fühlbar zu machen. Langsam setzt die Austrocknung ein, die Überschwemmungsflächen schrumpfen, die Wege glätten sich durch den Verkehr. Noch führen die Flüsse Hochwasser, denn im Gebirge schmilzt jetzt der Schnee; erst gegen Ende Mai beginnen auch sie endgültig zu sinken. - Im Juni ist Sommer. Die Vegetation beginnt zu verdorren, die Wege bedecken sich mit hohen Staubschichten. Im Juli setzt die ganz große Hitze ein; in den Mittagsstunden wird jede Marschbewegung, jede Arbeit unmöglich. Um Mitte August beginnen die Gewitter, erst in mehrwöchentlichen Pausen, dann immer rascher aufeinanderfolgend, bis sie im Oktober wieder in die Regenzeit überführen.

Natürlich wechseln diese Verhältnisse vielfach auch nach der Höhenlage. Im Bergland, in dem die Überschwemmung wegfällt, ist auch die Wegsamkeit im allgemeinen durch die Regenzeit weniger beeinflußt; doch muß man sich hüten dies zu verallgemeinern, zumal soweit der Lehmboden reicht. Dagegen sind die Temperaturschwankungen im Gebirge viel größer, und insbesondere die Sommerhitze in manchen Gebirgstälern weitaus empfindlicher als im Küstengebiet.

Hemmt im Winter die Regenzeit jede umfangreichere Betätigung menschlicher Arbeitskraft, so erwächst dieser im Sommer ein noch ungleich furchtbarerer Feind: die Malaria. Sie beherrscht das ganze Land bis zu etwa 500 m Seehöhe; vorübergehend vermag sie auch in höheren Lagen Fuß zu fassen. Die eigentliche Ansteckungsfrist beginnt an der Küste (Vojusamündung) etwa Anfang oder Mitte Juni und schreitet ziemlich langsam landeinwärts fort; Berat z B. wird erst nach etwa sechs Wochen erreicht. In dieser ersten Zeit überwiegt die als "Malaria tertiana" bekannte Form; im Hochsommer setzt dann die "Malaria tropica" ein, erreicht ihren Höhepunkt etwa zu Beginn der Regenzeit und erlischt nicht vor Mitte oder Ende November. Vereinzelte Erkrankungen kommen wohl auch zu anderen Zeiten, selbst mitten im Winter vor; bei der Mehrzahl derselben dürfte es sich aber um Rückfälle handeln. - Die einheimische Bevölkerung des Flachlandes ist natürlich durchaus von der Malaria infiziert, leidet jedoch infolge jahrtausendealter Angewöhnung in äußerlich weniger akuten Formen darunter. Immerhin ist die unleugbare Degeneration der Flachlandalbaner in erster Linie auf diese Seuche zurückzuführen.

[515] Die Bevölkerung Albaniens gehört dem illyrischen Stamme an, zu dem größtenteils, wenn auch sprachlich slawisiert, noch die Süddalmatiner, Herzegovzen und Montenegriner zählen. Am reinsten ist die illyrische Eigenart in den nordalbanischen Gebirgen erhalten. Hier lebt das Volk noch in den altüberlieferten Stammesgemeinschaften nach uralten, ungeschriebenen, aber heilig gehaltenen Gesetzen. Ein einheitliches Nationalbewußtsein ist dem Albaner heute noch ziemlich fremd, alle Bestrebungen dieser Art sind von außen hineingetragen oder von einzelnen im Auslande gebildeten Intellektuellen propagiert worden, haben aber niemals in der Seele des Volkes Wurzel gefaßt. Der Patriotismus des Albaners gilt nur seinem Stamm, und die persönliche Freiheit in weitestem Sinne, und sei es zu Mord und Raub, geht ihm über alle völkischen Ideale. Dieser Charakter des Volkes spiegelt sich auch in seinen militärischen Tugenden. Die Skipetaren haben als reguläre Soldaten der alten türkischen Armee die wertvollsten Dienste geleistet, unter abendländischer Führung jedoch in dieser Hinsicht bisher fast immer versagt; dagegen taugt der Albaner unter allen Umständen vorzüglich zum Bandenkrieg und ist nebstbei der beste Konfident. Eine Art von Gefolgschaftstreue ist ihm heilig, aber sie gilt nur dem freigewählten Führer; politische Verläßlichkeit ist ihm unbekannt. Die Manneswürde ist ihm untrennbar vom freien Gebrauch des Gewehres, und es war der schwerste Fehler, der überhaupt begangen werden konnte, das Volk gewaltsam zu entwaffnen. Bei all dem ist der Albaner ausnahmslos - vom Großkaufmann in Skutari bis zum Wegelagerer auf dem Tomor - Geschäftsmann von skrupellosestem Opportunismus, der gewohnt ist, Maismehl wie Menschenleben, Ziegenfelle wie Mannesehre in Geldeswert einzuschätzen und zu verrechnen; einzig Frauenehre und Gastrecht stehen außerhalb dieses Kalküls. Der k. u. k. Verwaltung hat die unglaubliche finanzielle Durchtriebenheit dieses "Naturvolkes" manch harte Nuß zu knacken gegeben.

Die Landwirtschaft Albaniens liegt sehr im Argen. Das Land ist nicht annähernd wirtschaftlich ausgenutzt, der größte Teil der an sich fruchtbaren Ebene unbebaut. Auf relativ hoher Stufe steht einzig der Ölbau. Immerhin reicht auch die Getreideproduktion (Weizen, Gerste, Mais, Hafer, Reis) für die Bedürfnisse des dünn bevölkerten Landes, in guten Jahren wohl auch für einen bescheidenen Export; fremde Truppen bleiben jedoch auf Nachschub angewiesen. Besser steht es mit der Viehzucht; das kleine albanische Reitpferd ist ein unentbehrlicher Helfer im Lande, an Rindern, Schafen und Ziegen ist kein Mangel, sehr stark entwickelt ist, wenigstens in den flacheren Gegenden, die Geflügelzucht. Für mitteleuropäische, vorwiegend an Fleischnahrung gewohnte Truppen kann das Land daher immerhin einiges bieten.

Die Siedelungen bestehen mit Ausnahme weniger großer Städte aus Dörfern und Einzelhöfen; auch die ersteren zerfallen meist in kleine, oft weit [516] auseinanderliegende Häusergruppen ("Mahala"); die einzelnen Häuser sind, zumal im Gebirge, meist verteidigungsfähig gebaut.

Desolat sind die Wegverhältnisse. Als die k. u. k. Truppen in das Land kamen, gab es dort eine 1913/14 von Essad Pascha gebaute moderne, aber schon verfallende Straße von Durazzo nach Tirana, dann einige kurze Straßenstücke in der nächsten Umgebung größerer Städte; alles übrige waren ausschließlich landesübliche Saumwege von oft haarsträubender Beschaffenheit, in größeren Ebenen wohl auch Fahrwege, jedoch ohne jeden Unterbau oder sonstige Spuren planmäßiger Erhaltung; über die weitgehende Abhängigkeit dieser Wege von Jahreszeit und Wetter wurde schon gesprochen. Dazu kommt, daß das gesamte Wegnetz selbst für Balkanverhältnisse unglaublich weitmaschig ist, daß oft zwischen benachbarten Ortschaften keine Wegverbindung besteht und Abkürzungen querfeldein durch Bosco, Dornhecken und Sumpfstrecken empfindlich erschwert, für Reiter oft unmöglich sind. Nicht unerwähnt dürfen an dieser Stelle die Reste alter Römerstraßen bleiben, die infolge ihres festen Unterbaues und ihrer vernünftigen Trassierung die Wegsamkeit stellenweise fördern.

Brücken, und zwar vorzügliche Steindrucken, hat es dereinst im Lande eine Menge gegeben; aber auch sie sind, zumal in der Ebene, größtenteils verschwunden. An ihre Stelle sind schwerfällige Überfuhren getreten, die den spärlichen Lokalverkehr leicht bewältigen, für militärische Zwecke natürlich nicht ausreichen. Im Gebirge hingegen sind die Brücken vielfach überraschend gut erhalten.

Die Besetzung des so beschaffenen Landes war für die österreichisch-ungarische Heeresleitung nicht allzu verlockend, wenn auch die Kenntnis seiner Eigentümlichkeiten damals zweifellos nicht soweit ging, wie heute auf Grund bitterster Erfahrung. Das nächste und schwierigste Problem bot der Nachschub. Sich auf den Seeweg zu verlassen, schien trotz der bisherigen Untätigkeit des Feindes nicht ratsam; blieb als sicher nur der lange, dünne Schlauch der bosnischen Schmalspurbahn mit dem weiteren Anschluß über das zum Teil primitivste Wegnetz des Landes, dessen Ausgestaltung zu leistungsfähigen Etappenstraßen erst nach Maßgabe der Besetzung in Angriff zu nehmen war. Damit war es klar, daß einerseits nur eine kleine Kampfkraft im Lande unterhalten werden konnte, während andererseits der Etappendienst verhältnismäßig sehr große Kräfte - ein Mehrfaches des Kampfstandes - fordern mußte; von den operativen Schwierigkeiten der an einer einzigen langen und empfindlichen Verbindungslinie hängenden Besetzungstruppen nicht zu reden. Wenn man sich an maßgebender Stelle schließlich doch für den Einmarsch entschied, so war hierfür die immerhin im Vordergrund stehende Hoffnung, die serbischen Armeereste samt ihrer Regierung aufzuheben, sicher nicht der ausschlaggebende Grund; dieser lag vielmehr auf politischem Gebiet.

Albanien war seit Jahrzehnten ein Zankapfel zwischen Österreich-Ungarn und Italien. Letzteres hatte den von den Mittelmächten unterstützten Prinzen [517] von Wied aus dem Lande getrieben und unmittelbar nach Ausbruch des Weltkrieges, noch als neutrale Macht, Valona besetzt, später, nachdem es selbst in den Krieg eingetreten, auch Durazzo, angeblich um den Abtransport der Serben zu decken. Hier galt es also, dem Erbfeind auf dem alten Streitobjekt zu begegnen. Aber nicht nur der offene Feind, auch der augenblickliche "Freund" stand in ähnlicher Weise in Erwägung. Bulgarien machte gar kein Hehl daraus, daß es auch Albanien in seine "Einflußsphäre" einzubeziehen wünsche; schon saß es in Pristina und Prizren und trieb von dort und von Monastir her Abteilungen bis Elbasan, Berat und sogar Fjeri vor. Bei der starken Offensivkraft, die seine Truppen eben erst an der Salonikifront bewiesen hatten, war durchaus zu erwarten, daß sie hinter den Serben auch die Italiener aus dem Lande fegen würden, und dann war ihren Ansprüchen nicht mehr zu begegnen. Hier galt es also in Güte zuvorzukommen. So kam der Entschluß zum Einmarsch zustande, allerdings nicht auf einmal und entschieden, sondern zögernd und schrittweise. Zuerst erging der schon erwähnte Befehl an die 3. Armee, den Serben "durch Montenegro und Nordalbanien" nachzustoßen. Dann, als man auf Grund richtiger Erkenntnis den Einmarsch von Westmontenegro aus ansetzte, wurde der Mat als Südgrenze angegeben; noch später ward diese bis an den Škumbi vorgeschoben. Gewiß war dies eine halbe Maßregel, die sich auf die Dauer als unhaltbar erwiesen hat; allein sie kennzeichnet am besten die Schwere des Entschlusses, die durch die Ereignisse weitestgehende Bestätigung finden sollte.

Am 16. Januar 1916 erging vom 3. Armeekommando an das in Montenegro stehende XIX. Korps (General der Infanterie Trollmann) der Befehl, ein Detachement von zwei Bataillonen und einer Gebirgsbatterie über Virpazar nach Stari Bar vorzuschieben, welches dann überraschend Skutari nehmen und weiter gegen Alessio und San Giovanni di Medua vorrücken sollte. Eine Gebirgsbrigade hatte zu folgen. Zweck: Störung der Einschiffung in Medua.

Das XIX. Korps stellte damals einen sehr komplizierten Verband dar. Es bestand aus der 47. Infanteriedivision (14. Gebirgsbrigade, Festungs-Infanteriebrigade, Gruppe Oberst Lottspeich, Gruppe Oberst Török), der Gruppe Feldmarschalleutnant v. Sorsich (die Landsturm-Infanteriebrigaden Feldmarschalleutnant Schieß und Generalmajor Streith), dann als korpsunmittelbar: 20. Landsturm-Gebirgsbrigade und die Gruppen Oberst Zhuber und Oberst v. Hausser; endlich eine Zahl korpsunmittelbarer Artillerieverbände, technischer Truppen und Anstalten. In dieser Form, die im Wesen dem auf die Festung Cattaro basierten Lovćenangriff angepaßt war, kam das Korps für einen weiteren Vormarsch nicht in Betracht. Schon stand damals die Offensive in Südtirol in Aussicht, die 3. Armee hatte dahin Kräfte abzugeben, wobei natürlich zuerst auf jene gegriffen wurde, deren geringere Gebirgs- [518] ausrüstung sie für das zwar höhere, doch ungleich wegsamere italienische Grenzgebiet immerhin geeigneter erscheinen ließ als für den Balkan. Da die Befehle hierzu allmählich kamen, so ergab sich in der Folge ein beständiges Hin- und Herziehen von Brigaden und Gruppen, Umgruppierungen und Umbenennungen von Verbänden; so wurden in der nächsten Zeit die Gruppe Feldmarschalleutnant v. Sorsich zur 63. Infanteriedivision, die Brigade Feldmarschalleutnant Schieß zur 210., Generalmajor Streith zur 211. Landsturm-Infanteriebrigade, die Festungs-Infanteriebrigade zur 22. Landsturm-Gebirgsbrigade.

Die Situation des Korps war um Mitte Januar, als die Waffenstreckungsverhandlungen mit Montenegro begonnen hatten, etwa folgende: Hauptkraft der 47. Infanteriedivision bei und südlich Cetinje, Front gegen Podgorica - Rjeka; Gruppe Sorsich Budua - Ljubotin, angesetzt gegen die Enge zwischen Skutarisee und Meer; die Korpsunmittelbaren dahinter. Die Bewegungen der nächsten Tage waren wesentlich gehindert durch die Verhandlungen, die immer zweideutigeren Charakter annahmen und alle Entschlüsse hemmten. Inzwischen war das "Raid-Detachement" aus Truppen der 14. Gebirgs- und der Festungs-Brigade unter Kommando des Oberstleutnants Kramer gebildet worden und am 18. Januar in Virpazar, am 20. Januar in Pekurica eingetroffen, wo es in den Verband der Gruppe Sorsich trat und am nächsten Mittag den Vormarsch fortsetzte; ihm folgte die Brigade Streith.

Am 23. Januar abends rückte Oberstleutnant Kramer kampflos in Skutari ein; die Brigade in Katrkol. Die Serben, von denen sich mehrere Tausende in und um Skutari angesammelt hatten, waren vorher gegen Alessio abgezogen. In Virpazar und Skutari wurde genügend Schiffsmaterial vorgefunden, um den See als Nachschublinie einrichten zu können: die unabweisliche Voraussetzung jeder weiteren Vorrückung. Der Empfang der k. u. k. Truppen durch die Albaner war, wie bei deren traditioneller Feindschaft gegen die Serben und noch mehr die Montenegriner nicht anders zu erwarten, überaus freundlich; allenthalben griff die Bevölkerung zu den Waffen, um sich an der weiteren Vorrückung zu beteiligen; zumal aus der Gegend von Ipek und Djakova waren starke, wohl bewaffnete Aufgebote im Anmarsche; ihre Organisation durch landeskundige Offiziere war im Zuge.

Am 27. Januar setzte das Detachement Kramer den Marsch fort und besetzte am 28. Alessio und San Giovanni di Medua; die Serben waren auch hier schon fort, der Hafen in greulichem Zustande. Dem Detachement folgte auf einen Tagmarsch die nunmehrige 211. Landsturmbrigade, dahinter die 210., sodann die 20. und zuletzt die 14. Gebirgsbrigade; alle auf der einen, zu dieser Jahreszeit auch die kleinste Nebenkolonne ausschließenden Marschlinie. Man darf dies nie aus dem Auge lassen, um den ganzen weiteren Vormarsch zu verstehen. Während der montenegrinischen Besetzung hatte die eingangs beschriebene Wetterpause geherrscht, die Truppen hatten zum Teil unter emp- [519] findlicher Kälte gelitten. Bald nach Betreten albanischen Bodens brach die zweite Hälfte der Regenzeit herein mit all ihren Begleiterscheinungen. Bis Alessio, wo so etwas wie eine Andeutung einer ehemaligen Straße bestand, ging es noch; einen kleinen Marsch weiter aber kam das erste große Hindernis: der Mat. Der ganze Rest des Winters ist eine ununterbrochene "Schlacht am Mat" mit den entfesselten Elementen des Flusses; jede Brigade mußte sich den Übergang aufs neue unter schwersten Anstrengungen erkämpfen, jede Munitionskolonne, jede Verpflegsstaffel; und es ist Herbst 1917 geworden, bis hier ein unter allen Umständen sicherer, für alle Kriegsmittel passierbarer Übergang hergestellt war. - Auf den Mat folgte die zwei Märsche lange Wald- und Sumpfwildnis von Mamuraš, auf einem einzigen äußerst primitiven Saumweg zwischen überschwemmten Sümpfen und steilen Bergfüßen passierbar; überflüssig zu sagen, daß auch dieser Weg auf lange Strecken unter Wasser stand und überdies unter der ungewohnten Beanspruchung sich in kürzester Zeit in einen grundlosen Kotstreifen verwandelte. Genau dieselben Schwierigkeiten und Begleiterscheinungen, die Hannibals Marsch durch das Überschwemmungsgebiet des Arno zu einer weltgeschichtlichen Berühmtheit gemacht haben, traten hier zutage; die Rasten totmüder Abteilungen in Sumpf und Kot, auf versenkten Bagagestücken und Leichen gefallener Tragtiere, wie sie die antiken Schriftsteller so anschaulich schildern, wurden auch hier zum alltäglichen Erlebnis; nur daß dieses nicht vier Tage und drei Nächte, sondern Wochen und Monate andauerte.

In der Linie Kruja - Išmimündung wurden die ersten Schüsse mit serbischen Nachhuten gewechselt; die Stadt Skanderbegs bot ihre Kapitulation an und wurde von einer Kompagnie besetzt; aber hinter dem Išmi leisteten die Serben, durch Italiener unterstützt, Widerstand. Oberstleutnant Kramer blieb stehen; die 211. Brigade schloß auf. Nach viertägigem Aufenthalt ging es weiter bis Preza-Vorra, wo die Wege nach Durazzo und Tirana auseinandergehen. Tirana wurde am 9. Februar durch ein Bataillon besetzt, das Gros der 211. Brigade mit dem nun in ihren Verband getretenen Detachement Kramer wandte sich gegen Durazzo und besetzte die Höhen zwischen dem Ljumi Tirans und Arsen; hier wurde am 11. Februar ein italienischer Angriff gegen die beherrschende Höhe des Mali Barzes mühelos abgewehrt. Nun stand die Vorhut des Korps vor der italienischen Hauptstellung östlich Durazzo, die sich von der Arsenmündung flußaufwärts bis an die Höhen von Bazar Šjak, dann über diese brückenkopfartig vorspringend im Bogen bis gegenüber Reš, sodann vom linken Flußufer über den schmalen Rücken von Teke Alekšit bis zu dem schon in den Kriegen Cäsars zu hoher Bedeutung gelangten, hart ans Meer herantretenden Felsen Škam (Sasso bianco), erstreckte; hinter ihr war auf der aus den Kämpfen des Prinzen von Wied bekannten Welle von Režbul (Raštbul) eine zweite Stellung vorbereitet; endlich waren die beiden schmalen Landzungen, die die Halbinsel [520] von Durazzo beiderseits der Lagune "Kneta Durcit" mit dem Festlande verbinden, durch Schanzen gesichert.

Bis zum 14. Februar hatte die 211. Landsturmbrigade aufgeschlossen und stand in breiter Front von Ruškuli bis an den Mali Barzes dem Feinde gegenüber;3 von den übrigen Truppen des Korps hatten an diesem Tage die 210. Landsturmbrigade Larušku-Mamuraš, die 20. Landsturm-Gebirgsbrigade Alessio, die 14. Gebirgsbrigade Skutari erreicht; außerdem war ein Detachement der von Prizren über Kula Ljums herangezogenen 2. Gebirgsbrigade, einundeinhalb Bataillone und zwei Geschütze unter Oberstleutnant Zloch, nach schwerem Gebirgsmarsche am 8. Februar in Mamuraš eingetroffen und stand jetzt bei Preza; endlich war die erste kampffähige Albanergruppe von etwa 600 Mann unter Hauptmann Häßler über Tirana herangekommen und hatte im Hügelland nördlich Kavaja Fuß gefaßt; ihr ergab sich am 16. Februar die Stadt Kavaja selbst, womit die italienische Stellung zu Lande vollkommen umschlossen war.

Beim XIX. Korpskommando, das am 11. Februar in Skutari eingetroffen war, wußte man, daß der Abtransport der Serben am 10. Februar beendet war und hegte im übrigen die naheliegende Ansicht, daß nun auch die Italiener nach Lösung ihrer Hauptaufgabe den Platz freiwillig räumen würden. Demzufolge war der Grundgedanke aller an das nunmehrige 63. Divisionskommando (Feldmarschalleutnant v. Sorsich) ergehenden Weisungen, durch rasches Zugreifen den Abzug zu stören. Dagegen kam aber die in Fühlung mit dem Feinde stehende Truppe und sehr bald auch das am 17. Februar in Preza eingetroffene Divisionskommando täglich mehr zu der Überzeugung, daß der Feind Widerstand plane. So war es in der Tat. Noch am 15. Februar hatte der italienische Kommandant General Guerrini in Rom um die Erlaubnis zur Räumung angesucht, diesen Entschluß aber am 17. Februar widerrufen. Als nun an diesem Tage ein Befehl des XIX. Korpskommandos den Angriff für den 18. anbefahl, wies die Division mit gutem Recht darauf hin, daß derselbe solange aussichtslos wäre, als nicht eine entsprechende Stoßkraft im Hügellande zwischen Arsen und Meer, wo vorläufig nur die Albaner Häßlers standen, verfügbar sei. Hierzu waren das der Division unterstellte Detachement Zloch sowie die vorgezogene Artillerie der 20. Landsturmgebirgsbrigade, dann Teile der 210. Brigade in Aussicht genommen. Da sich am selben Tage auch das früher zur Kenntnis der Entschlußänderung Guerrinis gelangte Armee-Oberkommando Teschen dieser Ansicht anschloß, so wurde der Angriff zunächst auf den 21. festgesetzt, bis zu welchem Tage man auf das Eingreifen der ganzen 210. und 20. Brigade rechnen zu können meinte; die unvermeidlichen Marschverzögerungen brachten es mit sich, daß der Termin schließlich bis zum 23. Februar hinausgeschoben wurde. Inzwischen wurden die Truppen wie folgt gruppiert (s. Skizze 17):

Der Angriff auf Durazzo.
[521]      Skizze 17: Der Angriff auf Durazzo.

[521] Am äußersten rechten Flügel stand ein Teil der 210. Brigade unter deren einstweiligem Führer Oberstleutnant Jurišević im Raume um Ruškuli; Angriffsrichtung Juba - Kap Pali. Im Zentrum das Detachement Kramer an der Straße und anschließend die 211. Brigade (Oberst Lörinczy) gegenüber der Brückenkopfstellung. Am linken Flügel die 20. Gebirgsbrigade (Oberst Farkas) zwischen Arsen und Meer; ihren linken Abschluß bildeten das Detachement Zloch, zu äußerst die Albanergruppe Häßler. Der nicht eingesetzte Rest der 210. Brigade teils Reserve, teils zu Wegherstellungen verwendet. Die Artillerievorbereitung hatte um 6 Uhr, die Infanterievorrückung um 7 Uhr 30 Minuten vormittags einzusetzen.

[522] Vor der Gruppe Jurišević leistete der Feind kaum nennenswerten Widerstand, um so mehr der hochgeschwollene Arsen, der jeden Brückenschlag vereitelte; tatsächlich hatten bis zum Abend nur wenige Leute, auf Balken reitend, das linke Ufer gewonnen. In der Mitte wehrte sich der Feind hartnäckig; der Kampf konzentrierte sich hauptsächlich um die beherrschende Höhe Kvdra Šjak und das Dorf Djepale, die um Mittag im Sturme genommen wurden; nun gingen die Italiener über den Arsen zurück und steckten die Brücke von Bazar Šjak in Brand.

Die sofort eingeleitete Verfolgung fand auch hier am Flusse ein unweigerliches Halt. Damit fiel der bisherige Plan des Divisionskommandos, mit der Gruppe Lörinczy den Hauptangriff auf Durazzo längs der Straße weiterzuführen, und immer deutlicher zeigte es sich, daß die zwischen Arsen und Meer angesetzte Gruppe, die den bösartigen Fluß von Hause aus im Rücken hatte, zum Träger der Entscheidung ausersehen war.

Bei der Gruppe Oberst Farkas hatte Hauptmann Häßler mit seinen Albanern aus eigenem Entschluß noch vor Beginn der Artillerievorbereitung den Škam gestürmt und zwei Gebirgsgeschütze erobert, war aber selbst schwer verwundet worden; anschließend fiel bald nach 8 Uhr Skalnjuri in die Hände der Gruppe Zloch. Dagegen hatte der rechte Flügel der Brigade (Oberstleutnant Lazar) auf der Wasserscheide harte Arbeit. Erst gegen Mittag ermöglichten die langsamen, aber stetigen Fortschritte der äußerst rechten Flügelgruppe am Arsen (Oberstleutnant Castro), sowie die wirksame Zusammenfassung der teilweise bis in die Schwarmlinie vorgezogenen Artillerie den Sturm auf die zäh verteidigte Kuppe , der um 12 Uhr 30 Minuten gelang.

Begünstigt durch das bedeckte, unübersichtliche Gelände, wußten sich die Italiener auch hier rasch und geschickt der Fühlung zu entziehen. Oberst Farkas nahm ungesäumt die Verfolgung auf. Den ehrgeizigen Führer lockte ein hohes Ziel: in Kenntnis der Schwierigkeiten, mit denen die anderen Gruppen am Arsen zu kämpfen hatten, wollte er die ganze Last des weiteren Kampfes auf sich nehmen und seine Aufgabe durch die Einnahme Durazzos krönen; in diesem Sinne berichtete er auch an die Division. Indes die Truppen kamen ihm in dem überaus schwierigen Gelände und der bald hereinbrechenden Dunkelheit aus den Fingern und der Versuch, die halb verbrannte Knetabrücke zu überschreiten, scheiterte im feindlichen Maschinengewehrfeuer. Wohl hielt sowohl Oberst Farkas, wie im Vertrauen auf seine Vorschläge auch das Divisionskommando zunächst noch an den Gedanken des gewaltsamen Nachstoßens fest; letzteres hatte auch die am Morgen des 24. endlich über den Arsen gekommene Gruppe Lörinczy in Reserve zurückgenommen und nur ihre Artillerie dem Oberst Farkas zur Verfügung gestellt, der sich nunmehr auf der Welle von Režbul - Sinavlaš bereitstellte. Doch das weitere Vordringen ward jetzt durch die in bedeutender Stärke in der Bucht versammelte feindliche Flotte vereitelt, welche zwar, durch [523] geschickt aufgestellte Scheinziele getäuscht, den Truppen wenig Schaden zufügte, dagegen durch ihr planmäßig vor die Knetabrücke gelegtes Sperrfeuer jeden Übergangsversuch unmöglich machte.

Indessen hatte General Guerrini unter dem Eindruck der verlorenen Außenstellung die Absicht des Ausharrens wieder aufgegeben und den schleunigen Abtransport eingeleitet. Die Aufgabe war trotz der augenblicklichen Unangreifbarkeit der Stadt schwer genug, denn diese, und vor allem ihre ohnehin primitive Reede, lag zur Gänze in Sicht und Wirkung des auf der Welle von Režbul stehenden Angreifers. Kurz nach 1 Uhr nachmittags eröffnete die vereinigte Artillerie der 20. und 211. Brigade, zu der gegen Abend noch die in Eile vorgezogenen Batterien der 14. Gebirgsbrigade stießen, überfallsartig das Feuer auf die in vollem Gange befindliche Einschiffung. Rasch errichteten die Italiener aus Mehlsäcken einen Schutzwall über den offenen Platz am Hafen, aber auch dies ermöglichte nur das Einschiffen von Mannschaft und leicht förderbaren Gegenständen; Pferde, Geschütze und der größte Teil der Verpflegsvorräte mußten zurückgelassen werden; erstere, etwa 1000 an der Zahl, wurden erschossen, die Geschütze vor der endgültigen Räumung unbrauchbar gemacht, die Vorräte, jedoch nur zum Teil, vernichtet; beträchtliche Mengen fielen später den Siegern in die Hände.

Während die Gruppe Farkas sehr entgegen ihrer Absicht in der Režbulstellung festgenagelt blieb, war die Gruppe Jurišević am 24. nach Überwindung des Arsen ohne feindlichen Widerstand bis auf die schmale und gänzlich versumpfte Landenge östlich des Kap Pali vorgedrungen, wo sie ohne jede Möglichkeit, sich zu entwickeln, vor der neuen feindlichen Stellung auf den Hügeln des Kaps zwei Tage im Sumpfe liegen blieb. Inzwischen war die ganze 14. Gebirgsbrigade nach schwerem Matübergang bei Vorra eingetroffen, und das Divisionskommando beschloß nun, für das weitere Vorgehen eine Neugruppierung eintreten zu lassen. Den beiden einzigen Zugängen zur Stadt entsprechend, sollten nunmehr zwei Angriffsgruppen gebildet werden: Oberst Farkas vor dem südlichen, die 14. Gebirgsbrigade, welche die Gruppe Jurišević ablösen sollte, vor dem nördlichen Zugang. Die 210. und 211. Landsturmbrigade sollten vereinigt und, mit Ausnahme der in der Front verbleibenden Batterien, in Reserve hinter den Arsen zurückgenommen werden.

Während die 211. Brigade planmäßig zurückgenommen werden konnte, hatte die Gruppe Jurišević am 26. früh die Hügel von Pala vom Feinde frei gefunden und war mit Teilen - Grenzjägerkompagnie 3 - über die nächste Landenge bis vor Portes vorgegangen, wo die feindliche Nachhut sich nochmals gesetzt hatte; so kam es, daß einerseits die Befehle der Division der in ungangbaren Sümpfen steckenden Gruppe mit großer Verspätung zugestellt wurden, andererseits es unzweckmäßig erschien, dieselbe jetzt, so nahe am Ziele, noch abzulösen. Die Erkrankung des Kommandanten der 14. Gebirgsbrigade, Oberst [524] v. Conrad, erleichterte den Entschluß, diese ganze Brigade dem Oberstleutnant Jurišević zu unterstellen. Doch kam sie nicht mehr zum Eingreifen. Mit Einbruch der Dunkelheit räumte der Feind Portes; die Grenzjägerkompagnie nahm sofort selbsttätig die Vorrückung auf; als sie um 11 Uhr 45 Minuten nachts als erste Truppe in Durazzo eindrang, hatten die Italiener bereits die Stadt verlassen.

Guerrini hatte nach den Verlusten, die ihm der Feuerüberfall am 24. zugefügt, die Einschiffung in der Folge auf die Nachtstunden beschränkt und sie am 26. abends beendigt. Es war hohe Zeit; denn schon waren die Schanzen an der Kneta von der österreichischen Artillerie unhaltbar gemacht. Mit großem Geschick wurden die letzten Nachhuten mit Einbruch der Dunkelheit an Bord gebracht; große Brände und Explosionen begleiteten die beendete Räumung. Als die Teten der Gruppe Farkas um 7 Uhr abends die Vorrückung antraten, verstummte auch das Sperrfeuer der Flotte. Die Kneta wurde teils auf einer tags vorher durch eine Büffelherde verratenen Furt, teils mittels Flößen nächst der verbrannten Brücke passiert; dies nahm mehrere Stunden in Anspruch; erst um 4 Uhr 30 Minuten früh erreichte eine Kompagnie des bosnisch-herzegowinischen Jägerbataillons 2 die Stadt, wo sie in der Dunkelheit mit der Grenzjägerkompagnie 3 ins Gefecht geriet. Kurz darauf übernahm Oberst Farkas aus den Händen des griechischen Konsuls die Stadt. Die Aktion von Durazzo war beendet.

Die Sieger hatten 4 Offiziere, 69 Mann (darunter 10 Albaner) an Toten, 5 Offiziere, 294 Mann (darunter 16 Albaner) waren verwundet, 51 Mann vermißt; in ihre Hand fielen 17 Offiziere, 742 Mann als Gefangene (alle am 23. Februar), 1 Maschinengewehr, 34 Geschütze, darunter 4 schwere, 8 Munitionswagen, etwa 12 000 Gewehre, zahlreiche Munition und für 20 Brigadetage Verpflegung; endlich 17 kleine Dampfer und Segler.

Die Italiener haben sich in ihren Berichten sehr viel auf die "glorreiche Räumung" von Durazzo zugute getan. Es ist nicht zu leugnen, daß die Räumung, nachdem sie durch die Niederlage vom 23. Februar einmal erzwungen war, allerdings unter sehr bedeutender Begünstigung durch das Gelände und unter dem wirksamen Schutz der Flotte, immerhin mit großem Geschick durchgeführt wurden ist. Ein schwerer Fehler, weil in jeder Hinsicht zwecklos, war es jedoch gewesen, es überhaupt auf den Kampf am 23. ankommen zu lassen. Er brachte den Italienern die effektive taktische Niederlage, machte die Räumung zu einer vom Feinde erzwungenen und kostete sie die ganzen Pferde, Geschütze und Verpflegsvorräte, die Guerrini ohne den unglücklichen Entschluß vom 17. Februar wahrscheinlich zur Gänze hätte bergen können. Der Eindruck der ersten Waffenentscheidung auf die Bevölkerung blieb nicht aus; von diesem Tage an war in ihrem Auge Österreich-Ungarn der Sieger.

[525] Durch das allmähliche Einsetzen der Kräfte in den Kampf um Durazzo waren die Verbände stark durcheinandergekommen; gleichzeitig waren so ziemlich alle für die Besetzung Albaniens in Betracht kommenden Kampfformationen schließlich dem 63. Infanterie-Divisionskommando unterstellt worden. Was nicht vor Durazzo focht, befand sich zumeist im Abtransport nach Südtirol, und das 47. Infanterie-Divisionskommando saß unbeschäftigt in Skutari. Nun erfolgte die Entwirrung nach beiden Richtungen. Von den im Lande verbleibenden Befehlsstellen erreichten bis etwa 3. März: das 47. Infanterie-Divisionskommando Tirana, ihm unterstellt die 14. Gebirgsbrigade in Tirana, mit Teilen in Kavaja und Elbasan, und die 20. Landsturmgebirgsbrigade in Durazzo - Bazar Šjak; das 63. Infanterie-Divisionskommando Alessio, mit der 210. Landsturmbrigade ebenda, 211. Landsturmbrigade in Kruja - Mamuraš - Larušku. Die inzwischen aus Prizren in Skutari eingetroffene 2. Gebirgsbrigade, einschließlich des ihr wieder zudirigierten Detachements Zloch, die 22. Landsturm-Gebirgsbrigade (ehemalige Festungs-Infanteriebrigade), endlich mehrere andere, jetzt meist zu Brigaden umgewandelte Gruppen gingen über die Bocche oder Trebinje nach Norden ab. - Die Entwirrung wurde durch neuerliches katastrophales Hochwasser verzögert; alle Brücken wurden weggerissen; der Mat stieg um 3,60 m und mußte in diesem Zustande nicht nur von den gesamten Nachschubstaffeln, sondern auch von der nordwärts ziehenden 210. Landsturmbrigade und dem Detachement Zloch auf Kähnen und Einbäumen überschifft werden!

