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Bd. 5: Der österreichisch-ungarische Krieg

[368] Kapitel 16: Die zehnte Isonzoschlacht
Generalmajor Anton Ritter von Pitreich

Die Schlachtenpause an der Isonzofront war diesmal von ungeahnter Länge. Über sechs Monate vergingen, bis der Feind neuerdings sein Glück versuchte. In vielfacher Hinsicht waren während dieser langen Zeit die Bedingungen und Verhältnisse der Kriegführung andere geworden; während des dritten Kriegswinters hatten sich die wirtschaftlichen und damit auch die politischen Schwierigkeiten der Monarchie in geradezu erschreckender Weise gemehrt. Schwer lasteten die Folgen der nicht mehr zu behebenden Versäumnisse insbesondere auch auf der in unentwegter Hingebung und Pflichttreue tapfer standhaltenden Wehrmacht. Zu ihrer dürftigen Gewandung, zu ihrer stets im Rückstand gebliebenen Ausstattung war auch noch der bitterste Hunger getreten!

Über die nächsten feindlichen Absichten herrschte während der ganzen langen Kampfpause völliges Dunkel. Man rechnete mit der endlichen Verwirklichung der so oft angestrebten Einheitlichkeit der Kriegführung auf Seite der Feinde. Die im Januar 1917 abgehaltene Ententekonferenz in Rom ließ die Festlegung gemeinsamer Angriffspläne voraussetzen. Anhaltspunkte über die Art der Durchführung ergaben sich jedoch nicht. Jedenfalls war kaum in der Annahme fehlzugehen, daß die Einnahme von Triest auch weiterhin das Hauptkriegsziel des Feindes auf dem südwestlichen Kriegsschauplatz bleiben würde. Es frug sich nur, wie und wann der Feind an die Ausführung seines Planes schreiten werde? Schon tobte seit Wochen die Schlacht in Frankreich; doch der ganze Monat April verging, ohne daß sich an der italienischen Front Anzeichen einer nahe bevorstehenden Operation zeigten. Hatte der französische Schlachtenlenker, General Nivelle, im Februar vergeblich der italienischen Isonzofront seinen Besuch abgestattet? Wie gedachte Italien seinen Bundespflichten nachzukommen? Offenbar war Cadorna überzeugt gewesen, daß nach der Niederwerfung Serbiens, Montenegros und Rumäniens, sowie Lahmlegung Rußlands Italien an die Reihe kommen werde. So fand das Frühjahr seine Streitkräfte annähernd gleichmäßig verteilt am Isonzo und vor der Tiroler Ostfront, eines mächtigen Vorstoßes aus beiden Fronten gleichzeitig gewärtig. Erst spät kam Cadorna zur Erkenntnis, daß keine Überraschung zu befürchten sei. Nun leitete er im Rahmen des allgemeinen Angriffsplanes der Entente [369] Kräfteverschiebungen behufs Anhäufung einer mächtigen Streitmacht vor dem großen Einfallstor in die Monarchie ein. So kamen die ersten Maitage heran. Die Isonzofront bot noch immer das nun bereits die längste Zeit zu beobachtende Bild verhältnismäßiger Ruhe. Nichts verriet einen unmittelbar bevorstehenden Angriff. Geschickt wußte der Feind auch diesmal seine Angriffsvorbereitungen zu verschleiern.

Am 7. Mai begann auf einmal die gegenüber der Hochfläche von Bainsizza in Stellung befindliche Artillerie auffallend rührig zu werden; sie nahm insbesonders die rückwärtigen Räume und Kommandostandorte auf der genannten Hochfläche unter recht lebhaftes Feuer. Gleichzeitig meldete sich eine ansehnliche Zahl von Überläufern, die übereinstimmend angaben, die Schlacht werde demnächst mit einer Aktion im Raume Plava - Roncina beginnen. Diese Aussagen fanden in der Verhängung einer verschärften Grenzsperre Italiens gegen die Schweiz eine weitere Bestätigung. Mit Vertrauen sah die 5. Armee Boroević dem zehnten Appell an das Waffenglück am Isonzo entgegen. Das Gefühl, diesmal 215 Bataillone mit 1720 Maschinengewehren, dann 915 leichte, 347 mittlere und 68 schwere Geschütze in wesentlich gefestigterer Stellung dem Feinde entgegenwerfen zu können, war auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen beruhigend. Freilich ließen die Verhältnisse auf der Hochfläche von Bainsizza noch manches zu wünschen übrig, sowohl was die Stärke der lebenden Kraft, als auch jene der dort befindlichen Stellungen anbelangte. Überall an der ganzen langgestreckten Front entsprechend stark zu sein, dazu langten die verfügbaren Mittel eben nicht; man mußte froh sein, wenigstens am bedrohtesten Teile des Armeebereichs, dort, wo es vor allem Triest direkt zu schützen galt, ausreichenden Widerstand leisten zu können. Als sich am 8. Mai der Eindruck verdichtete, daß der Feind gegen die Hochfläche von Bainsizza umfangreichere Angriffsvorbereitungen treffe, wurde nicht länger gesäumt, im Rahmen der Machtmittel alle Abwehrmaßnahmen auf der genannten Hochfläche straffer zu organisieren. Zur Besetzung der bisher nur von einigen Landsturmbataillonen bewachten, an 16 km langen Isonzostrecke zwischen Selo und Plava hätten allerdings kaum alle verfügbaren Armeereserven ausgereicht. Man mußte sich darauf beschränken, die Abschnittsreserven näher heranzuziehen, die Artillerie, entsprechend den voraussichtlichen Übergangspunkten über den Isonzo, zu gruppieren und die Befehlsverhältnisse etwaigen Augenblicksbedürfnissen entsprechend zu regeln.

