Bd. 2: Der deutsche Landkrieg, Zweiter Teil:
Vom Frühjahr 1915 bis zum Winter 1916/1917
Kapitel 9: Der Feldzug gegen
Rumänien (Forts.)
Oberst Rudolf Frantz
4. Die Siegeszug der 9. Armee durch
Siebenbürgen.
Die Streitkräfte, aus denen sich unter dem Befehl des bisherigen Chefs des
Generalstabes des Feldheeres, Generals v. Falkenhayn,
die neue 9. deutsche Armee zusammensetzen sollte, waren die bei Orsova stehende
österreichische 145.
Landsturm-Brigade, die im Becken von Petroseny unter dem Befehl des
deutschen [595] Generals Sunkel
fechtende österreichische 144.
Landsturm-Brigade, die 187. Infanterie-Division, zum größten Teile
bei Petroseny eingesetzt, zum kleineren am Gebirge südwestlich
Hermannstadt, das Alpenkorps, mit einem Drittel seiner Kräfte ebenfalls
dem General Sunkel unterstellt, mit seiner Masse bei Mühlbach in der
Versammlung begriffen, die bei Hermannstadt stehende 51.
Honved-Division, die unter dem Befehl des Generals Grafen Schmettow
östlich Hermannstadt sichernden, als 3.
Kavallerie-Division bezeichneten drei deutschen
Reiter-Regimenter und die ungarische 1.
Kavallerie-Division, endlich das Generalkommando des XXXIX. Reservekorps.
Dazu sollte noch die im Antransport befindliche 76.
Reserve-Division treten. Die weiter nördlich, mit der Front im allgemeinen
nach Osten stehenden Streitkräfte verblieben als
österreichisch-ungarische 1. Armee unter dem Befehl des Generals Arz v.
Straußenburg.
Es war ein schwaches, auf weitem Raume verteiltes Häuflein, mit dem
General v. Falkenhayn die Offensive gegen den in
Süd-Siebenbürgen eingedrungenen Feind führen sollte.
Daß nur eine Offensive in Frage käme, darüber war sich der
Oberbefehlshaber klar; zu einer defensiven Abwehr des überlegenen
Feindes auf der 400 km langen Siebenbürgener Front vermochten die
Mittelmächte bei der gespannten Lage in Frankreich, Galizien und Italien
keinesfalls die Kräfte aufzubringen. Es kam also nur in Frage, die einzelnen
Gruppen des Feindes im Angriff zu schlagen, ehe sie sich vereinigen konnten.
Nach dem Aufmarsch der
deutsch-österreichisch-ungarischen Kräfte und der Gesamtlage war
der erste Schlag von Westen her gegen die Hermannstädter Gruppe des
Feindes zu führen. Das waren die Gedankengänge, in denen schon
während der langen Eisenbahnfahrt vollste Einmütigkeit zwischen
dem Oberbefehlshaber und seinen operativen Beratern geherrscht hatte.
Den ersten Tag nach seiner Ankunft im neuen Tätigkeitsgebiet, den 18.
September, benutzte General v. Falkenhayn, um sich persönlich bei
General v. Staabs in Karlsburg und General Sunkel in Puj über die
Lage zu unterrichten. Auf dem Wege nach Karlsburg erteilte er in Alvincz dem
Führer des Alpenkorps, General Krafft v. Dellmensingen, die Weisung, sich
mit seiner Truppe beschleunigt für den Gebirgskrieg marschbereit zu
machen und baldigst das Cibiner Gebirge auf seine Wegsamkeit erkunden zu
lassen. Die Generale v. Staabs und Sunkel fand der Oberbefehlshaber voller
Zuversicht und Stolz auf die bisherigen Leistungen ihrer Truppen. Der
Gesamteindruck, den er gewann, war der, daß im Becken von Petroseny die
Ereignisse den gewünschten Verlauf nahmen und man mit einer baldigen
Inbesitznahme der Pässe rechnen konnte; auch bei Hermannstadt schien die
Lage gesichert, ein weiteres Vorgehen der dort stehenden Teile der
rumänischen 1. Armee nicht zu befürchten; dagegen stand die
rumänische 2. Armee in der Gegend von Fogaras in bedrohlicher
Nähe und sie überflügelte die 9. Armee nach Norden. Sollte
der Schlag gegen die Hermannstädter Gruppe also gelingen, so
müßte er rasch erfolgen, um so mehr, als man mit einem [596] Halten der
österreichischen 1. Armee gegenüber dem rechten Flügel der
2. rumänischen und der
Nord-Armee nicht unbedingt rechnen konnte. Dem Wunsche aber, bald zum
Angriff zu schreiten, stellte sich die Tatsache entgegen, daß die Truppen
noch nicht versammelt waren. Noch fehlte die 76.
Reserve-Division; und auf sie konnte man ebensowenig verzichten, wie auf das
Heranziehen der Masse der 187.
Infanterie-Division, die noch bei Petroseny im Kampfe stand, denn auch nach
Eintreffen dieser beiden Verbände blieb der Hermannstädter Feind
immer noch in der Überlegenheit.
Trotz der Überlegenheit des Feindes erforderte aber die Lage, seine
Vernichtung anzustreben, damit alsdann die Offensive weiter nach Osten getragen
werden konnte. Die erste Absicht des Generals v. Falkenhayn ging dahin,
durch beiderseitige Umfassung von Westen und Osten her längs des
Gebirgsfußes und durch die Gebirgshänge das erstrebte Ziel zu
erreichen. Am 19. September abends kamen jedoch bereits Bedenken gegen
diesen Plan. Die Erkundungen ergaben, daß die Nordhänge des
Cibiner und Fogaraser Gebirges so unwegsam waren, daß eine Umfassung
kaum wirksam werden konnte; ferner hatte sich nach den Meldungen der
Kavallerie des Grafen Schmettow die 2. rumänische Armee zwischen Alt
und Gebirgsfuß nach Westen in Bewegung gesetzt; sie mußte also
einer dort zur Umfassung angesetzten Truppe in den Rücken kommen.
Dagegen meldete General Krafft v. Dellmensingen, daß es seinem
berggewohnten Alpenkorps wohl möglich sei, unter Zurücklassung
aller Fahrzeuge den Kamm des Cibiner Gebirges zu ersteigen und auf diesem
|
gegen den Roten Turm-Paß vorzudringen. Der Schlachtplan wurde
geändert. Aus der beiderseitigen Umfassung sollte eine Umgehung werden.
Während die Masse der 9. Armee den Feind von Norden angriff, sollte das
Alpenkorps ihm den Rückzug durch den Roten
Turm-Paß verlegen.
An diesem Tage, dem 19. September, 4 Uhr nachmittags, übernahm
General v. Falkenhayn den Befehl. Seine ersten Anordnungen gliederten
die Armee für Ausladung und Unterbringung, das Alpenkorps wurde
näher an das Gebirge heran in die Gegend von Zsinna geschoben, der
Antransport der im Gebiet von Petroseny freiwerdenden Kräfte geregelt
und die Ausladung und Versammlung der 76.
Reserve-Division bei Markt Schelken veranlaßt. Am Abend gingen auch die
grundlegenden Weisungen der Obersten Heeresleitung ein. Sie wiesen der 9.
Armee die Aufgabe zu, "im Verein mit der 1. Armee den in Siebenbürgen
eingedrungenen Feind zu schlagen", und ordneten im einzelnen an: "9. Armee hat
zunächst den über den
Szurduk-Paß eingedrungenen Feind zurückzuwerfen, sodann unter
Sicherung im Szurduk- und Vulkan-Paß mit versammelter Kraft den
über Hermannstadt eingebrochenen Feind doppelt umfassend zu schlagen."
Im Grundgedanken stimmten diese Weisungen mit den Absichten des
Armee-Oberkommandos überein und gaben keinen Anlaß zu neuen
Anordnungen.
Am nächsten Tage setzte der Oberbefehlshaber den im Hauptquartier
des [597] Generals
v. Staabs, in Karlsburg, versammelten Unterführern seine Absichten
auseinander und wies dabei besonders auf die Beschleunigung hin, welche die
Unsicherheit der Lage bei der österreichischen 1. Armee erforderte. Es war
aber schon klar, daß mit Rücksicht auf die vom Alpenkorps
zurückzulegenden Wege und den langsamen Antransport der 76.
Reserve-Division der Angriff nicht vor dem 26. September erfolgen konnte.
Die Nachrichten, die am 21. September eingingen, zeigten, wie begründet
die Sorge um die 1. Armee war. Ihre ganze Front nördlich der Großen
Kokel war im Zurückgehen. General v. Arz bat zur Entlastung um
Beschleunigung des Angriffs der 9. Armee. Auch bei Petroseny war General
Sunkel noch nicht so weit vorgedrungen, wie es erwünscht gewesen
wäre. Der Eingang in die
Szurduk-Klamm war erreicht, dagegen befand sich der
Vulkan-Paß noch in Feindeshand. Der Schlag bei Hermannstadt konnte aber
mit Rücksicht auf die Gesamtlage nicht weiter aufgeschoben werden. So
mußten denn bis auf zwei Bataillone und einige Batterien die deutschen
Truppen aus dem Becken von Petroseny herausgezogen werden, selbst auf die
Gefahr hin, daß hier ein neuer Einbruch der Rumänen erfolgte. Am
Abend des Tages wurde der Befehl für den Beginn der Operation gegen die
rumänische Gruppe bei Hermannstadt gegeben: das Alpenkorps hatte den
Aufstieg auf den Kamm des Cibiner Gebirges anzutreten, um sich auf diesem
gegen den Roten Turm-Paß zu wenden; die Gruppe Staabs, bestehend aus
187. Infanterie-Division und 51. Honved-Division, sollte südwestlich, die
Gruppe Graf Schmettow, bestehend aus 76.
Reserve-Division, 3. Kavallerie-Division und 1. ungarischer
Kavallerie-Division, östlich Hermannstadt bereitgestellt werden, um
beiderseits der Stadt und am Alt entlang konzentrisch zum Angriff zu schreiten,
der am 26. September erfolgen sollte. Der Gruppe des Grafen Schmettow fiel
gleichzeitig die Deckung gegen die 2. rumänische Armee zu.
So waren die ersten grundlegenden Befehle zur Vorbereitung des Angriffs
gegeben; ehe aber der Angriff in Gang kommen sollte, traten noch mancherlei
Ereignisse und Reibungen ein, die ihren Einfluß auf den Gang der Handlung
ausübten.
Am frühen Morgen des 22. September gingen die Rumänen bei
Hermannstadt in breiter Front zum Angriff vor. Am Gebirgsfuße dringen sie
im Morgengrauen in Orlat ein. Es kommt zu heftigsten Kämpfen; die dort
fechtenden Teile der bewährten 187.
Infanterie-Division werfen den Feind im Gegenstoß, setzten sich wieder in
Besitz von Orlat und gewinnen über den Ort vorgehend in der Richtung auf
Guraro wichtiges Höhengelände. Die Verluste der Rumänen
sind schwer, eine große Zahl Gefangener bleibt in deutscher Hand. Bei
Hermannstadt selbst wird die 51.
Honved-Division nur von schwächeren Stößen getroffen, die
leicht abgewiesen werden. Dagegen trifft weiter östlich die Wucht des
Angriffs die Reiterei des Grafen Schmettow. Die bayerischen Chevaulegers und
säch- [598] sischen Husaren der 3.
Kavallerie-Division verteidigen die Rotberger Höhen mit hervorragender
Zähigkeit. Der Kampf währt bis zum späten Abend. Im
Handgemenge, in Gegenstößen mit Karabiner und Handgranaten
wehren sie den Feind ab, behaupten ihre Stellung und bringen noch mehrere
hundert Gefangene ein. Dagegen gelingt es den Rumänen, gegenüber
den dünnen Linien der ungarischen Husaren den Alt bei Glimboka zu
überschreiten. Am Abend muß General Graf Schmettow den rechten
Flügel der 1. ungarischen Kavallerie-Division bis in die Linie
Holzmengen - Steinberg zurücknehmen.
Die Bewegungen des Alpenkorps waren durch den blutigen Tag nicht
gestört worden. Es schloß bei Zsinna auf und ließ seine Vorhut
den Marsch in die Berge antreten. Dagegen bedingten die Ereignisse eine
Änderung in den Absichten des Oberkommandos. Die veränderte
Linienführung östlich Hermannstadt, die Anwesenheit so starker
feindlicher Kräfte im Alt-Tal zwischen Fluß und Gebirge
ließen es nicht mehr möglich erscheinen, die 76.
Reserve-Division in südwestlicher Richtung vorgehen zu lassen, wobei sie
den im Alt-Tal stehenden Rumänen den Rücken zugewandt
hätte. Der Befehl vom 21. wird dahin abgeändert, daß die 76.
Reserve-Division dem Generalkommando des XXXIX. Reservekorps mit
unterstellt wird, das den Angriff von Nordwesten zwischen Gebirge und
Kavallerie-Korps Schmettow zu führen hat. Graf Schmettow wird
angewiesen, mit seinem linken Flügel unbedingt zu halten, während
der rechte, gedrängt, nachgeben kann. Das
Alt-Tal soll zunächst durch Feuer gesperrt werden, ein späterer
Vorstoß über den Fluß ist ins Auge zu fassen. An den General
v. Arz wird das Ersuchen gerichtet, die 89.
Infanterie-Division bei Schäßburg bereitzustellen. Der General
antwortet, daß dies erst geschehen könne, wenn sich die
Verhältnisse bei der 1. Armee geklärt hätten.
Wider Erwarten setzten die Rumänen am 23. ihre Angriffe nicht fort; der
22. hatte ihnen eine blutige Lehre gegeben. Dagegen entwickelten sich heftige
Kämpfe im Gebiet von Petroseny. Am 22. war hier von den
verbündeten Truppen der
Vulkan-Paß erstürmt worden. Am 23. setzten heftige Gegenangriffe
der Rumänen ein, denen der Abmarsch der Masse der deutschen Truppen
nicht verborgen geblieben war. Die Lage der nur noch durch zwei deutsche
Bataillone gestützten österreichischen
Landsturm-Brigade wurde sehr schwer. Immerhin wurde an diesem Tage die
gewonnene Stellung behauptet.
Bei Hermannstadt benutzte General v. Staabs, der mit der Führung des
Angriffs von Nordwesten her beauftragt war, den Tag zu eingehender Erkundung
des Angriffsgeländes. Es war klar, daß der Angriff, der mit drei
schwachen Divisionen in 25 km Breite zu führen war, gegen einen
überlegenen, am Gebirgsrande in vorteilhafter Stellung eingegrabenen
Feind nicht leicht werden würde. Auf dem rechten Flügel war er
über mehrere, tief eingeschnittene Schluchten mit 400 bis 500 m
hohen, steilen, bewaldeten Hängen zu führen; in der Front
südlich Hermannstadt erschwerte dagegen freies Gelände das
Vorwärts- [599] kommen. Die
feindlichen Linien waren schwer zu erkennen, eine wirksame artilleristische
Unterstützung des Angriffs daher kaum gewährleistet. Bei der
Schwäche der Truppen konnte der Angriff nicht in
zusammenhängenden Linien, sondern nur in Gruppen an den für
einen Erfolg besonders in Frage kommenden Stellen geführt werden. Auf
Grund seiner Erkundung kam General v. Staabs zu der Auffassung,
daß mit einem schnellen Verlauf des Angriffs zwar nicht zu rechnen sei,
wohl aber mit einem sicheren Siege, und zwar einem Siege, der nach der Anlage
der Operation durch das Armee-Oberkommando die begründete Aussicht
auf eine vernichtende Niederlage für den Feind eröffnete.
In Karlsburg, wo sich am Abend auch der eben eingetroffene Kommandeur der
76. Reserve-Division, General v. Elstermann, meldete, legte General
v. Staabs das Ergebnis seiner Erkundungen in Weisungen für die
Vorbereitung des Angriffs nieder. Die 187.
Infanterie-Division sollte bei Orlat nach dem Gebirge [600] hin dicht
aufschließen, dort war die Masse der Artillerie, auch die vom
Armee-Oberkommando überwiesene fahrende Artillerie des Alpenkorps in
Stellung zu bringen. Die 51. Honved-Division hatte sich möglichst weit
vorwärts zum Angriff in der Richtung auf Poplaka bereitzustellen. Der 76.
Reserve-Division ging die Weisung zu, den linken Flügel der Honveds
abzulösen und den Rest der Division je nach de Eintreffen der Truppen bei
Stolzenburg aufschließen zu lassen.
Der 24. September brachte keine besonderen Ereignisse, die vorbereitenden
Bewegungen der Truppen gingen weiter. Am Abend hatte der Anfang des
Alpenkorps am Negovanul in 2136 m Höhe den Hauptkamm des
Cibiner Gebirges erreicht, von wo Vorposten nach einer weiter östlich
gelegenen Schutzhütte geschoben wurden, die der Feind, anscheinend
vollkommen überrascht, beschleunigt verlassen hatte.
Die Nachrichten, die über die Bewegungen des Alpenkorps bis zum
Morgen des 25. September beim Armee-Oberkommando in Deva eingingen,
ließen erkennen, daß die erstrebten Ziele am Paß bis zum
Abend erreicht würden. So ließ denn der Oberbefehlshaber, General
v. Falkenhayn, den Angriffsbefehl für den 26. am Morgen des 25.
ausgeben. Er ordnete an, daß das Alpenkorps unter Sicherung nach
Süden aus der Linie
Vrf. Mare - Prejba - Gyhan gegen die
Paßstraße vorstoßen und Teile über die Straße
hinweg zur Sperrung der Pfade über das Westende der Fogaraser Alpen
entsenden sollte. Das XXXIX. Reservekorps hatte mit der 187.
Infanterie-Division aus der Gegend von Orlat längs des Gebirgsfußes,
mit der 51. Honved-Division westlich, mit der 76.
Reserve-Division östlich an Hermannstadt vorbei anzugreifen. Die Stadt
selbst wurde ausgespart, um die herrliche Perle deutscher Kultur und Baukunst
vor Feuer zu bewahren. Das Kavallerie-Korps Schmettow, dem eine
10,5-cm-Kanonen-Batterie des Alpenkorps überwiesen war, hatte
zunächst den Raum zwischen Alt und Gebirge durch Feuer zu sperren, die
linke Flanke der 76. Reserve-Division zu sichern, die Sicherung und Beobachtung
gegen die 2. rumänische Armee zu übernehmen und eine Abteilung
bereitzuhalten, die entsprechend dem Vorschreiten des Angriffs der 76.
Reserve-Division über den Alt gegen den Roten
Turm-Paß vorstoßen sollte.
Nach Ausgabe dieses Befehls wurde das
Armee-Hauptquartier nach Mühlbach vorverlegt.
Der Kommandierende General des XXXIX. Reservekorps hatte seine
Erkundungen beendet. Die Stellung der Rumänen zog sich danach aus der
Gegend südwestlich Orlat über Guraro an Poplaka vorbei nach
Schellenberg, von wo der rechte Flügel, über die stark bewaldeten
Höhen des östlichen
Cibin-Ufers sich zurückbiegend, den Alt östlich Talmesch erreichte,
um sich dann weiter an die Nordhänge des steil aufsteigenden Fogaraser
Gebirges anzulehnen. Vor dem rechten Flügel dieser Hauptstellung waren
die Höhen nördlich des
Haar-Baches sowie einige Ortschaften von den Rumänen befestigt und
besetzt. Nach Eingang [601] des Armeebefehls gab
der General seinen Angriffsbefehl aus. Mit Tagesanbruch sollten 36 Batterien mit
130 Geschützen das Feuer auf die Einbruchsstellen eröffnen.
So war die Armee angriffsbereit. Alle Führer und Truppen waren voller
Zuversicht und Kampfesfreude. Endlich sollte es zu dem ersehnten,
entscheidenden Schlage kommen. Da langten gegen Mittag Nachrichten an, die
auf rückgängige Bewegungen beim Feinde hindeuteten. Patrouillen
der 76. Reserve-Division hatten östlich Hermannstadt bisher vom Feinde
besetzte Ortschaften leer gefunden; bei Orlat hatte der Gegner einige Höhen
geräumt. General Graf Schmettow meldete, daß der Feind seine
Vortruppen bei Cornitzel zurückziehe.
Was plante der Feind? Zog er lediglich Vortruppen auf seine Hauptstellung
zurück oder suchte er sich auf die Nachricht vom Vorgehen deutscher
Truppen gegen seinen Rücken der Umzingelung zu entziehen, eine Sorge,
die auch schon am Abend vorher das
Armee-Oberkommando beschäftigt hatte? Der Oberbefehlshaber war
jedenfalls entschlossen, alles zu tun, um den Feind nicht entkommen zu lassen.
Das Alpenkorps wurde erneut zur Beschleunigung seines Marsches aufgefordert.
Dem XXXIX. Reservekorps wurde die erbetene Ermächtigung erteilt, noch
heute vorzustoßen.
Am Nachmittag erhielt das Armee-Oberkommando noch andere,
unerwünschte Kunde: Im
Szurduk-Gebiet hatten die Rumänen in breiter Front unter Einsatz
erheblicher Verstärkungen angegriffen. Zwar hatten die beiden deutschen
Bataillone die Pässe behauptet. Dagegen war der Feind westlich und
östlich durchgestoßen, die beiden Bataillone waren in Gefahr,
abgeschnitten zu werden. Der dort nach dem Abmarsch der 187.
Infanterie-Division befehligende österreichische
Brigade-Kommandeur hatte sich gezwungen gesehen, auf die Höhen
westlich und nördlich Petroseny zurückzugehen. Das Kohlenbecken
war wieder in Feindeshand, die Verbindungslinie der Armee, die Bahn im
Maros-Tal war erneut bedroht. Die Gefahr mußte in Kauf genommen
werden; Kräfte zur Entsendung waren nicht verfügbar; jeder Mann
wurde für die Entscheidung bei Hermannstadt gebraucht. Mit der
Übernahme des Befehls bei Petroseny wurde der von der Obersten
Heeresleitung erbetene und soeben eingetroffene Führer des deutschen
Divisions-Stabes Nr. 301, General v. Busse, beauftragt; für
später wurde ihm die Zuführung der im Antransport befindlichen
österreichischen 2. Gebirgs-Brigade in Aussicht gestellt.
Bei Hermannstadt kam es an diesem Tage nicht mehr zu ernsteren
Kämpfen. Die Vorführung der beiden
Flügel-Divisionen am späten Nachmittage stieß auf
Schwierigkeiten. Nur die mittlere, die 51.
Honved-Division schob nach Einbruch der Dunkelheit ihre
Infanterie-Linie über den Cibin vor, um ihre Artillerie weiter
vorwärts in Stellung bringen zu können.
Der Aufmarsch der Armee war vollendet. Man sah dem Kampf für den
nächsten Morgen entgegen. Der Oberbefehlshaber der
österreichischen 1. Armee, [602] General v. Arz,
der seinen Generalstabschef ins Hauptquartier der 9. Armee entsandt hatte, teilte
mit, er sehe seine Aufgabe zunächst im Schutz des Rückens der 9.
Armee. Die 89. Infanterie-Division sei nach Schäßburg vorgegangen,
wo sie mit der 71. österreichischen Division unter dem Befehl des Generals
v. Morgen das I. Reservekorps bilden sollte. Den Befehl über die
weiter nördlich stehenden Teile der 1. Armee hatte der Kommandeur des
österreichischen VI. Korps übernommen.
Ein strahlender Herbstmorgen mit herrlichstem Sonnenschein, wolkenlosem
Himmel und weitester Fernsicht begrüßte in der Frühe des 26.
September die in den Entscheidungskampf ziehenden Truppen der 9. Armee. In
den frühen Morgenstunden erreichten die vordersten Abteilungen des
Alpenkorps die Paßstraße beim Kaiserbrunnen, bei Riul Vadului und
bei Caineni, wo ein vom Prinzen Heinrich von Bayern geführtes Bataillon
des Leibregiments heftigen Widerstand des Feindes brechen mußte. Bald
entstand auch erhebliche Verwirrung unter rumänischen
Train-Kolonnen, die von Norden in den Paß hineinfuhren. Gegen Mittag
wurde eine Kolonne beim Kaiserbrunnen von Hannoverschen Jägern
zusammengeschossen, andere kehrten um und jagten nach Norden
zurück.
Auch auf dem anderen Flügel begann der Tag wunschgemäß.
General Graf Schmettow ließ eine Abteilung Chevaulegers mit
Geschützen den Alt bei Kerz überschreiten und auf Porumbak
vorgehen.
Beim XXXIX. Reservekorps trat die 187.
Infanterie-Division auf dem rechten Flügel befehlsgemäß zum
Angriff an. Wie erwartet, erwies sich der Angriff in dem zerklüfteten
Gelände als sehr schwer. Der feindliche linke Flügel reichte tief ins
Gebirge hinein, eine Umfassung gelang nicht. Um die Orte Guraro und Poplaka
wird heftig gerungen; der Feind verteidigt die Dörfer mit
größter Zähigkeit. Weiter südlich sucht sich die brave
deutsche Infanterie der steilen Höhen der Cioara und des Valare zu
bemächtigen. Am Cioara bricht der Angriff, der fast den Gipfel erreicht
hatte, vor den Maschinengewehren, Flammenwerfern und Handgranaten des
Feindes zusammen. Die am Valare stehenden zahlreichen Gebirgsgeschütze
der Rumänen wehren auch hier den deutschen Angriff ab, der artilleristisch
nicht ausreichend unterstützt werden kann. Der Mangel an Gebirgsartillerie
macht sich auf deutscher Seite fühlbar. Der Angriff der 51.
Honved-Division und der 76. Reserve-Division, von der noch Teile in langem
Anmarsch von den Eisenbahnausladepunkten nach dem Gefechtsfelde streben,
verzögert sich. Der Kommandierende General, der vom Riesenberge bei
|
Orlat den schweren Kampf der 187.
Infanterie-Division beobachtet, drängt auf Beschleunigung. Am
Nachmittage arbeitet sich die
Honved-Infanterie im Cibin-Grunde mühsam an die Hindernisse des
Feindes heran; ein starker rumänischer Gegenstoß wird abgewiesen.
Der Angriff der 76. Reserve-Division wird an diesem Tage nicht mehr wirksam.
Die Dunkelheit bricht herein. Trotz allen [603] Heldenmuts der
Truppe, die auf dem ausgedehnten Schlachtfelde nur in Gruppen vorgeführt
werden konnte, ist der Kommandierende General von dem Ergebnis des Tages
nicht voll befriedigt.
Südlich des Alt hatte am Abend die Reiter-Abteilung des
Kavallerie-Korps Schmettow bei Porumbak den Gebirgsfuß erreicht, sich
nach Osten und Westen sichernd. Rumänische Abteilungen der 2. Armee,
die von Osten zwischen Alt und Gebirge vorgingen, wurden durch Artilleriefeuer
vom nördlichen Ufer in Schach gehalten.
General v. Falkenhayn hatte dem Kampfe auf dem Riesenberge bei Orlat
beigewohnt. Hier hatte er erkannt, daß der Angriff des XXXIX.
Reservekorps noch keine erheblichen Fortschritte gemacht hatte. Die Einkreisung
des Gegners war freilich erreicht; die Frage war, ob sie aufrechterhalten werden
konnte. Am Abend setzten bereits heftige Gegenstöße der
Rumänen gegen das Alpenkorps ein; ein Überschreiten der
Paßstraße, wie es vom
Armee-Oberkommando angeordnet war, war nicht gelungen. Und die Absperrung
im Osten durch Schmettows Reiter-Abteilung war ungemein schwach. Die
Nachrichten, die vom General v. Busse aus dem
Szurduk-Gebiet kamen, besagten, daß der Rückzug gelungen sei, die
Oboraca war in Feindeshand, die Tulisa wurde von den Verbündeten
gehalten, der Feind drängte nicht. Wenn dies auch
verhältnismäßig günstig klang, so war andererseits die
Gefahr, die von der 2. rumänischen Armee drohte, nicht unbedenklich.
Alles kam auf Beschleunigung des Angriffs an. Wenn dies auch den
Unterführern sicherlich ebenso klar war, wie dem Oberbefehlshaber, so
ergingen doch nochmals entsprechende Hinweise an jene. Das Alpenkorps wurde
erneut auf die Bedeutung des Überschreitens der Paßstraße
hingewiesen, Graf Schmettow sollte seine
Reiter-Abteilung bis zur Paßstraße vorstoßen lassen. Um
für alle Fälle eine Reserve zu haben, die aus den schwachen Truppen
der 9. Armee nicht herausgezogen werden konnte, ließ der
Oberbefehlshaber den General v. Arz bitten, Teile der 89.
Infanterie-Division zur Verfügung zu stellen. General v. Arz
ließ das Landwehr-Regiment Nr. 8 mit einer Abteilung Artillerie in
Schäßburg verladen, um sie nach Salzburg heranzuführen. So
sah man der Fortsetzung des Kampfes am 27. entgegen.
Für die Entscheidung kam es vor allem darauf an, daß das XXXIX.
Reservekorps seinen Angriff zum Siege führte, ehe es dem Feinde gelang,
den Ring im Süden und Osten zu sprengen. Führer und Truppen
waren sich dessen voll bewußt. Aber auch den Rumänen ist klar, um
was es für sie geht. Ihr Widerstand gegen die 187.
Infanterie-Division ist am Vormittage des 27. äußerst zähe.
Erst nach ausgiebiger Artillerievorbereitung dringt der linke Flügel der
Division vor und erreicht den
Trink-Bach. Nun räumen die Rumänen den umfaßten Gipfel
der Cioara; der rechte Flügel der 187.
Infanterie-Division besetzt ihn, nimmt den Valare, dann tiefer im Gebirge auch
den über 1700 m hohen Oncescii, wobei rückwärtige
Teile des Alpenkorps umfassend mitwirken. Die [604] Frontausdehnung der
Division ist auf 12 km gewachsen. Neben ihr hält sich der rechte
Flügel der 51. Honved-Division auf gleicher Höhe; am Nachmittage
erstürmen die Honveds das stark befestigte Dorf Schellenberg am
Bruchpunkt der feindlichen Linie. So stehen am Abend rechter Flügel und
Mitte des XXXIX. Reservekorps beiderseits Michelsberg, von Heltau und
südlich Schellenberg. Da setzt ein starker rumänischer Gegenangriff
gegen den linken Flügel der Honveds ein, in blutigem Ringen geht
Schellenberg wieder verloren. Links neben der 51.
Honved-Division hatte die 76. Reserve-Division gegenüber dem
hartnäckigsten Widerstand leistenden Feinde nur langsam Gelände
gewonnen; ihr rechter Flügel hielt Anschluß an die Honveds, der
linke kämpfte dagegen noch bis tief in die Dunkelheit hinein bei
Kastenholz am nördlichen
Haarbach-Ufer. Der Bachgrund blieb noch vor der Front. So hatte in
zweitägigem harten Ringen der rechte Flügel des Armeekorps die
Rumänen etwa 12 km zurückgedrängt, der linke hatte
dagegen nicht erheblich vorwärts dringen können. Vor ihm suchte
der Feind sich in Gegenstößen immer wieder Luft zu machen, sei es,
daß er sich den Rückzug nach Osten offen zu halten suchte, sei es,
daß er vom Eingreifen der 2. rumänischen Armee Rettung und Sieg
erwartete.
Zwischen dieser und der bei Hermannstadt auf Leben und Tod ringenden Gruppe
der 1. rumänischen Armee stand bei Porumbak nur die schwache
Chevaulegers-Abteilung des Grafen Schmettow. Als nun von Osten starke
rumänische Kavallerie über Utsa vorging, warf ihr Graf Schmettow
seine letzte Reserve, drei schwache sächsische
Husaren-Schwadronen, entgegen. Die Chevaulegers wehrten indessen von Westen
geführte rumänische Stöße ab; einer Eskadron gelang es,
den Cetate zu besetzen, von dort durch Feuer einen über die
Surul-Scharte führenden Saumpfad zu sperren und ihre Stellung zu
behaupten, trotz aller Versuche der Rumänen, die lästige
Störung zu beseitigen.
Am Roten Turm-Paß hatte das Alpenkorps derweilen einen schweren Tag
zu bestehen. Die Weisung des Armee-Oberkommandos, den Paß nach
Osten zu überschreiten, um dem Feinde den letzten Ausgang zu verlegen,
hatte sich nicht durchführen lassen. Dafür setzte ein starker
rumänischer Angriff von Süden her ein, wo erhebliche
Verstärkungen, teilweise mittels Eisenbahn, herangezogen waren; der
Angriff dehnte sich nach Westen bis zum Monte Robu aus. Auch von Norden
suchte sich der Feind in einem starken Stoße Luft zu machen. Die tapferen
Kompagnien des bayerischen Leibregiments unter Prinz Heinrich müssen
nach hartnäckigem Widerstand vor übermächtigem Angriff
Caineni räumen. Zurückbleibende Verwundete und Gefangene
werden von den Rumänen abgeschlachtet. Der Ort Vadului geht dem
Alpenkorps verloren, der Bahnhof wird behauptet. Die Paßstraße ist
für kurze Zeit wieder offen, freilich bleibt sie immer unter Feuer. Ein
heißer Tag geht für die "Leiber" und Jäger zu Ende; fast
überall haben sie den überlegenen Feind abgewehrt und
zusammengeschossen.
Das Armee-Oberkommando in Mühlbach hatte sich über die Lage
dauernd [605] gut unterrichtet halten
können. Das Ergebnis war, daß der Tag die Entscheidung noch nicht
gebracht hatte, wenn auch die Truppe wiederum alles nur irgend Mögliche
geleistet hatte. Immer noch hielt der Feind im Halbkreis um den Paßeingang
stand, von dem man noch etwa 10 km entfernt war. Daß die
Paßstraße vorübergehend hatte vom Alpenkorps aufgegeben
werden müssen, war nicht bekannt; von den Beobachtungsstellen hatte man
vielmehr erkennen können, daß in den hinteren Staffeln der
Rumänen bereits arge Verwirrung herrschte; andererseits wußte man
auch, daß von Süden mit der Eisenbahn immer neue
Verstärkungen heranrollten. Vom General v. Busse aus dem
Szurduk-Gebiet kam die Nachricht, daß entgegen der Meldung vom
gestrigen Tage die Oboraca in deutscher Hand war, daß eine, wenn auch
schwache Linie sich vor Petroseny bis zur Tulisa zog. Wenn auch der Feind weiter
westlich über den Fagetel vorzukommen suchte, so drohte von dort
vorläufig der Entscheidung bei Hermannstadt keine Gefahr, um so weniger,
als die Ausladungen der als Verstärkung für den General v. Busse
bestimmten 2. österreichischen
Gebirgs-Brigade begannen. Die entscheidende Frage war: Wird es gelingen, den
Roten Turm-Paß gesperrt zu halten bis der Widerstand nördlich des
Passes gebrochen ist, und wird die Vernichtung des Feindes, die General
v. Falkenhayn anstrebte, erfolgt sein, ehe die 2. rumänische Armee
eingreift, der die bedrängte Lage ihrer Kameraden nicht verborgen sein
konnte? Und wird ferner die 1. österreichische Armee gegenüber
einem Angriff des rechten Flügels der 2. rumänischen Armee den
Rücken der 9. Armee decken können? Verbindung zu ihr hielt
über Rohrbach nur die dünne Linie der ungarischen Husaren der 1.
Kavallerie-Division.
Zunächst bedurfte die schwache Abteilung des Grafen Schmettow, die
südlich des Alt mit Front nach West und Ost focht, der
Unterstützung. General v. Staabs wurde angewiesen, ihr ein
Bataillon der 76. Reserve-Division zur Verfügung zu stellen. Dafür
überwies das Armee-Oberkommando ihm seine letzte Reserve, das
Landwehr-Regiment Nr. 8, das eben bei Salzburg eingetroffen war. Am
späten Abend ging noch eine Weisung der Obersten Heeresleitung ein, nach
der die 89. Infanterie-Division zur 9. Armee treten sollte und der
österreichischen 1. Armee befohlen wurde, sich mit ihrem rechten
Flügel den Operationen der 9. Armee nach Möglichkeit
anzuschließen. General v. Falkenhayn wies die 89.
Infanterie-Division an, am nächsten Tage, dem 28. September, nach
Jakobsdorf und Henndorf zu marschieren, und richtete an den General
v. Arz die Bitte, mit dem rechten Flügel seiner Armee unbedingt zu
halten, bis die Entscheidung bei der 9. Armee gefallen sei.
Am Morgen des 28. September begab sich General v. Falkenhayn über
Hermannstadt, wo er den Kommandierenden General des XXXIX. Reservekorps
und den Kommandeur der 51.
Honved-Division sprach, zur 76. Reserve-Division auf die Höhen
östlich Hermannstadt, um seinen persönlichen Einfluß auf das
Vorwärtskommen dieses Flügels auszuüben. Alle
Führer waren sich wohl bewußt, daß die äußersten
Leistungen gefordert werden mußten, wenn das [606] erstrebte Ziel erreicht
werden sollte. Auch General v. Staabs hatte seine Divisionskommandeure
erneut in diesem Sinne angewiesen. Der Kampf des Korps ging überall,
wenn auch in hartem Ringen, vorwärts. Um Mittag wurden
rückgängige Bewegungen der Rumänen in der Richtung auf
den Paßeingang erkannt. Die verbündeten Divisionen drängten
scharf nach. Schwere Flachfeuer-Batterien wurden vorgezogen, um den
Paßeingang unter Feuer zu nehmen. Auch vor dem rechten Flügel des
Kavallerie-Korps Schmettow wich der Feind. Am Abend war die
Einmündung des Cibin in den Alt bei Talmesch erreicht. Der Ring hatte
sich beim Vorwärtsdrängen immer mehr verengert. Um eine allzu
starke Vermischung der Verbände zu verhindern und am nächsten
Tage über verwendungsbereite Truppen verfügen zu können,
ordnete General v. Staabs, der sein Hauptquartier nach Hermannstadt
verlegt hatte, an, daß die 187.
Infanterie-Division bis in den Paß nachzudrängen und die
Verbindung mit dem Alpenkorps herzustellen hatte. Die erschöpfte 51.
Honved-Division sollte nördlich des Paßeingangs ihre
Verbände ordnen, die 76.
Reserve-Division den Alt überschreiten, mit dem Gros östlich des
Flusses halten und die Vorhut ins Gebirge nachstoßen lassen.
Das Alpenkorps stand indessen auch an diesem Tage in schweren Kämpfen
gegen die von Norden und Süden verzweifelt anstürmenden
Rumänen. Seine von den Riesenanstrengungen der letzten Tage
übermüdeten Bataillone hielten trotz allem aus.
Dagegen drohten andere Gefahren die 9. Armee um den Erfolg ihres Ringens zu
bringen. Sie lagen auf dem linken Flügel, wo das Gros der 2.
rumänischen Armee zwischen der Eisenbahn
Kronstadt - Schäßburg und Fogaras zum Angriff
geschritten war. Die Sicherungen der 71. österreichischen
Infanterie-Division wurden zurückgedrängt, der in der linken Flanke
bedrohte linke Flügel der ungarischen 1.
Kavallerie-Division mußte nach hartnäckigem Widerstand nachgeben
und in der Richtung auf Agnetheln ausweichen. Eine Lücke begann
zwischen der 9. Armee und der 1. österreichischen zu klaffen. Da traf gegen
Mittag nach starkem Marsche der Anfang der 89.
Infanterie-Division bei Henndorf ein. Ihr Führer, General
v. Lüttwitz, der die Gefahr erkannte, schob sofort Teile seiner
Division auf die Höhen von
Hundertbücheln - Retisdorf vor, so der Linie wieder einige
Festigkeit gebend.
Vom Gefechtsstande der 76. Reserve-Division hatte General v. Falkenhayn
beobachtet, wie der Kampf vor dem Roten
Turm-Paß in gutem Fortschreiten war, der Widerstand des Feindes von
Stunde zu Stunde mehr erlahmte. Da langten die ersten ungünstigen
Nachrichten vom Kavallerie-Korps Schmettow an; es schien dort
überlegener Feind angegriffen zu haben. Klarheit über die
Verhältnisse südlich des Alt war vorläufig nicht zu gewinnen.
Noch bedenklicher klangen die Nachrichten vom linken Flügel der Armee.
Es hieß, der Nachbar, die österreichische 71.
Infanterie-Division, wolle hinter den Haarbach ausweichen. [607] Damit wurde der
Anmarsch der 89. Infanterie-Division im Haarbach-Tale bedroht, und weiter
konnte der Feind, dem Bewegungsfreiheit gegeben wurde, sich gegen den
Rücken der Armee wenden. Noch von Hermannstadt aus wurde der 89.
Infanterie-Division die Weisung zum Eingreifen zugeleitet, der in richtiger
Erkenntnis der Lage der Divisionskommandeur schon vorgegriffen hatte.
Im Armee-Hauptquartier Mühlbach kamen neue Sorgen: die Lage beim
Alpenkorps schien nicht ganz sicher. Die Nachrichten vom
zurückweichenden Feinde ließen zwar erkennen, daß er
sicherlich große Verluste gehabt hatte; Trümmer von
Geschützen und Fahrzeugen, auch andere Anzeichen deuteten auf einen
hohen Grad der Auflösung. Immerhin war die Gefangenenzahl gering. Die
Möglichkeit bestand also, daß entweder starke Teile entkommen
waren, oder daß er im Gebirge den Angriff der 2. rumänischen Armee
abwartete, der anscheinend heute begonnen hatte. Die Lage blieb also trotz des
Erfolges von Hermannstadt äußerst gespannt. Trotz allem hielt der
Oberbefehlshaber mit festem Willen an dem Plane fest, erst gegen die 1.
rumänische Armee ganze Arbeit zu machen, ehe er sich gegen die 2.
wandte. An die 1. österreichische Armee wurde das Ersuchen gerichtet, die
71. Infanterie-Division zum Halten zu bringen; sie erhielt Weisung, noch vor dem
Haarbach in der Linie
Stein-Berg - Arkeden Front zu machen. Die frühere
Armeereserve, das Landwehr-Regiment 8 mit einer Artillerie-Abteilung, die in
Hermannstadt eingetroffen war und deren das XXXIX. Reservekorps nicht mehr
bedurft hatte, wurde nunmehr dem
Kavallerie-Korps Schmettow zur Verfügung gestellt. Die Infanterie, auf
Lastkraftwagen fahrend, sollte am nächsten Morgen die Gegend von
Agnetheln erreichen.
Die Meldungen, die am Abend aus dem Szurduk-Gebiet kamen, ließen
erkennen, daß die Rumänen zwar Fortschritte gemacht hatten, aber
die 2 Gebirgs-Brigade war eingetroffen, und unter Einsatz dieser im Gebirge
erprobten Truppe beabsichtigte General v. Busse, zum Gegenangriff zu
schreiten.
So brach der Morgen des 29. September, des vierten Schlachttages, an. Die
Spannung löste sich. Die Schlacht war entschieden; die 9. Armee hatte
einen vollen Sieg errungen. Gegen 1 Uhr morgens war nach zähem Ringen
Talmesch erstürmt worden, mehrere rumänische Kompagnien mit
einer großen Zahl Geschütze fielen hier in die Hand des Siegers. Im
Morgengrauen fanden die letzten Kämpfe mit dem umringten und
verzweifelten Feinde am Paßeingange statt. Die Verfolgungskolonnen des
XXXIX. Reservekorps dringen in das Gebirge ein; wo sie auf Feind stoßen,
wird er zersprengt oder gefangengenommen. Rumänische Abteilungen
versuchen westlich der Paßstraße, sich durchzuschlagen. Von den
Jägern des Alpenkorps werden sie zusammengeschossen. Die
Paßstraße selbst bietet einen unbeschreiblichen Anblick dar:
Ineinandergefahrenes Geschütz und Fahrzeug sperrt die Straße,
herrenlose Pferde irren auf den Hängen umher. Weggeworfene Waffen und
Ausrüstungsstücke zeigen den Grad der Auflösung der
fliehenden Rumänen.
[608] Die Versuche, die
eingeschlossenen Divisionen von außen her zu retten, sind, falls sie
überhaupt ernstlich versucht wurden, gescheitert. Am Morgen des 29.
landet ein rumänischer Flieger bei Talmesch. Man nimmt ihm eine
Meldung ab, sie lautet:
"An den Kommandeur des I.
Armeekorps, General Popovici.
Ich habe die Ehre mitzuteilen, daß die Truppen der
2. Armee sich gestern abend, 28. September, 15 km von Ihren Stellungen
entfernt befanden. Heute morgen sind sie zwischen 4 Uhr und 5 Uhr abmarschiert.
Wir kommen mit Unterstützung und Munition.
General
Mardarescu, Generalstabschef der 2. Armee.
Abgegangen Kronstadt, 29. September 1916. 1 Uhr 30
Minuten vorm."
Die Meldung des Fliegers war nicht mehr von seinen Landsleuten, sondern von
deutscher Infanterie in Empfang genommen worden; aber auch der Inhalt seiner
Meldung schien nicht mehr den Tatsachen zu entsprechen. Südlich des Alt,
bei den dort stehenden schwachen
Reiter-Abteilungen, kam es an diesem Tage nicht mehr zu ernstem Kampf.
Nördlich des Alt werden die dünnen Linien des linken Flügels
der 1. ungarischen Kavallerie-Division durch stark überlegenen Angriff des
Feindes bis östlich Agnetheln zurückgedrängt. Da
stößt in kräftig geführtem Gegenangriff die 89.
Infanterie-Division in die Flanke des Feindes, bringt sein Vorgehen zum Stehen
und nimmt ihm 9 Geschütze, 4 Maschinengewehre und 600 Gefangene ab.
Die ungarische Kavallerie-Division, zu der auch noch das Landwehr-Regiment 8
auf Lastkraftwagen herbeieilt, ist entlastet.
Der Plan des Oberbefehlshabers der 9. Armee ist geglückt, trotz aller
Reibungen, Krisen und Schweierigkeiten, dank der Hingabe und Ausdauer der
Truppen und dank des Verständnisses aller Führer für die
Lage. In dreitägigem harten Ringen hatten die Divisionen des XXXIX.
Reservekorps den Widerstand des Feindes gebrochen, während das
Alpenkorps in weiter Gebirgsstellung ihm den Rückzug verlegt hatte und
die Kavallerie des Grafen Schmettow in glücklichster Weise Flanke und
Rücken des XXXIX. Reservekorps gegen die 2. rumänische Armee
gesichert und diese vom Eingreifen in die Schlacht abgehalten hatte. Vierzig
Bataillone und 16 Batterien der Rumänen sind vernichtet von einem
Angreifer, der an Zahl weit unterlegen war. Was von den beiden
rumänischen Divisionen, die bei Hermannstadt fochten, über die
Berge entkam, war keine Truppe mehr. Gefangene sagten aus, es sei der Befehl
gegeben worden, "sich zu zerstreuen, einzeln durchs Gebirge zu fliehen und
jenseits sich wieder zu sammeln". Die Straße im
Alt-Tal wird nur wenigen als Rückzugsweg gedient haben; auch als sie
nicht unmittelbar gesperrt war, lag sie unter dem Feuer des Alpenkorps. Dagegen
|
war es nicht gelungen, die östlich des Roten
Turm-Passes durch das Gebirge führenden Pfade zu sperren; hier mag
mancher Flüchtling entkommen sein, allerdings auch teilweise nur unter
dem [609] Feuer der wackeren
Chevaulegers auf dem Cetate. Tagelang wurden noch aus den Wäldern und
Schluchten Gefangene eingebracht.
Eine eigentliche Verfolgung in das Gebirge hinein kam nicht in Betracht. Alle
Kräfte, die von der 9. Armee verfügbar gemacht werden konnten,
mußten zu der neuen Aufgabe, die sich nun im Osten bot, eingesetzt
werden. Grundlegend für die Fortführung der Operationen nach
Beseitigung der 1. rumänischen Armee war eine Weisung der Obersten
Heeresleitung, die am 24. September eingegangen war und die besagte, daß
nach Durchführung des Schlages von Hermannstadt der linke Flügel
der rumänischen Hauptkräfte möglichst von Süden
umfassend angegriffen und geschlagen werden solle. In Übereinstimmung
mit dieser Weisung beabsichtigte General v. Falkenhayn, in dem Bestreben,
auch diesen Schlag vernichtend zu führen, mit der Masse der 9. Armee
südlich des Alt, rechter Flügel am Gebirge entlang, vorzugehen. Die
ganze Armee war hierzu nicht verfügbar, Teile mußten als
Flankenschutz am Roten
Turm-Paß zurückgelassen werden. In dem Wunsche, das
bewährte Alpenkorps mitzunehmen, wurde noch am 29. September dessen
Ablösung durch die 51. Honved-Division angeordnet.
Für das Gelingen der Operation war erforderlich, daß die 1.
österreichische Armee ihre Stellungen hielt, bis der neue Aufmarsch der 9.
Armee vollendet war. Indessen hatten sich dort bereits unerwünschte Dinge
vollzogen. In den letzten Septembertagen war vor dem Angriff der
rumänischen Nordarmee der äußerste linke Flügel auf
Szasz-Regen gewichen, die weiter südlich stehenden Teile waren in die
Stellung zwischen Maros und Kl. Kokel zurückgedrängt
worden sowie in die Gegend von Szekely Udvarhely. Der rechte Flügel der
1. österreichischen Armee war zwar durch den Vorstoß der 89.
Infanterie-Division entlastet, aber noch am Abend des 29. September
drängte ein starker rumänischer Gegenangriff diese Division wieder
in ihre Ausgangsstellung zurück, und die 1. ungarische
Kavallerie-Division wich ziemlich regellos bis Agnetheln.
Diese Ereignisse machten es klar, daß die zeitraubende Ablösung des
Alpenkorps nicht mehr durchgeführt werden konnte; die Lage
nördlich des Alt war zu gespannt geworden; das Herumwerfen der
Divisionen des XXXIX. Reservekorps aus ihrer Front nach Süden, wie sie
sich aus den Kämpfen ergeben hatte, in die nach Nordosten mußte
beschleunigt werden. Die entsprechenden Befehle wurden in der Frühe des
30. September erlassen. Schweren Herzens mußte sich der
Oberbefehlshaber entschließen, das Alpenkorps im Gebirge am Roten
Turm-Paß zurückzulassen, scheinbar zu einer Nebenaufgabe. Freilich
war damit im Rücken der nach Osten vorgehenden Armee unbedingte
Sicherheit geschaffen, die trotz aller Bravheit die 51.
Honved-Division bei ihrer Schwäche und mangelhaften Ausrüstung
nicht hätte gewährleisten können. Für die neue Aufgabe
blieben von der 9. Armee bedenklich geringe Kräfte übrig: drei
schwache Infanterie-Divisionen und die Kavallerie des Grafen Schmettow. Es
erschien daher erforderlich, daß das I. Reservekorps am rechten
Flügel der 1. österreichischen Armee mit [610] herangezogen wurde.
Um den umständlichen Weg der Verhandlungen zwischen den beiden
Armee-Oberkommandos zu vereinfachen, stellten die beiden Obersten
Heeresleitungen am 1. Oktober die 1. österreichische Armee in operativer
Hinsicht mit unter den Befehl des Generals v. Falkenhayn. An diesem Tage
stellte sich auch heraus, daß die Rumänen nördlich des Alt
vorläufig nicht weiter vorgingen. Der grundlegende Befehl für die
neue Operation wurde ausgegeben: Das XXXIX. Reservekorps hatte zwischen
Gebirge und Alt in östlicher Richtung vorzumarschieren unter Verwendung
von Teilen als Flankensicherung auf dem nördlichen
Alt-Ufer, wo sich im übrigen das
Kavallerie-Korps Schmettow dem Vorgehen anzuschließen hatte. Das I.
Reservekorps, bestehend aus der 89. Infanterie-Division und der 71.
österreichischen Division, sollte in südöstlicher Richtung den
gegenüberstehenden Feind angreifen. Dem Alpenkorps fiel die Deckung
dieser Bewegung am Roten Turm-Paß nach Süden zu, wobei es sich
beschleunigt nach Osten über die Paßstraße hinaus
auszudehnen hatte.
Der Aufmarsch des XXXIX. Reservekorps war planmäßig verlaufen,
trotz der großen Schwierigkeiten, welche die vollkommene
Kehrtschwenkung namentlich auch für die Kolonnen und Trains hervorrief.
Eine geringe Störung am 30. September hatte dem keinen Abbruch getan;
an diesem Tage waren die bei Oprea Kerczisora sichernden sächsischen
Husaren durch überlegenen Feind zurückgedrängt worden, der
aber vor der eintreffenden Vorhut der 76.
Reserve-Division wieder kehrt machte. Bedenklicher war, daß am 1.
Oktober der linke Flügel der österreichischen 1. Armee erneut ins
Zurückrollen geriet, als die rumänische Nordarmee ihren Angriff
fortsetzte. Die Kämpfe dauerten die nächsten Tage an; die Lage der
1. Armee wurde sehr schwierig.
Trotzdem wurde der Marsch des XXXIX. Reservekorps fortgesetzt. Man hoffte
beim Oberkommando der 9. Armee, daß dieses Vorgehen das beste Mittel
zur Entlastung des Nachbarn sein werde. Der Feind bereitete dem XXXIX.
Reservekorps ebensowenig wie dem Kavallerie-Korps Schmettow Aufenthalt;
dagegen entstand dieser nunmehr durch die sehr schlechten Wege, die bei dem
einsetzenden Regenwetter kaum gangbar blieben, so daß mehrfach die
gesamte Artillerie auf die eine, im Alt-Tal führende befestigte Straße
gesetzt werden mußte. Auch auf dem Fortsetzen des Vorgehens des I.
Reservekorps bestand General v. Falkenhayn, trotz der Bedenken, die bei
diesem Korps infolge des Zurückweichens des Nachbarn zur Linken
entstanden waren. Die Proben auf die deutschen Nerven wurden am 2. Oktober
verschärft; nach anfänglichen Erfolgen wurde das I. Reservekorps
unter schweren Verlusten durch einen rumänischen Gegenangriff
zurückgedrängt. Die Gefahr bestand, daß der Feind versuchen
werde, die 9. Armee von Norden gegen die Fogaraser Alpen zu drängen.
Trotz dieser Gefahr und der schweren Sorgen, die beim Generalkommando des I.
Reservekorps bestanden, blieb der Oberbefehlshaber bei seinem
Entschluß.
Das Aushalten der Nervenprobe machte sich bezahlt. Der Morgen des [611] 3. Oktober zeigte,
daß der Feind seinen Angriff gegen das I. Reservekorps nicht fortgesetzt
hatte; die Bedrohung seiner Südflanke durch den Vormarsch des XXXIX.
Reservekorps südlich des Alt hatte stärker gewirkt als sein
Siegeswille. Er ging offenbar mit neuen Absichten zurück. Dem XXXIX.
Reservekorps gelang es, mit Artilleriefeuer feindliche Kolonnen zu fassen, die
über Fogaras abmarschierten. Der Kommandierende General rechnete
für den nächsten Tag mit feindlichem Widerstande am
Geister-Walde und traf seine Anordnungen, um mit dem Feinde durch dies
Gebirge durchzustoßen.
Das Persaner Gebirge und seine Fortsetzung, der
Geister-Wald, bilden ein unwegsames, zerrissenes, etwa 25 km tiefes
Waldgebirge, mit Rückenhöhen von 800 m, das als
Ausläufer der Fogaraser Alpen die zwischen diesem und den Höhen
des nördlichen Alt-Ufers befindliche Senke nach Osten abschließt.
Außer der Eisenbahn Fogaras - Kronstadt führen zwei
befestigte Straßen durch den Gebirgswall in das Becken des
Burzen-Landes, die Engwege darstellen, da außerhalb der Straßen die
dichtbewaldeten Hänge für geschlossene Truppen und namentlich
Artillerie fast ungangbar sind.
Entsprechend den ergangenen Weisungen eilten am Morgen des 4. Oktober die
Divisionen des XXXIX. Reservekorps vorwärts. Die Hoffnung, den Feind
am Geister-Walde zu fassen, ließ alle Marschanstrengungen vergessen. Es
kam jedoch an diesem Tage nur zu Kämpfen mit Nachhuten der
Rumänen; sie wurden auf deren Hauptstellung geworfen, die man auf den
Höhen westlich Persany und weiter nach Süden sich fortsetzend
erkannte. Erst der nächste Tag, der 5. Oktober, sollte den Angriff
bringen.
Das Armee-Oberkommando, bei dem am späten Abend des 4. Oktober die
Meldung des XXXIX. Reservekorps einging, daß der Feind an den
Westrändern des Persaner Gebirges und des
Geister-Waldes in Stellung stehe, gab dem Korps als nächstes Ziel das
Zurückwerfen des Feindes und Erreichen der Ostränder des Gebirges
in breiter Front. Das I. Reservekorps sollte die
Alt-Übergänge bei Al. Komana und Heviz in Besitz nehmen,
das Kavallerie-Korps Schmettow sich hinter dem I. Reservekorps entlang auf den
linken Flügel der Armee setzen. Als am Morgen des 5. Oktober
Flieger- und Truppenmeldungen eingingen, die Bewegungen des Gegners von
Reps in nordwestlicher Richtung berichteten, wurde das
Kavallerie-Korps und die 71. österreichische Division mit der
Klärung der Verhältnisse und dem Schutz der linken Flanke der
Armee beauftragt.
Indessen begann der Kampf am Geister-Walde. Die Stellung, gegen die sich der
Angriff des XXXIX. Reservekorps richten sollte, war sehr stark. Eine
Möglichkeit, sie von Süden her zu umfassen, wie es strategisch
erwünscht und im Sinne der Absichten des
Armee-Oberkommandos gewesen wäre, bestand bei der Unwegsamkeit der
Fogaraser Alpen und der Ausdehnung der Stellung bis in diese hinein nicht.
General v. Staabs beabsichtigte daher, unter
Zusammen- [612] fassung der Masse
seiner Artillerie am rechten Flügel am Gebirge entlang die feindliche
Stellung zu durchstoßen und so die Front unhaltbar zu machen. Die 76.
Reserve-Division war rechts, die 51. Honved-Division in der Mitte, die 187.
Infanterie-Division links zum Angriff angesetzt, wobei starke Teile der letzteren
über Grid ausholen sollten. Starker Nebel behinderte zunächst die
Artilleriewirkung; feindliche Verstärkungen wurden im Anmarsch
über Vledeni gemeldet. Gegen Mittag sank der Nebel, der Angriff kam in
Fluß. Starke rumänische Gegenangriffe, die sich gegen die 76.
Reserve-Division richteten, brachen im zusammengefaßten Artilleriefeuer
nieder. Indessen war die 187. Infanterie-Division in die Nordflanke der
rumänischen Stellung gelangt.
Die 76. Reserve-Division trat zum Sturm an, die steilen Höhen wurden
erstiegen, der Widerstand des Feindes war gebrochen, er flutete durch das
Waldgebirge zurück, 43 Geschütze in der Hand des Siegers
zurücklassend. Die Verluste der Rumänen waren ungemein schwer,
die des Angreifers sehr gering dank der ausgezeichneten Wirkung seiner
Artillerie.
Beim I. Reservekorps hatte inzwischen die 89.
Infanterie-Division ohne ernsteren Kampf den Alt erreicht und den
Übergang bei Al. Komana besetzt. Die österreichische 71.
Division war in schweren Gefechten, den sich immer wieder setzenden Gegner
werfend, am Abend bis Reps gelangt, wo es noch zu sehr hartnäckigen
Kämpfen um den Ort kam, welche die Nacht hindurch andauerten. Das
Kavallerie-Korps Schmettow war in sehr schwieriger Bewegung hinter den linken
Flügel gelangt, wo es Fühlung mit starker rumänischer
Kavallerie in der Gegend von Meburg hatte. Der Feind war anscheinend dort
überall im Zurückgehen.
Das Armee-Oberkommando der 9. Armee hatte am Nachmittage des 5. Oktober
sein Hauptquartier nach Hermannstadt vorverlegt. Die Hauptkräfte der 2.
rumänischen Armee waren gestellt, Teilen von ihr war durch das XXXIX.
Reservekorps eine schwere Niederlage beigebracht. Ein Vorgehen des Feindes
von Norden her gegen die linke Flanke der 9. Armee, wie es bisher im Bereiche
der Möglichkeit gelegen hatte, kam nicht mehr in Frage. Auch vor der
österreichischen 1. Armee wich der Feind. Damit wurde es immer
wahrscheinlicher, daß die Auffassung über das Handeln der
Rumänen, die seit einigen Tagen beim
Armee-Oberkommando herrschte, zutraf: die Rumänen teilten sich
offenbar, ihre Nordarmee schwenkte nach Norden an den Südflügel
der Russen heran; die 2. Armee ging in südlicher Richtung zurück,
um die Pässe, die aus dem Becken von Kronstadt in die Walachei
führten, zu sperren. Zur Verbindung zwischen beiden Armeen war
anscheinend die 2. Kavallerie-Division eingeschoben. Diese Auffassung von der
Lage mußte den Oberbefehlshaber in den Absichten bestärken, die er
seit dem 4. Oktober für die Fortführung der Operationen hegte, und
die auch an diesem Tage der Obersten Heeresleitung gemeldet waren. General
v. Falkenhayn wollte mit starkem rechten Flügel in das Becken von
Kronstadt [613] eindringen, sich dann
mit der Masse der Armee nach Süden wenden und nur kleinere Abteilungen
in nördlicher Richtung gegen die rückwärtigen Verbindungen
der Nordarmee entsenden, deren Bekämpfung und Verfolgung im
übrigen Aufgabe der 1. österreichischen Armee war. Immer blieb
natürlich das Bestreben maßgebend, den Feind nur schwer
geschlagen entkommen zu lassen.
Dementsprechend wurde am 5. Oktober, abends, angeordnet, daß die
Aufgabe des XXXIX. Reservekorps, mit starkem Druck auf seinem rechten
Flügel in breiter Front durch das Persaner Gebirge und den
Geister-Wald durchzustoßen, bestehen bleibe; das I. Reservekorps hatte den
Feind bei Reps vollends zu schlagen, mit der 71. österreichischen Division
über den Bogat-Sattel vorzugehen, [614] die mit ihren hinteren
Teilen noch abhängende 89.
Infanterie-Division bei Heviz aufschließen und sie dann der 71. folgen zu
lassen; das Kavallerie-Korps Schmettow sollte die feindliche Kavallerie bei
Meburg werfen und seine weitzerstreuten Teile zum weiteren Vorgehen
vereinigen; die 8. österreichische
Gebirgs-Brigade, die der Armee zugeführt wurde und deren erste Teile am
4. Oktober in Hermannstadt eingetroffen waren, wurde zunächst im
Alt-Tale auf Fogaras vorgezogen; es bestand die Absicht, sie zur Umgehung des
Feindes durch das Gebirge anzusetzen. Der 1. österreichischen Armee ging
die Weisung zu, ihre Kräfte nach dem rechten Flügel
zusammenzuziehen und mit diesem baldigst in das Becken der Czik
einzudringen.
Während der letzten Tage, die die 9. Armee von Hermannstadt bis zum
Geister-Walde geführt hatten, hatten auch im
Szurduk-Gebiet die Ereignisse einen günstigen Verlauf genommen. Am 30.
September war General v. Busse zu dem beabsichtigten Angriff
geschritten; noch an diesem Tage hatte die 2. österreichische
Gebirgs-Brigade die Höhen westlich Fagetel erstürmt, am
nächsten Tage wurde die Oboraca genommen und trotz feindlicher
Gegenstöße behauptet. In den folgenden Tagen, am 2. und 3.
Oktober, erneuerten die Rumänen, bei denen Verstärkungen
eingetroffen waren, ihre Versuche, die verlorenen Höhen
wiederzugewinnen, auch bei Petroseny griffen sie an. Überall wurden sie
blutig abgewiesen. Damit war ihre Kraft gebrochen. Am 4. Oktober begannen sie
auf das Grenzgebiet zurückzugehen. Die verbündeten Truppen, die
unter der Bezeichnung 301. Division zusammengefaßt waren, folgten.
Livazeny wurde genommen und am 5. Oktober das auf der
siebenbürgischen Seite von West nach Ost streichende
Jiul-Tal erreicht. Das Armee-Oberkommando hielt den Augenblick gekommen,
die noch dort befindlichen deutschen Bataillone ihren Divisionen, dem
Alpenkorps und der 187. wieder zuzuführen.
Beim XXXIX. Reservekorps waren am frühen Morgen des 6. Oktober alle
Divisionen in Bewegung. General v. Staabs hatte am vorhergehenden
Abend, den Weisungen des
Armee-Oberkommandos vorgreifend und ganz in deren Sinne angeordnet,
daß in breiter Front, dem Feinde scharf nachdrängend, die
Ostausgänge des Geister-Waldes zu erreichen seien. Hierbei hatte er es
schon als eine Aufgabe der auf dem rechten Flügel kämpfenden 76.
Reserve-Division bezeichnet, dem Feinde den Rückzug durch die
Gebirgspässe südlich Kronstadt zu verlegen. Am Vormittage des 6.
Oktober suchte General v. Staabs den Divisionskommandeur auf und wies
ihn nochmals auf die Bedeutung dieser Aufgabe hin. Die Divisionen des Korps
erreichten unter Nachhutkämpfen im Laufe des Tages die Ostränder
des Persaner Gebirges und des Geister-Waldes.
Beim I. Reservekorps hatte die österreichische 71.
Infanterie-Division Reps in hartem Kampfe genommen. Da ihre Truppen
erschöpft waren, zog General v. Morgen die inzwischen bei Heviz
versammelte 89. Infanterie-Division durch die 71. durch und ließ sie
nach dem Bogat-Sattel marschieren, den sie am Abend [615] mit dem Anfange
erreichte. Die österreichische 71.
Infanterie-Division folgte im Alt-Tale aufwärts dem weichenden
Feinde.
Die Kavallerie des Generals Grafen Schmettow erreichte Palos; sie hatte die
rumänische Kavallerie nicht mehr fassen können; auch weiter
nördlich gingen die Rumänen zurück.
Das Armee-Oberkommando ordnete am Abend für das XXXIX.
Reservekorps den Angriff auf Kronstadt an, wobei südlich zu umfassen und
zu versuchen war, den Tömöser Paß zu sperren; das I.
Reservekorps sollte mit seinen Divisionen Marienburg und Köpecz
erreichen; das Kavallerie-Korps Schmettow wurde in die Richtung auf Barot
gewiesen.
In Ausführung dieser Weisungen mußte sich das XXXIX.
Reservekorps am 7. Oktober den Austritt aus den Waldbergen in das Becken von
Kronstadt in schwerem Ringen erkämpfen. Auf dem rechten Flügel
stieß die 76. Reserve-Division, deren Bestreben dahin ging, mit Teilen das
Weidenbach-Tal zu erreichen, um durch dieses gegen den Tömöser
Paß vorzugehen, auf heftigen Widerstand des Feindes, der in starken
Stellungen am Muscelului stand. Südlich ausholende Umfassungsversuche
glückten in dem schwierigen Gelände nicht. Die Division stand bis
tief in die Nacht in schwerem Kampfe, ohne sich den Weg öffnen zu
können. Die Hoffnungen, die Oberbefehlshaber wie Kommandierender
General an das Vorgehen der Division gegen die Rückzugsstraßen
des Feindes geknüpft hatten, waren nicht in Erfüllung gegangen. Im
Gegenteil hatte General v. Staabs der Division noch Verstärkungen
aus den Reserven der 51. Honved-Division zuführen müssen. Auch
bei dieser Division verlief der Tag nicht wunschgemäß. Sie erreichte
Weidenbach, wo General v. Staabs, der den Honveds die Befreiung
Kronstadts vom Feinde zugedacht hatte, sie am Nachmittage schwer
erschöpft vorfand. Bei der herannahenden Dunkelheit hielt der General
einen Angriff nicht mehr für angezeigt; die Division sollte ruhen und mit
Tagesanbruch zum Sturm bereitstehen. Die 187.
Infanterie-Division, die sich vom Nordwesten gegen Kronstadt wandte, fand
harten Widerstand; am Abend gelang es einigen Kompagnien, in den
Nordwestrand der Stadt einzudringen, wo sie sich während der Nacht gegen
alle rumänischen Gegenangriffe behaupteten. Eine Seitenabteilung, die
nördlich an Kronstadt vorbei vorgehen sollte, sah sich am Abend in ihrer
linken Flanke bedroht; Petersberg und der langgestreckte Rücken, auf dem
das Dorf lag, waren von starkem Feinde besetzt; es kam zunächst zu
heftigem Artilleriekampf.
[613]
Skizze 26: Schlacht bei Kronstadt.
|
Vom Kirchtum von Zeiden, einem großen vollkommen deutschen
Marktflecken, hatte General v. Staabs das Gefecht beobachtet, die Perle
Siebenbürgens, Kronstadt, aus dessen Bahnhof Brandsäulen
aufstiegen, vor Augen, rechts vor sich den mächtigen Gipfel des
Königsteins, von diesem durch den Törzburger Paß getrennt
das gewaltige schneebedeckte Massiv des
La Omu-Stockes, südlich der Stadt das Schulergebirge, ein herrliches
Kampfziel, um das das Ringen ging. [616] Die Bevölkerung
von Zeiden hatte Truppen und Stäbe mit hellem Jubel begrüßt,
sie mit Blumen geschmückt und mit Wein gelabt; aus allen Fenstern
wehten Fahnen und aus Hunderten von frischen Mädchenkehlen erklang
immer wieder das Lied: "Deutschland über alles". Man sehnte den
Augenblick herbei, nach dem von deutschen Brüdern aus dem Reich
befreiten Kronstadt eilen zu können. Heute wurde das Ziel allerdings noch
nicht erreicht; Anstrengungen und Geländeschwierigkeiten hatte die 51.
Honved-Division noch nicht wirksam werden lassen, die 187.
Infanterie-Division hatte den Kampf vorläufig allein geführt. Es war
aber kein Zweifel, daß am nächsten Tage der Einzug in die Stadt als
Lohn der Kämpfe winken werde.
Die Divisionen des von Norden anmarschierenden I. Reservekorps waren
allerdings noch weit zurück und bei dem andauernden Marsche bergauf und
bergab ermattet und tief auseinandergezogen.
Dem Armee-Oberkommando waren außer den Meldungen über den
Stand der Dinge beim XXXIX. Reservekorps noch Nachrichten vom General
Grafen Schmettow, dessen Reiter am Nachmittage die Gegend von Homorod
Ujfalu erreicht hatten, zugegangen, nach denen sich zurückgehende
rumänische Kräfte von Norden nach Süden gewandt hatten.
Auch war bekannt, daß Verstärkungen aus der Heimat bei der 2.
rumänischen Armee eingetroffen waren. Ein Flankenstoß des Feindes
von Norden erschien an sich nicht ungünstig. Legten sich die
Rumänen gegen den linken Flügel des XXXIX. Reservekorps
nördlich Kronstadt fest, so kam ihnen das I. Reservekorps am
nächsten Tage in den Rücken, und es konnte ihnen hier eine
vernichtende Niederlage beigebracht werden. In diesem Sinne wurde angeordnet,
daß das I. Reservekorps, von dessen Ermüdung Kunde gekommen
war, am nächsten Morgen 6 Uhr früh marschbereit zu stehen habe.
Auf die vom Oberkommando der 1. österreichischen Armee einlaufende
Mitteilung, daß der vor ihr zurückgehende Feind wohl noch zu fassen
sei, wurde General Graf Schmettow angewiesen, mit der Masse seiner Reiterei
gegen die Straße Szekely
Udvarhely - Czik Szereda vorzugehen. Der erwartete
Flankenstoß schien am Morgen des 8. Oktober zu kommen; auf die
Nachricht, daß überlegener Feind, mehr als eine Division, gegen den
linken Flügel der 187. Infanterie-Division eingesetzt werde, erhielt General
v. Morgen den Befehl, mit der 89.
Infanterie-Division von Marienburg über Brenndorf zum Angriff anzutreten
und die österreichische 71.
Infanterie-Division zunächst nach Arapatak heranzuziehen.
Das Generalkommando des XXXIX. Reservekorps hatte den Angriff auf
Kronstadt so geregelt, daß die 51.
Honved-Division und die 187. Infanterie-Division bei Hellwerden auf
Sturmentfernung an die Stellungen des Feindes heran sein sollten. Es mußte
ein schwieriger Kampf werden. Die Besitznahme der befestigten, ausgedehnten,
auf verschiedenen Höhen liegenden, immer neue Abschnitte und
Stützpunkte bildenden Stadt mußte bei einem hartnäckigen
Feinde [617] zu zähem
Ringen führen. Am frühen Morgen drangen die Honveds der 51.
Division befehlsgemäß in die Stadt ein, wo nun auch für sie
der Straßenkampf begann, den die im Nordwestrande liegenden
Kompagnien der 187. Infanterie-Division seit dem vorhergehenden Abend
führten. Gegen den linken Flügel dieser Division, die vor Petersberg
stehenden Teile, gingen starke rumänische Kräfte vom Dorfe und
dem nördlich streifenden Höhenrücken vor. Die Lage wurde
hier für die schwachen deutschen Abteilungen recht schwierig. Immer von
neuem stürmten die Rumänen mit größter Tapferkeit an,
Geschütze bis in die vorderste Infanterielinie vorführend. Aber alle
Anstürme scheiterten an der Ruhe und der Standhaftigkeit der Braven der
187. Division. Am Nachmittage brach der rumänische Angriff
endgültig zusammen, dreißig von den Deutschen
zusammengeschossene Geschütze blieben liegen. Indessen war der rechte
Flügel der 187. Division in den Ostteil von Kronstadt eingedrungen,
während die Honveds den Westteil vom Feind gesäubert hatten. Im
Südteil der Stadt behaupteten sich am Abend noch die Rumänen. Die
Umfassung durch die 89. Infanterie-Division, auf die man beim
Generalkommando des XXXIX. Reservekorps sehnsüchtig gehofft hatte,
war noch nicht wirksam geworden. Die Division erreichte nach mehrfachen
Gefechten gegen schwächere rumänische Abteilungen am Abend
Brenndorf.
Auch die 76. Reserve-Division kam an diesem Tage vorwärts. Durch
beiderseitige Umfassungsbewegungen fiel erst der Muscelului, dann wurde auch
Törzburg genommen und damit der Paßeingang erreicht. Dagegen
gelang es den gegen den Tömöser Paß angesetzten Abteilungen
nicht, ihre schwierige Aufgabe zu erfüllen.
Das Armee-Oberkommando hatte, um dem Schauplatze der Kämpfe
näher zu sein, sein Hauptquartier nach Fogaras vorverlegt, von wo sich der
Oberbefehlshaber am Nachmittage noch auf das Gefechtsfeld begab, um sich
persönlich vom Stand der Dinge zu überzeugen. Die Kämpfe
waren noch nicht abgeschlossen. Als nächstliegendes Ziel wurde den
Truppen zugewiesen, das Becken von Kronstadt vom Feinde zu säubern.
Dem I. Reservekorps ging der Befehl zu, am 9. Oktober im Morgengrauen den
Angriff mit starkem linken Flügel über die Linie
Petersberg - Honigberg zu führen. Während dieser
Kämpfe hatte die österreichische 8.
Gebirgs-Brigade den Kamm der Fogaraser Alpen erklommen, um sich über
diesen am Königstein vorbei gegen die Straße
Kronstadt - Campulung in den Rücken des Feindes zu
wenden. Ihr wurde nun der Befehl zugeleitet, die Richtung auf Rucar zu nehmen,
um so die Paßstraße zu öffnen.
Der Morgen des 9. Oktober brach heran, nachdem der Straßenkampf die
ganze Nacht angedauert hatte. Am Morgen zeigte es sich, daß die Schlacht
von Kronstadt gewonnen war. Die Rumänen hatten in der Nacht den
Rückzug angetreten und waren im eiligsten Abmarsch, der teilweise in
Flucht ausartete, auf sämtliche Pässe. Ihre Verluste waren schwer,
die Beute an Material erheblich; [618] namentlich waren dem
Sieger auch eine Anzahl mit Verpflegung gefüllter Eisenbahnzüge
in die Hand gefallen, die ihm bei den Nachschubschwierigkeiten auf den wenigen
leistungsfähigen und teilweise verstopften siebenbürgischen Bahnen
sehr zugute kamen. Dank der Hingabe der Truppen und dem einheitlichen
Vorwärtsdrängen aller Führer hatte die 9. Armee einen neuen
schönen Sieg errungen und die 2. rumänische Armee schwer
geschlagen, bei der außer den bereits am
Geister-Wald stark mitgenommenen Divisionen, der 3., 4. und 6., auch zwei
frische, aus der Dobrudscha herangeführte, die 21. und 22., gefochten
hatten.
Alle Verbände der 9. Armee drängten eiligst nach, um dem Feind
noch nach Möglichkeit Abbruch zu tun. Das
Armee-Oberkommando wies am Morgen beide Korps an, dem Feinde
überall an der Klinge zu bleiben und gegen die Paßhöhen
nachzustoßen. Vom XXXIX. Reservekorps wurde die 76.
Reserve-Division auf den Törzburger-Paß angesetzt, die 51.
Honved-Division auf den Tömöser-Paß, die 187. auf den
Altschanz-Paß, das I. Reservekorps hatte auf den
Tatarhavas- und Bodza-Paß vorzugehen. Dementsprechend erreichten bis
zum Abend des Tages: die 8.
Gebirgs-Brigade die Gegend nordwestlich des Königsteins, die 76.
Reserve-Division mit ihrer Masse die Gegend südlich Törzburg, die
gegen den Tömöser-Paß angesetzten Teile hatten im Gebirge
Aufenthalt und Widerstand gefunden und bei der fehlenden
Gebirgsausrüstung ihr Ziel nicht erreichen können; die 51.
Honved-Division gewann, durch Kronstadt vorgehend,
Al. Tömös, die 187.
Infanterie-Division, von der ebenfalls Teile mit den Honveds in den
Tömöser Paß eingedrungen waren, gelangte mit ihrem Gros an
den Eingang in den Altschanz-Paß, wo sie auf eine feindliche Stellung
stieß; vom I. Reservekorps erreichte die 89.
Infanterie-Division den Gebirgsrand bei Tatrang, die österreichische 71.
Division die Gegend nordöstlich Kronstadt. Das
Kavallerie-Korps des Grafen Schmettow, das bereits am vorhergehenden Abend
die Straße nach Czik Szereda bei Szentegyhazas Olafalu erreicht hatte, ohne
noch stärkere Teile des Feindes fassen zu können, gelangte am 9.
Oktober, schwächeren Widerstand des Feindes brechend, mit der 1.
ungarischen Kavallerie-Division nach Czik Szereda, mit den auf den
Ojtoz-Paß angesetzten deutschen
Reiter-Regimentern nach Sepsibükszad.
Im Szurduk-Gebiet hatte in den letzten Tagen General v. Busse, auch nach dem
Abtransport der beiden deutschen Bataillone, seine Angriffe, mit dem Ziel, die
beiden Pässe zu gewinnen, fortgesetzt und weitere Fortschritte errungen.
Am 9. Oktober wurde der Necrului erstürmt, die Pässe selber waren
aber noch nicht erreicht.
Auch das Alpenkorps, dem am 1. Oktober die Aufgabe zugewiesen worden war,
die Bewegung des Gros der Armee in der Südflanke zu sichern, hatte
indessen mancherlei Kämpfe bestanden. Zunächst hatte es sich nach
Osten über die Talstraße hinüber ausgedehnt und
allmählich auch hier seine Abteilungen auf [619] den Gebirgskamm
vorgeschoben, wobei seine Linie naturgemäß sehr dünn
geworden war. In den ersten Tagen nach der Schlacht von Hermannstadt hatte
man an den Rumänen keinen ernsten Widerstand gefunden, erst am 5.
Oktober begannen sie sich erneut zu verstärken und an einzelnen Stellen
auch zu Gegenstößen überzugehen. Von den bei Hermannstadt
geschlagenen beiden Divisionen wurde von der einen, der 2., nichts mehr
gespürt. Dagegen tauchten neu aufgefüllte Teile der anderen, der 13.,
wieder auf, und außerdem war eine frische Division, die 23.,
herangeführt worden, so daß die schwachen Kräfte des
Alpenkorps allmählich eine vierfache Überlegenheit sich
gegenüber hatten, der sich die Jäger und die Bataillone des
bayerischen Leibregiments aber voll gewachsen fühlten und der
gegenüber sie manche Fortschritte in den Bergen machten.
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Links von der 9. Armee war die 1. österreichische Armee dem weichenden
Feinde langsam gefolgt. Dem Befehle des Generals v. Falkenhayn
entsprechend, hatte sie das VI. Korps, bestehend aus der 61.
Infanterie- und der 39. Honved-Division, in der Gegend von Szekely Udvarhely
zusammengezogen, von wo es am 10. Oktober mit Anfängen der Infanterie
das Becken der Czik erreichte, um sich von dort gegen das
Uz- und das Gyimes-Tal zu wenden. Weiter nördlich war den als XXI.
Korps zusammengefaßten Divisionen, der 72.
Infanterie- und der 37. Honved-Division, die Aufgabe zugewiesen, durch das
Gyergyo-Becken gegen den Bekas- und den
Tölgyes-Paß vorzudringen. Der Abstieg in das
Gyergyo-Becken wurde am 10. Oktober in heftigen Kämpfen erreicht. Bis
zum 13. Oktober waren die Rumänen vor der österreichischen 1.
Armee über die Grenze zurückgewichen.
Die erste Aufgabe, welche die beiden Obersten Heeresleitungen dem General
v. Falkenhayn gestellt hatten, war erfüllt. Nachdem er am 19.
September den Befehl über das schwache und noch nicht vollzählig
versammelte Häuflein der 9. Armee übernommen hatte, war in einem
Siegeszuge von drei Wochen, wie ihn die Kriegsgeschichte nicht oft aufzuweisen
hat, das Kronland Siebenbürgen vom Einfall der Rumänen befreit;
zwei feindliche Armeen waren, teilweise bis zur Vernichtung, geschlagen. Aus
der Schlacht von Hermannstadt, in der das Gros der 1. rumänischen Armee
umzingelt und fast völlig vernichtet war, mußten die Divisionen nach
Osten gegen die in bedrohliche Nähe gerückte 2. Armee
herumgeworfen werden. Am Geister-Walde wurde sie gestellt und zum ersten
Male geworfen. Unter dem Eindruck dieser Schläge hatte auch die dritte
der in Siebenbürgen eingebrochenen Armeen, die Nordarmee, den
Rückzug angetreten. Bei Kronstadt versuchte sich die 2. rumänische
Armee den geordneten Abmarsch aus Siebenbürgen zu erkämpfen. In
zweitägigem blutigen Ringen wurden ihre fünf Divisionen von den
weit unterlegenen Kräften der 9. Armee unter schwersten Verlusten
geschlagen und geworfen. Die verbündeten Truppen hatten in diesen drei
Wochen in Kampf und Marsch Beispielloses geleistet. General
v. Falkenhayn sprach ihnen am 10. Oktober in einem Armeebefehl seine
Anerkennung aus:
[620] "In
vierzehntägigem Siegeszuge haben die mir unterstellten Truppen die 1. und
2. rumänische Armee, von denen jede der Kopfzahl nach unseren gegen sie
eingesetzten Kräften stark überlegen war, vernichtend geschlagen
und zersprengt. Hell leuchtet für alle Zeiten der Ruhm der Tage von
Hermannstadt und vor dem Roten
Turm-Paß, am Geister-Wald und von Kronstadt, an der Oboraca und Tulisa.
Der freche Eindringling, der sich schon bis in das Herz Siebenbürgens
geschlichen hatte, ist von dem uns heiligen Boden gefegt. Mit schnellster Flucht
in unwegsame Gebirge glaubte er, sich allein noch der Wucht unserer Waffen
entziehen zu können.
Solche Taten waren nur möglich durch das
unbedingte Zusammenstehen aller für die gemeinsame große Sache,
durch die unerschütterliche Hingabe jedes einzelnen, jedes Führers
wie Mannes an die beschworene Pflicht."
Eine Depesche des Kaisers dankte dem Oberbefehelshaber für seine und
seiner Truppen Leistungen, und die dankbaren Siebenbürger Sachsen
verliehen ihm das Ehrenbürgerrecht ihrer Städte und nannten
Straßen und Plätze nach seinem Namen.
Siebenbürgen war befreit. Der Rumäne hielt jetzt die Pässe,
die Einfallstore in sein Land, und er lag auf den Gebirgskämmen, den
Wällen, die seine Heimat schützten. Der Winter stand vor der
Tür. Die Verbündeten aber mußten über die
Gebirgswälle hinüber. Damit begann am 9. Oktober ein neuer
Operationsabschnitt, der Führung und Truppe vor neue schwere Aufgaben
stellte. Zunächst mußte versucht werden, unter Ausnutzung des
Sieges trotz der Ermattung der Truppen in scharfem Nachdrängen die
Grenzpässe zu gewinnen. Freilich standen bereits frische rumänische
Divisionen dort, und die Pässe waren stark befestigt, mit Panzern versehen,
die Übergänge schwierig; es war nicht zu bezweifeln, daß die
Überwindung des Gebirges harte Kämpfe fordern werde, um so
mehr, als auch dem Rumänen klar sein mußte, daß das
Behaupten oder Verlieren der Pässe für das Schicksal seines Landes
entscheidend war, nachdem der Raubzug in das Siebenbürger Gebiet elend
gescheitert war.
Seit dem 6. Oktober gingen die Absichten des
Armee-Oberkommandos der 9. Armee dahin, zu versuchen, mit dem
geschlagenen Feinde über das Gebirge zu gelangen. Am 8. Oktober,
abends, langte ein Befehl der deutschen Obersten Heeresleitung an, der die
Vorbereitung der Offensive nach Rumänien hinein durch Gewinnen der
Grenzpässe durch die 9. Armee anordnete, während der 1.
österreichischen Armee ein kräftiges Vordrücken in das
Czik-Becken zugewiesen wurde. Die 9. Armee sollte außerdem starke
Infanterie und Kavallerie auf Tirgul-Ocna vortreiben, um die von Norden nach
Süden durch die Moldau führenden Verbindungen abzuschneiden,
und später mit starkem linken Flügel in Rumänien
einbrechen.
Dieser Befehl deckte sich mit den Absichten, wie sie beim
Armee-Oberkommando bestanden hatten und auch der Obersten Heeresleitung
gemeldet waren. [621] Nur von dem
Vorstoß auf Tirgul-Ocna, der Kräfte von der Hauptaufgabe abzog,
versprach sich der Oberbefehlshaber nach genauerer Kenntnis der
Verhältnisse nicht den Erfolg, den die Oberste Heeresleitung erwartete.
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