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Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende

Kapitel 7: Der Krieg im Osten 1917/18   (Forts.)
Oberstleutnant Hans Garcke

6. Die Eroberung von Riga und Jakobstadt.8

In den Sommerschlachten hatte es sich gezeigt, daß der Zustand des russischen Heeres schwer erschüttert war. Nochmalige deutsche Erfolge boten die Aussicht, es weiter zu zermürben und zum Zusammenbruch zu bringen. Dies mußte um so mehr das Ziel der Obersten Heeresleitung sein, als es ihr darauf ankam, möglichst bald freie Hand für den Westen zu bekommen. Da in Rumänien und in Galizien die Verhältnisse für eine erneute Offensive nicht günstig waren, wandte [316] sie sich dem nördlichen Abschnitt der Ostfront zu. Eine besonders geeignete Stelle für den Angriff bot sich bei Riga.

Der Wunsch, die Hauptstadt Livlands, den Mittelpunkt des Deutschtums in den baltischen Provinzen, zu gewinnen, hatte seit langem bestanden und war dauernd lebendig geblieben. Ein Angriffsentwurf war bereits im Jahre 1916 ausgearbeitet worden. Das Armee-Oberkommando 8 war zu der Überzeugung gekommen, daß ein frontales Zurückdrängen der Russen aus dem Brückenkopf westlich der Düna kaum zum Ziele führen würde; man hätte eine stark ausgebaute Stellung nach der andern nehmen müssen, um dann schließlich vor dem schwer zu überwindenden Stromhindernis zu stehen. Gelang es dagegen, oberhalb des Brückenkopfes über die Düna zu gehen und so den von Osten nach Riga führenden Weg zu öffnen, dann fiel nicht nur die Stadt, sondern es war auch Aussicht vorhanden, starken Teilen des Feindes den Rückzug abzuschneiden. Als geeignete Übergangsstelle war die Gegend beiderseits der Insel Borkowitz erkundet worden. Da aber der Feind - die 12. russische Armee unter Parski - der 8. Armee mit drei- bis vierfacher zahlenmäßiger Überlegenheit gegenüberstand, war die Durchführung des Unternehmens bisher nicht in Frage gekommen.

Nach der glücklichen Beendigung der galizischen Offensive wurden die zur Verstärkung erforderlichen Kräfte frei. Am 4. August erging daher der Befehl an die 8. Armee, Riga zu nehmen. Drei Generalkommandos, acht Infanterie-Divisionen, eine zusammengesetzte Kavallerie-Division sowie reichlich schwere und mittlere Artillerie und Pionier-Formationen wurden ihr dazu überwiesen. Von ihren eigenen Truppen bestimmte die Armee für die Durchführung des Angriffs über die Düna die 19. Reserve-, die 202. und die 203. Infanterie-Division; die im Küstenschutz befindliche 1. Kavallerie-Division wurde zur Mitwirkung bereitgestellt; im Angriffsraum wurden alle irgend verfügbaren Fußartillerie-Batterien und Minenwerfer-Kompagnien zusammengezogen.

Die Versammlung der Angriffstruppen vollzog sich völlig planmäßig in dem Raum um Merzendorf - Gr. Ekau - Neugut. Für den Beginn des Unternehmens wurde der 1. September bestimmt.

Am 20. August räumten die Russen den am weitesten nach Westen vorspringenden Teil ihrer Stellungen - offenbar weil sie die Gefahr erkannt hatten, die den dort stehenden Truppen bei einem erfolgreichen deutschen Angriff drohte - und gingen bis in die Gegend von Schlok zurück. Auch weiter stromaufwärts gaben sie in den nächsten Tagen verschiedene Stellungen auf dem südlichen Düna-Ufer auf; der Einfluß von Soldaten-Abgeordneten, die die dort eingesetzten Truppen aus ihrer gefährdeten Lage befreien wollten, hat dabei mitgesprochen.

Zur Täuschung des Feindes zog die 8. Armee in den Abschnitten der 4. Kavallerie- und der 2. Landwehr-Division an einzelnen Stellen eine größere Zahl von Batterien und Minenwerfern zusammen, die eine ähnliche Feuervor- [317] bereitung wie bei dem eigentlichen Angriff durchzuführen hatten. Stoßtruppunternehmungen über die Düna hinüber schlossen sich an. Auch auf den beiden Flügeln der Armee, den großen Brückenköpfen von Jakobstadt und Riga gegenüber, wurde für die dem Übergang vorangehenden Tage erhöhte Feuertätigkeit, Einschießen mit Fliegerbeobachtung usw. angeordnet.

Für die Durchführung der Hauptoperation kam es zunächst darauf an, das Übersetzen der drei vordersten Divisionen sicherzustellen, die den Brückenschlag und den Übergang der nachfolgenden Verbände zu schützen hatten. Den Befehl über sie erhielt General v. Berrer.

Die gesamte Artillerie und die Minenwerfer wurden unter den Befehl des Oberstleutnant Bruchmüller gestellt, der dem Armee-Oberkommando unmittelbar unterstand. Entsprechend den drei Divisionen erster Linie wurden drei Gruppen zur Niederkämpfung der feindlichen Stellungen gebildet. Jede dieser Gruppen arbeitete auf das engste mit der Division, in deren Abschnitt sie zu wirken hatte, zusammen. Eine Artilleriegruppe wurde zur Bekämpfung der feindlichen Batterien bestimmt, und die wenigen weittragenden Geschütze wurden zu einer Sondergruppe vereinigt.

Kurz vor dem Angriff auf Riga.
Bereitschaftsstellung deutscher Truppen
kurz vor dem Angriff auf Riga.
Aufnahme Ende August 1917.   [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 377.
Der Oberbefehlshaber der 8. Armee, General v. Hutier, begab sich zur Leitung des Angriffs bereits am 29. August nach Baldon, wo am 31. auch Prinz Leopold von Bayern eintraf. Trotz allen Bemühungen, dem Feinde die beabsichtigte Einbruchstelle geheimzuhalten, wurde sie ihm im letzten Augenblick doch noch verraten; drei Elsaß-Lothringer, die am Abend des 31. August überliefen, gaben ihm genaue Nachrichten. Aber jetzt war es für die Russen, die den Angriff westlich der Düna erwartet hatten, zu spät, um wirksame Gegenmaßnahmen zu treffen.

Fast wäre eine für die Durchführung des Unternehmens bedenkliche Verzögerung eingetreten. Die Wetterlage bot nach dem Urteil der Sachverständigen für das Gasschießen wenig günstige Aussichten. Da aber für die kommenden Tage keine Besserung, eher eine Verschlechterung zu erwarten war, auch die Witterung an Ort und Stelle in der Nacht vom 31. August zum 1. September nicht ungünstig schien, gab General v. Hutier um Mitternacht den Befehl, die bis in alle Einzelheiten getroffenen Anordnungen für die Artillerievorbereitung und den Übergang zur Ausführung zu bringen. Der Erfolg gab ihm recht.

Um 4 Uhr morgens setzte das Gasschießen ein, das sich gegen die feindlichen Batterien, Beobachtungsstellen und Truppenlager richtete; um 6 Uhr begann das Wirkungsfeuer der gesamten Artillerie, um 7 Uhr 30 Minuten das Zerstörungsfeuer der Minenwerfer. Die Gegenwirkung der Russen war gering; nur einzelne Batterien auf den Flügeln, die vorher nicht erkannt und daher in die Gaszone nicht eingezogen waren, eröffneten das Feuer und zerschossen ein paar Pontons. Bei den übrigen feindlichen Batterien verließen die Bedienungsmannschaften fast durchweg fluchtartig die Geschütze.

[318] Bevor das allgemeine Übersetzen der Infanterie begann, nahm eine Kompagnie des Landsturm-Bataillons Tilsit die Insel Borkowitz, um eine Flankenwirkung von

Mittels Ponton-Fähre werden Fahrzeuge aller Art über die Düna gesetzt.
Mittels Ponton-Fähre werden Fahrzeuge aller Art
über die Düna gesetzt.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 384.
dort auszuschalten. Die Besatzung wurde gefangen. Gleichzeitig wurde die Elster-Insel besetzt, die schon früher vom Feinde geräumt war.

Als Punkt 9 Uhr morgens das Feuer der Artillerie und der Minenwerfer von dem feindlichen Uferrand der Düna wegverlegt wurde, war bereits der größte Teil der Pontons zu Wasser gelassen und bemannt. Bald darauf war die vorderste Infanterie übergesetzt und entwickelte sich, unterstützt durch Flammenwerfer-Stoßtrupps und Flieger, zum Angriff.

Um das Übersetzen der Sicht des Feindes zu entziehen, hatte man die Flanken abgenebelt. Die russische Artillerie feuerte in den Nebel, der etwa 100 m von den Übergangsstellen entfernt war, - in der falschen Annahme, daß in ihm die Truppenbewegungen stattfänden. Verluste traten daher nur in geringem Umfange ein.

Um 10 Uhr vormittags konnte bereits mit dem Brückenschlag an den drei in Aussicht genommenen Stellen begonnen werden. 12 Uhr 30 Minuten mittags war die mittlere Brücke - zwischen der Insel Borkowitz und der Elster-Insel - fertiggestellt, 2 Uhr 30 Minuten auch die beiden anderen.

Feuer auf die russische Stellung bei Uexküll.
Minenwerfer-Zerstörungsfeuer auf die russische
Stellung bei Uexküll an der Düna südöstlich Riga.
Bei Uexküll wurde am 1. September 1917 der
Übergang über die Düna erzwungen.   [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 380.
In ununterbrochenem Vorgehen wurden die Erfolge der Durchbruchsdivisionen ausgebaut. Das für den ersten Tag gesetzte Ziel, Schaffung eines Brückenkopfes auf den Höhen des nördlichen Düna-Ufers, war bereits in den ersten Nachmittagstunden erreicht. Da jedoch der Feind in Unordnung zurückging, gab General v. Hutier den Befehl zur alsbaldigen Fortsetzung der Operationen.

Bis zum Abend erreichte von den drei Durchbruchsdivisionen die mittlere, die 14. bayerische, nach heftigen Kämpfen den Kl. Jägel zwischen Rybnik und Augstkaln; die dortigen Übergänge hielt der Feind mit starken Kräften besetzt. Rechts schloß die 19. Reserve-Division an, die mit ihrem rechten Flügel Oger Galle erreicht hatte; links stand die 2. Garde-Division bei Pelsche und südlich.

Inzwischen hatte der Übergang der rückwärtigen Divisionen über die Düna-Brücken begonnen; die ganze Nacht und den 2. September über wurde er fortgesetzt. Die für die Operationen auf dem rechten Stromufer bestimmten Kräfte waren jetzt in drei Gruppen eingeteilt: Die mittlere, unter General v. Berrer, sollte über den Kl. und Gr. Jägel nach Norden vordringen, die rechte, unter General v. Kathen, die Sicherung gegen Osten übernehmen, die linke, unter General Riemann, in nordwestlicher Richtung auf Riga vorstoßen.

Die Kämpfe des 2. September waren erheblich schwerer als die des vorhergehenden Tages. Die Russen hatten den Rückzug aus dem Rigaer Brückenkopf nach Nordosten eingeleitet; sie hatten die Gefahr erkannt, in der die noch westlich Riga stehenden Truppen schwebten, und leisteten den Truppen Berrers erbitterten Widerstand. Am Nachmittage brach nach einem Vorstoß der 1. Garde-Division die Verteidigung am Kl. Jägel zusammen. Die Verfolgung nach Norden [319] wurde sofort aufgenommen. Noch in der Nacht erreichte die 14. bayerische Division bei Gut Waldenrode den Gr. Jägel, dessen jenseitiges Ufer vom Feinde stark besetzt war. Links davon waren Teile der 42. Division in nordwestlicher Richtung vorgegangen, um dem aus Riga weichenden Feinde die Enge von Kulpe zu verlegen. Die Gruppe Kathen hatte im Laufe des Tages heftige feindliche Gegenangriffe abgewehrt; die Divisionen des General Riemann hatten sich langsam in Richtung Riga vorgearbeitet.

Bei den auf dem linken Düna-Ufer dem Rigaer Brückenkopf gegenüberliegenden Truppen war am Morgen des 2. September durch vorgesandte Patrouillen festgestellt worden, daß die feindlichen Gräben unbesetzt waren; auf der ganzen Front wurde darauf der Vormarsch angetreten. Die auf dem rechten Flügel vorgehende 1. Reserve-Division stieß nördlich Warower auf eine stark ausgebaute feindliche Stellung und bereitete den Angriff darauf für den folgenden Tag vor. Eine Abteilung der Division besetzte inzwischen die in ihrer rechten Flanke liegende Insel Dalen, um von hier aus durch Feuer in den Rücken der russischen Stellung bei Kirchholm den Angriff der auf dem linken Flügel Riemanns befindlichen 2. Garde-Division zu unterstützen. Links von der 1. Reserve-Division hatten sich unter Befehl des Generals v. Pappritz (Generalkommando 60) die 22. Landwehr- und 205. Infanterie-Division Riga genähert.

Für den kommenden Tag galt es, die Verfolgung des weichenden Feindes rücksichtslos fortzusetzen.

Bei der Gruppe Berrer gelang es der 14. bayerischen Division, im Morgengrauen den Gegner bei Waldenrode zu überrumpeln und so das nördliche Ufer des Gr. Jägel zu gewinnen. In den folgenden erbitterten Kämpfen war die Lage besonders dadurch erschwert, daß die Artillerie infolge der schlechten Wege nur langsam herankommen konnte. Trotzdem ging der Angriff bis Balin vorwärts; hier aber blieb die Division bei Einbruch der Dunkelheit dem Feinde gegenüber liegen. Die ihr unterstellte Leib-Husaren-Brigade war nach Überschreiten des Gr. Jägel nach Nordwesten vorgeschickt worden, um die Enge zwischen Weißem See und Jägel-See zu sperren, war aber schon nach wenigen Kilometern auf starken Widerstand gestoßen und nicht weiter vorgekommen. Rechts von der 14. bayerischen Division, der die 75. Reserve-Division folgte, kam im Lauf des Tages die 1. Garde-Division bis in die Gegend von Waltersal, die 20. bis Nikolaja vor; die verstärkte 1. Kavallerie-Division war auf dem rechten Flügel.

Der Gruppe Riemann setzte der Feind ebenfalls heftigen Widerstand entgegen, um den Abmarsch seiner Kolonnen nach Nordosten zu decken. Die 42. Division nahm nach schweren Kämpfen Kulpe und ging dann in nördlicher Richtung gegen den Gr. Jägel vor, um den linken Flügel der Gruppe Berrer zu unterstützen. Die Garde-Ersatz-Division stieß westlich des Sees von Kulpe vor, sperrte die Übergänge über den Unterlauf des Kl. Jägel und ging weiter in die Gegend von Bickern. Ein Regiment blieb im Vormarsch gegen die Enge [320] zwischen Jägel- und Kisch-See, wo die große Straßenbrücke abgebrannt vorgefunden wurde. Bis zum Abend wurde eine Behelfsbrücke hergestellt, über die die Infanterie noch in der Nacht auf das östliche Ufer überging, um die Enge für einen etwa zur Unterstützung der 42. Division erforderlichen Vorstoß offenzuhalten. Die auf dem linken Flügel der Gruppe Riemann vorgehende 2. Garde-Division erreichte 5 Uhr nachmittags den Ostrand von Riga und besetzte sodann die Stadt ohne Kampf.

Kolossalbrücke üer die Düna in Riga.
Kolossalbrücke üer die Düna in Riga,
welche die Russen bei ihrem Rückzuge sprengten.
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Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 378.

Notstege in der gesprengten Brücke über die Düna in Riga.
Brücke über die Düna in Riga.
Von den deutschen Truppen im Innern
der gesprengten Brücke errichtete Notstege.
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Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 381.
Im Brückenkopf hatte der Feind, der der 1. Reserve-Division bei Warower gegenüberstand, seine Stellungen am Morgen freiwillig geräumt. Die Division folgte und drang, ebenso wie die Truppen des Generals v. Pappritz, in die Mitauer Vorstadt ein. Ein weiteres Vordringen nach Osten war zunächst nicht möglich, da die Düna-Brücken von den Russen gesprengt worden waren.

In der Nacht zum 4. September wurde ein russischer Fernspruch aufgefangen, nach dem das VI. sibirische Korps auf das Nordufer der Livländischen Aa zurückging, um die überlastete Rückmarschstraße Riga - Wenden - Pskow freizumachen, dem sibirischen II. Korps aber zur Deckung des Abmarsches der Angriff nach Süden befohlen war. Aufgabe der Gruppe Berrer war es jetzt, möglichst schnell die große, von Riga nach Wenden führende Straße zu erreichen. Der 20. Division gelang es, durch umfassenden Angriff dem Feinde den Bahnhof Hinzenberg zu entreißen. Links von ihr brach die 1. Garde-Division feindlichen Widerstand, überschritt die Hinzenberger Chaussee in Gegend Neu-Grike, machte hier große Beute an Gefangenen, Geschützen und Fahrzeugen und erreichte im weiteren Vordringen nach Norden die Livländische Aa. Die links von ihr befindliche 14. bayerische Division war mit der Leib-Husaren-Brigade der Gruppe Riemann unterstellt worden, um mit der 42. Division zusammen gegen die Aa unterhalb Wangasch vorzudringen. Nach kurzem Gefecht nördlich Kussau erreichte sie den Abschnitt und sicherte im Anschluß an die 1. Garde-Division bis Ringenberg. Die 42. Division ging links von ihr, beiderseits des Großen und Kleinen Weißen Sees nach Norden vor und kam, ohne auf Widerstand zu stoßen, ebenfalls bis an die Aa heran. Das nördliche Flußufer war vom Feinde besetzt; die Brücken waren sämtlich zerstört.

Die Garde-Ersatz-Division schob Teile über den Mühlgraben nördlich Riga bis an die Küste vor, ohne einen Feind zu treffen. Sie und die 1. Garde-Infanterie-Division schieden am Abend des 4. September aus dem Verbande der Gruppe Riemann aus und wurden zum Abtransport bereitgestellt.

Das Generalkommando 60, dem jetzt auch die 1. Reserve-Division unterstellt war, hatte Befehl, bis auf weiteres auf dem westlichen Düna-Ufer zu bleiben. Dünamünde wurde von einem Regiment der 205. Division kampflos genommen.

Am brennenden Kai von Riga. September 1917.
Am brennenden Kai von Riga.
September 1917.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 379.
Die Gruppe Kathen stand zur Flankensicherung mit ihren Hauptkräften in der Linie Bersig Galle - östlich Rybnik. Brennende Dörfer und starke Detonationen zeigten, daß jetzt auch vor ihrer Front der Feind im Rückzuge begriffen [321] war, und zwar einschließlich der Truppen, die der 2. bayerischen Landwehr-Division an der Düna, westlich Friedrichstadt, gegenübergestanden hatten. Zu nennenswerten Kämpfen kam es hier nicht mehr.

Am 5. September war bei der ganzen 8. Armee die Gefechtstätigkeit nur noch gering. Die geschlagene russische 12. Armee befand sich in vollem Rückzuge.

Die Divisionen Kathens und Berrers hielten ihre erreichten Linien. Die Gruppe Riemann ging über die Livländische Aa und schob ihren linken Flügel bis in die Enge zwischen Lilast-See und Rigaer Bucht vor. Von einem weiteren Vormarsch der Armee wurde abgesehen; mit dem Ausbau der neuen Stellungen wurde begonnen. Vor der ganzen Front wurden jedoch Kavallerie- und gemischte Abteilungen weit vorgetrieben, die dem Feind die Fortsetzung der Verfolgung vortäuschten, seinen Verbleib feststellten und wertvolle Vorräte zurückführten.

Die Beute der Rigaer Operation betrug 8900 Gefangene, 262 Geschütze - darunter etwa ein Drittel schwere -, 150 Maschinengewehre, 45 Minenwerfer und zahlreiches anderes Kriegsgerät.

Nicht geglückt war das Abschneiden der feindlichen Kräfte, die westlich der Düna gestanden hatten. Die Russen hatten den Abmarsch bereits befohlen, als die vordersten deutschen Truppen kaum auf dem feindlichen Flußufer Fuß gefaßt hatten, und sie bewiesen wieder ihre Gewandtheit in der Durchführung von Rückzügen.

Ein großer Erfolg war aber doch errungen. Die der 8. Armee gestellte Aufgabe, Riga zu nehmen, war überraschend schnell gelöst worden. Die Stadt, zumal der deutsche Teil der Bewohner, war vor Plünderungen, Raub und Brandstiftung bewahrt worden, und die Oberste Heeresleitung wurde in die Lage versetzt, sofort wieder über einen Teil der eingesetzten Kräfte für anderweitige Aufgaben verfügen zu können.

Von den Russen abgebrannte Brücke über die Düna nach Jakobstadt.
Von den Russen abgebrannte Brücke über
die Düna nach Jakobstadt.      [Vergrößern]

Aus: Der Weltkrieg in seiner
rauhen Wirklichkeit
, S. 382.
Im Bereich der 8. Armee folgte nun alsbald der Angriff auf den Brückenkopf von Jakobstadt.

Überragende Höhen gestatteten hier den Russen Einblick bis tief in das Hintergelände der deutschen Stellungen. Schon seit langem bestand der Wunsch, durch Angriff eine vorteilhaftere Linienführung zu schaffen. Eingehende Vorarbeiten lagen bereits vor, doch hatte es bisher zur Durchführung stets an den erforderlichen Kräften gefehlt. Als der 8. Armee die Verstärkungen für die Rigaer Unternehmung zugeführt wurden, bat das Generalkommando 58 (General Graf Schmettow), ihm nach Beendigung der Kämpfe auf dem linken Armeeflügel vor der endgültigen Abbeförderung noch einige Truppen für den Stoß auf Jakobstadt zuzuleiten.

Die ursprünglichen Angriffspläne hatten für die Eroberung des dortigen Brückenkopfes eine Verstärkung um mehrere Divisionen vorgesehen. Nach der starken Erschütterung aber, die die Russen durch den Schlag von Riga erfahren [322] hatten, mußten für einen überraschend und entschlossen geführten Vorstoß auch schwächere Kräfte genügen. Nur die bewährte 14. bayerische Division wurde daher vom nördlichen Düna-Ufer dem Generalkommando 58 zugeführt. Zur Leitung des Artilleriekampfes wurde Oberstleutnant Bruchmüller zur Verfügung gestellt.

Als Einbruchsstelle wurde die Gegend von Roshe gewählt, als Angriffstag der 21. September bestimmt.

Nach Vergasung der feindlichen Batterien und Bearbeitung der Infanteriestellungen begann 6 Uhr 30 Minuten morgens der Sturm. Rechts drangen die 14. bayerische, links die 105. Division siegreich vor. Die Bayern nahmen mehrere feindliche Batterien in dem bewaldeten Höhengelände nordwestlich Gusten, sicherten sie gegen Osten und Südosten, wandten sich nach Norden und gewannen bereits 11 Uhr vormittags die beherrschenden Renneberger Höhen, - kurz bevor eine starke feindliche Kolonne sich ihnen näherte. Die 105. Division hatte schweren feindlichen Widerstand zu überwinden, kam aber gegen 11 Uhr vormittags bis an die Eisenbahnlinie vor. Hier zwang starkes Artilleriefeuer zum vorläufigen Halten.

Strömender Regen verwandelte die an sich schon schlechten Wege in grundlosen Morast. Das Nachziehen der Artillerie, ohne deren Unterstützung der feindliche Widerstand nicht gebrochen werden konnte, wurde dadurch in hohem Grade erschwert. Bis zum Einbruch der Dunkelheit war aber der Nordteil des Brückenkopfes unbestritten in deutscher Hand. Unter dem Schutze schweren Artilleriefeuers vom nördlichen Düna-Ufer war es allerdings dem größten Teil der 60. russischen Division gelungen, sich über den Fluß zu retten und die Brücken hinter sich abzubrennen. Die Nachhuten hatten zähen Widerstand geleistet; besonders die Artillerie, deren Geschütze teilweise von Offizieren bedient wurden, hatten hohen Opfermut bewiesen.

Die bayerische Division war nach der Fortnahme der Renneberger Höhen zum Angriff auf Jakobstadt angesetzt worden. Durch den aufgeweichten Boden im schnellen Vordringen behindert, erzwang sie nach hin und her wogenden Kämpfen gegen Abend den Übergang über den Sussei-Bach, schlug die hier sich entgegenwerfenden feindlichen Verstärkungen und drang am 22. September, 4 Uhr morgens, in Jakobstadt ein.

Auf dem rechten Flügel der Stoßgruppe schloß sich die 29. Landwehr-Brigade, auf dem linken die 4. Kavallerie-Division dem Vorgehen an. In noch nicht 24 Stunden war der ganze Brückenkopf restlos in deutschem Besitz; drei russische Divisionen waren unter schweren blutigen Verlusten geschlagen. 32 Offiziere und 4700 Mann waren gefangen, 55 Geschütze - zum Teil schwere -, eine große Anzahl von Maschinengewehren und Minenwerfern, zahlreiches Gerät und reiche Vorräte waren erbeutet. Die deutschen Verluste waren gering. Wenn es dem Gegner gelang, seine Divisionen noch rechtzeitig der völligen Vernichtung [323] zu entziehen, so lag dies vornehmlich an den durch die Regengüsse grundlos gewordenen Wegen, die die Operationen erschwerten.

Mit Gewinnen der Düna-Linie war das erstrebte Ziel erreicht; am 22. September richteten sich die Truppen in ihren neuen Stellungen ein.


8 [1/315]Hierzu Skizze 15 auf Seite 292. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte