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Bd. 2: Der deutsche Landkrieg, Zweiter Teil:
Vom Frühjahr 1915 bis zum Winter 1916/1917

Kapitel 4: Die große Offensive 1915 im Osten   (Forts.)
Generalleutnant Max Schwarte

Gesamtansicht von Lemberg.
Gesamtansicht von Lemberg.    [Vergrößern]
Aus: Um Vaterland und Freiheit, Bd. 1, S. 121.
[151] 4. Von Lemberg bis Brest Litowsk.

Schwere Kämpfe hatten zu großen Siegen geführt, die Russen außerordentlich schwere Verluste erlitten. Aber die erhoffte große Entscheidung im Osten war nicht erreicht. Die italienische Gefahr war erträglich geworden; Serbien und Rumänien hatten sich still verhalten und Bulgarien fand jetzt den Entschluß, sich an die Mittelmächte anzuschließen. Großfürst Nikolaj Nikolajewitsch hatte überdies alle Divisionen heranziehen müssen, die bei Odessa gegen Konstantinopel bereitgestellt waren. Aber bei Lemberg war der Durchbruch nicht so weit gediehen, daß die Umfassung der russischen Dnjestr-Front von Norden her sofort eingeleitet werden konnte. Wohl gingen die russischen Armeekorps zurück: VII., XXI. und XVII. nach Osten, XXVII., VIII. und XII. nach Nordosten, IV. Kavallerie-, XXIII., III. kauk., V. kauk., II. kauk. und XXIX. Armeekorps nach Norden; aber starke Nachhuten hielten stand; gegen die k. u. k. 2. Armee gingen die Russen sogar zum Gegenangriff über, der abgewiesen wurde. Ihre Kampfkraft war geschwächt, aber nicht gebrochen.

Die am 22. Juni bei Mackensen einlaufenden neuen Direktiven gaben die Grundlage für die Weiterführung der Operationen:

Generalfeldmarschall v. Mackensen setzt mit 11. und k. u. k. 4. Armee die Verfolgung gegen den in nördlicher Richtung weichenden Feind fort. Zur Deckung seiner rechten Flanke wird ihm das Beskidenkorps (bisher bei k. u. k. 2. Armee) unterstellt. Die letztere scheidet aus der Armeegruppe aus und verfolgt den in östlicher Richtung zurückgehenden Feind.

Der k. u. k. 2. Armee fiel somit eine getrennte Aufgabe zu, die sie gemeinsam mit der Südarmee und der k. u. k. 7. Armee durchzuführen hatte. - Gleichzeitig machte aber die allgemeine Kriegslage und die weiteren Absichten der Obersten Heeresleitung eine Maßnahme nötig, die Mackensens Entschlüsse hemmen mußte: die 11. Armee sollte das XXXXI. Reservekorps, die 8. bayerische und die 56. Infanterie-Division zum Abtransport auf einen anderen Kriegsschauplatz bereitstellen. An deren Stelle wurde eine Kavallerie-Division zugesagt, deren Fehlen im Verlauf der letzten Kämpfe sich nachteilig geltend gemacht hatte.

Vor dem Beginn des neuen Vormarsches wurde deshalb eine Umgruppierung notwendig. Die k. u. k. 2. Armee stand am 23. Juni an den Abschnitten der Klodnica und Dawidowka und weiter in Linie Staresiolo - Barszczowice. Bei Zaputow schloß sich mit dem Beskidenkorps die 11. Armee an.

Gegen die Absicht, die k. u. k. 2. Armee direkt nach Osten vorgehen zu lassen, mußte Mackensen Einspruch erheben, weil sich dann sofort eine breite Lücke zwischen ihr und der 11. Armee gebildet hätte. Er erreichte, daß der linke Flügel der k. u. k. 2. Armee auf Kamionka Strumilowa vorging; von da ab sollte er dann selbst für die Sicherung seiner rechten Flanke sorgen. - Bis zum 26. Juni, dem Tage des erneuten Vorgehens, stellte Mackensen von der 11. Armee bereit:

[152]  Beskidenkorps mit unterstellter 11. Kavallerie-Truppen-Division von Zoltance bis Weryny,
11. bayerische Division bei Turynka - Kulawa
k. u. k. VI. Armeekorps beiderseits Biesiady,
Gardekorps anschließend über Budy bis Hole Rawskie,
XXII. Reservekorps beiderseits Rawa Ruska und
X. Armeekorps bei Potylicz und westlich;
zwei Infanterie-Divisionen (119. und 107.) in zweiter Linie als Armeereserve.

Von der k. u. k. 4. Armee hielten die Korps die bisher gewonnene Linie, die bei Olchowiec den Tanew erreichte und an diesem bis zum San lief; sie hatte drei Infanterie-Divisionen in zweiter Linie als Reserve.

Der weite Vorstoß schien die russische Führung jetzt doch um die am weitesten nach Westen vorgeschobenen Verbände besorgt zu machen: die Divisionen zwischen San und Weichsel gingen hinter den San zurück. Aber auch vor der jenseits der Weichsel stehenden k. u. k. 1. Armee und der Gruppe Woyrsch wurden rückgängige Bewegungen festgestellt. So konnte Mackensen mit Recht darauf hinweisen, daß er auf starken Widerstand rechnen müsse, da dieser allein den Abzug der noch vorwärts der Weichsel und im Weichsel-Bogen stehenden feindlichen Kräften ermögliche. Sein Angriff müsse daher mit starken Kräften erfolgen und eine Umfassung des Gegners von Süden her erstreben. Um sich selbst nicht zu sehr auszudehnen, werde der rechte Flügel über Belz auf Cholm vorgehen. Dazu müsse ihm die Sorge um die stark gefährdete rechte Flanke durch andere Truppen abgenommen, die k. u. k. 2. Armee solle damit beauftragt werden.

Das k. u. k. Armee-Oberkommando antwortete ausweichend: es lasse sich noch nicht übersehen, wieweit die Operation zur Ausführung kommen könne. Sie könne aber vorbereitet und die Verfolgung begonnen werden.

Diese Unbestimmtheit hemmte das Vorgehen der nächsten Tage außerordentlich. Um die rechte Armeeflanke zu sichern, sollte - im Anschluß an k. u. k. 2. Armee - das Beskidenkorps nordostwärts, die anderen Korps, evtl. unter Staffelung rechts, in nördlicher Richtung angreifen. Die k. u. k. 2. Armee kam am 26. Juni nicht vorwärts; das hemmte auch das Vorgehen der 11. Armee, obschon der Gegner seine Stellungen in der Nacht räumte und die anfänglich nahe gelegten Ziele überschritten werden konnten. Die Korps erreichten die Linie Bojaniec - Salacze - Teniatyska - Lowcza, wo sie an die k. u. k. 4. Armee anschlossen.

Zum Vormarsch von Lemberg bis Cholm - Lublin

[153]
      Skizze 3: Zum Vormarsch von Lemberg bis Cholm - Lublin.      [Vergrößern]
Um den Vormarsch zu beschleunigen, wurde die k. u. k. 2. Armee aufgefordert, am 27. Juni Kamionka Strumilowa in Besitz zu nehmen. Und da von der Tanew-Front russische Kräfte im Marsch zur Verstärkung der Mitte festgestellt wurden, erhielt die k. u. k. 4. Armee Befehl, mit dem linken Flügel (an der Weichsel bzw. dem San) anzugreifen, um den gegenüberstehenden Feind zu fesseln.

[153=Karte] [154] In der Nacht zum 27. Juni ging dieser vor allen drei Armeen zurück, so daß es nur vereinzelt zu schweren, sonst nur zu Nachhutkämpfen kam. Die k. u. k. 2. Armee erreichte ihr Ziel auch an diesem Tage nicht. So wurde das Vorgehen der 11. Armee immer mehr zu einem energischen Vorschreiten der Mitte, von der aus die Flügel gegen die k. u. k. 4., und noch stärker gegen die k. u. k. 2. Armee gestaffelt abhingen.

Die erreichte Linie bezeichnen die Orte Batiatycze - Mosty Wielkie - Domaszow - Karow - Kardinalskie - Narol Miasto; k. u. k. 4. Armee hatte bei Plazow Anschluß. - Nach Fliegermeldungen ging der Gegner exzentrisch zurück; vor den rechten Flügelkorps der 11. Armee nach Nordosten und sogar nach Osten, vor den linken Flügelkorps nach Norden, die Mitte durch starke Kavalleriemassen deckend. - Über die Frage der rechten Flankensicherung fehlte noch immer die Entscheidung; und doch drängte die ganze Lage darauf, wenigstens so weit nordwärts Boden zu gewinnen, daß die russische Tanew-Front unhaltbar und der k. u. k. 4. Armee wieder volle Bewegungsfreiheit verschafft wurde. Mackensen hatte schon jetzt die 119. Infanterie-Division einsetzen müssen; sie war mit der bayerischen 11. Infanterie-Division zu einem neuen kombinierten Korps Kneußl vereinigt.

Auch am 28. Juni nahmen die Kämpfe nur bei diesem Korps heftigeren Charakter an. Die k. u. k. 2. Armee erreichte endlich Kamionka Strumilowa und gab damit dem Beskidenkorps etwas mehr Marschfreiheit; der Verlauf der Front blieb aber immer noch ungünstig. Die Mitte gelangte weit nördlich über Tomaszow hinaus; Hopkie - Josefowka - Werachanie und Szara Wola wurden erreicht. Aber der rechte Flügel mußte sich bis Borowe rechts rückwärts staffeln und der linke bei Rowiny Anschluß an die k. u. k. 4. Armee halten. Das blieb auch für die Fortsetzung der Verfolgung am 29. Juni; für die Mitte setzte er als zunächst zu erreichende Ziele die Linie Tyszowce - Labunie, während der rechte Flügel bis zur Mündung der Rata in den Bug folgen sollte. Die k. u. k. 4. Armee erhielt Befehl, in energischem Angriff die Höhen nördlich Josefow zu gewinnen, um die Russen zu zwingen, den Tanew-Abschnitt endlich zu räumen.

An diesem Tage gingen auch die längst ersehnten Direktiven der Obersten Heeresleitung ein: Die Heeresgruppe Mackensen sollte, zwischen Bug und Weichsel nordwärts vorgehend, die Russen erneut angreifen. Den in nordöstlicher Richtung zurückgehenden russischen Kräften sollte die k. u. k. 2. Armee folgen, und zwar mit linkem Flügel bis Kamionka Strumilowa, dann aber hinter diesem Flügel starke Kräfte bereitstellen, um die Sicherung weiter nordwärts bis zur Rata-Mündung durchführen zu können. Weiter würden andere Kräfte dorthin herangeführt werden, die als besondere Armee über Sokal - Radziechow vorgehend nach Bedarf rechts oder links einzugreifen hätten. General v. Woyrsch sei angewiesen, beim Abziehen feindlicher Kräfte an der Weichsel anzugreifen. - Bis zum Eintreffen der in Aussicht gestellten Truppen blieb die Sicherung der [155] rechten Armeeflanke nicht gelöst. Das wirkte auf den Vormarsch der nächsten Tage äußerst hemmend ein, um so mehr als das wieder zur Verfügung gestellte XXXXI. Reservekorps erst herangeholt werden mußte.

Immerhin konnte das Beskidenkorps am 29. und 30. Juni den Feind bis zur Rata-Mündung zurückwerfen; die k. u. k. 2. Armee vermochte keine Fortschritte zu machen. So blieben das Beskidenkorps und das Korps Kneußl in ihrer Rechtsstaffelung weit hinter den anderen Korps zurück, die am 29. Juni Telatyn - Nabroz (k. u. k. VI.) - Tyszowce - Komarow (Garde) - Labunie - Bialowola (XXII. R.) - westlich Bialowola (X.) erreichten. Der energische Vormarsch brachte aber den wichtigen Erfolg, daß die Russen endlich die Stellungen hinter Tanew und San räumten. Die k. u. k. 4. Armee folgte und erreichte den Nordrand der großen, den Tanew begleitenden Waldzone. Auch am 30. Juni wurden, besonders bei der jetzt in rücksichtsloser Verfolgung nachdrängenden k. u. k. 4. Armee, große Fortschritte erzielt. Vom Garde-, XXII. Reserve- und X. Armeekorps wurde die Chaussee Zamocz - Szczebrzeszyn, von der k. u. k. 4. Armee deren Fortsetzung über Gorajec - Frampol - Janow - Modliborzyce - Zdziechowice überschritten. Diese Fesselung wirkte nun auch schon auf den Vormarsch des nächsten (Garde-) Korps empfindlich ein. Dafür erhielt die k. u. k. 4. Armee Befehl, durch energisches Vorgehen mit dem rechten Flügel auf Lublin und mit dem linken an der Weichsel abwärts die russische Front westlich des Stroms unhaltbar zu machen.

Der Vormarsch am 1. Juli verwickelte die drei linken Korps der 11. Armee in sehr schwere Kämpfe.

Auf dem rechten Flügel (Beskidenkorps, Korps Kneußl und k. u. k. VI. Korps) herrschte Ruhe; sie hatten sich schon aufs äußerste ausdehnen müssen; jetzt kam ein weiteres Vorgehen vorerst nicht mehr in Frage. Das Gardekorps griff nach kurzer Artillerievorbereitung den gut verschanzten Gegner an und warf ihn; es besetzte die Höhen nordöstlich Zamosz (Mionczyn - Janowka). Dagegen kam XXII. Reservekorps nicht vorwärts; auch X. Armeekorps konnte sich erst am späten Abend in Besitz zweier Übergänge über den ungangbaren Por in Gegend Zaklodzie (nordwestlich Szczebrzeszyn) setzen. - Die k. u. k. 4. Armee stieß auf geringeren Widerstand; sie erreichte die Straße Turobin - Biskupie - Krasnik (bis dicht an diese Stadt) und die Höhen südlich Krasnik, während der linke Flügel (k. u. k. VIII. Korps) gegen die Wyznica vordrang.

Auch am 2. Juli kamen 11. und k. u. k. 4. Armee vorwärts, nachdem das XXXXI. Reservekorps wieder Anschluß gewonnen hatte und auf dem rechten Flügel zwischen Beskidenkorps und Korps Kneußl eingeschoben wurde. Es erhielt Befehl, auf Golubie und Malkow vorzugehen und vor dieser Front den Gegner auf den Bug zurückzuwerfen. Korps Kneußl konnte nun auf Grubieszow - Trzeszczany angesetzt und den anderen Armeekorps neue Marsch- [156] ziele gegeben werden. - Auch die k. u. k. 4. Armee erhielt Befehl, beschleunigt in Richtung Turobin mit dem rechten Flügel vorzudringen.

Am 2. Juli trafen die ersten Verbände der zwischen k. u. k. 2. und 11. Armee einzuschiebenden k. u. k. 1. Armee bei Zolkiew ein.

Zu einem weiteren Vorgehen sollte es aber vorerst nicht kommen. Der russische Führer hatte die Schwäche der 11. Armee erkannt und nutzte sie zum Gegenstoß gegen ihre aufs äußerste angespannte, lückenhafte rechte Flanke energisch aus. Daß der Gegner bei Wladimir Wolynsk Kräfte zusammengezogen hatte, war dem Armee-Oberkommando bekannt; ihre Stärke und ihr Heranführen gegen die 11. Armee war zweifelhaft geblieben. Jedenfalls traf der am 3. Juli vorbrechende russische Angriff ihre Mitte und den rechten Flügel mit unerwarteter Stärke und Heftigkeit. Die durch das Zurückbleiben der k. u. k. 2. Armee herbeigeführte gespannte Lage machte sich in empfindlichster Weise geltend. Es war ein geradezu kritischer Tag; zum erstenmal seit Beginn des Vormarsches sah sich die Armee zum Einsatz auch ihrer letzten Reserven genötigt.

Gegen die durch den Bug geschützten Divisionen des rechten Flügels erfolgte kein Angriff. Aber schon XXXXI. Reservekorps stieß bei seinem Vormarsch bei Malkow auf hartnäckigen Widerstand; auch Korps Kneußl, auf Grubieszow angesetzt, vermochte den Widerstand des Gegners 10 km südlich der Stadt nicht zu überwinden. Gegen das k. u. k. VI., das Garde-, XXII. Reserve- und das X. Armeekorps griff der Feind, über den Wolica-Abschnitt vorbrechend, energisch an. Das k. u. k. VI. Armeekorps mußte dem Gegner die Höhen nördlich Zukow (südwestlich Grabowiec) zeitweise überlassen und konnte nicht verhindern, daß er sich zwischen seinen Flügel und das Korps Kneußl schob, so daß das Armee-Oberkommando ihm die 22. Infanterie-Division zur Verfügung stellen und aus den nicht angegriffenen Divisionen des rechten Flügels Unterstützungen vorziehen mußte. Am Abend wurden die verlorenen Höhen aber wieder erstürmt und im übrigen die Angriffe auf der ganzen Front abgewiesen. - Bei der k. u. k. 4. Armee gelang es einer Stoßgruppe, die Mitte der feindlichen Front auf etwa 10 km Breite zu durchbrechen; die Fortschritte ihrer anderen Verbände waren gering.

War der feindliche Angriff auch abgewiesen, so hatten die Ereignisse des kritischen 3. Juli die ungünstige, ja direkt gefährliche Lage der Heeresgruppe Mackensen klar vor Augen geführt. Ihr Führer entschloß sich, das weitere Vorgehen einzustellen, bis das Eintreffen der in Aussicht gestellten neuen Kräfte, der k. u. k. 1. Armee, die Lage auf seinem rechten Flügel endgültig gesichert hätte. - Das k. u. k. Heereskommando sah die Notwendigkeit ein und sicherte Maßnahmen zu (Bereitstellen starker Kräfte hinter dem linken Flügel der k. u. k. 2. Armee, beschleunigte Ausladung der k. u. k. 1. Armee bei Zolkiew und ihre Bereitstellung bei Kamionka Strumilowa zum Angriff über den Bug). Allerdings seien zu den einleitenden Schritten mehrere Tage nötig; dann würde auch, gleichzeitig mit dem Angriff der 7. Armee über den Dnjestr und der Armee-Abteilung Woyrsch [157] auf Zwolen, die Ablösung des Beskidenkorps am 7. Juli, das Vorgehen der k. u. k. 1. Armee über den Bug am 13. Juli möglich.

Mackensen meldete daraufhin, daß er erst am 7. Juli wieder angreifen könne. Die Lage habe sich dahin geklärt, daß vor der Mitte und dem linken Flügel der 11. und vor der k. u. k. 4. Armee die Russen sich mit starken Kräften einem deutschen Vorgehen entgegenstellen wollten und erhebliche neue Kräfte bei Cholm und Wladimir Wolynsk, teilweise sogar schon bei Grubieszow bereitgestellt hätten, um den empfindlichen rechten Flügel der 11. Armee anzugreifen.

Aber diese defensiven Absichten hinderten die Korps nicht, durch örtliche Offensive Erfolge zu gewinnen. Der linke Flügel der 11. Armee sollte den eingeleiteten Angriff bis in Höhe von Turobin fortführen. Anderseits aber sollte am 4. Juli die Ablösung des Beskidenkorps und anschließend die Bereitstellung der freiwerdenden Verbände und der eintreffenden Garde-Kavallerie-Division als Armeereserven beginnen.

Vor der k. u. k. 2. Armee ging der Gegner am 4. Juli zurück. Dagegen leistete er mit den über den Bug vorgebrochenen Kräften bei Krylow zähen Widerstand und setzte seine Angriffe gegen die Mitte der 11. Armee energisch fort. Sie wurden aber mit dem Erfolg abgewiesen, daß die Russen wieder auf das Nordufer der Wolica zurückgehen mußten. Der linke Flügel des XXII. Reservekorps und das X. Armeekorps, an dessen Angriff sich unaufgefordert die k. u. k. Infanterie-Regimenter 55 und 58 tapfer beteiligten, warfen in schneidigem Vorgehen die Russen über das befohlene Angriffsziel nach Norden zurück. Auch die k. u. k. 4. Armee hatte mit ihrer Angriffsgruppe vollen Erfolg; sie erreichte die Gegend Zakrzowek und östlich, mit 7000 Gefangenen und 6 Geschützen als Beute.

Durch diesen unerwartet großen Erfolg des linken Flügels der Heeresgruppe veranlaßt, ordnete Mackensen für den 5. Juli weitere Ausbeutung desselben durch energische Verfolgung an. Vor dem rechten Flügel der 11. Armee ging der Gegner, bei Krylow die Brücken verbrennend, über den Bug zurück; die eingeleitete Ablösung der dortigen deutschen Korps hinderte zunächst das Vorgehen; dagegen folgten Garde-, XXII. Reserve- und X. Armeekorps bis an den Wolica-Abschnitt und bis in Höhe von Zolkiewka. Auch die k. u. k. 4. Armee gewann Raum und erreichte Linie Stara Wies - Urzendow, während das linke Flügelkorps sich bei Idalin einen Übergang über die Wyznica erkämpfte.

Die Fliegermeldungen ließen erkennen, daß der Gegner starke Kräfte auf Cholm und Lublin zusammenzog und anscheinend zu einer neuen Armee zusammenstellte. Bis zum Freiwerden des rechten Flügels sollte deshalb der linke Flügel der 11. Armee sein Vorgehen beschränken, die k. u. k. 4. Armee jedoch den Erfolg zur Auswirkung bringen.

Die Geschehnisse der letzten Wochen hatten aber gezeigt (und daran konnten auch diese taktischen Erfolge nichts ändern), daß die russische Widerstandskraft nicht in dem erhofften Maße geschwächt und die Heeresgruppe Mackensen für [158] einen entscheidenden Schlag nicht stark genug sei. Auch die Sicherung der rechten Flanke konnte beim weiteren Vormarsch der auf Wladimir Wolynsk angesetzten k. u. k. 1. Armee nicht allein übertragen werden. Deshalb hatte sich die Oberste Heeresleitung zu einer namhaften Verstärkung der Heeresgruppe entschlossen. Am 4. Juli abends lief bei dieser die Mitteilung ein, daß von der Südarmee das X. Reservekorps nach dem rechten Flügel der Heeresgruppe in Marsch gesetzt sei, dem voraussichtlich eine weitere Infanterie-Division und die 5. Kavallerie-Division folgen würden. Da die 11. Armee damit 20 Infanterie- und 3 Kavallerie-Divisionen zählte, die schwer von einer Stelle geführt werden könnten, werde unter dem General v. Linsingen, bisher Führer der Südarmee, die Bug-Armee gebildet, die dem Generalfeldmarschall v. Mackensen unterstellt bleibe. Auf des letzteren Vorschlag sollten XXXXI. Reserve- und Beskidenkorps, 11. bayerische, 1., 107. Infanterie-, 11. Kavallerie-Truppen- und 5. Kavallerie-Division zur Bug-Armee treten.

Während die hierzu nötigen Ablösungen auf dem rechten Flügel ihren Fortgang nahmen und die linken Flügelkorps der 11. Armee die Russen aus ihrer Stellung warfen, machten diese gegen die Mitte der k. u. k. 4. Armee einen außerordentlich heftigen Gegenstoß aus der Linie Wierzbica - Majdan - Klodnica, der zwar abgewiesen wurde, aber schwere Opfer kostete und das - durch die andauernden Kämpfe und Märsche geschwächte - Angriffsvermögen der Armee lähmte. Die gegen sie ins Gefecht getretenen frischen Kräfte (Garde, XXXI., II. sibirisches und VI. sibirisches Korps) hatten bisher vor der Front Hindenburgs gekämpft. So konnte Mackensen an eine sofortige Weiterführung seiner Operation nicht denken; es wurde notwendig, daß er seine Armeen den Angriff aufs neue vorbereiten ließ - hatte doch die 11. Armee durch die Fesselung des rechten Flügels allmählich eine Frontbreite von 140 km annehmen müssen.

Seine Anordnungen gingen darauf hinaus, zunächst das Eintreffen der Verstärkungen abzuwarten und dann die 11. Armee unter Zusammenziehen nach links für den Angriff bereitzustellen: 6 Korps in vorderer Linie, Garde-Kavallerie auf dem linken Flügel, zwei Kavallerie-Divisionen in der rechten Flanke, drei Korps in zweiter Linie. Die Absicht, die k. u. k. 4. Armee im Angriff zu belassen, hatte sich durch den Gegenangriff als undurchführbar herausgestellt; sie hatte ihre Mitte sogar um ein geringes zurücknehmen müssen und beabsichtigte gleichfalls, sich neu zu gliedern. Sie wollte eine neue Stoßgruppe an der großen Straße Krasnik - Lublin bereitstellen und dann gleichzeitig mit der 11. Armee wieder zum Angriff schreiten.

Dazu sollte es aber nicht kommen. Die russische Führung fühlte sich stark genug, trotz des Mißerfolges am 6. Juli, den Angriff fortzusetzen. Vor den ununterbrochen wiederholten Stößen wich die k. u. k. 4. Armee bis nahe an Krasnik und den Wierzbica-Abschnitt zurück. Auch ihr innerer Halt schien durch diesen Umschlag erschüttert; das Oberkommando meldete, daß die Verbände stark [159] erschöpft und ihre Stärke um 50 v. H. gesunken seien. Es sei nicht sicher, daß die Armee ihre Front werde halten können; Unterstützung sei dringend nötig. - Mit ihrem Rückzug wäre aber auch der linke Flügel der 11. Armee entblößt und diese selbst gefährdet gewesen. So mußte Mackensen zunächst seine Reserve (119. Infanterie-Division) hinter seinen linken Flügel schieben; die k. u. k. 4. Armee aber wurde darauf hingewiesen, daß sie auf eine unmittelbare Unterstützung nicht rechnen könne.

Die Lage der Heeresgruppe war keineswegs günstig; ob die k. u. k. 4. Armee sich würde halten können, schien nicht sicher. Die Verstärkungen waren im Anmarsch, aber noch auf Tage hinaus nicht zum Eingreifen bereit. Es würde aber der Wesensart Mackensens und seines Generalstabschefs nicht entsprochen haben, wenn sie sich hierdurch von ihren Absichten und Zielen hätten ablenken lassen. Im Gegenteil! Ihr am 8. Juli ausgegebener Armeebefehl schuf die Grundlagen für die Weiterführung des Angriffs, der bei der Bug-Armee am 13. Juli, bei der 11. Armee am 15. Juli beginnen sollte. Bis dahin sollen alle Verschiebungen und Anmärsche abgeschlossen sein. Der Befehl ordnete auch die Streifen für das Vorgehen der Armeen an: zwischen der k. u. k. 1. und der Bug-Armee bildete die Linie Belz - Zdzary (am Bug) die beiderseitige Grenze, zwischen Bug- und 11. Armee die Linie Uhnow - Dub - Swidniki - Zagroda - Pniowno. Damit fielen die auf Cholm zurückführenden Straßen in den Operationsstreifen der Bug-Armee, Krasnostaw und die von dort nordwärts führenden großen Straßen in den der 11. Armee, Lublin in den der k. u. k. 4. Armee. Die Frontbreite der sich nach links zusammenschiebenden 11. Armee wurde auf diese Weise so stark verengt, daß sie zwei Divisionen (22. und 119.) als Reserve ausscheiden und das X. Reservekorps gleichfalls als Reserve zurückbehalten konnte. Eingehende Befehle regelten diese Ablösungen und auch den Austausch der Erkundungen usw. mit den ablösenden Truppen.

Die Direktive für die Bug-Armee wies ihr als Aufgabe zu: 11., k. u. k. 4. und Bug-Armee sollen, zwischen Bug und Weichsel vorgehend, die Russen entscheidend schlagen; k. u. k. 1. Armee sichert die rechte Flanke gegen den Feind auf dem rechten Bug-Ufer, zunächst durch Vorgehen auf Wladimir Wolynsk. Armeegruppe Woyrsch stößt über Zwolen vor. Bug-Armee setzt sich, unter Deckung gegen den Bug, zunächst in Höhe der 11. Armee und schließt sich dann deren Vorgehen an. Bei weiterem Vorgehen übernimmt die Bug-Armee auch die Sicherung der rechten Flanke der Heeresgruppe gegen Osten.

An seinem Angriffsgedanken hielt Mackensen auch fest, obgleich sich die Lage der k. u. k. 4. Armee noch schlimmer gestaltete. Vor erneuten russischen Angriffen am 9. Juli mußte sie weiter zurückgehen. Eine österreichische und später die von der serbischen Grenze heranrollende 103. Infanterie-Division sollten ihr Halt geben; aber bis dahin blieb die Lage kritisch, da sie ihre ganzen Reserven fast restlos hatte einsetzen müssen.

[160] Anscheinend hatten aber auch die Russen ihre Stoßkraft verbraucht. Abgesehen von örtlichen Angriffen hörte ihr Vorgehen auf, so daß die k. u. k. 4. Armee sogar, anschließend an das X. Armeekorps, wieder bis an den Urzendowka-Abschnitt vorrücken und auch einige Reserven ausscheiden konnte. Zum erneuten Großangriff bedurfte sie aber der vorherigen Zuführung frischer Kräfte.

Nach den Erkundungen stand die 11. Armee vor einer außerordentlich schweren Aufgabe. Die Russen hatten durch Anstauung des Wolica-Baches den breiten Wiesengrund ungangbar gemacht und mit dem ihnen eigenen Geschick das Nordufer stark befestigt. Der Angriff mußte jedenfalls schwere Opfer kosten. Das fiel aber um so mehr ins Gewicht, als schon in den bisherigen schweren Kämpfen große Verluste eingetreten waren, so daß trotz des Zusammenschiebens die Divisionen noch immer eine übermäßige Frontbreite hatten.

Das Armee-Oberkommando versuchte, durch eine andere Lösung die Aufgabe weniger verlust-, aber gleich erfolgreich zu gestalten. Es sollte der Wolica-Abschnitt frontal nicht entscheidend angegriffen, sondern gegen ihn nur die aus der Reserve vorgezogene 22. Infanterie-Division in breiter Front eingesetzt werden; dafür sollten k. u. k. VI. Armeekorps nach rechts, Gardekorps nach links ihre Gesamtkräfte massieren und am 16. Juli gemeinsam mit den Nachbarkorps östlich und westlich des Abschnitts im Gewaltstoß in die feindlichen Stellungen einbrechen. Mackensen hoffte, auf diese Weise den Abschnitt ohne zu große blutige Opfer zu Fall zu bringen. X. Armeekorps sollte, unter Einsatz der ihm zur Verfügung gestellten 119. Infanterie-Division, mit starkem rechten Flügel sich dem Stoß anschließen, um dem Garde- und XXII. Reservekorps den Angriff zu erleichtern.

Es war zweifellos ein kühner Entschluß; der Gegner hätte während der einleitenden Bewegungen die breit auseinandergezogene 22. Infanterie-Division angreifen und durchstoßen können. Dem kühnen Entschluß sollte - allerdings nicht sofort - Erfolg beschieden sein. Aber auch die Bug-Armee sollte sich dem Angriff anschließen, am 15. Juli angreifen und sich mit der 11. Armee in gleiche Höhe setzen, um am 16. zusammen mit ihr den entscheidenden Angriff durchzuführen.

Bevor er zur Ausführung kam, gingen von der Obersten Heeresleitung neue Direktiven ein, die allerdings in gleichem Sinne, wie Mackensens Absichten lauteten, ihm aber eine neue Grundlage gaben; vor allem regelten sie die bisher so oft als Hemmnis fühlbar gewordene Deckung der rechten Flanke der Heeresgruppe nach des Oberbefehlshabers Wünschen. Für die (um 103. Infanterie-Division verstärkte) Bug-, 11. und k. u. k. 4. Armee blieb die Aufgabe (Vormarsch zwischen Bug und Weichsel) unverändert. Die k. u. k. 1. Armee, zu der XXXXI. Reservekorps, 5. Kavallerie- und 11. Kavallerie-Truppen-Division treten sollten, wurde Mackensen unterstellt; sie sollte seinen Angriff in der rechten Flanke durch Vorstoß über den Bug auf Wladimir Wolynsk mit wenigstens vier [161] Infanterie und drei Kavallerie-Divisionen begleiten, mit dem Rest weiter aufwärts die Deckung des Bug bis zum Anschluß an die k. u. k. 2. Armee übernehmen. Dieser fiel die Deckung des Bug-Abschnitts weiter südlich zu, während die k. u. k. 7. Armee östlich der Strypa angreifen sollte. - Links von der Heeresgruppe Mackensen, also westlich der Weichsel, hatte die Armee-Abteilung Woyrsch zwischen Weichsel und Pilica durch Angriff die dort noch stehenden russischen Kräfte zu fesseln, dann aber im Einklang mit dem Vorgehen der k. u. k. 4. Armee zum entscheidenden Angriff überzugehen und die Weichsel zu überschreiten.

Damit traten auch die bisher westlich dieses Stroms abwartenden Kräfte der Verbündeten aus den auf Fesselung abzielenden Teilangriffen in das System des umfassenden entscheidenden Allgemeinangriffs ein. Die Aufgaben bedingten eine Verschiebung der Vormarsch- und Angriffsstreifen zwischen der um die 103. Infanterie-Division verstärkten k. u. k. 1. und der Bug-Armee. Sie waren besonders für die erste schwer. Kühnheit und Entschlossenheit, und großes Können waren für den Vorstoß über den Bug erforderlich; bei der dem deutschen Oberkommando mangelnden Kenntnis der dortigen Verhältnisse konnten ihrem Führer nur Direktiven gegeben werden. Vorbedingung war die Gewinnung von Brückenköpfen auf dem östlichen Bug-Ufer, d. h. die Gewinnung der beherrschenden Höhen von Sokal und Zdzary. Dann sollte die Armee mit mindestens zwei Korps und drei Kavallerie-Divisionen vorstoßen und die dortigen russischen Kräfte nach Norden zurückwerfen, um sie zu verhindern, gegen die Flanke der Heeresgruppe vorzugehen. Ihre eigene Flankendeckung werde sie durch die starken Kavalleriemassen bewirken können.

Als erste Aufgabe bestimmte Mackensen für seine Armeen die Erreichung der Linie Cholm - Lublin - Nowo Aleksandrja; das bedeutete für die k. u. k. 4. Armee vor allem die Inbesitznahme des Höhengeländes westlich Lublin. - Die k. u. k. 1. Armee bestimmte das k. u. k. I. Armeekorps für die Deckung am oberen Bug; Gruppe Szurmay und XXXXI. Reservekorps sollten über die Linie Zdzary - Litowitz - Molnikow und westlich auf Zabolotce - Budziatycze - Pomorow angreifen und das Kavalleriekorps v. Heydebreck, bei Skomorochy den Bug überschreitend, das Vorgehen in der rechten Flanke begleiten. - Von der Bug-Armee sollten kombiniertes Korps Gerok und Beskidenkorps in erster, 1. Infanterie- und 25. Reserve-Division in zweiter Linie, über Grubieszow - Molodziatycze auf Strzelce - Wojslawice angreifen.

Innerhalb der 11. Armee hatten sich unterdes die Verbände in zwei Stoßgruppen östlich und westlich des Wolica-Abschnitts, 22. Infanterie-Division ihm frontal gegenüber zum Angriff bereitgestellt: k. u. k. VI. Armeekorps bei Skierbieszow rechts, Gardekorps bei Orlow - Mehy links; an dieses weiter links anschließend XXII. Reservekorps bis Borow, X. Armeekorps westlich davon. Als Reserven folgten in zweiter Linie X. Reservekorps (101. und 105. Infanterie-Division), 119. Infanterie- und Garde-Kavallerie-Division.

[162] Bei der k. u. k. 4. Armee standen XVII., XIV., X., IX. und VIII. Armeekorps in erster, zwei Infanterie- und eine Kavallerie-Division in zweiter Linie bis zur Weichsel.

Der Angriff sollte bei der Bug-Armee am 15., auf der übrigen Front am 16. Juli beginnen, ein ausreichendes Wirkungsschießen den Angriff vorbereiten.

Bis zum 16. Juli gelang es der k. u. k. 1. Armee das linke Bug-Ufer zum größten Teil vom Gegner zu säubern und bei Sokal auf dem östlichen Ufer Fuß zu fassen; Gruppe Szurmay wollte am 17. bei Zdzary dorthin folgen.

Die Angriffe der Bug-Armee am 15. und 16. Juli drangen nicht durch und brachten nur geringen örtlichen Raumgewinn. Dagegen hatte 11. Armee vollen Erfolg. Allerdings kam auch das k. u. k. VI. Armeekorps wenig vorwärts, konnte aber in Richtung Lipiny die Wolica überschreiten. Dagegen konnte der linke Armeeflügel, westlich des Wieprz vorstoßend, die feindliche Front auf 20 km Breite bis auf 4 bis 6 km Tiefe durchbrechen. Die Russen verteidigten sich außerordentlich hartnäckig und hatten anscheinend auch ausreichenden Munitionsnachschub erhalten. Die 119. Infanterie-Division hatte sogar in die erste Linie vorgeholt und auf dem rechten Flügel des X. Armeekorps eingesetzt werden müssen. Auch war der Widerstand nicht so weit gebrochen, daß die zur Verfolgung angesetzte Garde-Kavallerie-Division hätte durchstoßen können. - Die k. u. k. 4. Armee, deren Wirkungsschießen durch regnerisches Wetter verzögert worden war, konnte keine Fortschritte erzielen.

Am folgenden Tage (17. Juli) machten die über den Bug vorgeschobenen Teile der k. u. k. 1. Armee einige Fortschritte. - Die Bug-Armee mußte mehrere starke Gegenangriffe abwehren und sich infolgedessen mit geringem Geländegewinn begnügen - trotz Einschiebens der 1. Infanterie-Division beim Korps Gerok. - Vor der 11. Armee warf der Gegner neue Kräfte in die Front; aber ihr linker Flügel setzte den Siegesstoß fort. Das Gardekorps nahm Krasnostaw und schuf sich östlich davon, bei Gory, einen Brückenkopf auf dem rechten Wieprz-Ufer und damit die Vorbedingung zur Aufrollung der russischen Wolica-Front. Auch XXII. Reserve- und X. Armeekorps warfen den sich tapfer schlagenden Feind von Stellung zu Stellung bis in die Linie Jaslikow - Pilaszkowice. Während das k. u. k. VI. Armeekorps keine Fortschritte hatte machen können, gelang es der weit ausgedehnten 22. Infanterie-Division die auf ein Durchbrechen der Mitte abzielenden russischen Angriffe am Wolica-Abschnitt abzuweisen.

Um die dortige russische Stellung einzustoßen, befahl Mackensen für den 18. Juli den gemeinsamen Angriff der 22. Infanterie-Division frontal über die Wolica und der 105. Infanterie-Division von Gory aus in die Flanke. Garde-, XXII. Reserve- und X. Armeekorps sollten durch energisches Weiterführen des Angriffs jenen Stoß erleichtern, die nahe auffolgende Garde-Kavallerie-Division jede Möglichkeit des Durchbruchs in Richtung Piaski ausnutzen.

[163] Am 18. konnte die k. u. k. 1. Armee sich östlich des Bug so bereitstellen, daß sie das Vorgehen auf Wladimir Wolynsk in der Nacht beginnen wollte. Aber aus dem Verlauf der Kämpfe und dem Erscheinen starker frischer Kräfte vor der Front zog Mackensen den Schluß, daß der bisher erwartete Stoß gegen seine rechte Flanke unwahrscheinlich geworden, dafür aber nicht nur ein zäher Widerstand in der Front, sondern auch kräftige Gegenangriffe von Cholm - Lublin zu erwarten seien. Deshalb schien das Zusammenhalten der Kräfte zwischen Bug und Weichsel besonders wichtig, das Vorgehen auf Wladimir Wolynsk von geringerer Bedeutung. Dementsprechend sollte die k. u. k. 1. Armee das XXXXI. Reservekorps an die Bug-Armee abgeben, die Brückenköpfe östlich des Flusses zwar festhalten, aber die Sicherung vor allem defensiv auf dem Westufer durchführen. Nur das Kavallerie-Korps Heydebreck solle auf Wladimir Wolynsk vorgehen. - Von der verstärkten Bug-Armee war jetzt ein energischeres Vorgehen gegen Berdiszcze - Cholm zu erwarten. - Vor dem rechten Flügel der 11. Armee wich endlich der Feind. K. u. k. VI. Armeekorps und 22. Infanterie-Division überschritten die Wolica bis in Höhe von Wysokie - Anielpol. Während die Mitte der Armee schwerste Angriffe mühsam abwehrte, stieß der linke Flügel stark nordwärts bis Jaslikow - Czenstoborowice vor. - K. u. k. 4. Armee gewann nur geringen Raum.

Am 19. Juli beschränkte sich die 1. Armee darauf, die Brückenköpfe am Bug zu Ausgangsstellen für das Vorgehen des Kavallerie-Korps auf Wladimir Wolynsk auszubauen; dafür konnte jetzt endlich die Bug-Armee einen starken Schritt nach vorwärts machen; sie erreichte Grubieszow - Wojslawice. - Vor der 11. Armee wich in der Nacht der Gegner auf eine neue starke Stellung zurück, die er durch Massen zusammengetriebener Männer und Frauen hatte ausbauen lassen und die sich beiderseits des Wieprz von Horodysko über Krupe bis Piaski erstreckte. Nach Wiederherstellung der Verbände schob sich die Armee im Lauf des 19. Juli unter Kämpfen mit Nachhuten bis an die außerordentlich stark und geschickt ausgebaute Stellung heran. - Auch vor der k. u. k. 4. Armee hatten sich die Russen in einer neuen Stellung festgesetzt, die von Chmiel über Bystrzyca auf Chodel und Opole verlief. - Jenseits der Weichsel überschritt an diesem Tage die Armee-Abteilung Woyrsch die Ilzanka, schlug das russische Grenadierkorps und verfolgte es auf Iwangorod.

Vor heftigen russischen Gegenstößen ging am 20. Juli ein Teil der Brückenköpfe am Bug wieder verloren. - Der beabsichtige Angriff der Bug- und 11. Armee kam an diesem Tage nicht zur Durchführung. Wolkenbruchartige Niederschläge, Übermüdung und starke Verluste in den ununterbrochenen Gefechten (das Gardekorps zählte z. B. nur noch 12 000 Mann) und das Eintreffen starker frischer Truppen beim Gegner ließen davon abstehen. - Dagegen stieß die k. u. k. 4. Armee bei Niedrzwica durch die feindliche Stellung und nahm durch das bis zur Weichsel in Höhe der Chodel-Mündung ausgedehnte k. u. k. [164] VIII. Armeekorps Verbindung mit der Armee-Abteilung Woyrsch auf, die in Höhe von Janowice - Zwolen erneut den Gegner geworfen hatte.

Die Verhältnisse forderten eine eingehende Vorbereitung des geplanten Durchbruchs (des siebenten Durchbruchs für die 11. Armee) durch die neue russische Front; sie nahm die Zeit bis zum 29. Juli in Anspruch; heftige Angriffe des Feindes drohten sie empfindlich zu hemmen. Die jetzt von allen Seiten - auch von Westen und Norden, Weichsel und Narew - Raum gewinnenden Angriffe der Verbündeten machten anscheinend die russische Heeresleitung um die ungestörte Rückführung der in Polen stehenden Streitkräfte besorgt. Vor allem schien ihr die Bedrohung in Richtung Wladimir Wolynsk gefährlich. Die Brückenköpfe östlich des Bug griffen die Russen täglich an und versuchten sogar, ihrerseits über den Fluß vorzugehen. Da die Heeresgruppe zur Zeit an eine Ausdehnung der Operationen nicht denken konnte, befahl sie der k. u. k. 1. Armee, sich auf die Abwehr zu beschränken. 5. deutsche und k. u. k. 4. sowie eine von der 2. zur 1. k. u. k. Armee überwiesene weitere österreichische Kavallerie-Division wurden ihr dazu unterstellt und dafür das XXXXI. Reservekorps sowie 11. Kavallerie-Truppen-Division der Bug-Armee überwiesen.

Unter immer wieder (besonders nachts) durchgeführten scharfen Gegenangriffen warf die so verstärkte Bug-Armee die vor ihr stehenden Kräfte unter erheblichen Feindverlusten zurück. Am 27. Juli stand sie dicht vor einer feindlichen Stellung, die sich nördlich der Straße Horodlo - Stepankowice - Jaroslawiec - Uchanie erstreckte und die sie - gleichzeitig am 29. mit der 11. Armee vorgehend - durchbrechen wollte. - Auch bei der k. u. k. 4. Armee gelang es den Korps X und IX, den Gegner aus seiner Stellung zu werfen und den Abschnitt des Chodel-Bachs zu gewinnen. Die Russen wichen auf eine neue, stark ausgebaute Stellung südlich Lublin (Chmiel - Czerniejow - Glusk) zurück. Die Armee schob sich dicht an diese Front vor, um sie - den Hauptstoß mit dem rechten Flügel - gleichfalls am 29. anzugreifen.

Armee-Abteilung Woyrsch durchstieß am 21. Juli die letzte russische Stellung vorwärts Iwangorod und setzte sich in der Einschließungsstellung fest; eine auf Nowo Aleksandrja in Marsch gesetzte Abteilung sollte dort die Weichsel überschreiten, um die Festung von Südosten einzuschließen.

Während dieser Zeit hatte sich die am weitesten vorgegangene 11. Armee außerordentlich heftiger Angriffe zu erwehren, die aber sämtlich mit schweren Verlusten für den Gegner abgewiesen wurden. Für den Durchbruch schob sie das X. Reservekorps in die vordere Linie und bildete unter General v. Emmich eine starke Stoßgruppe (XXII. und X. Reservekorps, X. Armeekorps und 119 Infanterie-Division), der sie eine 30,5-cm-Batterie, 7 Mörser- und 14 schwere Feldhaubitzbatterien überwies, um zunächst westlich des Wieprz auf Trawniki - Biskupice durchzubrechen, dann mit starken Reserven bei Olesniki und südlich den [165] Fluß überschreitend, die vor dem k. u. k. VI. Armee- und dem Gardekorps haltende Front aufzurollen.

Während die k. u. k. 1. Armee auch in der Nacht zum 29. wieder starke feindliche Angriffe abzuweisen hatte, brach am 29. Emmich mit seinen tapferen Truppen zum Sturm vor. In unwiderstehlichem Vorwärtsgehen und mit verhältnismäßig geringen Verlusten wurde ein Stützpunkt nach dem anderen genommen; schon in den frühen Nachmittagsstunden erreichte das X. Reservekorps die beabsichtigten Ziele, X. Armeekorps anschließend den Gielczew-Abschnitt beiderseits Piaski, so daß das XXII. Reservekorps den Wieprz-Abschnitt überschreiten konnte. Trotz der Gefährdung der rechten Flanke hielt die dem preußischen Gardekorps bei Krupe gegenüberstehende russische Garde zäh stand; auch das k. u. k. VI. Armeekorps kam nicht vorwärts. General v. Emmich erhielt deshalb Befehl, am 30. Juli unter Festhalten in der Front starke Kräfte über den Wieprz zu führen, um dort die Entscheidung zu bringen.

Der k. u. k. 4. Armee blieb ein Erfolg versagt; sie wollte nunmehr am 30. Juli mit einer starken Gruppe (k. u. k. VIII. und X. Armeekorps, 24. Infanterie-Truppen-Division) auf dem linken Flügel angreifen.

Unterdes überschritt auf Weisung der Obersten Heeresleitung Generaloberst v. Woyrsch die Weichsel nicht bei Nowo Aleksandrja, sondern unterhalb der Festung (zwischen Kobylnicza und Farnow), ließ mehrere Brücken schlagen, um Iwangorod auf der Ostseite einzuschließen und warf starke Kavallerie zur Zerstörung der Bahnen auf Sobolew vor. K. u. k. 4. Armee erhielt vom k. u. k. Armee-Oberkommando Befehl, die 2. Kavallerie-Truppen-Division zur Verbindung mit der Armee-Abteilung Woyrsch vorzutreiben.

Der Weichselübergang und der Durchbruch bei der 11. Armee veranlaßten die russische Führung, in der Nacht zum 30. Juli die ganze Front zwischen Bug und Weichsel zurückzunehmen in eine neue Stellung, deren rechter Flügel sich an Iwangorod anlehnte. Schon um 5 Uhr morgens, sobald der russische Rückzug erkannt war, ergingen die Befehle zur sofortigen Verfolgung. Nur vor dem rechten Flügel der Bug-Armee, am Flusse selbst, hielt der Gegner noch seine Stellung fest, so daß die Heeresgruppe in sich rechts gestaffelt vorging. Es erreichten am 30. Juli:

  • die Bug-Armee (XXXXI. Reservekorps, 1. Infanterie-Division, Korps Gerok, Beskidenkorps) die Linie Korczewniki - Raciborowice - Leszczany - Wesolowka;
  • 11. Armee (k. u. k. VI. Armeekorps, Gardekorps, XXII. Reservekorps, X. Reservekorps, X. Armeekorps in vorderer Linie, Garde-Kavallerie-Division, 103., 22., 119. Infanterie-Division als Reserve) Zagroda - Rejowiec - Pawlow - Kanie - Lysolaje - Antoniow;
  • k. u. k. 4. Armee (XIV., IX., X., VIII. Armeekorps) überschritt Lublin und stand alsbald vor neuen Stellungen südlich der Chaussee Garbow - Kurow - Nowo Aleksandrja.

[166] Am 31. Juli sollte die Bug-Armee den Gegner noch weiter zurückwerfen und am 1. August nach ausreichenden Erkundungen der gemeinsame Angriff erfolgen. Bug-Armee gegen Bug - Cholm, 11. Armee gegen Cholm - Lenczna, k. u. k. 4. Armee westlich Lenczna. Doch kam es zu diesem Angriff nicht, da die Russen - außer vor der k. u. k. 4. Armee - plötzlich die Stellung räumten. Auch vor der k. u. k. 1. Armee ging der bisher so zäh standhaltende Gegner zurück; doch stießen die sofort verfolgenden Kräfte (Gruppe Szurmay und Kavallerie-Korps Heydebreck) schon am Studzianka-Abschnitt wieder auf hartnäckigen Widerstand.

Die Armee-Abteilung Woyrsch machte nur geringe Fortschritte; der sich vor ihr andauernd verstärkende Gegner ging in der Front und aus Iwangorod zu Gegenangriffen über. Die dringend erwünschte Entlastung für sie sollte durch ein kräftigeres Vorgehen der k. u. k. 4. Armee erzielt werden. Auch der Angriff der Armee-Abteilung Gallwitz über Rozan - Pultusk war zunächst zum Stehen gekommen (s. S. 200).

Der Vormarsch der Bug- und 11. Armee kam in den nächsten Tagen nur langsam vorwärts. Wohl gingen die Russen zurück; aber in dem abschnittsreichen, vielfach sumpfigen Gelände konnten ihre starken Nachhuten zähen Widerstand leisten. - Von der Bug-Armee deckten XXXXI. Reservekorps und 11. Kavallerie-Truppen-Division die Strecke des Bug von der k. u. k. 1. Armee bis zur Bahn Cholm - Kowel. Daran anschließend erreichten ihre Korps bis 3. August die Linie Turka - Ruda - Sawin. Weiter westlich schlossen sich die Korps der 11. Armee an; sie erreichten am 3. August abends Olchowiec und überschritten unter Einnahme von Lenczna den Swinka-Abschnitt. Der rechte Flügel der k. u. k. 4. Armee gelangte an die Einmündung der Bystrzyca in den Wieprz, während der linke Flügel keine Fortschritte hatte machen können; sie beabsichtigte, am folgenden Tage mit starken Kräfte auf Lubartow vorzustoßen.

Armee-Abteilung Woyrsch kam in der Front nur langsam vorwärts, war aber mit den Verbänden des rechten Flügels in die Vorstellungen von Iwangorod eingebrochen.

Zum Vormarsch von Cholm - Lublin auf Brest Litowsk

[167]
      Skizze 4: Zum Vormarsch von Cholm - Lublin auf Brest Litowsk.      [Vergrößern]
Aus den Fliegermeldungen ergab sich, daß die nächste, anscheinend sehr stark ausgebaute und durch ausgedehnte Sumpfstrecken geschützte russische Stellung in der Linie Uchrusk (am Bug) - Hansk - Bruß (Front nach Südwest) - Ostrow - Leszkowice - Unterlauf des Wieprz verlief. Mackensen bereitete den - für den 10. August beabsichtigen - Angriff durch eine starke Linksvorwärtsstaffelung der 11. Armee vor, um in Richtung Parczew durchzustoßen und die am Wieprz stehenden feindlichen Verbände abzuschneiden. Die Weiterführung des Angriffs gegen die Bahn Lukow - Brest Litowsk sollte die Flanke der noch an der Weichsel kämpfenden feindlichen Kräfte treffen. - Zugleich erhielt die k. u. k. 1. Armee Befehl, bis zum Luga-Abschnitt vorzugehen, Wladimir Wolynsk zu besetzen, die Deckung am Bug weiter nördlich auszudehnen und das Kavallerie-Korps gegen [167=Karte] [168] die Bahn Cholm - Luboml anzusetzen. - Der Bug-Armee fiel beim weiteren Vorgehen auch die Deckung gegen den wichtigen Bug-Übergang bei Wlodawa zu. - Während des Vorbrechens der stark links massierten 11. Armee auf Parczew sollte die k. u. k. 4. Armee in Richtung Kock vorgehen und sich dazu den Übergang über den Wieprz bei Lubartow erzwingen, um durch Vorgehen auf dem rechten Ufer die Räumung des Flusses weiter abwärts zu erreichen.

Die Absicht der Heeresgruppe war, hierdurch die an der Weichsel noch starken Widerstand leistenden russischen Kräfte zum Rückzug zu zwingen. Daß die russische Heerführung den Rückmarsch schon eingeleitet hatte, war aus dem bisherigen Verhalten des Gegners nicht erkennbar gewesen; aber der gemeinsame Druck von Süden, Westen und Norden hatte dazu gezwungen. Zu bedauern war, daß in dieser irrigen Auffassung Mackensen glaubte, die Anregung des Führers der Bug-Armee, Generals v. Linsingen, mit starken Kräften am Bug entlang nach Norden vorzustoßen, ablehnen zu müssen. Zweifellos würden durch ein erfolgreiches Vorgehen an dieser Stelle erhebliche russische Kräfte vor Erreichen des Bug abgeschnitten worden sein.

Der Angriff der k. u. k. 1. Armee am 4. August hatte Erfolg; dem auf Kowel zurückgehenden Feind - anscheinend nur Kavallerie - folgte ein Teil des Kavallerie-Korps. Am 7. August ging der Gegner zwar mit mehreren gemischten Abteilungen wieder gegen Wladimir Wolynsk vor, doch griff er nicht an.

Bug-Armee und 11. Armee gruppierten sich für den Angriff und schoben sich, vielfach unter heftigen Gefechten, dicht an die feindliche Stellung heran.

Vor der k. u. k. 4. Armee trat der Feind am 4. August den Rückmarsch an; die Armee folgte sofort und erreichte an diesem Abend überall den Wieprz und nahm auch das im Flußwinkel Wieprz - Weichsel liegende Fort von Iwangorod bei Borowa; zahlreiche Gefangene fielen in die Gewalt der Österreicher. - Vor der Armee-Abteilung Woyrsch räumten die Russen am 4. August Iwangorod und wichen bis über die zweite, der Weichsel parallel laufende Chaussee Lublin - Warschau zwischen Wieprz und Korytnica zurück.

Die Lage hätte jetzt ein sofortiges, energisches Vorgehen gegen die linke Flanke der weichenden feindlichen Kräfte gefordert. Aber die Geländeschwierigkeiten hemmten nicht nur das schnelle Vorgehen der Truppen, sondern machten sich in noch viel stärker einschneidender Weise fühlbar. Seit dem Überschreiten der galizisch-russischen Grenze fehlte jede Bahnverbindung nach rückwärts. Die Entfernungen von der einzig leistungsfähigen Bahn nach Lemberg waren so groß geworden, daß auf den meist schlechten Wegen die Kolonnen nicht mehr den Nachschub leisten konnten. Der Angriff auf die starke russische Ostrow-Stellung mußte vom 10. auf den 12. August verschoben werden, weil die Etappenkolonnen die Munition nicht nachführen konnten.

Während die Bug-Armee am 9. August in einen Teil der feindlichen Stellung eindrang, überschritt die k. u. k. 4. Armee den Wieprz und nahm in Gegend [169] Ryki (nördlich Iwangorod) direkte Fühlung mit der Armee-Abteilung Woyrsch auf, die jetzt mit der 9. Armee die Heeresgruppe Prinz Leopold bildete.

Der allseitige Druck veranlaßte den Gegner, vor der 11. Armee (Mitte und linker Flügel) und der k. u. k. 4. Armee zurückzugehen. Anderseits traten vor dem linken Flügel der k. u. k. 1. Armee wieder starke Verbände aller Waffen auf, so daß aus Gegend beiderseits Wlodawa wieder mit russischen Angriffen gerechnet werden mußte. Tatsächlich war die russische 13. Armee bei Kowel bereitgestellt. Mackensens Gegenmaßregel mußte mit zwei Möglichkeiten rechnen: die feindliche Armee konnte sich westwärts wenden und zwischen der Bahn Cholm - Kowel und Wlodawa sich gegen die Bug-Armee oder aber südsüdwestwärts gegen die k. u. k. 1. Armee wenden; in jedem Falle sollte die angegriffene Armee den Angriff annehmen, die andere dem russischen Angriff in die Flanke stoßen. So der Sorge um den rechten Flügel ledig, sollten 11. und k. u. k. 4. Armee den beabsichtigten Angriff gegen die Ostrow-Stellung durchführen. Allerdings war die Front der k. u. k. 4. Armee durch den Anschluß an die Armee-Abteilung Woyrsch schon so eng geworden, daß am 4. August das X., jetzt das VIII. Armeekorps aus ihr herausgezogen und zur k. u. k. 1. Armee in Marsch gesetzt werden mußte.

Auch am 11. August hatte der gleichzeitige Angriff der Heeresgruppe Mackensen keinen Erfolg; in der folgenden Nacht räumten die Russen ihre Stellung ohne erneuten Kampf. Die Armeen drängten sofort nach. Die Bug-Armee erhielt Befehl, mit starkem rechten Flügel bugabwärts vorzustoßen, um russische Kräfte vor dem Überschreiten abzuschneiden. Der Erfolg der stark rechts rückwärts gestaffelten Armee war gering; die Russen hatten alle Wege und Brücken zerstört und setzten sich mit heftigen Gegenstößen zur Abwehr. Lokuwek - Hansk - Bruß waren die erreichten Ziele. - Die 11. Armee durchschritt ebenfalls die gegnerische - wie sich jetzt erkennen ließ, außerordentlich stark ausgebaute - Stellung, indem sie gleichzeitig durch Zurückziehen mehrerer Korps und Divisionen in die zweite Linie sich zu einer schmalen Front gliederte, während die k. u. k. 4. Armee, deren linker Flügel durch die Bahn Lukow - Iwangorod gegen die Armee-Abteilung Woyrsch abgegrenzt wurde, allmählich immer weitere Korps zu anderer Verwendung herauszog. Am 12. August schied das IX., am 14. das XVII. Korps aus ihrem Verbande, denen zunächst das VIII. folgen sollte.

Den völlig veränderten Verhältnissen trugen neue Weisungen der Obersten Heeresleitung Rechnung: "Gegner ist vor der Heeresgruppe in beschleunigtem Rückzug bugabwärts. Heeresgruppe folgt, unter Sicherung gegen Brest Litowsk, mit linkem Flügel der 11. Armee über Lomazy - Biala auf Janow. Unternehmungen gegen die von Brest Litowsk nach Osten führenden Straßen erwünscht. Heeresgruppe Prinz Leopold geht mit rechtem Flügel über Rogoznica (nordöstlich Miendzyrzec) auf Niemirow, mit dem Kavallerie-Korps auf Kleszczele, um den über den Bug zurückgehenden feindlichen Teilen in den Rücken zu kommen."

[170] Die darauf von der Heeresgruppe getroffenen Anordnungen übertrugen der k. u. k. 1. Armee die Fortführung der bisherigen Aufgabe; der Bug-Armee, der X. Armeekorps und Gardekavallerie-Division zugeteilt wurden, die Sicherung des Bug-Abschnitts und Unternehmungen gegen die von Brest Litowsk ostwärts führenden Straßen; der 11. Armee energisches beschleunigte Vorgehen gegen die Flanke der auf den Bug zurückgehenden feindlichen Verbände. Dazu sollten Garde- und k. u. k. VI. Armeekorps über die Linie Koden - Dobrynka - Horbow gegen Brest Litowsk, X. Reservekorps links am Zielawa- und Krzna-Bach entlang gegen den Bug unterhalb der Festung vorgehen. Die k. u. k. 4. Armee hatte sich zwischen der 11. Armee und der Heeresgruppe Prinz Leopold diesem Vormarsch anzuschließen.

Der Gegner leistete noch am 14. August zähen Widerstand südlich der Straße Polubicze - Slawatycze, den die Armeen nicht brechen konnten. Dagegen nahm die Bug-Armee Wlodawa und schob hier Teile der 82. Reserve-Division über den Bug, um sich dort einen Brückenkopf zu schaffen.

In gleich geschickter Weise setzten die Russen auch am 15. August, unter nachhaltigem Widerstand starker, mit zahlreichen Maschinengewehren ausgestatteter Nachhuten, den Rückmarsch fort. Alle Orte gingen in Flammen auf, Wege und Brücken verfielen nachhaltiger Zerstörung. - Auch vor dem linken Flügel der k. u. k. 1. Armee gingen die Russen zurück; Patrouillen der 11. Kavallerie-Truppen-Division folgten bis zum Nordrand des großen Waldgeländes östlich Dubienka.

Die Bug-Armee konnte mit den von Wlodawa auf Piszcza angesetzten Teilen östlich des Bug wenig Fortschritte machen. Korps Gerok und Beskidenkorps erreichten unter heftigen Kämpfen den Bug unterhalb Wlodawa und die Straße Slawatyce - Tuczna; von der 11. Armee gelangten die in vorderer Linie kämpfenden Korps (Garde-, k. u. k. VI. Armee- und X. Reservekorps) in Linie Tuczna - Biala, während die k. u. k. 4. Armee mit XVII. und VIII. Armeekorps die Krzna westlich Biala überschritten hatten und Armee-Abteilung Woyrsch sich dem Klukowka-Abschnitt näherte.

So war es den, ihre Rückzüge meisterhaft ausführenden Russen gelungen, die großen Massen ihrer Armeen aus Polen über den Bug zurückzuführen; die vor der Front der Bug-Armee zäh kämpfenden Garden würden auch den letzten Verbänden den sicheren Rückzug ermöglichen. Östlich des Bug stand die russische 13. Armee völlig kampfbereit; Zeichen der Auflösung der vielfach geschlagenen, dauernd zurückgehenden übrigen Armeen waren nicht festgestellt worden. Es mußte damit gerechnet werden, daß Großfürst Nikolai Nikolajewitsch seine Armeen östlich der Linie Brest Litowsk - Ossowiec zu neuem Widerstande bereitstellen würde. Höchstens konnte von der nördlich des Bug zwischen Bug und Ossowiec verfolgenden 12. deutschen Armee noch eine Schädigung des Feindes erwartet werden.

[171] Neue Direktiven der Obersten Heeresleitung gaben dem Gedanken Ausdruck, daß der Feind nicht freiwillig, sondern geschlagen, wenn auch in außerordentlich geschickter Weise, zurückgehe. Der Zustand seiner 2., 11., 12. und 3. Armee mache einen russischen Gegenstoß nicht wahrscheinlich; nur auf die im Vormarsch durch die Polesie befindliche 13. Armee könne er eine solche Absicht aufbauen. Deshalb solle die Heeresgruppe durch Verstärkung ihrer Stellungen am Bug und vor Brest Litowsk starke Kräfte freimachen, die, hinter dem rechten Flügel gestaffelt bereitgestellt, den Vorstoß an der Festung vorbei über den Bug rücksichtslos fortsetzen könnten. Eine Verfolgung über die Linie Brest Litowsk - Grodno sei nicht beabsichtigt, es sei denn, daß man durch einen kurzen Vorstoß mit Sicherheit einen erheblichen Vorteil erwarten könne. Kleinere Unternehmungen gegen die von Brest Litowsk ostwärts führenden Straßen seien empfehlenswert, größere Maßnahmen würden aber aus dem Rahmen der Gesamtoperation fallen. - Heeresgruppe Mackensen solle dementsprechend, unter Sicherung am Bug und Einschließung von Brest Litowsk, die Verfolgung nördlich der Festung fortsetzen. K. u. k. XIV. Armeekorps solle das X. Armeekorps und das Kavallerie-Korps am Bug bei Wlodawa ablösen. Dann würden zur Verfügung stehen: zur Sicherung am Bug und gegen Brest Litowsk die Bug-Armee, das k. u. k. VI. Armee- und das XXII. Reservekorps; zur Verfolgung X. Reservekorps, 47. Reserve-, 119., 103., 22. Infanterie-Division, Garde-, X. Armee- und Kavallerie-Korps.

Die Ablösung der deutschen Truppen bei der k. u. k. 1. Armee beanspruchte ziemlich viel Zeit; dann erst konnte die Verfolgung mit voller Kraft aufgenommen werden. Außer der Sicherung am Bug sollte die Bug-Armee Brest Litowsk zwischen Bug und Dobrynka einschließen. Das Vorgehen der 82. Reserve- und der 22. Infanterie-Division bei Wlodawa sollte über die Festigung des Brückenkopfes nicht ausgedehnt werden.

Von der 11. Armee erreichten am 16. August Garde- und k. u. k. VI. Armeekorps die Linie Koden - Dobrynka - Horbow vor der Südwestfront der Festung. Völlige Erschöpfung seiner Truppen infolge der gewaltigen Märsche zwangen X. Reservekorps an diesem Tage östlich Biala zu ruhen, obschon Fliegernachrichten über ein Zusammendrängen großer ungeordneter feindlicher Massen im Winkel zwischen Krzna und Bug zu schnellstem Nachstoßen aufforderten. 47. Reserve-Division und XXII. Reservekorps standen rückwärts des X. Reservekorps. K. u. k. 4. Armee gelangte bis Komarno (nördlich Biala) - Nosow und Armee-Abteilung Woyrsch an den Bug.

Am folgenden Tage meldeten k. u. k. 1. und Bug-Armee, daß der Feind vor ihnen ostwärts zurückgegangen sei. X. Reservekorps gelangte am 17. August bis an den Bug bei Janow, XXII. Reservekorps schob sich nördlich der Krzna bis in Höhe von Rokitno vor. Vor beiden Korps hielten die Russen immer noch in zähem Widerstand zwischen der Krzna und dem Bug zum Schutz der dort ver- [172] bliebenen Kräfte. - Auch die k. u. k. 4. Armee gelangte an den Bug, sie hielt gegen einen etwaigen Vorstoß aus der Festung starke Reserven bereit.

Die Festungsgeschütze der Westfront der Festung feuerten gegen die Einschließungstruppen, die sofort Erkundungen einleiteten. Die am Bug stehenden Korps trafen Vorbereitungen zum Überschreiten des Flusses; Armee-Abteilung Woyrsch stand im Kampf um den Übergang.

Der Rückzug der Russen veranlaßte die Heeresgruppe zur Weisung an die k. u. k. 1. Armee, Kowel als wichtigen Bahnknotenpunkt zu besetzen; doch sei an ein Vorschieben stärkerer Kräfte dorthin nicht gedacht, da der k. u. k. 1. und 4. Armee andere Aufgaben (Angriff gegen die russische Südwestarmee) zugedacht seien; wohl aber seien von hier Unternehmungen gegen die aus Brest Litowsk nach Osten führenden Straßen möglich. - Die Bug-Armee mit zugeteiltem k. u. k. VI. Armeekorps sollte Brest Litowsk auf Süd- und Westfront einschließen und den Angriff durchführen; nördlich der Krzna sollten Teile der 11. Armee die Einschließung bewirken. An drei Stellen drangen (bei Wlodawa und unterhalb) Teile der Bug-Armee ohne erheblichen Widerstand auf Piszczac vor.

Die Oberste Heeresleitung hatte darauf hingewiesen, daß der Gegner dauernd vor der 9. und 12. Armee zurückgehe und ein energisches Vorgehen der Heeresgruppe, besonders der 11. Armee, über den Bug von Wichtigkeit sei. XXII. und X. Reservekorps griffen am 17. erneut die feindlichen Stellungen zwischen Krzna und Bug (bei Lipnica und nördlich) an, konnten aber nicht bis zum Bug durchstoßen. K. u. k. 4. Armee und 105. Infanterie-Division schickten sich an, den Bug bei Janow zu überschreiten: Armee-Abteilung Woyrsch erzwang mit ihren unermüdlich marschierenden, tapfer kämpfenden Landwehren an diesem Tage den Übergang und setzte sich auf den Höhen von Niemierow - Mielnik fest.

An den folgenden Tagen nahm das Kavallerie-Korps Heydebreck ohne erheblichen Widerstand Kowel. Die Bug-Armee schob sich, auch auf dem östlichen Ufer bugabwärts vordringend, gegen Brest Litowsk näher heran. Während XXII. Reservekorps und Teile des X. Reservekorps noch immer gegen die verzweifelt sich wehrenden Nachhuten der im Flußwinkel sich stauenden russischen Massen kämpften (die über Brest Litowsk nach Osten führenden Straßen waren von Menschen und Kolonnen überfüllt und verstopft), überschritt der linke Flügel des X. Reservekorps am Morgen des 19. August den Bug im Zuge der Straße Janow - Wolczyn; hinter ihr wurden 103. Infanterie-Division und Garde-Kavallerie-Division über den Bug geschoben und gegen die von Wysoko Litowsk ostwärts laufenden Straßen angesetzt.

Westlich von Janow überschritt auch die k. u. k. 4. Armee (XVII. und VIII. Armeekorps) den Bug, erreichte den Koterka-Abschnitt Wolczyn - Tokary und füllte damit den Raum zur Armee-Abteilung Woyrsch aus. Wie die einlaufenden Nachrichten erkennen ließen, schickten sich die Russen an, den Rückzug durch den Bialowieser Wald fortzusetzen.

[173] Auch am 20. August ging der Kampf um die im Flußwinkel immer enger zusammengedrängten russischen Massen weiter. Das X. Reservekorps, dem das Gardekorps über den Bug folgte, kämpfte gemeinsam mit der Garde-Kavallerie-Division um den Pulwa-Abschnitt, die k. u. k. 4. Armee um den Koterka-Abschnitt und erstürmte Tokary gemeinsam mit der Armee-Abteilung Woyrsch, deren linker Flügel nördlich der Bahn Zerczyce - Wolka die russische Stellung durchbrach.

Aus dem Weichen der russischen Front heraus rechnete die österreichische Heeresleitung mit der Möglichkeit, daß auch die russische Südwestarmee zurückgehen könne, bevor sie den gegen ihre rechte Flanke in Richtung Luck beabsichtigten Schlag ausführen könne. Sie befahl daher, daß die 1. Armee sich zum sofortigen Angriff beim Beginn rückgängiger Bewegungen bereitstellen und dazu mit einer Division des Kavallerie-Korps Heydebreck Wladimir Wolynsk fest in die Hand nehmen sollte. Durch diesen Befehl schied die k. u. k. 1. Armee aus dem Verbande der Heeresgruppe Mackensen aus. - Das Kavallerie-Korps besetzte am 23. August Kowel und trieb starke Abteilungen nach Osten, Nordosten und Norden vor.

Die Bug-Armee stieß in den Waldungen östlich des Bug auf zähen Widerstand, der ihren Vormarsch nach Norden empfindlich hemmte. Selbst zu Gegenstößen gingen die Russen über. 1., 22. Infanterie-Division, Korps Gerok und XXXXI. Reservekorps gewannen nur langsam Raum nach vorwärts. - Selbst westlich des Bug leisteten die Russen gegen den linken Flügel der Bug- und den rechten Flügel der 11. Armee noch außerordentlich heftigen Widerstand.

Auch nördlich des Bug kämpfte der Gegner am 22. August anfangs noch hartnäckig, gab dann aber vor der k. u. k. 4. Armee nach, die am Abend bis an die obere Pulwa bei Wysoko Litowsk kam, während der rechte Flügel der Armee-Abteilung Woyrsch Suchodol erstürmte.

Die Kämpfe vor Brest Litowsk gingen ununterbrochen weiter. Der linke Flügel der Bug-Armee schob sich, ebenso wie der rechte der 11. Armee langsam schärfer an die Außenstellungen vor; X. Reservekorps hatte endlich mit weiteren Teilen den Bug überschreiten und im Winkel zwischen Bug und unterer Lesna gegen die Nordwestfront vorgehen können. Weiter nördlich hatte es des Einsatzes des nachgezogenen Gardekorps bedurft, um den Pulwa-Abschnitt am 24. August zu öffnen und bis halbwegs zwischen Pulwa und Lesna vorzugehen.

K. u. k. 4. Armee und Armee-Abteilung Woyrsch gelang es, auch die Stellungen östlich Wysoko Litowsk zu durchbrechen und über Wierchowicze - Omieleniec zu verfolgen.

Die Heeresgruppe rechnete mit einem hartnäckigen Widerstand hinter der Lesna zwischen Brest Litowsk und dem Bielowieser Forst - wenigstens so lange, wie der Gegner die Festung zu halten beabsichtigte. Allerdings hatten Gefangene ausgesagt, daß eine nachhaltige Verteidigung nicht beabsichtigt sei; aber Merkmale, die diese Absicht ankündigten, lagen bisher nicht vor. Doch auch nach Abgabe der Sicherungstruppen gegen Brest Litowsk schien die Heeresgruppe [174] Mackensen ausreichend stark, um gemeinsam mit der 9. Armee im frontalen Angriff den Gegner am Lesna-Abschnitt zu werfen.

Daß der Bug-Armee ein schnelles Vorgehen durch die Polesie gegen die Flanke des weichenden feindlichen Heeres möglich sein könnte, war bei den außerordentlich schwierigen Geländeverhältnissen nicht anzunehmen.

Auf Grund der Entwicklung der Lage wies die Oberste Heeresleitung die Heeresgruppe Prinz Leopold darauf hin, daß es wichtig sei, südlich des Bielowieser Waldes - rechter Flügel über Horodyszcze - beschleunigt vorzugehen und dann südwärts gegen die Rückzugsstraßen der noch vor 11. und k. u. k. 4. Armee haltenden Kräfte einzuschwenken. Armee-Oberkommando Mackensen bereitete den Angriff gegen die Westfront der Festung Brest Litowsk vor.

Der Angriff sollte aber nicht erforderlich werden. In der Nacht zum 25. August zeigten gewaltige Feuersbrünste und zahlreiche heftige Detonationen an, daß die Russen Brest Litowsk aufgaben. Sofort ergingen an die Armeen Weisungen zur weiteren Verfolgung; aber überall, am Bug, in der Fortslinie, an der Lesna und dann in einer zur Südwestecke des Bielowieser Waldes sich hinziehenden Stellung stießen sie auf zähen Widerstand. So blieb auch jetzt noch die Möglichkeit, durch scharfen Druck der äußeren Flügel (Bug-Armee, verstärkt durch zwei Divisionen des Kavallerie-Korps Heydebreck, von Süden, 9. Armee von Norden) die vor der 11. und k. u. k. 4. Armee durch scharfen Angriff zu fesselnden feindlichen Massen empfindlich zu schädigen. Die erlassenen Befehle forderten energisches Anfassen auf der ganzen Front.

Am 26. August nahmen die Truppen der inneren Flügel der Bug- und der 11. Armee die Forts der Festung im Sturm und drängten ostwärts nach; in der Festung konnten trotz der gewaltigen Feuersbrünste noch ungeheure Mengen von Vorräten an Lebensmitteln und Munition gerettet werden. Durch die Festung hindurch, über den Bug südlich und über die vom Feinde preisgegebene Lesna-Stellung schoben sich Bug-, 11., k. u. k. 4. und 9. Armee nach.

Mit dem Fall von Brest Litowsk hatte die Heeresgruppe Mackensen die ihr zuletzt gestellte Aufgabe abgeschlossen. Sie hatte sie nicht in dem Sinne erfüllen können, wie sie vielleicht als höchstes Ziel beabsichtig war. Eine Vernichtung der in Polen stehenden gewaltigen russischen Armeen hatte sie nicht erzielt. Daran traf sie aber nicht die Schuld. Die ihr gestellte Aufgabe hatte sich mit den ihr überwiesenen Kräften und bei den außerordentlich ungünstigen Gelände- und Verkehrsverhältnissen nicht in besserer Weise lösen lassen. Führer und Truppen hatten an Entbehrungen, Anstrengungen und Kämpfen das äußerste und höchste geleistet. Von den in Polen eingesetzten Kräften hatte die die längste und schwierigste Kampfarbeit erfolgreich durchgeführt; an dem erzielten Erfolg durfte sie den Hauptanteil für sich beanspruchen.

Der Kampf war aber noch nicht zu Ende; noch durch Wochen zogen sich Verfolgungskämpfe, oft hartnäckiger Art, hin, bis die Erschöpfung der Truppen, ihr [175] Herausziehen zu anderen Aufgaben, Gelände- und Witterungsverhältnisse sie zum Abschluß brachten. Eine möglichst kurze, zur nachhaltigen Verteidigung geeignete Stellung zu gewinnen unter gleichzeitiger stärkster Schädigung der weichenden Russen war das nächste Ziel.

Der österreichischen Heeresleitung lag daran, durch ein weiteres Vorgehen nach Osten eine bessere Sicherheit für das wichtige Lemberg zu erreichen, dann aber mit der 4. und 1. Armee durch Angriff südwärts gemeinsam mit der k. u. k. 2. und der Südarmee den noch in russischer Gewalt befindlichen Geländeteil zu befreien. Bei dem am 27. August beginnenden Vorgehen lag der Heeresgruppe Mackensen die Aufgabe ob, durch die unwegsame Polesie Verbindung mit ihr aufrechtzuerhalten.

Eine Weisung der Obersten Heeresleitung beauftragte die Heeresgruppe Prinz Leopold mit der Sperrung des Westrandes des Bielowieser Waldes, während ihr rechter Flügel südlich desselben sich an der Verfolgung beteiligen sollte. Infolge der sich stark verengenden Front wurde nunmehr die k. u. k. 4. Armee bei Wysoko Litowsk angehalten, um auf den rechten Flügel der k. u. k. 1. Armee abzumarschieren; sie schied damit aus der Heeresgruppe aus. X. Reservekorps der 11. Armee trat nunmehr in Fühlung mit der rechten Flügelgruppe (Koeveß) der 9. Armee, deren Mitte und linker Flügel mit dem Korps Frommel bis Siemienowka den Wald sperrte. - 12. Armee nahm an diesem Tage nach schweren Kämpfen Bialystok.

Eine Direktive der Obersten Heeresleitung wies auf die Möglichkeit, durch scharfes Vordringen von Brest Litowsk nach Osten die weiter südlich noch haltenden Kräfte abzuschneiden. - Der Vormarsch kam aber nur zögernd vorwärts. Außer hartnäckigen Nachhutgefechten brachten die Russen ein neues, infames Abwehrverfahren zur Anwendung. Die von ihnen auf dem Rückzug mitgeschleppten Einwohner trieben sie zu Tausenden den verfolgenden Kolonnen entgegen, die meist zerstörten Straßen und Wege dadurch vollständig sperrend. Überdies hatten sie alle Brücken zerstört, alle Schleusen des Sumpfgeländes südöstlich Kobryn öffnen, alle Staudämme durchstechen lassen, um das ganze Gelände zu versumpfen. Allerdings kamen infolge des heißen, trockenen Sommers diese Maßregeln nicht voll zu der erhofften Wirkung.

Eine am 28. August einlaufende neue Weisung der Obersten Heeresleitung bestimmte, daß der Vormarsch der Heeresgruppen Mackensen und Prinz Leopold mit den Massen am Ostrande des Sumpfgebiets südlich Kobryn einzustellen sei; nur kleinere Verbände aller Waffen sollten dem Feinde weiter folgen. Ob eine Mitwirkung der Verbände des nördlichen Flügels bei der Öffnung des Bielowieser Forstes stattzufinden habe, werde später bestimmt.

Heeresgruppe Mackensen erhielt Befehl, eine zum dauernden Festhalten mit möglichst schwachen Kräften geeignete Stellung auszusuchen, die von der Mündung der Ucherka in den Bug bis zur Chaussee Wysoko Litowsk - Kaminiec Litowsk reichen solle. Die Stellung solle so weit nach Osten vorgeschoben sein, daß die [176] Bahn Cholm - Brest Litowsk nicht gefährdet sei. Die Ostfront der Festung sei wieder verteidigungsfähig auszubauen. - Heeresgruppe Prinz Leopold werde am Westrand oder quer durch den Bielowieser Forst bis zur Narewka-Mündung in den Narew eine Stellung schaffen.

Das Oberkommando wollte aber die eingeleitete Operation gegen den noch bei Kobryn haltenden Gegner durchführen und ihn bis über das Sumpfgelände hinaus nach Osten zurückwerfen. Dann erst solle mit dem Bau der Dauerstellung begonnen werden.

Die Kämpfe setzten sich unter dauernden langsamen Fortschritten auf der ganzen Front fort. Aus ihren Ergebnissen, besonders der Gefangenenzahl, folgerte die Oberste Heeresleitung, daß auch jetzt noch eine erhebliche Schädigung des Gegners möglich sei, und ordnete an, daß die Heeresgruppe Mackensen noch bis zur Jasiolda energisch nachdrängen solle. Bug- und 11. Armee wurden dementsprechend im Vorgehen auf die Jasiolda belassen, dabei aber das Gardekorps zu anderer Verwendung herausgezogen und vom 1. September ab auf Warschau in Marsch gesetzt.

Die schwierigen Verhältnisse, unter denen die Bug-Armee sich unter steten Kämpfen langsam vorarbeiten mußte, gestatteten ihr rechtzeitiges Einschwenken gegen die Flanke des vor der 11. Armee kämpfenden Gegners nicht. Die Oberste Heeresleitung hielt aber ihre Weisung aufrecht. Während des weiteren Vormarsches schieden 11. bayerische Infanterie-Division und X. Reservekorps aus, so daß schließlich das durch 119. und 47. Reserve-Division verstärkte X. Armeekorps den Befehl erhielt, den Jasiolda-Abschnitt zu besetzen und nur mit Detachements darüber hinaus zu folgen.

Als nördlich des Bielowieser Forstes 12. und 8. Armee erneut auf stärkeren Widerstand stießen, erhielt die Heeresgruppe Befehl, mit starken Kräften über Kossow auf Slonim (anschließend an den rechten Flügel der Heeresgruppe Prinz Leopold) vorzustoßen. Mackensen beauftragte damit den General v. d. Marwitz mit seinem Beskidenkorps, der 47. Reserve- und der Garde-Kavallerie-Division, während die Bug-Armee die Verfolgung auf Pinsk fortsetzte und die 11. Armee die Jasiolda hielt.

Auch an den folgenden Tagen wurden unter andauernden Gefechten die Russen zurückgedrängt; zu entscheidenden Schlägen konnte es aber bei den außerordentlich schwierigen Verhältnissen nicht mehr kommen. Dazu schieden die 25. Infanterie-Division, das XXII. Reservekorps und X. Armeekorps aus; 119. Infanterie-Division trat zur Gruppe Woyrsch über; die 11. Kavallerie-Truppen-Division sollte zur k. u. k. 4. Armee abmarschieren.

Sowohl der Rest der 11. Armee, wie die Gruppe Woyrsch konnten den Übergang über die Jasiolda nicht mehr erzwingen. Nach dem Ausscheiden der starken Kräfte war das Angriffsvermögen der Heeresgruppe erschöpft, um so mehr als die Nachschubschwierigkeiten bei der weiten Entfernung (130 km) von der [177] Bahn, dem ungeahnt hohen Munitionsverbrauch und dem jetzt einsetzenden Dauerregen außerordentlich groß wurden. - Als am 8. September das Oberkommando zu anderer Verwendung abberufen wurde, deckte die 5. Kavallerie-Division am Dnjepr - Bug-Kanal die rechte Flanke; an sie schloß sich bis zur Chaussee Kobryn - Pinsk das XXXXI. Reservekorps, weiter nordwärts 107., 1. und 22. Infanterie-Division bis zur Jasiolda und an diese das Beskidenkorps mit der Garde-Kavallerie-, 35. und 47. Reserve-Division (4. Infanterie-Division als Reserve dahinter) und auf dem äußersten Flügel, im Anschluß an Gruppe Woyrsch, die 19. Infanterie-Division.

In dieser Gliederung wurden die Verbände dem Oberkommando der Bug-Armee, General v. Linsingen, unterstellt.

Eine Ruhepause war nach den ungeheuren Anstrengungen der vier letzten Monate geboten. Die Mannschaften und Pferde hatten vielfach Mangel gelitten und waren völlig erschöpft, die Rohre der Artillerie derart ausgeschossen, daß sie ausgewechselt werden mußten. Trotzdem entschloß sich General v. Linsingen, als Fliegermeldungen von dauerndem Rückmarsch der Russen berichteten, noch einmal zum teilweisen Vorgehen. Am 12. September setzte er Teile der Bug-Armee auf Pinsk in Marsch, das am 16. September vom XXXXI. Reservekorps genommen wurde. Die Russen gingen vor der Jasiolda und über den Oginski-Kanal zurück. Damit schien eine kurze, zur dauernden Verteidigung geeignete Linie gewonnen, deren Ausbau sofort begonnen wurde.

Was die Verbände der Heeresgruppe Mackensen geleistet haben, gehört zu dem größten aller Zeiten. Einzelne von ihnen haben 4½ Monate ohne Ablösung in schwersten Angriffskämpfen durchgehalten; Ruhepausen gab es nur in den kurzen Tagen, an denen eine Umgruppierung oder eine Vorbereitung zu neuem Angriff erforderlich wurde. So hat beispielsweise das Gardekorps in dieser Zeit über 70 Gefechte, 7 große Durchbrüche durchkämpft, 750 km Raum auf schlechtesten Wegen durchmessen, über 21 000 Mann verloren. Bei der brutalen Zerstörungstaktik der Russen war das Biwak tägliche Gewohnheit, damit aber auch mangelnde Körperpflege und Zunahme des Ungeziefers in erschreckendem Maße. Bade- und Entlausungsanstalten konnten im dauernden Bewegungskriege nicht hergestellt werden. Wäre der Sommer nicht besonders heiß und trocken gewesen, würde der Feldzug wohl nicht möglich gewesen sein. Dazu trat aber ein weiterer Umstand: bei den mangelhaften Verkehrsmöglichkeiten war eine gute Verpflegung der Truppe nicht mehr durchführbar. Es ist eine Genugtuung für die Etappe gewesen, daß sie es ermöglichte, die Operationen bis zum Abschluß aufrecht zu erhalten; aber die Führung stand mehrfach in schwerster Sorge vor der Frage, ob nicht der Mangel an Verpflegung und Munition zum Verzicht zwingen würde. Die Grundlagen zum Zusammenbruch der russischen Macht sind in diesem Sommer geschaffen, trotz steter Minderzahl, durch moralische Überlegenheit der Führer und Truppen der Mittelmächte.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte