Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende
Kapitel 4: Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz
1917 bis März 1918 (Forts.)
Generalleutnant August Fortmüller
5. Der französische Angriff auf die
Laffaux-Ecke im Oktober 1917.
Hierzu Skizze 9a
(Seite 172). [Scriptorium merkt an: zwecks Übersichtlichkeit nachfolgend
im Text eingefügt.]
Dem erfolgreichen Entlastungsschlage von Verdun zugunsten der englischen
Flandern-Offensive wollte General Pétain einen zweiten folgen lassen. Als
Ziel dafür bot sich ihm die nach Südwesten vorspringende Ecke der
deutschen Westfront bei Laffaux. Die Stellungen lagen dort auf
Hochflächen, die durch zahlreiche tief eingeschnittene und steilwandige
Schluchten zerklüftet waren und die Tiefengliederung behinderten. Das
konzentrische Feuer eines die Ecke weit umspannenden Artillerieaufmarsches
versprach überwältigende Wirkung. Der Verteidiger, mit dem Tal der
Ailette und dem Oise - Aisne-Kanal im Rücken, konnte durch
Feuer von seinen Verbindungen abgeschnitten und vernichtet werden. War die
Ecke in französischem Besitz, so konnte die
Damenweg-Stellung leicht durch Aufrollen von Westen her zum
Abbröckeln gebracht werden.
[172]
Skizze 9a: Skizze des Kampfgeländes der Doppelschlacht an der
Aisne
und in der Champagne, rechte Fronthälfte. [Vergrößern]
|
Schon Anfang September wies die sehr lebhaft betriebene Luftaufklärung
über der Ecke die Deutschen auf die ihr drohende Gefahr hin. In der
zweiten Septemberhälfte wurden französische
Angriffsvorbereitungen erkennbar, die auf einen Angriff gegen die Front
Vauxaillon - Royère-Ferme (1 km südlich
Filain) schließen ließen. Der Feind sappierte sich an vielen Stellen an
die Stellungen heran und baute sein Förderbahnnetz, seine Fliegeranlagen
und Lager aus. Am 18. September erreichte sein Störungsfeuer eine
bedeutende Stärke und wiederholte sich so in der nächsten Zeit fast
täglich. In den Schluchten und Bodenfalten südlich und
südwestlich Laffaux wurden neue Batteriestellungen festgestellt.
Am 15. Oktober, während in der Gruppe Sissonne die 113.
Infanterie-Division bei der Mühle von Vauclère (1 km
nördlich Craonnelle) um Stellungsvorteile rang, schwoll das
französische Artilleriefeuer auf den Raum zwischen Vauxaillon und der
Royère-Ferme erneut stark an und ging am 16. in ein
planmäßiges Zerstörungsschießen über. Der
Gegner war in die Vorbereitung seines Angriffs eingetreten. Am 17. September
war die Artillerieschlacht in vollem Gange. Das französische Feuer griff
zeitweise auch bis St. Gobain und nach Osten bis zum linken
Armeeflügel über. Es reichte bis weit über die Ailette in das
Hintergelände. Im Aisne-Tal zwischen Soissons und Vailly standen
schwerste Geschütze auf Eisenbahnklauen im Feuer.
[218] General v. Boehn hatte
sich trotz Abratens der Obersten Heeresleitung zur Annahme des Angriffs in dem
für die Abwehr ungünstigen Stellungsbogen entschlossen. Er
erwartete davon einen sicheren Erfolg. Das Oberkommando der Heeresgruppe
schloß sich ihm an. Bei beiden sprachen Rücksichten moralischer
Natur das gewichtigste Wort für den Entschluß. Wurde die Ecke
geräumt und die Verteidigung hinter den Kanal verlegt, so war auf die
Dauer auch die Damenweg-Stellung nicht mehr zu halten. Diese aber hatten die
Truppen in einer langen Reihe opfervoller Kämpfe erst zu einer
einigermaßen brauchbaren Dauerstellung gemacht. Nachdem man das
zugelassen und den Gedanken, die Abwehr hinter die Ailette und den Kanal zu
verlegen, damals nicht verwirklicht hatte, erschien es jetzt nicht angängig,
das Ausweichen anzuordnen. Die Truppe hätte es als eine Unsicherheit der
obersten Führung, der Feind sie als einen leichten Sieg empfunden. Unter
diesen Umständen gab die Oberste Heeresleitung, die sich in einer
Zwangslage befand, nach. Später ist General Ludendorff allerdings zu der
Einsicht gekommen, daß sie das Räumen des Bogens hätte
befehlen müssen.25
In dem von dem Angriff bedrohten Stellungsabschnitt waren bei der Gruppe
Crépy (Generalkommando VIII. Armeekorps, Generalleutnant Wichura)
die 37. und die 14. Infanterie-Division (Generalleutnant v. Kraewel)
eingesetzt. Links an sie schloß sich von der Schlucht von Allemant bis
nördlich Braye die Gruppe Vailly (Generalkommando 54, Generalleutnant
v. Müller) an, mit der 13. Infanterie-Division, 2.
Garde- (General v. Friedeburg), 5. Garde- und der 47.
Reserve-Division (General Freiherr v. Eichendorff). Verstärkungen
hatten bei der allgemeinen Lage der Westfront nur in geringem Maße
herangeführt werden können. An Fliegern und
Fliegerabwehrverbänden konnte die Oberste Heeresleitung, solange der
Kampf in Flandern noch brannte, nur wenig zur Verfügung stellen. Auch
die Heeresgruppe konnte nicht viel helfen; sie hatte ohnehin die Front vor Verdun
schon sehr schwächen müssen. Doch ließ es sich
ermöglichen, daß in den nächsten Tagen hinter die Gruppe
Crépy die 52. Infanterie-, hinter die Gruppe Vailly die 43.
Reserve- und 9. Infanterie-Division zu Eingreifszwecken gezogen werden
konnten. Es waren in den Abwehrkämpfen wohlbewährte
Führer und Truppen, die in den Stellungen und als Reserven bereit
standen.
Der 18. Oktober verlief im Großkampffeuer der beiderseitigen Artillerien.
Am 19. und 20. ließ bei dem dichten Nebel das französische Feuer
nach, um am Mittag des 20. wieder unter gewaltigem Munitionseinsatz
anzuschwellen. Die deutsche Artillerie vergaste wiederholt die feindlichen
Batteriestellungen, ohne eine nachhaltige Dämpfung ihres Feuers zu
erreichen. Die deutschen Stellungen wurden in ihrer ganzen Tiefe auf das
schwerste beschädigt; die Verluste mehrten sich, namentlich auch durch die
Vergasung, unter der der Feind stundenlang das [219] Ailette-Tal und die
Anmarschwege hielt. Am 21. Oktober morgens begann nach einer kurzen
Abschwächung das feindliche Feuer in großer Stärke und
steigerte sich am Nachmittag zu Trommelfeuer auf die Stellungen der 14., 13.
Infanterie-, der 2. und 5. Garde-Division, das bis in die Dunkelheit anhielt. In
zahlreichen Erkundungsvorstößen vergewisserte sich der Gegner, ob
die Stellungen noch besetzt seien.
Am 22. Oktober lebte das Artillerie- und Minenwerferfeuer wieder zu voller
Stärke auf. Mehrere Stunden lag Trommelfeuer beiderseits des alten Fort
Malmaison und auf dem Artilleriegelände im Walde von Pinon und
nördlich Vaudesson. Das Fernfeuer reichte bis nach Laon; sogar der
Bahnhof von Pouilly, 13 km nördlich Laon, wurde in Brand
geschossen. Eingebrachte Gefangene sagten den Angriff für den
nächsten Morgen zwischen 5 und 6 Uhr voraus; er sei zweimal um je
24 Stunden verschoben worden, weil die Vorbereitung noch nicht als
genügend angesehen sei. Sie war auch ohne das verheerend genug. Die
Gräben waren völlig eingeebnet. Nur in betonierten
Unterständen, in Steinbrüchen und Höhlen vermochten die
immer mehr zusammenschmelzenden Verteidiger die Hölle von
Granateinschlägen und Gasdunst zu überdauern. Deutsche Flieger
mußten der vordersten Infanterie über das vergaste
Ailette-Tal hinüber die notwendigste Verpflegung zubringen.
Der Tag, an dem es noch möglich gewesen wäre, die Masse der
Infanterie und Artillerie hinter den Kanal zurückzunehmen, den Feind nach
Vertun seines riesigen Aufwandes an Munition einen großen Luftstoß
machen zu lassen und ihn dabei mit Feuer und Gegenstoß zu fassen, wurde
von der deutschen Führung verpaßt. Es kam nicht zu dem
Entschluß; die Truppe hatte die letzte Kraftprobe zu bestehen.
Am Abend des 22. flaute das französische Artilleriefeuer ab, um nach
Mitternacht in überwältigender Stärke wieder einzusetzen. Am
23. Oktober früh legten die durch zahlreiche Geschützausfälle
geschwächten deutschen Batterien Vernichtungsfeuer auf die vordersten
Stellungen des Feindes und die Schluchten, aus denen das Vorbrechen seiner
Sturmtruppen erwartet werden konnte. Seine Wirkung war nur gering. Die
Sturminfanterie hatte sich in dem Trichtergelände schon dicht an die
verwüsteten deutschen Stellungen oder in sie hinein geschoben.
Am frühen Morgen brach der Sturm los. In dem trüben und
regnerischen Wetter erhoben sich die Sturmwellen auf der ganzen Linie von
Vauxaillon bis nordwestlich Braye und stürzten in das von
Geschoßrauch überlagerte Stellungsgelände vor.
Auf den äußersten Flügeln, bei der 37. Infanterie- und dem
linken Flügel der 5. Garde- und bei der 47.
Reserve-Division weisen die Deutschen den Angriff im vorderen Teil ihrer
Stellungszone ab. Im rechten Regimentsabschnitt der 14.
Infanterie-Division überrennt der Feind die ersten Schützennester,
wird aber [220] durch einen
Gegenstoß festgehalten und zurückgeworfen. Im mittleren Abschnitt
dringt er ein und schreitet dazu, mit Feuer und Handgranate die noch
übriggebliebenen Besatzungen zu überwältigen. Im linken
Regimentsabschnitt der 14. und im rechten Regimentsabschnitt der 13. Division,
die am stärksten durch das feindliche Feuer mitgenommen sind, bricht er
tief ein. In der Schlucht von Allemant findet er heftigen Widerstand durch
versteckte Maschinengewehre und die aus den Steinbruchhöhlen
kommenden Unterstützungen. In der Mitte und auf dem linken
Flügel der 13. Division halten die Verteidiger an den
rückwärtigen Widerstandsnestern den Feind fest. Bei der
Vaurains-Ferme (1½ km südlich Vaudesson), wo der
Angreifer einige Tanks einsetzte, auf der Naht zwischen der 13.
Infanterie- und der 2. Garde-Division, bricht er ebenfalls ein und wendet sich
gegen die linke Flanke der 13. Division. Andere Teile dringen längs der
Straße nach Chavignon vor, werden aber durch das Regiment Augusta (auf
dem rechten Flügel der 2. Garde-Division) aufgehalten. Die Mitte dieser
Division behauptet sich in ihren hinteren Stellungen. Auf ihrem linken
Flügel, beim Regiment Franz, dringt der Gegner ein und setzt sich in den
Besitz des Forts Malmaison. Er faßt die äußeren Kompagnien
des Regiments Elisabeth auf dem rechten Flügel der 5.
Garde-Division in Flanke und Rücken und überwältigt sie. Der
Flügel muß, um der Umfassung auszuweichen, an den Schluchthang
südwestlich Pargny zurückgehen; Mitte und linker Flügel
halten sich in ihren Hinterhangstellungen, die weniger gelitten haben, im
Handgranatenkampf.
Die Reserven der Frontdivisionen und Teile der Eingreifdivisionen stehen auf den
Hängen südlich Pinon, nördlich Vaudesson und südlich
Chavignon in den Deckungen der Artillerieschutzstellung. Sie haben beim
Heranführen in den vergangenen Nächten und im Ausharren
bedeutende blutige und Gasverluste erlitten. In dem rasenden Artilleriefeuer seit
dem Beginn des Sturmes gehen Befehlsverbindung und Zusammenhang verloren.
Sie gelangen nicht zu planmäßigem Einsatz. Nur Teile der 52.
Infanterie-Division (Generalleutnant v. Borries) vermögen zur
Unterstützung der 14. einzugreifen. Die deutschen Batterien, der
Erdbeobachtung beraubt, versuchen bei dem dunstigen und regenschweren Wetter
vergeblich, ihr Feuer auf die Einbruchsstellen zusammenzufassen. Es kommt nur
zu einer Wirkung in die Gegend des Fort Malmaison.
Während die 14. Division hart kämpfend bis nördlich
Allemant zurückgedrängt wird und die Reste der 13., in beiden
Flanken und im Rücken gefaßt, in erbitterten Nahkämpfen in
ihren Anklammerungspunkten überwältigt werden, wirft der Feind
gegen 10 Uhr seine Reserven zu einem neuen Stoß in den
Kampf.
Unter seinem Druck kommen die durch breite Einbruchslücken getrennten
Frontteile, die noch standhalten, ins Wanken. Mitte und linker Flügel der
14. Division werden auf Pinon geworfen. In breiter Front kämpft sich der
Feind nach Vaudesson vor und nimmt dort vier leichte Batterien der Division
weg. Längs der großen Straße nach Chavignon und über
Fort Malmaison [221] hinaus arbeitet er sich
vor, wird vorübergehend durch Teile des Regiments Augusta aufgehalten,
dringt aber gegen Mittag von Süden und Südosten her in Chavignon
ein. Von dort aus rollt er die deutsche Artillerieschutzstellung nach Westen auf
und bemächtigt sich einiger Batterien. Die beiderseits Vaudesson
vorgedrungene französische Infanterie kann an dem Wege
Pinon - Chavignon zum Halten gebracht werden. Versuche des
Feindes, südöstlich Chavignon gegen den Kanal
vorwärtszukommen, werden durch die zum Eingreifen kommenden
Reserven und die ausgewichenen Teile der 5. Garde-Division verhindert.
Um die Mittagszeit tritt ein Stillstand in dem Vordringen der Franzosen ein. Das
Oberkommando der 7. Armee trifft Anordnungen zu einem Gegenangriff. Die
noch nicht eingesetzten Teile der 52. Division werden der Gruppe Crépy,
die der 43. Reserve- und der 9. Infanterie-Division sowie die neu
herangeführte 6. Infanterie-Division der Gruppe Vailly zur
Verfügung gestellt. Weitere Reserven eilen auf das Schlachtfeld heran. Die
Absicht ist, südlich Pinon festzuhalten, einen Riegel um die Einbruchsstelle
von Chavignon zu legen, gegen das Dorf einen umfassenden Gegenangriff
anzusetzen und gleichzeitig die Artillerie aus dem Walde von Pinon
herauszuziehen.
Die Regelung der Befehlsverhältnisse und des Zusammenwirkens von
Infanterie und Artillerie sowie das Durchbringen der Befehle an die Truppen, die
in engster Kampffühlung mit dem Feinde standen, erforderten Zeit. Als am
Nachmittag der Gegenangriff zur Ausführung kam, waren seine
Vorbereitungen kaum überall abgeschlossen. Es gelang der Infanterie der 2.
Garde-Division und ihren Verstärkungen wohl, in das in der Tiefe liegende
Chavignon einzudringen. Die die Dorfstätte beherrschenden Höhen
konnten aber nicht genommen, am Abend mußte Chavignon vor neuen
französischen Angriffen wieder geräumt werden. Auch das
Gelände zwischen Chavignon und Vaudesson mit den dort stehenden
Batterien blieb in der Hand des Feindes.
Am Nachmittag nahm dieser die Damenweg-Stellungen nördlich Braye, wo
die 47. Reserve- und 211. und 50. Infanterie-Division eingesetzt waren, unter
starkes Artilleriefeuer. Am Abend griff er an mehreren Stellen an, wurde aber
überall abgewiesen. Offenbar handelte es sich um einen Versuch, den
Erfolg schon zum Aufrollen der Damenweg-Stellung auszunutzen.
Die Lage auf dem Schlachtfelde und die Unzulänglichkeit der deutschen
Kräfte schlossen ein Wiedergewinnen der verlorenen Stellungen aus.
General v. Boehn hatte sich deshalb schon am Nachmittag im
Einverständnis mit der Heeresgruppe entschieden, die ganze
Laffaux-Ecke südlich des Kanals aufzugeben. Am frühen Morgen
des 24. Oktober wurden die Befehle dazu gegeben. In der Nacht war es unter
unsäglichen Anstrengungen von Mann und Pferd gelungen, aus dem
versumpften und durch die schwere Beschießung ungangbar gewordenen
Walde von Pinon 24 leichte und 6 schwere Geschütze nach
rückwärts wegzuführen. Etwa 30 leichte und 24 schwere
Geschütze konnten vorläufig nicht geborgen werden.
[222] Am 24. Oktober
besetzten zwei frische Divisionen, die 6. bayerische
Reserve- (General v. Köberle) und die 6.
Infanterie-Division (General v. Mutius), die neue Stellung nördlich
des Kanals in der Linie Eizy - Chaillevois. Rechts von der ersteren
wurde in der Gruppe Crépy bei
Anizy-le Château ein neuer Divisionsabschnitt gebildet und
zunächst von der 52., der Eingreifdivision der Gruppe, besetzt. Die
Heeresgruppe befahl mittags, daß ein erneuter Großangriff
südlich des Kanals nicht mehr angenommen werden solle, selbst wenn
dadurch Teile der Artillerie verlorengingen.
Die französische Angriffskraft war stark erschöpft. Ein nach kurzer
Artillerievorbereitung am Nachmittag unternommener allgemeiner Angriff
gewann keinen Boden mehr. Die Trümmer der Stellungsdivisionen,
untermischt mit Teilen der Eingreifdivisionen, vermochten sich auf dem Bogen
Pinon - Chavignon - Pargny zu behaupten.
Unterdes hatte der Gegner seine Artillerie nachgezogen. Vom frühen
Morgen des 25. Oktober lag schweres Feuer auf den deutschen Stellungen. In der
vorhergehenden Nacht war die 14. Division an den Südrand des Waldes
von Pinon zurückgegangen, sollte diesen aber behaupten, damit die im
Walde noch stehenden Geschütze gerettet werden könnten. Am
Morgen wurde sie angegriffen und über den Kanal zurückgeworfen.
Der Pinon-Wald und die dort stehenden Geschütze, die rechtzeitig
unbrauchbar gemacht waren, gingen verloren. Auch der linke Flügel der 37.
Reserve-Division wurde auf den Kanal zurückgedrängt. Auf dem
linken Flügel hatte die 5. Garde-Division bei Filain schweres Feuer
auszuhalten. Der Feind schob aus südwestlicher Richtung starke Infanterie
vor und griff am Nachmittag an. Die Division wurde weiter auf den Kanal
zurückgedrückt, behielt aber das Südufer noch mit Teilen
besetzt. Gleichfalls am Nachmittag wichen die in der Mitte noch südlich
des Kanals fechtenden Teile der 2.
Garde- und der Eingreif- (43. Reserve-) Division vor feindlichem Druck
über den Kanal zurück. In der Nacht führten die 5.
Garde- und die links anschließenden Teile der 47.
Reserve-Division befehlsgemäß den Rückzug über den
Kanal aus. Alle Versuche des Feindes, über den Kanal
nachzudrängen, wurden abgewiesen.
Der Zustand der deutschen Divisionen nach den überstandenen
dreitägigen Kämpfen ließ sich nun übersehen. Von der
Infanterie der 13. Division waren noch vier schwache Bataillone, von der der 2.
Garde-Division zwei kampfkräftige Bataillone übriggeblieben. Auch
die übrigen Divisionen waren mehr oder weniger zerschlagen. Der 7.
Armee hatten seit dem 23. Oktober 20 schwere Batterien und vier
Heeres-Feldartillerie-Regimenter zugeführt werden müssen. 27
schwere Batterien und ein bis zwei
Heeres-Feldartillerie-Regimenter hatten so schwer gelitten, daß ihre baldige
Auffrischung nötig schien. Die Kämpfe hatten gezeigt, daß
trotz durchdachtester Organisation der Abwehr auch die besten Truppen in
Stellungen, die mit überwältigendem Feuer konzentrisch zu fassen
[223] und im Rücken
abzusperren sind, sich nicht halten können. Sie hatten aufs neue erwiesen,
daß Vorderhang- und Plateaustellungen dem Angriff eher erliegen als
Hinterhangstellungen.
Der 26. und 27. Oktober verliefen ohne Angriffe. Am 28. nahm der Feind den
Versuch wieder auf, die anschließenden Teile der
Damenweg-Stellung aufzurollen. Er griff an dem neuen Bruchpunkte der Stellung,
bei Braye, die 47. Reserve-Division an. In erbitterten Kämpfen, in die Teile
der 9. und der 3. bayerischen Infanterie-Division eingriffen, gelang es, das
drohende Unheil abzuwenden.
In der neuen Front nördlich des Kanals richteten sich die neu eingesetzten
Divisionen ein. Auf dem linken Flügel der Gruppe Crépy war neben
der 37. die 103. Infanterie-Division (General v. Auer) eingeschoben; von
Anizy-le Château bis Chevregny standen die 6. bayerische
Reserve-, die 6. Infanterie-, 5. Garde- und 47. Reserve-Division der Gruppe
Vailly. Weitere fünf, zum Teil allerdings abgekämpfte Divisionen
waren nahe hinter ihnen bereitgestellt. In der
Damenweg-Stellung schloß nördlich Braye die Gruppe Liesse mit der
211. Infanterie-Division an. So war eine neue Abwehrfront mit einem breiten, bis
in den Ailette-Grund hinabreichenden Vorfeldgürtel gebildet. Sie hielt den
Feind in achtungsvoller Entfernung. Er suchte die Deutschen durch lebhaftes
Störungsfeuer auf ihre im Ausbau begriffenen Verteidigungsanlagen zu
schädigen und wandte sich nun mit allen Kräften der schon zweimal
versuchten Aufgabe zu, die Damenweg-Stellung aufzurollen.
Sie ließ sich nach dem Verlust der Laffaux-Ecke gegen einen neuen
Großangriff nicht mehr halten. Das Oberkommando der Heeresgruppe hatte
deshalb bereits am 24. Oktober im Einvernehmen mit der Obersten Heeresleitung
geplant, sie aufzugeben und auch dort die Verteidigung auf das Nordufer der
Ailette zurückzuverlegen. Der 7. Armee wurde der Befehl erteilt, die
Bewegung vorzubereiten. Die Räumung beabsichtigte die Heeresgruppe
aber erst vorzunehmen, wenn nördlich der Ailette alle artilleristischen
Vorbereitungen für die Abwehr getroffen wären. Die Oberste
Heeresleitung wollte es aber in der ungünstigen Stellung zu keinem
Großkampf mehr kommen lassen. Sie behielt sich vor, den Befehl zur
Räumung je nach der Entwicklung der Lage zu erteilen, ordnete aber die
Rückzugsbewegung schon am 30. Oktober für die Nacht vom 1./2.
November an. Heeresgruppe und 7. Armee bereiteten den Übergang in die
neue Abwehrzone mit aller Sorgfalt vor. Drei Divisionen wurden als
Armeereserve für alle Fälle hinter dem neu zu beziehenden Abschnitt
bereitgestellt.
Am 1. November versuchten die Franzosen nach fünfstündigem
starken Zerstörungsfeuer bei Braye, wie schon am 28. Oktober, mit dem
Aufrollen der Damenweg-Stellung zu beginnen. Das zusammengefaßte
Feuer der 47. Reserve-Division und ihrer Nachbardivisionen und das
Maschinengewehr- und Gewehrfeuer der Stellungsbesatzungen brachten den
Angriff schon vor den Stellungen [224] zum Scheitern. Aber
die große Zahl von Ballonen, die hinter der französischen Front
Pargny - Hurtebise-Ferme hochstanden, und das Einschießen
auf die Höhenstellung ließen keinen Zweifel, daß mit der
baldigen Fortsetzung der Angriffe in breiter Front gerechnet werden müsse.
Mit der Rückzugsbewegung durfte nicht mehr gesäumt werden.
Nachdem in den beiden vorhergehenden Nächten der größte
Teil der Artillerie staffelweise in die vorbereiteten und vermessenen neuen
Batteriestellungen zurückgezogen war, räumte in der Nacht 1./2.
November auch die Infanterie von Braye bis Craonne den so viele Monate tapfer
verteidigten Damenweg-Rücken und setzte sich in der Höhenlinie
von Monampteuil - Monthenault - Bouconville in tiefer
Gliederung fest. Am Ailette-Bach blieben Vorposten zur Sicherung der
Vorfeldzone der neuen Abwehrstellung stehen. Patrouillenabteilungen, die in der
alten Stellung zurückgelassen wurden, hielten die Fühlung mit dem
Feinde aufrecht. Zwischen Chevreux und Corbeny wurde der Anschluß der
neuen Hauptwiderstandslinie an die des linken Armeeflügels
hergestellt.
Dem Feinde entging die Rückzugsbewegung. Er beschoß am
Vormittag des 2. November noch die alten deutschen Stellungen der Bergfront.
Erst am Mittag schien er zu bemerken, daß sie geräumt waren. Am
Nachmittag fühlte er bei Courtecon und beiderseits Cerny in dichtem Nebel
in das Ailette-Tal vor. Auf den übrigen Teilen setzte er sich am 3.
November mit Postierungen auf dem Nordabfall des Damenweges fest und nahm
in Kleinkämpfen die Fühlung mit den deutschen Vorfeldbesatzungen
auf.
Offenbar hatte Pétain das Ziel, das ihm vor Augen gestanden hatte,
erreicht und "kämpfte wieder im Angesicht der Kathedrale von Laon".26 Er hatte es, trotz dem Einsatze ganz
ungeheurer Zerstörungsmittel auf schmaler Front, immer noch mit
schweren Opfern erkaufen müssen. Aber der Erfolg ließ
niederdrückende Einflüsse bei ihm nicht aufkommen und
verhinderte, daß sich erneut Mißtrauen in die Führung
breitmachte. Doch sah diese von einer weiteren Belastungsprobe der Moral des
Heeres ab. Wie vor Verdun ging auch hier in Laonnais der Krieg wieder in den
gewöhnlichen Stellungskrieg über.
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