Bd. 5: Der österreichisch-ungarische
Krieg
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Kapitel 19: Vom Isonzo zur Piave1
Feldmarschalleutnant Theodor Konopicky2
und Staatsarchivar Oberstleutnant Edmund Glaise-Horstenau
1. Angriffsplan und
Vorbereitungen.
Schon die zehnte Isonzoschlacht (12. Mai bis 6.
Juni 1917) hatte die große
Spannung an der österreichisch-ungarischen Karstfront dargetan. Wohl war
es geglückt, die örtlichen Erfolge, die die Italiener auf der
Hochfläche von Comen zu erringen vermochten, durch einen trefflich
organisierten Gegenstoß wieder wettzumachen. Aber die Lage blieb nach
wie vor kritisch im höchsten Grade. Ein Raumverlust, wie ihn der
Verteidiger auf anderen Kriegsschauplätzen ohne weiteres in Kauf nehmen
durfte, konnte hier, am Südflügel der
österreichisch-italienischen Front von entscheidendem Einfluß nicht
nur auf die Situation der dort kämpfenden Heere, sondern auf die ganze
Weltkriegslage sein. Der Verlust von Triest hätte mehr bedeutet als die
Einbuße eines wichtigen Küstenplatzes oder der Isonzostellung.
Gelang es den Italienern, die Isonzofront vollends zu durchbrechen, dann hatten
sie auch in den Hauptwall, der die einer belagerten Festung gleichenden
Mittelmächte umgab, eine entscheidende Bresche geschlagen, die der
Entente die lang ersehnte Gelegenheit bieten konnte, ihre Übermacht an
Streitermassen und Kampfmitteln frei zu entfalten.
Wie dieser drohenden Gefahr, die jeden Tag eintreten konnte, zu begegnen sein
werde, beschäftigte die k. u. k. Heeresleitung, seit man gegen
Italien im Kriege stand. Der Plan, die Italiener über den Karst
herüberzulassen und dann von Laibach aus beim Hervortreten aus der
schwer gangbaren Gesteinswelt Krains anzufallen, war schon zur Zeit, als ihn Conrad -
noch Frühjahr 1915 - erwog, in hohem Maße
gewagt. Auf ihn jetzt, zwei Jahre später, zurückzukommen, war
angesichts der stark herabgeminderten Beweglichkeit des
österreichisch-ungarischen Heeres nicht mehr denkbar. Es blieb nur ein
Mittel übrig: dem Feind durch einen groß angelegten
Gegenstoß zuvorzukommen! Wieweit sich [425] dieser Gegenstoß
auszuwirken vermochte, hing von den jeweils zur Verfügung stehenden
Kräften ab. Erreichte er auch nur das, daß sich der Italiener auf
Respektsdistanz von Triest zurückziehen mußte, so war damit schon
viel gewonnen.
Der Gedanke eines solchen Gegenstoßes beschäftigte den
Generalstabschef Baron Arz schon nach der zehnten Schlacht. Doch kamen dann
der russische Angriff in Galizien und die Gegenoffensive dortselbst dazwischen,
so daß die Sorgen an der italienischen Front zurückgestellt werden
mußten. Aber schon Ende Juli, als sich Anzeichen für eine
Wiederaufnahme des italienischen Angriffes einstellten, wurde in Baden erneut
der Plan offensiver Gegenmaßnahmen aufgegriffen. Die Frage, wie diese
durchzuführen sein würden, war nicht leicht zu beantworten. Es
lagen zahlreiche Operationsentwürfe aus früheren Kriegsepochen
und auch aus der Friedenszeit vor. Der verlockendste war der Conrads vom Januar
1917: doppelter Angriff vom Isonzo her und aus den Sieben Gemeinden! Die
zweitgenannte dieser beiden Operationsrichtungen, jene aus der Südtiroler
Bastion in gerader Direktion auf Venedig, war strategisch sicherlich die
wirksamste. Auf sie kam daher auch Feldmarschall v. Conrad immer
wieder zurück. Trotzdem vermochten sich Arz und Waldstätten unter
den gegebenen Verhältnissen weder für den Doppelangriff noch
für einen einfachen über Asiago zu entscheiden. Für jenen
fehlten die Kräfte. Sie wären vielleicht nicht einmal vorhanden
gewesen, wenn die deutsche Oberste Heeresleitung alle verfügbaren
Reserven an Kämpfern und Kampfmitteln zur Verfügung gestellt
hätte, was angesichts der Verhältnisse auf anderen
Schauplätzen nicht in ihrer Absicht lag. Der Stoß aus Tirol allein
hingegen forderte wegen des Mangels an Bahnen und wegen des Geländes
sehr viel Zeit, über die man nicht verfügte, weil man nicht in den
Winter hineinkommen durfte. Auch war hier der Sache nur gedient, wenn die
Stoßarmee wirklich bis in die Ebene vordrang. Geringere Erfolge blieben,
wie die Maioffensive 1916 bewies, auf die Isonzofront erst recht ohne
Rückwirkung. Ja, sie führten mittelbar sogar zu deren erhöhter
Gefährdung, da man bei der Bildung der Angriffsgruppe in Tirol
naturgemäß auch auf Isonzokräfte hätte greifen
müssen, die dann aber nicht so rasch zurückbefördert werden
konnten.
Aus all diesen Gründen faßte Arz den ihm nicht leicht gewordenen
Entschluß, fürs erste auf weitgesteckte Ziele zu verzichten und den
Schlag am Isonzo zu führen, und zwar von Tolmein aus, von wo man in
einem einzigen Zuge über die Grenzhöhen in die venetianische
Ebene gelangen und beträchtliche Teile der feindlichen Isonzofront, ihre
starke Mitte und ihren noch stärkeren Südflügel, von Norden
her fassen und aufrollen konnte.
Am 17. August 1917, zu Beginn der 11.
Isonzoschlacht, standen an der Isonzofront den 44 italienischen
Divisionen nur 20½ österreichisch-ungarische gegenüber. Aus
diesen Kräften konnte naturgemäß ohne [426] schwere
Gefährdung der übrigen Frontabschnitte eine Angriffsgruppe nicht
gebildet werden. Auch die Divisionen, die man im Osten und in Tirol
freizubekommen vermochte, reichten nicht hin. Man brauchte deren insgesamt
noch rund 20, wenn man nur das Kräfteverhältnis 1 : 1
erzielen wollte. Deshalb stellte das Armee-Oberkommando Baden in seinem
Operationsentwurf vom 25. August die Forderung auf, daß "die Mitwirkung
deutscher Kräfte unerläßlich" sei.
General v. Arz trat für das Heranziehen deutscher Kräfte auch
deshalb ein, weil er - bei aller Würdigung der noch erstaunlich
großen Leistungen der eigenen Truppen - die Stoßkraft
deutscher Divisionen doch höher bewertete und auch der ungleich besseren
Ausrüstung deutscher Verbände mit Artillerie, Munition, Fliegern
und sonstigen Kampfmitteln aller Art nicht entraten wollte.
Kaiser Karl war nicht ohne weiteres für die deutsche Hilfe zu gewinnen.
Sein Zögern leitete sich nicht ausschließlich auf
Prestigerücksichten zurück, sondern auch auf die Sorge, daß
die deutschen Helme sehr bald französische und englische Truppen nach
Oberitalien rufen würden, in welchem Ergebnis er ein neues,
schwerwiegendes Friedenshindernis sah. Noch als die Verhandlungen zwischen
den beiden Generalstäben in vollem Gange waren, versuchte der Kaiser in
einem persönlichen Handschreiben an Kaiser Wilhelm zu erreichen,
daß Deutschland die für Italien bestimmten Divisionen nach Osten
sende und dort eine gleiche Anzahl österreichischer Verbände
für den Südwesten frei mache. Es ist ein unbestreitbares Verdienst
des Generals v. Arz, daß er schließlich die Bedenken seines
höchsten Herrn, den militärischen Forderungen entsprechend,
überwand.
General Ludendorff hatte anfänglich für das italienische
Unternehmen nicht allzuviel übrig. Er hätte lieber Rumänien
zu Boden geworfen. Nicht ohne Mühe gelang es dem zuständigen
Referenten in der Operationsabteilung der Obersten Heeresleitung, Major Wetzell,
den Ersten Generalquartiermeister für die Vorschläge des
Armee-Oberkommandos Baden zu gewinnen. Auch General v. Cramon und
sein Nachrichtenoffizier Major Fleck arbeiteten in gleichem Sinne, so daß
General Ludendorff schließlich, nicht zuletzt, um das Bündnis
dadurch wieder fester zu knüpfen, in den italienischen Plan einwilligte. Als
Generalmajor v. Waldstätten Ende August 1917 zum erstenmal nach
Kreuznach kam, fand er den Boden schon gut vorbereitet. Ludendorff
beantwortete Waldstättens Darlegungen mit der Bemerkung, daß er
sich die Sache ganz so wie das Badener
Armee-Oberkommando vorgestellt habe. Der bayrische Generalleutnant Krafft
v. Delmensingen, der ruhmreiche Führer aus dem
rumänischen Feldzug, bereiste Anfang September die für den Angriff
in Betracht kommenden Teile der Isonzofront, um der Obersten Heeresleitung im
einzelnen Bericht erstatten zu können. Am 8. September weilte
Waldstätten [427] zum zweitenmal in
Kreuznach, von wo er nach Baden telegraphieren konnte, daß die
Ausführung des mit dem bedeutsamen Decknamen "Waffentreue"
bedachten Offensivunternehmens gesichert sei. Vier Tage später
erließ das Armee-Oberkommando Baden die ersten eingehenderen Befehle
zur Vorbereitung des Angriffes.
Die Gruppierung zur Offensive war so gedacht, daß am oberen Isonzo, im
Raume Tolmein - Flitsch, von wo aus der entscheidende Schlag
geführt werden sollte, zwischen der südwärts
kämpfenden Heeresgruppe Feldmarschall v. Boroević und der
Kärnten verteidigenden 10. Armee, die aus 7 deutschen und 6
österreichisch-ungarischen Divisionen zusammengesetzte deutsche 14.
Armee unter dem Kommando des Generals Otto v. Below (Stabschef
Generalleutnant Krafft v. Delmensingen) eingeschoben wurde. Die
Hauptkraft dieser Armee sollte bei Tolmein zusammengezogen werden, indessen
bei Flitsch General der Infanterie Alfred Krauß (I. Korps) mit drei
ausgewählten, gebirgsgewohnten deutschösterreichischen
Divisionen, denen sich später noch die deutsche Jägerdivision
anschloß, zum Kampf anzutreten hatte. Wie sich diese Kampfgruppen in die
für die Offensive geltende Gliederung der gegen Italien angesetzten
verbündeten Streitkräfte einzufügen hatte, zeigt das hier
beigefügte Schema (Skizze 15). Es erhellt daraus, daß die
durch die Kärntner 10. Armee verstärkte Tiroler Heeresgruppe
Feldmarschall v. Conrad aus dem Befehlsbereich des Kommandos der
Südwestfront (Feldmarschall Erzherzog Eugen) ausschied und unter den
unmittelbaren Befehl des Kaisers trat, in dessen Hände formell die Leitung
des ganzen Offensivunternehmens gelegt wurde.
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Skizze 15: Befehlsgliederung der verbündeten
Streitkräfte an der italienischen Front
am 20. Oktober 1917.
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Von Ende August bis Mitte Oktober waren der Isonzofront aus dem Westen und
dem Osten insgesamt sieben deutsche und sechs
österreichisch-ungarische Infanteriedivisionen zugeführt worden;
außerdem wurden gegen Ablauf dieser Zeitspanne zwei Infanteriedivisionen
aus Tirol herangeholt, wohingegen eine nach der 11. Isonzoschlacht dahin
abgeschoben worden war. Die dem Erzherzog Eugen unterstehenden
Streitkräfte zählten zu Beginn der Offensive 36
Infanteriedivisionen.
Die Italiener hatten am Schluß der letzten Schlacht (6. September) an ihrer
Isonzofront etwa 52 Infanteriedivisionen eingesetzt, von denen ein Drittel
südlich von Gradisca die 3. Armee (Herzog von Aosta), zwei Drittel
nördlich davon die 2. Armee (Generalleutnant Capello) bildeten.
Gegenüber der k. u. k. 10. Armee stand in der "zona
carnia" das selbständige XII. Korps, indessen die Bastion von
Südtirol von der 4. und 1. Armee - Abschnittsgrenze die
Brenta - umklammert war.
Selbstverständlich mußte den Italienern die Hauptangriffsrichtung
möglichst bis in die letzte Stunde verborgen bleiben. Diesem Streben hatten
verschiedene [428]
Täuschungsmaßnahmen zu dienen. Das deutsche Alpenkorps (seiner
Stärke nach eine Infanteriedivision) tauchte vorübergehend an der
Tiroler Front auf, wo gerade damals bei Carzano im Brentatal der Kampf
aufgeflammt hatte (18. September). Die Zuschübe aus Deutschland wurden
vornehmlich über den Brennerpaß geleitet. In Bozen funkte eine
deutsche Funkerstation. Aber auch an der Küste, bei der 1. Isonzoarmee,
zeigten sich dem Feinde deutsche [429] Abteilungen, und die
Flotte nahm Minenräumungen vor, als würden hier große
Ereignisse ihre Schatten vorauswerfen.
Besondere Sorgfalt wurde darauf verwendet, den Aufmarsch der Angriffsarmee
den Augen des Feindes zu verbergen. Zu diesem Ende wurden, während
sich das Armee-Oberkommando 14 (General v. Below) in Krainburg
formierte, die heranrollenden Divisionen zunächst im Raume
Klagenfurt - Villach - Laibach ausgeladen. Von dort wurden
sie erst in den letzten Tagen - größtenteils bei
Nacht - in den Angriffsraum vorgezogen.
Natürlich war es mit der Bereitstellung der Truppen nicht getan. Die
Offensive forderte auch in materieller Hinsicht weitgehende Vorbereitungen. Die
Beschränktheit der Mittel und die Kürze der Zeit geboten auch eine
Beschränkung in der Befriedigung der verschiedenen Bedürfnisse auf
das notwendigste Maß. Die Verbündeten entschlossen sich daher,
zunächst die 14. Armee und das I. Korps möglichst gut
auszurüsten und die 2. Isonzoarmee so weit beweglich zu machen,
daß sie dem Angriffe folgen könne. Die 1. Isonzoarmee konnte
vorerst keine Zuwendungen erhalten, das Heeresgruppenkommando Conrad und
die 10. Armee mußten sogar zu Abgaben herangezogen werden.
Die Artillerie der Südwestfront wurde für den Angriff um rund 1550
Geschütze und 420 mittlere und schwere Minenwerfer vermehrt; an
Transportmitteln waren etwa 500 Eisenbahnzüge nötig. Der Zuschub
an Munition machte allein für die
österreichisch-ungarischen Truppen 60 Vollbahnzüge aus. Die
Heeresfront Erzherzog Eugen erhielt etwa 68 000, die Heeresgruppe
Conrad 16 000 Pferde zugewiesen, deren Beförderung 400
Hundertachser beanspruchte. Die Autotonnage der Südwestfront wurde von
3200 auf 6000 t vermehrt. Die Bahn wurde in der Zeit der Vorbereitungen
für die Offensive in höchstem Grade in Anspruch genommen. Das
erste Transportkalkül rechnete mit einem "Transportquantum" von 1900
Zügen, inbegriffen den normalen Zuschub, was für den Tag eine
Leistung von 64 Zügen ergibt; hierzu kamen noch die unentbehrlichen
Personen- und Approvisionierungszüge, etwa 15 bis 20 täglich. In
der Folge erhöhte sich das Transportquantum auf 2500 Züge, die
Tagesleistung auf 80 Militärzüge; von diesen 2500 Zügen
entfallen auf den Aufmarsch der Infanteriedivisionen rund 550, auf den normalen
und besonderen Nachschub 800, auf den laufenden Bedarf der schon in der Front
befindlichen Truppen 900, auf sonstige Bedürfnisse 250 Züge.
Daß zeitweise größere Störungen eintraten, darf bei einer
solchen Inanspruchnahme der Bahnen nicht wundern; wenn trotzdem diese
Massentransporte rechtzeitig abgewickelt wurden, war dies lediglich der
Tüchtigkeit aller Bahnbehörden und der Hingabe aller sonst im
Bahndienste stehenden Organe zu danken.
Nur bei Tolmein führte eine Vollbahn nahe an den für den Angriff
ausgewählten Frontabschnitt heran; ihre Leistungsfähigkeit war an
und für sich [430] beschränkt, aber
auch durch den Umstand herabgesetzt, daß sie etwa 20 km hinter den
Stellungen den großen Wocheiner Tunnel durchlief und Ausladungen knapp
hinter der Front begreiflicherweise ausgeschlossen waren. Von dieser Bahnlinie
abgesehen, war der Raum von Flitsch etwa 40 km, jener von Tolmein
60 km von den in Betracht kommenden Ausladestationen entfernt. Da das
Vorbringen der großen Mengen von Munition, Verpflegung und sonstigem
Kriegsmaterial von dort mittels Kraftwagen allein namentlich in den Tolmeiner
Raum nicht rechtzeitig hätte bewerkstelligt werden können,
mußten Feldbahnen vorgebaut werden. Diesem Zwecke diente eine
Pferdefeldbahn von Bischoflack nach Hotaule östlich des Kirchheimer
Sattels, die in 6 Tagen hergestellt wurde, dann eine motorisierte Feldbahn von
Loitsch über Idria bis südöstlich Tolmein, deren Bau 5
Wochen in Anspruch nahm, obwohl er sehr schwierig war und Regengüsse
mehrmals empfindliche Störungen verursachten.
Die Stellungen, aus denen der Angriff anzusetzen war, begannen am Osthang des
Rombon (2208 m hoch), überquerten bei Flitsch, das vor den
eigenen Linien lag, den Isonzo, verliefen dann östlich um den Krn herum
wieder auf Höhen von mehr als 2000 m, traten mit dem
Brückenkopf von Tolmein erneut auf 6 km Ausdehnung auf das
Westufer des Flusses über, um nach dem dritten Uferwechsel den Rand der
Hochfläche von Kal - Bainsizza zu erklimmen und quer
über diese Richtung auf den Monte Gabriele zu nehmen. Die
Hochfläche gehörte bereits in den Befehlsbereich des Feldmarschalls
v. Boroević und der 2. Isonzoarmee General der Infanterie
v. Henriquez.
General v. Below wies seine Truppen zunächst an, mit dem Aufgebot aller
Kräfte den gewaltigen Höhenwall zu gewinnen, der westlich des
großen Isonzobogens von Saga - Karfreit aufragt. Im
nördlichen Teile dieses Walles beherrscht der Stol (1669) alles
Umgelände - er fiel in den Angriffsraum der Gruppe Alfred
Krauß. Südlich davon hatten die Hauptkräfte der 14. Armee, in
drei von den kommandierenden Generalen Freiherr v. Stein (III. bayrisches
Generalkommando), v. Berrer (LI. Generalkommando) und v. Scotti
(k. u. k. XV. Armeekorps) befehligte Gruppen gegliedert, den Monte
Matajur bei Karfreit (1600 m) und die Höhen westlich von Tolmein
(Jeza, Monte Hum, Kostanjevica) zu gewinnen. War dies geglückt,
dann fiel der 14. Armee die Aufgabe zu, nach Cividale in die Ebene
hinabzuschwenken und den der Heeresgruppe Boroević
gegenüberstehenden Feind in der Flanke zu packen und aufzurollen. Die
Gruppe Krauß sollte diesen Stoß in der Nordflanke decken und durch
ihr Vordringen in westlicher Richtung, auf Gemona und Tarcento, auch die
italienische Kärntner Front ins Wanken bringen.
Dem verstärkten, mit Angriffsmitteln ausgerüsteten
Nordflügel der 2. Isonzoarmee oblag es, den Südflügel der
Armee Below durch einen zeitgerecht angesetzten Angriff auf die unterhalb von
Tolmein zu beiden Seiten des Flusses aufsteigenden Höhen zu sichern.
[431] Der Beginn der
Offensive war ursprünglich auf den 22. Oktober angesetzt, mußte
aber wegen des andauernd ungünstigen Wetters auf den 24. verlegt werden.
Einige Tage zuvor waren aus den Stellungen bei Tolmein ein tschechischer und
zwei rumänische Reserveoffiziere übergelaufen. Namentlich die
zwei Rumänen vermochten den Italienern wertvolle Mitteilungen zu
machen. Sie bestärkten Cadorna freilich nur in der seit längerem
gehegten Anschauung, daß der Feind im ganzen Raume von Flitsch bis zum
Meere angreifen werde.3
Schon am 18. September, unmittelbar nach der 11. Isonzoschlacht, hatte General
Cadorna, auf Offensivpläne zunächst verzichtend, für den
Karst die "Verteidigung aufs Äußerste" angeordnet.4 In wiederholtem Gedankenaustausch
mit dem Führer der 2. Armee, Generalleutnant Capello, wies er auf die
Gefahren hin, die vom Tolmeiner Brückenkopf aus drohten. Capello erhielt
reiche Verstärkungen zugewiesen, so daß - nach dem
amtlichen italienischen Bericht5 - selbst nach dem Aufmarsche
Belows 171 verbündeten Bataillonen nicht weniger als 238 italienische
gegenüberstanden. Von diesen hielten von Flitsch südwärts 94
die erste Linie besetzt, indessen der größere Teil in Reserve blieb.
Capello war jedoch mit den rein defensiven Absichten seiner Heeresleitung
keineswegs einverstanden, sondern liebäugelte mit einer Fortsetzung des
Stoßes auf der Bainsizza-Hochfläche. Auch sein den
Südflügel der Armee befehligender Unterführer General
Badoglio hatte seine Sonderangriffspläne in der Tasche. Dadurch kamen
naturgemäß die Verteidigungsmaßnahmen zu kurz, das
Stellungssystem der Italiener war just an den Hauptangriffspunkten Flitsch und
Tolmein, wo sie seit Anfang des Krieges ziemlich unverändert standen, am
schwächsten ausgebaut. Trotzdem sagte Cadorna noch am 23. Oktober: "Es
ist nichts zu befürchten." Und bei der gegen ihn nach dem Kriege
geführten Untersuchung äußerte er sich: "Die Offensive traf
uns gut gerüstet, es hätte nur genügt, daß jeder Mann ein
Magazin, jedes Maschinengewehr eine Gurte, jedes Rohr einen Schuß
abgegeben hätte - und der Feind wäre nicht gekommen."
Aber der Feind kam.
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