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Von der Gründung Deutschösterreichs zum Anschluß 1918-1938.
Eine Dokumentensammlung.

42. Dritte Führer-Erklärung über Österreich

Aus der Reichstagserklärung über das Südostdeutschtum.

20. Februar 1938.        

Ich bin glücklich, Ihnen, meine Abgeordneten, mitteilen zu können, daß in den letzten Tagen eine weitere Verständigung mit dem Lande erzielt wurde, das uns aus vielerlei Gründen besonders nahesteht. Es ist nicht nur das gleiche Volk, sondern vor allem es ist eine lange gleiche Geschichte und eine gemeinsame Kultur, die das Reich und Deutschösterreich verbinden.

Die Schwierigkeiten, die sich im Vollzug des Abkommens vom 11. Juli ergeben hatten, zwangen dazu, einen Versuch zu unternehmen, Mißverständnisse und Hindernisse für eine endgültige Aussöhnung beiseite zu räumen.

Denn es war klar, daß eine an sich unerträglich gewordene Lage eines Tages gewollt oder ungewollt die Voraussetzungen für eine sehr schwere Katastrophe hätten bilden können. Es liegt dann meist nicht mehr in der Macht der Menschen, einem Schicksal Einhalt zu gebieten, das durch Nachlässigkeit oder Unklugheit erst einmal ins Rollen gekommen ist.

Ich bin glücklich, feststellen zu können, daß diese Erkenntnisse auch den Auffassungen des österreichischen Bundeskanzlers, den ich um einen Besuch bat, entsprachen. Der Gedanke und die Absicht waren dabei, eine Entspannung unserer Beziehungen dadurch herbeizuführen, daß dem nach seiner Auffassung und Weltanschauung nationalsozialistisch denkenden Teil des deutsch-österreichischen Volkes im Rahmen der sonst gültigen Gesetze die gleichen Rechte gegeben werden, wie sie auch den anderen Staatsbürgern zustehen.

In Verbindung damit sollte eine große Befreiungsaktion eintreten durch eine Generalamnestie und eine bessere Verständigung der beiden Staaten durch ein nunmehr engeres freundschaftliches Verhältnis auf den verschiedenen Gebieten einer möglichen politischen, personellen und sachlich wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Dies alles ist eine Ergänzung im Rahmen des Abkommens vom 11. Juli.

Ich möchte an dieser Stelle vor dem deutschen Volk dem österreichischen Bundeskanzler meinen aufrichtigen Dank aussprechen für das große Verständnis und die warmherzige Be- [271] reitwilligkeit, mit der er meine Einladung annahm und sich bemühte, gemeinsam mit mir einen Weg zu finden, der ebenso sehr im Interesse beider Länder wie im Interesse des gesamten deutschen Volkes liegt, jenes gesamten deutschen Volkes, dessen Söhne wir alle sind, ganz gleich, wo die Wiege unserer Heimat stand.

Ich glaube, daß wir damit auch einen Beitrag zum europäischen Frieden geleistet haben.

......

Allein zwei der an unsern Grenzen liegenden Staaten umschließen eine Masse von 10 Millionen Deutschen. Sie waren bis 1866 mit dem deutschen Gesamtvolk noch in einem staatsrechtlichen Bund vereinigt. Sie kämpften bis 1918 im Großen Kriege Schulter an Schulter mit den deutschen Soldaten des Reiches. Sie sind gegen ihren eigenen Willen durch die Friedensverträge an einer Vereinigung mit dem Deutschen Reiche verhindert worden. Das ist an sich schmerzlich genug. Über eines aber darf in unsern Augen kein Zweifel bestehen:

Die staatsrechtliche Trennung vom Reiche kann nicht zu einer politischen Rechtlosmachung führen, d. h. die allgemeinen Rechte einer volklichen Selbstbestimmung, die übrigens in den 14 Punkten Wilsons als Voraussetzung zum Waffenstillstand zugesichert worden sind, können nicht einfach mißachtet werden, weil es sich hier um Deutsche handelt. Es ist auf die Dauer für eine Weltmacht von Selbstbewußtsein unerträglich, an ihrer Seite Volksgenossen zu wissen, denen aus ihrer Sympathie oder aus ihrer Verbundenheit mit dem Gesamtvolk, seinem Schicksal und seiner Weltanschauung fortgesetzt schwerstes Leid zugefügt wird.



43. An der Schwelle des Bürgerkrieges

Schuschniggs Mobilisierungsbefehl "D".

11. März 1938.        

Armeebefehl des Bundeskanzlers und Landesverteidigungsministers:

1. Konsignierung aller Truppen ab 11. März, 6 Uhr früh.

2. Einberufung des Reservejahrganges 1915, soweit min- [272] destens 10 Monate gedient, zur sofortigen Waffenübung auf 14 Tage. Einberufung von Evidenzoffizieren im nötigen Ausmaß für die Truppe. Dabei ist Bedacht zu nehmen, daß nur vaterländische Personen einberufen und national Gesinnte ferngehalten werden. Mit einer auswärtigen Verwendung der Truppen muß gerechnet werden.

3. Die gesamte Miliz (sogen. V. F. Miliz) wird mit sofortiger Wirkung aufgeboten.

Nach außen sind diese Maßnahmen als zur Durchführung der Abstimmung notwendig zu bezeichnen. In Wirklichkeit jedoch ist der Mobilisierungsfall "D" angeordnet und durchzuführen. Die Mobilisierung ist eine vollständige, weil der Jahrgang 1915 der einzige ausgebildete Reservejahrgang ist.


Die Gegenarbeit des nationalsozialistischen Soldatenrings:

Am 9. März erging für Oberösterreich und Salzburg folgende Weisung für die Schuschnigg-Wahl (schriftlich durch Kurier):

1. Wahlenthaltung.

2. Auf allen Kasernen am Wahltag früh Hakenkreuzfahnen hissen! (Beistellung von SA. und NS.-Frauenschaft).

3. Zu Assistenzen eingesetzte Truppen: Schußbefehl verweigern, ansonsten mit Demonstranten sympathisieren, Durchmarsch für SA. und SS. bei Absperrungen freigeben!

Meldungen vom 11. März: Die Parteiführung kann sich darauf verlassen, daß in Oberösterreich das Militär sicher auf Seite der NSDAP. steht. Ab Mittag waren die wichtigsten Wachen von NSR.-Mitgliedern besetzt; alle Telephonzentralen in den Kasernen von NSR.-Soldaten besetzt, so daß die in den Kasernen führenden nationalsozialistischen Offiziere laufend unterrichtet wurden. Verbindung zwischen den Kasernen durch Frauen.

14 Uhr: Bei Befehlsausgabe der SA. im Hotel Wolfinger Verlautbarung, daß 4. Division mit Oberst Sinzinger verläßlich auf Seite der Partei steht.

15 Uhr hat Sicherheitsdirektor hiervon Kenntnis.

[273] 18 Uhr: Weisung an Kasernen, offene Propaganda für NSDAP. machen! Erfolg durchschlagend! Bald wehen auf den Kasernen die für den nächsten Tag vorbereiteten Hakenkreuzfahnen. Kommandogewalt zur Gänze in den Händen nationalsozialistischer Offiziere.

Aus Österreichischer Beobachter (hg. vom Gaupropagandaleiter Oberdonau Dr.  Fellner). 1. Märzfolge 1939.



44. Landesleiter der NSDAP. Major Klausner an das Volk Österreichs

Nächtliche Rundfunkansprache nach der Bildung der Regierung Seyß-Inquart.

11./12. März 1938.        

In tiefer Bewegung verkünde ich in dieser feierlichen Stunde, Österreich ist frei geworden, Österreich ist nationalsozialistisch!

Durch das Vertrauen des ganzen Volkes emporgetragen, ist eine neue Regierung gebildet worden, die nach den Grundsätzen unserer herrlichen, nationalsozialistischen Bewegung ihre ganze Kraft für Glück und Frieden für das ganze Land einsetzen wird.

Arbeit und Brot für alle Volksgenossen zu schaffen, wird ihre erste Aufgabe sein.

Wieder ist eine nationalsozialistische Erhebung in unglaublicher Disziplin verlaufen. Wenn es noch eines Beweises bedürft hätte, daß uns die Macht im Staate gebührt, so war es diese einzigartige, spontane Erhebung und Machtergreifung. Niemand wurde etwas zu Leide getan. Dafür danke ich und dankt das ganze deutsche Volk in Österreich vor allem den Kameraden der SA. und SS.

In dieser Stunde gedenke ich in tiefer Dankbarkeit und in Liebe unseres Führers Adolf Hitler. Nun wehen die Hakenkreuzfahnen über seiner Heimat. In Ehrfurcht gedenken wir der Toten der Bewegung, die im Kampf um Österreich fielen. Ihre Opfer fanden nun höchste Erfüllung. An euch, deutsche Volksgenossen und Parteigenossen, aber ergeht mein Ruf: An die Arbeit! Unser Ziel ist erreicht:

      Ein Volk, ein Reich, ein Führer!
      Heil unserm Führer! Heil Hitler!



[274] 45. Bundeskanzler Dr. Seyß-Inquart: Bitte um reichsdeutschen Waffenschutz

11. März 1938.        

Die provisorische österreichische Regierung, die nach der Demission der Regierung Schuschnigg ihre Aufgabe darin sieht, die Ruhe und Ordnung in Österreich wiederherzustellen, richtet an die deutsche Regierung die dringende Bitte, sie in ihrer Aufgabe zu unterstützen und ihr zu helfen, Blutvergießen zu verhindern. Zu diesem Zweck bittet sie die deutsche Regierung um baldmöglichste Entsendung deutscher Truppen.

Seyß-Inquart.        



45a. Gruß der Wehrmacht an Österreich

Flugzettel, abgeworfen von den Geschwadern der Luftwaffe.

12. März 1938.        

Das nationalsozialistische Deutschland grüßt sein nationalsozialistisches Österreich und die neue nationalsozialistische Regierung!

In treuer unlösbarer Verbundenheit! Heil Hitler!



45b. Die neue Bundesregierung
12./13. März 1938.        

Dr. jur. Arthur Seyß-Inquart, Rechtsanwalt in Wien (Bundeskanzler),
Dr. phil. h. c. Edmund Glaise-Horstenau, Direktor des Kriegsarchivs (Vizekanzler),
Dr. phil. Wilhelm Wolf, Ministerialrat (Außenamt),
Dr. jur. Franz Hueber, Rechtsanwalt in Mattsee (Justiz),
Dr. phil. Oswald Menghin, Univ.-Professor (Unterricht),
Dr. med. Hugo Jury, Arzt in St. Pölten (Soziale Verwaltung),
Dr. jur. Rudolf Neumayer - Wien (Finanzen),
[275] Ing. Anton Reinthaller, Gutsbesitzer im Attergau (Landwirtschaft),
Dr. jur. Hans Fischböck - Wien (Handel und Verkehr).

Die Belassung des Wiener Polizeipräsidenten Michael Skubl als Staatssekretär für Sicherheitswesen war nur ein ganz kurzes Provisorium. Schon am 13. März erfolgte die Abrundung der Liste durch Ernennung des Majors d. R. Hubert Klausner - Klagenfurt zum Minister für politische Willensbildung und der Staatssekretäre Dr. jur. Ernst Kaltenbrunner - Linz für Sicherheitswesen, Dr. jur. et phil. Friedrich Wimmer - Wien für den Dienst beim Bundeskanzler und des Majors Maximilian Angelis für das Heereswesen.

Am 14. März übergab der Minister Dr. Wilhelm Wolf sein Amt an den in Wien eingetroffenen Reichsaußenminister von Ribbentrop mit folgenden Worten: "Als letzter österreichischer Außenminister übergebe ich, in tiefster Seele erfreut, die Geschäfte des österreichischen Außenamtes in Ihre Hände. Wir Österreicher haben nur ein Vaterland und das ist Deutschland!"



46. Das Führermanifest

Verlesen von Reichsminister Dr. Goebbels.

12. März 1938.       

Deutsche! Mit tiefem Schmerz haben wir seit Jahren das Schicksal unseres Volkes in Österreich erlebt.

Eine ewige geschichtliche Verbundenheit, die erst durch das Jahr 1866 gelöst wurde, im Weltkrieg aber eine neue Besiegelung erfuhr, fügt Österreich seit jeher ein in die deutsche Volks- und Schicksalsgemeinschaft. Das Leid, das diesem Lande erst von außen und dann im Innern zugefügt wurde, empfanden wir als unser eigenes, so wie wir umgekehrt wissen, daß für Millionen Deutschösterreicher das Unglück des Reiches die Ursache der gleichen Bekümmernis und Teilnahme war!

Als in Deutschland die Nation dank dem Siege der nationalsozialistischen Idee wieder den Weg zu dem stolzen Selbstbewußtsein eines großen Volkes fand, begann in Österreich eine neue Leidenszeit bitterster Prüfungen. Ein Regime, dem jeder legale Auftrag fehlte, versuchte seine von der überwältigenden [276] Mehrheit des österreichischen Volkes abgelehnte Existenz durch brutalste Mittel des Terrors, der körperlichen und wirtschaftlichen Züchtigung und Vernichtung aufrechtzuerhalten. So konnten wir es als großes Volk erleben, daß mehr als sechs Millionen Menschen unserer eigenen Herkunft von einer ziffernmäßig kleinen Minorität unterdrückt wurden, die es einfach verstanden hatte, sich in den Besitz der hierzu notwendigen Machtmittel zu bringen.

Der politischen Entrechtung und Knebelung entsprach ein wirtschaftlicher Verfall, der im furchtbaren Gegensatz stand zur Blüte des neuen Lebens in Deutschland.

Wer konnte es diesen unglücklichen Volksgenossen verdenken, daß sie ihre Blicke sehnsüchtig nach dem Reiche richteten? Nach jenem Deutschland, mit dem ihre Vorfahren durch so viele Jahrhunderte verbunden waren, mit dem sie einst im schwersten Kriege aller Zeiten Schulter an Schulter fochten, dessen Kultur ihre Kultur war, in der sie selbst auf so vielen Gebieten höchst eigene Werte beigesteuert hatten.

Diese Gesinnung unterdrücken, hieß nichts anderes als Hunderttausende von Menschen zu tiefstem Seelenleid zu verdammen.

Allein wenn vor Jahren dieses Leid noch geduldig ertragen wurde, dann war mit dem steigenden Ansehen des Reiches der Wille, die Unterdrückung zu beseitigen, immer heftiger geworden.

Deutsche!

Ich habe in den letzten Jahren versucht, die früheren Machthaber in Österreich vor diesem Weg zu warnen. Nur ein Wahnwitziger konnte glauben, durch Unterdrückung und Terror den Menschen die Liebe zu ihrem angestammten Volkstum rauben zu können auf die Dauer. Die europäische Geschichte beweist es, daß in solchen Fällen nur ein um so größerer Fanatismus gezüchtet wird. Dieser Fanatismus zwingt dann die Unterdrücker, zu immer schärferen Methoden der Vergewaltigung zu greifen, und diese wieder steigern den Abscheu und den Haß der davon Betroffenen. Ich habe weiter versucht, die dafür verantwortlichen Macht- [277] haber zu überzeugen, daß es auf die Dauer aber auch für eine große Nation unmöglich, weil unwürdig ist, fortgesetzt zusehen zu müssen, wie Menschen gleicher Volkszugehörigkeit nur wegen ihrer Abstammung oder ihrem Bekenntnis zu diesem Volkstum oder ihrer Verbundenheit mit einer Idee unterdrückt, verfolgt und eingekerkert werden. Über 40 000 Flüchtlinge hat allein Deutschland bei sich aufnehmen müssen, 10 000 andere sind in diesem kleinen Lande durch die Gefängnisse, Kerker und Anhaltelager gewandert, Hunderttausende sind an den Bettelstab gebracht worden, sind verelendet und verarmt. Keine Nation der Welt würde auf die Dauer diese Zustände an ihrer Grenze dulden können, außer denn sie verdiente es nicht anders, als selbst mißachtet zu werden! Ich habe mich im Jahre 1936 bemüht, irgendeinen Weg zu finden, der die Aussicht bieten könnte, die Tragik des Schicksals dieses deutschen Bruderlandes zu mildern, um so vielleicht zu einer wirklichen Aussöhnung gelangen zu können.

Das Abkommen des 11. Juli wurde aber nur unterzeichnet, um im nächsten Augenblick schon wieder gebrochen zu werden. Die Rechtlosigkeit der überwältigten Mehrheit war geblieben, ihre unwürdige Stellung als Paria in diesem Staat wurde in nichts gehoben. Wer sich zum deutschen Volkstum offen bekannte, blieb verfolgt, ganz gleich, ob er nationalsozialistischer Straßenarbeiter oder alter verdienter Heerführer des Weltkrieges war.

Ich habe nun noch ein zweites Mal versucht, eine Verständigung herbeizuführen. Ich bemühte mich, dem Repräsentanten dieses Regimes, der mir selbst als dem vom deutschen Volk gewählten Führer ohne jedes eigene legitime Mandat gegenüberstand, ich bemühte mich, ihm verständlich zu machen, daß dieser Zustand auf die Dauer unhaltbar sein würde, da die steigende Empörung des österreichischen Volkes nicht mit steigender Gewalt ruhig niedergehalten werden könnte, daß hier von einem gewissen Augenblick an es auch für das Reich untragbar sein würde, einer solchen Vergewaltigung noch länger stillschweigend zuzusehen. Denn, wenn heute schon koloniale Lösungen von Fragen des Selbstbestimmungsrechtes der davon betroffenen niederen Völkerschaften abhängig gemacht werden, [278] dann ist es unerträglich, daß 6½ Millionen Angehörige eines alten und großen Kulturvolkes durch die Art eines Regimes praktisch unter diese Rechte gestellt sind.

Ich wollte daher in einem neuen Abkommen erreichen, daß in diesem Lande allen Deutschen die gleichen Rechte zugewiesen und die gleichen Pflichten auferlegt würden. Es sollte diese Abmachung eine Erfüllung sein des Vertrages vom 11. Juli 1936. Wenige Wochen später mußten wir leider feststellen, daß die Männer der damaligen österreichischen Regierung nicht daran dachten, dieses Abkommen sinngemäß zu erfüllen. Um aber für ihre fortgesetzten Verletzungen der gleichen Rechte der österreichischen Deutschen sich ein Alibi zu verschaffen, wurde nun ein Volksbegehren ersonnen, das bestimmt war, die Mehrheit dieses Landes endgültig zu entrechten! Die Modalitäten dieses Vorganges sollten einmalige sein. Ein Land, das seit vielen Jahren überhaupt keine Wahl mehr gehabt hat, dem alle Unterlagen für die Erfassung der Wahlberechtigten fehlen, schreibt eine Wahl aus, die innerhalb von knapp dreieinhalb Tagen stattfinden soll.

Es gibt keine Wählerlisten, es gibt keine Wählerkarten, es gibt keine Einsichtnahme in die Wahlberechtigung, es gibt keine Verpflichtung zur Geheimhaltung der Wahl, es gibt keine Garantie für die unparteiische Führung des Wahlaktes, es gibt keine Sicherheit für die Auszählung der Stimmen usw. Wenn dies die Methoden sind, um einem Regime den Charakter der Legalität zu geben, dann wären wir Nationalsozialisten im Deutschen Reich 15 Jahre lang nur Narren gewesen! Durch hundert Wahlkämpfe sind wir gegangen und haben uns mühselig die Zustimmung des deutschen Volkes erobert. Als mich der verewigte Herr Reichspräsident endlich zur Regierung berief, war ich der Führer der weitaus stärksten Partei im Reich. Ich habe seitdem immer wieder versucht, mir die Legalität meines Daseins und meines Handelns vom deutschen Volke bestätigen zu lassen, und sie wurde mir bestätigt. Wenn dies aber die richtigen Methoden sind, die Herr Schuschnigg anwenden wollte, dann war auch die Abstimmung im Saargebiet einst nur eine Schikane eines Volkes, dem man die Heimkehr in das Reich erschweren wollte.

[279] Wir sind hier aber einer anderen Meinung! Ich glaube, wir dürfen alle stolz darauf sein, daß wir gerade auch anläßlich dieser Abstimmung im Saargebiet in so unanfechtbarer Weise vom deutschen Volk das Vertrauen erhalten haben.

Gegen diesen einzig dastehenden Versuch eines Wahlbetruges hat sich endlich das deutsche Volk in Österreich selbst erhoben.

Wenn aber diesmal das Regime es nun wieder beabsichtigte, mit brachialen Mitteln die Protestbewegung einfach niederzuschlagen, dann konnte das Ergebnis nur ein neuer Bürgerkrieg sein. Das Deutsche Reich duldet es aber nicht, daß in diesem Gebiet von jetzt an noch Deutsche verfolgt werden wegen ihrer Zugehörigkeit zu unserer Nation oder ihrem Bekenntnis zu bestimmten Auffassungen. Es will Ruhe und Ordnung! Ich habe mich daher entschlossen, den Millionen Deutschen in Österreich nunmehr die Hilfe des Reiches zur Verfügung zu stellen. Seit heute morgen marschieren über alle Grenzen Deutschösterreichs die Soldaten der deutschen Wehrmacht!

Panzertruppen, Infanteriedivisionen und die -Verbände auf der Erde und die deutsche Luftwaffe am blauen Himmel werden - selbst gerufen von der neuen, nationalsozialistischen Regierung in Wien - der Garant dafür sein, daß dem österreichischen Volk nunmehr endlich in kürzester Frist die Möglichkeit geboten wird, durch eine wirkliche Volksabstimmung seine Zukunft und damit sein Schicksal selbst zu gestalten. Hinter diesen Verbänden aber steht der Wille und die Entschlossenheit der ganzen deutschen Nation! Ich selbst als Führer und Kanzler des deutschen Volkes werde glücklich sein, nunmehr wieder als Deutscher und freier Bürger jenes Land betreten zu können, das auch meine Heimat ist. Die Welt aber soll sich überzeugen, daß das deutsche Volk in Österreich in diesen Tagen Stunden seligster Freude und Ergriffenheit erlebt. Es sieht in den zu Hilfe gekommenen Brüdern die Retter aus tiefster Not. Es lebe das nationalsozialistische Deutsche Reich! Es lebe das nationalsozialistische Deutschösterreich!

Berlin, den 12. März 1938. Adolf Hitler.



[280] 47. Der Widerruf des Anschlußverbotes

Ansprache des Bundeskanzlers Dr. Seyß-Inquart beim Führerempfang in Linz.

Mein Führer! März 1938.

In einem für das deutsche Volk und in seinen Fernwirkungen für die Gestaltung der europäischen Geschichte bedeutsamen Augenblick begrüße ich und mit mir die ganze Heimat Sie, mein Führer und Reichskanzler, zum erstenmal wieder in Österreich! Die Zeit ist da, in der trotz des Friedensdiktates Zwang, Mißgunst und Unverständnis einer ganzen Welt endgültig Deutsche zu Deutschen gefunden haben...

Sie, mein Führer, haben Volksnot und Volksleid als Sohn der Grenzmark erfahren. Aus diesem Wissen erwuchs in Ihnen der große Gedanke, alles einzusetzen, um das deutsche Volk aus seiner schwersten Niederlage herauszuführen. Sie haben es herausgeführt. Sie sind der Führer der deutschen Nation im Kampf um Ehre, Freiheit und Recht. Jetzt haben wir Österreicher uns für alle Zeiten frei und offen, deutsch und unabhängig zu dieser Führung bekannt, indem wir zugleich in feierlicher Weise den Artikel 88 des Friedensvertrages als unwirksam erklären.



47a. Führer-Ansprache an das Volk vom Rathaus in Linz
12. März 1938.        

Deutsche! Deutsche Volksgenossen und -genossinnen! Herr Bundeskanzler! Ich danke Ihnen für Ihre Begrüßungsworte. Ich danke aber vor allem euch, die ihr hier angetreten seid und die ihr Zeugnis ablegt dafür, daß es nicht der Wille und der Wunsch einiger wenigen ist, dieses große volksdeutsche Reich zu begründen, sondern daß es der Wunsch und der Wille des deutschen Volkes selbst ist. Möchten doch an diesem Abend hier einige unserer bekannten internationalen Wahrheitsforscher die Wirklichkeit nicht nur sehen, sondern später auch zugeben. Als ich einst aus dieser Stadt auszog, trug ich in mir genau dasselbe gläubige Bekenntnis, das mich heute erfüllt. Ermessen Sie meine innere Ergriffenheit, nach so langen Jahren dieses gläubige Bekenntnis zur Erfüllung gebracht zu haben.

[281] Wenn die Vorsehung mich einst aus dieser Stadt heraus zur Führung des Reiches berief, dann muß sie mir damit einen Auftrag erteilt haben, und es kann nur ein Auftrag gewesen sein, meine teure Heimat dem Deutschen Reich wiederzugeben. Ich habe an diesen Auftrag geglaubt, habe für ihn gelebt und gekämpft, und ich glaube, ich habe ihn jetzt erfüllt, und ihr seid Zeugen. Und ihr alle seid Zeugen und Bürgen dafür! Ich weiß nicht, an welchem Tage ihr gerufen werdet. Ich hoffe, es ist kein ferner. Dann habt ihr einzustehen mit eurem eigenen Bekenntnis, und ich glaube, daß ich vor dem ganzen anderen Deutschen Volk dann mit Stolz auf meine Heimat werde hinweisen können. Es muß dieses Ergebnis dann der Welt beweisen, daß jeder weitere Versuch, dieses Volk zu zerreißen, ein vergeblicher sein wird.

So wie ihr dann verpflichtet sein werdet, für diese deutsche Zukunft euren Beitrag zu leisten, so ist ganz Deutschland bereit, auch seinen Beitrag zu leisten, und es leistet ihn schon am heutigen Tage. Sehen Sie in den deutschen Soldaten, die aus allen Gauen des Reiches in dieser Stunde einmarschieren, opferbereite und opfergewillte Kämpfer für des ganzen großen, deutschen Volkes Einheit, für unsere Freiheit, für unseres Reiches Macht, für seine Herrlichkeit jetzt und immer. Deutschland, Sieg Heil!



47b. Mitteilungen des Führers über die Entscheidung

an den Publizisten Ward Price in Linz.

14. März 1938.        

Ich versichere Ihnen in aller Aufrichtigkeit, daß ich vor vier Tagen keine Ahnung von alledem hatte, was sich heute hier ereignen sollte, oder daß Österreich ein deutsches Land werden würde wie Bayern oder Sachsen. Ich habe dies getan, weil ich von Herrn Schuschnigg getäuscht wurde und Verrat ist etwas, was ich nicht dulden werde... Ich hatte mich mit Herrn Schuschnigg darüber geeinigt, daß er seine Unterdrückung der Mehrheit des Volkes in seinem Lande einstellen sollte. Ich befaßte mich mit ihm völlig fair in meiner Reichstagsrede... [282] Statt dessen versuchte Herr Schuschnigg diesen Volksentscheid durchzudrücken, den er für sein Land geplant hatte.

Zunächst konnte ich die Nachricht gar nicht glauben; ich schickte einen Abgesandten (von Keppler) nach Wien, um festzustellen, ob sie wirklich wahr sein könnte. Dieser teilte mir mit, daß es wirklich wahr sei, und daher beschloß ich zu handeln, und zwar so, daß ich an dem gleichen Tage, an dem Schuschnigg seinen Volksentscheid abhalten wollte, die Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reiche verwirklichte. Diese Vereinigung wird einem andern, einem nationalen Volksentscheid unterworfen werden. Sie werden das Ergebnis sehen. Es wird eine überwältigende Mehrheit sein wie an der Saar.

Hier ist meine Heimat. Lange habe ich darunter gelitten, das Volk, zu dem ich durch Geburt gehöre, unterdrückt und leiden zu sehen. Mehr als 2000 von ihnen haben ihr Leben gelassen. Viele sind im Gefängnis gewesen. Einige von ihnen sind wegen ihrer politischen Anschauungen und wegen ihres Glaubens an ihre Ideale gehängt worden. Eine Minderheit von 10 Prozent hat eine Mehrheit von 90 Prozent unterdrückt. Dem habe ich ein Ende gesetzt. Ich habe verhindert, daß die Mehrheit sich an ihren Unterdrückern rächte. Ich hoffe, daß die Welt verstehe, daß das ein Friedenswerk ist, was ich hier geleistet habe. Wenn ich nicht interveniert und wenn die Schuschnigg-Regierung versucht hätte, ihren Trick-Volksentscheid durchzuführen, dann würde es hier eine blutige Revolution gegeben haben. Österreich hätte dann sehr gut ein zweites Spanien im Herzen Europas werden können.


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Der Staat wider Willen
Österreich 1918-1938
Dr. Reinhold Lorenz