Polnischer Protestantismus und deutsches
Luthertum
im Reformationszeitalter in Polen
Kirchenerneuerungsbewegungen
in Polen vor der Reformation |
Reformatorische Bewegungen hat es in Polen schon vor der deutschen
Reformation gegeben. Hussens Lehre fand durch seinen Freund Hieronymus
Eingang beim polnischen Hof. Auf dem Konzil von Konstanz wurde Hus von
den polnischen Vertretern warm verteidigt. Aber es war nicht die
Erinnerung an frühere Gemeindebildungen auf hussitischer
Grundlage, die nach dem Einsetzen der kirchlichen Reform in Deutschland
und [24] der Schweiz den
polnischen Adel aufmerksam werden ließ auf die neue religiöse
Bewegung, sondern
Der
Gegensatz
des Adels zur
höheren Geistlichkeit |
die seit langem vorhandene Spannung zwischen dem Adel und der
höchsten Geistlichkeit. Über die Fragen der Kirchensteuern,
der Anteilnahme der Geistlichen an den öffentlichen Lasten und der
geistlichen Gerichtsbarkeit war eben ein heftiger Streit entbrannt, als die
Kirchenerneuerungsbestrebungen einsetzten. Sie griffen bald nach Polen
hinüber. Ein großer Teil des Adels schloß sich der
Bewegung an, hauptsächlich aus Widerspruch gegen das offizielle
Kirchentum, das die Freiheiten des Adels einengte. Aber auch der bei der
alten Kirche verbliebene Teil des Adels schloß sich seinen
protestantisch gesinnten Standesgenossen bei ihren Forderungen auf den
Reichstagen nach Beschränkung der Rechte der Kirche an. Es fehlte
dem polnischen Protestantismus nicht an heldenhaftem Geist und Opfermut.
Um so tragischer wirkt sein Ausgang. Es war sein Schicksal, nach raschem
Aufstieg, der ihn bereits den vollen Sieg über die alte Kirche sehen
ließ, zurückgedrängt zu werden bis in die
äußerste Verteidigungsstelle, weil er in der Hauptsache eine
politische Bewegung war.
Freudige
und
opferwillige Teilnahme
der deutschen Bürger
am Kirchenreformwerk |
Ganz anders war es in den Städten. Die immer
noch unterhaltenen regen Beziehungen zu den Ausgangsorten der deutschen
Kolonisation machten den Boden aufnahmefähig für Gedanken,
die ihren Ursprung in der alten Heimat hatten. Deshalb überrascht es
uns nicht zu hören, daß die Danziger deutschen
Bürger 1518 das reformatorische Wirken des
Dominikanermönches Johannes Knade beifällig aufnahmen; er
sammelte einen großen Anhängerkreis um
sich - eine ungestüme Bewegung ergriff die Einwohnerschaft.
Auch andere Danziger Prediger verkündigten das geläuterte
Evangelium. Da kam ein erzbischöflicher Befehl aus Gnesen, den
unbotmäßigen Mönch, der sich inzwischen verheiratet
hatte, gefangen zu nehmen. Durch Bitten und Drohungen hoffte der nach
Danzig gekommene Erzbischof von Gnesen, Johannes von Laski, die
Bürgerschaft zum alten Glauben zurückzugewinnen. Seine
Bemühungen blieben aber erfolglos. Die alten Überlieferungen
von 1430, als der Ordenspriester Andreas Pfaffendorf in Danzig eine sich
nach den Grundsätzen der böhmischen Brüder richtende
romfreie Gemeinde sammelte, wurden wieder lebendig. Als Laski sich zu
heftigen Drohungen verstieg, wollte ihn die erbitterte Menge einsperren, so
daß er fliehen mußte. Der befreite Knade fand in der Nähe
von Thorn bei einem adligen Grundbesitzer Aufnahme und bewirkte in
späteren Jahren die Einführung der Reformation in einigen
anderen deutschen Städten Polens, u. a. in Thorn und
Marienburg. Laski wünschte ein Einschreiten der
königlichen Macht. König Sigismund drohte 1523 mit
Gewaltmaßregeln und verlangte die Abkehr der Bürger vom
neuen Glauben. Politische Klugheit ließ ihn aber darauf verzichten,
den Strafandrohungen die Ausführung folgen zu lassen; eben
führte er mit dem Hochmeister des Deutschen Ordens, Albrecht von
Hohenzollern, Krieg, und er durfte es nicht zum Abfall der für die
Krone Polens so wichtigen Handels- und Hafenstadt kommen lassen. In
Danzig gedachte man die günstige politische Zeitlage
auszunützen; dem "Sturmprediger" Johannes Hegge, der 1525 zur
Bilderstürmerei aufforderte, wurde Gehör geschenkt. Man
beseitigte den zur Ruhe mahnenden Rat und berief den [25] früheren Bürgermeister
Bischoff an die Spitze der Stadtverwaltung. Unter seiner Leitung wurde in
allen Kirchen evangelischer Gottesdienst eingeführt, die
Kirchenschätze der Gemeindekasse übergeben und in den
leergewordenen Klöstern Schulen und Spitäler eingerichtet.
König Sigismund I. erhielt einen sehr einseitig gefärbten
Bericht über die Danziger Vorkommnisse. Auf dem Reichstag zu
Petrikau 1526 wurden die Geschehnisse erörtert und Danzig mit der
Acht belegt, obwohl der neue Rat nicht versäumt hatte, seine
Staats- und Königstreue zu erklären. Sigismund I.
gedachte ein abschreckendes Beispiel zu schaffen; noch im Jahre 1526 kam
er nach Danzig und verlangte die sofortige Entwaffnung der Bürger.
Wie so oft in den deutschen Städten Polens waren im wichtigsten
Augenblick ihrer Geschichte die deutschen Bürger unter sich nicht
einig. Statt durch ihre Geschlossenheit Eindruck auf die ihnen feindliche
Macht zu machen und günstige Bedingungen zu erwirken,
zersplitterten sie sich, so daß der Hof leichtes Spiel hatte, besonders
noch durch die zweideutige Haltung des Bürgermeisters Bischoff.
Sämtliche evangelische Prediger, darunter auch der erst
unlängst aus Wittenberg berufene Jakob Möller, wurden in
Ketten gelegt. Fünfzehn führende Bürger verurteilte man
zum Tode; sie wurden enthauptet. Wer nicht innerhalb der nächsten
zwei Wochen zur alten Kirche zurückkehrte, mußte die Stadt
verlassen. Jedes Predigen gegen den alten Glauben sollte mit dem Tode
bestraft werden; die neue Lehre schien ausgerottet.
Aber eine große evangelische Partei bestand in aller Heimlichkeit
weiter. Schon nach einigen Jahren fand sich wieder ein mutiger
Dominikanermönch, Klein, der in der Marienkirche biblisches
Christentum predigte. Er fand eifrige Anhänger, so daß er es
1537 wagen konnte, die Entfernung der Heiligenbilder und die Erneuerung
der Kirche zu fordern. Eine bischöfliche Kommission kam zur
Untersuchung der Vorgänge nach Danzig. Sie ließ Klein
festnehmen und die früheren Verhältnisse wieder herstellen.
Aber die Bürgerschaft trat mutig für Klein ein und forderte
seine Freilassung. So mußten die Bischöfe unverrichteter Dinge
abziehen. Sigismund I., im Kriege mit der Walachei und eine neue
Verschwörung des polnischen Adels befürchtend, ließ in
Danzig die Dinge ihren Lauf nehmen.
Auch das von dem Ordenshochmeister Hermann Balk 1231
gegründete und von westfälischen Einwanderern besiedelte
Thorn gehörte zu den ersten deutschen Städten Polens,
in denen die Reformation Fuß fassen konnte. Es hatte sich noch keine
besondere evangelische Gemeinde gebildet, aber die Bürgerschaft war
Luthers
Lehre zugetan, so daß sie 1520 den päpstlichen Legaten
Fereira mit Steinwürfen aus der Stadt trieb, als er Luthers Bildnis und
Schriften zu verbrennen versuchte.
Einen ebenso starken Glaubensmut besaßen die deutschen
Bürger der Stadt Posen. Der polnische
Dominikanermönch Samuel und der deutschpredigende Johann
Seklucyan, ein hervorragender Kanzelredner und Schöpfer der
polnisch-evangelischen Erbauungsliteratur, traten schon 1522 für
Luthers Lehre ein. Als auf königlichen Befehl Seklucyan von der
Kanzel entfernt wurde, nahm sich die angesehene Adelsfamilie
Górka seiner an. Sie bot ihm Zuflucht und durchkreuzte die
Pläne des Domkapitels, das den Posener Protestantismus auszurotten
beabsichtigte. Dank dem [26] Eintreten der Górka blieb
Seklucyan der deutsch-lutherischen Gemeinde erhalten, die eigene Schulen
gründete und es erreichen konnte, daß einige Mitglieder Sitze in
der Stadtverwaltung erhielten.
In Braunsberg, dem Wohnsitz des Bischofs von Ermland, fand die
Reformation schon 1520 Eingang und in Elbing war bereits 1523
eine starke reformationsfreundliche Partei vertreten. Gestärkt und
genährt wurde die neue Bewegung durch Albrecht von Preußen,
dem früheren Hochmeister, der auf Luthers Rat sein Ordensgebiet
zum Herzogtum erklärt hatte und evangelisch geworden war. Er
ließ große Mengen Reformationsschriften drucken und nach
Polen schicken. In West- und Ostpreußen wie auch in
Groß-Polen zeigte sich bald der Erfolg der in Wort und Schrift geleisteten eifrigen
Werbearbeit. In den Städten entstanden kirchenreformfreundliche
Mehrheiten. Der humanistisch gebildete und durch die Übergriffe der
Geistlichkeit kirchenscheu gemachte Adel schloß sich ebenfalls der
neuen Richtung an. In Großpolen wurden die Klöster immer
leerer.
Von den deutschen Städten Kleinpolens hatten Krakau und
Sandomir eine große Anzahl öffentlicher und
heimlicher Bekenner des Luthertums. Das alte Deutschtum in Krakau war
einflußlos geworden. Aber der königliche Sekretär Jost
Ludwig Dietz und andere hervorragende Deutsche wurden zu
Trägern des Reformationsgedankens. Zu ihnen gesellten sich
zahlreiche polnische Adlige. Auch die akademische Jugend näherte
sich der neuen Strömung. Der besorgte Bischof Tomicki
veranlaßte 1524 den Professor Dobrogost in Predigten Stellung gegen
Luther zu nehmen. Fünf dieser Reden wurden in Krakau bei
Scharffenberg gedruckt. Gelehrte und Dichter, Hofleute und einige Geistliche
schlossen sich in Krakau zu einem Kreis reformfreundlicher Männer
zusammen, in dem Melanchthons Schüler, der königliche
Geheimschreiber Andreas Fritsch-Modrzewski, bekanntgeworden durch
seine religiösen und staatsrechtlichen Schriften, eine führende
Stellung einnahm. Ein folgenschwerer Vorfall sollte der Reformation dienen.
Studenten beschimpften 1549 ein Krakauer Freudenmädchen. Die
Diener eines geistlichen Herrn mischten sich in den Handel und erschlugen
während des Handgemenges einige Studenten. Weil den Studenten die
gewünschte Genugtuung nicht gewährt wurde, verließen
große Scharen von ihnen Krakau und bezogen ausländische
Hochschulen, darunter die berühmte Schule zu Goldberg in Schlesien
und die neue Universität Königsberg. Die meisten kehrten als
überzeugte Evangelische zurück. Anfangs hatte auch der
Krakauer Protestantismus lutherische Tönung, erst später
nahm er schweizerische und italienische Richtungen in sich auf.
In
Warschau
wird der neuen Lehre
der Eingang gesperrt |
Auch bei den Warschauer deutschen
Kaufleuten und Handwerkern griffen Familien- und geschäftliche
Beziehungen noch in späteren Zeiten oft in die alte Heimat
hinüber. Deshalb waren die Bürger Warschaus über die
kirchlichen Bewegungen in der alten Heimat unterrichtet. Aber die
Landesherren, die beiden Herzoge Janusz und Stanislaw von Masowien,
waren entschiedene Gegner der neuen Richtung. Als nach dem Tode der
beiden Brüder 1526 Masowien mit der Krone Polens vereinigt wurde,
achtete die Geistlichkeit streng darauf, daß Luthers Lehre in
Warschau nicht Eingang fand und die in anderen Landesteilen Polens Platz
greifende mildere Behandlung der kirchlichen Neuerer in Masowien
unbekannt blieb. [27] Späterhin
machten sich die Jesuiten zu Führern des Warschauer Deutschtums.
Da sind alle evangelischen Regungen erstickt worden.
Durch den Litauer Abraham Culva, der in Deutschland studiert hatte, wurde
Luthers Lehre um 1539 auch der deutschen Bürgerschaft in
Wilna bekannt. Der Zulauf zu seinen Predigten war so stark,
daß Bischof Paul von Wilna Culvas Untergang mit allen Mitteln
herbeizuführen beschloß. Culva wartete das Ende der
Untersuchung durch das geistliche Gericht nicht ab, sondern flüchtete
nach Preußen.
Mit Ausnahme des Warschauer Deutschtums hat das wirtschaftlich
einflußreiche deutsche Bürgertum in Polen regsten Anteil an der
Reformation genommen. Die vielen lutherischen Prediger an den deutschen
Gemeinden verkörpern deutsches Heldentum. Durch ihre
unermüdliche und aufopfernde Arbeit wurde Luthers Lehre zum
Eigentum weitester Kreise. Auf der Synode zu Sandomir 1570 wurde gesagt,
daß die Augsburgische Konfession "die erste Säugamme oder
Pflegemutter der Kinder Gottes in Polen gewesen". Man hat in neuerer Zeit
den treuen Zeugen des lutherischen Bekenntnisses Vorwürfe gemacht,
weil sie in erster Linie nur die deutschen Einwanderer seelsorgerisch
bedienten und angeblich die polnische Sprache nicht erlernten. Man meinte,
daß wenn sie im Polentum aufgegangen wären, das Genfer und
mährische Bekenntnis sich nicht so weit verbreitet hätte, wie es
geschehen ist. Aber man tut ihnen unrecht. Wenn in späteren Zeiten
Luthertum und Deutschtum in den großpolnischen und
westpreußischen Städten alle Drangsale überstanden und
sich durch ihr Blutzeugentum bewährten, so ist dies nicht zum
wenigsten der tiefgreifenden Arbeit jener Prediger zu danken. Und wenn der
untergegangene polnische Protestantismus sich die anfänglichen
lutherischen Züge verwischen ließ und sich zum andern
Bekenntnis der Reformation mehr hingezogen fühlte, so ist der
Umbruch in seiner Entwicklung zum Teil auf andere Einflüsse, zum
Teil aber darauf zurückzuführen, daß er sich dem
deutschen Luthertum gegenüber wesensfremd fühlte. Zudem
war für den polnischen Adel die aristokratische Genfer
Kirchenverfassung weit angenehmer als Luthers Gleichheit aller
Gläubigen.
Stellungnahme des
Königs Sigismund I.
zu der Reformation |
Wenn König Sigismund I. auf Beschluß
des Petrikauer Reichstags den sogenannten Danziger "Aufruhr" blutig
unterdrückte, so berechtigt uns seine Tat noch nicht, in ihm nur den
Despoten zu sehen, der die Umstürzler ausrotten wollte, weil sie die
Absicht bekundeten, den morschgewordenen Bau der alten Kirche zu
zerschlagen. In Danzig sollte weniger der kirchliche Reformeifer getroffen
werden - es war mehr auf Unterdrückung freiheitlicher
Regungen der deutschen Stadt abgesehen, die einst, in Verkennung des
Zugehörigkeitsgefühls, ihr Verhältnis zu den deutschen
Ordensrittern gelöst und sich freiwillig unter den Schutz der Krone
Polens gestellt hatte, nicht ohne vorher sich die bevorrechtete Stellung in der
"Danziger Willkür" bestätigen zu lassen. Danzigs verbriefte
Ausnahmestellung war den polnischen Reichstagen nicht angenehm; gern
hätte man die Macht des deutschen Bürgertums gebrochen.
Einen Anlaß dazu bot die Bilderstürmerei, die die vielen Gegner
Danzigs zum politischen Aufstand aufbauschten und zum "Danziger
Aufruhr" umformten. - Sigismund I. war durchaus nicht
unbedingter Verteidiger der Ziele der alten Kirche. [28] Als Dr. Eck, Luthers Widersacher, ihn zur
schärfsten Unterdrückung aller kirchlichen Neuerungen
aufforderte, antwortete er: "Mag Heinrich VIII. (von England) die
Feder gegen Luther führen. Wir überlassen solches Euch und
dem Krzycki (Bischof von Przemysl) und wünschen, daß ihr es
würdig und kraftvoll ausführet. Lasset uns König sein
über Schafe und Böcke."
Bischof Krzycki, der spätere Erzbischof von Gnesen, war der
gehässigste Gegner Luthers. In einer 1523 veröffentlichten
Streitschrift beschimpfte er Luther maßlos. Gemeinsam mit dem
päpstlichen Legaten Gotus erwirkte er noch im selben Jahr einen
königlichen Befehl, der die Bischöfe ermächtigte, in allen
Wohnungen nach lutherischen Büchern suchen zu lassen.
Um der weiteren Ausdehnung der neuen Lehre in Polen Einhalt zu tun, griff
man auf Maßnahmen zurück, die sich in früheren Zeiten
bei den Verfolgungen der Anhänger der Waldenserkirche und der
Gemeinde der böhmischen Brüder, die einst über ganz
Polen verbreitet war, gut bewährt hatten. Die Synode zu Lenczyce
sprach sich 1527 für Wiedereinführung der Inquisition aus.
Spätere Synoden zu Petrikau (1530 und 1542) und Lenczyce (1532)
verdammten alle Neuerungen und wiederholten die früheren
Beschlüsse. Der polnischen Jugend wurde 1534 der Besuch der
Universität Wittenberg verboten. Im nächsten Jahr untersagte
ein auf Betreiben der Bischöfe erlassener königlicher Befehl das
Lesen von Luthers Schriften. Auf Verlangen des Bischofs Hosius
beschloß 1551 die Synode zu Petrikau, von jedem Priester ein
Glaubensbekenntnis zu fordern, weil die Bischöfe sich auf die
Zuverlässigkeit ihrer Geistlichen nicht mehr verlassen konnten.
Neigung
des Adels
für kirchliche Reformen |
Ganz anders war die Stellungnahme des Adels. Er
war entweder mit seiner Überzeugung auf Luthers Seite oder
mißgönnte den Bischöfen ihren Machteinfluß auf
die Krone. So kam es, daß manche Reichstagsbeschlüsse die
gegen die Reformation gerichteten Beschlüsse der Synode unwirksam
machten. Der Adel setzte es 1539 durch, daß das Drucken und Lesen
sämtlicher Art von Büchern freigegeben wurde. Und 1543
beschloß der Reichstag zu Krakau, den Besuch aller
ausländischen Universitäten zuzulassen. Den schwersten Schlag
gegen die Bischöfe führte der polnische Adel 1525, als er sich
mit Erfolg darum bemühte, nicht mehr der geistlichen Gerichtsbarkeit
der Bischöfe unterstellt zu bleiben.
Ein furchtloser Zeuge der neuen Richtung unter dem Adel war der Wojewode
von Posen, Lukas Gorka. Der Glaubensinquisitor der Posener Diözese
Sorbin, ein Dominikaner, verklagte den Bürger Georg Grycer vor dem
bischöflichen Gericht, weil er den Glauben und die Lehre der
römischen Kirche verachte. Grycer, und mit ihm der Apotheker Jakob
und der Schneider Seraphim, wurden zum Tode des Verbrennens verurteilt.
Da stürmte Gorka mit einer Anzahl bewaffneter Edelleute aufs
Rathaus und befreite die Verurteilten. Ebenso mutig traten Jakob Ostrorog,
Johann Tomicki, Kastellan von Rogasen, Raphael Leszczynski, Starost von
Radziejow und andere Adlige für den Schuhmacher Paul Organist ein,
den der Bischof von Posen wegen Ketzerei hinrichten lassen wollte.
Przeclawski, ein adliger Gutsbesitzer, wurde vor das bischöfliche
Gericht gefordert, weil er seinen lutherisch gesinnten Dorfpfarrer Valenty in
Schutz genommen [29] hatte. Mit einigen
adligen Gesinnungsgenossen erklärte er vor Gericht, nur an das
Evangelium und an Christus als Haupt der Kirche zu glauben. Bischof
Zebrzydowski von Krakau verurteilte Przeclawski zum Tode. Doch der
Reichskanzler wagte es nicht, den Befehl zur Vollstreckung des Urteils zu
geben, so daß Przeclawski sich auch weiter seiner Freiheit erfreute.
Nikolaus Olesnicki, der Besitzer von Pinczow, Anhänger der Genfer
Reformatoren, hatte Pinczow zum Sitz protestantischer Gelehrsamkeit
gemacht und die Bibel in die polnische Sprache übersetzen lassen. Er
sollte sich vor dem geistlichen Gericht zu Krakau wegen
Gotteslästerung verantworten, weil er die Mönche aus dem
Pinzcower Kloster vertrieben und die Heiligenbilder entfernt hatte. Olesnicki
kam mit so zahlreicher Begleitung, daß die Gerichtsherren sich nicht
trauten, die Verhandlung zu eröffnen und die Klage an das
königliche Gericht überwiesen. Letzteres trug Olesnicki auf, die
Mönche wieder zurückzuführen; es kümmerte sich
indessen nicht um die Ausführung dieses
Befehls. - Ein Förderer der Reformation war auch der
Kron-Feldmarschall Graf Johann Tarnowski, obgleich er es, ebenso wie
Fritsch-Modrzewski, vermied, mit der herrschenden Kirche zu brechen.
Aber Tarnowski zögerte nicht, die Forderung zu stellen, die
Bischöfe aus dem Senat zu weisen, "weil sie durch den dem Papste
abgelegten Eid nicht mehr Bürger Polens, sondern Vasallen eines
fremden Fürsten seien". Nikolaus Radziwill, Palatin von Wilna,
Schwager des Königs Sigismund August und ein Freund Herzog
Albrechts von Preußen, begünstigte die Verbreitung der
Reformation in Wilna und auf seinen großen Besitzungen in Litauen.
Auch er neigte dem Calvinismus zu, den er bei einem längeren
Aufenthalt am Sitz seines Ursprungs, in Genf, kennengelernt hatte. Nikolaus
Rej, Chelmicki, Firlej, Przyluski, Kochlewski, Gloskowski, Bielski und andere
Adlige machten sich durch mutige Worte und Taten zu Bannerträgern
der neuen Kirchenrichtung.
Schwankende Haltung
des Königs
Sigismund II. August |
Sigismund August (1548-1572), der letzte
der Jagiellonen, war in seinen jüngeren Jahren Freund und
Gönner der polnischen Reformatoren. Als Kronprinz lebte er seit 1544
in Wilna und verkehrte freundschaftlich mit den Führern des dortigen
Protestantismus. Er besaß vollständige Ausgaben der Werke der
deutschen Reformatoren. Seine Hofprediger Kozmirczyk und Discorda
predigten dem Volke im lutherischen Sinne, nachdem der litauische
Reformator Abraham Culva vor den bischöflichen Häschern
nach Preußen geflüchtet war. Als Sigismund August 1548 den
Thron bestieg, suchte er einen vermittelnden, beiden Parteien gerecht
werdenden Standpunkt zu gewinnen. Er dämmte seine
kirchenreformfreundlichen Neigungen ein und machte seine
kirchenpolitische Haltung von den weltpolitischen Notwendigkeiten
abhängig. So konnte es kommen, daß seine linke Hand das
zurücknahm, was die rechte gegeben hatte. In ein und demselben
Jahr, 1557, gab er dem kräftigen Druck der deutschen Städte
nach und gewährte Danzig und Thorn volle
Religionsfreiheit - und verbot gleichzeitig jede Art von Angriffen auf
die katholische Lehre und ihre Priester. Ihm gelang der engere
Zusammenschluß Litauens, Wolhyniens, Podoliens und der Ukraine
mit Polen in der "Lubliner Union" von 1569. Polens Machtentfaltung
erreichte damit ihren Gipfelpunkt. Dabei war Sigismund August keine
entschiedene Natur; er ver- [30] mied gern kraftvolles Hervortreten und
ging lieber seinen Vergnügungen nach. Nicht mit Unrecht nannten
seine Zeitgenossen ihn den "König von Morgen".
Reformationsfreundliche
Bischöfe |
Eine Anzahl Bischöfe begünstigte die
neue Lehrmeinung und zeigte sich dem Protestantismus geneigt, so
Drojowski, Bischof von Kujawien, Peter Pac, Bischof von Kijew, Leonhard,
Bischof von Samogitien. - Jakob Uchanski, Erzbischof von Gnesen
und Primas von Polen, trotzte seinem Domkapitel und unterhielt
freundschaftliche Beziehungen zu den Evangelischen. Er erwog bereits, eine
romfreie Kirche in Polen zu gründen und ein Nationalkonzil
einzuberufen.
Bewegung
für eine polnische
Nationalkirche |
Auch der königliche Geheimschreiber Andreas
Fritsch-Modrzewski ging mit dem Gedanken um, eine polnische
Nationalkirche zu schaffen, in der sich Katholische und Evangelische
vereinigen sollten. Er gewann auch 1556 den König für seinen
Plan, eine Gesandtschaft an den Papst Paul IV. zu schicken, die den
Auftrag hatte, zu verlangen, daß die Messe in der Landessprache
gehalten, das heilige Abendmahl unter beiden Gestalten gereicht, die
Priesterehe erlaubt, die Jahresabgaben an die Kirche aufhören und
ein Nationalkonzil einberufen werden sollte. Ähnliche Forderungen
hatte im Vorjahre der Reichstag zu Petrikau gestellt.
Man nimmt an, daß sich damals fünf Sechstel der
polnischen Bevölkerung der Reformation geneigt gezeigt haben.
Im September 1556 kam der päpstliche Legat Lipomani nach Polen.
Aus dem Gesehenen und Gehörten zog er die Folgerung: die Stellung
der katholischen Kirche in Polen ist unhaltbar. "Polen ist verloren und kaum
noch Hoffnung, es wieder zu gewinnen", berichtete er nach Rom. Und seine
Schilderung entsprach der Wirklichkeit. Es fehlte nur noch die
entscheidende Handlung, um ganz Polen protestantisch werden zu lassen.
Aber weder der schwankende König, noch der uneinige Adel, noch die
Führer des in verschiedene Richtungen zerfallenden Protestantismus
besaßen die für den letzten Schritt erforderliche
Entschlußkraft.
Mit unerreichter Schmähsucht hatten Luthers Gegner seine Person
und sein Werk angegriffen und beide verunglimpft. Durch die Stetigkeit
ihrer gehässigen Angriffe gelang es ihnen, in manchen
reformfreundlichen Kreisen Abneigung gegen alles Lutherische
hervorzurufen. Da hatten die polnischen Humanisten, die eine von
Wittenberg unabhängige Kirchenerneuerung einleiten wollten,
leichtes Spiel. So verschob sich mit der Zeit die Färbung des
polnischen Protestantismus; die Bekenner der Genfer Reformation rissen die
Führung an sich. Sie standen nicht nur mit den Lutheranern, sondern
auch mit den böhmischen Brüdern und den die Gottheit Christi
leugnenden Sozinianern in heftigsten Lehrkämpfen.
Nur in Kleinpolen war es den Bemühungen Johannes von
Laskis gelungen, eine Einigung zwischen den Reformierten und den
böhmischen Brüdern herbeizuführen. Laski war 1499 in
Warschau geboren. Er entstammte einem bei Lask ansässigen
Adelsgeschlecht. Sein Onkel, Johann von Laski, Erzbischof von Gnesen, war
ein unversöhnlicher Gegner der neuen Richtung gewesen. Als der
junge Laski von einer längeren Reise nach Westeuropa
zurückkam, mußte er seinem Onkel einen Eid leisten, daß
er sich nur solchen Lehrmeinungen anschließen werde, die von der
römischen [31] Kirche gebilligt
seien. Zwingli
war er persönlich näher getreten; mit Melanchthon
stand er im Briefwechsel. Als er hohe Kirchenämter
übernehmen und 1556 Bischof von Kujawien werden sollte, wuchs
sein innerer Zwiespalt. Er zog in die Niederlande, ließ es hier zum
offenen Bruch mit dem Katholizismus kommen und schloß sich offen
dem reformierten Bekenntnis an. Nach seiner Verheiratung folgte er einem
Rufe als Superintendent nach Emden, wo er der Reformator Ostfrieslands
wurde. Nach Einführung des Interims in Deutschland siedelte er nach
London über und ließ sich hier als Seelsorger der großen,
aus Franzosen, Italienern und Niederländern bestehenden
evangelischen Fremdlingsgemeinde nieder. Als die Königin Maria
1553 ihre blutige Verfolgung der Evangelischen begann, verließ Laski
England und hielt sich noch drei Jahre lang in verschiedenen deutschen
Städten auf. Im Winter 1556 entsprach er einer Einladung der Heimat
und kehrte nach Polen zurück. Schon in früheren Zeiten hatte er
durch wiederholte Sendschreiben König Sigismund August ermahnt,
"die gegenwärtige Zeit der Gnadenheimsuchung für sich und
sein Volk nicht zu versäumen". Der König brachte ihm viel
Wohlwollen entgegen. Laskis Rückkehr ließ den alten Haß
der Verteidiger der römischen Kirche aufflammen. Er wurde zum
Superintendenten der reformierten Gemeinden Kleinpolens, mit dem Sitz in
Rabenstein, berufen. Unermüdlich arbeitete er an einer polnischen
Bibelübersetzung und setzte er sich für das Einigungswerk der
evangelischen Richtungen in Polen ein. Leider starb er schon 1560. Er war
eine lautere Natur, dem es ernst um die von ihm vertretene Sache war.
Vernichtung des
polnischen Protestantismus
durch die Jesuiten |
König Sigismund August war noch immer im
ungewissen, ob er das polnische Nationalkonzil einberufen solle. Da kam
1564 Kardinal Hosius, der Bischof von Ermland, vom Tridentiner Konzil
zurück. Seinem Einfluß ist der König unterlegen.
Stanislaw Hosius war der Sprößling einer in Krakau
eingewanderten Pforzheimer Handwerkerfamilie. Er war ein feingebildeter
katholischer Theologe, der sich die Bekämpfung des Protestantismus
zur Lebensaufgabe gemacht hatte. Auf dem Tridentiner Konzil lernte er die
Jesuiten kennen; ihrer wollte er sich bei der Wiedergewinnung
Polens für den Katholizismus bedienen. Rücksichtslos ging er
mit der Gegenreformation vor. Seinen und der Jesuiten Anstrengungen
gelang es, dem polnischen Protestantismus in wenigen Jahren den
Todesstoß zu versetzen.
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