Die Verteilung der Truppen war vorläufig im Sinne der letzten Weisungen erfolgt, welche den Škumbi als Besatzungsgrenze bezeichnet hatten. Dies entsprach aber genau genommen weder der militärischen, noch der politischen Lage. Die Italiener waren nach dem Falle Durazzos fast ganz auf Valona zurückgegangen; damit lag das für die wirtschaftliche Versorgung so wichtige Muzakjagebiet eigentlich herrenlos zwischen den Fronten. Um so näher lag die Möglichkeit, daß die Bulgaren, deren Vortruppen bereits in Elbasan und Berat standen, ihre Hand darauf legen würden. So dringend es aber schien, die Front bis an die Vojusa vorzuschieben, so groß waren die Schwierigkeiten, die sich aus Nachschubrücksichten dagegen erhoben, wenigstens so lange die einzige Nachschublinie nicht wesentlich leistungsfähiger geworden war; dies aber war vor Eintritt der trockenen Jahreszeit nicht zu erwarten. Man fand den Ausweg, indem man sich bis dahin mit Albanern behalf, denen man schließlich zumuten konnte, ohne Nachschub vom Lande zu leben. Mit ihnen trat eine der originellsten und umstrittensten Gestalten dieses Feldzuges auf den Schauplatz: "Kapitän" Ghilardi.

Ghilardi war österreichischer Offizier gewesen und hatte sich später in ein wildes Abenteurerleben gestürzt, aus dem er schließlich als eine Art Balkankondottiere hervorging; als solcher hatte er im Balkankrieg und in den Kämpfen des Prinzen [526] von Wied eine Rolle gespielt. Seine eigentliche Domäne blieb Albanien, das er kannte wie irgendeiner und für dessen Freiheit er ohne weiteres sein Leben einzusetzen bereit war, natürlich mit der Absicht, in dem mit seiner Hilfe geschaffenen Staate einen seinem Ehrgeize entsprechenden Wirkungskreis zu finden. Er ist auch stets ehrlich "austrophil" geblieben. Seinem glühenden Ehrgeiz entsprach eine gewisse persönliche Eitelkeit, die aber gerade den Orientalen zu imponieren geeignet war; so zeigte er sich nie ohne glänzende Suite, gefiel sich in phantastischen Uniformen und auffallender Haar- und Barttracht. In der Folge ist er vielfach angefeindet worden; insbesondere jene, die auch an den albanischen Räuberhauptmann in allem und jedem den Maßstab des kaiserlichen Offiziers anlegen wollten, kamen notwendig in Gegensatz zu ihm; und er selbst war nicht ganz unschuldig daran, indem er die Grenze zwischen Vergangenheit und Gegenwart nicht immer zu ziehen verstand. Als jetzt die Besetzung Albaniens aktuell wurde, meldete sich Ghilardi, der damals in bulgarischen Bandendiensten stand, beim VIII. Korpskommando und übernahm die Bandenorganisation im größten Stile. In kurzem hatte er in Nordalbanien neun Bataillone zu 500 Mann aufgestellt, die zur Zeit der Einnahme Durazzos verwendungsfähig dastanden.

Vorerst übernahm Ghilardi die Besetzung der Muzakja. Am 8. März erreichte er Ljužna und Berat, am 9. Fjeri, warf nach kurzem Geplänkel die italienischen Nachhuten über die Vojusa und setzte sich mit 4000 Albanern am Nordufer des Flusses von der Mündung bis zum Knie nächst Kljoš fest. Dort konnten seine Truppen vom Lande leben, der Nachschub konnte am Škumbi Halt machen.

Nichtsdestoweniger wurde die Lage bedenklich, zunächst für die albanische Bevölkerung, und damit mittelbar auch für die k. u. k. Truppen. Man war als Freund und Befreier ins Land gekommen und hatte natürlich den besten Willen, der Bevölkerung möglichst wenig zur Last zu fallen. Dieser Grundsatz ließ sich aber nicht durchwegs aufrechterhalten, was die Albaner um so schwerer traf, als mit dem Momente der Besetzung durch Österreich-Ungarn selbstverständlich jede Einfuhr aus den Nachbarstaaten aufhörten. So sahen sich bald einzelne Landesteile von Hungersnot bedroht, und das österreichische Kommando war gezwungen, statt selbst vom Lande zu leben, umgekehrt die Bevölkerung zu ernähren und ihr Einfuhrartikel zu liefern, an denen zum Teil die eigene Heimat Mangel litt. - Ein sehr schwieriges Problem war der Geldverkehr. Papiergeld war im Lande gänzlich ungebräuchlich, und auch für die metallisch nicht ganz vollwertige österreichische Silberkrone hatte der in Geldfragen äußerst feinfühlige Albaner nur schärfstes Mißtrauen übrig. Er verlangte die Bezahlung in türkischem Gold und Silber, und es bedurfte langwieriger Verhandlungen und der stärksten Einflußnahme österreichfreundlicher Führer, um wenigstens die Silberkrone in Kurs zu bringen. Viel später kam man allerdings auch aufs [527] Papier, aber nur unter schärfstem Druck und ausschließlich im Verkehr zwischen Österreichern und Albanern; kein Albaner hätte vom andern Papier genommen, sie spießten es in ihren "Dučans" (Läden) auf lange Nägel, um es zum Herausgeben einfach abzureißen, verklebten wohl auch zerbrochene Fenster damit. - Das beste Zahlungsmittel wurden mit der Zeit die sogenannten "Kompensationsartikel", unentbehrliche Importware, vor allem Zucker, Rum und Petroleum; nur mit ihrer Hilfe war schließlich der wirtschaftliche Verkehr aufrechtzuerhalten.

Inzwischen wurde auch, nachdem die Ruhe im Lande durch Verkündigung einer allgemeinen "Besa" (Landfrieden) gesichert war, die Verwaltung organisiert, unter möglichster Festhaltung des Grundsatzes, daß Albanien nicht als besetztes Feindesland zu betrachten sei; sie wurde im wesentlichen durch die einheimischen Behörden unter Kontrolle der k. u. k. Kommanden ausgeübt. Das Land wurde in Bezirke, diese in Kreise geteilt und auf dieser Grundlage die Verwaltung, Rechtsprechung und der Finanzdienst gehandhabt. Wenn auch der Bevölkerung mit Rücksicht auf die unerbittlichen Forderungen der Kriegführung so manche Härte nicht erspart werden konnte und es nicht geleugnet werden soll, daß manche Mißgriffe vorkamen und einzelne Organe sich in die albanische Volksseele absolut nicht hineinfinden konnten, so hat das System doch im großen ganzen seine Schuldigkeit getan.

Die gegen Ghilardi herrschende Gereiztheit fand inzwischen auch ihren Ausdruck in seiner Rivalität gegenüber Achmed Bei Logoli, einem jungen, sehr ehrgeizigen, aber militärisch gänzlich unfähigen Feudalherrn aus der Matja, der bei der Aufstellung der Bataillone hervorragend mitgewirkt hatte und sich nunmehr dem landfremden Kondottiere nicht unterordnen wollte. Beide nebeneinander waren auf die Dauer nicht möglich, und da man es an maßgebender Stelle mit der einflußreichen Adelsfamilie nicht verderben wollte, ließ man Ghilardi fallen. Die Folgen traten fast augenblicklich zutage. Der albanische Jüngling hatte nicht im entferntesten die brutale Autorität seines Vorgängers, seine Banden kamen ihm gänzlich aus den Fingern, wildeste Disziplinlosigkeit riß ein, die bei einigen an sich bedeutungslosen Plänkeleien bedenklich in Erscheinung trat; sie wurde schließlich zu Meuterei und Verrat, der dazu zwang, eine Anzahl Offiziere und Mannschaften standrechtlich zu erschießen und einen Teil der Formationen aufzulösen. Damit war aber die Behauptung der Vojusalinie im höchsten Grade gefährdet, und so entschloß man sich endlich, zumal die fortschreitende Jahreszeit den Nachschub erleichterte, reguläre Truppen an den Fluß vorzuschieben. Hierzu ward die 14. Gebirgsbrigade ausersehen, die schon Mitte April mit der Hauptkraft nach dem von den Bulgaren nebst Berat geräumten Elbasan, Ende dieses Monats nach Ljužna vorgegangen war. Nachdem sie Ende Mai mit je einem Bataillon Fjeri und Berat besetzt hatte, bezog sie mit 11. Juni die ganze Vojusafront von der Mün- [528] dung bis Drizare. Die altehrwürdige Ruinenstätte von Apollonia beim Kloster Pojani auf dem letzten Ausläufer der Malakastraberge, die wichtigen, den Weg Fjeri - Valona beherrschenden Höhen von Levani - Peštjani, die isolierte Hügelgruppe von Buzmazi, endlich die auf hochragendem Tafelberge das Vojusatal weithin beherrschende Ruinenstätte des alten Byllis, die "Gradica" zwischen Hekalj und Kljoš, bildeten die Kernpunkte der über 50 km langen Stellung.

In Truppenkreisen war gleich nach der Einnahme Durazzos der Ruf nach der Offensive auf Valona laut geworden; hier schätzte man die Widerstandskraft der Italiener sehr gering ein, und diese Schätzung fand ihre Bekräftigung in der unglaublichen Passivität, die sie gegenüber den Banden an der Vojusa an den Tag legten. Wenn die Führung sich dem Rufe der Truppe verschließen zu müssen glaubte, so lag der Grund ausschließlich in der Nachschubfrage, welche, wie bereits betont, das Vortreiben regulärer Abteilungen in der ersten Zeit nicht einmal bis an die Vojusa, geschweige bis Valona zuließ. Die Italiener hatten es ungleich besser, sie verfügten über die kurze und verhältnismäßig sichere Seenachschublinie Brindisi - Valona, und ihre Front lag letzterem Orte weitaus näher als die unsere den nunmehrigen Nachschubplätzen Medua und Durazzo. Ihre Untätigkeit hatte einen ganz anderen Grund: die Zuspitzung der Beziehungen zu Griechenland, die sie zwang, den größten Teil ihrer in Albanien vereinigten Kräfte ("Corpo speziale di Albania", Kommandant General Berlotti, vier Brigaden nebst zahlreichen korpsunmittelbaren und Milizformationen, etwa 100 000 Mann Verpflegsstand) zum größten Teile gegen Osten bereit zu stellen, wo der Streit namentlich um den Raum von Tepeleni jeden Augenblick zu offenem Krieg aufzulodern drohte. Dabei handelte es sich ihnen nicht nur um die Befriedigung imperialistischer Bestrebungen, sondern zunächst vor allem um die Verbindung mit der mazedonischen Front der Entente. Bis dahin war ihre Offensivkraft an der Vojusa gelähmt, ihr ganzes Bestreben galt hier der Ausgestaltung der Defensive in Form eines doppelten Gürtels um Valona, deren äußerer sich allmählich zur Vojusastellung auswuchs. Für unsere Führung ergab sich daraus zunächst der Vorteil, daß die heikle Frage des Anschlusses an die mazedonische Front so lange nicht aktuell wurde, als die Italiener sie ihrerseits nicht gelöst hatten. Tatsächlich klaffte, seit die Bulgaren Elbasan und Berat geräumt hatten, eine Lücke vom Vojusaknie bis zum Ochridasee.

So verging der größte Teil des Sommers an der Vojusa mit jenem demonstrativen Geplänkel, dessen ständige Wiederkehr in unseren Presseberichten schließlich diesem Abschnitte den Namen der "Geplänkelfront" eingetragen hat. Ende August rafften sich endlich die Italiener zum Vorstoß gegen die Griechen auf Tepeleni auf. Ihre linke Flanke deckten sie dabei durch eine groß angelegte Demonstration gegen unsere beiden Flügel an der Vojusa, die sie zweimal [529] in den Besitz der "Gradica" brachte, um schließlich mit einem zwar zweifellos freiwilligen, aber unter dem Drucke des einsetzenden Gegenangriffes überaus verlustreichen Rückzug zu enden; ein gleiches Schicksal fand der Vorstoß über die untere Vojusa gegen die Höhen von Levani. Der Hauptzweck aber wurde erreicht: Tepeleni ward besetzt, daselbst die albanische Flagge gehißt und albanische Behörden unter italienischem Protektorat eingesetzt; die Griechen hatten sich ohne ernsten Kampf zurückgezogen. Damit war der Anschluß an die mazedonische Front in greifbare Nähe gerückt, die Bedrohung der albanischen Ostflanke bereits ausgesprochen; mit ihr die Notwendigkeit für uns, etwas für den bedrohten Raum zwischen der mittleren Vojusa und dem Ochridasee zu tun.

Dies war aber äußerst schwierig. War schon das Vorschieben der 14. Gebirgsbrigade an die Vojusa nur dadurch möglich geworden, daß im Sommer die verhältnismäßig zahlreichen Wege der Küstenzone eine für Balkanverhältnisse ansehnliche Leistungsfähigkeit aufweisen und die Muzakja ein immerhin einigermaßen ergiebiges Hilfsquellengebiet darstellt, so trifft dies alles im Gebirgslande durchaus nicht zu. Ein Hineinschieben regulärer Kräfte auch nur in jener Dichte, in der die 14. Gebirgsbrigade an der Vojusa stand (fünf Bataillone auf 50 km!) war ganz ausgeschlossen. Es blieb nichts übrig, als trotz der üblen Erfahrungen wieder auf Freischaren zu greifen. Man war sich wohl klar darüber, daß die Verwendung als stehende Abschnittsbesatzung dem Wesen der Banden gar nicht entsprach; wenn dieselben trotzdem in der Folge die ihnen zugemutete Aufgabe überraschend gut gelöst haben, so ist der Hauptgrund wohl darin zu suchen, daß es gelang, einen Führer von überragender Bedeutung zu finden, diesmal einen eingeborenen Albaner, Salih Bei Butka, einen wahren Wallenstein des Balkans an Autorität und Werbekraft, auf dessen Ruf die Desperados der ganzen Halbinsel zusammenströmten, und dessen Befehl sich auch der gefeiertste Räuberhauptmann der albanischen Berge willig beugte. Eine Reihe glanzvollster Namen dieser Art stellte sich samt Gefolgschaft unter sein Kommando, darunter der über 70 Jahre alte "Kapitän" Kajo und der ebenso gefürchtete als gefeierte Bandit Malka Dzvarista; im ganzen verfügte Salih Butka über sechs Banden. Sie stellten einen ganz anderen Typus dar als die ehemaligen Ghilardibanden; diese waren regelrechte Stammesaufgebote gewesen, jene waren bunte Haufen von Balkan-Komitadschis, gruppiert um einen Kern in der Kampfgegend selbst heimischer Kämpfer, die wieder die engere Gefolgschaft der demselben Gebiet entstammenden Führer bildeten, auf deren Namen die ganze Bande eingeschworen war; ihrer mußte sich die Leitung versichern, um der Bande sicher zu sein. - Natürlich hatten auch die Bulgaren, sowie die Italiener und die Franzosen ihre Banden. Die ersteren unter Führung eines Griechen namens Themistokles Germeni, der später zum Feinde überging und schließlich Österreich seine Dienste antrug, doch mit Rücksicht auf den grimmigen Griechenhaß Salih Butkas abgewiesen wurde; auf Ententeseite waren es meist [530] versprengte Essadisten oder griechische "Andarten". Die Wage haben sie dem unsrigen nie recht halten können; meist waren sie nur im Anschluß an reguläre Truppen zu verwenden, und wo es zum Kampfe Bande gegen Bande kam, war Salih Butka stets der überlegene. Im übrigen wurde natürlich zwischen den stammverwandten Freischaren heftig "gepackelt", Salih Butka und überhaupt jeder Führer von "internationalem" Ruf konnte sich jederzeit auch in feindlichem Gebiet frei bewegen, und die Bandenfront blieb dauernd der Mittelpunkt sowohl des Nachrichtendienstes, als auch des oft sehr willkommenen Schmuggels.

Indessen war Monastir verloren gegangen, und unter dem Eindruck dieses Ereignisses hatte die den rechten Teil der deutsch-bulgarischen Front bildende Heeresgruppe Below die Herstellung einer innigeren Fühlung angeregt. Am äußersten Flügel dieser Heeresgruppe stand damals der deutsche Oberst Thierry mit der bulgarischen 3. Kavalleriebrigade, Freiwilligen und einem deutschen Grenzwachbataillon zwischen Prespa- und Ochridasee; zum Anschluß wurde die Entsendung regulärer k. u. k. Truppen an das Westufer des Ochridasees erbeten. Die Sache ging hier etwas leichter, da man die Verbindung im Škumbital, wo die zum Teil noch erhaltene Römerstraße ("Via Egnatia") den Verkehr zu jeder Jahreszeit ermöglichte, dann den leidlichen Abkürzungsweg von Tirana über den Krabepaß nach Elbasan, endlich diese große und reiche Stadt als Etappenplatz zur Verfügung hatte; so entschloß man sich, die 20. Gebirgsbrigade an den Ochridasee zu verschieben. In der zweiten Hälfte Oktober - die Regenzeit war bereits eingetreten - begannen die Bewegungen. Am 27. Oktober besetzte die Vorhut der Brigade Lin am Westufer des Sees; während ein Bataillon und zwei Gebirgsbatterien an Oberst Thierry abgegeben wurden, schob sich die Hauptkraft allmählich gegen den See und die Škumbiquellen vor (Skizze 18).

Kampfraum des Osum- und Devoli-Gebietes.
[531]      Skizze 18: Kampfraum des Osum- und Devoli-Gebietes.

Mit dem ersten Eintreffen regulärer Truppen war Salih Butka losgegangen. Vom oberen Devoli in breiter Front vordringend, nahm er am 28. Oktober in konzentrischem Angriff das von starken feindlichen Banden besetzte Moskopolje und ging nun daran, die Verbindung zwischen den um Korča stehenden Franzosen und den von Tepeleni - Klissura her vordringenden Italienern abzuschneiden. Er besetzte den ganzen Höhenrand, der die Ebene von Korča im Westen begrenzt, und krönte seine Operation am 10. November durch Wegnahme der Paßhöhe Čafa Kjarit, über welche die Straße von Korča an die Vojusa verläuft. Damit war der angestrebte Zweck erreicht. Einen Angriff regulärer französischer Kräfte wies er am 14. November ab, und einen Versuch, ihn zum Übertritt zu veranlassen, beantwortete er mit der Aufforderung, Korča zu räumen, und mit engerem Zusammenziehen gegen die Stadt, aus welcher den Franzosen nur mehr die Straße gegen Osten nach Monastir offen blieb; gleichzeitig stellte er über Melčan die Verbindung mit der 20. Gebirgsbrigade her. In dieser [531] Stellung hielt er sich, durch ein Grenzjägerbataillon verstärkt, bis Mitte Februar 1917; fast die ganze 76. Division mit zahlreicher und zum Teil schwerer Artillerie mußten die Franzosen einsetzen, um den Ring zu sprengen. Auch gegen diesen Angriff hielt sich Salih Butka volle sechs Tage, drang sogar von Süden her im Gegenstoß noch näher an die Stadt heran; endlich zwang ihn Munitionsmangel zum Rückzug, den er mit dem linken Flügel an den Devoli bei Kučaka, mit dem rechten an die Čafa Devris durchführte. Aber schon im März stieß er [532] wieder gegen Čerevoda am Osum vor, das nach wechselvollen Kämpfen endgültig behauptet wurde.

Das alle Erwartungen übertreffende Verhalten der Freischaren Salih Butkas brachte beim Korpskommando das erschütterte Vertrauen in die Banden wieder zur Geltung. Da das Vorhandene zur Sperrung der großen Lücke zwischen Vojusa und Devoli nicht ausreichte, schritt man zu Neuaufstellungen. Am oberen Devoli formierte Hauptmann Battyek eine Anzahl Banden, im Tomorgebiet der wieder berufene Ghilardi; Salih Butka blieb im Zentrum. Mitte April begann der Vorstoß auf der ganzen Front. Hauptmann Battyek erreichte die Höhen zwischen Maliksee und Moskopolje, Salih Butka südlich davon die Čafa Babić, Ghilardi Sadobardo; nach Abwehr eines französischen Angriffes wurde die Vorrückung bis an den Höhenrand westlich Korča fortgesetzt. Wieder mußten die Franzosen die Hauptkraft der Division einsetzen, um die Freischaren wenigstens bis auf die Höhen westlich Moskopolje zurückzudrücken, wo sie sich dauernd behaupteten.

So hatte während des Winters 1916/17 das Schwergewicht der Ereignisse auf den Banden geruht; den regulären Truppen brachte er Kämpfe ganz anderer Art. Die Verschiebung der 20. Gebirgsbrigade in den Raum am Ochridasee und oberen Škumbi wirft das denkbar grellste Schlaglicht auf den Einfluß dieses Kriegsschauplatzes auf Operationen selbst kleinsten Stiles. Nahezu den ganzen Winter hat es gebraucht, bis die paar Bataillone und Batterien in dem zugewiesenen Raum einigermaßen stabilisiert waren; alles ohne jede feindliche Einwirkung, einzig auf Grund der Nachschubfrage. Die längste Zeit blieb die Vorhut in ihrer Stellung bei Pogradec isoliert; am 11. Januar hatte sie dortselbst einen schweren Angriff abzuweisen, wobei sie durch einen Entlastungsvorstoß Oberst Thierrys wirksam unterstützt wurde. Nun wurde wohl das Nachschieben der noch immer um Elbasan stehenden Hauptkraft energisch betrieben, doch es wurde Frühjahr, bis es durchgeführt war.

Hatte schon diese im Gebirge operierende Brigade unter den winterlichen Verhältnissen schwer zu leiden, so wurden diese für die im Küstenabschnitt stehenden Truppen, vor allem aber für die an der Vojusa stehende 14. Gebirgsbrigade vollends zu einem Martyrium. Dieses hatte schon im Sommer eingesetzt. Es ist erzählt worden, daß die Vorschiebung an die Vojusa nur möglich geworden war, nachdem die sommerliche Trockenheit den Nachschub im Küstenabschnitt gesichert hatte; kaum aber hatte die Brigade ihre Stellungen bezogen, als die andere und furchtbarste Geißel des Landes über sie hereinbrach: die Malaria. Man darf nicht vergessen, daß die Kenntnisse, die unsere Truppen und ihre Führer über Albanien mitbrachten, nicht annähernd jene waren, die uns heute auf Grund dritthalbjähriger Erfahrungen zu Gebote stehen, und daß vor allem hier zum ersten Male die Bekanntschaft mit der Malaria in großem Stile gemacht wurde, die wie ein unabwendbares und [533] unbekämpfbares Fatum über das Besatzungskorps hereinbrach. Im September waren die Stände der Kampftruppen um 70, die der Tragtierstaffeln um mehr als 80% gesunken; die schlechte Ernährungslage tat das übrige, zu den landläufigen Formen der "Tertiana" und "Tropica" gesellte sich das furchtbare, fast ausnahmslos tödliche Schwarzwasserfieber. Die Verluste durch feindliche Einwirkung waren in jener Zeit an den Fingern abzuzählen; das Klima forderte Tausende. Nichts fruchtete die Zurücknahme vom Flußufer auf die talbegrenzenden Höhen; die Verlegung in die Berge um Berat wurde ernstlich erwogen, aber schließlich aus operativen Gründen doch fallen gelassen. - Indessen brach obendrein mit dem 22. September die Regenzeit in einer Heftigkeit los, wie sie selbst in Albanien zu den Ausnahmen gehört. Nun war es auch mit dem geregelten Nachschub zu Ende. Schon am ersten Regentag waren sämtliche Fähren, die meisten Brücken beschädigt; am 21. Oktober brach die Matbrücke, am 22. die Semenibrücke bei Fjeri zusammen, und damit die Italiener auch etwas abbekämen, schwammen am 25. sämtliche Brücken der Vojusa und ihrer Nebenflüsse dem Meere zu. Am 13. Dezember sank die uralte steinerne, auf römischen Fundamenten ruhende Hadži Bekjarbrücke östlich Elbasan in den Škumbi.

Inzwischen war die Muzakja ein großer See geworden. Und durch diesen See, dessen Grund tief aufgeweichter Lehmboden bildete, ging der ganze Nachschub der 14. Brigade! - Das still leidende Heldentum dieser meist bosnisch-herzegowinischen Tragtierführer bildet ein eigenes Kapitel im Ehrenbuche des Weltkrieges und lange, lange nicht das letzte. Schwer unterernährt, von der Malaria zermürbt, wateten diese Braven ohne Klage Tag für Tag und Nacht für Nacht neben ihren kleinen Pferdchen zwischen Ljužna und Fjeri hin und zurück. Hunderte versanken klaglos mit ihren Tieren in Schlamm und Kot; aber das Unglaubliche wurde bewältigt: die Front konnte an der Vojusa ausharren. Freilich nur mit den von der Malaria auf Bruchteile herabgesetzten Ständen; "wären die Stände komplett, müßten wir verhungern", sagten jene, die es wissen mußten. Alle Versuche, die unselige Nachschubslinie durch die Muzakja auf dem Wege über Divjaka - Petova oder durch Motorbootverkehr auf dem Semeni zu entlasten, scheiterten an der Tücke der Elemente oder brachten bestenfalls unzureichende Ergebnisse. Zu allem Unglück wurde auch der weitere Nachschub durch wiederholte Schneeverwehungen auf den bosnischen Bahnen stark beeinträchtigt. Daß unter diesen Umständen die Verpflegung der Truppen auf das zulässige Mindestausmaß sank, ist begreiflich, und ebenso, daß sie schließlich zu denselben Mitteln griffen wie 2000 Jahre vor ihnen im selben Lande die Legionen Cäsars, und mit der Wurzel des wilden Aaronstabes ihren Hunger stillten.

So hat die k. u. k. 14. Gebirgsbrigade den Winter 1916/17 an der Vojusa durchgehalten. -

[534] In diesem Winter und dem anschließenden Frühjahre hatten sich mancherlei Veränderungen vollzogen. Das Heeres-Gruppenkommando Below hatte General der Artillerie v. Scholtz übernommen, die Gruppe Thierry Oberst v. Carlowitz. Einschneidender waren die Veränderungen im eigenen Bereiche. Das 63. Infanterie-Divisionskommando und die 210. Landsturm-Infanteriebrigade waren abgegangen, die 211. stand vorläufig im Küstenschutz. Dann aber war eine neue korpsunmittelbare "Gruppe 1/XIX" (General der Infanterie v. Gerhauser) mit dem Sitz in Elbasan gebildet worden; ihr unterstanden sämtliche Truppen und Freischaren östlich der Linie Mali Siloves - Tomor - Osum. In ähnlicher Weise wurde innerhalb der 47. Infanteriedivision eine "Gruppe 1/47" (Oberst v. Spaits) geschaffen, die alle Truppen zwischen dem Osum und dem Leftinjabach, der Ostgrenze der 14. Gebirgsbrigade, umfaßte.

Zu Kämpfen kam es erst im Spätfrühjahr im Bandengebiet. Hier waren am Maliksee, einem der furchtbarsten Malariaherde des Landes, mit Beginn der warmen Jahreszeit die regulären Truppen durch eingeborene Freischaren abgelöst worden, die immerhin eine bedeutend größere Widerstandskraft, wenn auch nicht gegen die Infektion, so doch gegen die Wirkung der Krankheit, mitbrachten. Die ersten größeren Zusammenstöße erfolgten jedoch am Osum, wo die Franzosen Ende Mai auf Čerevoda vorbrachen, jedoch schon Anfang Juni wieder über den Fluß zurückgeworfen wurden. Ende Juli drang Salih Butka wieder bis an die Čafa Babić vor; ein französischer Gegenstoß aus Moskopolje wurde am Kelizonibach zum Stehen gebracht. Dann machte die Hitze allen Kämpfen ein Ende. Dem abnormal nassen Winter war ein selbst für albanische Verhältnisse mörderisch heißer Sommer gefolgt. Die Malaria begann wieder zu wüten; Mitte Juli wurden die Vortruppen von der Vojusa auf die Höhen zurückgenommen, das Resultat war das alte. Der prophylaktische Mückenschutz war im Entstehen, jedoch noch lange nicht entsprechend durchgeführt; das Chinin, das mit großem Mißtrauen der Truppe zu kämpfen hatte, brachte auch nicht die erhofften Resultate. Im September 1917 sah es mit dem im Frühjahr aufgefüllten Ständen nicht besser aus als im selben Monate des Vorjahres.

Als mit dem Nachlassen der größten Hitze auch wieder die Möglichkeit von Operationen gegeben schien, begannen verschiedene Anzeichen darauf hinzudeuten, daß der Feind diesmal wirklich eine ernstliche Offensive plane. Starke italienische Ansammlungen im Raume Tepeleni - Klissura schienen zuerst einen Angriff auf Berat vorzubereiten; ihnen zuliebe wurde die 211. Landsturmbrigade Mitte August aus dem Küstenschutz gezogen und im Raume südlich Kuči bereitgestellt, ferner das 47. Infanterie-Divisionskommando von Tirana nach Ljužna vorgeschickt. Anfangs September wurde es indes klar, daß der Hauptangriff am Ostflügel seitens der Franzosen zu erwarten sei. Gern hätte man einen Teil der Korpsreserve jetzt dorthin verschoben; aber [535] mehr als eine Brigade in jenem Raum - das erlaubte der Kriegsschauplatz nicht. So mußte die 20. Brigade allein dem Angriff der doppelten Übermacht entgegensehen.

Am 7. September ging es los. Der erste Stoß traf die vorgeschobenen Freischaren nördlich des Maliksees und drängte sie auf die Hauptstellung zurück; gleichzeitig überschritten französische Bataillone den Devoli bei Zbroć und Tresova, worauf die zäh verteidigte Höhe von Gradište am Austritt des Devoli aus dem See am 9. September abends geräumt und die 20. Gebirgsbrigade in der Linie Čerava - Prenisti zusammengezogen wurde. Hier wurde sie am 10. September nachmittags von der Hauptkraft der französischen 76. Division von beiden Flügeln her heftig angegriffen und auf den Raum westlich Pogradec zurückgedrückt. In dieser Stellung hielt sie sich gegen ununterbrochene Angriffe, bis am 11. September vormittags nach verzweifelter Gegenwehr der Schloßberg von Pogradec verloren ging. Nun begann der überaus schwere Rückzug durch das schmale Defile am See; er hätte zur Katastrophe geführt, hätte sich nicht die Nachhut, ein deutsches Radfahrerbataillon, die Pionierkompagnie 3/2 und vor allem ein Zug der Gebirgs-Kanonenbatterie 2/21 unter Leutnant Preschern, heldenhaft geschlagen und zum Teil geopfert. So gelangte die Brigade, abschnittsweise weichend, in guter Ordnung in die neue Stellung bei Lin. - Inzwischen hatte die um ihre Flanke besorgte Heeresgruppe Scholtz die Unterstellung der Brigade unter ihr Kommando beantragt, und das Armee-Oberkommando hatte dem Antrag Folge gegeben; mit 13. September trat die Brigade in den Verband der neugebildeten "Ochrida-Division" unter dem deutschen Generalmajor v. Posseldt. Von ihm wurde sie sofort auf breiter Front zu großzügiger Stellungskorrektur angesetzt; in erfolgreichen Kämpfen wurde im allgemeinen die Linie nördlich Udaništa - Homes - Selca postme - Škumbiquelle - Kamiarücken, mit dem Abschluß bei Kučaka am Devoli, erreicht. Als der Feind am 21. September gegen diese Stellung neuerdings vorging, wurde er in mehrtägigen Kämpfen teils von Haus aus zurückgeschlagen, teils, wo er eingedrungen, in kräftigen Gegenstößen hinausgeworfen und die Stellung restlos behauptet.

Damit war die Kampfhandlung von Pogradec, die umfassendste seit der Einnahme von Durazzo, abgeschlossen, und sie war wider Erwarten auf verhältnismäßig engen Raum beschränkt geblieben. Beim XIX. Korpskommando hielt man bezeichnenderweise während der ganzen Kampfdauer - und noch lange nachher - an der Erwartung des italienischen Hauptangriffes auf Berat fest. Doch kam es hier nur zu einem schwächlichen Vorstoß auf Vireza, der unter dem Gegenstoß Ghilardis rasch zusammenbrach. Sehr ausgiebig, aber vom ersten Augenblick als solche erkennbar, war die Demonstration an der Vojusa gewesen; heftige Artillerieüberfälle und Fliegerangriffe leiteten sie ein; am 10. September erschien eine starke italienisch-englische Flotte nördlich [536] der Vojusamündung und legte in mehrstündigem schweren Feuer, durch Flieger unterstützt, das nur von einer kleinen Albanerabteilung besetzte Kloster Pojani in Trümmer. - Wenn ein Zerstörungswerk in diesem Kriege überflüssig war, so war es die Vernichtung dieses einzigartigen historischen und architektonischen Juwels, um dessen Erforschung sich dereinst gerade Engländer und Franzosen unsterbliche Verdienste erworben hatten; jedenfalls haben die Nationen, deren Vertreter hier beteiligt waren, keinen Grund mehr, sich über die in ernstem Kampfe erfolgte Beschädigung der Kathedrale von Reims zu entrüsten. –

Die Ende September erreichten Stellungen blieben im allgemeinen während des ganzen Winters unverändert. Im Bandengebiet wurde noch tief in die Regenzeit hinein heftig gekämpft, Ende Oktober auf den Hängen des Moskoš (südlich der Kamia), im November am Devoli bei Kučaka; nirgends vermochte der Feind durchzudringen.

Inzwischen war der zweite Kriegswinter hereingebrochen. Er war von seinem Vorgänger sehr verschieden. Die Regenzeit setzte viel später und auffallend zögernd ein, die Niederschlagsmengen waren weit geringer als im Vorjahre, dafür war die Kälte empfindlicher, in den Gebirgen häuften sich ungeheure Schneemassen, und das von Mitte Januar an durch sechs Wochen anhaltende Schönwetter brachte nicht nur grimmige Fröste, sondern sogar Eisgang auf den Flüssen. Überschwemmungen gab es fast nur an der Vojusa, so Mitte November und Anfang Januar, dann die gewohnte Inundation der Muzakja, wenn auch nicht im Umfange des Vorjahres. Mehr noch als die im allgemeinen günstigeren klimatischen Verhältnisse kamen den Truppen die seit dem letzten Winter getroffenen Nachschubsvorsorgen zugute. Zu der schon 1916 ausgebauten Seilbahn Alessio - Vorra gesellte sich nun ein großzügiges Feldbahnnetz, das im Frühjahre 1917 bereits bis Ljužna und Berat ausgebaut war, und dank der Witterung bis in den Winter hinein ausgestaltet und südwestlich bis Fjeri, östlich bis Elbasan fortgeführt werden konnte. Die technische Leistung war achtunggebietend; das Überschwemmungsgebiet der großen Muzakja zwischen Ljužna und Kolonja mußte mittels eines 15 km langen, mächtigen Dammes durchschnitten, zahlreiche gewaltige Brücken über die verschiedenen im Winter meist aktiv werdenden alten Semenibetten gebaut werden. Im Frühjahr 1918 fand das Feldbahnnetz seine weitere Ausgestaltung durch die Linie Papriali - Sušica (am Devoli), sowie durch die von Fjeri bis in die vorderste Front nach Levani und Geršpan - Buzmazi vorgetriebenen Stränge; letztere hatten zum Teil sehr schwieriges Gelände zu überwinden, tiefe Einschnitte und gewaltige Brücken und Viadukte über die vielen Regenschluchten des Hügellandes kennzeichneten ihre Bahn; die Strecke über den Levanisattel hieß denn auch allgemein "der Semmering" und wurde mit Stolz inspizierenden Vorgesetzten und sonstigen Besuchern vorgeführt.