Auffallend war die Ruhe, die noch immer an der Karstfront und sogar im Wippachtale herrschte. Der Gedanke war naheliegend, daß die Italiener gegen die Hochfläche von Bainsizza nur eine Nebenoperation einzuleiten gedachten, um die Reserven des Verteidigers dort zu binden, während der überraschende, eigentliche Hauptschlag denn doch im Süden gegen Triest geführt werden sollte. Dies bedingte besondere Vorsicht bei der Verschiebung der [370] verfügbaren Reserven. Während der nächstfolgenden Tage ergaben sich keine weiteren Anhaltspunkte zur Beurteilung der Absichten des Feindes; selbst gegenüber der Hochfläche von Bainsizza war es wieder ruhiger geworden.

Am 12. Mai, dem Beginn der zehnten Isonzoschlacht, änderte sich mit einem Schlage die geradezu bereits zur Gewohnheit gewordene Lage an der Front wesentlich. Bei Morgengrauen eröffnete der Feind von Tolmein abwärts bis zum Meere ein äußerst heftiges Artilleriefeuer aller Kaliber, sowohl gegen die Stellungen, wie namentlich auch gegen die rückwärtigen Räume und Kommandostandorte. Gegen letztere kamen besonders Gasgranaten in Anwendung. Den ganzen Tag über hielt dieses planmäßige Wirkungsschießen an. Ein Infanterieangriff unterblieb. Nicht einmal nennenswerte Bewegungen waren in den feindlichen Linien wahrzunehmen. Dafür ergab aber die Flugaufklärung wertvolle Anhaltspunkte, indem sie ausgedehnte neue Lagerplätze und lebhaften Verkehr westlich des Isonzo, in den Tälern gegenüber der Hochfläche von Bainsizza, feststellte, während die Meldungen über Bewegungen hinter den übrigen Teilen der feindlichen Front negativ lauteten. Daß ein Ansturm gegen die genannte Hochfläche tatsächlich unmittelbar bevorstehe, war nicht mehr zu bezweifeln. Infolgedessen wurde die bisher bei Wippach zurückgehaltene 106. Landsturm-Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant Kratky, dorthin in Marsch gesetzt. Am 13. Mai nahm die Artillerieschlacht ihren Fortgang. Tag und Nacht setzte der Feind das Wirkungsschießen, namentlich gegen die Hochfläche von Bainsizza und die angrenzenden Teile des Wippachtales, fort. Dank der hinreichenden Munitionsvorsorgen war diesmal auch die Artillerie des Verteidigers in bemerkenswerter Weise tätig. Das Ufergelände nächst Roncina war das Ziel mehrfacher kräftiger Feuerüberfälle; feindliche Minenwerfer wurden demoliert, vermutete Ansammlungen mit Feuer bedacht. Wo Infanterie gegen die Stellung des Verteidigers vorzufühlen versuchte, wurde sie zu rascher Umkehr gezwungen. Aber auch an diesem Tage noch hielt sie sich im allgemeinen zurück. Für die richtige Erkenntnis der eigentlichen Absichten des Feindes ergaben sich noch immer keine näheren Anhaltspunkte.

Flammenwerfer-Angriff.
[368a]      Flammenwerfer-Angriff.
Endlich am 14. Mai kam es zum Großkampfe in breiter Front von Plava bis zum Meere. Vom Morgengrauen an stieg das feindliche Feuer bald zu höchster Heftigkeit. Nach mehrstündigem Trommelfeuer schritt pünktlich um 12 Uhr mittags die Infanterie nicht nur, wie zu erwarten war, im Raume von Plava und im Wippachtale gegen das XVII. Korps, Feldmarschalleutnant v. Fabini, und XVI., Feldmarschalleutnant Kraliček, zum Entscheidung suchenden Angriff, sondern überraschenderweise auch gegen die auf der Karsthochfläche befindlichen Korps, das VII., Feldmarschalleutnant v. Schariczer, und das XXIII., Feldmarschalleutnant v. Schenk. Die zwei letztgenannten waren zu einheitlicherer Kampfführung auf der Hochfläche von Comen in eine Befehlsgruppe unter Feldzeugmeister Wurm zusammengefaßt. Vor allem sollte wohl der Monte [371] Santo durch doppelte Umfassung zu Fall gebracht werden. Den ganzen langen Nachmittag stürmten immer neue Massen einerseits von Plava aus gegen das von den tapferen 52ern rühmlichst verteidigte Bollwerk auf Höhe 383 und die von den heldenmütigen 22ern gehaltene Zagora-Stellung, andererseits von Salcano aus gegen den vom südsteirischen Infanterieregiment Nr. 87 besetzten Hang des Monte S. Gabriele und den Sattel von Dol. Als der Feind um 6 Uhr nachmittags ersteren Stützpunkt zum fünftenmal in dichten Massen angriff, erhob sich die Besatzung aus ihren Gräben, schlug die Wälschen mit Handgranaten in die Flucht, stieß ihnen nach und holte sich eine erkleckliche Anzahl von Gefangenen aus den feindlichen Gräben. Während der ganzen Nacht hielten die vergeblichen Angriffe im Raume von Plava an. Nicht besser erging es dem Feinde im Wippachtale. Hier waren es die bewährten Truppen der 58. Infanteriedivision, Generalmajor Zeidler, und der westungarischen 14. Infanteriedivision, Generalmajor v. Szende, die ihm einen üblen Empfang bereiteten. Im Bereich der ersteren Division fanden erbitterte Kämpfe unmittelbar östlich Görz an diesem Tage kein Ende. Südlich der Wippach war das Hauptziel des feindlichen Angriffes die im Laufe des Winters festgefügte Front Fajti hrib - Kostanjevica. Auch hier holte sich der Feind nur blutige Köpfe. So war das Ergebnis dieses ersten Großkampftages für den Verteidiger ein höchst befriedigendes: die Stellung behauptet, der Feind überall unter schweren Verlusten zurückgeschlagen; 1600 Gefangene nebst mehreren Maschinengewehren krönten das Werk. Allseits wurde als maßgebend für diesen schönen Erfolg das enge, selbstlose Zusammenwirken aller Waffen und Sonderdienste des Verteidigers rühmlichst hervorgehoben. So selbstverständlich dies in der Theorie nachträglich erscheinen mag, so sehr verdient dieser Umstand in Anbetracht der gewaltigen Schwierigkeiten seiner praktischen Durchführung besonders hervorgehoben zu werden. Auch die Flieger hatten sich an diesem Tage, trotz ihrer zahlenmäßigen Schwäche, als vollwertige Kampftruppe bestens bewährt. Sie wurden nimmer müde, über die zum Sturm bereitgestellten feindlichen Kolonnen hereinzubrechen und sie kräftigst mit Bomben zu bedenken. So war die Haltung der Truppe durchwegs höchst rühmlich; ihr allein war der Erfolg dieses schweren Großkampftages zu verdanken, der Richtung gebend für den Verlauf und den Ausgang der Schlacht wurde. Freilich war noch nicht aller Tage Abend. Noch immer war größte Vorsicht in der Verwendung der Reserven am Platze. Wo der Feind tatsächlich seinen Hauptstoß zu führen beabsichtigte, war nach wie vor völlig unklar. Für diesen mußte man gewappnet sein. Es handelte sich wieder einmal um eine Nervenprobe der Führung.

Am 15. Mai ballte sich die Schlacht über dem XVII. und XVI. Korps zusammen. Auf allen anderen Teilen der Armeefront lag Artilleriefeuer wechselnder Stärke. Der Feind hatte die Nacht benutzt, um in breiterer Front gegen die Hochfläche von Bainsizza wirksam werden zu können. Er versuchte [372] einerseits eine Forcierung des Isonzo von Ajba aus, andererseits verschob er starke Kräfte von Salcano aufwärts im Isonzotal direkt gegen den Steilhang des Monte Santo und den Sattel 503 nordwestlich davon. Trotz zusammengefaßtem, gegen den Isonzo gerichtetem Abwehrfeuer war es den Italienern unter dem Schutze der stockfinsteren Nacht gelungen, zwischen Loga und Bodrez den Fluß zu überschreiten und auf dem linken Ufer Fuß zu fassen. Von den rasch herangeholten Reserven des Verteidigers wurden sie jedoch bald an jeder weiteren Ausbreitung gehindert; überdies schoß die Artillerie die über den Isonzo geschlagene Brücke bereits vormittags völlig zusammen. In allererbittertster Weise fanden die am Vortage im Raume von Plava begonnenen Kämpfe ihre Fortsetzung. Noch bot das Bollwerk auf Höhe 383 dem Feinde eisern die Stirne. Die benachbarte Riegelstellung von Zagora konnte aber trotz aller Aufopferung und Selbstverleugnung ihrer tapferen Besatzung dem übermächtigen Drucke auf die Dauer nicht widerstehen; die Verteidiger mußten endlich auf die Rückenlinie des Kuk  zurückweichen. Energisch nachdrängend, brach der Feind auch in diese Linie ein, wurde aber im Gegenangriff wieder zurückgeworfen. Inzwischen waren seine Bemühungen, sich von Süden aus in den Besitz des Monte Santo zu setzen, gescheitert. Die dortigen schweren Kämpfe endeten damit, daß die Italiener in einer Entfernung von 200 bis 300 Schritten von der Verteidigungslinie im wirksamsten Sperrfeuerbereich am Hange liegenblieben. Durch die Einnahme von Zagora hatten sie sich aber den Verkehr am linken Isonzoufer, zwischen Plava und Salcano, geöffnet. Schwer wogte an diesem Tage auch der Kampf im Wippachtale; unausgesetzt folgten einander Angriff auf Gegenangriff. Die hervorragende Haltung der 58. Infanteriedivision, insbesondere der hart in Mitleidenschaft gezogenen Dalmatiner Schützen Nr. 23, machte alle Hoffnungen und Anstrengungen des Angreifers zunichte. Bis auf ganz geringfügige Teile der ersten Linie der tiefgegliederten Stellung, in denen der Feind nach seinem zehnten Ansturme erschöpft liegengeblieben war, befand sich der ganze Raum in der Hand des Verteidigers. Sturmpatrouillen fanden im Laufe der Nacht ein reiches Feld der Betätigung - die ihnen überlassene Säuberungsaktion gelang vollständig.

