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Warschau unter deutscher Herrschaft.
Deutsche Aufbauarbeit im Distrikt Warschau.

 
Verwaltungsaufbau im Distrikt Warschau (Teil 2)

4. Aufbau der Verwaltung der Stadt Warschau

Ein besonderes Problem war von Anfang an die Verwaltung der Stadt Warschau.

Unter der Militärverwaltung wurde zunächst ein Reichskommissar für die Stadt Warschau eingesetzt. Vorübergehend kam es dann zur Übertragung der Leitung der Stadt an einen Stadtpräsidenten. Danach übernahm der Chef des Distrikts, Gouverneur Dr. Fischer, selbst die Führung der Verwaltung, wobei er sich einen "Beauftragten für die Stadt Warschau" bestellte. Der Gouverneur übte also die Funktionen des Stadthauptmanns der Stadt Warschau zunächst persönlich aus und liess sich nur durch seinen "Beauftragten" vertreten. Diese Regelung endete im September 1941. Seit dieser Zeit steht an der Spitze der Verwaltung der Stadt Warschau ein Stadthauptmann.1

[84] In Warschau wurde eine scharfe Trennung auch in finanz- und etatsmässiger Hinsicht zwischen der staatlichen Aufsichtsbehörde Stadthauptmanns und der polnischen Stadtverwaltung vorgenommen. Der deutsche Stadthauptmann beaufsichtigt lediglich die polnische Stadtverwaltung, die ihrerseits sämtliche Verwaltungsangelegenheiten selbständig bearbeitet, soweit sie der Stadthauptmann nicht wegen ihrer Bedeutung für die deutschen Interessen an sich zieht.

Warschauer Strasse in Minsk
Warschauer Strasse in Minsk.
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Schloss Stara Wies bei Kolbig im Kreis Minsk.
(Von diesem Balkon sprach der Führer am 22. 9. 1939, dem Vorabend der Schlacht bei Warschau, zu seinen Soldaten und überreichte die ersten Kriegsauszeichnungen.)

Schloss Stara Wies bei Kolbig im Kreis Minsk
Die Behörde des Stadthauptmanns in Warschau ist demnach eine reine Aufsichtsbehörde, die über der polnischen Stadtverwaltung steht, die sie wiederum durch ihre einzelnen Fachreferenten überwacht. So zum Beispiel wird der Haushaltsplan der Stadt Warschau durch den zuständigen Sachbearbeiter des polnischen Bürgermeisters aufgestellt und alsdann - vor der Weiterleitung an den Gouverneur - von dem Finanzdezernenten des Stadthauptmanns geprüft.

Eine andere Verwaltungsmethode würde im Hinblick auf die Grösse der Stadt Warschau, die Zahl der bei der Stadtverwaltung beschäftigten Beamten und den ungeheuren Umfang der anfallenden Arbeit nicht verantwortet werden können, umso weniger, als es sich bei den Arbeiten zum grössten Teil um Dinge handelt, die für die deutschen Interessen ohne entscheidende Bedeutung sind. Die Praxis hat ergeben, dass auf diese Weise mit einer verhältnismässig geringen Anzahl von deutschen Beamten und Angestellten eine Überwachung der wichtigsten Angelegenheiten durchaus möglich ist.

Mit der vorgeschilderten Verwaltungsorganisation ist es im Verlauf des Bestehens des Generalgouvernements gelungen, in der Stadt Warschau wieder geordnete Verhältnisse zu schaffen. Es ist auch gelungen, den Haushaltsplan auszugleichen, wobei allerdings rigorose Kürzungen der Ausgaben ebenso nötig waren wie die Gewährung umfangreicher Zuschüsse aus Mitteln des Generalgouvernements.

In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass mit Rücksicht auf die grosse Zahl der in der Stadt Warschau lebenden Juden - es handelt sich um etwa 500 000 Juden, die ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachen - für die Verwaltung des jüdischen Wohnbezirks2 Sonderregelungen notwendig wurden. Der Obmann des Judenrates erhielt die Aufgaben und Befugnisse [86] eines Bürgermeisters für das Gebiet des jüdischen Wohnbezirks in Warschau zugewiesen. Dieser Obmann des Judenrates untersteht dem Kommissar für den jüdischen Wohnbezirk, der unmittelbar vom Gouverneur eingesetzt ist.

Zur Regelung der Wirtschaftsbeziehungen des jüdischen Wohnbezirks zur Aussenwelt ist eine Transferstelle in der Rechtsform einer öffentlichen Anstalt geschaffen worden.

Es handelt sich hierbei durchweg um neue Verwaltungsformen, die ohne jedes Vorbild aus den praktischen Bedürfnissen der Verwaltung geschaffen werden mussten. Die schöpferische Initiative jedes einzelnen ist dabei von allergrösster Bedeutung gewesen. Mit Recht hat der Generalgouverneur in seinem grossen Rechenschaftsbericht anlässlich des Zweijahrestages des Bestehens des Generalgouvernements hierauf hingewiesen und mit Stolz festgestellt, dass aus dem Ende 1939 aufgestellten ersten Rohentwurf einer staatlichen Organisation inzwischen ein festgefügter Verwaltungsbau geworden ist, der das "Kriegskind Generalgouvernement" in kürzester Zeit zu einem gewaltigen Ordnungsinstrument werden liess.

Rathaus der Stadt Warschau
[86] Rathaus der Stadt Warschau.


[87]
5. Der Kreishauptmann

Dienstgebäude des Kreishauptmanns in Siedlce
[99] Dienstgebäude des Kreishauptmanns in Siedlce.
[102] Dienstgebäude des Kreishauptmanns in Grojec.
Dienstgebäude des Kreishauptmanns in Grojec
Der Kreis- (Stadt-) Hauptmann ist als Verwaltungsbehörde die unterste Stufe der deutschen Verwaltung im Generalgouvernement. Die Anordnungen und Massnahmen, die die Regierung des Generalgouvernements beschliesst und deren Durchführung der Gouverneur des Distrikts in seinem Bereich überwacht, hat der Kreishauptmann mit seinen Mitarbeitern unmittelbar zur Ausführung zu bringen. Von seiner Tätigkeit und von seinem Geschick hängt es ab, ob die Anordnungen der Regierung in der gewünschten Weise Gestalt gewinnen. Er steht mit seinen oft sehr wenigen Mitarbeitern tagtäglich in unmittelbarer Verbindung mit der polnischen Bevölkerung, so dass dadurch im wesentlichen durch ihn die deutsche Hoheitsgewalt über das eroberte Gebiet und auch über seine Einwohner ausgeübt wird.

Dienstgebäude des Kreishauptmanns in Sokolow
[109] Dienstgebäude des Kreishauptmanns in Sokolow.
[115] Dienstgebäude des Kreishauptmanns in Minsk.
Dienstgebäude des Kreishauptmanns in Minsk
Gerade der Umstand, dass der Kreishauptmann in einem Gebiet, das ein Mehrfaches eines durchschnittlichen deutschen Landkreises umfasst, Aufgaben gegenüber einer Bevölkerung durchzuführen hat, die von den früheren Machthabern jahrelang gegen das Deutschtum aufgehetzt und über die Verhältnisse in Deutschland in völlig entstellter Weise unterrichtet worden war, bildet das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zu der Tätigkeit der unteren Verwaltungsbehörde des Reiches. Bei jeder Amtshandlung muß infolgedessen geprüft werden, wie sie sich in psychologischer und politischer Hinsicht auf die Bevölkerung auswirkt. Verwaltungsakte, die im Reich ein völlig unpolitisches Gesicht haben, gewinnen im Generalgouvernement politischen Charakter und bedürfen der einheitlichen Ausrichtung und Überwachung in politischer Hinsicht.

Dienstgebäude des Kreishauptmanns in Lowitsch
[117] Dienstgebäude des Kreishauptmanns in Lowitsch.
Es kann also bei der Tätigkeit in den Kreis- (Stadt-) Hauptmannschaften des Generalgouvernements weniger von einem Verwalten in technischer Hinsicht als vielmehr von der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und der Anwendung staatlicher Machtmittel gegenüber einer fremden Bevölkerung gesprochen werden.

Der Kreis- und Stadthauptmann ist entsprechend dem ihm gegebenen Auftrag, die gesamte Verwaltung in seinem Bezirk zu führen, berechtigt und verpflichtet, in allen Fällen Anordnungen treffen und zu handeln, in denen es das Interesse des Reiches erfordert. Das frühere polnische Recht, das grundsätzlich in Kraft geblieben ist, gilt dabei insoweit nicht, als es der Übernahme der [88] Verwaltung durch das Deutsche Reich widerspricht. Der Generalgouverneur und seine Regierung haben zwar für die verschiedensten Lebensgebiete im Verordnungswege Bestimmungen erlassen; es gibt aber viele Bereiche, in denen Rechtsvorschriften noch nicht ergangen sind. Außerdem geben die erlassenen Verordnungen zuweilen nur allgemeine Weisungen, ohne eine ins Einzelne gehende Regelung zu enthalten. Der Kreishauptmann muß daher häufig selbstverantwortlich Maßnahmen und Anordnungen so durchführen, wie sie den vom Generalgouverneur gegebenen politischen Richtlinien oder den aus seinen Maßnahmen erkennbaren Zielen entsprechen. An die Verantwortungsfreudigkeit und Initiative des Kreishauptmanns sowie an die eines jeden seiner Mitarbeiter werden daher große Anforderungen gestellt.

Dadurch ist aber gleichzeitig auch dem schöpferischen Gestaltungswillen gerade in der unteren Verwaltungsstufe weitester Spielraum gegeben, und zwar in einem Ausmaße, wie es bei vergleichbaren Verwaltungen des Reiches nicht der Fall ist. Die Kreis- (Stadt-) Hauptleute haben in ihrer bisherigen Verwaltungstätigkeit hiervon erfreulich viel Gebrauch gemacht und in zahlreichen Fällen die auftauchenden Probleme von sich aus angepackt und selbständig einer Lösung zugeführt. Sie haben verschiedentlich durch ihre Initiative und Tatkraft den vorgesetzten Stellen Anregungen gegeben, so daß manche Maßnahme, die zunächst nur ein einzelner Kreishauptmann durchgeführt hat, allgemein verwirklicht worden ist. So ist z. B. die Bildung geschlossener jüdischer Wohnbezirke erstmals im Mai 1940 in einer Kreishauptmannschaft im Westen des Distrikts Warschau erfolgt. Die dabei gesammelten Erfahrungen haben mit dazu beigetragen, im gesamten Generalgouvernement jüdische Wohnbezirke einzurichten.

Die Arbeitsweise ist in der Stufe der Kreishauptleute trotz der Beachtung aller fachlichen Notwendigkeiten in erfreulicher Weise unbürokratisch. Kleinliche Bedenken und Hemmungen gibt es nicht, da sich die anfallenden Aufgaben mit dem geringen deutschen Personal nur in einer großzügigen und in der Durchführung freien Weise lösen lassen. So ist es häufig vorgekommen, daß wichtige Anordnungen, die an die Gemeindevögte weitergegeben werden mußten, lediglich mündlich übermittelt worden sind. Ein einziger mündlich gegebener Befehl hat oft genügt, um weittragende Ergebnisse und Erfolge zu zeitigen.

[89] Die Verordnungen und Anordnungen, die der Kreis- (Stadt-) Hauptmann durchzuführen hat oder selbst erläßt, richten sich in einer Vielzahl von Fällen an die polnische Bevölkerung oder Teile von ihr und fordern von ihr ein Verhalten oder bestimmte Handlungen. Den Gutsbesitzern und den Bauern wird zum Beispiel alljährlich aufgegeben, bestimmte Mengen erzeugter Lebensmittel, Vieh und Getreide an die eingerichteten Erfassungsstellen abzuliefern; die Fuhrbesitzer werden verpflichtet, bestimmte Fuhrwerksleistungen zu erfüllen; von den Gewerbetreibenden wird verlangt, daß sie ihre Waren und Produkte nur im Rahmen des geregelten Bewirtschaftungsverfahrens verkaufen; Lebensmittelgeschäfte dürfen Lebensmittel nur gegen Karten und in der vorgeschriebenen Menge abgeben; Arbeitsfähige haben den Beorderungen des Arbeitsamtes zur Durchführung von Arbeiten nachzukommen.

Von der polnischen Bevölkerung kann dabei, wie bereits ausgeführt, nicht erwartet werden, daß sie an der Durchführung aller dieser Maßnahmen aktiv und zustimmenden Anteil nimmt. Es ist jedoch notwendig, daß sie die auferlegten Verpflichtungen erfüllt und die gegebenen Verbote beachtet. Es bedarf daher in weitgehendem Maße einer gründlichen Aufklärung der Bevölkerung. Diese Aufklärung hat sich nicht nur auf die Ereignisse der Politik und den Verlauf des Krieges zu erstrecken, sondern auch die Notwendigkeit der von der deutschen Verwaltung geforderten Maßnahmen überzeugend darzulegen. Die Aufklärung, die durch die in polnischer Sprache erscheinende Presse erfolgt, genügt allein zur Unterstützung der Verwaltungsarbeit noch nicht, weil der polnische Kleinbauer kaum eine Zeitung in die Hand nimmt und ein großer Teil der Polen Analphabeten ist. Die Kreis- (Stadt-) Hauptleute haben daher in Zusammenarbeit mit der Abteilung Propaganda in grösseren Städten Lautsprecher auf den Märkten anbringen lassen, über die regelmässig der Nachrichtendienst in polnischer Sprache sowie sonstige wichtige Bekanntmachungen gegeben werden. In einigen Kreishauptmannschaften sind darüber hinaus Lautsprecherwagen vorhanden. Die Bevölkerung nimmt an diesem Nachrichtendienst regen Anteil und sammelt sich regelmässig auf den Marktplätzen zu den üblichen Durchgabestunden.

Ihr werden ferner laufend in einfach gefassten, klar verständlichen Maueranschlägen die wichtigsten Anordnungen zur Kenntnis gebracht. Die Maueranschläge werden selbst im kleinsten Dorf ausgehängt und tragen wesentlich dazu bei, dass viele wichtige Mass- [90] nahmen von den Bauern, die Geschriebenes lesen können, gelesen werden. Jede Massnahme, die in das private und wirtschaftliche Leben des einzelnen eingreift, wurde so bekanntgegeben.

Rathaus in Sochaczew, erbaut in der Preussenzeit
[101] Rathaus in Sochaczew,
erbaut in der Preussenzeit (1795-1806).
Darüber hinaus lassen einzelne Kreishauptleute grosse politische Geschehen (z. B. den Zusammenbruch der französischen Armee) durch Maueranschlag zur Kenntnis bringen. Die Veröffentlichung durch Maueranschlag wird in verschiedenen Kreisen noch dadurch ergänzt, dass alle Bekanntmachungen in einem amtlichen Mitteilungsblatt des Kreishauptmanns gesammelt und den Gemeindevögten, Dorfschulzen und sonstigen Interessenten laufend zugestellt werden.

Rathaus in Ostrow, jetzt Soldatenheim
[108] Rathaus in Ostrow (jetzt Soldatenheim).
Um Verständnis für die eingeleiteten Massnahmen zu wecken, finden weiterhin in regelmässigen Abständen Besprechungen mit den Bürgermeistern und Gemeindevögten statt, in denen die Anordnungen auf den verschiedensten Gebieten der Verwaltungstätigkeit laufend bekanntgegeben werden. Die Gemeindevögte führen dann ihrerseits wieder Besprechungen mit den Dorfschulzen durch und geben das Gehörte weiter. Hin und wieder finden auch unter Leitung des Kreishauptmanns Dorfschulzenversammlungen statt.

Es darf festgestellt werden, dass infolge dieser Aufklärung die wichtigsten Anordnungen allen Bevölkerungskreisen bekannt geworden sind und dass im besonderen Masse auch Verständnis für die deutschen Massnahmen erweckt worden ist. Die Bevölkerung befolgt auf vielen Gebieten zunehmend die deutschen Anordnungen freiwillig.

Da es aber überall böswillige Kräfte gibt, die dazu neigen, die im Interesse der Bevölkerung getroffenen Massnahmen als gegnerische Akte anzusehen, ist es erforderlich, diese Elemente mit Verwaltungsstrafen oder Verwaltungszwang zur Einsicht und Befolgung der gegebenen Anordnungen zu bringen. Dabei dürfen zur Aufrechterhaltung der deutschen Autorität auch kleine Unbotmässigkeiten nicht hingenommen werden. Alle Anordnungen ergehen daher in Form eines unzweideutigen die Durchführung einer Massnahme bis ins einzelne festlegenden Befehls, der gegenüber Böswilligen erforderlichenfalls auch durch die Vollzugsorgane erzwungen werden kann.

Auf Grund der von dem Generalgouverneur erlassenen Verordnung über das Verwaltungsstrafverfahren können die Kreishauptleute für den Fall der Nichtbefolgung einer ihrer Anordnungen die Verhängung von einfachen Verwaltungsstrafen androhen. Von der [91-94=Fotos] [95] Strafbefugnis wird entsprechender Gebrauch gemacht, doch handelt es sich um Ausnahmefälle, die zumeist von den polnischen Dorfschulzen und Gemeindevögten dem Kreishauptmann zur Bestrafung gemeldet werden. Ganz böswillige Elemente werden zu Erziehungszwecken für einige Zeit in ein Arbeitslager eingewiesen. Die Häftlinge werden dort zu körperlicher Arbeit angehalten, eine Massnahme, die bei der natürlichen Bequemlichkeit der Polen ausserordentlich dazu beigetragen hat, gegebenen Befehlen den nötigen Nachdruck zu verleihen.

Insgesamt hat sich die Arbeit der Kreishauptleute hervorragend bewährt. Der weitere Ausbau der Kreishauptmannschaften ist daher eine im deutschen Gesamtinteresse liegende Notwendigkeit.


1Stadthauptmann von Warschau ist seit dem 15. 9. 41 SA.-Oberführer Leist, der vorher bereits seit dem 16. 3. 40 "Beauftragter des Distriktschefs für die Stadt Warschau" gewesen war. ...zurück...

2Vgl. den Sonderartikel "Die Juden im Distrikt Warschau". ...zurück...

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