[537] Mit der Ausgestaltung der Feldbahnen hielt die der übrigen Kommunikationen nicht Schritt. Besonders galt dies für den Bereich der 14. Gebirgsbrigade, deren 50 km lange Front eigentlich nur durch lange Transversalwege über das exzentrisch hinter dem rechten Flügel (Fjeri) liegende Brigadekommando mit dem Hinterland verbunden war, während direkt rückführende, für alle Truppen benutzbare Radialwege gänzlich fehlten; ein Umstand, der sich bitter rächen sollte.

Die Schuld lag allerdings nicht an fehlender Einsicht, sondern am immer schwerer werdenden Mangel an Arbeitskräften. Regelrechte Arbeitsformationen gab es längst nicht mehr, die wenigen russischen Gefangenenkompagnien konnten nicht in der vordersten Front verwendet werden, die Albaner waren bis zum äußersten Grade unanstellig. Die Truppen endlich reichten bei der erschrecklichen Dünne der Besetzung nicht einmal annähernd für die Ausgestaltung der Front. Überhaupt stellte sich der Unterschied zwischen dem österreichischen und italienischen Frontausbau täglich krasser heraus. Während die eigene Stellung über eine Anzahl kilometerweit auseinanderliegender, mit spärlichen Drahthindernissen versehener Stützpunkte nicht hinauskam, verfügten die Italiener seit langem über eine durchwegs zusammenhängende, zwei- bis dreifache Linie mit mächtigen Hinderniszonen, Tunnelgeschützen, und vor allem über ein tadellos ausgebautes Wegnetz aller Grade hinter der Front. Gewiß lagen die räumlichen Verhältnisse für sie unverhältnismäßig günstiger; doch ist zweifellos ein guter Teil dieses Unterschiedes auf die überlegene Geschicklichkeit und Anstelligkeit des Italieners zumal in Erdarbeiten zurückzuführen.

Den Truppen selbst ging es in diesem Winter immerhin bedeutend besser als im vorhergehenden. Die Kälte brachte die Malaria zum Stocken, die Stände konnten aufgefüllt werden. Die Verpflegung ließ wohl im Ausmaße noch viel zu wünschen übrig, doch war der Nachschub leichter und regelmäßiger. Die Feldbahn funktionierte leidlich, wenn auch unter großen Hindernissen; von den zugewiesenen 25 Generatorlokomotiven waren nie mehr als 7 - 10 gleichzeitig dienstfähig, und die Reparaturen begegneten den größten Schwierigkeiten. Die Strecke Skutari - Durazzo, in die unglaublicherweise zwischen Alessio und Vorra eine Rollbahn von kleinerer Spurweite eingeschaltet worden war, hatte eine äußerst geringe Leistungsfähigkeit, und die Notwendigkeit zweimaligen Umladens verzögerte die Transporte und schädigte die Güter. Der Hauptnachschub erfolgte längst zur See über Durazzo, im Winter wiederholt durch schweren Schirokko unterbrochen, gelegentlich, aber eigentlich seltener als zu erwarten, durch feindliche Torpedierungen beeinträchtigt; so gingen am 19. September 1918 mit der "Linz" 618 Mann, am 13. Mai mit der "Bregenz" 245 Mann und große Gütermengen zugrunde. Am schwersten litt unter den Verhältnissen der Nachschub an Schlachtvieh. Auf mehrtägiger Seefahrt eng zusammengepfercht, kamen die Tiere meist schon halb tot in Durazzo an und mußten [538] nun fast ohne Weide und sonstige Futtermöglichkeit in 5 - 6tägigem Marsch durch die überschwemmte Muzakja an die Front getrieben werden. Ein großer Teil blieb liegen und mußte notgeschlachtet werden, der Rest war, am Ziele angelangt, im buchstäblichsten Sinne nur mehr Haut und Knochen, mußte jedoch des dringenden Bedarfes halber sofort in diesem Zustand der Konsumierung zugeführt werden; zu der immer wieder angestrebten Anlage stabiler Schlachtviehdepots mit Reserven ist es unter dem Zwange der Verhältnisse tatsächlich nie gekommen.

Noch ein Übelstand begann in diesem Winter sich fühlbar zu machen: das allmähliche Versagen des bosnischen Bahnnetzes. Dieses Verkehrsmittel, dessen Schmalspur nachgerade zum Symbol österreichischer Verhältnisse geworden war, hatte ohnehin in den bisherigen Kriegsjahren ganz Unglaubliches, alle Erwartungen Übersteigendes geleistet; jetzt begann ihm langsam der Atem auszugehen. Die sich häufenden Reparaturen an der Strecke, noch mehr am Fahrpark, konnten nicht mehr bewältigt werden; es mangelte an Material, an Werkzeugen, vor allem an Arbeitskräften. So mußte von Monat zu Monat der Verkehr gedrosselt werden. Daß er schließlich doch bis zum Schluß aufrechterhalten wurde und nicht vorzeitig ganz zusammenbrach, ist eine jener ans Unglaubliche grenzenden Leistungen, die nur derjenige richtig einzuschätzen vermag, der in den verzweifelten Kampf zwischen schreiender Notwendigkeit und unzulänglichen, unter den Händen zerfließenden Mitteln, der die tragische Signatur des letzten Kriegsjahres bildet, Einblick gewonnen hat.

Trotz alledem wurde der Winter 1917/18 in Albanien leichter ertragen als sein Vorgänger.

Inzwischen waren aber auch mit größtem Nachdrucke die Vorsorgen zur Malariabekämpfung in Angriff genommen worden. Das ganze besetzte Gebiet wurde in Malariainspektorate geteilt, Laboratorien entstanden, und die Prophylaxe des Mückenschutzes - an Person wie an Unterkunft - wurde mit unerbittlicher Energie durchgeführt. Es ist anzunehmen, daß der Erfolg diesmal nicht ausgeblieben wäre, hätte der nächste Sommer einen ruhigen Verlauf genommen.

Die Ausgestaltung der Feldbahn ermöglichte ein weiteres Vorschieben der höheren Kommanden. Anfang Oktober 1917 übersiedelte das XIX. Korpskommando nach Ljužna (die Verwaltungszentrale blieb weiter in Skutari), das 47. Infanterie-Divisionskommando nach Berat. Um diese Zeit wurde der schwer erkrankte Korpskommandant General der Infanterie Freiherr v. Trollmann durch General der Infanterie v. Koennen-Horak ersetzt.

Äußerlich waren der Winter und der größte Teil des Frühjahres 1918 so ziemlich die ereignisloseste Zeit des albanischen Feldzuges. Zeitweilig auf höheren Befehl "zur Hebung der Kampfesfreudigkeit" durchgeführte Unternehmungen, die meist mißglückten und bei beiden Teilen gleich unbeliebt waren, [539] bildeten die Signatur dieser Tage. Daneben blühte aber eine überaus rege Kulturtätigkeit. Wirtschaftliche Anlagen entstanden auf breitester Grundlage; der Anbau von Getreide, hauptsächlich Weizen und Gerste, wurde in größtem Maßstabe und mit bestem Erfolge in Angriff genommen, die Heuaufbringung und der sehr ergiebige Fischfang geregelt; in der Front entstanden prachtvolle Gemüsegärten, sehr zum Ärger der Albaner, deren oft unverschämter Lebensmittelwucher natürlich darunter litt. - Indessen arbeiteten Künstler und Gelehrte verschiedener Fächer an der Erforschung des Landes, nicht nur im Etappenraum, sondern auch in der Front und stellenweise selbst zwischen den Fronten; die teilweise Ausgrabung der in vorderster Linie gelegenen antiken Städte Apollonia und Byllis, die Aufdeckung zahlreicher anderer antiker Siedelungen, Straßen und Brücken, verbunden mit einer großzügigen Bergungsaktion gefährdeter Denkmäler, dann weitgehende zoologische, botanische, geologische und ethnographische Studien, gekrönt von einer auf wissenschaftlicher Basis durchgeführten Volkszählung, sind die erfreulichen Ergebnisse dieser unter dem Schutze der Waffen geleisteten Kulturarbeit.

Während dieser ganzen Zeit war die Gedankenwelt der höheren Kommanden von zwei großen Projekten beherrscht, die, obwohl nie zur Ausführung gelangt, doch die Ereignisse des kommenden Sommers in so weitgehender Art beeinflußt haben, daß ihre Erwähnung nicht zu umgehen ist. Beide waren ziemlich gleichzeitig im Herbst 1917 aufgetaucht; ihre geistigen Väter waren die verlorene Pogradecstellung und die siegreiche zwölfte Isonzoschlacht. Zwecks Rückgewinnung der ersteren wurden lange Beratungen zwischen den österreichisch-ungarischen, deutschen und bulgarischen Kommanden gepflogen, die sich schließlich zu einem mit dem Decknamen "Simeon" belegten Projekt verdichteten. Diese "Simeon-Aktion" ward zum Vampir der Vojusafront. Da zu ihrer Durchführung bedeutende Kräfte im Gebiet des oberen Škumbi und Devoli zusammengezogen werden mußten, für welche die dort verfügbaren Nachschubmittel nicht im entferntesten ausreichten, wurden zur Aufstellung der erforderlichen Tragtierstaffel die Bestände nicht nur der Trains, sondern selbst der Artillerie der westlichen Frontteile rücksichtslos herangezogen. Zuerst wurden die Munitionskolonnen in stehende Depots umgewandelt, dann kamen die Batterien selbst daran, die einen großen Teil ihrer Tragtiere, und zwar die besten, abgeben mußten. Alle pflichtmäßigen Gegenvorstellungen der verantwortlichen Kommandanten blieben ergebnislos; wohl wurde die Ergänzung der Abgänge in Aussicht gestellt, aber auch dann nicht durchgeführt, als die "Simeon-Aktion" längst begraben war. So kam es, daß an der Vojusafront die Mehrzahl der Gebirgsbatterien überhaupt nicht mehr als marschfähig bezeichnet werden konnte; für ihre fahrbare Fortbringung aber fehlten wieder die Wege. - Weniger in das Mark der Truppen schnitt die gleichzeitig in Erwägung stehende "Bojana-Aktion", die den Vorstoß auf Valona zum Ziele hatte. Sofort nach der 12. Isonzoschlacht aufgetaucht, war [540] die Idee wegen gänzlichen Mangels an schwerer Artillerie, technischen und vor allem an Nachschubmitteln zunächst undurchführbar; zudem kam die Regenzeit heran. Nun wurde für das Frühjahr vorgearbeitet; im Hinblick auf diese Pläne hauptsächlich entstanden die Feldbahnstränge nach Levani und Buzmazi, sowie eine große Anzahl artilleristischer Ersatzstellungen; auch dem Ausbau des sehr im argen liegenden Telephonnetzes wurde jetzt mehr Aufmerksamkeit, das heißt Material, gewidmet. Dagegen gelangten leider die im Projekt vorgesehenen Radialwege nicht mehr zur Durchführung.

Aus beiden Aktionen ist nichts geworden. "Simeon" wurde infolge Absage der Bulgaren noch im Spätfrühjahr 1918 endgültig fallen gelassen; "Bojana" blieb am Programm, wurde aber aus technischen Gründen immer wieder verschoben, bis die Sommerereignisse den großen Strich durch die Rechnung machten.

Schon im Frühjahr hatte die Fliegertätigkeit mit einer bisher im Lande nicht beobachteten Heftigkeit eingesetzt; sie brachte den Fliegern trotz starker Minderzahl recht schöne Erfolge. Der Held des Tages war Offizierstellvertreter Arrighi, einer der erfolgreichsten Kampfflieger, der, abwechselnd an der Südwestfront und in Albanien tätig, hier eine Reihe seiner zahlreichen Luftsiege erfocht. - Anfang Mai meldeten sich die ersten Anzeichen feindlicher Angriffsabsichten. Zunächst war man wieder geneigt an eine italienische Offensive auf Berat zu glauben, zumal man wußte, daß die Italiener durch die "Bojana"-Vorbereitungen sehr nervös geworden waren und auch die Truppenstärken bedeutend überschätzten; doch bald ward es klar, daß wenigstens der erste Angriff am Ostflügel gegen den ausspringenden, vorwiegend von Freischaren gehaltenen Frontabschnitt am oberen Devoli und Osum, also von den Franzosen, zu erwarten sei.

Als am Morgen des 14. Mai der Korpskommandant eben die Vojusafront inspizierte, wurde er von den Italienern mit einem Trommelfeuer begrüßt, wie es Albanien noch nicht erlebt hatte. Während die italienische Artillerie sich zerriß, arbeitete ihre Infanterie in Hemdärmeln an den Hindernissen wie alle Tage. Das Feuer dauerte bis Mittag und wurde am nächsten Tage nach gleichem Programm wiederholt; die Resultate waren minimal: auf etwa 20 000 Schuß zwei Tote, etwa ein Halbdutzend Verwundete, ein zertrümmerter Scheinwerfer; nicht einmal die Inspizierung hatte eine Störung erfahren. Die einzige Folge war, daß man jetzt sicher wußte, es würde - wo anders losgehen. Tatsächlich brach am 15. Mai eine französische Brigade beiderseits des Kelizonibaches vor, starke italienische Kräfte - Teile dreier Regimenter - über den Osum zwischen Koblara und Čerevoda. Die Italiener wurden von den Ghilardibanden auf der ganzen Linie geworfen; schwerer wogte der Kampf auf der Franzosenfront, zunächst um die Hauptstellung auf der Ostravica, wo sich der Kampf um die Čafa Martis konzentrierte. In frontaler Abwehr siegreich, wurde das hier haltende Grenzjägerbataillon 5 von Süden umgangen und mußte sich unter [541] schweren Verlusten nach Westen durchschlagen; dagegen gelang es, das verlorengegangene Opari zurückzunehmen und zu behaupten. Immerhin mußte nach dem Verluste der Čafa Martis auch Ghilardi vom Osum zurückgenommen werden; rasch herbeigeführte reguläre Bataillone besetzten als Rückhalt die neue Stellung, die von Čerevoda am Osum über den Mali Kerčir und Opari an die Mündung des Kelizoni in den Devoli führte, und in welcher am 17. und 18. alle Angriffe abgeschlagen wurden. Dann trat Ruhe ein. Die Verluste waren auf beiden Seiten schwer; der Feind ließ über 300 Leichen vor der Front, darunter den zum Kommandanten der österreichischen Freischaren ausersehenen italienischen Major, die Italiener verloren überdies zahlreiche Gefangene. Auf österreichischer Seite hatten besonders die Freischaren gelitten; sie hatten sich vorzüglich geschlagen, waren aber von nun ab kaum mehr kampffähig. Die neue Linie war nicht ungünstig und vor allem kürzer als die alte, aber sie mußte jetzt von regulären Truppen besetzt und gehalten werden. Am 20. Mai meldet das Korpskommando dem Armeeoberkommando, daß wegen der Unmöglichkeit, stärkere Kräfte vorwärts des jetzt gehaltenen Abschnittes dauernd zu versorgen, kein Wiedergewinn des verlorenen Raumes beabsichtigt sei; die Verpflegung der derzeit dort vereinigten Truppen sei überhaupt nur durch Aufopferung der für die Simeon-Aktion angesammelten Vorräte möglich; nach deren Verbrauch müßte die Gruppe 1/XIX wieder geschwächt werden. Ein neuer drastischer Beleg zur Kriegführung in Albanien.

Wie vorauszusehen, dauerte die Ruhe nicht lange. Am 10. Juni brach eine volle französische Division, mit der Hauptkraft von Pogradec her auf dem Kamiarücken, gegen die Stellungen nördlich des Devoli vor. Beiderseits des höchsten Gipfels gelang der Einbruch; die ihn heldenmütig verteidigende Kompagnie fiel bis auf den letzten Mann. Von der Kamia aus wurde die Stellung aufgerollt; am 11. Juni fiel Šinapremte in Feindeshand. Nach einigen Schwankungen konnte die Front in der Linie Gura Top (hier Anschluß an die Ochridadivision) - Komjani - Čafa Duškes stabilisiert werden. Damit war aber auch der in den letzten Kämpfen behauptete Abschnitt von Opari unhaltbar geworden und mußte bis Čafa Gjarperit zurückgenommen werden; am 12. Juni war dies durchgeführt, am 13. und 14. wurden schwere Angriffe, insbesondere westlich Šinapremte, abgewiesen; dann trat wieder Ruhe ein.

Das Resultat dieser Kämpfe war ein nicht unbedeutender Gebietsverlust, der jedoch nicht so schwer in die Wagschale fiel wie die Tatsache, daß nunmehr dieser einst nur von Freischaren gehaltene Abschnitt jetzt zur Gänze von regulären Truppen gehalten werden mußte, ja infolge des fortgesetzten Einsetzens von Reserven die Hauptkraft des Korps, volle 15 Bataillone, jetzt hier stand, während die 47. Infanteriedivision einschließlich der ihr zur Verfügung stehenden Teile der Korpsreserve nur mehr über 12 Bataillone verfügte. Man begreift, daß die Batterien der Vojusafront alle Hoffnung schwinden lassen mußten, ihre [542=Karte] [543] für die Simeon-Aktion abgegebenen Pferde je zurückzubekommen. - Naturgemäß hatte sich auf Grund dieser Verschiebungen auch eine wesentliche Neugruppierung der Kräfte ergeben. Bei der 47. Infanteriedivision stand nunmehr die aus der 14. Gebirgsbrigade hervorgegangene 94. Infanteriebrigade nach wie vor an der Vojusa von der Mündung bis an den Leftinjabach, anschließend bis Čerevoda am Osum die aus der 211. Landsturmbrigade hervorgegangene 93. Infanteriebrigade. Dann kam die Gruppe 1/XIX mit den Abschnitten "Tomorica" zwischen Osum und Devoli, und "Devoli" zwischen diesem Flusse und der Wasserscheide südlich Gura Top, wo die Ochridadivision anschloß. Korpsreserve war die auf Umwegen aus der 20. Gebirgsbrigade hervorgegangene 220. Infanteriebrigade; ihre Hauptkraft bildete jetzt das vor kurzem von der Südwestfront gekommene hochbewährte Infanterieregiment Nr. 88. Sie stand weit verzettelt vom Osum bis Ardenica, die Hauptmacht allerdings um Berat, wo noch immer der Hauptangriff erwartet wurde. Das Korpskommando war am 24. Juni von Ljužna nach Tirana übersiedelt; das 47. Infanterie-Divisionskommando nach wie vor in Berat, 1/XIX in Elbasan.

Der bevorstehende Angriff lag geradezu drückend in der Luft. Auch im wörtlichsten Sinne: tägliche schwere Fliegerangriffe, besonders auf Durazzo, daneben Lotungen feindlicher Torpedoboote in der Gegend nördlich der Vojusamündung, intensive Patrouillentätigkeit und unverhüllte Übergangsvorbereitungen an der unteren Vojusa, endlich wilde Alarmgerüchte in der Bevölkerung und phantastische Nachrichten über immense italienische Truppenansammlungen; nicht als letztes aber das plötzliche Auftreten von Räuberbanden im Etappenraum: die Truppe sah den Angriff kommen, und nicht gerade mit größter Zuversicht. Die eigene Schwäche und die gänzlich ungenügende Ausgestaltung der Stellungen, deren Minderwertigkeit man an den gegenüberliegenden italienischen täglich abmessen konnte, kam jetzt, wo es ernst wurde, erst richtig zum Bewußtsein. Das Korpskommando und noch mehr das 47. Infanterie-Divisionskommando blickten noch immer, trotz aller feindlicher Vorbereitungen an der Vojusa, wie hypnotisiert auf Berat. Eine am 5. Juli über die Schweiz eingelangte Nachricht schien dies zu bestätigen; sie besagte auch, daß der Angriff durch einen Vorstoß der Franzosen in nördlicher Richtung eingeleitet werden sollte.

Zu den Kämpfen um Fjeri - Berat.
[542]      Skizze 19: Zu den Kämpfen um Fjeri - Berat.      [Vergrößern]

Und programmgemäß eröffneten diese am 6. Juli den albanischen Bewegungskrieg, der mit kurzen Unterbrechungen bis Ende August andauern und dem ganzen Feldzug ein durchaus neues Gepräge verleihen, gleichzeitig die Dämone des Kriegsschauplatzes in ihrer furchtbarsten Gestalt entfesseln sollte. Am genannten Tage griff etwa eine französische Division zwischen Osum und Devoli heftig an; in erbittertem Ringen wechselten die Brennpunkte des Kampfes, der Mali Kerčir und die Čafa Gjarperit, wiederholt die Besitzer; als die Sonne sank, waren alle Stellungen restlos behauptet. Zur [544] selben Stunde ergoß sich ein Schwarm von Fliegern, vorwiegend Engländer, über die untere Vojusa. Nun ahnte man auch hier, wieviel es geschlagen hatte.

In der Nacht zum 7. Juli überschritten etwa eine italienische Brigade und ein Kavallerieregiment die Vojusa unterhalb Feras; beim Morgengrauen erschien eine englisch-italienische Flotille nördlich der Vojusamündung. Während diese hauptsächlich Fjeri sowie die gefürchteten Artilleriestellungen bei Levani unter das Weitfeuer ihrer schweren Kaliber nahm, griff die Infanterie, aus dem Walde von Bačova vorbrechend, nach heftiger Artillerievorbereitung mit etwa fünf Bataillonen den von ein und einer halben Kompagnie des ungarischen Landsturmbataillons IV/4 verteidigten Subabschnitt I/A zwischen Pojani und dem Levanital an. Nach verzweifelter Gegenwehr fiel gegen 6 Uhr der wichtige Stützpunkt Jora; ein zum Gegenstoß angesetztes Reservebataillon geriet im Walde mitten unter den vordringenden Feind und wurde zersprengt; die ihm beigegebene Batterie, die wegen Tragtiermangels keine Munition mitführte und diese erst auf Jora hätte fassen sollen, schlug sich geschützweise nach Fjeri durch.

Indessen war das italienische Kavallerieregiment Nr. 22, ohne Widerstand zu finden, durch die Küstenebene vorgeritten, hatte nach 8 Uhr den Flugplatz nördlich Fjeri überrumpelt und die Semenibrücke bei Brustar besetzt, war aber von dieser durch ein von Ardenica herbeigeeiltes Bataillon der 220. Brigade wieder vertrieben worden. Während nun ein Teil über den auf der Straße sich sammelnden Train herfiel und die Mannschaft verjagte, worauf die Bagage sofort von den Albanern geplündert wurde, wandte sich ein anderer Teil gegen das von Kampftruppen entblößte Fjeri. Mit knapper Not entkam das 94. Brigadekommando, nicht ohne Verluste, über die Djanicabrücke, wo eben ein eilends herbeigerufenes Halbbataillon eintraf; nach kurzem Straßenkampfe wurde Fjeri von der italienischen Kavallerie gesäubert; übel zugerichtet suchte sie das Weite. Bei dieser Gelegenheit fiel der eben neu herausgegebene italienische Chiffrenschlüssel für Radiodepeschen am ersten Tage seiner Verwendung in unsere Hände. Auf dem Abzuge erreichte die feindlichen Reiter noch ein Verhängnis: eine um einen Kern Dalmatiner Landesschützen gruppierte Albanerschwadron unter Rittmeister Adolf Schumann, dem einzigen der k. u. k. Offiziere, dem auch unter den schwersten Rückschlägen die Albaner in der Hand blieben, warf sich in wiederholten Attacken auf die Abziehenden, nahm ihnen eine stattliche Zahl Gefangener (darunter zwei Offiziere) und Pferde ab und jagte den Rest über die Vojusa. - Der kaum eine halbe Stunde dauernde Aufenthalt der Italiener in Fjeri hatte auch hier sofort die Plünderung durch die Albaner ausgelöst; ihre Wut richtete sich besonders gegen die verhaßten Gemüsegärten, die in Grund und Boden gestampft wurden.

Hatte der Ritt der italienischen Kavallerie auch mit schwerem Rückschlag geendet, so steht doch die Tatsache fest, daß er das Schicksal des Tages entschieden hat. Das Gewehrknattern in Fjeri, die sofort aufflatternden Gerüchte von der [545] Wegnahme dieses Platzes und der Semenibrücke, Gefangennahme des Brigadekommandos, Verlust der einzigen praktikablen Rückzugslinie wirkten geradezu katastrophal auf die Front. Bisher war nur die vorderste Stellung des äußersten Flügelabschnittes verlorengegangen, und die Italiener drängten kaum nach; die Alarmnachrichten von Fjeri bewogen auch den kaum angegriffenen Nachbarabschnitt zum Weichen, und zu allem Unheil drängte alles nicht nach Norden, sondern nach Osten zurück, zumeist gegen die Überfuhr von Kalmi, die überdies auf unaufgeklärte Weise vorzeitig gesprengt worden war, und weiter gegen Kuči. Unter dem Eindruck dieser Vorgänge und der Gerüchte - jede Verbindung war unterbrochen - traten schließlich auch die übrigen Abschnitte der Vojusafront nach Übergang einiger feindlicher Bataillone nächst Selišt und Romzi den Rückzug nach Norden an. Die dort stehenden Haubitzbatterien, denen der einzige fahrbare Rückzugsweg über Fjeri gesperrt war, mußten ihre Geschütze sprengen, desgleichen wegen Tragtiermangels ein Teil der Kanonenbatterien. Im ganzen gingen 13 Geschütze verloren.

Gleichzeitig mit dem Angriff an der Vojusa war auch die 93. Infanteriebrigade südlich Berat heftig angegriffen worden. Hier war der Angriff seit langem erwartet, die Front dichter besetzt, stärkere Reserven zur Hand, und tatsächlich gelang dem Feinde nur ein kleiner örtlicher Einbruch bei Parasboar. Ebenso scheiterten an diesem Tage alle französischen Angriffe im Devoliabschnitt.

Der 7. Juli 1918 war der erste wirkliche Großkampftag in Albanien gewesen. Von der Vojusamündung bis an den obersten Devoli hatte der Kampf getobt, und mit Ausnahme des äußersten rechten Flügels hatte die Front gehalten; trotzdem und obwohl ein Großteil der Reserven noch intakt war, gab das 47. Infanterie-Divisionkommando (Feldmarschalleutnant v. Weiß) das Spiel verloren, befahl auch der 93. Brigade den Rückzug und verlegte schon am 8. Juli früh den eigenen Standort nach Ljužna und am folgenden Tage nach Rogožina. Jetzt erst war die Niederlage besiegelt, zumal nun auch des Anschlusses halber die siegreich kämpfende Gruppe 1/XIX zurückgenommen werden mußte. Damit kam alles ins Rollen, und das war das Verhängnis. Bisher hatten die einzelnen Bataillone, mit durchschnittlich halbem Kriegsstande, Frontstücke von 4 - 10 km Frontbreite gehalten, verteilt in wenige kleine Stützpunkte, aber doch in leidlicher Fühlung untereinander, was wenigstens die Illusion einer wirklichen Front aufrecht hielt. Diese Illusion war nun grausam zerstört. Zum Rückmarsch suchte naturgemäß jeder Kommandant in erster Linie seine Leute zusammenzubringen; und so marschierten denn nun die Häuflein von oft nicht mehr als 2 - 300 Mann mit Intervallen von 4 - 10 km mutterseelenallein, ohne jede Anlehnung und Verbindung, durch das unübersichtliche albanische Bergland. Unter diesen Umständen schwand auch im letzten Mann die Vorstellung von der Möglichkeit eines erneuten geschlossenen Widerstandes. Dazu [546] lag die in unbegrenzter Phantastik ausgemalte Katastrophe von Fjeri wie ein Alp auf den Truppen, und der "Kavallerieschreck" beherrschte noch auf Wochen hinaus die Gemüter.

Die unter solchen Umständen ins Rollen gekommene Front war natürlich nicht nach wenigen Kilometern zu bremsen. Erst in der Linie Guri Gomares - Ljužna - Petrohondi - Kote 938 - Proj Tokrit - Kote 1900 kam sie zum Stehen. Ein entschiedener Widerstand war hier nicht beabsichtigt, vielmehr erst in der Linie Divjaka - Duškurücken, der letzten, die das Škumbital und damit die Verbindung mit der Gruppe 1/XIX deckte. Da infolge des östlichen Ausweichens der 94. Brigade der Westflügel fast ganz entblößt war, wurde hier eine neue Gruppe aus zusammengerafften Reserven unter Oberst Wächter, Kommandanten des Infanterieregiments Nr. 88, eingesetzt. Am 9. und 10. Juli wurde zunächst die Ljužnastellung erreicht und notdürftig eingerichtet.

Der Rückzug besiegelte auch das Ende aller Albaner-Formationen, mit Ausnahme der Schwadron Schumann. Die in der Front eingeteilten Albanerkompagnien waren einfach verschwunden; die Ghilardibanden hatten sich schon am 6. Juli schlecht geschlagen und großenteils verlaufen, den Rest führte Ghilardi nach Elbasan, wo er ihn auflöste. Salih Butka aber hatte nach Erhalt des Rückzugsbefehles gemeldet, er sehe sich genötigt, aus der Preisgabe seiner Heimat die Konsequenzen zu ziehen und dort zu kämpfen, wo er Haus und Hof zu schützen hätte; die zuletzt gemachten Gefangenen lieferte er noch loyal ab. - Bald darauf wurde die Verwendung von Albanern in der Kampffront vom Armee-Oberkommando gänzlich eingestellt.

Das Korpskommando gab sich keiner Täuschung darüber hin, daß der Halt in der Ljužnalinie vorläufig vom Grade des feindlichen Nachdrängens abhängig blieb, und daß dies auch in der Duškustellung nicht anders sein würde; war aber auch diese und damit das Škumbital verloren, dann mochte der Himmel wissen, wo wieder ein Halt möglich war. Und über allem schwebte das drohende Gespenst der täglich erwarteten Landung bei Durazzo und Alessio. Die äußerste Sorge um die einzige Rückzugsstraße an der Küste beherrschte alle und alles, und es erweckte nur ein ungläubiges Lächeln, als eine erbeutete italienische Karte eingebracht wurde, auf der die bisherigen Angriffsoperationen genau eingezeichnet waren, dann aber ein dicker Pfeilstrich die Verschiebung der Hauptkraft auf den Ostflügel und den allgemeinen Angriff von dort her auf Elbasan andeutete. Also eine Vorrückung im Gebirge, wo das Terrain Schritt für Schritt dem Verteidiger günstig, dem Angreifer ungünstig war, und Verzicht auf das mühelose Vordringen durch die im Sommer durchaus gangbare Küstenebene und auf den gar nicht abzuwehrenden direkten Stoß auf die einzige Verbindung! Der Feind hat aber diesen unglaublichen Entschluß ausgeführt; schon die nächsten Ereignisse ließen darüber keinen Zweifel. Wider alles Erwarten konnte sich der Westflügel in der Ljužnastellung ganz unbelästigt eingraben; erst am 12. Juli drangen [547] feindliche Kräfte aus Berat gegen Petrohondi vor und drängten die 93. Brigade auf Polovin zurück; aber gerade dieser Angriff, der im Anschluß an einen gleichzeitig geführten französischen Vorstoß beiderseits des Devoli erfolgte, bestätigte die Tendenz auf Elbasan. Nun sah man klar und zog die Konsequenzen. Die Gruppe 1/XIX wurde im Anschluß an die 93. Infanteriebrigade auf die Linie Kote 900 - Holtabach zurückgenommen und jene Brigade ihr unterstellt, damit eine einheitliche Front zur Verteidigung des bedrohten Abschnittes geschaffen. Indessen war auch an die Bildung einer einheitlichen Korpsreserve geschritten worden; doch die Absicht, sie zum Gegenangriff auf Petrohondi einzusetzen, war an dem Zwang gescheitert, sie unter dem Druck der französischen Angriffe bataillonsweise zu verzetteln. Diese Tatsache wirkte besonders drückend; an die Möglichkeit, die augenblickliche oder die Duškustellung rein defensiv auf die Dauer halten zu können, glaubte im Ernste niemand mehr, am allerwenigsten die Truppe. Nennenswertere Reserven, die imstande gewesen wären, die Lage zu ändern, waren nicht zur Hand und in absehbarer Zeit auch keine Verstärkungen zu erwarten. Nur ein Wunder konnte da helfen, oder ein Mann, der durch die Macht seiner Persönlichkeit imstande war, der Führung wie den Truppen das verlorene Selbstvertrauen wieder einzuflößen, sie emporzureißen zum Glauben an die qualitative Überlegenheit.

Schon am 8. Juli hatte sich der schwer leidende Korpskommandant General der Infanterie v. Koennen-Horak krank gemeldet; am 10. Juli ernannte der Kaiser den Generalobersten Karl Freiherrn v. Pflanzer-Baltin zum Kommandanten der Streitkräfte in Albanien. Am 12. früh traf der neu ernannte Kommandant mit Torpedoboot in Cattaro ein, am Nachmittag in Skutari, am 13. mittags in Tirana. Noch an diesem Tage erging der Befehl, der die Divisionäre, Brigadiere und Gruppenkommandanten mittels Flugzeug nach Tirana berief. Dieser Befehl, der sich wie ein Lauffeuer in der Front verbreitete, wurde recht eigentlich zur Peripethie des Feldzuges. Am 13. Juli abends wußte die ganze Front, daß es wieder vorwärts gehen würde, und glaubte daran. Und als der neue Kommandant in den folgenden Tagen zu seinen Informationsreisen selbst das Flugzeug bestieg, da hatte er das Vertrauen der Truppen vollends gewonnen. Nicht so leicht wurde es ihm, den Pessimismus der Unterführer zu überwinden, und manches scharfe Wort ist gefallen, bis auch dieses Ziel einigermaßen erreicht war.

Über die Lage war sich der neue Kommandant nach sehr rascher Orientierung vollkommen klar. An eine sofortige Gegenoffensive konnte auch er nicht denken; ohne geschlossene Reserven war selbst ein augenblicklicher Erfolg nicht auszunutzen und daher zwecklos. Über die feindlichen Absichten bestand auch keine Unklarheit mehr. Während vor der Gruppe 1/XIX die Angriffsvorbereitungen keinen Augenblick aussetzten, war vor der 47. Infanteriedivision geradezu die Fühlung verlorengegangen. Ardenica war noch am 12. Juli vom Feinde frei [548] gewesen, der stark bebuschte West- und Südteil der Muzakja war so gut wie unaufgeklärt, ja selbst über die Verhältnisse nächst der Brücke von Kuči herrschte vielfach Ungewißheit - ein drastisches Beispiel für die lähmende Passivität dieser Tage. Der Generaloberst entschloß sich, zunächst am linken Flügel mit allen Mitteln zu halten und inzwischen am rechten die Offensive vorzubereiten; durch kleine erfolgverheißende Unternehmungen sollte das Vertrauen der Truppen gehoben und zugleich getrachtet werden, Punkte in die Hand zu bekommen, die für die spätere Offensive Wert hatten.

Am 17. früh begann indessen der erwartete feindliche Angriff gegen die 93. Infanteriebrigade und die anschließende Gruppe Oberst Spaits (ehemals Gruppe "Tomorica") mit aller Heftigkeit. Bei der Brigade gelang nur ein kleiner Einbruch, der am nächsten Tage durch Gegenangriff wieder gutgemacht wurde; dagegen ging bei Oberst Spaits am 17. die Kote 1071, am 18. die wichtige Höhe Kote 900 verloren; ein umfassend angesetzter französischer Vorstoß über Strori gegen die Holtabach-Mündung ließ die Lage einen Augenblick so bedenklich erscheinen, daß in aller Eile alle noch irgendwo verfügbaren Reserven dorthin geworfen werden mußten. - Hier ist der Platz, des Sturmbataillons Nr. 47 und des bosnisch-herzegowinischen Jägerbataillons Nr. 3 zu gedenken, die in diesen kritischen Tagen teils einzeln, teils gemeinsam als eine Art fliegender Reserve von Einbruchsstelle zu Einbruchsstelle eilten und in glänzendem, aber auch opfervollem Gegenangriff immer wieder die Situation gerettet haben. Ihnen ist es zu danken, daß die Front schließlich hielt, bis die Offensive der 47. Division sie entlastete.

