[246] Schulwesen
1. Die Unterdrückung des deutschen Schulwesens Um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden unter der russischen Herrschaft deutsche Kantoratsschulen, die allerdings oft durch die russische Gouvernementsverwaltung bekämpft wurden. Die Haltung der evangelischen Pfarrer der damaligen Zeit muß in diesem Zusammenhang anerkennend erwähnt werden, da sich diese evangelischen Pfarrer für die Gründung deutscher Schulen bei der russischen Regierung mit Erfolg einsetzten. Sie verhinderten damit eine Polonisierung oder Russifizierung der deutschen Volksgruppen. Bis zum Weltkriege haben sich in den Grenzen des heutigen Distrikts Warschau etwa 40 solcher Kantoratsschulen erhalten. Während des Weltkrieges hat das deutsche Schulwesen in der Zeit der deutschen Besetzung einen vorübergehenden Aufschwung genommen. Die deutschen Schulen wurden damals zu einem Landesschulverband zusammengeschlossen und einheitlich von ihm betreut. Diese erfolgversprechende Entwicklung wurde nach dem Weltkrieg durch den neu entstandenen polnischen Staat jäh unterbrochen. Bereits am 3. 3. 1919 wurde der deutsche Landesschulverband durch die polnische Regierung aufgelöst und sein Vermögen den polnischen Schulen zugeteilt. Die deutschen Schulen wurden verstaatlicht und damit ihres deutschen Charakters entblößt, so daß sie dem Untergang geweiht waren. Tatsächlich war von den etwa 40 Schulen, die bis zum Jahre 1919 im Gebiet des jetzigen Distrikts Warschau bestanden hatten, Anfang 1939 praktisch keine einzige mehr vorhanden; denn die wenigen [247] Schulen, die von den Polen noch als deutsche Schulen bezeichnet wurden, standen nur auf dem Papier. Gewiß war formell neben der polnischen Sprache auch die deutsche Sprache als Unterrichtssprache zugelassen, tatsächlich wurde aber der gesamte Unterricht vom zweiten Schuljahr aufwärts in der polnischen Sprache erteilt. Lediglich im ersten Schuljahr mußte in den rein deutschen Siedlungen, in denen die deutschen Kinder die polnische Sprache überhaupt nicht beherrschten, notgedrungen die Muttersprache der Kinder etwas berücksichtigt werden. Im Bereich des heutigen Distrikts Warschau wurde nur noch an 9 Volksschulen zweimal wöchentlich deutscher Sprachunterricht zugelassen. An allen anderen polnischen Volksschulen, die auch von den deutschen Schulkindern besucht werden mußten, war die Erteilung des evangelischen Religionsunterrichts die einzige Möglichkeit, die deutschen Kinder in ihrer Muttersprache notdürftig zu unterweisen. In den polnischen höheren Schulen war das Erlernen der deutschen Sprache durch deutsche Kinder nur als Fremdsprache möglich. Alle Proteste der deutschen Minderheit gegen diese rechtswidrigen Methoden blieben erfolglos. Die Entdeutschungswut der Polen kannte keine Grenzen. Diese feindliche Einstellung gegenüber dem deutschen Schulwesen ist um so ungerechter gewesen, als in der gleichen Zeit im Reich von deutscher Seite gegenüber den polnischen Minderheiten das weiteste Entgegenkommen gezeigt wurde. Nach der "Preußischen Ordnung zur Regelung des polnischen Minderheitsschulwesens" vom 31. 12. 1928 genügte zur Errichtung einer polnischen Privatschule bereits die Anmeldung von 7 Schulkindern, wobei das Volkstumsbekenntnis der Kinder und ihrer Eltern weder nachgeprüft noch bestritten werden durfte. Als Lehrkräfte an diesen polnischen Minderheitsschulen im Deutschen Reich konnten sogar polnische Staatsangehörige zugelassen werden, die ihre Ausbildung in Polen erhalten hatten und deren dort erworbene Lehrbefähigung von den deutschen Schulaufsichtsbehörden ohne Nachprüfung anerkannt wurde. Auf Grund dieser "Ordnung" errichteten die Polen 1929 und 1930 in den Ostprovinzen Ostpreußen, Pommern, Grenzmark Posen-Westpreußen und Schlesien nicht weniger als 55 Minderheitsvolksschulen mit polnischer Unterrichtssprache, in Oberschlesien außerdem noch auf Grund des Oberschlesischen Abkommens 6 private und 10 öffentliche Minderheitsvolksschulen. Endlich wurden den Polen auch noch höhere Schulen zugestanden, und zwar je ein Gymnasium für Knaben [248] in Beuthen und Marienwerder sowie ein Mädchengymnasium in Ratibor. Die Hoffnungen, die man sich im Reich mit diesem weitgehenden Entgegenkommen gemacht hatte, gingen nicht in Erfüllung; irgendeine günstige Rückwirkung auf die Daseinsbedingungen der deutschen Schulen in Polen trat nicht ein. Vielmehr wurden die Polonisierungsmaßnahmen des polnischen Staates fortgesetzt. Auch als im Jahre 1934 der deutsch-polnische Nichtangriffspakt geschlossen worden war, trat keinerlei Änderung in der Haltung des polnischen Staates gegenüber der deutschen Minderheit ein. Im Gegenteil wurde versucht, auch die letzten der im Jahre 1919 in den polnischen Staatsdienst übernommenen Lehrer herauszudrängen. Als Vorwand zur Entlassung wurde dabei das Nichtbestehen plötzlich angesetzter polnischer Prüfungen und die angeblich dabei bewiesene Unkenntnis polnischer Gesetze genannt. Der polnische Lehrerverband war hierbei führend tätig. Eine wirkungsvolle antideutsche Propaganda von Mund zu Mund hetzte ebensosehr wie die polnische Presse. Die öffentlichen antideutschen Kundgebungen verrieten vollends, daß eine einheitliche Leitung und Lenkung durch Warschauer Regierungsstellen vorlag. Der Erfolg dieses mit der größten Zähigkeit geführten Volkstumskampfes blieb nicht aus: nach 20 Jahren polnischer Herrschaft war das deutsche Schulwesen vollständig zerschlagen. Die traurigste Folge davon war, daß nur noch gegen 10% der deutschen Bevölkerung ihre deutsche Muttersprache beherrschten. Erst die siegreiche Beendigung des Feldzuges gegen Polen im September 1939 hat diesen unhaltbaren Zuständen ein Ende bereitet.
2. Der Aufbau des deutschen Schulwesens im Distrikt Warschau
Die Lösung dieser Aufgabe war außerordentlich schwer, da weder Schulgebäude und Schuleinrichtungen noch geeignete Lehrkräfte vorhanden waren. Aber der deutsche Organisationsgeist und Auf- [249] bauwille führten auch hier zum Erfolg. Bereits am 27. 11. 1939, also nur wenige
Der weitere Aufbau der deutschen Volksschulen ging glatt vonstatten: Bis zum Ende des Jahres 1939 wurden allein im Distrikt Warschau weitere 15 deutsche Volksschulen gegründet, deren Zahl bis Ostern 1940 sogar auf 50 anstieg. Als im Herbst 1940 die Volksdeutschen östlich der Weichsel in das Reichsgebiet umgesiedelt wurden, war es selbstverständlich, daß die dort gegründeten Schulen wieder aufgelöst wurden. Am 1. 4. 1942 zeigte das deutsche Volksschulwesen im Distrikt Warschau folgendes Bild:
Diese Zahlen spiegeln am besten die große Arbeit wieder, die die mit dem Aufbau des deutschen Schulwesens betrauten Dienststellen geleistet haben. Im Kreise Lowitsch wurden in den Städten Lowitsch und Skierniewice Schülerheime für 150 bzw. 100 deutsche Schulkinder geschaffen. Hierdurch ist die Möglichkeit gegeben, daß die letzten deutschen Kinder aus den Streusiedlungen des Kreises dem Unterricht in einer deutschen Schule zugeführt werden. Hierin liegt überhaupt die wichtigste Aufgabe, da der größte Teil der volksdeutschen Kinder bisher nur polnisch gesprochen hat und daher mit der deutschen Sprache erst wieder vertraut gemacht werden muß. Ferner wurde in Mondralin, etwa 30 km südlich von Warschau, ein Schulungs- und Kameradschaftsheim für die Lehrerschaft des Distrikts errichtet, in dem regelmäßig Schulungen durchgeführt werden, um die aus allen Gauen Deutschlands stammenden Lehrkräfte immer wieder fachlich und weltanschaulich auszurichten. [250-253=Fotos] [254] Auf dem Gelände dieses Lehrerheimes wurde auch ein Landschulheim eingerichtet, in dem die deutsche Schuljugend aus Warschau Gelegenheit findet, einige Wochen im Freien zu leben, ohne den Unterricht zu entbehren.
Diese Oberschule arbeitet nach dem Lehrplan des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Die Reifezeugnisse, die die Schüler der 8. Klasse nach Ablegung der Reifeprüfung erhalten, sind auch im Reich anerkannt und haben die gleiche Berechtigung wie die Reifezeugnisse der Oberschulen des Reiches. Es braucht also jetzt niemand, der in das Generalgouvernement versetzt wird, die Befürchtung zu haben, daß seine Kinder hier keine ordnungsmäßige Schulausbildung erhalten. Auch das Schulgebäude selbst, das frühere polnische Batory-Gymnasium, entspricht allen Anforderungen, die im Reich an deutsche Oberschulen gestellt werden. In der gleichen Weise hat die deutsche Schulverwaltung deutsche Berufs- und Fachschulen aufgezogen. Es ist dies ein großer Vorteil gegenüber der Zeit vor dem jetzigen Kriege, da es bisher im Gebiet des Distrikts Warschau keine deutschen Berufs- und Fachschulen gab. Die volksdeutschen. Jugendlichen mußten früher die polnischen berufsbildenden Schulen besuchen. Sie wurden dadurch zwangsläufig polonisiert, und die wertvollen Eigenschaften des deutschen Handwerkers, Kaufmanns und Facharbeiters gingen oftmals verloren. Die deutsche Schulverwaltung hat deshalb neben den Volks- und Oberschulen auch ein deutsches Berufs- und Fachschulwesen aufgezogen, das sich vorerst auf die Stadt Warschau beschränkt, aber
Bereits im Oktober 1940 wurde eine Deutsche Handels- und Handwerkerschule eingerichtet, die seit ihrem Bestehen eine [255] außerordentlich günstige Entwicklung genommen hat. Die Zahl der Jugendlichen, die dort ihre Ausbildung erhalten, ist in ganz kurzer Zeit von 290 auf rund 700 angestiegen. Die Schule ist inzwischen so vielgestaltig geworden, dass daraus drei selbständige Schulen gebildet werden mußten, und zwar:
Die Jungen werden in der Schule und in Verbindung mit ausgesuchten Betrieben theoretisch und praktisch zu qualifizierten Fachleuten herangebildet. Gerade die enge Verbindung mit dem Lehrlingsheim und der Praxis wird die Grundlage
Die deutsche Haushaltungsschule verfügt über alle erforderlichen Einrichtungen. Neben einer Haushaltungsklasse wird ab 1. 9. 42 eine Kinderpflegerinnenklasse und eine Klasse einer Handwerkerschule für Schneiderinnen geführt. Mit dem 1. September 1942 nimmt auch die erste Klasse einer vierklassigen Wirtschaftsoberschule ihre Arbeit auf, die ein beruflich ausgerichtetes Wissen vermitteln soll und zur Hochschulreife führen wird. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß auf dem Gebiet des deutschen Schulwesens in 3 Jahren außerordentlich wichtige Aufbauarbeiten geleistet worden sind. Die unhaltbaren Zustände der früheren Republik Polen, in der deutsche Kinder unter Mißachtung ihres Volkstums polonisiert wurden, sind endgültig beseitigt. Den deutschen Jugendlichen ist jetzt die Möglichkeit gegeben, in einer deutschen Schule in der Muttersprache die erforderliche Ausbildung und Erziehung zu erhalten.
[256] 3. Das polnische Schulwesen und das Minderheitenschulwesen Durch die Kriegsereignisse im September 1939 war das gesamte polnische Schulwesen in der ehemaligen Republik Polen stillgelegt worden. Wenn die deutsche Verwaltung Gleiches mit Gleichem hätte vergelten wollen, hätte sie an diesem Zustande nichts zu ändern brauchen. Dies geschah aber nicht, vielmehr wurden die polnischen Volksschulen, Berufs- und Fachschulen sofort wieder in Gang gesetzt. Noch im Schuljahr 1939/40 konnten im Distrikt Warschau nicht weniger als 1 469 polnische Volksschulen und 117 Kindergärten ihren Schulbetrieb wieder aufnehmen. In ihnen geniessen 323 117 polnische Kinder im schulpflichtigen Alter die schulische Betreuung, während 8 385 Kinder im vorschulpflichtigen Alter in Kindergärten untergebracht sind. Diese Zahlen muss man sich vergegenwärtigen, wenn man an die skandalöse Unterdrückung der früheren deutschen Minderheit in der früheren Republik Polen zurückdenkt. Von wesentlicher Bedeutung ist, daß in sämtlichen Schulen die Unterrichtssprache polnisch ist und daß die deutsche Sprache in den polnischen Volksschulen überhaupt nicht unterrichtet wird. Das ist auch der beste Beweis dafür, daß wir Deutschen nicht die Absicht haben, die hier lebenden Polen in irgendeiner Weise zu germanisieren. Daß dieser Unterricht nicht mehr im Haß gegen das Deutschtum mit den Hetzmaßnahmen des früheren polnischen Lehrerverbandes erfolgt, ist eine Selbstverständlichkeit, die sich aus der veränderten politischen Situation ergibt. Es sei aber ausdrücklich betont, daß der Religionsunterricht in keiner Weise angetastet ist, auch dieser Religionsunterricht wird den in der Hauptsache römisch-katholischen Polen in ihrer Muttersprache erteilt. 349 lehrbefähigte und von der zuständigen Kirchenbehörde zugelassene Religionslehrer erhalten hierfür eine staatliche Entlohnung. Neben den staatlichen polnischen Volksschulen werden zur Zeit auch noch private Volksschulen geduldet, die eine Besucherzahl von 10 953 Zöglingen aufweisen, während in privaten Kindergärten 2 845 Kinder betreut werden. Ein Teil dieser kleineren privaten Volksschulen wird von Mitgliedern geistlicher Orden unterhalten. Diese Volksschulen werden in der Hauptsache von Waisenkindern, Obdachlosen, Schwachsinnigen und Blinden besucht. Sie sind mit Fürsorgehäusern verbunden und tragen ausgesprochen sozialen Charakter. [257] Sehr gross ist die Zahl der polnischen Lehrkräfte: Gegenwärtig sind 6 291 Lehrkräfte und 231 Kinderhortnerinnen angestellt. Wenn man diese Zahlen mit den brutalen Entlassungen deutscher Lehrer in den nach dem Weltkrieg von den Polen besetzten deutschen Ostgebieten vergleicht, so kann daraus am besten ersehen werden, wie großzügig die deutsche Verwaltung dem polnischen Volksschulwesen gegenübersteht. Die Haltung dieser polnischen Lehrerschaft ist im allgemeinen zufriedenstellend. Gegen politische Unruhestifter ist mit strengsten Maßnahmen vorgegangen worden; aber es handelt sich hierbei um Einzelfälle. Insgesamt hat die Haltung der polnischen Lehrerschaft - wenigstens nach außen hin - zu ernsten Beanstandungen keinen Anlaß gegeben. Die polnische Lehrerschaft hat sich vielmehr gerade auf dem Lande über ihre Schularbeit hinaus Aufgaben gewidmet, die im Interesse der Öffentlichkeit liegen. Im Vorfrühling 1942 sind nahezu sämtliche polnischen Lehrer und Lehrerinnen im Absammeln und Trocknen von Heilkräutern, Teeblättern und Roßkastanien sowie in der Technik der Seidenraupenzucht durch Fachleute, die die Hauptabteilung Ernährung und Landwirtschaft gestellt hat, durchgeschult worden. Trotz zweier für die Jungbäumchen sehr ungünstiger Winter nimmt die Seidenraupenzucht im Distrikt Warschau einen beachtlichen Aufschwung. Im Kreise Lowitsch erhielten die Seidenbauer 240 m Kunstseide als Prämien, einige Schulen Belobigungsschreiben der Zentralprüfungsstelle für Seidenbau in Milanowek. Neben den polnischen Schulen gibt es in der Stadt Warschau auch noch ein Minderheitenschulwesen. Eine öffentliche ukrainische und eine private russische Volksschule tragen dem Bildungsbedürfnis dieser Volksgruppen Rechnung. Auch den weißruthenischen Volksgruppen ist eine eigene Volksschule in Warschau genehmigt worden, wovon die Weißruthenen bisher allerdings noch keinen Gebrauch gemacht haben. Immerhin konnten neben den fortgeführten 118 polnischen öffentlichen und privaten Kindergärten auch noch ein ukrainischer und ein weißruthenischer Kinderhort eröffnet werden. Ganz besondere Aufmerksamkeit wurde auch dem polnischen Berufs- und Fachschulwesen gewidmet, das weitgehend neu geordnet worden ist. Das polnische Berufs- und Fachschulwesen wird durch die wirtschaftliche Struktur des Distrikts Warschau, vor allem durch die [258] zahlreichen gewerblichen und industriellen Betriebe des Großraumes Warschau bestimmt. Seine besondere Bedeutung erfährt es dadurch, daß die allgemein bildenden polnischen höheren Schulen geschlossen worden sind. Jede über das Ziel der Volksschule hinausgehende Bildung muß deshalb in Verbindung mit der praktischen Ausbildung in den Lehranstalten des Berufs- und Fachschulsektors gewonnen werden. Die Qualität des polnischen Arbeiters und seiner Arbeit steht im allgemeinen hinter der des deutschen Arbeiters zurück. Besonders läßt auch die mengenmäßige Leistung zu wünschen übrig. Das geringe Leistungsvermögen beruht zum Teil auf den Mängeln des polnischen Berufs- und Fachschulwesens, die sich im Wirtschaftsleben heute noch auswirken. Der Unterricht war zu theoretisch und zu wenig praxisverbunden. Der theoretische Unterricht nahm im Verhältnis zur Praxis zu viel Zeit in Anspruch. Hier wurde grundlegender Wandel geschaffen. Die Lehrpläne wurden den Erfordernissen des praktischen Lebens angepasst. Es werden außerdem nur Schüler aufgenommen, die über eine ausreichende Praxis verfügen. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, daß ein wirklich brauchbarer Nachwuchs herangebildet wird. Die deutsche Schulverwaltung hat durch Gründung der Höheren Technischen Fachschule in Warschau noch eine Stufe auf die Fachschule aufgebaut. Nur die befähigsten und über eine ausreichende Praxis verfügenden Bewerber werden aufgenommen. Die Arbeit an den Fachschulen kann nur dann Erfolg haben, wenn die untersten Stufen des berufsbildenden Schulwesens, die Berufs- und Handwerkerschulen, in Ordnung sind. Der polnische Staat hat es nicht vermocht, die Berufsschulen so auszubauen, daß sie tatsächlich den Unterbau für die Fachschule darstellen und den Erfordernissen der Wirtschaft gerecht werden. Die Berufsschulen hatten keine geeigneten Lehrkräfte. Sie waren zersplittert, der Schulbesuch war unregelmässig und der Unterricht fand in den Abendstunden statt. Durch diese Mängel wurde eine erfolgreiche Arbeit unmöglich gemacht. Seit Ausübung der deutschen Schulaufsicht wurden diese Mängel mehr und mehr abgestellt. Die Regierung des Generalgouvernements trägt jetzt zum Beispiel die gesamten persönlichen Kosten für die Berufsschullehrer, um so tatkräftig zu helfen. Die Lehrkräfte erhalten eine Fachausbildung, und die Vorarbeiten für eine spezielle Ausbildung der Berufsschullehrer sind abgeschlossen. [259] Einzelne Zweige der gewerblichen Wirtschaft, besonders die des Handwerks, waren früher nicht in der Lage, selbst ausreichenden Nachwuchs heranzubilden. Die polnische Schulverwaltung hat deshalb zum Teil recht ordentliche Handwerkerschulen eingerichtet, aber nur in der Stadt Warschau. Da jedoch die Schulung des Nachwuchses auch in den Klein- und Mittelstädten notwendig ist, sind in den letzten 2½ Jahren auch in diesen Städten Handwerkerschulen gegründet worden, deren Ausbau nach besten Kräften gefördert wird. Besondere Bedeutung kommt dem kaufmännischen Schulwesen zu, da es die Aufgabe hat, den Nachwuchs für das ausgeschiedene jüdische Element heranzubilden. Zahlenmäßig ergibt sich folgendes Bild: Im Schuljahr 1938/39 waren in den Fach- und Berufsschulen des Distrikts Warschau insgesamt 35 000 Jugendliche eingeschult, im Schuljahr 1941/42 dagegen rund 63 000. Das bedeutet in der kurzen Frist von 2½ Jahren, daß 28 000 Jugendliche mehr einer praktisch ausgerichteten Ausbildung zugeführt werden. Im einzelnen ergibt sich bei der Gegenüberstellung des Schuljahres 1940/41 zum Schuljahr 1941/42 folgende Steigerung in den Schülerzahlen:
Besondere Fürsorge erfahren auch die landwirtschaftlichen Berufs- und Fachschulen. Gerade in ihnen ist die Möglichkeit gegeben, auf dem schnellsten und sichersten Wege über die Jugend auch die Elternschaft vom fachlichen Standpunkt aus zu erfassen und sie an der landwirtschaftlichen Produktionssteigerung wesentlich Anteil nehmen zu lassen. Die landwirtschaftlichen Schulen sind die Grundlage zur Hebung des fachlichen Verständnisses der Landwirtschaft treibenden Bevölkerung. Im Distrikt Warschau bestehen rund 20 landwirtschaftliche und gärtnerische Fachschulen für Jungen und Mädchen. Im letzten Jahr ist außerdem ein dichtes Netz von landwirtschaftlichen Berufsschulen gezogen worden, das vorerst alle in der Landwirtschaft tätigen männlichen und zum Teil auch weiblichen Jugendlichen erfaßt. Welche Bedeutung dem Berufs- und Fachschulwesen von seiten der deutschen Verwaltung beigemessen wird, ergibt sich aus nachstehender Gegenüberstellung: [260] Im Generalgouvernement werden an polnische Lehrkräfte Gehälter ungefähr in der gleichen Höhe wie vor dem Kriege gezahlt. Im Haushaltsplan der Republik Polen (etwa 34 Millionen Einwohner) waren für das gesamte Gebiet der Republik im Rechnungsjahr 1938 die persönlichen Kosten für das Berufs- und Fachschulwesen mit 13 Millionen Zloty veranschlagt. Im Haushaltsplan des Distrikts Warschau (3,4 Millionen Einwohner) sind für persönliche Kosten der Berufs- und Fachschulen rund 10,5 Millionen Zloty vorgesehen. Bei einem zusammenfassenden Rückblick auf die Arbeit, die der Neuordnung des polnischen Schulwesens gewidmet worden ist, kann ohne Übertreibung festgestellt werden, daß auf diesem Gebiet mitten im Krieg eine große Aufbauarbeit geleistet worden ist. Diese Arbeit zeigt gleichzeitig den Unterschied zwischen deutscher und polnischer Herrschaft: Früher stärkste Unterdrückung der deutschen Schulen durch den polnischen Staat, heute weitgehende Unterstützung des polnischen Schulwesens durch die deutschen Dienststellen des Generalgouvernements. Von dem Gesamtverhalten der polnischen Bevölkerung wird es abhängen, ob auf diesem Gebiet auch in Zukunft die bisherige Politik fortgesetzt werden kann.
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