Auf der Karsthochfläche war es nur zu einem vereinzelten Angriff auf Kostanjevica gekommen, der glatt abgeschlagen wurde. Trotz dieser am Südflügel der Armee für den Augenblick eingetretenen Entlastung und der allseits von den Truppen abgegebenen Beweise treuer Pflichterfüllung war dieser Tag für die höhere Führung einer der sorgenvollsten während der ganzen, lange anhaltenden Schlacht. Ließen sich schon die Ereignisse beim XVII. Korps nicht sehr erbaulich an, so wirkte noch drückender die weiterbestehende Ungewißheit über die Absichten des Feindes. Bis zum Abend war noch keine einzige seiner höheren Reserven im Kampfe festgestellt worden; nur die Divisionen des ersten Treffens hatten die Last des Angriffes getragen. Dies mußte um [373] so mehr zu denken geben, als auch von der Tiroler Front an diesem Tage Nachrichten einer verstärkten Frontbelastung und erhöhter Artillerietätigkeit einliefen. Noch immer stand demnach dem Feinde ein weites Feld unbegrenzter Möglichkeiten offen. Der Besitz des Monte Santo allein war doch ein zu eng gestecktes Ziel für die sicherlich mit allem Kraftaufwand groß angelegte Frühjahrsoffensive des italienischen Heeres. Mehr denn je wurde daher dem Verteidiger das Sparen mit den ohnehin nicht sehr reichlichen Reserven zur Pflicht.

Während der nächstfolgenden Tage und Nächte bis einschließlich des 20. Mai blieb die Schlacht nahezu auf das Ringen um den Monte Santo beschränkt. Alle Anstrengungen der Italiener, diesen Schlüsselpunkt zu gewinnen, waren vergebens. Zur richtigen Würdigung dieser schweren Kämpfe bedarf es einiger erläuternder Worte über die Beschaffenheit des dortigen Kampfplatzes. Die Hochfläche von Bainsizza, namentlich aber die umschließenden Höhen, weisen im allgemeinen denselben Charakter des Geländes auf, wie er im Süden unter dem Namen "Karst" zum Schlagwort geworden ist - meist nackter, kahler, undurchdringlicher Steinboden. Nur stellenweise fand sich eine dünne Humusschicht vor. Die Hänge waren ganz kahl oder doch nur dürftig mit Gestrüpp bewachsen. Wasserarm und schwer gangbar, waren diese bis zu 1000 m steil aufragenden, rauhen Felshochflächen von Lom, Kal, Bainsizza und Ternova mehr oder weniger Wüsteneien, die allein schon durch ihre Beschaffenheit den Verteidigern die schwersten Mühen und Entbehrungen auferlegten. Angesichts der weiten Entfernung der Eisenbahnendstationen bildete die Versorgung der Truppe auf diesen unwirtlichen Höhen ein Problem für sich. Nicht nur der rechtzeitige Zuschub von Kriegsmitteln, sondern namentlich auch jener von Reserven im Augenblicke der Gefahr vollzog sich unter den größten Schwierigkeiten. Im Vertrauen auf das Hindernis der Isonzoschlucht vor dem größten Teile der Front, abseits der direkten Vorrückungslinie auf Triest und Laibach, hatte man sich bisher bei der Ausgestaltung dieses Raumes für den Großkampf auf dürftige Improvisationen beschränkt. So war denn auch von einer "Stellung" nach modernen Begriffen nicht im entferntesten die Rede. Dazu hatte es stets an Mitteln, namentlich personeller Natur gefehlt. Man war über das veraltete Liniensystem nicht viel hinausgekommen. Auf manchen Strecken fehlte selbst ein solches. Ein zur Not verteidigungsfähiger Kampfgraben, wegen des Felsbodens meist mit hohem Aufzug und nur stellenweise mit geringer, mühsam dem Boden abgerungener Vertiefung; davor ein spärliches Drahthindernis: das war alles, was dem Verteidiger Schutz bot. Gesicherte Unterkünfte waren mit geringen Ausnahmen überhaupt fast nicht vorhanden. Ebensowenig fanden die Truppen in der gebotenen Tiefengliederung den notwendigen Rückhalt. Die Reserven mußten im offenen Terrain notdürftig Schutz suchen, wo er sich eben bot. Hieraus mag ersehen werden, welch unendliche Schwierigkeiten den Truppen auf diesem Kampfplatz erwuchsen, [374] wie der Kampf hin- und herwogen mußte, bis es gelang, die Lage wieder einigermaßen zu festigen. Insbesondere der Gang der Ereignisse auf der zum Brennpunkt der Kämpfe gewordenen Höhe 652 erscheint erst bei Berücksichtigung der eben geschilderten Umstände im richtigen Lichte.

