Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende
Kapitel 5: Der deutsch-österreichische
Feldzug
in Italien (12. Isonzo-Schlacht) (Forts.)
Oberst Theodor Jochim
5. Die Kämpfe an der Piave und in den
Venetianer Alpen.
Schon in den letzten Tagen war deutlich zutage getreten, daß auf
italienischer Seite an Stelle der Verwirrung und Kopflosigkeit wieder eine feste,
zielbewußte [263] Führung Platz
gegriffen hatte. Es war den Italienern gelungen, hinter dem breiten
Piave-Lauf wieder eine feste Front zu bilden, der auf dem vortrefflichen
Eisenbahnnetz des Landes alles Notwendige schnell zugeführt werden
konnte. Cadorna hatte bereits im Frühjahr 1917, als er die Lage für
das italienische Heer wenig günstig beurteilte, die
Piave-Linie, mit dem Grappa-Massiv als Eckpfeiler im Norden, als zweite
Verteidigungslinie ins Auge gefaßt, falls für die Italiener ein
Rückschlag erfolgen sollte. Er hatte daher das
Grappa-Gebiet planmäßig mit Befestigungen und
Straßenanlagen ausbauen und die Piave- und Sile-Linie befestigen lassen.
Als nun der Rückschlag Ende Oktober tatsächlich erfolgt war,
erließ er am 29. Oktober die ersten Weisungen, wonach der rechte
Flügel der in den Dolomiten stehenden italienischen 4. Armee zusammen
mit heranzuführenden französischen Truppen, die bereits zugesichert
waren, den Abschnitt vom Grappa bis zum Montello und die italienische 3.
Armee den Piave-Abschnitt von dort bis zum Meere besetzen sollte. Am 31.
Oktober sandte er Kavallerie, Radfahrer und
Kraftwagen-Maschinengewehre an die
Piave-Übergänge voraus. Am 3. November standen dort bereits vier
Brigaden, am Tage darauf eine fünfte auf dem Montello. Durch Zuzug von
Truppen baute sich diese Widerstandslinie schnell aus, und der Verfolger erkannte
bald, daß er auf dem jenseitigen Piave-Ufer auf erbitterten Widerstand
stoßen würde, wobei noch das Gelände für den
Angreifer sehr wenig günstig war. Am 7. November schied Cadorna von
seinem Heere mit der eindringlichen Mahnung, das Vaterland auf dem Grappa, an
der Piave und auf dem Montello zu verteidigen; und diese Mahnung hatte weiten
Widerhall in der Armee. Es fanden sich in Italien die Männer, die geschickt
und zielbewußt, im engsten Zusammenwirken mit der neuen Heeresleitung
des Generals Diaz, ihr Volk und Heer aus tiefstem Zusammenbruch wieder auf die
alte Höhe führten, ihnen das im ersten Schrecken geschwundene
Selbstvertrauen wieder einflößten, die richtigen Ziele wiesen und
rücksichtslos gegen alle widerstrebenden, nicht dem vaterländischen
Interesse dienenden Elemente vorgingen. Die Hilfe der Bundesgenossen wurde
ihnen bald zuteil.
Noch steckten große Teile der italienischen Kärntner und Tiroler
Front in der rechten Flanke und im Rücken der 14. Armee im Gebirge. Das
zwang deren rechten Flügel - die Gruppe
Krauß - wieder in die Berge, um die Italiener im
Piave-Tal von Belluno und Feltre abzufangen.15 Dann sollte Krauß westlich der
Piave gemeinsam mit Feldmarschall v. Conrad
in Flanke und Rücken der italienischen
Piave-Front stoßen. Dies bedeutete aber für ihn nichts Geringeres als
die Überwindung des hohen Gebirgsstockes des Mt. Grappa
zwischen Piave und Brenta. Am 9. November erreichte das Gros der Gruppe
Krauß den Lago [264] di S. Croce im
Gebirge nördlich Vittorio. Dann ging es in das obere
Piave-Tal hinein; aber alle Brücken waren zerstört.
Infolge des Zusammenbruchs der italienischen Kärntner Front hatte nun
auch die Dolomiten-Front zwischen Kreuzberg und Rolle-Paß nachgegeben.
Jetzt strömte alles nach Süden in das Tal der oberen Piave zwischen
Langarone - Belluno - Feltre zusammen. Um den von Osten
durch das Quellgebiet des Tagliamento dorthin zurückweichenden
italienischen Resten der Kärntner Front den Rückzug zu verlegen,
hatte General Krauß schon während des Vormarsches vom
Tagliamento zur Piave auf Anordnung des Armee-Oberkommandos 14 die
deutsche Jäger-Division und die k. u. k. 22.
Schützen-Division aus dem Tal der Meduna schräg durch das
Gebirge auf Langarone angesetzt. Das an der Spitze marschierende
württembergische
Gebirgs-Bataillon16 gewann
am 8. November die befestigte Paßhöhe Forc. Clautana und
stand am 9. bei Cimolais. Am folgenden Tage schnürten beide Divisionen
das Piave-Tal bei Langarone nach Norden ab und nahmen 10 000 Italiener
gefangen. Nun ging es auf dem westlichen Ufer der Piave weiter nach
Süden. Überall wurden in den Seitentälern italienische
Kräfte abgeschnitten und gefangen. Über Belluno wurde am 12.
November Feltre erreicht. Auf dem südlichen
Piave-Ufer hatten inzwischen die übrigen Kräfte des Generals
Krauß bei Nave eine Brücke über den Fluß geschlagen
und so den Uferwechsel vollzogen. Über
sie - vorerst die einzigste Verbindung über den
Fluß - mußten zunächst alle Bewegungen und der
gesamte Nachschub aus der Italienischen Ebene geleitet werden.
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Mittlerweile hatte Feldmarschall v. Conrad am 10. November die italienischen
Stellungen im Gelände der Sieben Gemeinden mit fünf Divisionen
angegriffen und nach heißen Kämpfen Asiago genommen. Am 12.
gewann er unter Mitwirkung einer im Sugana-Tal vorgehenden Division die
dieses Tal und die Gegend von Fonzano beherrschenden hochgelegenen
Panzerwerke sowie nördlich Asiago den Mt. Langaro
(1610 m).17 Am 13. wurde der von einem
Panzerwerk gekrönte Mt. Lisser (1634 m) erstürmt, am
14. standen die Österreicher auf dem Col Tonder (1131 m),
der das Tal der Brenta bis Valstagna beherrscht. Gleichzeitig nahm die linke
Flügeldivision Primolano. Den stark ausgebauten
Meletta-Block zwischen Asiago und Primolano aber hielt der Gegner nach wie
vor mit ungebrochener Kraft.
Infolge des vorzeitigen Wegziehens von k. u. k. Divisionen aus den Fassaner
Alpen der Dolomiten-Front für den Angriff im Gebiet der Sieben
Gemeinden hatten sich die dort stehenden italienischen Kräfte ziemlich
ungestört nach dem Grappa-Gebiet zurückziehen können, wo
sie von Süden her verstärkt wurden. Cadornas Weisung war somit
befolgt, - die linke Flanke der italienischen
Piave-Front, aufs äußerst begünstigt durch das schroffe,
für den Angreifer schwer [265] zugängliche
Hochgebirge und gestützt auf von langer Hand geschaffene starke
Befestigungen, war geschlossen. Sie hatte General Krauß jetzt mit seiner
Gruppe einzudrücken, während Feldmarschall v. Conrad
durch weitere Angriffe westlich der Brenta in die Ebene durchbrechen und das
Gros der 14. sowie die beiden Isonzo-Armeen den Feind an der
Piave-Front anfassen und den Übergang an mehreren Stellen versuchen
sollten.
[265]
Skizze 13: Kämpfe in den Venetianer Alpen.
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Am 15. November nahm die Edelweiß-Division die Höhen
südöstlich Cismon (an der Brenta), die 22.
Schützen-Division den Mt. Roncone (1164 m), die 55.
Division den Mt. Peurna (1381 m), während der linke
Flügel der Gruppe Krauß im engen
Piave-Tal vorging, um den Mt. Tomba (868 m) zu nehmen. Dagegen
schlugen die am 16. an verschiedenen Stellen, so auch bei der Gruppe Stein,
unternommenen Versuche, die Piave in der Front zu überschreiten, fehl; es
wurden nirgends nennenswerte Erfolge erzielt. Ohne gründlichste
Artillerievorbereitung mit sehr reichlicher Munition ließ sich der wachsame
Verteidiger nicht niederhalten, bis der Fluß überwunden war; auch
fehlte es an Übergangsmitteln, da das Brückengerät noch
größtenteils weiter rückwärts eingebaut war. Die
gewaltigen Massen an Munition und Gerät für einen wirklich
aussichtsreichen Übergangsversuch größeren Stils angesichts
eines wachsamen und tatkräftigen, mit modernen Waffen
ausgerüsteten Gegners konnten die verfügbaren Kraftwagenkolonnen
allein nicht von dem über 150 Kilometer zurückliegenden Isonzo in
kurzer Zeit herbeischaffen. Dazu bedurfte es der Eisenbahn. Auf sie war aber
wegen der gründlichen Zerstörungen an allen Kunstbauten der
Strecke Pontebba - Gemona - Udine - Conegliano trotz
der anerkannten Tüchtigkeit der k. u. k. Eisenbahntruppen als
leistungsfähige, sichere Nachschublinie vor Wochen nicht zu rechnen.18
[266] So blieb das
Schwergewicht auf der Gruppe Krauß ruhen. Ein weiteres Vordringen im
Gebirge war geboten, schon um den Mt. Asolone (1461 m) zu
gewinnen, von dem aus die Italiener die Enge von Primolano beherrschten, durch
die der größte Teil des Nachschubes der k. u. k.
Truppen für den Angriff der Gruppe Krauß von der
Brenner-Bahn her über Trient geführt werden mußte. Die
Verhältnisse im Gebirge wurden aber für den Angreifer immer
schwieriger. Während die Italiener ihr Verteidigungssystem um den Grappa
vortrefflich durch Straßen und Befestigungsanlagen ausgebaut hatten, war
der Angreifer nur auf elende, selbst für den Fußgänger
beschwerliche Saumpfade angewiesen. Das machte besonders die Versorgung der
Artillerie und Minenwerfer mit Munition außerordentlich schwierig und
unzulänglich, ganz abgesehen davon, daß mit den leichten
Feldgeschützen nicht genügend hinter die steilen
Höhenränder und Grate gefaßt werden konnte, wo der Feind
zum Teil in Hinterhangstellungen lag, in Muße seine Munition
herbeischaffte und Truppen verschob. Zu diesen Schwierigkeiten gesellte sich nun
auch noch das dauernd schlechter werdende Wetter. Schnee und Eis machten
selbst die wenigen Saumpfade fast ungangbar und lähmten zusammen mit
Nebel und Schneestürmen die Angriffsbewegungen, die von den Italienern
in ihren überhöhenden Stellungen oft nur allzu leicht flankiert
wurden. Überdies hatte der Gegner durch das Versagen der Angriffe
über die Piave-Front Gelegenheit, Reserven nach der bedrohten Flanke im
Gebirge zu schieben und die dort ermüdeten Truppen häufig
abzulösen.
Diese großen Schwierigkeiten im Gebirge wiesen General Krauß
wiederum darauf hin, gleichzeitig kraftvoll im Piave-Tal vorzustoßen, um
womöglich dort durchzubrechen. Allein die Bereitstellung der Truppen zur
Einnahme von Quero verzögerte sich, zum Teil durch das schwere
italienische Abwehrfeuer, welches das ganze Tal von Alano bis Quero
beherrschte. Trotzdem wurden der Ort und die westlich davon liegenden
Höhen in der Nacht zum 17. November von Bosniaken der
k. u. k. 55. Division und Sturmtruppen der deutschen
Jäger-Division genommen. Die Jäger-Division löste nunmehr
die k. u. k. 55. Division ab und stürmte am 18., vom Ostufer
der Piave kräftig durch die Artillerie der Gruppen Stein und Scotti
unterstützt, unter sehr schwierigen Verhältnissen den Osthang des
Mt. Tomba, des Eckpfeilers des vom Mt. Grappa nach Osten
verlaufenden Bergrückens. Die steil aufragende Kuppe dieses Berges
(868 m) selbst aber blieb in der Hand des Feindes, der von dort alle
Bewegungen des Angreifers mit schwerem Artilleriefeuer belegte und auch nachts
mit seinen Scheinwerfern beobachtete. Der Tomba mußte also ganz
genommen [267] werden. Dazu wurde
das Alpenkorps vom Ostufer über Vas herangezogen, dessen Führer,
Generalleutnant v. Tutschek, nunmehr auch den Befehl über die
Jäger-Division übernahm, zu der später auch noch Teile der 5.
Division stießen. Am 22. November wurde der
Tomba-Gipfel gestürmt. Weiter westlich nahmen das k. u. k.
Kaiser-Schützen-Regiment 1 der 22.
Schützen-Division mit dem württembergischen
Gebirgs-Bataillon den Mt. Fontana Secca (1608 m) auf dem vom
Grappa nach Norden verlaufenden, langgestreckten Gebirgsgrat im Sturm, wobei
die Württemberger bis dicht an den zwischen dem Mt. Fontana
Secca und Mt. Tomba liegenden Mt. Spinuccia (1301 m)
vordrangen. Östlich der Brenta stieß die
Edelweiß-Division vor und gewann im schneidigen Draufgehen den
Mt. Pertica (1549 m), den nordwestlichen Pfeiler des ganzen
Massivs. Am folgenden Tage nahm die k. u. k. 94. Division den
Italienern noch Stützpunkte auf dem Col dell'Orso (1677 m) und
dem Mt. Solarolo (1672 m) auf dem vom Grappa nach dem
Mt. Fontana Secca verlaufenden Rücken ab; aber noch immer hielt
sich der Gegner auf der sogenannten Sternkuppe (Mt. Valderoa)
südlich der Fontana Secca und auf dem Mt. Spinuccia. Auch der
rechte Flügel der Gruppe Krauß am
Brenta-Tal drang, wenn auch nur Schritt für Schritt, vor. Jenseits dieses
Flusses hatte Feldmarschall v. Conrad
zur Unterstützung der
Angriffe der Gruppe Krauß am 22. November wieder die Offensive gegen
das Meletta-Massiv aufgenommen; doch wurde trotz großer Opfer nur
südlich des Mt. Lisser etwas Raum gewonnen.
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