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Deutsches Leben während der Verfolgungszeiten

Die systematische
Vernichtung
des Deutschtums
bewirkt den Rückgang
des polnischen
bürgerlichen Lebens
Mit der systematischen Vernichtung des deutschen Bürgertums und der deutschen ländlichen Kolonisation war ein entscheidender Wendepunkt in der inneren Entwicklung des polnischen Reiches eingetreten. Im 16. und 17. Jahrhundert ist fast auf allen Gebieten des bürgerlichen Lebens Stillstand und Rückgang zu verzeichnen. "Polnische Schriftsteller (Górnicki) stellen die Behauptung auf, Städte seien überhaupt überflüssig, wobei auf die Tataren verwiesen wird, die keine städtischen Ansiedlungen haben. Den Getreide- und Viehhandel nahm der Adel selbst in die Hand. Die Selbstverwaltung der Städte wird beschnitten; immer mehr werden sie der Aufsicht der Hauptleute unterstellt, die ihr Amt nur zu eigener Bereicherung ausnutzen. Die Reichstage erlassen Taxen, nach denen die Kaufleute in den Städten sich zu richten haben. Der Wohlstand der Städte beginnt zurückzugehen. Während einige Patrizier in den Adel aufgenommen werden, wird 1633 bestimmt, daß ein Adliger, der städtische Hantierungen verrichtet, den Adel verliere."1

Deutsches Wesen am
königlichen Hofe
Nur in Warschau, das seit der Vereinigung Masowiens mit Polen an Stelle von Krakau zur Hauptstadt des Landes geworden war, konnte sich das deutsche Bürgertum noch frei bewegen. Trotz seiner Feindschaft gegen die Reformation war König Sigismund III. Wasa ein Freund deutschen Wesens. Am Warschauer Hof wurden Sitten und deutsche Sprache eingeführt. Zur Erziehung der Kinder aus seiner Ehe mit einer Habsburgerin wurde das Kammerfräulein Ursula Meyer berufen. In zeitgenössischen Berichten wird sie als ehrlich, klug, bescheiden, fromm und liebenswürdig geschildert. Sie soll unbeschränkten Einfluß am Hofe gehabt haben und das königliche Hauswesen selbständig verwaltet haben. Die Jesuiten, und nicht zuletzt der berühmte Jesuitenpater Peter Skarga, bemühten sich erfolgreich um ihre Gunst und erreichten durch ihre Vermittlung die Unterdrückung der Reformation. Papst Urban VIII. sandte ihr seinen Segen nebst der goldenen Rose. - Auch die Inhaber anderer Hofämter waren Deutsche. Propst Paul Giß, ein Sohn des Ratsherrn Balthasar Giß, war Beichtvater der Königin. Leibarzt des Königs war ein Doktor Katerle. Die erste Münze wurde von Johann Schmidt eröffnet.

Die Jesuiten in Warschau
als Vorkämpfer
des Deutschtums
Der deutsche Jesuitenpater Georg Leyer, Beichtvater des Prinzen Johann Kasimir, rief 1623 eine Anzahl Warschauer Deutscher zusammen und legte ihnen nahe, nach dem Muster der von Pater Peter Skarga 1592 gegründeten polnischen wohltätigen Gesellschaft eine "Brüderschaft des heiligen Bennoni" zu gründen. - Benno, Bischof von Meißen, galt als Schutzpatron gegen die Pest, die in Warschau wiederholt große Opfer [33] forderte. Die Bennoni-Brüderschaft sollte sich mit der Unterstützung hilfsbedürftiger Ausländer befassen und Armen-, Kranken-, Waisen-, Findlings- und Leihhäuser sowie deutsche Schulen gründen. Nach den Satzungen, die 1640 in Paris lateinisch und 1663 in Warschau deutsch gedruckt wurden, sollten die Vorsteher und Beisitzer Deutsche und der Direktor einer der Jesuitenpatres sein, weil diese als tüchtige Organisatoren und Spendensammler bekannt waren.2

Es mutet uns heute sonderbar an, daß wir die Jesuiten, die eben dabei waren, die Reformation in den deutschen Städten Polens auszurotten, in Warschau als Vorkämpfer für das Deutschtum sehen. Sie predigten im Schloß und seit 1626 auch in den zwei neuen Jesuitenkirchen allsonntäglich in deutscher Sprache. Deutsche Chorknaben, die die Jesuiten ausgebildet hatten, sangen sonn- und feiertags vor den Häusern der Honoratioren der Stadt deutsche Lieder. - Bemerkenswert sind die Anmerkungen zu den Satzungen der Brüderschaft, in denen der Gebrauch des Lateinischen gegeißelt wird: "Warumb soll dann ein Teutscher nicht teutsch schreiben, so daß es ein jedweder Teutscher verstehen kann? Ja es ist höchst notwendig, daß alle Sachen in teutscher Sprache beschrieben werden." - An einer anderen Stelle heißt es: "Daß die Vorsteher teutscher Nation sein sollen, ist nicht darumb, als solte in einer Brüderschaft eine Nation für der andern einen Vorzug haben, sondern darumb, weil die deutsche Nation in Warschau die stärkeste und derselben Sprach die gemeineste und fast von allen Fremden geredet und verstanden wird. Darumb ist billich, daß Alle Sachen auf den Sessionen in einer, nemlich in teutscher Sprach tractiret und die Bücher [34] in selbiger Sprach geschrieben und gehalten werden, damit durch Vermischung vieler Sprachen nicht eine babylonische Verwirrung erfolge." - Nachdenklich stimmt noch folgende Bemerkung: "Man pflanze nicht Weinstöcke, Feigen und Citronenbäume in unserer pohlischen rauhen Erde, in diesem wilden und ungeschlachten Lande."

Wie biegsam die Warschauer Jesuiten waren, wenn es galt, mit den Forderungen des politischen Lebens Kompromisse zu schließen, beweist die Tatsache, daß die Bennoni-Brüderschaft den ins Land gerufenen evangelischen deutschen Waffenschmieden ein Grundstück zur Ansiedlung und Anlage eines Kirchhofs überließ.

In den Jahren 1624 und 1625 hatte die Pest unter den Warschauer Einwohnern furchtbar aufgeräumt. Auch der Bürgermeister Johann Korb und der Bürgermeister der Neustadt Johann Bucephalus und andere angesehene deutsche Bürger sind ihr erlegen. Man suchte deshalb neue Einwanderer in die Stadt zu ziehen. Die benachbarte wilde Weichselinsel, die den nicht gerade anheimelnden Namen "Dohleninsel" trug, wurde 1629 mit deutschen Kolonisten besiedelt. Sie erhielt den Namen "Holländerinsel" und wurde später auf "Saska Kempa" ("Sächsische Insel") umgetauft.

Groß waren die Verheerungen, die Polen und seine Hauptstadt während der schwedischen Kriege (1655-1660) erlitten. In Warschau blieb nur der zehnte Teil der ursprünglichen Einwohnerschaft übrig. Auch die einst so mächtige Bennoni-Brüderschaft war stark zusammengeschmolzen und zählte nur noch 36 Mitglieder. Sie hatte fast ihr ganzes Vermögen verloren. Ihre Vorsteher, die deutschen Pröpste Rohn und Ewart und die Neustädter Hausbesitzer Heinisch, Vogt, Opitz, Krumloff, Bade und Ochs, taten ihr möglichstes, um der Brüderschaft zu ihrer früheren Bedeutung zu verhelfen. Für den Erlös der verkauften Grundstücke bauten sie ein neues Hospital, riefen die deutsche Schule wieder ins Leben und sorgten für Ausschmückung des erhalten gebliebenen Kirchleins. Die Brüderschaft erhielt Geschenke und machte auch bald Erbschaften. Ihre frühere Blüte erreichte sie indes nicht mehr.

Die Häuser am Markt der Warschauer Altstadt hatten nach einer aus dem Jahre 1668 stammenden Urkunde noch im siebzehnten Jahrhundert deutsche Besitzer. Genannt werden die Stadträte Burbach, Walter, Kleinpold, Henriet, der königliche Sekretär Günther, der Hofbarbier Jucht, der Weinhändler Richard, die Bürger Witthof, Balzer und Busser. - Daß auch die deutsche Sprache in Warschau ihre Bedeutung noch nicht verloren hatte, bezeugt die Tatsache, daß die Abdankungsurkunde des Königs Johann Kasimir 1668 in deutscher Sprache gedruckt wurde.

Die Anfänge des
deutschen Protestantismus
in Warschau
Durch den willkommenen Zuzug deutscher Handwerker und Kaufleute vermehrte sich in Warschau die Zahl der Lutheraner. Sie fanden einen mächtigen Gönner in der Person des reformierten, in der Schweiz erzogenen Fürsten Boguslaus Radziwill, der 1650 und 1651 in zwei Erlassen erklärte, "daß er den der evangelisch-lutherischen Kirche ausburgischer unveränderter Konfession zugetanen Einwohnern von Polen und Litauen, insonderheit den Geistlichen, Vorstehern und Moderatoren, den Offizieren und Hofdienern Ihrer königlichen Majestäten, nicht minder der merklichen Anzahl Handels- und Handwerksleuten der königlichen Residenz Warschau [35] seine Stadt Wengrow und, bis zur Erbauung einer besonderen Kirche, die daselbst bereits stehende reformierte Kirche zur freien und ungehinderten Ausübung ihrer Religion zur Verfügung stelle, auch sich verpflichte, einem von ihnen zu erwählenden evangelisch-lutherischen Geistlichen jährlich 300 Gulden zu bewilligen sowie für den Fall der Eröffnung einer Schule und der Errichtung eines Hospitals noch weitere Hilfe zu leisten." Den lutherischen Geistlichen wurde ebenso wie seinem reformierten Hofprediger Schutz und Geleit für alle Reisen versprochen.

Der erste von den Warschauer Deutschen gewählte Pastor der evangelisch-lutherischen Gemeinde Warschau-Wengrow war der sächsische Theologe Jonas Columbus. Man hielt sich an die sächsische Kirchenordnung und nahm auch die sächsische Liturgie an. Die ersten Vorsteher der Gemeinde waren die Kaufherren Wilhelm von Krecken, Gottfried Krel und Michael Trotz. Als Kirchenpatron galt Fürst Boguslaus Radziwill. Pastor Columbus und der Pfarrer der polnisch-reformierten Gemeinde in Wengrow Starzynski trafen eine Vereinbarung, nach der der deutsche Gottesdienst allsonntäglich von halb sieben bis halb neun Uhr früh und von zwölf bis zwei Uhr mittags, außerdem Dienstag und Donnerstag früh um sieben Uhr abgehalten werden sollte. Die Warschauer Evangelischen mußten den 70 Kilometer langen Weg nach Wengrow, der einen Tag Fahrt beanspruchte, zurücklegen, um am Gottesdienst teilnehmen zu können. Zu Taufen und Begräbnissen kam der Pastor nach Warschau. Trauungen fanden in Wengrow statt. Da oft evangelische Offiziere und Hofleute daran teilnahmen, so kam das kleine Kirchlein in Wengrow manchmal dazu, viel Glanz und Pracht in seinen schmucklosen Mauern zu sehen.

Wie rechtlos die evangelischen Deutschen in Warschau sich damals noch fühlen mußten, erhellt der Umstand, daß es ihnen als "Dissidenten" verboten war, Grundbesitz zu erwerben. So kam es, daß sie das durch ihren Fleiß erworbene Vermögen, das sie nicht in Grundstücken anlegen konnten, an den Adel ausliehen. Erst dem König Johann Kasimir hatten sie es zu verdanken, daß sie die Erlaubnis zur Anlage eines eigenen Friedhofs erhielten. In der Nähe des Friedhofs durften sie ein Schützenhaus errichten. - Nicht nur Radziwill, auch ein anderer der Großen des Reiches, der Großkanzler Johann Leszczynski, hatte den evangelischen Deutschen seinen Schutz angedeihen lassen, indem er ihnen in dem nahen, 1648 angelegten Städtchen Leschno Aufenthalts- und Baurecht gewährte.

Dankbar empfanden es die Warschauer Evangelischen, als der Gesandte des Großen Kurfürsten, der Freiherr Johann von Hoverbeck, in seinem, "Brandenburger Hof" genannten, Hause seit 1664 abwechselnd lutherische und reformierte Sonntagsgottesdienste abhalten ließ. Zu diesen Andachten kamen auch Offiziere und Hofbeamte; es fügte sich von selbst, daß der Gesandte und seine Frau nach Schluß des Gottesdienstes die Gäste empfingen und bewirteten. Als Hoverbeck 1682 starb, setzte sein Nachfolger Loelhoeffel diese Gepflogenheit fort.

Aus den Berichten der deutschen Bennoni-Brüderschaft ist ersichtlich, daß neben dem, trotz bestehender einengender und demütigender Bestimmungen, kräftig sich entwickelnden deutschen Protestantismus auch noch der Warschauer deutsche Katholizismus sich behauptete. Im Jahre 1675 [36] wurde der Propst Federle angestellt. Als Vorsteher werden genannt der Kommandant von Warschau Hennig, der königliche Sekretär Makni und die Provisoren Bade und Tießen. 1686 ist Bürgermeister Czauver ihr Vorsteher. 1687 wird ein neues Hospital gebaut, das ausschließlich der Krankenpflege dient, da keine obdachlosen deutschen Armen mehr in der Stadt waren. Spätere Vorsteher sind Johann Knabe, der auch als Pächter des Brauhauses der Brüderschaft genannt wird, Konrad Schmidt und Gottfried Gilbert. Propst und Direktor war am Ausgang des 17. Jahrhunderts Johann Georg Haß, der an der Marienkirche in der Neustadt amtierte. Daß daneben noch zwei Jesuitenpater, Riedig und Friedrich, in deutscher Sprache predigten, beweist, wie stark das katholische Deutschtum in Warschau noch um das Jahr 1700 vertreten war.

Verfolgung der Evangelischen
in Großpolen und Kleinpolen
In Großpolen hat sich während der Gegenreformation der deutsche Protestantismus, und mit ihm das deutsche Bürgertum, nur schwer behaupten können. Es gab Zeiten, wo die deutschen Bürger glaubten, daß es mit dem lutherischen Deutschtum aus sei. Kirchen- und Schulwegnahmen, Pastorenverfolgungen, Einkerkerungen und Pöbelverfolgungen machten den Deutschen das Leben zur Last.

Johann von Laskis überragende Bedeutung war dem reformierten Zweig des Protestantismus zugute gekommen. In Kleinpolen umfaßte die reformierte Kirche in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts 122 Kirchengemeinden. Aber die verheerende Wirkung der Gegenreformation vernichtete alles evangelische Leben: Als 1772 bei der ersten Teilung Polens der größte Teil Kleinpolens an Österreich fiel, ließen sich nur noch kärgliche Spuren des Protestantismus und des deutschen Bürgertums entdecken. Krakaus große deutsche Vergangenheit war fast vergessen.3

Neuer deutscher Zuzug
[37] Im 17. Jahrhundert zog der in Großpolen begüterte Adel deutsche Kolonisten aus Pommern, Brandenburg und Schlesien heran und legte zahlreiche deutsche Dörfer und einige neue Städte (wie Rawitsch, Schwersenz, Bojanowo u. a.) an. Die Einwanderer hatten ihre Heimat infolge [38] der Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges und nachdem ihnen von den Grundbesitzern freie Religionsübung zugesichert worden war, verlassen.

Einzelne Auswandererpartien wurden auch in östlichere Gebiete geleitet. Schon 1563 hatte der Großgrundbesitzer Leszno-Leszczynski pom- [39] mersche Bauern nach dem Bugufer verpflanzt. Da die beiden Bugansiedlungen Neudorf (Nejdorf) und Neubrau (Nejbrow) die einzigen aus alter Zeit erhalten gebliebenen deutschen Dörfer Kongreßpolens sind, so dürfen ihre Schicksale nicht unerwähnt bleiben. Während [40] des Kosakenaufstandes hatten sie viel zu leiden, so daß ihr erster lutherischer Pastor Jonas Columbus, der einem wegen Irrlehre abgesetzten Böhmen Joram im Amte gefolgt war, das zerstörte Neuendorf verließ und Seelsorger der neuen Gemeinde in Wengrow wurde. Als tatkräftiger Seelenhirt [41] erwies sich Martin Ohloff, der sein Amt 1690 antrat. Ihm hatte die Gemeinde den Ausbau des baufällig gewordenen Schuppens, der ihm zum Gotteshaus dienen mußte, zu danken. Die Jesuiten hatten es durchgesetzt, daß den noch im Lande, dank dem Schutze mächtiger Adliger, geduldeten [42] Evangelischen der Bau neuer Kirchen verboten wurde. Da half man sich in Neudorf so wie an anderen Orten: stückweise wurden die morschen Teile durch neue ersetzt. Auch während des Nordischen Krieges hatten die Bugdeutschen unter den Truppendurchmärschen viel zu leiden. Pastor [43] Abrahamowicz, der 1720 nach Neudorf kam, berichtet über neue Bauarbeiten, die er zu leiten hatte. Einem Teil der Gemeindeglieder war die deutsche Sprache nicht mehr geläufig, so daß er wohl noch in deutscher Sprache predigte, die Katechisationen aber schon in polnischer Sprache abhielt. Abrahamowicz muß ein furchtloser Bekenner seiner kirchlichen Überzeugung gewesen sein. Wiederholt mußte er sich vor dem geistlichen und weltlichen Tribunal verantworten. Man verbot ihm das Predigen in den Filialgemeinden Piaski und Kobryn, die Ausbesserung der Kirche in Neudorf, das Anlegen der Amtstracht der lutherischen Pastoren und die Taufe von Kindern aus gemischten Ehen. Eine treue Fürsprecherin fand er in der Fürstin Radziwill. Von ihrem Schlosse in Biala aus besuchte sie die Gemeinde. In den Zeiten der Verfolgungen, während des 18. Jahrhunderts, hatte die Gemeinde eine Reihe treuer Seelenhirten, die sich um das geistliche und leibliche Wohl ihrer Herde bemühten. Zu ihnen gehörte der Straßburger Simon Pusch, der seit 1743 im Amte war und 1776, nach einer beschwerlichen Reise zur Bedienung der Filialgemeinden, starb. Ein inniges Band der Liebe und des Vertrauens umschloß Pastoren und Gemeinde.

In den ruhigeren Zeiten des 19. Jahrhunderts hören wir von Kämpfen und Zwistigkeiten, die zwischen den geistlichen Herren und ihren Schutzbefohlenen ausgebrochen waren. Einer von ihnen, Nikolai, wird von dem kurländischen Konsistorium, dem die Gemeinde unterstellt war, seiner geistlichen Würde verlustig erklärt. Zu wiederholten Malen bleiben die Dörfer eine Reihe von Jahren ganz ohne geistliche Pflege, so daß ihre Insassen zu verwahrlosen beginnen.

Die ältesten deutschen
Bauernsiedlungen der Neuzeit
[44] Die Dörfer Neudorf und Neubrau sind Mutterkolonien einer Anzahl Tochteransiedlungen geworden, die sich bis nach Wolhynien hinziehen. Da die kleinen Hofstellen in den Stammkolonien ihre Besitzer nicht mehr ernährten, so zog in den letzten Jahrzehnten vor dem Kriege ein großer Teil der Dorfbewohner, Männer, Frauen und Kinder, auf Wanderarbeit. Es ging die Rede, daß überall, wo Chausseen oder Eisenbahnen gebaut wurden, ganz gleich ob es in Polen, im hohen Norden Rußlands, im Ural oder in Sibirien, auch Neudorfer zu finden seien. In den ersten Frühlingstagen zogen sie in langen Wagenreihen aus und kamen erst zu Beginn des Winters in die Heimat zurück. Sie waren als zuverlässig Arbeiter bekannt und begehrt. Andere Dorfinsassen fanden als Zimmerleute und Flößer während des Sommers Beschäftigung. Manche von ihnen kamen bis nach Danzig und den anderen preußischen Städten und frischten die Beziehungen zur alten Heimat auf. Sie brachten evangelische Erbauungsbücher in polnischer Sprache mit, nach denen in Neudorf und den anderen Dörfern große Nachfrage war.

Ein deutscher Lehrer, der 1868 nach Neudorf kam, bemühte sich um Wiedereinführung der vergessenen deutschen Muttersprache im Unterricht. Nach vierjähriger Arbeit zog er weg. Auch Pastor Freyer, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts längere Zeit in Neudorf im Amte war, versuchte wieder deutsch zu predigen. Vielleicht wäre der Versuch, die Neudorfer dem Volkstum ihrer Vorfahren zurückzugewinnen, mehr erfolgreich gewesen, wenn Freyers Nachfolger die von ihm begonnene Arbeit fortgesetzt hätten.

Durch das Wanderleben ist die Sittlichkeit zurückgegangen; manche alte deutsche Tugend, die bis in die letzten Jahrzehnte herübergerettet war, ist verschwunden. Gerühmt wird die Heimatsliebe der Neudorfer. Auch die Anhänglichkeit an Kirche und kirchliche Einrichtungen hat sich erhalten. Die Gottesdienste waren immer gut besucht. Auch bei schlimmem Wetter ist der Fluß von Hunderten von Booten belebt; alt und jung strömt in die Kirche. Jedes konfirmierte Gemeindemitglied, Knabe und Mädchen, Knecht und Magd, Besitzer und Taglöhner, ist verpflichtet durch einen Beitrag das Kirchenwesen zu unterhalten. Die Zahlungen erfolgen willig und pünktlich.

Das aus "Hauland" entstellte Wort "Holland" hat aus den ursprünglich pommerschen Deutschen "Holländer" gemacht. In den russischen Akten wurden die Ansiedler "Ausländer holländischer Abstammung" genannt. Diesem Umstande hatten es die Neudorfer und Neubrauer zu verdanken, daß sie von der Aussiedlung verschont blieben, von der alle anderen, auch polonisierten Abkömmlinge deutscher Kolonisten betroffen wurden, als die russische Front verschoben wurde. Auch die Neudorfer sollten ihre Heimstätten räumen, da rettete sie der Hinweis auf ihre "holländische" Abstammung.

Während der Zeit der deutschen Okkupation haben die Neudorfer und Neubrauer den Wunsch geäußert, durch Einrichtung von deutschen Schulen der Sprache ihrer Vorfahren wieder Heimatsrechte zu geben. Durch die Ereignisse im November 1918 ist die Fortsetzung des Schulwerks ebenso ungewiß geworden, wie ihr weiteres Verbleiben auf heimatlicher Scholle.

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1E. Zivier: Polen. Seite 196. ...zurück...

2Pater Georg Leyer blieb von 1623 bis 1633 Direktor der Brüderschaft. Vorsteher und Beisitzer waren in dieser Zeit abwechselnd: Kaufmann Johann Jaski aus Danzig, Hausbesitzer und Maurermeister Ulrich, Johann Lobmeyer, Gabriel Possen, Johann Clauda, Königlicher Perlhäfter Nikolaus Kersten, Posamentier Alexander Abraham Nasson, Carolus li Grandi, Ihrer Königlichen Majestäten Oberster Bartenirer (Oberster der Leibwache, in Deutschland Hellebardiere genannt), die Goldschmiede Alexander Moedi und Kaspar Mieber, Bildschnitzer Hans Häulein, Maurermeister Leonhard Pigler, Hans Tadewaldt, Elias Hempel. Unter den Protektoren und Spendern befanden sich: der Bürgermeister der Altstadt Paul Dlugosz, dessen Frau Barbara, geborene Giß, der Königliche Kammerherr Johann von Rottenburg, die Capitaine Jakob Buttler und Wilhelm Winterroy, der königliche Sekretär Ursino, der Maurermeister Johann Tirian, welcher der Brüderschaft sein Haus vermachte. Schon im Jahre 1623 wurde auf der Zakroczyner Straße ein Haus gekauft und zum Hospital (Armenhaus) eingerichtet, auch ein Pferdestall ausgebaut, 1628 wurde am Neustädter Markt ein Grundstück gekauft und eine Kapelle darauf errichtet, 1629 entstand durch Schenkung des Bürgermeisters Dlugosz an der Weichsel ein Waisenhaus. Neben Pater Leyer wurde der Inländer Petrus Hacerus als Probst angenommen, welcher für die Mitglieder der Bennoni-Brüderschaft in deutscher Sprache predigte.
      Sämtliche Bauten wurden von Mitgliedern nach Feierabend unentgeltlich ausgeführt. Spenden und Erbschaften erlaubten den Brüdern den Ankauf von Häusern und Plätzen; einen Platz verkauften sie 1638 dem König zum Bau eines neuen Zeughauses. 1636 erhielt die Brüderschaft das Privilegium, daß die bei ihr erzogenen Findlinge und unehelich Geborenen volle Rechte genießen und zu allen Studien, Künsten, Handel und Gewerbe zugelassen werden sollten. 1637 hatte die Bennonibrüderschaft bereits zwei Hospitäler, davon eins mit Badestube und Brauhaus, ferner eine Kirche und ein Waisenhaus mit Elementarschule. Auch verlieh sie Gelder auf Häuser und gegen Pfand, kaufte und verkaufte Plätze und Häuser. ...zurück...

3Erst 1816 ist in Krakau wieder eine aus frisch eingewanderten Deutschen zusammengesetzte evangelische Gemeinde lutherischer Prägung entstanden. Anläßlich des Reformationsjubiläums veröffentlichte 1817 der Bibliothekar Professor Dr. Bandke "in aller Stille" die von Wojciech Wengierski, dem Senior der reformierten Gemeinden des Krakauer Bezirks, 1657 in polnischer Sprache verfaßte "Geschichte der evangelischen Gemeinde zu Krakau von ihren Anfängen bis 1657".
      Nach Wengierski ist keine andere evangelische Kirchengemeinde Polens so reich an denkwürdigen Ereignissen wie die Krakauer. Er schloß seine Geschichte 1651 ab und übergab das Manuskript elf seiner vornehmsten und zuverlässigsten Gemeindeglieder. Nach seinem Wunsche sollte die Geschichte erst später gedruckt werden, "sobald der evangelischen Kirche in Polen gefahrlosere und freiere Zeiten geschenkt sein werden". Diese Hoffnung erfüllte sich erst 1817. Und obwohl die Drucklegung ohne viel Aufhebens erfolgte, ist "dennoch viel Anstoß" erregt worden. Dr. C. F. Wilhelm Altmann hat 1880 eine deutsche Bearbeitung des polnischen Originals erscheinen lassen, der die nachstehenden Angaben zugrunde gelegt sind.
      Hussitische Lehren waren im Jahrhundert vor der Reformation nach Polen gedrungen und hatten auch in Krakau Anhänger gefunden. Die deutsche Reformation, deren Zeugnisse auch nach Krakau kamen, fand vorbereiteten Boden. Der Träger der Reformationsgedanken war der Adel gewesen. Aber auch das deutsche Bürgertum nahm sie freudig auf, sehr zum Unwillen der Geistlichkeit, die die neuen Ideen grausam zu unterdrücken suchte. Katharina Malcher wurde 1539 auf Betreiben des Bischofs Gamrat verbrannt; sie soll freudig den Feuertod erlitten haben. Die der neuen Lehre zugetanen Hofleute und Gelehrten fanden sich zu evangelischen Andachten und Besprechungen zusammen. Evangelische Adlige brach- [37] ten ihre Prediger mit und veranstalteten in ihren Häusern Gottesdienste, die auch von Bürgern besucht wurden. Der Unterkämmerer von Lenczyca Stanislaus Lasocki wagte es, im Jahre 1552 im Dorfe Wola Justowa bei Krakau öffentlich predigen zu lassen. Der damalige Bischof Maciejowski konnte dem Umsichgreifen der neuen Lehre nicht mehr wehren. Jan Bonar, der Gouverneur des Krakauer Schlosses, überließ 1557 der sich bildenden evangelischen Gemeinde ein Grundstück vor dem Nikolaitor. Zum ersten Prediger wurde Gregor Pauli aus Brzeziny berufen. Im nächsten Jahr ließ man zur Bedienung der deutschsprechenden Gemeindeglieder den Prediger Daniel aus Schlesien kommen.
      Lange Zeit hindurch wurden die Gottesdienste in Mietshäusern abgehalten. Im Jahre 1568 wurde die Errichtung eines eigenen Schul- und Bethauses erwogen. Adel und Bürgerschaft brachten erhebliche Beträge zusammen; auch entfernt Wohnende opferten. Aus der Sammelliste geht u. a. hervor, daß auch die Witwe des 1545 verstorbenen gelehrten Schriftstellers Justus Dicz (Decius) sich zur Gemeinde hielt. Dicz war aus dem Elsaß eingewandert und diente dem König Sigismund I. als Sekretär. Der König hatte ihn seinerzeit beauftragt, Luther zu besuchen und ihn um Lehrer für Polen zu bitten.
      Der Reichstag zu Lublin erteilte den Krakauer Evangelischen 1569 ein Privilegium für einen Begräbnisplatz - und drei Jahre später gab Sigismund August auf dem Reichstag zu Warschau der Krakauer Gemeinde ein Privilegium für Schule und Bethaus, mit dem die Freiheit des Gottesdienstes verbrieft und verbürgt und allen geistlichen und weltlichen Ständen der Schutz desselben zur Pflicht gemacht wurde.
      Ein sehr tatkräftiges Mitglied der evangelischen Gemeinde war der Krakauer Wojewode und Großkronmarschall Jan Firlej. Nach dem Tode des Königs Sigismund August (1574) wurde der französische Prinz Heinrich zum König gewählt. Während der Wahlhandlung trat Firlej, der in guten Beziehungen zu Heinrich stand, für die Freiheit der Evangelischen ein. Als, auf Anstiften des päpstlichen Gesandten, Heinrich bei der Krönung die Abgabe des Toleranzversprechens zugunsten der Evangelischen unterließ, nahm Firlej die Krone aus der Hand des Königs und wollte sie aus der Kirche tragen. "Wenn du nicht schwörst, kannst du nicht König werden!" rief er dem König zu. Erst als der König und die Anwesenden riefen: "Es wird alles zugestanden!" händigte er die Krone aus. Firlej starb aber bald darauf, wie behauptet wird, an Vergiftung. Sein Amtsnachfolger wurde der Wojewode von Sandomir Peter Zborowski, der ebenfalls Anhänger der evangelischen Lehre war.
      König Heinrich war nach dreimonatiger Regierung nach Frankreich zurückgekehrt. Man hielt Ausschau nach einem neuen König. Da hielten die Feinde der evangelischen Gemeinde in Krakau die Zeit für gekommen, um zu einem Vernichtungsschlage auszuholen. Studenten und Pöbel rotteten sich am 10. Oktober 1574 zusammen. - "Sonntags von zwölf Uhr ab Tag und Nacht bis Dienstags wurde gegen das Bethaus gewütet, indem man mit Maurerwerkzeug die eisernen Türen aufbrach und die Gitter mit aller Gewalt aus den Mauern herausriß. Als man in das Gebäude eingedrungen war, wurde von boshaften Händen alles zerstört, das Stockwerk demoliert und zerhackt, Gewölbe und eingemietete Läden ausgeräumt, den Edelleuten und verschiedenen Bürgern, welche dort Gold, Silber, Kleider und Gelder aufgehoben hatten, alles genommen und weggebracht.... In Sachen der Bethauszerstörung wurde von dem Adel der Krakauer Wojewodschaft eine Klage nach allen übrigen Wojewodschaften gesandt; weil es aber damals keinen König gab, ließ sich bei dem Stande der Dinge weiter nichts ausrichten."
      Wegen des Raubes wurden fünf Zimmer- und Maurergesellen hingerichtet. Das abschreckende Beispiel hat indessen die Studenten nicht abgehalten, einige Monate später, am 16. Juni 1575, den evangelischen Begräbnisplatz zu zerstören und die Leiche des dort beerdigten Krakauer Wojewoden Stanislaus Myszkowski aus dem Grabe zu reißen und andere Leichen zu schänden. Der Friedhof wurde [38] 1577, während der neue König Stefan den Feldzug gegen Preußen unternahm, ein zweites Mal zerstört, wobei die Grabsteine zertrümmert, die Umfriedung vernichtet und wiederum eine aus dem Grabe gerissene Leiche geschändet wurde." Vorher noch hatte man einen der evangelischen Prediger beschimpft und verwundet.
      Einen Monat später plünderte der Pöbel, angeführt von Studenten, einige Häuser evangelischer Bürger und verletzte einen Adligen. König Stefan griff nun ein und gab dem Krakauer Grodgericht und der Universitätsobrigkeit Weisung, nach dem Rechten zu sehen. Aber die königlichen Befehle blieben ohne Wirkung. Im nächsten Jahr überfielen Studenten das Leichenbegängnis einer evangelischen Frau, jagten die Leidtragenden auseinander, rissen die Leiche aus dem Sarg, zerhieben sie und warfen sie zuletzt in die Weichsel. Kurze Zeit darauf rotteten sich Studenten und Pöbel in der Nähe der evangelischen Kirche zusammen und drohten, sie zu vernichten. Adel und Bürgerschaft wandten sich um Schutz und Sühne an den König. - Daraufhin bestätigte König Stefan das von Sigismund August gegebene Privilegium und erließ eine von ihm und den angesehensten Senatoren unterschriebene Bekanntmachung, in der der Schutz der evangelischen Gottesdienste verbürgt wurde. Trotz der schützenden Hand des Königs unternahmen Studenten mit ihrem Anhang noch im selben Jahr einen Angriff auf das evangelische Gotteshaus und zertrümmerten Türen und Fenster. Immerhin hatten die Strafandrohungen das Gute, daß zu Lebzeiten des Königs keine Ausschreitungen mehr vorkamen.
      Erst nach des Königs Tode, als (1587) der Adel sich außerhalb der Stadt zu einer Heerschau versammelte, überfielen Studenten, Schüler und Pöbel die Kirche, zerschlugen alle Gegenstände, die ihnen in die Hände fielen und zündeten sie an, so daß die Stadt in Feuersgefahr kam. Zwei Jahre zog sich die Untersuchung hin, ohne daß sie ein Ergebnis zeitigte.
      Die evangelische Gemeinde ließ das Gotteshaus wieder in Stand setzen. Aber schon 1591 ging ein neuer Sturm über sie hin. Wieder vereinten sich Studenten und Pöbel, um alles kurz und klein zu schlagen und zum Schluß Feuer an das Gebäude zu legen, so daß nur die Umfassungsmauern übrig blieben. König Sigismund III., der sich damals in Krakau aufhielt, soll dem Feuer untätig zugesehen haben.
      Nun sahen Älteste und Gemeinde ein, daß sie den königlichen Schutzbriefen zum Trotz der rohesten Willkür ausgesetzt waren. Sie beschlossen deshalb, von einem Wiederaufbau der Kirche abzusehen. Mit Dank nahmen sie das Anerbieten eines der Kirchenpatrone, des Ritters Karminski, an, die Kirche nach seinem, eine Meile entfernten Besitztum Alexandrowice zu verlegen.
      Einzelne Gemeindeglieder mußten es nun büßen, daß das Gemeindeeigentum den Händen des Pöbels entzogen war. So drang man 1593 in das Haus des Bürgers Kalaj, mißhandelte ihn und plünderte sein Haus gänzlich aus. Im Jahre 1597 wurde die Leiche einer Jungfrau ausgegraben und geschändet. Kurz darauf überfielen Studenten den Pastor Jakob Wolf, der einer Taufe wegen aus Alexandrowice nach Krakau gekommen war, und richteten ihn arg zu.
      Bis dahin hatten die Gemeinden polnischer und deutscher Zunge ein Gemeinwesen gebildet. Man achtete im Gemeindevorstand darauf, daß neben dem polnischen Prediger ein deutschpredigender Geistlicher im Amte war. Die reiche polnische Gemeinde genoß einige Vorrechte. So mußte die deutsche Gemeinde ihre Gottesdienste in der Schule abhalten und zwar ohne Gesang, um nicht die polnische Andacht zu stören. Nachdem unter den Mitwirkungen der Gegenreformation die Zahl der polnischen Evangelischen immer geringer geworden war und der deutsche Teil der Gemeinde größere Lasten zu tragen hatte, beanspruchten die Deutschen die gleichen Rechte. Darüber kam es zu Zwistigkeiten. Pastor Eisenmenger, der damals beide Gemeinden bediente, trat für die Rechte der Deutschen ein, sehr zum Unwillen der polnischen Gemeindeglieder, die ihn einen Ausländer schalten, der die Verhältnisse nicht kenne. Die Synoden zu Wloszczowa und Secymin befaßten [39] sich 1609 mit den Streitigkeiten. Sie entschieden, daß den Nichtpolen (außer deutschen gab es auch noch französische Gemeindeglieder) gleiche Rechte einzuräumen seien.
      Während polnisch- und deutschsprechende Evangelische ihre Streitigkeiten austrugen, setzten die Gegner der Gemeinde ihre feindlichen Unternehmungen fort. Der Adelsaufstand von 1607 erschütterte das Gefüge des polnischen Reiches und gab den Krakauer Studenten willkommene Gelegenheit, ihr altes Treiben ungestraft fortsetzen zu können. Abermals wurde der Begräbnisplatz zerstört, eine Anzahl Leichen ausgegraben und mit den Füßen nach oben an die Mauer gestellt oder aufs Feld hinaus geschleppt. Im Mai 1610 wurde das Haus des Bürgers Kilian Schmidt zerstört. Im nächsten Jahr überfielen Schüler einen evangelischen Leichenzug und verletzten die Leidtragenden. Am Himmelfahrtstage 1611 verübte der Pöbel unter Leitung der Studenten einen Überfall auf das Haus der Witwe Zagrzebska, das während einiger Tage belagert wurde. Der Bürgermeister entsandte zu ihrem Schutze 40 Mann von der Stadtwache, die aber nichts ausrichten konnten, weil sie den Befehl bekamen, nicht zu schießen. Sie wurden, als der Pöbel sah, daß sie in die Luft schossen, hart bedrängt, so daß sie sich durch die Flucht retten mußten. Durch eine Hinterpforte brachte sich die Witwe mit ihren Angehörigen in Sicherheit. Die Belagerer erstürmten das Haus, plünderten es aus und zerstörten es bis auf die Grundmauern. Da die Unruhe weiter um sich griff, so wurden Fußtruppen aus dem Schlosse in die Stadt geschickt, denen es gelang, die Ruhe wiederherzustellen, nachdem sie während der Handgemenge zwanzig Aufrührer getötet hatten.
      Auf der Synode zu Oksza berichteten die Krakauer Laienabgeordneten Lyszkiewicz und Hans Heyde über die Krakauer Vorkommnisse. Die Synode stellte an die anwesenden Vertreter des Adels das Ersuchen, auf den nächsten Land- und Reichstagen die fortdauernde Verfolgungen der Krakauer Evangelischen zur Sprache zu bringen. Auf Anordnung der Synode sollten am 30. August, dem Tage des Zusammentritts der Landtage, und am 26. September, dem Tage der Reichstagseröffnung, überall mit Fasten verbundene Betgottesdienste stattfinden. Als die Widersacher der Evangelischen von Hans Heydes Schritten vernahmen, trachteten sie ihm nach dem Leben. Er mußte sich mehrmals in Sicherheit bringen und übersiedelte zuletzt ganz nach Lublin.
      Am Abend des 14. April 1613 machten sich Studenten, Schüler und "allerlei Volk" auf den Weg nach Alexandrowice und überfielen das Pfarrhaus. Der einheimische Pastor Andreas Hermann konnte sich noch rechtzeitig flüchten. Um so schlimmer verfuhren die Wüteriche mit einem Gast der Pastorenfamilie, dem um die evangelische Kirche verdienten Senior des Zatorer Bezirks, Pastor Barthol. Bittner, der in einem abgelegenen Zimmer schlief und zu spät erwachte. "Er wurde bei dem plötzlichen Überfall von dem Haufen ergriffen, aller Kleider beraubt, hinter das Tor geschleppt und so mörderisch geschlagen, daß er fünfzehn Wunden hatte und zwei Finger der linken Hand verlor; als er so im bloßen Hemde über und über blutend dalag, ließen sie ihn für tot liegen und gingen davon. Dabei plünderten sie das Pfarrhaus, zündeten es schließlich an und brannten es gänzlich herunter."
      Wenige Wochen später schlug der Kleriker Gryma den Küster der evangelischen Gemeinde Habicht während eines Zusammentreffens auf der Straße so unbarmherzig mit einer Latte, daß der Geschlagene nach einigen Stunden seinen Verletzungen erlag.
      Nach diesen Ereignissen riet der wiederhergestellte Senior Bittner von einem Wiederaufbau des Pfarrhauses in Alexandrowice ab. Er veranlaßte, daß Pastor Hermann nach dem vier Meilen entfernten Gute Wielkanoc übersiedelte, wo der Ritter Wielowiejski im Begriff stand, eine evangelische Kirche zu bauen. Weil man mit dem Schlimmsten rechnen mußte, ging Hermann auf das Angebot ein. Durch ganz Polen brauste ein Verfolgungssturm gegen die Bekenner des evangelischen Glaubens. In Lublin und Posen wurden die evangelischen Kirchen zerstört.
[40]   Um diese Zeit entstand in Krakau eine Gemeinde augsburgischen Bekenntnisses. Ihre Ältesten wandten sich an die Verwaltung der reformierten Gemeinde mit dem Ersuchen, ihnen die Mitbenutzung des Gotteshauses in Alexandrowice zu gestatten. Am Palmsonntag 1615 fand der erste lutherische Gottesdienst statt. Ihm folgten Besprechungen, die in den nächsten Jahren sich zu einer Union der beiden Gemeinschaften formten. Ihre Losung war: "Brüderliche Liebe und christliche Eintracht sollen in den rechtgläubigen Gemeinden des Herrn nicht erkalten!"
      Während die Unionsverhandlungen schwebten, unternahm am Himmelfahrtstage 1615 der Krakauer Pöbel einen Überfall auf das Haus des evangelischen Bürgers Piaskowski. Nachdem die Stürmenden die Gitter durchbrochen und die Türen zertrümmert hatten, retteten die Hausinsassen sich durch Flucht über die Dächer der Nachbarhäuser. Der wackere Bischof Tylicki kam mit einer Anzahl Ritter und Stadträten und seinem Fußvolk auf den Platz der Zerstörung und trieb den Haufen auseinander, nachdem er zwei Anführer erschossen und andere gefesselt hatte. - Der um sich greifende Glaubenshaß veranlaßte viele angesehene evangelische Familien, sich nach anderen, mehr sicheren Wohnorten umzusehen. Die Ältesten der Gemeinde kamen bei dem Rat um Gewährung freien Abzuges ein. Aber das Ratskollegium machte geltend, daß der Wegzug der wohlhabenden evangelischen Bürger "große Einbuße an Einnahmen für die Stadtkasse, zumal da, wenn die Stadt Abgaben ausschrieb, die meisten Lasten auf die Evangelischen und Ausländer gewälzt wurden", mit sich bringen würde und verweigerte die Erlaubnis. Es versprach, die beiden Reichstagsabgeordneten der Stadt zu beauftragen, den Reichstag um wirksameren Schutz der Krakauer Evangelischen anzugehen. Mit den beiden Abgeordneten machten sich auch zwei Älteste der evangelischen Gemeinde auf den Weg; sie besaßen Empfehlungsschreiben an Angehörige des Königshauses und an einige Senatoren. König Sigismund III. willfahrte den ihm von verschiedenen Seiten vorgetragenen Wünschen und gab Erlasse an den Stadtrat, den Krakauer Wojewoden, den Bischof und die Universitätsobrigkeit, denen der Schutz der evangelischen Einwohner zur Pflicht gemacht wurde.
      In den Verzeichnissen der Ältesten der Gemeinde jener Zeit stoßen wir fast ausschließlich auf deutsche Namen. Ein Beweis dafür, wie sehr die Zahl der polnischen Evangelischen während der Zeit der Verfolgung zurückgegangen war. Nach dem Tode des Patrons der Gemeinde, des Besitzers von Alexandrowice, Peter Goluchowski, wurde sein ältester Sohn dem Glauben des Vaters untreu. Er verhinderte nach seinem Übertritt nicht nur die Abhaltung weiterer Gottesdienste in der Kirche zu Alexandrowice, sondern verunehrte auch die bisherige Andachtsstätte. Nun konnten die Gottesdienste nur noch in Wielkanoc und Lucianowice, dem Gute des Kirchenpatrons Zelenski, abgehalten werden.
      Am Tage nach dem Himmelfahrtsfeste 1617 ergriffen Studenten den vor der Tür seinen Hauses stehenden evangelischen Arzt Dr. Lyszkowicz, schleppten ihn auf die Straße, tauchten ihn in den Schmutz und schleiften ihn an den Beinen bis zur Stadtpforte, um ihn in den Fluß zu werfen. Universitätslehrer retteten ihn aus den Händen der Unholde. - Am 16. Mai 1620 sollte die Bürgersfrau Hunter begraben werden. Zum Schutze des Trauergeleites gingen zwölf städtische Heiducken und 12 schottische Soldaten mit, die sich damals gerade in Krakau aufhielten. Bewaffnete Studenten griffen den Zug an und überschütteten die Soldaten mit einem Steinhagel. Schon wollten die Schotten auf die Angreifer feuern. Hunter gelang es indessen, die Studenten zu beruhigen, indem er ihnen 50 Gulden schenkte.
      Recht unduldsam zeigte sich 1624 der Rat, der keinem Evangelischen mehr das Bürgerrecht verleihen wollte. Einige junge Männer fielen indessen von ihrem Glauben ab; andere übersiedelten nach anderen Städten. König Wladyslaus IV. veranlaßte später den sich zunächst noch sträubenden Rat, die ungerechtfertigte Maßnahme rückgängig zu machen.
[41]   Am Sonntag nach Himmelfahrt 1625 zogen Studenten mit ihrem Anhang nach dem Gute Lucianowice und zerstörten die Grabstätte der Familie Zelenski. - Am 6. Juli 1629 entschlief der Franzose Franz Arbi, einer der Ältesten der Gemeinde. Die Studenten hatten sein Ende erwartet und sich auf einen Angriff auf den Leichenzug gerüstet. Um die Leiche vor Schändung zu bewahren, legten die Angehörigen sie in ein Faß und brachten sie in aller Stille auf den Friedhof. Die Studenten behelligten nachher die Witwe mit Nachforschungen über den Verbleib der Leiche. Es gelang ihr, die Frager mit 100 Gulden zu beschwichtigen. - Am Ostersonntag 1630 drangen die Studenten in das Haus des Zuckerbäckers Isaak Mayerhöfer, dessen Frau gestorben war. Eben war man dabei, die Leiche unauffällig auf den Friedhof zu bringen. Die Eindringlinge raubten zunächst den Laden aus und zerhieben dann die Leiche; in der Wohnung warfen sie alles durcheinander und mißhandelten sogar ein kleines Kind in der Wiege. - Im selben Jahre versuchten katholische Geistliche eine evangelische kranke Frau gewaltsam zu bekehren. Sie kamen in das Haus des Lukas Rzeczynski und sagten, als er ihnen den Eintritt verwehren wollte, die Kranke habe nach ihnen verlangt. Der Kranken wurde eine Hostie in den Mund gesteckt. Nach ihrer Genesung blieb die Frau ihrem evangelischen Glauben treu. - Am Himmelfahrtstage 1631 überfielen Studenten die Läden der Goldarbeiter Brikiet und Strachon und die Wohnungen der Bürger Barson und Forbeß. Der Starost Zamojski verfügte eine strenge Untersuchung. Infolge des Dazwischentretens der Geistlichkeit verlief sie ebenso ergebnislos wie die früheren.
      Während der Krönung Wladyslaus IV. (1633) wurde in Krakau nach langer Zeit wieder evangelisch gepredigt. Verschiedene evangelische Adlige hatten ihre Prediger mitgebracht und ließen in ihren Häusern evangelische Gottesdienste abhalten, die auch von der Bürgerschaft besucht wurden. Bald nach der Krönung verbreitete sich in Krakau das Gerücht, daß neue Gewalttätigkeiten gegen die Evangelischen geplant seien. Das Himmelfahrtsfest, der von den Studenten für ihre Unternehmungen bevorzugte Tag, rückte heran. Die evangelische Bürgerschaft hatte nicht unterlassen, den Rat an die vom König erneuerten Schutzbriefe zu erinnern. Alle von Evangelischen bewohnten Häuser blieben tagsüber geschlossen; kein Evangelischer ließ sich auf der Straße sehen. Schon glaubte man, daß der gefürchtete Tag ruhig verlaufen werde, als Schüler der Marienschule den evangelischen Bürger Mayerhöfer auf der Straße auskundschafteten. Sie setzten dem Flüchtenden nach, entdeckten ihn in einem Hause und schleppten ihn an den Füßen auf die Straße, wo sie ihn in den Schmutz warfen und entsetzlich schlugen. Er kam zwar noch lebend aus den Händen seiner Peiniger, blieb aber bis an sein Ende ein siecher Mann.
      Im September 1633 starb die Frau des französischen Bürgers Ledluble. Der Witwer beabsichtigte die Leiche in aller Heimlichkeit auf den Friedhof zu bringen. Eine böse Nachbarin vereitelte aber sein Vorhaben. Die von ihr benachrichtigten Studenten holten ihn am Tore ein; sie warfen den Wagen um, trugen die Leiche zurück, entkleideten sie, schleiften sie durch Pfützen und warfen sie schließlich in die Weichsel. Einer der Übeltäter, Iskra, wurde bald nachher aus einem anderen Anlaß gefänglich eingezogen. Da er als Rädelsführer erkannt worden war, mußte sich das Grodgericht mit dem Fall befassen und den Verbrecher, wie es das Gesetz verlangte, zum Tode verurteilen. Der Wojewode von Bjelsk, Leszczynski, drang in den noch schwankenden König, das Urteil zu bestätigen. Aber geistlicher und anderer weitreichender Einfluß machte sich geltend. Man drohte mit dem Schlimmsten, falls das Urteil vollstreckt werden würde. So kam es, daß Iskra, für den durch Kirchensammlungen eine hohe Kaution zusammengebracht worden war, nach einjähriger Haft freigelassen wurde.
      In der Fastnachtszeit 1639 wurden während eines Streites in einer Weinstube zwei unbeteiligte deutsche Jünglinge getötet. Bei ihrer Beerdigung wieder- [42] holten Studenten die uns schon bekannte Aufführung. - Im August 1640 suchten Studenten in das Haus des evangelischen Bürgers Forbeß einzudringen. Ihr Plan mißlang, weil die Hauseingänge starke Sicherungen aufwiesen. - Am Himmelfahrtstage 1641 zerstörten und plünderten Studenten die Häuser der Bürger Cypser und Sznuk. Die Insassen flüchteten durch die Fenster und über die Dächer der Nachbarhäuser, wobei die schwangere Frau Sznuk so unglücklich fiel, daß sie an den Folgen des Falles starb. Diesmal ging der Wojewode Lubomirski unnachsichtlich vor und ließ die Anführer gefangennehmen. Die ungewohnte Strenge erbitterte die Studenten und sie beschlossen, die Evangelischen dafür büßen zu lassen. Sie glaubten die Gelegenheit gekommen, als ein auf einem Ausflug begriffener Haufe auf den einsamen Pachthof des Kalaj in Chorowice aufmerksam wurde. Sie überfielen den Hof, gebärdeten sich wie Straßenräuber, plünderten das Haus aus und mißhandelten den Besitzer. Ein verlorenes Täschchen führte auf die richtige Spur. Fünf von den Tätern wurden hingerichtet. - Aus Furcht vor dem Kommenden waren die evangelischen Bürger um die Zeit des Himmelfahrtsfestes 1647 aus Krakau weggereist. Nicht ohne Ursache, - denn drei Häuser wurden von den Studenten und ihren Helfern erstürmt und geplündert. Eine Abteilung Dragoner jagte den Haufen auseinander. Da die Dragoner mit einem Steinhagel empfangen wurden, so machten sie von ihren Waffen Gebrauch und erschossen einen Studenten. Die Beerdigung des Getöteten bot der Studentenschaft willkommenen Anlaß zu einer Demonstration. Sie wurde gegen die evangelische Gemeinde klagbar und brachte verleumderische Beschuldigungen vor.
      Am Himmelfahrtstage 1650 zerstörten Studenten und ihre Freunde das Haus des Bürgers Delentz und den Laden des Krolik. Während viele wohlhabende evangelische Familien sich zum Wegzuge aus Krakau rüsteten und andere mit den Vorbereitungen zu einer ausführlich begründeten Klage bei dem Reichstag befaßten, brach die Pest aus, die in den Jahren 1651 und 1652 in Krakau an 30 000 Menschen hingerafft haben soll. Im Jahre 1653 folgte ihr eine "kleine Epidemie". Auch die über Krakau und ganz Polen hereingebrochene schwere Zeit vermochte nicht den Glaubenshaß der Krakauer Studenten zu zügeln; schon zu Himmelfahrt 1655 bereiteten sie sich zu neuen Untaten vor und entwarfen einen Plan zum Überfall auf das Haus des begüterten Bürgers Czamer. Den vereinten Bemühungen der Universitätsobrigkeit und der katholischen Geistlichkeit gelang es, die Menge von der Ausführung ihrer Absicht abzulenken. Polen durchlebte damals schwere Heimsuchungen, sein Untergang schien besiegelt. Von der einen Seite waren Kosaken und Russen ins Land gerückt, und vom Norden her kam das schwedische Heer, das bis nach Krakau gelangte und die Stadt einnahm.
      Schwedische Reiter durchzogen plündernd das Land und kamen auch bis nach Wielkanoc, wo sie Gut, Kirche und Pfarrhaus ausraubten. Die Familien des Gutsbesitzers und des Pastors Wengierski hielten sich in den benachbarten Wäldern versteckt und flüchteten nachher nach Schlesien. Erst nach einigen Wochen konnten die Flüchtlinge zurückkehren. Sie fanden ausgeplünderte Wohnungen vor und lebten in der Furcht vor neuen Überfällen schwedischer und polnischer Soldaten und des Pöbels. Denn auch die Bauern der Umgegend rotteten sich zusammen und begannen unter Leitung des Propstes Kondziolka einen Religionskrieg zu führen. Im Städtchen Siewierz nahmen sie eine Anzahl Edelleute gefangen und töteten unterwegs, in Kozieglowy, einen von ihnen, Dembicki. Die übrigen evangelischen Adligen flüchteten nach dem Städtchen Zarki und dem (in der Nähe des heutigen Zawiercie gelegenen) befestigten Schlosse Ogrodzieniec. Auch nach den evangelischen Geistlichen fahndeten die aufrührerischen Bauern.
      Auf Anraten seiner Freunde beabsichtigte Wengierski nach dem Dorfe Kozy (deutsch Seyffersdorf) zu flüchten. Da hörte er, daß die Bauern auch dort schon ihr Unwesen trieben, das Pfarrhaus überfallen und die in der Erde vergrabene Bibliothek des Pastors entdeckt und weggeführt hatten. Wengierski faßte den Ent- [43] schluß, bei seiner Gemeinde in Krakau zu bleiben, wo er im Stillen Gottesdienst halten konnte. Während dieser Wirren verübte der Pöbel zahlreiche Morde und Raubüberfälle. Auch die Kirche in Wielkanoc wurde verbrannt. Die Mordbrenner schleppten die nebenan wohnende evangelische Witwe Niedzielska auf den Brandplatz und töteten sie. Ein den Haufen führender betrunkener Mönch schlug grausam auf den greisen Spitalinsassen Manusz ein und verletzte ihn schwer.
      Im September 1656 konnte der verstorbene Krakauer Bürger Adalbert Blackhal unter dem Schutz der schwedischen Garnison mit großem Geleit zu Grabe getragen werden, nachdem über 60 Jahre hindurch kein öffentliches evangelisches Leichenbegängnis mehr war.
      Wengierski schloß seine Aufzeichnungen im Jahre 1657 ab. Während seines Aufenthaltes in Krakau erlebte er vier Belagerungen der Stadt durch das polnische Heer. Die Evangelischen in Krakau erfreuten sich nun des Schutzes der schwedischen Verwaltung und atmeten nach den Zeiten der Verfolgung wieder freier auf.
      Wie die weiteren Schicksale der Gemeinde sich gestalteten, haben die Geschichtsschreiber nicht ermitteln können. Altmann erwähnt, daß in der Geschichte der Gemeinde eine ein Jahrhundert umfassende Lücke entstanden ist. In der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts hielt sich das kleine Häuflein der Krakauer Evangelischen zur Kirche des benachbarten Podgórze. Am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts wurde die abermalige Selbständigmachung der Krakauer Gemeinde erwogen. Der Plan ließ sich 1816 verwirklichen.
      Wengierskis nüchterne, jede Übertreibung und Ausschmückung vermeidende Darstellung redet eine erschütternde Sprache. Er steht mit seiner Gegenwartsschilderung in schärfstem Gegensatz zu den heutigen Geschichtsklitterern, die, wie die Verfasser der Denkschriften der Warschauer evangelisch-lutherischen Gemeinde, das frühere Polen als ideales Asyl für alle in Westeuropa verfolgten Märtyrer hinstellen. ...zurück...

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Das Deutschtum in Kongreßpolen
Adolf Eichler