Nachdem im Laufe des 16. und 17. Mai noch mit aller Erbitterung um den Besitz des Kukrückens gekämpft worden war, mußte dieser im Laufe der folgenden Nacht geräumt werden. Die Verteidigung wurde in die Linie Descla - Höhenrand der dem Kukrücken nordöstlich gegenübergelegenen Hänge - Vodice - Höhe 652, im Anschluß an die von dort über den Sattel 503 und den Monte Santo verlaufende Stellung, verlegt. Der aufopferungsvollen Haltung der Truppen gelang es, diese jeder gründlicheren Ausgestaltung entbehrende Linie allen feindlichen Anstrengungen gegenüber zu behaupten. Schweren Herzens hatten die Reste des tapferen Bataillons der 52er ihr so lange und zähe behauptetes Bollwerk nächst der Plavahöhe 383 aufgeben müssen, um sich der drohenden Gefangennahme zu entziehen. Bereits am nächsten Vormittag, 18. Mai, versuchte der Feind die neue Widerstandslinie zu durchbrechen. Nichts war einladender hierzu als die Bruchstelle in der Umgebung der Höhe 652. Dorthin richteten sich denn auch an diesem, wie an den folgenden Tagen die wütendsten Angriffe der Italiener. Alle noch so heftigen Anstürme brachen aber an der lebendigen Mauer der 106. Landsturm-Infanteriedivision zusammen. Ebenso vergeblich blieben alle während dieser Tage gegen den Monte Santo selbst gerichteten Anstürme. Neben der 57. Infanteriedivision, Generalmajor v. Hrozny, und der 106. Landsturm-Infanteriedivision war nun auch die bewährte 43. Schützendivision, Generalmajor Fernengel, in diesem Raume in den Kampf getreten. Tagtäglich wiederholten sich zu ungezählten Malen die schwersten feindlichen Massenangriffe in der etwa 5 km breiten Strecke zwischen dem Sattel von Dol und dem Raume um Vodice. So oft der Angreifer in einzelne Teile der Kampflinie eindrang, wurde er sofort mit Bajonett und Handgranaten wieder hinausgeworfen. Eine ungeheure Menge schwerer Geschosse hatte er bereits über eine Woche hindurch in diesen Angriffsraum geschleudert; es war alles vergeblich; die tapferen Truppen ließen nicht locker.

Am 20. Mai trat insoweit eine Entspannung ein, als sich die bei Ajba auf das linke Isonzoufer gelangten Teile des Feindes wieder auf das jenseitige Ufer zurückzogen. Ferner war es endlich gelungen, durch Einsatz einer mit größter Mühe in Stellung gebrachten Artilleriebrigade den Widerstand im Raume 652 etwas zu versteifen und die schwer ringende Infanterie einigermaßen zu entlasten. Schließlich war um diese Zeit auch die 24. Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant v. Urbarz, zur Verstärkung der Besatzung der Bainsizza-Hochfläche eingetroffen, so daß der Kampf in diesem Raume nunmehr von fünf Divisionen geführt werden konnte. Neben dem XVII. wurde [375] das XXIV. Korpskommando, General der Infanterie Lukas, als Befehlsstelle für den nördlichen Teil der Hochfläche eingesetzt.

Im Wippachtale versuchte der Feind ein neues Angriffsverfahren. Er trachtete, die Stellung ohne Artillerievorbereitung mit Infanteriemassen einfach überraschend zu überrennen. Der geringe Abstand der beiderseitigen Kampflinien voneinander begünstigte dieses Unterfangen, das aber dank der Wachsamkeit des Verteidigers gänzlich fehlschlug.

So blieb im Nordteil der Isonzofront die Widerstandskraft des Verteidigers nicht nur ungeschwächt, sondern sie hatte sich glücklicherweise wieder etwas erhöht, als die Italiener nach einer schon wesentlich ruhiger verlaufenen Nacht am 21. Mai überraschenderweise eine Schlachtenpause eintreten ließen. Allenthalben herrschte die Ansicht, daß dies nur die Ruhe vor dem eigentlichen Sturme sein könne. Nur zu bald bestätigte sich die Richtigkeit dieser Annahme, wiewohl es auch am 22. Mai an der ganzen Front noch halbwegs ruhig geblieben war.

Am 23. Mai entwickelte sich ein Großkampf in 40 km Breite, wie ihn die Isonzofront bisher noch nicht kennenzulernen Gelegenheit gehabt hatte. Das war endlich der längst erwartete, geradewegs gegen Triest gerichtete Stoß. Nach kräftigster Artillerievorbereitung stürmten die feindlichen Massen gegen die ganze Front von Plava bis zum Meere mit beispielloser Hartnäckigkeit. Am nördlichen Flügel vereinigte sich die Wucht des Angriffes wieder auf die Umgegend der blutgetränkten Höhe 652. Dort hielten aber Söhne der Bukowina und Ostgaliziens, die 41er und 24er, dem sich ständig wiederholenden Anprall kräftigst stand und warfen den Feind dort, wo er dennoch stellenweise in die Widerstandslinie einzudringen vermochte, mit ihren nahe bereitgehaltenen Reserven im Handgemenge immer wieder zurück. Daran anschließend, brach auf dem Monte Santo um 4 Uhr nachmittags ein sieben Wellen tiefer Massenangriff bei den Ruinen des dortigen Klosters über die völlig eingeebneten Hindernisse und Gräben ein. Ein frischer Gegenstoß warf ihn mit derartiger Wucht auf seine Reserve zurück, daß nun die ganze Masse des Feindes im stärksten Wirkungsfeuer der Verteidigungsartillerie eilends den ganzen Steilhang herab zum Isonzo flutete. Auch im Wippachtale holte sich der Feind in wiederholten Anstürmen nur blutige Köpfe. Den allererbittertsten Verlauf nahm die Schlacht auf der Karsthochfläche. Tapfer und standhaft schlug das bewährte VII. Korps alle Angriffe ab. Namentlich bei Kostanjevica, wo der Feind am nachhaltigsten angriff, hatten die Honveds der 41. Honved-Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant Schamschula, wieder Gelegenheit, sich besonders auszuzeichnen. Nicht ganz so glatt verlief die Abwehr beim südlich anschließenden XXIII. Korps, wiewohl dem Feinde auch dort ein durchgreifender Erfolg versagt blieb. Er drang in die Stellung der 7. Infanteriedivision, Generalmajor v. Schmid, und 16. Infanteriedivision, Generalmajor [376] v. Kaltenborn, ein. Hier spielten sich bis tief in die Nacht hinein die erbittertsten Kämpfe ab. Trotzdem konnte das Armeekommando mit den Ergebnissen dieses Großkampftages im allgemeinen zufrieden sein; hatte er doch vor allem endlich volle Klarheit über die feindlichen Absichten gebracht. Das Kräftekalkül dieses Tages ergab, daß die Armeefront bereits mit dem Angriff von 32 feindlichen Divisionen belastet war; zu einer weiteren Überraschung konnten die Kräfte wohl nicht mehr ausreichen. Wie wertvoll war es, daß man sich während des ersten Teiles der Schlacht nicht hatte verleiten lassen, den Südflügel der Armee, die Richtung Triest, zugunsten des heftig bedrohten Nordflügels von Reserven zu entblößen! Letztere erwiesen sich an entscheidender Stelle von ausschlaggebender Bedeutung.

Mit anerkennenswerter Hartnäckigkeit setzten die Italiener noch am 24., 25. und 26. Mai ihre Anstrengungen, sich den Weg nach Triest zu erzwingen, fort. Tag und Nacht wurde, besonders auf der Karsthochfläche, wütend gekämpft und gestritten. Mußte schon die Zähigkeit, mit der der Feind im Raume Höhe 652 - Monte Santo und auch im Wippachtale immer wieder sein Ziel verfolgte, Staunen erregen, so waren die Massenanstürme gegen die festgefügte Mauer auf der Hochfläche von Comen geradezu tollkühn. Diese Massenopfer fruchteten nichts. Das heißersehnte Bollwerk der Hermada konnte nicht zu Fall gebracht werden. Die "Isonzoarmee", die sich diesen Ehrennamen an Stelle der Bezeichnung "5. Armee" in diesen schweren Tagen buchstäblich blutig errang, stand unerschüttert. Pfingstsonntag, am 27. Mai, kamen die Italiener endlich zur besseren Einsicht, daß alle Opfer und alle Anstrengungen vergeblich wären. Nach dem fürchterlichen Ringen der vergangenen Woche war den Helden an der Front endlich wieder einmal etwas mehr Ruhe beschieden. Die Gefechtstätigkeit blieb an diesem, wie an den nächstfolgenden Tagen nur auf örtliche Kampfhandlungen an den beiden Flügeln der Schlachtfront beschränkt. Auch diese flauten rasch ab, bis sie am 29. Mai ganz verebbten.

