SucheScriptoriumBuchversandArchiv IndexSponsor


Bd. 4: Der Seekrieg - Der Krieg um die Kolonien
Die Kampfhandlungen in der Türkei
Der Gaskrieg - Der Luftkrieg

Abschnitt: Der Seekrieg

[133] Kapitel 3: Der Ostseekrieg1
Korvettenkapitän Max Bastian

1. Der Ostseekrieg im Rahmen des Gesamtseekrieges.

Karte des Ostsee-Kriegsschauplatzes.

[Beilage 3 zu Bd. 4]
     Karte des Ostsee-Kriegsschauplatzes.     [Vergrößern]
Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Ostseekrieg denjenigen maritimen Kriegsschauplatz umfaßt, über den am wenigsten geschrieben und gesprochen worden ist; er schien dem großen Geschehen des Weltkrieges gegenüber bescheiden in den Hintergrund treten zu sollen.

Man mag zunächst den Grund hierfür in der geographischen Abgeschlossenheit der Ostsee suchen; ein Blick auf das ebenfalls abgeschlossene und dabei doch stark hervortretende Schwarze Meer zeigt jedoch, daß dieser Grund nur zu einem kleinen Teil als Erklärung herangezogen werden kann.

Den Schlüssel für die Gründe des allgemeinen Zurücktretens des Ostseekriegsschauplatzes wird vielmehr ein Blick auf diejenigen Teile und Gebiete des Seekrieges an die Hand geben, die im Vordergrunde des öffentlichen Interesses gestanden haben.

An erster Stelle tritt dabei dem Volke der vielumstrittene U-Bootskrieg vor die Seele; er schien, eine ganz neue Epoche des Seekrieges heraufführend, dazu berufen zu sein, der alten Meerbeherrscherin Britannia den Dreizack aus der Hand zu schlagen und dadurch der Geschichte eine entsprechende Wendung zu geben. Der Luftkrieg mit seinen hochentwickelten lenkbaren Luftschiffen und Groß- und Riesenflugzeugen mit ihren Abwurfwaffen drückte dem Weltkrieg - gegenüber allen früheren Kriegen - insofern einen ganz besonders eigenartigen Stempel auf, als er erlaubte, den englischen Inselbewohner auf seiner heimischen Insel anzugreifen und dem englischen Wirtschaftskörper nicht nur an seinen Gliedern, sondern auch an seinem Haupte empfindliche Wunden zu schlagen. Der Kolonial- und der Kreuzerkrieg zeigten der Welt den Heldenkampf deutscher Marineteile zu Lande und zu Wasser gegen englische Übermacht draußen in anderen Erdteilen, sei es auf den verlorenen Außenposten der Kolonien, sei es auf den Kreuzern und Hilfskreuzern, die, abgeschlossen von der Heimat und ihren Stützpunkten, nicht nur der englischen, sondern auch ihren großen verbündeten Flotten zu trotzen verstanden. Und schließlich mußten der Nordsee- und Mittelmeerkrieg, der Kanonendonner vom Skagerrak und an den Dardanellen nicht nur das deutsche Volk, sondern die ganze Welt mit gespanntester Aufmerksamkeit aufhorchen lassen; lagen sich doch hier die Hauptfronten der deutschen oder [134] auf deutscher Seite kämpfenden und englischen Seestreitkräfte an entscheidender Stelle gegenüber.

All diesen erwähnten Teilen und Gebieten des Seekrieges ist die ausgesprochen scharf gegen England - und dieses hatte das deutsche Volk allmählich als seinen gefährlichsten Gegner anzusehen gelernt - gerichtete Front gemeinsam.

Die Ostsee schien infolge ihrer schwierigen Zufahrten gegen englische Angriffe verhältnismäßig gut geschützt; an dieser Auffassung vermochte auch der Einbruch einzelner englischer U-Boote nichts zu ändern. Die Ostsee galt also in der Öffentlichkeit als der einzige maritime Kriegsschauplatz, wo der Hauptgegner England nicht vertreten war. Mit dem Beteiligtsein Englands aber war das öffentliche Interesse an den maritimen Ereignissen aufs engste verknüpft. Hinzu kam noch, daß Deutschlands Gegner in der Ostsee, die russische Seemacht, nach dem Russisch-Japanischen Kriege ihren Ruf verloren hatte und als vollwertiger Gegner nicht betrachtet wurde.

Und doch, wenn auch die Bedeutung des eigentlichen Ostseekrieges im Rahmen des Gesamtseekrieges und Gesamtkrieges überhaupt in der Öffentlichkeit nicht zur Geltung gekommen ist, so ist er dennoch nicht minder als die anderen Teile des Seekrieges ein integrierender Bestandteil des gesamten Seekrieges gewesen. Auch seine erfolgreiche Führung stellte eine Bedingung dar, von deren Erfüllung eine glückliche Beendigung des gesamten Krieges abhängig bleiben mußte.


1 [1/133]Hierzu Beilage 3, "Ostseekriegsschauplatz". [Scriptorium merkt an: der Einfachheit halber von uns verkleinert oben im Text eingefügt; durch Mausclick zu vergrößern!] ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte