Bd. 5: Der österreichisch-ungarische
Krieg
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Kapitel 16: Die zehnte
Isonzoschlacht
Generalmajor Anton Ritter von Pitreich
Die Schlachtenpause an der Isonzofront war diesmal von ungeahnter Länge.
Über sechs Monate vergingen, bis der Feind neuerdings sein Glück
versuchte. In vielfacher Hinsicht waren während dieser langen Zeit die
Bedingungen und Verhältnisse der Kriegführung andere geworden;
während des dritten Kriegswinters hatten sich die wirtschaftlichen und
damit auch die politischen Schwierigkeiten der Monarchie in geradezu
erschreckender Weise gemehrt. Schwer lasteten die Folgen der nicht mehr zu
behebenden Versäumnisse insbesondere auch auf der in unentwegter
Hingebung und Pflichttreue tapfer standhaltenden Wehrmacht. Zu ihrer
dürftigen Gewandung, zu ihrer stets im Rückstand gebliebenen
Ausstattung war auch noch der bitterste Hunger getreten!
Über die nächsten feindlichen Absichten herrschte während
der ganzen langen Kampfpause völliges Dunkel. Man rechnete mit der
endlichen Verwirklichung der so oft angestrebten Einheitlichkeit der
Kriegführung auf Seite der Feinde. Die im Januar 1917 abgehaltene
Ententekonferenz in Rom ließ die Festlegung gemeinsamer
Angriffspläne voraussetzen. Anhaltspunkte über die Art der
Durchführung ergaben sich jedoch nicht. Jedenfalls war kaum in der
Annahme fehlzugehen, daß die Einnahme von Triest auch weiterhin das
Hauptkriegsziel des Feindes auf dem südwestlichen Kriegsschauplatz
bleiben würde. Es frug sich nur, wie und wann der Feind an die
Ausführung seines Planes schreiten werde? Schon tobte seit Wochen die
Schlacht in Frankreich; doch der ganze Monat April verging, ohne daß sich
an der italienischen Front Anzeichen einer nahe bevorstehenden Operation
zeigten. Hatte der französische Schlachtenlenker, General Nivelle, im
Februar vergeblich der italienischen Isonzofront seinen Besuch abgestattet? Wie
gedachte Italien seinen Bundespflichten nachzukommen? Offenbar war Cadorna
überzeugt gewesen, daß nach der Niederwerfung Serbiens,
Montenegros und Rumäniens, sowie Lahmlegung Rußlands Italien an
die Reihe kommen werde. So fand das Frühjahr seine Streitkräfte
annähernd gleichmäßig verteilt am Isonzo und vor der Tiroler
Ostfront, eines mächtigen Vorstoßes aus beiden Fronten gleichzeitig
gewärtig. Erst spät kam Cadorna zur Erkenntnis, daß keine
Überraschung zu befürchten sei. Nun leitete er im Rahmen des
allgemeinen Angriffsplanes der Entente [369]
Kräfteverschiebungen behufs Anhäufung einer mächtigen
Streitmacht vor dem großen Einfallstor in die Monarchie ein. So kamen die
ersten Maitage heran. Die Isonzofront bot noch immer das nun bereits die
längste Zeit zu beobachtende Bild verhältnismäßiger
Ruhe. Nichts verriet einen unmittelbar bevorstehenden Angriff. Geschickt
wußte der Feind auch diesmal seine Angriffsvorbereitungen zu
verschleiern.
Am 7. Mai begann auf einmal die gegenüber der Hochfläche von
Bainsizza in Stellung befindliche Artillerie auffallend rührig zu werden; sie
nahm insbesonders die rückwärtigen Räume und
Kommandostandorte auf der genannten Hochfläche unter recht lebhaftes
Feuer. Gleichzeitig meldete sich eine ansehnliche Zahl von
Überläufern, die übereinstimmend angaben, die Schlacht
werde demnächst mit einer Aktion im Raume
Plava - Roncina beginnen. Diese Aussagen fanden in der
Verhängung einer verschärften Grenzsperre Italiens gegen die
Schweiz eine weitere Bestätigung. Mit Vertrauen sah die 5. Armee Boroević dem zehnten Appell an das Waffenglück am Isonzo
entgegen. Das Gefühl, diesmal 215 Bataillone mit 1720
Maschinengewehren, dann 915 leichte, 347 mittlere und 68 schwere
Geschütze in wesentlich gefestigterer Stellung dem Feinde entgegenwerfen
zu können, war auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen beruhigend.
Freilich ließen die Verhältnisse auf der Hochfläche von
Bainsizza noch manches zu wünschen übrig, sowohl was die
Stärke der lebenden Kraft, als auch jene der dort befindlichen Stellungen
anbelangte. Überall an der ganzen langgestreckten Front entsprechend stark
zu sein, dazu langten die verfügbaren Mittel eben nicht; man mußte
froh sein, wenigstens am bedrohtesten Teile des Armeebereichs, dort, wo es vor
allem Triest direkt zu schützen galt, ausreichenden Widerstand leisten zu
können. Als sich am 8. Mai der Eindruck verdichtete, daß der Feind
gegen die Hochfläche von Bainsizza umfangreichere
Angriffsvorbereitungen treffe, wurde nicht länger gesäumt, im
Rahmen der Machtmittel alle Abwehrmaßnahmen auf der genannten
Hochfläche straffer zu organisieren. Zur Besetzung der bisher nur von
einigen Landsturmbataillonen bewachten, an 16 km langen Isonzostrecke
zwischen Selo und Plava hätten allerdings kaum alle verfügbaren
Armeereserven ausgereicht. Man mußte sich darauf beschränken, die
Abschnittsreserven näher heranzuziehen, die Artillerie, entsprechend den
voraussichtlichen Übergangspunkten über den Isonzo, zu gruppieren
und die Befehlsverhältnisse etwaigen Augenblicksbedürfnissen
entsprechend zu regeln.