Diesmal hatten aber die Italiener die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Nicht sie sollten, wie sie es gewohnt waren, das letzte Wort in der Schlacht sprechen. Die allgemeine Kriegslage hatte es gestattet, der schwer ringenden Isonzoarmee inzwischen Unterstützung zukommen zu lassen. Der 24. Infanteriedivision waren aus dem Nordosten auch noch die 35. Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant v. Podhoranszky, die 12. Infanteriedivision, Generalmajor v. Puchalski, und die 21. Schützendivision, Generalmajor Podhajsky, gefolgt, wogegen drei abgekämpfte Divisionen dahin abgegeben werden sollten. Hierzu wurden die 7. und 16. Infanteriedivision von der Karsthochfläche und die 62. Infanteriedivision von der Hochfläche von Bainsizza gewählt; letztere sollte durch die 21. Schützendivision ersetzt werden. Das Eintreffen der 35. Infanteriedivision ermöglichte, die Lage am Südflügel der Armee durch einen die Erschöpfung des Feindes ausnutzenden Vorstoß zu festigen. Es galt, die [377] alte Flondarstellung westlich der Hermada, in die der Feind während der letzten Tage eingedrungen war, zurückzugewinnen. Am 4. Juni wurde das wohl vorbereitete Unternehmen, nachdem während der Nacht die braven 39er die vordere Kuppe des Fajti hrib zu Demonstrationszwecken gestürmt und vorübergehend in Besitz genommen hatten, von Teilen der 28. Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant v. Schneider, und der 35.
Erbeutete Geschütze auf der Straße nach St. Florian.
[368a]      Erbeutete Geschütze auf der Straße nach St. Florian.
Infanteriedivision in glänzender Weise durchgeführt. Vier italienische Brigaden wurden vollständig aufgerieben, 7000 Mann unverwundet als Gefangene abgeführt. Leicht war das gesteckte Ziel erreicht worden, ansehnliche Beute den Truppen als Lohn zugefallen; schwer war nur der Entschluß, dem Vorstoß in der wiedergewonnenen Stellung Halt zu gebieten. Zu weiterem Vorgehen, so verlockend es auch gegen den völlig überraschten Feind zu sein schien, fehlten leider die Mittel. Mußte man doch darauf gefaßt sein, daß diese empfindliche Schlappe nicht so ohne weiteres hingenommen werden würde. Tatsächlich eilten von allen Seiten die italienischen Reserven herbei. In fruchtlosen Gegenangriffen verbluteten sie sich im Laufe des 5. und 6. Juni und vergrößerten die Niederlage.

Nun erst war die Schlacht tatsächlich beendet. Gewiß nicht in dem Sinne, in welchem sie italienischerseits - getreu dem von General Nivelle propagierten Angriffsverfahren - von langer Hand emsig vorbereitet und mit vielen Mühen und Opfern durchgekämpft worden war. Die Isonzoarmee hatte in diesem schweren Waffengange ihre Aufgabe wieder zu lösen gewußt, was von ihrem Gegenüber - bei aller Anerkennung ehrlichen soldatischen Wollens - nicht behauptet werden kann. Der Gewinn des Kukrückens im Norden und eines kaum nennenswerten Geländestreifens vor der Flondar - Versic-Stellung im Süden kann mit einer Einbuße von weit über 200 000 Mann, eingerechnet 27 000 Gefangene, die der Angreifer in der Hand des Verteidigers zurücklassen mußte, denn doch nicht in Einklang gebracht werden. Mit berechtigtem Stolze durfte sich der Verteidiger seines Erfolges freuen. Etwa 35 feindliche Divisionen waren für einige Zeit ihrer Offensivkraft beraubt, davon eine erhebliche Anzahl schwer mitgenommen. Hiermit war auch die letzte der von der Entente mit mächtiger Kraftentfaltung in Szene gesetzten Frühjahrsoffensiven des Jahres 1917 erledigt. Die Zeit drängte. Empfindlichst machten sich die Wirkungen des U-Boot-Krieges geltend. Ehestens mußten deshalb auf feindlicher Seite neue Pläne geschmiedet und in die Tat umgesetzt werden.


1. Die Junischlacht in den Sieben Gemeinden.

Die Entente wandte alle Hebel an, um Rußland aus seiner Untätigkeit aufzurütteln und Rumänien zu einem Vorstoß zu befähigen. Auch Italien sollte nicht lange müßig bleiben. Allerdings mußten viele Wochen vergehen, ehe es einen neuen Ansturm an der Isonzofront unternehmen konnte. Doch bot sich eine andere Möglichkeit an der Tiroler Ostfront, zugunsten der geplanten [378] russischen und rumänischen Offensive, schließlich auch des nächsten Schlages am Isonzo Kräfte auf sich zu ziehen und zu binden. Außerdem befreite das Gelingen eines solchen Stoßes die italienische Führung vor der ständigen Drohung eines Rückenangriffes, dessen sie sich versehen mußte, solange die 11. Armee, Feldzeugmeister v. Scheuchenstuel, im Besitz der Hochfläche von Verena - Campolongo war. Den Angriffsvorbereitungen der italienischen 6. Armee hatte der jähe Wintereinbruch im Vorjahre Halt geboten. Cadorna bedrohte den Abschnitt zwischen Suganer und Asticotal auch weiterhin mit starker Truppenmacht und hütete sich beim Abziehen von Kräften an die Isonzofront, diesen Frontteil zu schwächen. Der Austausch abgekämpfter Brigaden nach der zehnten Schlacht wurde von ihm benutzt, das XX. und XXII. Korps, die gegenüber dem steierisch-kärntnerischen III. Korps, General v. Krautwald, standen, noch mehr zu verstärken, so daß die Streitkraft in diesem Raume auf 10 Infanteriedivisionen mit starker Artillerie, darunter französische und englische Batterien, anwuchs.

Das Heeresgruppenkommando Tirol, Freiherr v. Conrad, sah voraus, daß dem "eisernen" III. Korps schwere Tage bevorstanden und tat alles, um dieses für den Kampf zu wappnen. Verstärkungen konnten allerdings nur in bescheidenem Maße zu Lasten minder bedrohter Frontteile frei gemacht werden. Hatte doch die verhältnismäßig schwache Heeresgruppe erst kürzlich 6 Bataillone während der zehnten Schlacht an die Isonzofront abgegeben, deren Rücksendung erst erbeten werden mußte.

Am 9. Juni leitete eine heftige Beschießung der an das III. Korps anstoßenden Abschnitte, im Norden 18. Infanteriedivision, Feldzeugmeister v. Scholz, im Suganer Tal, im Süden Gruppe Oberst Vidossich hinter der Assaschlucht, die Junischlacht in den Sieben Gemeinden ein. Am 10. legte sich das schwere Feuer auch auf die Front des III. Korps, das mit der 6. Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant v. Mecenseffy, den Abschnitt des Monte Forno, mit der 22. Schützendivision, Generalmajor Rudolf Müller, jenen Monte Zebio - Monte Interrotto hielt. Als um 11 Uhr vormittags ein Infanterieangriff gegen den Nordflügel der 6. Infanteriedivision scheiterte, steigerte sich die Wucht der Beschießung zu einem Trommelfeuer, dem Massenangriffe an der ganzen Front des Korps folgten. Sie wurden abgewiesen. Doch am Nordflügel ließen sich die Verteidiger verleiten, den Weichenden nachzustoßen. Sie erlitten große Verluste und waren außerstande, Alpini zu vertreiben, die auf dem Grenzrücken, an der Anschlußstelle zur 18. Infanteriedivision, in die Stellung eindrangen. Der an sich unbedeutende Erfolg bei der Porta Lepozze wog schwer, weil die 18. Infanteriedivision nunmehr flankiert wurde.

Das trübe, regnerische Wetter des ersten Schlachttages hielt länger als eine Woche an und beeinträchtigte die Kampfwirkung. Die Italiener beschränkten sich am 11. und 12. auf vereinzelte, vergebliche Infanterieangriffe und schließ- [379] lich nur auf Artilleriefeuer. Ein am 15. zeitlich früh unternommener Versuch, die Stellung auf dem Grenzrücken zurückzugewinnen, scheiterte nach zweimaligem geglückten Sturm, infolge der überwältigenden Wirkung der feindlichen Artillerie.

Nach Aufheiterung setzte am 18., um 8 Uhr vormittags, eine heftige Beschießung ein. Namentlich die schweren Minenwerfer machten sich empfindlich fühlbar. Nach 30stündigem, auch in der Nacht fortgesetzten, Wirkungsschießen gingen die Italiener am 19. die ganze Front des III. Korps mit zahlreichen Infanteriewellen an. Unter großen Verlusten wurden sie allenthalben abgewiesen, nur beim Grenzrücken winkte ihnen abermals der Erfolg. Die arg zusammengeschossenen Verteidiger vermochten den Einbruch bedeutender Übermacht nicht zu hindern. Die Italiener drangen bis auf 500 Schritte an die Cima Dieci vor und nahmen mit einer südlich abschwenkenden Gruppe den Monte Ortigara. Der Mißerfolg sah anfänglich schlimmer aus, als sich nach geglückter Abriegelung und sichtlichem Versagen der Angriffskraft der Italiener herausstellte. Sie hatten solche Blutopfer an der ganzen Front gebracht, daß sie die geschlagene Bresche nicht auszunutzen vermochten. So verfielen sie in Untätigkeit und es mehrten sich bald die Anzeichen, daß sie ihre Absichten auf diese Front aufgegeben hatten, vielmehr zu einem neuen Versuch an anderer Stelle, im Etschtale rüsteten.

Die zur Isonzofront bestimmte und auf die böse Kunde nach Tirol abgelenkte 73. Infanteriedivision wurde deshalb gar nicht eingesetzt. Nur ihr Kommandant, Feldmarschalleutnant Ludwig Goiginger, wurde an den Nordflügel des III. Korps entsendet und mit der Wiedereroberung des verlorenen Raumes betraut. In überraschend schöner Weise lösten Kaiserschützen am frühen Morgen des 25. Juni diese schwierige Aufgabe. Wohl ermöglichte ein auf dem Grenzrücken wacker standhaltendes Maschinengewehr den Italienern, sich mehrmals in der Anschlußstelle der alten Front festzusetzen, doch vertrieb sie am 29. früh eine Kompagnie des oberösterreichischen Infanterieregiments Nr. 14 im Verein mit Sturmtruppen endgültig.

Die blutige Abweisung, die das III. Korps in schweren Kämpfen den Feinden zuteil werden ließ, wirkte in den Debatten geheimer Kammersitzungen in Rom derart nach, daß der Angriff im Etschtal, der ähnliche schwere Opfer verhieß, gänzlich unterblieb.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte