[270]
Von der Gründung
Deutschösterreichs
zum Anschluß 1918-1938.
Eine Dokumentensammlung.
42. Dritte Führer-Erklärung
über Österreich
Aus der Reichstagserklärung über das
Südostdeutschtum.
20. Februar 1938.
Ich bin glücklich, Ihnen, meine Abgeordneten, mitteilen zu können,
daß in den letzten Tagen eine weitere Verständigung mit dem Lande
erzielt wurde, das uns aus vielerlei Gründen besonders nahesteht. Es ist
nicht nur das gleiche Volk, sondern vor allem es ist eine lange gleiche Geschichte
und eine gemeinsame Kultur, die das Reich und Deutschösterreich
verbinden.
Die Schwierigkeiten, die sich im Vollzug des Abkommens vom 11. Juli ergeben
hatten, zwangen dazu, einen Versuch zu unternehmen,
Mißverständnisse und Hindernisse für eine endgültige
Aussöhnung beiseite zu räumen.
Denn es war klar, daß eine an sich unerträglich gewordene Lage eines
Tages gewollt oder ungewollt die Voraussetzungen für eine sehr schwere
Katastrophe hätten bilden können. Es liegt dann meist nicht mehr in
der Macht der Menschen, einem Schicksal Einhalt zu gebieten, das durch
Nachlässigkeit oder Unklugheit erst einmal ins Rollen gekommen ist.
Ich bin glücklich, feststellen zu können, daß diese Erkenntnisse
auch den Auffassungen des österreichischen Bundeskanzlers, den ich um
einen Besuch bat, entsprachen. Der Gedanke und die Absicht waren dabei, eine
Entspannung unserer Beziehungen dadurch herbeizuführen, daß dem
nach seiner Auffassung und Weltanschauung nationalsozialistisch denkenden Teil
des deutsch-österreichischen Volkes im Rahmen der sonst gültigen
Gesetze die gleichen Rechte gegeben werden, wie sie auch den anderen
Staatsbürgern zustehen.
In Verbindung damit sollte eine große Befreiungsaktion eintreten durch eine
Generalamnestie und eine bessere Verständigung der beiden Staaten durch
ein nunmehr engeres freundschaftliches Verhältnis auf den verschiedenen
Gebieten einer möglichen politischen, personellen und sachlich
wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Dies alles ist eine Ergänzung im Rahmen
des Abkommens vom 11. Juli.
Ich möchte an dieser Stelle vor dem deutschen Volk dem
österreichischen Bundeskanzler meinen aufrichtigen Dank aussprechen
für das große Verständnis und die warmherzige
Be- [271] reitwilligkeit, mit der
er meine Einladung annahm und sich bemühte, gemeinsam mit mir einen
Weg zu finden, der ebenso sehr im Interesse beider Länder wie im Interesse
des gesamten deutschen Volkes liegt, jenes gesamten deutschen Volkes, dessen
Söhne wir alle sind, ganz gleich, wo die Wiege unserer Heimat stand.
Ich glaube, daß wir damit auch einen Beitrag zum europäischen
Frieden geleistet haben.
......
Allein zwei der an unsern Grenzen liegenden Staaten umschließen eine
Masse von 10 Millionen Deutschen. Sie waren bis 1866 mit dem deutschen
Gesamtvolk noch in einem staatsrechtlichen Bund vereinigt. Sie kämpften
bis 1918 im Großen Kriege Schulter an Schulter mit den deutschen Soldaten
des Reiches. Sie sind gegen ihren eigenen Willen durch die
Friedensverträge an einer Vereinigung mit dem Deutschen Reiche
verhindert worden. Das ist an sich schmerzlich genug. Über eines aber darf
in unsern Augen kein Zweifel bestehen:
Die staatsrechtliche Trennung vom Reiche kann nicht zu einer politischen
Rechtlosmachung führen, d. h. die allgemeinen Rechte einer
volklichen Selbstbestimmung, die übrigens in den 14 Punkten Wilsons als Voraussetzung zum
Waffenstillstand zugesichert worden sind, können nicht einfach
mißachtet werden, weil es sich hier um Deutsche handelt. Es ist auf die
Dauer für eine Weltmacht von Selbstbewußtsein unerträglich,
an ihrer Seite Volksgenossen zu wissen, denen aus ihrer Sympathie oder aus ihrer
Verbundenheit mit dem Gesamtvolk, seinem Schicksal und seiner
Weltanschauung fortgesetzt schwerstes Leid zugefügt wird.
43. An der Schwelle des
Bürgerkrieges
Schuschniggs Mobilisierungsbefehl "D".
11. März 1938.
Armeebefehl des Bundeskanzlers und
Landesverteidigungsministers:
1. Konsignierung aller Truppen ab 11. März, 6 Uhr
früh.
2. Einberufung des Reservejahrganges 1915, soweit
min- [272] destens 10 Monate
gedient, zur sofortigen Waffenübung auf 14 Tage. Einberufung von
Evidenzoffizieren im nötigen Ausmaß für die Truppe. Dabei
ist Bedacht zu nehmen, daß nur vaterländische Personen einberufen
und national Gesinnte ferngehalten werden. Mit einer auswärtigen
Verwendung der Truppen muß gerechnet werden.
3. Die gesamte Miliz (sogen. V. F. Miliz) wird mit sofortiger Wirkung
aufgeboten.
Nach außen sind diese Maßnahmen als zur Durchführung der
Abstimmung notwendig zu bezeichnen. In Wirklichkeit jedoch ist der
Mobilisierungsfall "D" angeordnet und durchzuführen. Die
Mobilisierung ist eine vollständige, weil der Jahrgang 1915 der einzige
ausgebildete Reservejahrgang ist.
Die Gegenarbeit des nationalsozialistischen
Soldatenrings:
Am 9. März erging für Oberösterreich und Salzburg folgende
Weisung für die Schuschnigg-Wahl (schriftlich durch Kurier):
1. Wahlenthaltung.
2. Auf allen Kasernen am Wahltag früh Hakenkreuzfahnen
hissen! (Beistellung von SA. und NS.-Frauenschaft).
3. Zu Assistenzen eingesetzte Truppen: Schußbefehl verweigern,
ansonsten mit Demonstranten sympathisieren, Durchmarsch für SA. und
SS. bei Absperrungen freigeben!
Meldungen vom 11. März: Die Parteiführung kann sich darauf
verlassen, daß in Oberösterreich das Militär sicher auf Seite
der NSDAP. steht. Ab Mittag waren die wichtigsten Wachen von
NSR.-Mitgliedern besetzt; alle Telephonzentralen in den Kasernen von
NSR.-Soldaten besetzt, so daß die in den Kasernen führenden
nationalsozialistischen Offiziere laufend unterrichtet wurden. Verbindung
zwischen den Kasernen durch Frauen.
14 Uhr: Bei Befehlsausgabe der SA. im Hotel Wolfinger Verlautbarung,
daß 4. Division mit Oberst Sinzinger verläßlich auf Seite der
Partei steht.
15 Uhr hat Sicherheitsdirektor hiervon Kenntnis.
[273] 18 Uhr: Weisung an
Kasernen, offene Propaganda für NSDAP. machen! Erfolg durchschlagend!
Bald wehen auf den Kasernen die für den nächsten Tag vorbereiteten
Hakenkreuzfahnen. Kommandogewalt zur Gänze in den Händen
nationalsozialistischer Offiziere.
Aus Österreichischer Beobachter (hg. vom Gaupropagandaleiter
Oberdonau Dr. Fellner). 1. Märzfolge 1939.
44. Landesleiter der NSDAP. Major Klausner an
das Volk Österreichs
Nächtliche Rundfunkansprache nach der Bildung der Regierung
Seyß-Inquart.
11./12. März 1938.
In tiefer Bewegung verkünde ich in dieser feierlichen Stunde,
Österreich ist frei geworden, Österreich ist nationalsozialistisch!
Durch das Vertrauen des ganzen Volkes emporgetragen, ist eine neue Regierung
gebildet worden, die nach den Grundsätzen unserer herrlichen,
nationalsozialistischen Bewegung ihre ganze Kraft für Glück und
Frieden für das ganze Land einsetzen wird.
Arbeit und Brot für alle Volksgenossen zu schaffen, wird ihre erste
Aufgabe sein.
Wieder ist eine nationalsozialistische Erhebung in unglaublicher Disziplin
verlaufen. Wenn es noch eines Beweises bedürft hätte, daß uns
die Macht im Staate gebührt, so war es diese einzigartige, spontane
Erhebung und Machtergreifung. Niemand wurde etwas zu Leide getan.
Dafür danke ich und dankt das ganze deutsche Volk in Österreich
vor allem den Kameraden der SA. und SS.
In dieser Stunde gedenke ich in tiefer Dankbarkeit und in Liebe unseres
Führers Adolf Hitler. Nun wehen die Hakenkreuzfahnen über seiner
Heimat. In Ehrfurcht gedenken wir der Toten der Bewegung, die im Kampf um
Österreich fielen. Ihre Opfer fanden nun höchste Erfüllung. An
euch, deutsche Volksgenossen und Parteigenossen, aber ergeht mein Ruf: An die
Arbeit! Unser Ziel ist erreicht:
Ein Volk, ein Reich, ein Führer!
Heil unserm Führer! Heil Hitler!
[274] 45. Bundeskanzler Dr. Seyß-Inquart: Bitte um
reichsdeutschen Waffenschutz
11. März 1938.
Die provisorische österreichische Regierung, die nach der Demission der
Regierung Schuschnigg ihre Aufgabe darin sieht, die Ruhe und Ordnung in
Österreich wiederherzustellen, richtet an die deutsche Regierung die
dringende Bitte, sie in ihrer Aufgabe zu unterstützen und ihr zu helfen,
Blutvergießen zu verhindern. Zu diesem Zweck bittet sie die deutsche
Regierung um baldmöglichste Entsendung deutscher Truppen.
Seyß-Inquart.
45a. Gruß der Wehrmacht an
Österreich
Flugzettel, abgeworfen von den Geschwadern der Luftwaffe.
12. März 1938.
Das nationalsozialistische Deutschland grüßt sein
nationalsozialistisches Österreich und die neue nationalsozialistische
Regierung!
In treuer unlösbarer Verbundenheit! Heil Hitler!
45b. Die neue
Bundesregierung
12./13. März 1938.
Dr. jur. Arthur Seyß-Inquart, Rechtsanwalt in Wien
(Bundeskanzler),
Dr. phil. h. c. Edmund Glaise-Horstenau, Direktor des Kriegsarchivs
(Vizekanzler),
Dr. phil. Wilhelm Wolf, Ministerialrat (Außenamt),
Dr. jur. Franz Hueber, Rechtsanwalt in Mattsee (Justiz),
Dr. phil. Oswald Menghin, Univ.-Professor (Unterricht),
Dr. med. Hugo Jury, Arzt in St. Pölten (Soziale
Verwaltung),
Dr. jur. Rudolf Neumayer - Wien (Finanzen),
[275] Ing. Anton
Reinthaller, Gutsbesitzer im Attergau (Landwirtschaft),
Dr. jur. Hans Fischböck - Wien (Handel und Verkehr).
Die Belassung des Wiener Polizeipräsidenten Michael Skubl als
Staatssekretär für Sicherheitswesen war nur ein ganz kurzes
Provisorium. Schon am 13. März erfolgte die Abrundung der Liste durch
Ernennung des Majors d. R. Hubert
Klausner - Klagenfurt zum Minister für politische
Willensbildung und der Staatssekretäre Dr. jur. Ernst
Kaltenbrunner - Linz für Sicherheitswesen, Dr. jur.
et phil. Friedrich Wimmer - Wien für den Dienst
beim Bundeskanzler und des Majors Maximilian Angelis für das
Heereswesen.
Am 14. März übergab der Minister Dr. Wilhelm Wolf sein
Amt an den in Wien eingetroffenen Reichsaußenminister
von Ribbentrop mit folgenden Worten: "Als letzter österreichischer
Außenminister übergebe ich, in tiefster Seele erfreut, die
Geschäfte des österreichischen Außenamtes in Ihre
Hände. Wir Österreicher haben nur ein Vaterland und das ist
Deutschland!"
46. Das Führermanifest
Verlesen von Reichsminister Dr. Goebbels.
12. März 1938.
Deutsche! Mit tiefem Schmerz haben wir seit Jahren das Schicksal unseres Volkes
in Österreich erlebt.
Eine ewige geschichtliche
Verbundenheit, die erst durch das Jahr 1866
gelöst wurde, im
Weltkrieg aber eine neue Besiegelung erfuhr, fügt
Österreich seit jeher ein in die deutsche
Volks- und Schicksalsgemeinschaft. Das Leid, das diesem Lande erst von
außen und dann im Innern zugefügt wurde, empfanden wir als unser
eigenes, so wie wir umgekehrt wissen, daß für Millionen
Deutschösterreicher das Unglück des Reiches die Ursache der
gleichen Bekümmernis und Teilnahme war!
Als in Deutschland die Nation dank dem Siege der nationalsozialistischen Idee
wieder den Weg zu dem stolzen Selbstbewußtsein eines großen
Volkes fand, begann in Österreich eine neue Leidenszeit bitterster
Prüfungen. Ein Regime, dem jeder legale Auftrag fehlte, versuchte seine
von der überwältigenden [276] Mehrheit des
österreichischen Volkes abgelehnte Existenz durch brutalste Mittel des
Terrors, der körperlichen und wirtschaftlichen Züchtigung und
Vernichtung aufrechtzuerhalten. So konnten wir es als großes Volk erleben,
daß mehr als sechs Millionen Menschen unserer eigenen Herkunft von einer
ziffernmäßig kleinen Minorität unterdrückt wurden, die
es einfach verstanden hatte, sich in den Besitz der hierzu notwendigen
Machtmittel zu bringen.
Der politischen Entrechtung und Knebelung entsprach ein wirtschaftlicher Verfall,
der im furchtbaren Gegensatz stand zur Blüte des neuen Lebens in
Deutschland.
Wer konnte es diesen unglücklichen Volksgenossen verdenken, daß
sie ihre Blicke sehnsüchtig nach dem Reiche richteten? Nach jenem
Deutschland, mit dem ihre Vorfahren durch so viele Jahrhunderte verbunden
waren, mit dem sie einst im schwersten Kriege aller Zeiten Schulter an Schulter
fochten, dessen Kultur ihre Kultur war, in der sie selbst auf so vielen Gebieten
höchst eigene Werte beigesteuert hatten.
Diese Gesinnung unterdrücken, hieß nichts anderes als
Hunderttausende von Menschen zu tiefstem Seelenleid zu verdammen.
Allein wenn vor Jahren dieses Leid noch geduldig ertragen wurde, dann war mit
dem steigenden Ansehen des Reiches der Wille, die Unterdrückung zu
beseitigen, immer heftiger geworden.
Deutsche!
Ich habe in den letzten Jahren versucht, die früheren Machthaber in
Österreich vor diesem Weg zu warnen. Nur ein Wahnwitziger konnte
glauben, durch Unterdrückung und Terror den Menschen die Liebe zu
ihrem angestammten Volkstum rauben zu können auf die Dauer. Die
europäische Geschichte beweist es, daß in solchen Fällen nur
ein um so größerer Fanatismus gezüchtet wird. Dieser
Fanatismus zwingt dann die Unterdrücker, zu immer schärferen
Methoden der Vergewaltigung zu greifen, und diese wieder steigern den Abscheu
und den Haß der davon Betroffenen. Ich habe weiter versucht, die
dafür verantwortlichen
Macht- [277] haber zu
überzeugen, daß es auf die Dauer aber auch für eine
große Nation unmöglich, weil unwürdig ist, fortgesetzt
zusehen zu müssen, wie Menschen gleicher Volkszugehörigkeit nur
wegen ihrer Abstammung oder ihrem Bekenntnis zu diesem Volkstum oder ihrer
Verbundenheit mit einer Idee unterdrückt, verfolgt und eingekerkert
werden. Über 40 000 Flüchtlinge hat allein Deutschland bei
sich aufnehmen müssen, 10 000 andere sind in diesem kleinen Lande
durch die Gefängnisse, Kerker und Anhaltelager gewandert,
Hunderttausende sind an den Bettelstab gebracht worden, sind verelendet und
verarmt. Keine Nation der Welt würde auf die Dauer diese Zustände
an ihrer Grenze dulden können, außer denn sie verdiente es nicht
anders, als selbst mißachtet zu werden! Ich habe mich im Jahre 1936
bemüht, irgendeinen Weg zu finden, der die Aussicht bieten könnte,
die Tragik des Schicksals dieses deutschen Bruderlandes zu mildern, um so
vielleicht zu einer wirklichen Aussöhnung gelangen zu können.
Das Abkommen des 11. Juli wurde aber nur unterzeichnet, um im nächsten
Augenblick schon wieder gebrochen zu werden. Die Rechtlosigkeit der
überwältigten Mehrheit war geblieben, ihre unwürdige
Stellung als Paria in diesem Staat wurde in nichts gehoben. Wer sich zum
deutschen Volkstum offen bekannte, blieb verfolgt, ganz gleich, ob er
nationalsozialistischer Straßenarbeiter oder alter verdienter
Heerführer des Weltkrieges war.
Ich habe nun noch ein zweites Mal versucht, eine Verständigung
herbeizuführen. Ich bemühte mich, dem Repräsentanten dieses
Regimes, der mir selbst als dem vom deutschen Volk gewählten
Führer ohne jedes eigene legitime Mandat gegenüberstand, ich
bemühte mich, ihm verständlich zu machen, daß dieser
Zustand auf die Dauer unhaltbar sein würde, da die steigende
Empörung des österreichischen Volkes nicht mit steigender Gewalt
ruhig niedergehalten werden könnte, daß hier von einem gewissen
Augenblick an es auch für das Reich untragbar sein würde, einer
solchen Vergewaltigung noch länger stillschweigend zuzusehen. Denn,
wenn heute schon koloniale Lösungen von Fragen des
Selbstbestimmungsrechtes der davon betroffenen niederen Völkerschaften
abhängig gemacht werden, [278] dann ist es
unerträglich, daß 6½ Millionen Angehörige eines
alten und großen Kulturvolkes durch die Art eines Regimes praktisch unter
diese Rechte gestellt sind.
Ich wollte daher in einem neuen Abkommen erreichen, daß in diesem Lande
allen Deutschen die gleichen Rechte zugewiesen und die gleichen Pflichten
auferlegt würden. Es sollte diese Abmachung eine Erfüllung sein des
Vertrages vom 11. Juli 1936. Wenige Wochen später mußten wir
leider feststellen, daß die Männer der damaligen
österreichischen Regierung nicht daran dachten, dieses Abkommen
sinngemäß zu erfüllen. Um aber für ihre fortgesetzten
Verletzungen der gleichen Rechte der österreichischen Deutschen sich ein
Alibi zu verschaffen, wurde nun ein Volksbegehren ersonnen, das bestimmt war,
die Mehrheit dieses Landes endgültig zu entrechten! Die Modalitäten
dieses Vorganges sollten einmalige sein. Ein Land, das seit vielen Jahren
überhaupt keine Wahl mehr gehabt hat, dem alle Unterlagen für die
Erfassung der Wahlberechtigten fehlen, schreibt eine Wahl aus, die innerhalb von
knapp dreieinhalb Tagen stattfinden soll.
Es gibt keine Wählerlisten, es gibt keine Wählerkarten, es gibt keine
Einsichtnahme in die Wahlberechtigung, es gibt keine Verpflichtung zur
Geheimhaltung der Wahl, es gibt keine Garantie für die unparteiische
Führung des Wahlaktes, es gibt keine Sicherheit für die
Auszählung der Stimmen usw. Wenn dies die Methoden sind, um
einem Regime den Charakter der Legalität zu geben, dann wären wir
Nationalsozialisten im Deutschen Reich 15 Jahre lang nur Narren gewesen! Durch
hundert Wahlkämpfe sind wir gegangen und haben uns mühselig die
Zustimmung des deutschen Volkes erobert. Als mich der verewigte Herr
Reichspräsident endlich zur Regierung berief, war ich der Führer der
weitaus stärksten Partei im Reich. Ich habe seitdem immer wieder versucht,
mir die Legalität meines Daseins und meines Handelns vom deutschen
Volke bestätigen zu lassen, und sie wurde mir bestätigt. Wenn dies
aber die richtigen Methoden sind, die Herr Schuschnigg anwenden wollte, dann
war auch die Abstimmung im Saargebiet einst nur eine Schikane eines Volkes,
dem man die Heimkehr in das Reich erschweren wollte.
[279] Wir sind hier aber einer
anderen Meinung! Ich glaube, wir dürfen alle stolz darauf sein, daß
wir gerade auch anläßlich dieser Abstimmung im Saargebiet in so
unanfechtbarer Weise vom deutschen Volk das Vertrauen erhalten haben.
Gegen diesen einzig dastehenden Versuch eines Wahlbetruges hat sich endlich
das deutsche Volk in Österreich selbst erhoben.
Wenn aber diesmal das Regime es nun wieder beabsichtigte, mit brachialen
Mitteln die Protestbewegung einfach niederzuschlagen, dann konnte das Ergebnis
nur ein neuer Bürgerkrieg sein. Das Deutsche Reich duldet es aber nicht,
daß in diesem Gebiet von jetzt an noch Deutsche verfolgt werden wegen
ihrer Zugehörigkeit zu unserer Nation oder ihrem Bekenntnis zu
bestimmten Auffassungen. Es will Ruhe und Ordnung! Ich habe mich daher
entschlossen, den Millionen Deutschen in Österreich nunmehr die Hilfe des
Reiches zur Verfügung zu stellen. Seit heute morgen marschieren
über alle Grenzen Deutschösterreichs die Soldaten der deutschen
Wehrmacht!
Panzertruppen, Infanteriedivisionen und die
-Verbände auf der Erde und die deutsche Luftwaffe
am blauen Himmel werden - selbst gerufen von der neuen,
nationalsozialistischen Regierung in Wien - der Garant dafür sein,
daß dem österreichischen Volk nunmehr endlich in kürzester
Frist die Möglichkeit geboten wird, durch eine wirkliche Volksabstimmung
seine Zukunft und damit sein Schicksal selbst zu gestalten. Hinter diesen
Verbänden aber steht der Wille und die Entschlossenheit der ganzen
deutschen Nation! Ich selbst als Führer und Kanzler des deutschen Volkes
werde glücklich sein, nunmehr wieder als Deutscher und freier
Bürger jenes Land betreten zu können, das auch meine Heimat ist.
Die Welt aber soll sich
überzeugen, daß das deutsche Volk in Österreich in diesen
Tagen Stunden seligster Freude und Ergriffenheit erlebt. Es sieht in den zu Hilfe
gekommenen Brüdern die Retter aus tiefster Not. Es lebe das
nationalsozialistische Deutsche Reich! Es lebe das nationalsozialistische
Deutschösterreich!
Berlin, den 12. März 1938. Adolf Hitler.
[280] 47. Der Widerruf des Anschlußverbotes
Ansprache des Bundeskanzlers Dr. Seyß-Inquart beim
Führerempfang in Linz.
Mein Führer!
März 1938.
In einem für das deutsche Volk und in seinen Fernwirkungen für die
Gestaltung der europäischen Geschichte bedeutsamen Augenblick
begrüße ich und mit mir die ganze Heimat Sie, mein Führer
und Reichskanzler, zum erstenmal wieder in Österreich! Die Zeit ist da, in
der trotz des Friedensdiktates Zwang, Mißgunst und Unverständnis
einer ganzen Welt endgültig Deutsche zu Deutschen gefunden haben...
Sie, mein Führer, haben Volksnot und Volksleid als Sohn der Grenzmark
erfahren. Aus diesem Wissen erwuchs in Ihnen der große Gedanke, alles
einzusetzen, um das deutsche Volk aus seiner schwersten Niederlage
herauszuführen. Sie haben es herausgeführt. Sie sind der
Führer der deutschen Nation im Kampf um Ehre, Freiheit und Recht. Jetzt
haben wir Österreicher uns für alle Zeiten frei und offen, deutsch und
unabhängig zu dieser Führung bekannt, indem wir zugleich in
feierlicher Weise den Artikel 88 des Friedensvertrages als unwirksam
erklären.
47a. Führer-Ansprache an das Volk vom
Rathaus in Linz
12. März 1938.
Deutsche! Deutsche Volksgenossen und -genossinnen! Herr Bundeskanzler! Ich
danke Ihnen für Ihre Begrüßungsworte. Ich danke aber vor
allem euch, die ihr hier angetreten seid und die ihr Zeugnis ablegt dafür,
daß es nicht der Wille und der Wunsch einiger wenigen ist, dieses
große volksdeutsche Reich zu begründen, sondern daß es der
Wunsch und der Wille des deutschen Volkes selbst ist. Möchten doch an
diesem Abend hier einige unserer bekannten internationalen Wahrheitsforscher
die Wirklichkeit nicht nur sehen, sondern später auch zugeben. Als ich einst
aus dieser Stadt auszog, trug ich in mir genau dasselbe gläubige
Bekenntnis, das mich heute erfüllt. Ermessen Sie meine innere
Ergriffenheit, nach so langen Jahren dieses gläubige Bekenntnis zur
Erfüllung gebracht zu haben.
[281] Wenn die Vorsehung
mich einst aus dieser Stadt heraus zur Führung des Reiches berief, dann
muß sie mir damit einen Auftrag erteilt haben, und es kann nur ein Auftrag
gewesen sein, meine teure Heimat dem Deutschen Reich wiederzugeben. Ich habe
an diesen Auftrag geglaubt, habe für ihn gelebt und gekämpft, und
ich glaube, ich habe ihn jetzt erfüllt, und ihr seid Zeugen. Und ihr alle seid
Zeugen und Bürgen dafür! Ich weiß nicht, an welchem Tage
ihr gerufen werdet. Ich hoffe, es ist kein ferner. Dann habt ihr einzustehen mit
eurem eigenen Bekenntnis, und ich glaube, daß ich vor dem ganzen anderen
Deutschen Volk dann mit Stolz auf meine Heimat werde hinweisen können.
Es muß dieses Ergebnis dann der Welt beweisen, daß jeder weitere
Versuch, dieses Volk zu zerreißen, ein vergeblicher sein wird.
So wie ihr dann verpflichtet sein werdet, für diese deutsche Zukunft euren
Beitrag zu leisten, so ist ganz Deutschland bereit, auch seinen Beitrag zu leisten,
und es leistet ihn schon am heutigen Tage. Sehen Sie in den deutschen Soldaten,
die aus allen Gauen des Reiches in dieser Stunde einmarschieren, opferbereite und
opfergewillte Kämpfer für des ganzen großen, deutschen
Volkes Einheit, für unsere Freiheit, für unseres Reiches Macht,
für seine Herrlichkeit jetzt und immer. Deutschland, Sieg Heil!
47b. Mitteilungen des Führers über
die Entscheidung
an den Publizisten Ward Price in Linz.
14. März 1938.
Ich versichere Ihnen in aller Aufrichtigkeit, daß ich vor vier Tagen keine
Ahnung von alledem hatte, was sich heute hier ereignen sollte, oder daß
Österreich ein deutsches Land werden würde wie Bayern oder
Sachsen. Ich habe dies getan, weil ich von Herrn Schuschnigg getäuscht
wurde und Verrat ist etwas, was ich nicht dulden werde... Ich hatte mich mit
Herrn Schuschnigg darüber geeinigt, daß er seine
Unterdrückung der Mehrheit des Volkes in seinem Lande einstellen sollte.
Ich befaßte mich mit ihm völlig fair in meiner Reichstagsrede...
[282] Statt dessen versuchte
Herr Schuschnigg diesen Volksentscheid durchzudrücken, den er für
sein Land geplant hatte.
Zunächst konnte ich die Nachricht gar nicht glauben; ich schickte einen
Abgesandten (von Keppler) nach Wien, um festzustellen, ob sie wirklich wahr
sein könnte. Dieser teilte mir mit, daß es wirklich wahr sei, und daher
beschloß ich zu handeln, und zwar so, daß ich an dem gleichen Tage,
an dem Schuschnigg seinen Volksentscheid abhalten wollte, die Vereinigung
Österreichs mit dem Deutschen Reiche verwirklichte. Diese Vereinigung
wird einem andern, einem nationalen Volksentscheid unterworfen werden. Sie
werden das Ergebnis sehen. Es wird eine überwältigende Mehrheit
sein wie an der Saar.
Hier ist meine Heimat. Lange habe ich darunter gelitten, das Volk, zu dem ich
durch Geburt gehöre, unterdrückt und leiden zu sehen. Mehr als 2000
von ihnen haben ihr Leben gelassen. Viele sind im Gefängnis gewesen.
Einige von ihnen sind wegen ihrer politischen Anschauungen und wegen ihres
Glaubens an ihre Ideale gehängt worden. Eine Minderheit von
10 Prozent hat eine Mehrheit von 90 Prozent unterdrückt.
Dem habe ich ein Ende gesetzt. Ich habe verhindert, daß die Mehrheit sich
an ihren Unterdrückern rächte. Ich hoffe, daß die Welt
verstehe, daß das ein Friedenswerk ist, was ich hier geleistet habe. Wenn ich
nicht interveniert und wenn die Schuschnigg-Regierung versucht hätte,
ihren Trick-Volksentscheid durchzuführen, dann würde es hier eine
blutige Revolution gegeben haben. Österreich hätte dann sehr gut ein
zweites Spanien im Herzen Europas werden können.
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