Auffallend war die Ruhe, die noch immer an der Karstfront und sogar im
Wippachtale herrschte. Der Gedanke war naheliegend, daß die Italiener
gegen die Hochfläche von Bainsizza nur eine Nebenoperation einzuleiten
gedachten, um die Reserven des Verteidigers dort zu binden, während der
überraschende, eigentliche Hauptschlag denn doch im Süden gegen
Triest geführt werden sollte. Dies bedingte besondere Vorsicht bei der
Verschiebung der [370] verfügbaren
Reserven. Während der nächstfolgenden Tage ergaben sich keine
weiteren Anhaltspunkte zur Beurteilung der Absichten des Feindes; selbst
gegenüber der Hochfläche von Bainsizza war es wieder ruhiger
geworden.
Am 12. Mai, dem Beginn der zehnten Isonzoschlacht, änderte sich mit
einem Schlage die geradezu bereits zur Gewohnheit gewordene Lage an der Front
wesentlich. Bei Morgengrauen eröffnete der Feind von Tolmein
abwärts bis zum Meere ein äußerst heftiges Artilleriefeuer aller
Kaliber, sowohl gegen die Stellungen, wie namentlich auch gegen die
rückwärtigen Räume und Kommandostandorte. Gegen letztere
kamen besonders Gasgranaten in Anwendung. Den ganzen Tag über hielt
dieses planmäßige Wirkungsschießen an. Ein Infanterieangriff
unterblieb. Nicht einmal nennenswerte Bewegungen waren in den feindlichen
Linien wahrzunehmen. Dafür ergab aber die Flugaufklärung
wertvolle Anhaltspunkte, indem sie ausgedehnte neue Lagerplätze und
lebhaften Verkehr westlich des Isonzo, in den Tälern gegenüber der
Hochfläche von Bainsizza, feststellte, während die Meldungen
über Bewegungen hinter den übrigen Teilen der feindlichen Front
negativ lauteten. Daß ein Ansturm gegen die genannte Hochfläche
tatsächlich unmittelbar bevorstehe, war nicht mehr zu bezweifeln.
Infolgedessen wurde die bisher bei Wippach zurückgehaltene 106.
Landsturm-Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant Kratky, dorthin in Marsch
gesetzt. Am 13. Mai nahm die Artillerieschlacht ihren Fortgang. Tag und Nacht
setzte der Feind das Wirkungsschießen, namentlich gegen die
Hochfläche von Bainsizza und die angrenzenden Teile des Wippachtales,
fort. Dank der hinreichenden Munitionsvorsorgen war diesmal auch die Artillerie
des Verteidigers in bemerkenswerter Weise tätig. Das Ufergelände
nächst Roncina war das Ziel mehrfacher kräftiger
Feuerüberfälle; feindliche Minenwerfer wurden demoliert, vermutete
Ansammlungen mit Feuer bedacht. Wo Infanterie gegen die Stellung des
Verteidigers vorzufühlen versuchte, wurde sie zu rascher Umkehr
gezwungen. Aber auch an diesem Tage noch hielt sie sich im allgemeinen
zurück. Für die richtige Erkenntnis der eigentlichen Absichten des
Feindes ergaben sich noch immer keine näheren Anhaltspunkte.
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Endlich am 14. Mai kam es zum Großkampfe in breiter Front von Plava bis
zum Meere. Vom Morgengrauen an stieg das feindliche Feuer bald zu
höchster Heftigkeit. Nach mehrstündigem Trommelfeuer schritt
pünktlich um 12 Uhr mittags die Infanterie nicht nur, wie zu
erwarten war, im Raume von Plava und im Wippachtale gegen das XVII. Korps,
Feldmarschalleutnant v. Fabini, und XVI., Feldmarschalleutnant
Kraliček, zum Entscheidung suchenden Angriff, sondern
überraschenderweise auch gegen die auf der Karsthochfläche
befindlichen Korps, das VII., Feldmarschalleutnant v. Schariczer, und das
XXIII., Feldmarschalleutnant v. Schenk. Die zwei letztgenannten waren zu
einheitlicherer Kampfführung auf der Hochfläche von Comen in eine
Befehlsgruppe unter Feldzeugmeister Wurm zusammengefaßt. Vor allem
sollte wohl der Monte [371] Santo durch doppelte
Umfassung zu Fall gebracht werden. Den ganzen langen Nachmittag
stürmten immer neue Massen einerseits von Plava aus gegen das von den
tapferen 52ern rühmlichst verteidigte Bollwerk auf Höhe 383
und die von den heldenmütigen 22ern gehaltene
Zagora-Stellung, andererseits von Salcano aus gegen den vom
südsteirischen Infanterieregiment Nr. 87 besetzten Hang des Monte
S. Gabriele und den Sattel von Dol. Als der Feind um 6 Uhr
nachmittags ersteren Stützpunkt zum fünftenmal in dichten Massen
angriff, erhob sich die Besatzung aus ihren Gräben, schlug die
Wälschen mit Handgranaten in die Flucht, stieß ihnen nach und holte
sich eine erkleckliche Anzahl von Gefangenen aus den feindlichen Gräben.
Während der ganzen Nacht hielten die vergeblichen Angriffe im Raume
von Plava an. Nicht besser erging es dem Feinde im Wippachtale. Hier waren es
die bewährten Truppen der 58. Infanteriedivision, Generalmajor Zeidler,
und der westungarischen 14. Infanteriedivision, Generalmajor v. Szende,
die ihm einen üblen Empfang bereiteten. Im Bereich der ersteren Division
fanden erbitterte Kämpfe unmittelbar östlich Görz an diesem
Tage kein Ende. Südlich der Wippach war das Hauptziel des feindlichen
Angriffes die im Laufe des Winters festgefügte Front
Fajti hrib - Kostanjevica. Auch hier holte sich der Feind nur
blutige Köpfe. So war das Ergebnis dieses ersten Großkampftages
für den Verteidiger ein höchst befriedigendes: die Stellung behauptet,
der Feind überall unter schweren Verlusten zurückgeschlagen; 1600
Gefangene nebst mehreren Maschinengewehren krönten das Werk. Allseits
wurde als maßgebend für diesen schönen Erfolg das enge,
selbstlose Zusammenwirken aller Waffen und Sonderdienste des Verteidigers
rühmlichst hervorgehoben. So selbstverständlich dies in der Theorie
nachträglich erscheinen mag, so sehr verdient dieser Umstand in
Anbetracht der gewaltigen Schwierigkeiten seiner praktischen
Durchführung besonders hervorgehoben zu werden. Auch die Flieger hatten
sich an diesem Tage, trotz ihrer zahlenmäßigen Schwäche, als
vollwertige Kampftruppe bestens bewährt. Sie wurden nimmer
müde, über die zum Sturm bereitgestellten feindlichen Kolonnen
hereinzubrechen und sie kräftigst mit Bomben zu bedenken. So war die
Haltung der Truppe durchwegs höchst rühmlich; ihr allein war der
Erfolg dieses schweren Großkampftages zu verdanken, der Richtung gebend
für den Verlauf und den Ausgang der Schlacht wurde. Freilich war noch
nicht aller Tage Abend. Noch immer war größte Vorsicht in der
Verwendung der Reserven am Platze. Wo der Feind tatsächlich seinen
Hauptstoß zu führen beabsichtigte, war nach wie vor völlig
unklar. Für diesen mußte man gewappnet sein. Es handelte sich
wieder einmal um eine Nervenprobe der Führung.
Am 15. Mai ballte sich die Schlacht über dem XVII. und XVI. Korps
zusammen. Auf allen anderen Teilen der Armeefront lag Artilleriefeuer
wechselnder Stärke. Der Feind hatte die Nacht benutzt, um in breiterer
Front gegen die Hochfläche von Bainsizza wirksam werden zu
können. Er versuchte [372] einerseits eine
Forcierung des Isonzo von Ajba aus, andererseits verschob er starke Kräfte
von Salcano aufwärts im Isonzotal direkt gegen den Steilhang des Monte
Santo und den Sattel 503 nordwestlich davon. Trotz
zusammengefaßtem, gegen den Isonzo gerichtetem Abwehrfeuer war es den
Italienern unter dem Schutze der stockfinsteren Nacht gelungen, zwischen Loga
und Bodrez den Fluß zu überschreiten und auf dem linken Ufer
Fuß zu fassen. Von den rasch herangeholten Reserven des Verteidigers
wurden sie jedoch bald an jeder weiteren Ausbreitung gehindert; überdies
schoß die Artillerie die über den Isonzo geschlagene Brücke
bereits vormittags völlig zusammen. In allererbittertster Weise fanden die
am Vortage im Raume von Plava begonnenen Kämpfe ihre Fortsetzung.
Noch bot das Bollwerk auf Höhe 383 dem Feinde eisern die Stirne.
Die benachbarte Riegelstellung von Zagora konnte aber trotz aller Aufopferung
und Selbstverleugnung ihrer tapferen Besatzung dem übermächtigen
Drucke auf die Dauer nicht widerstehen; die Verteidiger mußten endlich auf
die Rückenlinie des Kuk
zurückweichen. Energisch nachdrängend, brach der Feind auch in
diese Linie ein, wurde aber im Gegenangriff wieder zurückgeworfen.
Inzwischen waren seine Bemühungen, sich von Süden aus in den
Besitz des Monte Santo zu setzen, gescheitert. Die dortigen schweren
Kämpfe endeten damit, daß die Italiener in einer Entfernung von 200
bis 300 Schritten von der Verteidigungslinie im wirksamsten
Sperrfeuerbereich am Hange liegenblieben. Durch die Einnahme von Zagora
hatten sie sich aber den Verkehr am linken Isonzoufer, zwischen Plava und
Salcano, geöffnet. Schwer wogte an diesem Tage auch der Kampf im
Wippachtale; unausgesetzt folgten einander Angriff auf Gegenangriff. Die
hervorragende Haltung der 58. Infanteriedivision, insbesondere der hart in
Mitleidenschaft gezogenen Dalmatiner Schützen Nr. 23, machte alle
Hoffnungen und Anstrengungen des Angreifers zunichte. Bis auf ganz
geringfügige Teile der ersten Linie der tiefgegliederten Stellung, in denen
der Feind nach seinem zehnten Ansturme erschöpft liegengeblieben war,
befand sich der ganze Raum in der Hand des Verteidigers. Sturmpatrouillen
fanden im Laufe der Nacht ein reiches Feld der
Betätigung - die ihnen überlassene Säuberungsaktion
gelang vollständig.
Auf der Karsthochfläche war es nur zu einem vereinzelten Angriff auf
Kostanjevica gekommen, der glatt abgeschlagen wurde. Trotz dieser am
Südflügel der Armee für den Augenblick eingetretenen
Entlastung und der allseits von den Truppen abgegebenen Beweise treuer
Pflichterfüllung war dieser Tag für die höhere Führung
einer der sorgenvollsten während der ganzen, lange anhaltenden Schlacht.
Ließen sich schon die Ereignisse beim XVII. Korps nicht sehr erbaulich an,
so wirkte noch drückender die weiterbestehende Ungewißheit
über die Absichten des Feindes. Bis zum Abend war noch keine einzige
seiner höheren Reserven im Kampfe festgestellt worden; nur die Divisionen
des ersten Treffens hatten die Last des Angriffes getragen. Dies mußte um
[373] so mehr zu denken
geben, als auch von der Tiroler Front an diesem Tage Nachrichten einer
verstärkten Frontbelastung und erhöhter Artillerietätigkeit
einliefen. Noch immer stand demnach dem Feinde ein weites Feld unbegrenzter
Möglichkeiten offen. Der Besitz des Monte Santo allein war doch ein zu
eng gestecktes Ziel für die sicherlich mit allem Kraftaufwand groß
angelegte Frühjahrsoffensive des italienischen Heeres. Mehr denn je wurde
daher dem Verteidiger das Sparen mit den ohnehin nicht sehr reichlichen
Reserven zur Pflicht.
Während der nächstfolgenden Tage und Nächte bis
einschließlich des 20. Mai blieb die Schlacht nahezu auf das Ringen um den
Monte Santo beschränkt. Alle Anstrengungen der Italiener, diesen
Schlüsselpunkt zu gewinnen, waren vergebens. Zur richtigen
Würdigung dieser schweren Kämpfe bedarf es einiger
erläuternder Worte über die Beschaffenheit des dortigen
Kampfplatzes. Die Hochfläche von Bainsizza, namentlich aber die
umschließenden Höhen, weisen im allgemeinen denselben Charakter
des Geländes auf, wie er im Süden unter dem Namen "Karst" zum
Schlagwort geworden ist - meist nackter, kahler, undurchdringlicher
Steinboden. Nur stellenweise fand sich eine dünne Humusschicht vor. Die
Hänge waren ganz kahl oder doch nur dürftig mit Gestrüpp
bewachsen. Wasserarm und schwer gangbar, waren diese bis zu 1000 m
steil aufragenden, rauhen Felshochflächen von Lom, Kal, Bainsizza und
Ternova mehr oder weniger Wüsteneien, die allein schon durch ihre
Beschaffenheit den Verteidigern die schwersten Mühen und Entbehrungen
auferlegten. Angesichts der weiten Entfernung der Eisenbahnendstationen bildete
die Versorgung der Truppe auf diesen unwirtlichen Höhen ein Problem
für sich. Nicht nur der rechtzeitige Zuschub von Kriegsmitteln, sondern
namentlich auch jener von Reserven im Augenblicke der Gefahr vollzog sich
unter den größten Schwierigkeiten. Im Vertrauen auf das Hindernis
der Isonzoschlucht vor dem größten Teile der Front, abseits der
direkten Vorrückungslinie auf Triest und Laibach, hatte man sich bisher bei
der Ausgestaltung dieses Raumes für den Großkampf auf
dürftige Improvisationen beschränkt. So war denn auch von einer
"Stellung" nach modernen Begriffen nicht im entferntesten die Rede. Dazu hatte
es stets an Mitteln, namentlich personeller Natur gefehlt. Man war über das
veraltete Liniensystem nicht viel hinausgekommen. Auf manchen Strecken fehlte
selbst ein solches. Ein zur Not verteidigungsfähiger Kampfgraben, wegen
des Felsbodens meist mit hohem Aufzug und nur stellenweise mit geringer,
mühsam dem Boden abgerungener Vertiefung; davor ein spärliches
Drahthindernis: das war alles, was dem Verteidiger Schutz bot. Gesicherte
Unterkünfte waren mit geringen Ausnahmen überhaupt fast nicht
vorhanden. Ebensowenig fanden die Truppen in der gebotenen Tiefengliederung
den notwendigen Rückhalt. Die Reserven mußten im offenen Terrain
notdürftig Schutz suchen, wo er sich eben bot. Hieraus mag ersehen
werden, welch unendliche Schwierigkeiten den Truppen auf diesem Kampfplatz
erwuchsen, [374] wie der Kampf
hin- und herwogen mußte, bis es gelang, die Lage wieder
einigermaßen zu festigen. Insbesondere der Gang der Ereignisse auf der
zum Brennpunkt der Kämpfe gewordenen Höhe 652 erscheint
erst bei Berücksichtigung der eben geschilderten Umstände im
richtigen Lichte.
Nachdem im Laufe des 16. und 17. Mai noch mit aller Erbitterung um den Besitz
des Kukrückens gekämpft worden war, mußte dieser im Laufe
der folgenden Nacht geräumt werden. Die Verteidigung wurde in die Linie
Descla - Höhenrand der dem Kukrücken
nordöstlich gegenübergelegenen
Hänge - Vodice - Höhe 652, im
Anschluß an die von dort über den Sattel 503 und den Monte
Santo verlaufende Stellung, verlegt. Der aufopferungsvollen Haltung der Truppen
gelang es, diese jeder gründlicheren Ausgestaltung entbehrende Linie allen
feindlichen Anstrengungen gegenüber zu behaupten. Schweren Herzens
hatten die Reste des tapferen Bataillons der 52er ihr so lange und zähe
behauptetes Bollwerk nächst der Plavahöhe 383 aufgeben
müssen, um sich der drohenden Gefangennahme zu entziehen. Bereits am
nächsten Vormittag, 18. Mai, versuchte der Feind die neue
Widerstandslinie zu durchbrechen. Nichts war einladender hierzu als die
Bruchstelle in der Umgebung der Höhe 652. Dorthin richteten sich
denn auch an diesem, wie an den folgenden Tagen die wütendsten Angriffe
der Italiener. Alle noch so heftigen Anstürme brachen aber an der
lebendigen Mauer der 106. Landsturm-Infanteriedivision zusammen. Ebenso
vergeblich blieben alle während dieser Tage gegen den Monte Santo selbst
gerichteten Anstürme. Neben der 57. Infanteriedivision, Generalmajor
v. Hrozny, und der 106. Landsturm-Infanteriedivision war nun auch die
bewährte 43. Schützendivision, Generalmajor Fernengel, in diesem
Raume in den Kampf getreten. Tagtäglich wiederholten sich zu
ungezählten Malen die schwersten feindlichen Massenangriffe in der etwa
5 km breiten Strecke zwischen dem Sattel von Dol und dem Raume um
Vodice. So oft der Angreifer in einzelne Teile der Kampflinie eindrang, wurde er
sofort mit Bajonett und Handgranaten wieder hinausgeworfen. Eine ungeheure
Menge schwerer Geschosse hatte er bereits über eine Woche hindurch in
diesen Angriffsraum geschleudert; es war alles vergeblich; die tapferen Truppen
ließen nicht locker.
Am 20. Mai trat insoweit eine Entspannung ein, als sich die bei Ajba auf das linke
Isonzoufer gelangten Teile des Feindes wieder auf das jenseitige Ufer
zurückzogen. Ferner war es endlich gelungen, durch Einsatz einer mit
größter Mühe in Stellung gebrachten Artilleriebrigade den
Widerstand im Raume 652 etwas zu versteifen und die schwer ringende
Infanterie einigermaßen zu entlasten. Schließlich war um diese Zeit
auch die 24. Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant v. Urbarz, zur
Verstärkung der Besatzung der
Bainsizza-Hochfläche eingetroffen, so daß der Kampf in diesem
Raume nunmehr von fünf Divisionen geführt werden konnte. Neben
dem XVII. wurde [375] das XXIV.
Korpskommando, General der Infanterie Lukas, als Befehlsstelle für den
nördlichen Teil der Hochfläche eingesetzt.
Im Wippachtale versuchte der Feind ein neues Angriffsverfahren. Er trachtete, die
Stellung ohne Artillerievorbereitung mit Infanteriemassen einfach
überraschend zu überrennen. Der geringe Abstand der beiderseitigen
Kampflinien voneinander begünstigte dieses Unterfangen, das aber dank
der Wachsamkeit des Verteidigers gänzlich fehlschlug.
So blieb im Nordteil der Isonzofront die Widerstandskraft des Verteidigers nicht
nur ungeschwächt, sondern sie hatte sich glücklicherweise wieder
etwas erhöht, als die Italiener nach einer schon wesentlich ruhiger
verlaufenen Nacht am 21. Mai überraschenderweise eine Schlachtenpause
eintreten ließen. Allenthalben herrschte die Ansicht, daß dies nur die
Ruhe vor dem eigentlichen Sturme sein könne. Nur zu bald bestätigte
sich die Richtigkeit dieser Annahme, wiewohl es auch am 22. Mai an der ganzen
Front noch halbwegs ruhig geblieben war.
Am 23. Mai entwickelte sich ein Großkampf in 40 km Breite, wie ihn die
Isonzofront bisher noch nicht kennenzulernen Gelegenheit gehabt hatte. Das war
endlich der längst erwartete, geradewegs gegen Triest gerichtete Stoß.
Nach kräftigster Artillerievorbereitung stürmten die feindlichen
Massen gegen die ganze Front von Plava bis zum Meere mit beispielloser
Hartnäckigkeit. Am nördlichen Flügel vereinigte sich die
Wucht des Angriffes wieder auf die Umgegend der blutgetränkten
Höhe 652. Dort hielten aber Söhne der Bukowina und
Ostgaliziens, die 41er und 24er, dem sich ständig wiederholenden Anprall
kräftigst stand und warfen den Feind dort, wo er dennoch stellenweise in
die Widerstandslinie einzudringen vermochte, mit ihren nahe bereitgehaltenen
Reserven im Handgemenge immer wieder zurück. Daran
anschließend, brach auf dem Monte Santo um 4 Uhr nachmittags ein
sieben Wellen tiefer Massenangriff bei den Ruinen des dortigen Klosters
über die völlig eingeebneten Hindernisse und Gräben ein. Ein
frischer Gegenstoß warf ihn mit derartiger Wucht auf seine Reserve
zurück, daß nun die ganze Masse des Feindes im stärksten
Wirkungsfeuer der Verteidigungsartillerie eilends den ganzen Steilhang herab
zum Isonzo flutete. Auch im Wippachtale holte sich der Feind in wiederholten
Anstürmen nur blutige Köpfe. Den allererbittertsten Verlauf nahm
die Schlacht auf der Karsthochfläche. Tapfer und standhaft schlug das
bewährte VII. Korps alle Angriffe ab. Namentlich bei Kostanjevica, wo der
Feind am nachhaltigsten angriff, hatten die Honveds der 41.
Honved-Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant Schamschula, wieder
Gelegenheit, sich besonders auszuzeichnen. Nicht ganz so glatt verlief die
Abwehr beim südlich anschließenden XXIII. Korps, wiewohl dem
Feinde auch dort ein durchgreifender Erfolg versagt blieb. Er drang in die Stellung
der 7. Infanteriedivision, Generalmajor v. Schmid, und 16.
Infanteriedivision, Generalmajor [376] v. Kaltenborn,
ein. Hier spielten sich bis tief in die Nacht hinein die erbittertsten Kämpfe
ab. Trotzdem konnte das Armeekommando mit den Ergebnissen dieses
Großkampftages im allgemeinen zufrieden sein; hatte er doch vor allem
endlich volle Klarheit über die feindlichen Absichten gebracht. Das
Kräftekalkül dieses Tages ergab, daß die Armeefront bereits
mit dem Angriff von 32 feindlichen Divisionen belastet war; zu einer weiteren
Überraschung konnten die Kräfte wohl nicht mehr ausreichen. Wie
wertvoll war es, daß man sich während des ersten Teiles der Schlacht
nicht hatte verleiten lassen, den Südflügel der Armee, die Richtung
Triest, zugunsten des heftig bedrohten Nordflügels von Reserven zu
entblößen! Letztere erwiesen sich an entscheidender Stelle von
ausschlaggebender Bedeutung.
Mit anerkennenswerter Hartnäckigkeit setzten die Italiener noch am 24., 25.
und 26. Mai ihre Anstrengungen, sich den Weg nach Triest zu erzwingen, fort.
Tag und Nacht wurde, besonders auf der Karsthochfläche, wütend
gekämpft und gestritten. Mußte schon die Zähigkeit, mit der
der Feind im Raume Höhe 652 - Monte Santo und auch
im Wippachtale immer wieder sein Ziel verfolgte, Staunen erregen, so waren die
Massenanstürme gegen die festgefügte Mauer auf der
Hochfläche von Comen geradezu tollkühn. Diese Massenopfer
fruchteten nichts. Das heißersehnte Bollwerk der Hermada konnte nicht zu
Fall gebracht werden. Die "Isonzoarmee", die sich diesen Ehrennamen an Stelle
der Bezeichnung "5. Armee" in diesen schweren Tagen buchstäblich blutig
errang, stand unerschüttert. Pfingstsonntag, am 27. Mai, kamen die Italiener
endlich zur besseren Einsicht, daß alle Opfer und alle Anstrengungen
vergeblich wären. Nach dem fürchterlichen Ringen der vergangenen
Woche war den Helden an der Front endlich wieder einmal etwas mehr Ruhe
beschieden. Die Gefechtstätigkeit blieb an diesem, wie an den
nächstfolgenden Tagen nur auf örtliche Kampfhandlungen an den
beiden Flügeln der Schlachtfront beschränkt. Auch diese flauten
rasch ab, bis sie am 29. Mai ganz verebbten.
Diesmal hatten aber die Italiener die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Nicht sie
sollten, wie sie es gewohnt waren, das letzte Wort in der Schlacht sprechen. Die
allgemeine Kriegslage hatte es gestattet, der schwer ringenden Isonzoarmee
inzwischen Unterstützung zukommen zu lassen. Der 24. Infanteriedivision
waren aus dem Nordosten auch noch die 35. Infanteriedivision,
Feldmarschalleutnant v. Podhoranszky, die 12. Infanteriedivision,
Generalmajor v. Puchalski, und die 21. Schützendivision,
Generalmajor Podhajsky, gefolgt, wogegen drei abgekämpfte Divisionen
dahin abgegeben werden sollten. Hierzu wurden die 7. und 16. Infanteriedivision
von der Karsthochfläche und die 62. Infanteriedivision von der
Hochfläche von Bainsizza gewählt; letztere sollte durch die 21.
Schützendivision ersetzt werden. Das Eintreffen der 35. Infanteriedivision
ermöglichte, die Lage am Südflügel der Armee durch einen die
Erschöpfung des Feindes ausnutzenden Vorstoß zu festigen. Es galt,
die [377] alte Flondarstellung
westlich der Hermada, in die der Feind während der letzten Tage
eingedrungen war, zurückzugewinnen. Am 4. Juni wurde das wohl
vorbereitete Unternehmen, nachdem während der Nacht die braven 39er die
vordere Kuppe des Fajti hrib zu Demonstrationszwecken gestürmt
und vorübergehend in Besitz genommen hatten, von Teilen der 28.
Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant v. Schneider, und der 35.
[368a]
Erbeutete Geschütze auf der Straße nach St.
Florian.
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Infanteriedivision in glänzender Weise durchgeführt. Vier
italienische Brigaden wurden vollständig aufgerieben, 7000 Mann
unverwundet als Gefangene abgeführt. Leicht war das gesteckte Ziel
erreicht worden, ansehnliche Beute den Truppen als Lohn zugefallen; schwer war
nur der Entschluß, dem Vorstoß in der wiedergewonnenen Stellung
Halt zu gebieten. Zu weiterem Vorgehen, so verlockend es auch gegen den
völlig überraschten Feind zu sein schien, fehlten leider die Mittel.
Mußte man doch darauf gefaßt sein, daß diese empfindliche
Schlappe nicht so ohne weiteres hingenommen werden würde.
Tatsächlich eilten von allen Seiten die italienischen Reserven herbei. In
fruchtlosen Gegenangriffen verbluteten sie sich im Laufe des 5. und 6. Juni und
vergrößerten die Niederlage.
Nun erst war die Schlacht tatsächlich beendet. Gewiß nicht in dem
Sinne, in welchem sie italienischerseits - getreu dem von General Nivelle
propagierten Angriffsverfahren - von langer Hand emsig vorbereitet und
mit vielen Mühen und Opfern durchgekämpft worden war. Die
Isonzoarmee hatte in diesem schweren Waffengange ihre Aufgabe wieder zu
lösen gewußt, was von ihrem
Gegenüber - bei aller Anerkennung ehrlichen soldatischen
Wollens - nicht behauptet werden kann. Der Gewinn des
Kukrückens im Norden und eines kaum nennenswerten
Geländestreifens vor der
Flondar - Versic-Stellung im Süden kann mit einer
Einbuße von weit über 200 000 Mann, eingerechnet
27 000 Gefangene, die der Angreifer in der Hand des Verteidigers
zurücklassen mußte, denn doch nicht in Einklang gebracht werden.
Mit berechtigtem Stolze durfte sich der Verteidiger seines Erfolges freuen. Etwa
35 feindliche Divisionen waren für einige Zeit ihrer Offensivkraft beraubt,
davon eine erhebliche Anzahl schwer mitgenommen. Hiermit war auch die letzte
der von der Entente mit mächtiger Kraftentfaltung in Szene gesetzten
Frühjahrsoffensiven des Jahres 1917 erledigt. Die Zeit drängte.
Empfindlichst machten sich die Wirkungen des
U-Boot-Krieges geltend. Ehestens mußten deshalb auf feindlicher Seite
neue Pläne geschmiedet und in die Tat umgesetzt werden.
1. Die Junischlacht in den Sieben
Gemeinden.
Die Entente wandte alle Hebel an, um Rußland aus seiner Untätigkeit
aufzurütteln und Rumänien zu einem Vorstoß zu
befähigen. Auch Italien sollte nicht lange müßig bleiben.
Allerdings mußten viele Wochen vergehen, ehe es einen neuen Ansturm an
der Isonzofront unternehmen konnte. Doch bot sich eine andere
Möglichkeit an der Tiroler Ostfront, zugunsten der geplanten [378] russischen und
rumänischen Offensive, schließlich auch des nächsten
Schlages am Isonzo Kräfte auf sich zu ziehen und zu binden.
Außerdem befreite das Gelingen eines solchen Stoßes die italienische
Führung vor der ständigen Drohung eines Rückenangriffes,
dessen sie sich versehen mußte, solange die 11. Armee, Feldzeugmeister
v. Scheuchenstuel, im Besitz der Hochfläche von
Verena - Campolongo war. Den Angriffsvorbereitungen der
italienischen 6. Armee hatte der jähe Wintereinbruch im Vorjahre Halt
geboten. Cadorna bedrohte den Abschnitt zwischen Suganer und Asticotal auch
weiterhin mit starker Truppenmacht und hütete sich beim Abziehen von
Kräften an die Isonzofront, diesen Frontteil zu schwächen. Der
Austausch abgekämpfter Brigaden nach der zehnten Schlacht wurde von
ihm benutzt, das XX. und XXII. Korps, die gegenüber dem
steierisch-kärntnerischen III. Korps, General v. Krautwald, standen,
noch mehr zu verstärken, so daß die Streitkraft in diesem Raume auf
10 Infanteriedivisionen mit starker Artillerie, darunter französische und
englische Batterien, anwuchs.
Das Heeresgruppenkommando Tirol, Freiherr
v. Conrad, sah voraus, daß
dem "eisernen" III. Korps schwere Tage bevorstanden und tat alles, um dieses
für den Kampf zu wappnen. Verstärkungen konnten allerdings nur in
bescheidenem Maße zu Lasten minder bedrohter Frontteile frei gemacht
werden. Hatte doch die verhältnismäßig schwache
Heeresgruppe erst kürzlich 6 Bataillone während der zehnten
Schlacht an die Isonzofront abgegeben, deren Rücksendung erst erbeten
werden mußte.
Am 9. Juni leitete eine heftige Beschießung der an das III. Korps
anstoßenden Abschnitte, im Norden 18. Infanteriedivision, Feldzeugmeister
v. Scholz, im Suganer Tal, im Süden Gruppe Oberst Vidossich hinter
der Assaschlucht, die Junischlacht in den Sieben Gemeinden ein. Am 10. legte
sich das schwere Feuer auch auf die Front des III. Korps, das mit der 6.
Infanteriedivision, Feldmarschalleutnant v. Mecenseffy, den Abschnitt des
Monte Forno, mit der 22. Schützendivision, Generalmajor Rudolf
Müller, jenen Monte Zebio - Monte Interrotto hielt. Als um
11 Uhr vormittags ein Infanterieangriff gegen den Nordflügel der 6.
Infanteriedivision scheiterte, steigerte sich die Wucht der Beschießung zu
einem Trommelfeuer, dem Massenangriffe an der ganzen Front des Korps folgten.
Sie wurden abgewiesen. Doch am Nordflügel ließen sich die
Verteidiger verleiten, den Weichenden nachzustoßen. Sie erlitten
große Verluste und waren außerstande, Alpini zu vertreiben, die auf
dem Grenzrücken, an der Anschlußstelle zur 18. Infanteriedivision, in
die Stellung eindrangen. Der an sich unbedeutende Erfolg bei der Porta Lepozze
wog schwer, weil die 18. Infanteriedivision nunmehr flankiert wurde.
Das trübe, regnerische Wetter des ersten Schlachttages hielt länger
als eine Woche an und beeinträchtigte die Kampfwirkung. Die Italiener
beschränkten sich am 11. und 12. auf vereinzelte, vergebliche
Infanterieangriffe und schließ- [379] lich nur auf
Artilleriefeuer. Ein am 15. zeitlich früh unternommener Versuch, die
Stellung auf dem Grenzrücken zurückzugewinnen, scheiterte nach
zweimaligem geglückten Sturm, infolge der überwältigenden
Wirkung der feindlichen Artillerie.
Nach Aufheiterung setzte am 18., um 8 Uhr vormittags, eine heftige
Beschießung ein. Namentlich die schweren Minenwerfer machten sich
empfindlich fühlbar. Nach 30stündigem, auch in der Nacht
fortgesetzten, Wirkungsschießen gingen die Italiener am 19. die ganze Front
des III. Korps mit zahlreichen Infanteriewellen an. Unter großen Verlusten
wurden sie allenthalben abgewiesen, nur beim Grenzrücken winkte ihnen
abermals der Erfolg. Die arg zusammengeschossenen Verteidiger vermochten den
Einbruch bedeutender Übermacht nicht zu hindern. Die Italiener drangen
bis auf 500 Schritte an die Cima Dieci vor und nahmen mit einer
südlich abschwenkenden Gruppe den Monte Ortigara. Der Mißerfolg
sah anfänglich schlimmer aus, als sich nach geglückter Abriegelung
und sichtlichem Versagen der Angriffskraft der Italiener herausstellte. Sie hatten
solche Blutopfer an der ganzen Front gebracht, daß sie die geschlagene
Bresche nicht auszunutzen vermochten. So verfielen sie in Untätigkeit und
es mehrten sich bald die Anzeichen, daß sie ihre Absichten auf diese Front
aufgegeben hatten, vielmehr zu einem neuen Versuch an anderer
Stelle, im Etschtale rüsteten.
Die zur Isonzofront bestimmte und auf die böse Kunde nach Tirol
abgelenkte 73. Infanteriedivision wurde deshalb gar nicht eingesetzt. Nur ihr
Kommandant, Feldmarschalleutnant Ludwig Goiginger, wurde an den
Nordflügel des III. Korps entsendet und mit der Wiedereroberung des
verlorenen Raumes betraut. In überraschend schöner Weise
lösten Kaiserschützen am frühen Morgen des 25. Juni diese
schwierige Aufgabe. Wohl ermöglichte ein auf dem Grenzrücken
wacker standhaltendes Maschinengewehr den Italienern, sich mehrmals in der
Anschlußstelle der alten Front festzusetzen, doch vertrieb sie am 29.
früh eine Kompagnie des oberösterreichischen Infanterieregiments
Nr. 14 im Verein mit Sturmtruppen endgültig.
Die blutige Abweisung, die das III. Korps in schweren Kämpfen den
Feinden zuteil werden ließ, wirkte in den Debatten geheimer
Kammersitzungen in Rom derart nach, daß der Angriff im Etschtal, der
ähnliche schwere Opfer verhieß, gänzlich unterblieb.
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