Hier hatten die am 21. Juli einsetzenden Unternehmungen zwar nicht den erhofften Raumgewinn, immerhin aber eine gründliche Klärung der Verhältnisse gebracht. So befahl der Generaloberst die Offensive für den 24. Juli; Ziel war das von den Italienern inzwischen besetzte und in kürzester Zeit aufs stärkste befestigte Bergkloster Ardenica und der wichtige Semeniübergang bei Kuči.

Ardenica fiel nach 24stündigem, wechselvollem Kampfe am Morgen des 25. Juli endgültig in die Hände der Angreifer. Oberst Wächter drang bis Vojkan - Petova vor, wies hier zwei schwere Gegenangriffe ab, nahm aber dann seine Truppen unbemerkt näher an Ardenica in eine bessere Stellung zurück, in der er in den folgenden Tagen alle Angriffe zurückschlug.

Nächst Kuči war es der 94. Infanteriebrigade (Generalmajor v. Förster) schon am Vormittage des 24. gelungen, den Semeni bei Sana und beim Kloster Boka, hier erst nach Niederkämpfung von acht in Etagen eingebauten Maschinengewehrabteilungen und mehrerer Panzerautos durch eine improvisierte "Sturmbatterie" (Oberleutnant Czermak), zu forcieren, die Höhen südlich des Flusses zu nehmen und brückenkopfartig zu besetzen. Damit war die einzige fahrbare Verbindung zwischen Valona - Fjeri und Berat den Italienern abgeschnitten; diese hatten nämlich mit unglaublicher Geschicklichkeit den festen Unterbau der Römerstraße für Lastautoverkehr adaptiert und im weitesten Maße ausgenutzt. [549] Diese Straße führte über Kuči, wo die Berge ein Ausweichen südwärts unmöglich machten; daher war ihr Verlust ein vernichtender Schlag. Von allen Seiten strömten Verstärkungen herbei, und vor der Gruppe 1/XIX ward es fast augenblicklich ruhig; der erste Zweck der Offensive, die Entlastung des schwer kämpfenden Ostflügels, war restlos erreicht. Nun aber warfen sich die Italiener mit stündlich wachsender Übermacht auf den Pfahl in ihrem Fleisch; durch 5 Tage folgte Gegenangriff auf Gegenangriff, unterstützt von stets zunehmender Artilleriewirkung und wütenden Fliegerattacken. Was die 94. Infanteriebrigade, Infanterie wie Artillerie, in diesen Tagen der Abwehr bei Kuči geleistet hat, ist vielleicht das Stolzeste, was der albanische Kriegsschauplatz erleben durfte. Das 47. Infanterie-Divisionskommando wollte, als die Entlastung der Gruppe 1/XIX offenbar geworden, den Zweck als erreicht ansehen und die Truppen über den Semeni zurücknehmen, doch der Generaloberst wies den Vorschlag rundweg ab, und die Brigade hielt aus. Zu ihrer Entlastung brach am 26. die 93. Infanteriebrigade gegen Velašuka und Salca vor; ein daraufhin von Kuči gegen Banja abgehendes italienisches Bataillon geriet in dem Straßendefilee am Flusse in das Kreuzfeuer der Artillerien beider Brigaden und wurde nahezu vernichtet. - Auch die Gruppe Oberst Spaits hätte jetzt zur Entlastung vorbrechen sollen; allein der Angriff auf die Höhe 900 und Strori drang nicht gleich durch, und voreilige Rückzugsbefehle vereitelten den Erfolg. - Inzwischen hatte ein zwischen Oberst Wächter und der 94. Brigade eingeschobenes Bataillon die mittlere Muzakja vom Feinde gesäubert, den Semeni bei Kalmi überschritten und nächst Jagodina eine Brückenkopfstellung bezogen; hier zersprengte am 26. Rittmeister Schumann zwei italienische Schwadronen und störte dauernd und erfolgreich den Verkehr von Fjeri nach Kuči.

Der 28. war der schwerste Kampftag. An diesem und am 29. gingen die Italiener auf der ganzen Front von Petova bis an den Devoli zum Gegenangriff vor. Überall wurden sie zurückgeschlagen; aber auch die eigenen Truppen waren aufs äußerste erschöpft. Die Entscheidung stand auf des Messers Schneide. Da trat am 30. plötzlich Ruhe ein; um 1 Uhr 20 Minuten nachmittags gab die italienische Radiostation den Befehl aus, der aus dem Verlust von Kuči die Konsequenzen zog: Rücknahme der Front von Semeni bei Belina bis zum Devoli in eine eingebogene Stellung über Alambrezi - Ljaparda - Gorica knapp vor Berat; Durchführung in der kommenden Nacht.

Noch am 30. nachmittags ergingen die Befehle für die Verfolgung. Fast kampflos besetzten die 94. und 93. Brigade die geräumten Stellungen bei Vokopoli und den Semeniübergang bei Banja. Hier sollte gehalten werden, bis der linke Flügel, dem der Feind Widerstand leistete, auf gleiche Höhe gelangt war. Am 31. Juli begann, nachdem Oberst Dörfler das Kommando vom Obersten Spaits übernommen hatte, dort der Angriff. Am 1. August wurden die Höhen 900 und 1071, die Orte Cruja und Strori den Franzosen entrissen. [550] Nun ging es täglich vorwärts; am 8. wurde vor den stark befestigten Höhen von Narta - Masčani am Zusammenfluß der Tomorica und des Devoli haltgemacht.

Damit war der erste Offensivstoß siegreich abgeschlossen und zugleich der Raum für den folgenden gewonnen. Diesem mußte nun allerdings eine ausgiebige Erholung der stark hergenommenen Truppen, Hand in Hand mit einer teilweisen Neugruppierung, vorangehen. Schon während der letzten Kämpfe waren die vom Armee-Oberkommando zudirigierten Verstärkungen eingetroffen: die 47. Feldartilleriebrigade, deren mobile Verwendung während der trockenen Jahreszeit immerhin möglich war, dann das "Orientkorps", eine von dem bekannten kreißenden Berg geborene Maus: ursprünglich als wirkliches Armeekorps gedacht und für den Orient bestimmt, war es schließlich als Detachement von vier Bataillonen ins Leben getreten, zuerst an der Piave eingesetzt und arg zerzaust, dann nach Albanien verschoben worden. Immerhin kam mit dem Kommandanten Oberstleutnant Stefan Duić eines der stärksten Führertalente auf den Kriegsschauplatz. - Inzwischen hatte sich die Ordre de bataille auch sonst vielfach geändert. Das XIX. Korps war, wohl mehr mit Rücksicht auf Charge und Vergangenheit des neuen Führers als auf die eingetroffenen Verstärkungen, zur "Armeegruppe Albanien" ("Agralb") avanciert, die Gruppe 1/XIX zur 81. Infanteriedivision, die ehemalige Gruppe "Devoli" zur 161., "Tomorica" zur 162. Landsturmbrigade geworden. Oberst Dörfler übernahm für den zur Verleihung des Mariatheresienordens nach Wien berufenen Obersten Wächter dessen Gruppe, statt seiner Oberst Sreter die 162., Oberst Lauer die 161. Brigade. Endlich ward, den geänderten Verhältnissen Rechnung tragend, die 93. Infanteriebrigade wieder von der 81. Infanteriedivision abgetrennt und der 47. unterstellt. Zwischen ihr und der 94. Brigade hatte sich schon während der letzten Kämpfe eine neue Gruppe, erst Oberstleutnant Mauretter, dann Oberst v. Vitorelli gebildet, in der bald darauf die seinerzeit in Reserven aufgelöste 220. Landsturmbrigade ihre Auferstehung feierte. Die Grenze zwischen den beiden Divisionen bildete jetzt der Mali Siloves.

Inzwischen war die Situation für die Fortsetzung der Offensive reif geworden. Am 18. August gab Generaloberst v. Pflanzer-Baltin auf den Höhen von Kuči mündlich die Disposition an die in erster Linie beteiligten Kommandanten. Schriftlich ging darüber überhaupt nichts hinaus; auch der Tag des Beginnes blieb vorläufig in der Schwebe und sollte erst im letzten Augenblick avisiert werden. Der Plan ging dahin, das vorläufig zurückgehaltene verstärkte Orientkorps überraschend in die schwach besetzte Lücke zwischen der Gruppe Dörfler und der 94. Brigade im Raume südlich Kalmi einzusetzen, hier die feindliche Front zu durchstoßen und sodann nach beiden Seiten aufzurollen; die übrigen Gruppen hatten geradeaus anzugreifen, jedoch innerhalb ihrer Räume nach Tunlichkeit örtliche Umfassungen anzustreben, wozu die lockere [551] Aufstellung beider Teile hinreichend Gelegenheit bot; die 81. Infanteriedivision hatte einen Tag nach der 47. anzugehen. Ziel Fjeri, Berat und Narta.

In der Nacht vom 21. zum 22. August erfolgte bei hellem Mondschein der erste großzügige Fliegerangriff durch zwölf in Tirana gestartete österreichisch-ungarische und deutsche Flieger auf Valona, mit vollem Gelingen; er wurde in den beiden folgenden Nächten wiederholt. Indessen hatte am Morgen des 22. August der Angriff begonnen.

Befehlsgemäß brach Oberstleutnant Duić über den Semeni vor. Während sein linker Flügel den wichtigen Wegknoten Rozkovec und in der Folge das hochgelegene Dorf Kurjenj wegnahm, durchbrach der rechte die feindliche Stellung im Hügelland von Ljuor (Ljuari) und machte erst am Abend an dem tief eingeschnittenen Tal des Proj i Vljossa (Buvalica) halt. Während sich ein Teil hier festkrampfte, wurden schleunigst starke Flügelgruppen abgelöst, um aufrollend einerseits gegen Fjeri, andererseits gegen Alambrezi vorzugehen, wo die Nachbargruppen in schwerem Kampfe standen.

Die Gruppe Oberst Dörfler war in drei Kolonnen vorgegangen. Die westliche hatte den Unterlauf des Semeni bei Alipašajn überschritten und drang nun am linken Ufer vor mit der Aufgabe, den Angriff der auf den Höhen von Ardenica vordringenden Mittelkolonne gegen den Brückenkopf von Brustar zu entlasten; eine kleine Ostgruppe vermittelte die Verbindung mit Obstlt. Duić. Die Mittelkolonne fand, wie zu erwarten, schon in der ersten italienischen Stellung bei Vojkan erbitterten Widerstand, der erst am 23. früh unter wirksamer Mithilfe der von Haus aus in der vordersten Front mitgehenden Sturmbatterie des Leutnants Petrovics gebrochen werden konnte. Der nun folgende Angriff auf den von den Italienern bewunderungswürdig ausgebauten Brückenkopf drang erst am 24. früh durch, als die Westkolonne sich gegen seine Kehle fühlbar zu machen begann. Die Italiener gingen auf Fjeri zurück, und hier entbrannte um die Mittagszeit ein erbitterter Straßenkampf, der durch 20 Stunden bis zum nächsten Morgen andauerte. Am Morgen des 25. August erstürmte ein kombiniertes Bataillon der Gruppe Duić von Osten her den südlich der Stadt gelegenen "Radiohügel". Nun räumte der Feind Fjeri; ein mit Panzerautos gegen die in der tiefeingeschnittenen Djanicaschlucht verfolgende Infanterie geführter Gegenangriff wurde durch das beispiellos bravouröse Eingreifen der Batterie Petrovics im Nahkampf abgewiesen.

Während sich am Westflügel das Schicksal Fjeris entschied, tobte im Zentrum der Kampf um Berat. Hier hatte wiederum die 94. Infanteriebrigade die schwerste Aufgabe. Wie im Süden die Ruinenstätte von Byllis auf dem Gradicaberge über das Vojusatal, so ragte am Nordrande der Malakastra die "Kalja Krot" mit den Resten einer unbekannten antiken Stadt bastionartig über das niedere Hügelland in die Muzakja hinaus. Sie ward zum Brennpunkte eines mörderischen Ringens. Die mächtigen Quaderfundamente der [552] alten Stadtmauer boten den Italienern unzerstörbare Deckungen; erst nach einem für beide Teile äußerst verlustreichen Kampfe wurde die Höhe erstürmt. - Am 23. machte insbesonders der rechte Flügel der Brigade, unterstützt durch das Vordringen des anschließenden Flügels des Oberstleutnants Duić, Fortschritte und nahm die Höhen von Alambrezi und Brestovica; am 24. wurde der konzentrische Angriff auf Bješova angesetzt. Nun begannen die Italiener, für ihren Rückzug fürchtend, den frontal unangreifbaren Spiragrirücken zu räumen, in schwerstem Artilleriekreuzfeuer auf dem langen, schmalen, deckungslosen Grat zurückflutend. Bješova fiel, am folgenden Morgen auch die Paßhöhe von Sinja; damit war die letzte direkte Verbindung zwischen Valona und Berat abgeschnitten.

Zur selben Stunde hatte sich allerdings auch schon das Schicksal Berats entschieden. Die frontal am Osum eingesetzte Gruppe Oberst Vitorelli kam gegen den zähen Widerstand des Feindes bei Virjon nur langsam vorwärts; dagegen gelang es östlich davon der 93. Infanteriebrigade (Generalmajor v. Lerch) entscheidende Fortschritte zu machen und am 22. die Höhen nördlich der Čafa Darz, am 23. die Stellung von Malibarz zu nehmen. Während der Feind naturgemäß die Fortsetzung des Angriffes auf die Čafa Darz selbst erwartete und dort zum äußersten Widerstand rüstete, änderte Generalmajor v. Lerch am 24. plötzlich die Angriffsrichtung und stieß von Malibarz südöstlich gegen den Osum in den Rücken von Berat durch; nur unter dem Schutze eines verzweifelten Vorstoßes gegen die Gruppe Vitorelli vermochten die abgeschnittenen Italiener sich über den Fluß zu retten. In den Morgenstunden des 25. August rückte die Brigade Lerch in Berat ein, um 10 Uhr vormittags waren die Höhen südlich der Stadt genommen und Vortruppen bis in die alte Hmalinatstellung vorgetrieben.

Die 81. Infanteriedivision hatte sich befehlsgemäß am 23. August zunächst mit ihrem rechten Flügel dem Angriff angeschlossen. Die Franzosen leisteten zähesten Widerstand, erst am 25. konnte die 162. Brigade auf dem unteren Rideau von Narta Fuß fassen, wo sie drei schwere Gegenangriffe abzuwehren hatte. Am 26. fiel die beherrschende Höhe südlich Narta und gleichzeitig der Riegel von Masčani am rechten Devoliufer, worauf der Feind hinter den Proj Tokrit zurückging. Die 161. Brigade kam hier auf gleiche Höhe; das am Flügel der Ochridadivision stehende Grenzjägerbataillon 6 nahm anschließend die Höhe Lisec in Besitz.

Mit der Einnahme von Fjeri, Berat und Narta sah das Armee-Gruppenkommando die Operation für beendet an; ein am 26. August ausgegebener Befehl wies die Divisionen an, die Linie Fjeri - Buvalicatal - Sinja - Dobroniku - Čafa Darz - Narta nicht zu überschreiten. Die Truppe war überrascht, ja enttäuscht; zumal die Westgruppen hielten das Vordringen in die alte Vojusastellung für um so selbstverständlicher, als auch der Feind freiwillig dorthin [553] zurückzugehen schien. Südlich Fjeri hatten die Italiener den Nordrand der Peštjanhöhen geräumt, und nur am Südrande deckten noch starke Nachhuten das Abströmen über die Vojusa; in der Malakastra war der Feind, obwohl Oberstleutnant Duić die Buvalica gar nicht überschritten hatte, bis über die Djanica zurückgegangen, ähnlich im Raume von Berat bis jenseits der Čafa Hmalinat, im Tomorgebirge bis auf die Südspitze. Doch auch dieser Lage entschloß sich die Führung nur insoweit Rechnung zu tragen, als das Vorschieben bis an die Djanica, die Hmalinatstellung und die Tomorica Maja gestattet wurde. Diese Selbstbeschränkung war nichts anderes als eine neue, schwerste Konzession an den Kriegsschauplatz. Die Führung war sich des Opfers natürlich wohl bewußt; es war ihr auch durchaus bekannt, um wieviel ungünstiger die Djanicalinie war mit ihrem schmalen, gewundenen, unübersichtlichen Tal und der bedeutenden Überhöhung durch den Feind, als die Vojusalinie mit ihrem breiten, übersichtlichen Vorfeld und schweren Stromhindernis; aber sie wußte, daß mit Rücksicht auf die weitgehenden Zerstörungen des mühsam ausgebauten Kommunikationsnetzes, auf die Vernichtung der im Frontabschnitt aufgestapelten Vorräte, vor allem aber auf die Verstärkung der Front durch das Orientkorps und eine ganze Feldartilleriebrigade, ein gesicherter Nachschub über die Djanicalinie hinaus in nächster Zeit nicht möglich sei. So wurde denn schweren Herzens Halt geboten; der Feind aber mußte teilweise in schon geräumte Stellungen zurückkehren, um sich den k. u. k. Truppen Aug in Aug gegenüberzustellen.

Natürlich gab es in der Folge noch Stellungskorrekturen. So wurde am 11. und 12. September die Front zwischen Osum und Tomor bei Mališova - Ljubeši erfolgreich vorgeschoben, am 13. der stark versagte äußerst rechte Flügel am Meere durch Wegnahme von Havaleas und Šinpetra auf gleiche Höhe gebracht, wobei die Sturmbatterie Petrovics zum letztenmal in Wirksamkeit trat, um bald darauf der Malaria fast gänzlich zum Opfer zu fallen.

Sie teilte dieses Schicksal mit der großen Mehrzahl der Fronttruppen. - Der 7. Juli hatte die glänzend durchgeführte und durchaus erfolgversprechende Malariaprophylaxe ausgeschaltet; die seither beständig im Freien lagernden Truppen waren natürlich sofort durchweg infiziert worden, und nach der üblichen Inkubationsfrist von 2 - 3 Wochen brach die Seuche lawinenartig los. Von den Abgängen des Monates Juli entfielen auf Gefechtsverluste etwa 3900, auf Erkrankungen 2600 Mann; im August betrugen erstere wenig über 2000, letztere 18 000! Den Höhepunkt erreichte die Seuche erst nach der letzten Stabilisierung; anfangs September zählte kein Bataillon über 150 Gewehre, die meisten unter 50, das in den Julikämpfen mit Ruhm bedeckte Sturmbataillon 47 sank damals auf 0. So rächte sich der Bewegungskrieg im albanischen Sommer, und es war ein schwacher Trost, daß es den Italienern nicht besser ging.

Indessen sann Generaloberst v. Pflanzer-Baltin auf die dritte und größte Offensive. Ihr Ziel war Valona. Zunächst galt es, die Schlagfertigkeit der [554] Truppe durch die furchtbare Malariakrisis hindurchzuretten. Alle Marschformationen und sonstigen Verstärkungen wurden vorläufig in den malariasicheren Räumen von Kruja und Tirana zurückgehalten, um erst im letzten Augenblicke zur Auffüllung der Stände eingesetzt zu werden; ebenfalls im letzten Moment sollte die entscheidende Angriffsgruppierung Platz greifen. Seit Mitte September traf die letzte vom Armee-Oberkommando zudirigierte Verstärkung, die 9. Kavalleriedivision zu Fuß, staffelweise in Albanien ein. Sie sollte im gegebenen Augenblick die Front vom Meere bis zur 94. Infanteriebrigade übernehmen, die Gruppen Oberst Wächter und Oberstleutnant Duić aber, durch starke und zum Teil schwere Artillerie unterstützt, in tiefer Gruppierung am rechten Flügel eingesetzt werden und den entscheidenden Stoß längs der Küste führen. Im Zentrum sollte Generalmajor v. Förster mit der 94. Brigade an das Vojusaknie durchbrechen und, hier den Fluß überschreitend und einschwenkend, von Osten her gegen Valona vordringen. Große Vorkehrungen für Artillerie- und Nachschubsvorbringung waren im Zuge. Wieder wurde in mündlichen Besprechungen mit den Führern der Plan festgelegt; als Termin war der 5. Oktober in Aussicht genommen.

Da schlug der Blitz aus dem allerdings längst nicht mehr klaren Himmel.

Am 15. September war die bulgarische Front auf der Nidže planina durchbrochen worden. Am 24. ging die Ochridadivision auf Debra zurück. Die an der Anschlußstelle entstandene klaffende Lücke wurde zuerst durch das rückübernommene Grenzjägerbataillon 6 zur Not ausgefüllt; für die Folge blieb nichts übrig, als die 9. Kavalleriedivision statt an der Vojusa zwischen Škumbi und Drin einzusetzen. Noch hoffte man die Front halten zu können, ja selbst der Angriff auf Valona war noch nicht endgültig begraben; da besiegelte am 29. das bulgarische Waffenstillstandsangebot das Schicksal der Balkanfront und der Okkupation Albaniens. Das Armee-Oberkommando befahl die Räumung und den Rückzug der Armeegruppe in die Linie Skutari - Ipek. In der Nacht zum 1. Oktober wurde er angetreten. Leicht war er nicht. Den Truppen standen bis an den Škumbi etwa sechs, vom Škumbi bis Vorra zwei, von da ab eine einzige Marschlinie zur Verfügung; dazu kam die Sorge um den Abschub des im Lande angehäuften Materials. Von Durazzo und Medua konnten schon seit Mitte September wegen verstärkter Bedrohung durch feindliche Flottenabteilungen fast nur noch Spitalschiffe auslaufen; alle anderen Transporte mußten mit Feldbahn bis Skutari, über den See bis Virpazar und von dort mit Schmalspurbahn nach Antivari. Dazu kam die unglückselige Einschaltung der engspurigen, minder leistungsfähigen Rollbahnstrecke Vorra - Alessio in die Feldbahn, die zu langwierigen Umladereien nötigte und schließlich die Bergung des ganzen im Frontbereiche in Dienst gestellten Feldbahnmaterials unmöglich machte.

Schweren Herzens verließen die unbesiegten Truppen das durch 2½ Jahre unter harten Kämpfen und noch härteren Entbehrungen behauptete Land. [555] Bis an den Škumbi erfolgte der Rückzug in breiter Front und kurzen Etappen; von da ab ging die 47. Infanteriedivision durch den Strandpaß von Durazzo, die 81., gefolgt von der 9. Kavalleriedivision über den Krabepaß und Tirana auf Vorra, wo die Auffädelung in eine einzige Marschlinie zu erfolgen hatte. Die Kolonnen glichen langen Trains. Hatte seit der "Simeonaktion" unseligen Andenkens der Mangel an Pferden und Tragtieren die Operationen gelähmt, so fehlten jetzt die Leute, um die wenigen Pferde fortzubringen. Ganze Batterien mußten ihre Geschütze mit der Feldbahn abschieben, da es an Tragtierführern mangelte; ähnlich erging es den Maschinengerwehrabteilungen, trotzdem die bereits im Lande befindlichen Marschformationen eingesetzt wurden und jeder Mann bis zu einem Dutzend Pferde führte. Unerbittlich wütete die Malaria weiter; von Medua allein wurden während des Rückzuges über 30 000 Kranke abgeschoben. - Trotz all dem erfolgte der Abmarsch in geradezu musterhafter Ordnung, was nicht zuletzt dem unermüdlichen persönlichen Eingreifen des Armeegruppenkommandanten zu danken war. Still und gedrückt, aber fließend und diszipliniert zogen die Kolonnen dahin; wie beim Manöver bezogen und räumten die Nachhuten ihre Stellungen. Die Italiener drängten wenig nach, offenbar lag auch ihnen die Malaria in den Knochen. Nur die Franzosen im Gebirge setzten der 9. Kavalleriedivision scharf zu. - Den mangelnden Nachdruck zu Lande suchten die Italiener durch eine große Flottenaktion zu ersetzen. Am 2. Oktober erschienen in den Morgenstunden 22 Flugzeuge, gegen Mittag 24 Flugzeuge und etwa 30 Schiffseinheiten vor Durazzo und legten in anderthalbstündigem Bombardement einige Häuser am Molo in Trümmer. Im übrigen war der Schaden gering; die erwartete Landung erfolgte nicht; die bis heute unverständliche Scheu der Italiener vor diesem jederzeit und besonders in diesem Augenblick höchst verhängnisvollen Unterfangen ließ auch diese letzte Gelegenheit entschlüpfen. - Am Abende desselben Tages setzte mit einem heftigen Gewitter die Regenzeit endgültig ein.

Am 8. Oktober wurden die Nachhuten über den Škumbi zurückgenommen, am 12. Durazzo nach Sprengung des Molos geräumt. Am 9. war die Armeegruppe der neugebildeten Heeresgruppe Köveß unterstellt worden, doch blieb die Fühlung naturgemäß eine sehr lose. Indessen flammte der Bandenkrieg auf; wie einst den flüchtenden Serben, so gedachten die räuberischen Bergstämme jetzt den zurückgehenden "Befreiern" mitzuspielen. Der Hauptmacht gelang es wohl überall, sich der Angreifer nachdrücklichst zu erwehren, obwohl es gelegentlich, so am 14. und 15. Oktober bei Preza, zu harten Kämpfen kam; dagegen mußten die Gendarmerieposten und kleinen Garnisonen der Matja diese räumen, und ein stärkeres Seitendetachement der 9. Kavalleriedivision wurde bei Bazari Matit von Insurgenten eingeschlossen und entwaffnet, dann von Stamm zu Stamm nach Alessio eskortiert und währenddessen gänzlich ausgeplündert; der garantierte "freie Abzug" wurde allerdings einem fran- [556] zösischen Detachement gegenüber, das die Entwaffneten als Gefangene übernehmen wollte, von den Albanern selbst mit der Waffe erzwungen. Später gelang es dem Generalobersten v. Pflanzer-Baltin, durch persönliche Übereinkunft mit dem Mirditenführer Prenk Bib Doda dessen wehrhaftes Aufgebot zur Deckung des Rückzuges gegen die Banden zu gewinnen, desgleichen die Stämme Hoti und Gruda; damit war nach dieser Richtung Ruhe geschaffen.

Inzwischen stellte sich immer klarer heraus, daß eine ernstliche Gefährdung des Rückzuges weniger von Süden als von Osten her zu gewärtigen war, wo bereits in der ersten Oktoberhälfte Prizren, Pristina, Djakova, Ipek und Mitrovica in Feindeshand gefallen waren. Die ursprünglich mit der Bestimmung nach Prizren an die Tete genommene 220. Brigade wurde nun am Vjeternik nordöstlich Podgorica bereitgestellt, um im Verein mit den montenegrinischen Besatzungstruppen unter Oberst Hospodarz diesen wichtigen Straßenknoten zu decken. Am 14. Oktober war Andrijevica in die Hände montenegrinischer Banden gefallen; am 18. traf in Podgorica ein Detachement von 1600 deutschen und österreich-ungarischen Soldaten unter dem deutschen Oberst Bürkner ein, das sich unter abenteuerlichen Kämpfen von Ipek über Dečani und Gusinje durchgeschlagen hatte. - Inzwischen war das Gros der 81. Infanteriedivision im Raume von Podgorica eingetroffen, und nun wurde fast täglich im Vjeternikgebiet gekämpft, erst mit irregulären Banden, dann mit regulären serbischen Truppen. Die 47. Infanteriedivision versammelte sich um Skutari, die 9. Kavalleriedivision mit dem auf 50 Mann zusammengeschmolzenen Orientkorps blieb am Mat stehen und wurde dann über Skutari nach Antivari gezogen, Oberst Baron Wächter mit dem Infanterieregiment Nr. 88 übernahm die Nachhut an der Bojana. Damit war das gefährliche lange Küstendefile passiert, die Armeegruppe aufgeschlossen, und für den weiteren Rückzug standen wieder mehrere Marschlinien zu Gebote. Die Idee eines Widerstandes in der Linie Skutari - Ipek war freilich längst gegenstandslos geworden; an ihre Stelle trat der Plan der Verteidigung der alten Reichsgrenze, gestützt auf die Festungen Cattaro, Trebinje und Bilek. Gedrängt wurde man vorläufig nur im Raume von Podgorica, und auch da schien die Gefahr nicht übermäßig; so durfte man den Truppen etwas Ruhe gönnen. Ihre Stimmung war wohl deprimiert, ihr Offensivgeist gering, die Disziplin jedoch recht gut; ein Fall von Meuterei ungarischer Marschformationen in Cetinje wurde vom Armeegruppenkommandanten persönlich niedergeschlagen und blieb vereinzelt. Eine andere schwere Sorge tauchte in diesen Tagen auf: der Futtermangel. Hatte man bisher die Pferde kaum mehr fortführen können, so konnte man sie jetzt im spätherbstlichen Karst nicht ernähren; sie fielen in Massen oder mußten an die Einwohner übergeben werden.

Am 30. Oktober nachmittags erfolgte plötzlich und überraschend ein Angriff regulärer serbischer Kräfte aus den Bergen von Osten her auf Skutari. Das [557] auf Sicherung stehende Bataillon wurde überrannt, die 47. Infanteriedivision mußte über die Bojana zurück; das als Nachhut südlich der Bojana stehende Infanterieregiment Nr. 88 (Oberst Baron Wächter) erkämpfte sich mit stürmender Hand den Übergang über den Fluß, den es dann in der Nacht ungestört durchführte. Gleichzeitig hatten auch die italienischen Vorhuten zum ersten Male ernstere Angriffsabsichten merken lassen; wie ein aufgefangener Befehl verriet, war ihnen streng befohlen worden, unbedingt vor den Serben in Skutari einzudringen; damit waren sie nun doch zu spät gekommen. Am folgenden Tage übersetzten die Serben auf requirierten Fahrzeugen den See und griffen den rechten Flügel der 47. Infanteriedivision auf den Tarabošhängen im Rücken an. Am selben Tage mußte auch die 81. Infanteriedivision vor schweren Angriffen vom Vjeternik auf die Höhen westlich Podgorica zurückgenommen werden. Nun war der Rückzug in die Bocche unvermeidlich. Die Verbindung mit dem Armee-Oberkommando und der Heeresgruppe Köveß war fast immer unterbrochen, phantastische Gerüchte über die Vorgänge im Hinterlande, über den Waffenstillstand usw. verwirrten die Lage. Eine vorübergehende Herstellung der Verbindung am 3. November brachte etwas Klarheit, zugleich den Befehl zum Rückzug hinter die Save, und zwar nach Nationalitäten getrennt. Das bedeutete die Auflösung. Dann brach die Verbindung endgültig ab, und die Armeegruppe blieb gänzlich auf sich allein angewiesen.

Generaloberst v. Pflanzer-Baltin führte die Truppen in die Bocche, um dort die Umgruppierung nach Nationalitäten vorzunehmen und den Abtransport einzuleiten. Die 47. Infanteriedivision gelangte nach Budua, später nach Teodo, die 81. nach Cattaro, die 9. Kavalleriedivision nach Risano.

Nun kam der Tragödie letzter Akt. Mit der Überschreitung der Grenze der alten Heimat hatten die Truppen neues Feindesland betreten. Jugoslavien war selbständig geworden und zählte sich zu den "Siegern". In Ermanglung jedweder legitimen Staatsautorität hatten sich allenthalben die üblichen "Nationalräte" gebildet, und man weiß, welche Elemente in solchen Tagen zumeist an die Oberfläche gelangen. Mit diesen galt es nun Fühlung zu nehmen. Die tatsächlichen Bedingungen des inzwischen in Kraft getretenen Waffenstillstandes wußte niemand; die Räte gaben dafür aus, was ihnen paßte, und das war vor allem die Herausgabe der Kassen. In der dringenden Frage des Abtransportes der Truppen konnte der Generaloberst nur mit den Kommandanten der inzwischen in der Bocche eingelaufenen französischen und italienischen Kriegsschiffe sachliche und erfolgreiche Unterhandlungen pflegen. Hier fand er volles Entgegenkommen, dabei auch die gebührende Achtung, an der es weder die militärischen Vertreter der Ententemächte noch die autonomen Behörden Montenegros dem Sieger von Berat-Fjeri und seinen ungeschlagenen Truppen gegenüber fehlen ließen, während die dalmatinisch-herzegowinischen Nationalräte sich in der Betätigung niedrigster Renegateninstinkte nicht genug zu tun [558] vermochten. Gegen sie fand Generaloberst v. Pflanzer-Baltin schließlich in den Ententeadmiralen eine wirksame Stütze; alle weiteren Verhandlungen gingen durch diese und ihre Organe, insbesonders den Kommandanten des vor Gravosa liegenden französischen Torpedozerstörers "Kabyle"; dieser übernahm schließlich auch den persönlichen Schutz des Armeegruppenkommandanten und seines Stabes.

Inzwischen ging der Abtransport der Truppen trotz begreiflicher und unverschuldeter Verzögerungen in Ruhe und Ordnung vor sich; die Deutschen und Nordslawen gingen zu Schiff ab, die Ungarn und Südslawen mit der Bahn bzw. mit Fußmarsch. Die Aufrechthaltung der Ordnung besorgten in Ragusa - Gravosa das Dragonerhalbregiment Nr. 4, in der Bocche Oberst Baron Wächter, der sein tschechisches Regiment bis zum letzten Augenblick eisern in der Hand zu halten wußte. Am 22. November 1 Uhr 30 Minuten nachmittags ging der Armeegruppenkommandant Generaloberst Freiherr v. Pflanzer-Baltin mit seinem engeren Stabe an Bord des italienischen Zerstörers "Giacinto Carini", der ihm zur Fahrt nach Fiume beigestellt worden war; drei Tage später folgten ihm die letzten seiner Truppen.

Damit hatte der albanische Feldzug Österreich-Ungarns seinen Abschluß gefunden. Auf keinem der zahlreichen Kriegsschauplätze der Monarchie war mit unzulänglicheren Mitteln gekämpft worden, und auf keinem hatten die feindlichen Mächte des Geländes mit gleichem Nachdruck den lebendigen Kräften des Gegners sich zur Seite gesellt. In Albanien war die k. u. k. Streitmacht von Hause aus zur Minderheit verurteilt. Nicht die immer knapper werdende Mannschaftsergänzung der letzten Kriegsjahre war schuld daran; nach Brest-Litowst hätte ohne weiteres die eine Division erübrigt werden können, die genügt hätte, um das Verhältnis zu verkehren. Allein es wäre unmöglich gewesen, sie dauernd zu versorgen, und so mußte die ursprüngliche kleine Streiterzahl ausharren im Widerstande gegen einen wenn auch wenig tätigen, so doch zahlenmäßig überlegenen Feind und in dem härteren Kampfe gegen die Dämonen des Landes. Dieser Doppelkampf, der immer in erster Linie mit den Elementen und in zweiter mit dem Feinde ausgetragen werden mußte, bildet die Signatur der Ereignisse in Albanien von der Okkupation bis zur Räumung. Er ist in Ehren durchgekämpft worden. Von der Einnahme Durazzos führt eine lange Kette herzhafter Taten und unsäglicher, aber siegreich überwundener Leiden schließlich zu dem letzten großen Sieg, der den Mittelmächten beschieden war, und am Ausgange der jahrhundertealten Geschichte der österreichisch-ungarischen Wehrmacht stehen für alle Zeiten die Namen Pflanzer-Baltin und Fjeri-Berat.


1 [1/511]Tafel II, Übersichtsskizze g. [Scriptorium merkt an: der Einfachheit halber von uns verkleinert oben im Text eingefügt; durch Mausclick zu vergrößern!] ...zurück...

2 [2/511]War 1917/18 Artilleriekommandant der Vojusafront. ...zurück...

3 [1/520]Für das Folgende siehe die Textskizze. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte