Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende
Kapitel 4: Die Heeresgruppe Deutscher
Kronprinz
1917 bis März 1918 (Forts.)
Generalleutnant August Fortmüller.
3. Stellungskämpfe bei der 7. und 1. Armee
im Sommer 1917.
Hierzu Skizze 9a
und 9b (Seite
172 und 173).
Auch den Sommer über blieben neben der Front vor Verdun die Abschnitte
der Aisne-Champagne-Schlacht Hauptkampffronten.
Die übrigen Abschnitte der Heeresgruppe blieben, wie im Frühjahr
1917, von großen Kämpfen frei. In den Argonnen und in der
Ost-Champagne bei der 3. Armee, wo früher so erbittert gefochten war,
sowie in der Woëvre-Ebene verlief der Stellungskrieg in den Formen der
"ruhigen Front". Schlachten wurden dort nicht geschlagen. Doch hörte
ebensowenig das zermürbende Feuer der französischen Artillerie und
Minenwerfer wie die Kleinkämpfe auf, die von den auf breiten Fronten
eingesetzten, oft an anderen Fronten stark mitgenommenen Divisionen bestritten
werden mußten.
Durch die Aisne-Champagne-Schlacht waren die 7. und 1. Armee in eine
Linienführung ihrer vordersten Stellungen gedrängt worden, die als
"Dauerstellung", d. h. zu kräfteschonender Behauptung in der Zeit
des normalen Stellungskrieges und zur Abwehr von Großangriffen, sehr
ungeeignet waren. Auf dem Damenwege hatten sie nur stellenweise den
Höhenkamm noch unbestritten in Besitz; an vielen Orten waren sie bis
dicht an dessen Nordabfall zurückgedrückt worden. Von dem
langgestreckten Höhenzug laufen nach Süden, zum [198] Aisne-Tal,
langgedehnte Höhenrücken plateauartigen Charakters aus, zwischen
denen sich vielverzweigte, tief eingeschnittene und meist mit zerschossenen
Waldbeständen bedeckte Schluchten bis nahe an die Höhenlinie des
Kammes hinaufziehen. Sie bildeten die natürlichen Ausgänge
für kleinere und größere französische Angriffe. Der
Abfall nach Norden, in das Ailette-Tal, ist kürzer und steiler, aber ebenfalls
von zahlreichen steilwandigen und durch ihre Bewachsung
unübersichtlichen Schluchten durchsetzt. Für eine Abwehrstellung,
deren Wirksamkeit vornehmlich auf einer tiefen Gliederung der Streitkräfte
beruhen und die noch ein ausgedehntes Vorfeld vor sich haben sollte, war das
kein gutes Gelände. Das tief eingeschnittene
Ailette-Tal nahe hinter der Stellung konnte der Feind mit
Brisanz- und Gasbeschuß leicht in ein Hindernis verwandeln, das
während des Kampfes die Infanterie von ihren Reserven, ihrer Artillerie
und dem Hintergelände abschloß.
Bei der 1. Armee lagen bei Nauroy - Moronvilliers die Verhältnisse
ähnlich. Den Deutschen war dort die Erdbeobachtung in das nähere
und fernere Feindgelände noch vollständiger entzogen als auf dem
Chemin des Dames, die Tiefengliederung ebenfalls recht beschränkt.
Weder auf dem einen, noch auf dem anderen Schlachtfelde bot sich die
Möglichkeit, Angriffsvorbereitungen des Feindes wirksam zu stören
und das Vorstürmen seiner Infanterie auf eine lange Strecke mit Feuer zu
fassen.
Das Oberkommando der Heeresgruppe plante deshalb, bei der 7. und 1. Armee
durch Angriff günstigere Stellungen zu gewinnen. Es beabsichtigte,
über den Damenweg in breiter Front anzugreifen, um die Aisne zu
gewinnen und sie als Fronthindernis einer neuen Dauerstellung vorzulegen. In der
Champagne sollten die Südhänge der Höhen wiedergewonnen
und das Gelände bis etwa zur Römerstraße nördlich
Prunay - Prosnes hinzuerobert werden. Da aber die Oberste
Heeresleitung auf absehbare Zeit die für derartige Unternehmen
nötigen Kräfte und Mittel nicht in Aussicht stellen konnte, so erwog
das Oberkommando, die Hauptwiderstandslinie in beiden Abschnitten nach
rückwärts zu verlegen. Statt des Damenweges sollte eine
nördlich der Ailette laufende, schon im Bau begriffene
rückwärtige Stellung gehalten werden. Östlich Reims war
dafür eine Stellung ausersehen, die größtenteils noch gebaut
werden mußte und sich von dem Berggelände von Berru (hart
östlich Reims) nördlich Beine, Nauroy und Moronvilliers entlang
nach Dontrien an der Suippes zog.
Die Vorbereitungen für diese Bewegungen sowie für ein, wenn
nötig, weiteres Ausweichen nach Norden bis in die durch die Serre und
Aisne geschützte strategische
Hunding-Brunhild-Stellung wurden in Angriff genommen. Bis zu ihrem
Abschluß sollten die bisherigen Stellungen besetzt gehalten werden. Die
Oberste Heeresleitung hatte es nicht eilig, den Befehl zur baldigen
Räumung des ungünstigeren der beiden Abschnitte, der
Damenweg-Stellung, zu geben, denn "ein Aufgeben des Höhenrandes
hätte einen französischen Erfolg bedeutet und [199] niederdrückend
auf die Truppen gewirkt, die ihn so tapfer gehalten hatten".19 Sie trat der Absicht des
Oberkommandos der Heeresgruppe und der 7. Armee bei, die "in einer Reihe
kleinerer Unternehmungen Stellungsverbesserungen vornehmen wollten, um zu
einer Linienführung zu kommen, die als Dauerstellung geeignet war".20
Diesem Bestreben, sowie dem Willen des Generals Pétain, den Kampf
nicht einschlafen zu lassen, die eigenen Stellungen zu verbessern und den
Stimmungsniedergang in der französischen Armee durch
Gewöhnung der Truppe an erfolgreiche Kleinangriffe zu überwinden,
entsprang eine sehr lebhafte Gefechtstätigkeit während des ganzen
Sommers.
Die 7. Armee zögerte nicht, ihre Absicht auszuführen. Am 1. Juni
wurden zunächst südwestlich Allemant die Franzosen aus einem
vorspringenden Stück ihrer Stellung geworfen. Je zwei Kompagnien des
Reserve-Regiments 260 (78. Reserve-Division) und des
Infanterie-Regiments 53 (50. Infanterie-Division) mit Stoßtrupps des
Sturmbataillons 7 setzten sich in den feindlichen Gräben fest, behaupteten
sie bei den nachfolgenden Gegenstößen und erbeuteten 200
Gefangene. - Weniger erfolgreich war ein am 3. Juni am Winterberg von
Teilen der 15. und 41. Infanterie-Division ausgeführtes Unternehmen, das
auch eine Stellungsverbesserung bezweckte. Es gelang nur auf den Flügeln,
in die feindlichen Gräben einzubrechen. Die Truppe hatte dann das
zusammengefaßte Feuer zahlreicher Batterien auszuhalten und wurde am
Nachmittag trotz heldenmütigem Widerstande durch einen Gegenangriff
wieder geworfen. Es wurden zwar 3 Offiziere, 170 Mann Gefangene erbeutet,
aber der Gefechtszweck nicht erreicht. - Am 5. Juni versuchte der Feind
dort sogar, die deutschen Gräben am Nordhange des Winterberges zu
nehmen, wurde aber, nachdem er eingedrungen war, in zähem
Grabenkampf wieder geworfen.
Bei der Froidmont-Ferme, nordwestlich Braye, gelang es am 4. Juni der 10.
Infanterie-Division, sich auf 1100 m Breite durch einen Angriff von
Stoßkompagnien der Regimenter 47 und 398 nach vorwärts Raum zu
schaffen und 8 Offiziere, 134 Mann Gefangene einzubringen. Am 6. Juni
konnten von Teilen des Infanterie-Regiments 32 (103.
Infanterie-Division), des Reserve-Ersatz-Regiments 4 und des
Infanterie-Regiments 359 (206. Infanterie-Division), die durch Stoßtrupps
des Sturmbataillons 7 sehr wirksam unterstützt wurden, die Franzosen aus
einem südlich Pargny vorspringenden Stellungsbogen geworfen und
über den Höhenkamm zurückgedrückt werden; sie
mußten 14 Offiziere, 480 Mann den tapferen Angreifern überlassen.
Hartnäckiger als an diesen beiden Kampfstellen traten sie einem neuen
Versuch der 78. Reserve-Division (General v. Stolzmann) entgegen, sie
nordwestlich Allemant, auf der Hochfläche östlich Vauxaillon,
zurückzudrängen. Wenn auch die Angreifer der
Reserve- [200] Regimenter 258 und
259 mit den Stoßtrupps des bewährten Sturmbataillons 7 im ersten
Anlauf die Stellung des Gegners auf 1500 m Breite wegnahmen, so legte er
hinterher so starkes Feuer auf die Einbruchsstelle, daß es seinen
Gegenangriffen am Abend und am nächsten Tage gelang, das verlorene
Gelände größtenteils wiederzugewinnen.
Nach diesen Kämpfen trat in dem ausspringenden Winkel von Vauxaillon
bis südlich Pargny Ruhe ein. Die Franzosen beschränkten sich
darauf, diesen Abschnitt die nächste Zeit hindurch konzentrisch unter so
starkem Feuer zu halten, daß das Oberkommando den Eindruck gewann, man
wolle diesen Bogen planmäßig zusammenschießen. Es war der
warnende Auftakt zu einer großen Angriffshandlung, für die der
Gegner sich jetzt noch nicht stark genug fühlte, die erst nach Monaten, im
Oktober, diesen Eckpfeiler der Damenweg-Stellung mit vernichtender Gewalt
treffen sollte.
Um so lebhafter entwickelte sich in den nächsten Monaten die
Gefechtstätigkeit auf dem Chemin des Dames von der
Royère-Ferme (südlich Filain) bis Craonne. Die Tendenz dieser
sich immer wieder erneuernden, ungemein hartnäckigen und opfervollen
Angriffe und Gegenangriffe blieb auf beiden Seiten gleich: der Deutsche, an den
Nordabfall des Höhenkammes gedrängt, strebte nach vorwärts,
um Tiefe für seine Gliederung zu gewinnen; der Franzose wollte es
verhindern und seinerseits das Ailette-Tal beherrschen.
Nordwestlich der Hurtebise-Ferme, wo die von Oulches und von Vauclère
hinaufstreichenden Schluchten den Höhenrücken auf einen schmalen
Grat einschnüren, hielten die Franzosen die nach Norden vorspringende
Bergnase besetzt. Am 16. Juni nahm sie das bayerische
Infanterie-Regiment 24 (1. bayerische Infanterie-Division) im Sturm, mußte
sie aber am 25. Juni dem Feinde, der nach starker Artillerie- und
Minenwerfervorbereitung angriff, wieder überlassen. Von einer Erneuerung
des deutschen Angriffs mußte vorläufig abgesehen werden. Er wurde
auf eine Zeit verschoben, zu der auch auf die westlich anschließenden
Stellungsteile etwas unternommen werden könnte.
Wie bei der Hurtebise-Ferme lag auch bei Cerny und auf dem westlich davon weit
nach Norden ausladenden Bovelle-Plateau die deutsche Stellung zu weit hinter
dem Höhenkamm zurück. Es mußte dort Raum nach
vorwärts gewonnen werden. Auf dem Plateau und bei Cerny war die 13.
Infanterie-, südlich Ailles die 14. Infanterie- (General v. Versen)
und westlich Cerny die 37. Infanterie-Division (General v. Müller,
später General Graf v. d. Goltz) eingesetzt. Schon am 10. Juni
hatten fünf Stoßtrupps der Regimenter 13 und 150, auf den inneren
Flügeln der 13. und 37. Division, durch einen Überfall ohne
Feuervorbereitung bei Cerny dem Feinde einen Teil seiner vordersten Stellung
entrissen und am folgenden Tage gegen seine Angriffe behauptet. Am 28. Juni
begann ein planmäßiger Angriff der 13. Division gegen das
Bovelle-Plateau. Am Abend nahmen Teile der Regimenter 13 und 15 mit
Pionieren einen 1000 m langen Stellungs- [201] abschnitt des Feindes
am Westhange des Plateaus. Am folgenden Abend eroberten Teile der Regimenter
15 und 55 seine vordersten Stellungen auf dem Plateau und dessen Ostrande. 7
Offiziere, 336 Mann wurden in diesen beiden Tagen als Gefangene
eingebracht.
Der deutsche Erfolg löste eine Reihe hartnäckiger Gegenangriffe aus.
Sie setzten am 30. Juni ein und wiederholten sich am 1., 2. und 7. Juli, ohne
daß es dem Feinde gelang, die Deutschen aus den neugewonnenen
Stellungen wieder zu vertreiben. Die Verwirrung in den Kämpfen am
Abend des 30. Juni hatte das Regiment 55 sogar dazu benutzt, auch die zwischen
dem Bovelle-Plateau und dem Wege Ailles - Paissy liegenden
französischen Gräben bis zu deren zweiter Verteidigungslinie in
Besitz zu nehmen und zu behaupten. Am 20. Juli brachen Teile des
Kampfbataillons des Regiments 13, die vor dem französischen
Artilleriefeuer nach feindwärts ausgewichen waren, aus eigenem Antriebe
in die feindliche Linie ein, überwältigten die Besatzung und kehrten
bei Tagesanbruch mit 90 Gefangenen wieder zurück. Sie hatten nur 1
Offizier, 10 Mann an Verwundeten verloren.
Der 23. Juli brachte erneute, sehr heftige Gegenangriffe am
Bovelle-Plateau. Infanterie-Regiment 55, das in den vergangenen Tagen sich
gegen dreizehn Anstürme am Osthange siegreich behauptet hatte, wies an
diesem Tage fünf feindliche Angriffe ab. Sie wiederholten sich auch am 24.
Juli wieder, ohne gegen das brave Regiment etwas ausrichten zu
können.
Auch die 37. Infanterie-Division blieb nicht müßig. Am 14. Juli
eroberte sie südlich Courtecon das feindliche Grabennetz in 1300 m
Breite, gewann die Höhe und setzte sich in 500 m Tiefe darin fest.
Am 21. Juli ergänzte sie diesen Erfolg durch Wegnahme der vordersten
feindlichen Stellung westlich Cerny.
Die 14. Infanterie-Division verlegte am 25. Juli ihre Stellungen südlich
Ailles vor. Infanterie-Regiment 57 und Teile des Regiments 56 sowie Abteilungen
des bewährten Regiments 55 der 13. Division erstürmten nach einer
kurzen, schlagartigen Feuervorbereitung in frischem Draufgehen die feindlichen
Stellungen südwestlich Ailles und drangen auf 1800 m Breite bis zu
400 m tief in sie ein. Der Erfolg des Unternehmens, das 21 Offiziere, 470
Mann an Gefangenen einbrachte, konnte am nächsten Tage durch einen
Angriff des linken Flügels der 14. Division noch erweitert und
ergänzt werden. Gegenangriffe am 27. Juli vermochten den tapferen
niederrheinischen und westfälischen Regimentern das erkämpfte
Gelände nicht wieder zu entreißen.
Von Osten und von Westen her waren nun die Franzosen auf dem
Bovelle-Plateau Schritt für Schritt zurückgedrängt worden. Es
galt noch, sie in der Mitte zu fassen und zu werfen. Die Aufgabe fiel wieder der 13.
Division zu, die sie mit gewohnter Angriffsfreudigkeit löste. Sturmtrupps
aller drei Regimenter und des Sturmbataillons 7 griffen am 31. Juli das
Grabensystem auf der Hochfläche an, nahmen es in 2 km Breite und
drangen bis zu 700 m Tiefe ein. Ein- [202] zelne Abteilungen
stießen weit über den Höhenkamm in die Schlucht von Troyon
vor und nahmen den französischen Reserven Gefangene ab. Im ganzen
erbrachte das Unternehmen über 1500 Gefangene. Der bald nach dem
Sturm einsetzende Regen behinderte zunächst die feindliche
Artillerietätigkeit. Gegen Abend lebte sie aber in großer Stärke
wieder auf und bereitete einen Gegenangriff vor, der in der Nacht losbrach. Wenn
er auch mit einer Einbeulung der von den Westfalen genommenen Linie endete,
so wurde diese doch in ihrem wesentlichen Teile gehalten. Am 1. August
erneuerten die Franzosen den Gegenangriff ohne Erfolg und am 2. August
vermochten Sturmtrupps der Division die am 31. Juli erlittene Einbeulung wieder
auszugleichen.
Eine wesentliche Verbesserung der deutschen Stellungen von Courtecon bis
südwestlich Ailles war durch die über alles Lob erhabene Tapferkeit
der drei deutschen Divisionen und ihre umsichtige Führung erkämpft
worden.
Gleichzeitig suchten andere Divisionen sich nordwestlich Braye und
südlich Filain über den Höhenkamm des Damenweges wieder
vorzuarbeiten. Am 22. Juni war von der 46.
Reserve-Division (Generalleutnant v. Wasielewski) mit Teilen der
Reserve-Regimenter 215 und 216 östlich der
Royère-Ferme (südlich Filain) der Feind in 1500 m Breite
aus seinen vorderen Gräben verdängt und ihm 280 Gefangene
abgenommen worden. Um die Höhenlinie von südlich Pargny bis zur
Froidmont-Ferme (nordwestlich Braye) sowie an der
Malval-Ferme (nordöstlich Braye) wiederzugewinnen, bereitete die Gruppe
Vailly einen einheitlichen Angriff vor. Er kam am 8. Juli zur Ausführung.
Beteiligt waren Truppen der 103. Infanterie-Division südlich Pargny und
der 46. und 47. Reserve-Division östlich davon. In einer Breite von
3½ km wurden die vorderen feindlichen Stellungen genommen und
gegen 800 Gefangene gemacht. Der Erfolg bedeutete eine wesentliche
Stellungsverbesserung. Erst am 30. Juli schritt der Gegner südlich der
Royère-Ferme zu Gegenangriffen, die es ihm bis zum 2. August
ermöglichten, dort wieder Fuß zu fassen; ein Vorteil, der ihm am 10.
August, trotz anfänglicher Erfolge, von den Stoßtrupps der 43.
Reserve-Division nicht wieder entrissen werden konnte.
[224a]
Champagneschlacht 1915 - 1918. Der "Winterberg".
|
Bei Craonne hatten die Franzosen in der großen Schlacht den Winterberg,
den östlichen Eckpfeiler der Damenweg-Stellung, gewonnen. Er hielt ihnen
das "Craonner Loch" als Ausfallpforte für den Angriff offen. Die
Unternehmung der 15. und 41. Division am 3. Juni hatte zu seiner
Schließung nicht geführt, auch ein wohlvorbereiteter Angriff der 15.
Infanterie-Division am 3. Juli nicht: die Stoßtrupps konnten sich in den
genommenen Gräben nicht behaupten. Inzwischen war die 5.
Garde-Division in die Stellungen am Winterberg eingesetzt. Sie übernahm
auch die Weiterführung dieser Aufgabe. Teile des
Garde-Grenadier-Regiments Elisabeth und des
Infanterie-Regiments 20 erstürmten am 19. Juli nach einer nur fünf
Minuten währenden Artillerie- und Minenwerfervorbereitung die
Gräben am Nordrand des Berges und setzten sich in [203] ihnen fest. Der Feind
war anscheinend völlig überrascht. Erst am Nachmittag leitete er
durch zusammengefaßtes Artilleriefeuer einen wuchtigen Gegenangriff ein,
der ihm den größten Teil der verlorenen Stellung wiederbrachte. Am
22. Juli wiederholten die Deutschen den Angriff. Die Regimenter 20 und
Elisabeth sowie Teile des Reserve-Regiments 8 (5.
Reserve-Division) gewannen erneut am Nordhang des Berges auf einer Breite von
1000 m ein Tiefengelände von mehreren hundert Metern. Sie
mußten es am 24. Juli in sehr erbitterten Kämpfen verteidigen, die
ihnen 650 Gefangene einbrachten. Auch am 25. Juli versuchte der Feind
vergeblich, das verlorene Gelände wiederzugewinnen. Die Deutschen
behaupteten sich in der ersten und zweiten Linie der Franzosen und waren nun so
weit vorgedrungen, daß sie die östlich des Berges gelegene
Ausfallpforte der Franzosen beherrschten. Das "Craonner Loch" war
geschlossen.
Im August flaute die Gefechtstätigkeit auf dem Damenweg merklich ab.
Wenn auch der Gegner fast täglich die Stellungen unter
zermürbendem Feuer hielt, wurden seine Angriffe seltener und vereinzelter.
Am 15. August faßte er nach starker Artillerievorbereitung und wirksamer
Vergasung des Ailette-Tales die Stellungen der 50. und 10.
Infanterie-Division (General v. Diepenbroick-Grüter) an, die
beiderseits Cerny und östlich bis zur Hurtebise-Ferme eingesetzt waren.
Die Angriffe brachen teils im Feuer zusammen, teils wurden sie in
hin- und herwogenden Nahkämpfen abgewiesen. Auch der 16., 26., 27. und
29. August brachten noch erfolglose Einzelangriffe gegen die 10. Division
südlich Ailles, bei Cerny und nordwestlich der
Hurtebise-Ferme. Am 31. August stießen die Franzosen abends, nachdem
sie mit Trommelfeuer vorgearbeitet hatten, mit Flammenwerfern nordwestlich der
Hurtebise-Ferme vor und erkämpften sich dort den Höhenkamm, den
sie trotz deutschen Gegenstößen der nächsten Tage
behaupteten.
Auch bei der 1. Armee führten die Sommermonate zu einer Reihe
hartnäckiger Kämpfe, wenn auch in geringerem Umfange. Sie
beschränkten sich auf die Höhen von
Nauroy - Moronvilliers der Gruppe Prosnes. Dort bestanden
für beide Gegner ähnliche taktische Notwendigkeiten, wie auf dem
Damenweg. Die Franzosen waren an den meisten Stellen bis an den Nordabfall
der beherrschenden Höhen vorgedrungen; an anderen behaupteten sich dort
noch die Deutschen. Am 18. Juni traf ein Angriff östlich des Carnillet die
13. Reserve-Division, während sie gerade durch die 231.
Infanterie-Division (General v. Hülsen) abgelöst wurde. Das
junge Regiment 443 entriß dem Feinde den größten Teil der
Gräben wieder, in die er eingedrungen war. Am 21. Juni wiederholte er den
Angriff und brach auf etwa 1 km Breite in die vorderste Stellung ein, in der
er festen Fuß faßte. Dagegen gelang es an diesem Tage
Stoßtrupps der 7. Reserve-Division am Pöhlberg, ihm Gelände
und 100 Gefangene abzunehmen. - Ein größerer
französischer Angriff setzte überraschend am 6. Juli ein. Nach
schlagartigem Feuer von äußerster Heftigkeit faßte er am
Nachmittag die Front Carnillet - Hochberg an. Der Stoß traf
die Infanterie- [204] Regimenter 443 und
444 der 231., und 74 der dort neu eingesetzten 19.
Infanterie-Division. In den hin- und herwogenden Einzelgefechten behaupteten
die Deutschen in der Hauptsache ihre Stellungen. Am 14. Juli erneuerten die
Franzosen den Angriff und griffen auch auf beiden Seiten des Pöhlberges
an. Mehr als 200 Batterien waren zu einheitlicher Vorbereitung auf die
Angriffsziele zusammengefaßt. Wenn auch die beiden Divisionen den
Ansturm zunächst im wesentlichen abschlugen, konnten sie doch nicht
verhindern, daß der Feind am Hochberg und östlich des
Pöhlberges Geländevorteile gewann. Die am Hochberg erlangten
nahm ihm am 25. Juli die nun dort eingesetzte 187.
Infanterie-Division (Generalleutnant Sunkel) wieder ab und behauptete sie am 27.
gegen einen neuen Angriff. Am 10. August errang auch am Carnillet das
Reserve-Regiment 87 (21. Reserve-Division) wieder eine kleine Verbesserung
seiner Stellung, die es am 12. August bei einem Gegenangriff siegreich
verteidigte.
In den übrigen Abschnitten der 1. Armee herrschte während des
Sommers keine Gefechtstätigkeit von Bedeutung. Die Gegner lagen sich in
den Stellungen gegenüber, die ihnen der Ausgang der Schlacht gebracht
hatte. Nur bei Sapigneul gewann die 243. Infanterie-Division (General
v. Schippert) am 6. August durch ein glückliches
Stoßtruppunternehmen die im April verlorengegangenen Stellungen
wieder.
Im September hörten bei der 7. und 1. Armee die Kämpfe, abgesehen
von kleinen Patrouillenstreifen und dem täglichen Artilleriefeuer, ganz auf.
Es war eine Art von Gleichgewichtslage eingetreten.
In den vielen, mit ermüdender Gleichmäßigkeit sich
wiederholenden Kämpfen, in Angriff und Abwehr, unter Aufwand von viel
herzerfrischender Angriffsfreudigkeit und zäher Ausdauer, hatten die
Divisionen der 7. Armee auf dem Damenweg unzweifelhaft ihre Kampfstellungen
verbessert. An den meisten Stellen war der Höhenkamm wiedergewonnen,
mehr Raum für die notwendige Tiefengliederung und bessere Beobachtung
erreicht. Als Ganzes betrachtet war aber damit die Höhenstellung nicht
wesentlich besser für die Abwehr im Großkampf geworden. Ihre
schon erwähnten schwerwiegenden Mängel ließen sich durch
die immerhin nur geringfügigen Vorverlegungen der vordersten
Gräben nicht beseitigen. Ihre Behauptung in den Zeiten des
gewöhnlichen Stellungskrieges, "zwischen den Schlachten", erforderte
dauernd hohe Opfer und zehrte am Mark der Truppen. Mitte Juni betrug bei der 7.
Armee der Abgang an Toten und Verwundeten durchschnittlich 500 Mann
täglich. In den folgenden Monaten wird diese Zahl kaum geringer gewesen
sein.
Die Franzosen hatten Anfang Juli die moralische Krise nach der großen
Schlacht größtenteils überwunden. Die Führung hatte
sich durch die kleinen, mit gewaltigem Materialaufwand vorbereiteten und oft
erfolgreichen Angriffe die eine Zeitlang in ihrem Selbstvertrauen wankend
gewesene Truppe wieder in die Hand gespielt. Wenn Anfang Juli das
Oberkommando der Heeresgruppe [205] Deutscher Kronprinz
empfahl, dauernd auf den Feind zu hämmern, weil seine Moral
erschüttert sei, so traf diese Voraussetzung damals bereits nicht mehr zu.
Die Franzosen fühlten sich wieder stark genug, um den in den
Flandernschlachten eintretenden Engländern mit größeren
Schlägen zu sekundieren. General Pétain nahm sich Zeit mit seinen
Vorbereitungen. An Gründlichkeit und machtvoller Entfaltung von
Zerstörungsmitteln wollte er es nicht fehlen lassen, um sich den Erfolg zu
sichern. Anfang September deutete das Auftreten großer
Beobachtungsflugzeuge über dem Stellungsbogen nordöstlich
Laffaux den Deutschen an, wohin er hier, an der Aisne, den Stoß richten
würde. Aber schon vorher hatte er es unternommen, die bereits gelockerte
Umklammerung, in der die Deutschen Verdun hielten, mit einem großen
Schlage weiter zu lösen.
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