[317] Drittes Kapitel
Deutschlands Bemühen um Sicherung friedlicher Beziehungen zu seinen Nachbarländern
Nr. 325 ..... Deutschland hat in den letzten Jahren eine ganze Anzahl politischer Beziehungen aufgenommen, wieder angeknüpft, verbessert und mit einer Reihe von Staaten ein, ich darf wohl sagen, enges freundschaftliches Verhältnis hergestellt. Unsere Beziehungen in Europa sind, von uns aus gesehen, zu den meisten Staaten normale, zu einer ganzen Anzahl von Staaten sehr freundschaftliche. Ich stelle hier an die Spitze die ausgezeichneten Beziehungen, die uns vor allem mit jenen Staaten verbinden, die aus ähnlichen Leiden wie wir zu ähnlichen Folgerungen gekommen sind. Durch eine Reihe von Abkommen haben wir frühere Spannungen beseitigt und damit wesentlich zu einer Verbesserung der europäischen Verhältnisse beigetragen. ..... Deutschland hat - und ich wiederhole dies hier feierlich - immer wieder versichert, daß es z. B. zwischen ihm und Frankreich überhaupt keinerlei menschlich denkbaren Streitpunkt geben kann. Die Deutsche Regierung hat weiter Belgien und Holland versichert, daß sie bereit ist, diese Staaten jederzeit als unantastbare neutrale Gebiete anzuerkennen und zu garantieren. ....
Nr. 326
Aus der Rede des Führers im Berliner Sportpalast, 26. September 1938 ..... Ich habe Frankreich sofort nach der Rückgabe des Saargebiets an Deutschland, die durch eine Abstimmung entschieden wurde, erklärt, daß es nun überhaupt keine Differenzen mehr zwischen uns gebe. Ich sagte, daß die elsaß-lothringische Frage für uns nicht mehr existiert. Es ist ein Grenzgebiet. Das Volk dieses Landes ist eigentlich in den letzten Jahrzehnten niemals um seine eigene Meinung gefragt worden. Wir haben die Empfindung, daß die Bewohner dieser Provinz am glücklichsten sind, wenn um sie nicht wieder gekämpft wird. Wir alle wollen keinen Krieg mit Frankreich. Wir wollen nichts von Frankreich! Gar nichts! Und als das Saargebiet dank der loyalen Auslegung der Verträge durch Frankreich - das muß ich hier bestätigen - ins Reich zurückgekehrt war, habe ich feierlich versichert: Nunmehr sind alle territorialen Differenzen zwischen Frankreich und Deutschland beseitigt. Ich sehe heute überhaupt keine Differenz mehr zwischen uns! Es sind zwei große Völker, die beide arbeiten und leben wollen. Und sie werden dann am besten leben, wenn sie zusammen arbeiten! .....
Nr. 327
Unterredung des Reichsministers des Auswärtigen mit dem Französischen Botschafter Aufzeichnung Berlin, den 20. November 1938
Ich empfing heute um 12 Uhr den neuernannten Französischen Botschafter Coulondre, der mir seinen Antrittsbesuch machte. Herr Coulondre erklärte mir, daß er sich bei Annahme des Postens vorgenommen habe, alles zu tun, um das deutsch-französische Verhältnis so gut [318] wie möglich zu gestalten. Er persönlich sei in keinem Sinne irgendwie beeinflußt, und stehe allen Anregungen offen gegenüber. Ich erwiderte Herrn Coulondre, daß leider viele Gelegenheiten verpaßt worden seien, das deutsch-französische Verhältnis grundlegend zu bessern, und ich verwies in diesem Zusammenhang auf den bereits 1933 vorgesehenen, leider aber nicht erfolgten Besuch des Ministerpräsidenten Daladier in Deutschland. Ich hätte seinem Amtsvorgänger François-Poncet gegenüber häufiger ausgeführt, daß, wenn erst ein gewisser geistiger Ballast abgeworfen worden sei, eine Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich einfacher sein würde. Es käme darauf an, daß sich die europäischen Staaten auf ihre wirklichen Interessen beschränkten, so Frankreich auf sein großes Kolonialreich, England auf sein Empire und Deutschland auf seine eigentliche Interessensphäre, nämlich den Südosten Europas. Wenn dies einmal klar herausgeschält sei, werde auch das deutsch-französische Verhältnis immer besser und dauerhafter werden, denn das deutsche Volk hege ebensowenig irgendwelchen Groll gegen Frankreich wie das französische Volk gegen Deutschland, und dies sei um so natürlicher, da ja keine vitalen Divergenzen zwischen den beiden Völkern beständen. Herr Coulondre stimmte meinen Ausführungen zu und sagte, daß er die Frage genau so sehe.
von Ribbentrop
Nr. 328
Unterredung des Reichsministers des Auswärtigen mit dem Vertreter des Paris Soir, 5. Dezember 1938 Auszug Viele Franzosen müßten wissen, daß ich seit langem eine Verständigung mit Frankreich wünsche und daran arbeite. Niemand war zufriedener als ich, als der Führer nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten die Ansicht vertrat, daß eine Annäherung mit Frankreich die erste Bedingung für eine Befriedung Europas sei. Das deutsche Volk ist ihm freiwillig gefolgt, denn es hat absolut nichts gegen das französische Volk, ebensowenig wie das französische Volk, das ich genau zu kennen glaube, auch nichts gegen das deutsche Volk hat. Die hohe Achtung der deutschen Frontkämpfer vor den französischen Frontkämpfern ist im Kriege geboren. Diese Achtung stellt einen günstigen Boden für eine Verständigung dar. Deshalb hat auch in den letzten Jahren niemand mehr als die Frontkämpfer an einer Annäherung zwischen beiden Völkern gearbeitet. Ich bin sicher, daß es zwischen Frankreich und Deutschland keine lebenswichtigen Fragen gibt, die nicht freundschaftlich geregelt werden könnten. Frankreich hat seine Freunde, und Deutschland hat ebenfalls die seinigen. Warum sollte es nicht möglich sein, eine Brücke zwischen diesen Freunden zu schlagen, um eine Grundlage zu finden, die allen interessierten Ländern nur nützlich sein könnte? .....
[319]
Nr. 329
Deutsch-Französische Erklärung, 6. Dezember 1938 Der Deutsche Reichsminister des Auswärtigen, Herr Joachim von Ribbentrop, und der Französische Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Herr Georges Bonnet, haben bei ihrer Zusammenkunft in Paris am 6. Dezember 1938 im Namen und im Auftrag ihrer Regierungen folgendes vereinbart:
2. Beide Regierungen stellen fest, daß zwischen ihren Ländern keine Fragen territorialer Art mehr schweben, und erkennen feierlich die Grenze zwischen ihren Ländern, wie sie gegenwärtig verläuft, als endgültig an. 3. Beide Regierungen sind entschlossen, vorbehaltlich ihrer besonderen Beziehungen zu dritten Mächten, in allen ihre beiden Länder angehenden Fragen in Fühlung miteinander zu bleiben und in eine Beratung einzutreten, wenn die künftige Entwicklung dieser Fragen zu internationalen Schwierigkeiten führen sollte. Zu Urkund dessen haben die Vertreter der beiden Regierungen diese Erklärung, die sofort in Kraft tritt, unterzeichnet. Ausgefertigt in doppelter Urschrift in deutscher und französischer Sprache in Paris am 6. Dezember 1938.
Joachim von Ribbentrop
Georges Bonnet
Reichsminister des Auswärtigen Minister für Auswärtige Angelegenheiten
Nr. 330
Amtliche Deutsche Verlautbarung, 6. Dezember 1938 Der Besuch des Reichsministers des Auswärtigen in Paris am 6. Dezember hat Gelegenheit zu einem ausführlichen deutsch-französischen Meinungsaustausch geboten. In den Unterhaltungen (die zwischen Herrn von Ribbentrop und Herrn Georges Bonnet stattgefunden haben) sind die wichtigsten europäischen Probleme und insbesondere die Fragen, die die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland unmittelbar angehen, geprüft worden. Von beiden Seiten ist anerkannt worden, daß eine auf der formellen Anerkennung ihrer Grenzen beruhende Entwicklung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern nicht nur deren gemeinsamen Interessen dienen, sondern einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Friedens darstellen würde. In diesem Geist haben die Außenminister der beiden Länder eine Erklärung unterzeichnet, die vorbehaltlich der besonderen Beziehungen der beiden Regierungen zu dritten Mächten ihren Willen zum Ausdruck bringt, in gegenseitiger Achtung friedlich zusammenzuarbeiten, und die so einen wichtigen Schritt auf dem Wege der allgemeinen Befriedung darstellt.
[320]
Nr. 331
Erklärung des Reichsministers des Auswärtigen vor der Presse, Paris, 6. Dezember 1938 Mit der heutigen Erklärung sind Frankreich und Deutschland auf der festen Grundlage ihrer Freundschaften mit anderen Staaten übereingekommen, ihren Jahrhunderte alten Grenzstreit zu beenden und mit der gegenseitigen Anerkennung ihrer Grenzen auch einer beiderseitigen Anerkennung und Achtung ihrer nationalen Lebensinteressen den Weg zu ebnen. Als gleichberechtigte Partner erklären sich zwei große Nationen bereit, nach schweren Auseinandersetzungen in der Vergangenheit eine gute Nachbarschaft für die Zukunft zu begründen. Sie geben mit dieser Erklärung ihres Willens der Überzeugung Ausdruck, daß es zwischen ihnen in der Tat keine lebenswichtigen Gegensätze gibt, die einen ernsten Konflikt rechtfertigen können. Die wirtschaftlichen Interessen beider Länder ergänzen sich. Das deutsche Geistesleben verdankt Frankreich wertvolle Anregungen, wie auch umgekehrt Deutschland oft das französische Geistesleben befruchtet hat. Die Achtung, die das deutsche und das französische Volk als tapfere Gegner während des Weltkrieges voreinander gewonnen haben, soll im Frieden ihre natürliche Ergänzung und Vertiefung finden durch die hervorragende Leistungsfähigkeit, die beide Völker in der Arbeit auszeichnet. Ich bin daher überzeugt, daß die heutige deutsch-französische Erklärung die geschichtlichen Vorurteile beseitigen hilft und daß die Entspannung unseres Nachbarverhältnisses, die in ihr zum Ausdruck kommt, nicht nur die einmütige Zustimmung der Führenden, sondern auch der Völker unserer beiden Staaten findet. Die Gefühle, die das deutsche Volk gegenüber einer neuen Ausrichtung der zwischenstaatlichen Beziehungen hegt, kamen in dem herzlichen Empfang zum Durchbruch, der dem Französischen Ministerpräsidenten Eduard Daladier in München bereitet wurde. Die Sympathiekundgebungen, deren Zeuge ich in den wenigen Stunden meines Pariser Aufenthaltes sein durfte, zeigen, in wie starkem Maße diese Gefühle auch von der Bevölkerung Frankreichs geteilt werden. So halte ich die Hoffnung für berechtigt, daß die Erklärung eine neue Ära zwischen unseren beiden Völkern einleiten wird.
Nr. 332
Erklärung des Französischen Außenministers Bonnet vor der Presse, Paris, 6. Dezember 1938 (Übersetzung)
Ich möchte zunächst den Herrn Reichsminister des Auswärtigen begrüßen, den zu empfangen wir uns besonders glücklich schätzen und dessen Anwesenheit die Tragweite der Urkunde unterstreicht, die wir soeben unterzeichnet haben. Die Bemühungen der Französischen Regierung haben ebenso wie die aller ihrer Vorgängerinnen immer mit derselben Aufrichtigkeit die Erhaltung und [321] Organisierung des Friedens angestrebt. Die Herstellung gutnachbarlicher Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland bildet ebenso wie der Ausdruck ihres gemeinsamen Willens, ihre friedlichen Beziehungen zu entwickeln, ein wesentliches Element ihres Vorhabens. Aus diesem Grunde freue ich mich besonders über die Unterzeichnung dieser französisch-deutschen Erklärung, die die bestehenden Grenzen in feierlicher Form anerkennt und damit einen langen historischen Streit beendet sowie den Weg zu einer Zusammenarbeit ebnet, die durch die Überzeugung erleichtert wird, daß zwischen den beiden Ländern kein Streitpunkt besteht, der geeignet wäre, die friedlichen Grundlagen ihrer Beziehungen in Frage zu stellen. Diese Überzeugung wird gefördert durch die gegenseitige Wertschätzung des geistigen Austausches, der zwischen den beiden Nationen von jeher bestanden hat, sowie durch die gegenseitige Achtung, die sich zwei Völker schulden, die während des Weltkrieges ihren Heldenmut gemessen haben und heute entschlossen sind, in einer Atmosphäre des Vertrauens und des Friedens zu arbeiten. Im übrigen zweifle ich nicht daran, daß diese gemeinsame Erklärung einen wichtigen Beitrag zur allgemeinen Befriedung liefert, dessen voller Wert sich in der Zukunft erweisen wird. Sie bildet einen besonders wichtigen Abschnitt bei diesem Werk der Versöhnung und der Zusammenarbeit, für das Frankreich den heißen Wunsch hegt, daß alle Völker sich ihm beigesellen möchten.
Nr. 333
Der Reichsminister des Auswärtigen an den Belgischen Gesandten Berlin, den 13. Oktober 1937
Herr Gesandter! Im Namen der Deutschen Regierung habe ich die Ehre, Euerer Exzellenz folgendes mitzuteilen: Die Deutsche Regierung hat mit besonderem Interesse Kenntnis von den öffentlichen Erklärungen genommen, die die Belgische Regierung zur Klärung der internationalen Stellung Belgiens abgegeben hat. Sie hat ihrerseits wiederholt, insbesondere durch die Erklärung des Deutschen Reichskanzlers in seiner Rede vom 30. Januar 1937,184 ihre Auffassung in dieser Hinsicht zum Ausdruck gebracht. Andererseits hat die Deutsche Regierung Kenntnis genommen von der Erklärung der Königlich Britischen und der Französischen Regierung vom 24. April 1937.185 [322] Mit Rücksicht darauf, daß der Abschluß eines zur Ersetzung des Pakts von Locarno bestimmten Vertrags noch geraume Zeit in Anspruch nehmen kann, und in dem Wunsche, die friedlichen Bestrebungen der beiden Länder zu stärken, hält die Deutsche Regierung es für angebracht, ihre Haltung gegenüber Belgien schon jetzt zu präzisieren. Zu diesem Zweck gibt sie folgende Erklärung ab:
1. Die Deutsche Regierung hat Akt genommen von der Auffassung, der die
Belgische Regierung auf Grund ihrer eigenen Zuständigkeit Ausdruck
gegeben hat, nämlich,
b) daß sie entschlossen ist, die Grenzen Belgiens mit allen ihren Kräften gegen jeden Angriff und jede Invasion zu verteidigen, zu verhindern, daß das belgische Gebiet für einen Angriff gegen einen anderen Staat als Durchmarschland oder als Operationsbasis zu Lande, zur See oder in der Luft benutzt wird, und zu diesem Zwecke die Verteidigung Belgiens in wirksamer Weise zu organisieren. 3. Die Deutsche Regierung ist bereit, ebenso wie die Königlich Britische und die Französische Regierung, Belgien Beistand zu gewähren, falls es Gegenstand eines Angriffs oder einer Invasion sein sollte. Ich benutze auch diesen Anlaß, usw.
Frhr. von Neurath
Nr. 334
Der Belgische Gesandte an den Reichsminister des Auswärtigen Berlin, den 13. Oktober 1937
Herr Minister! Im Auftrag meiner Regierung habe ich die Ehre, Euer Exzellenz folgende Mitteilungen zu machen: Die Regierung Seiner Majestät hat mit großer Befriedigung von der Erklärung Kenntnis genommen, die ihr am heutigen Tage durch die Reichsregierung übermittelt wurde. Sie spricht dieser hierfür ihren lebhaftesten Dank aus. Ich benutze diese Gelegenheit, usw.
Vicomte Jacques Davignon
[323]
Nr. 335
Der Deutsche Gesandte im Haag an das Auswärtige Amt Bericht Den Haag, den 22. März 1937
Bei den Beratungen der I. Kammer über den Etat des Außenministeriums hat Minister de Graeff am 17. März eine beachtenswerte Rede gehalten. Im nachstehenden behandele ich die Ausführungen des Ministers über das deutsche Garantieangebot und den Westpakt, während ich über die anderen Teile seiner Rede, insbesondere soweit sie sich mit der Revision des Völkerbundes befaßt, gesondert berichte. Herr de Graeff begann seine Rede mit der Feststellung, daß, wie die Debatte gezeigt habe, die I. Kammer in ihrer Gesamtheit mit der Antwort einverstanden sei, welche die Niederländische Regierung auf das in der Rede des Führers vom 30. Januar enthaltene Garantieangebot an Holland erteilt habe. Diese Antwort sei lediglich die Bestätigung einer bereits immer eingehaltenen politischen Linie gewesen. Solange Holland nicht durch eigene Handlungen die Unantastbarkeit seines Gebietes in Gefahr bringe, sei die Unantastbarkeit bereits eine selbstverständliche Sache, die in keinem Vertrag mit einer fremden Macht näher umgrenzt oder festgelegt werden könne. Trotzdem sei die gute Absicht des deutschen Staatsoberhauptes auch durch die Niederländische Regierung besonders gewürdigt worden. Derartige Äußerungen trügen nur dazu bei, in Holland das Gefühl der Sicherheit zu erhöhen. Auf der anderen Seite legten sie aber auch, so paradox es klinge, den Niederlanden die Verpflichtung auf, ihre Wehrmacht auf der Höhe zu halten. Selbständigkeitspolitik könne Holland nur dann treiben, wenn es zeige, daß es bereit sei, sich gegen jeden Angriff nach Kräften zu verteidigen. Wenn man im Ausland wisse, daß Holland bereit und imstande sei, einen Durchzug fremder Truppen, wenn nicht zu verhindern, so doch ernsthaft zu erschweren, dann könnten strategische Erwägungen leicht dazu führen, daß man davon absehe, Holland in den Streit hineinzuziehen. Um auf die konkrete Frage des deutschen Garantieangebots zurückzukommen, so sei der Grund für die holländische Antwort der, daß die Angelegenheit nicht geeignet sei, in einem Vertrage behandelt zu werden. Man müsse den Eindruck vermeiden, als ob in Holland irgendwelche Zweifel an der Unantastbarkeit des holländischen Gebietes bestünden. Auch bedeute der Abschluß eines Vertrages die Annahme von Verpflichtungen für beide Seiten, und Holland könne keinerlei Verpflichtungen auf sich nehmen. Die Deutsche Regierung habe im übrigen den holländischen Standpunkt vollkommen verstanden und gewürdigt.
Zech
Nr. 336
Der Deutsche Gesandte im Haag an das Auswärtige Amt Bericht Den Haag, den 28. Oktober 1937
Der N. S. B. Abgeordnete der I. Kammer van Vessem, der bereits nach der Führerrede vom 30. Januar d. J. eine Anfrage wegen einer eventuellen deutschen Garantieerklärung für die Niederlande an die Regierung gerichtet hatte, ist aus Anlaß der deutschen Garantieerklärung für Belgien erneut mit [324] einer Kammeranfrage auf die Angelegenheit zurückgekommen. Seine Frage ging dahin, ob die Niederländische Regierung auch heute noch auf ihrem abweisenden Standpunkt verharre und ob bejahendenfalls dadurch nicht der Eindruck entstellen könne, daß das niederländische Gebiet Europa als Schlachtfeld zur Verfügung stehe. Außenminister Patijn hat erwidert, die Regierung vertrete nach wie vor die Auffassung, daß die Unantastbarkeit des niederländischen Gebiets ein Axiom sei, welches nicht Gegenstand einer unter niederländischer Beteiligung zustande gekommenen Regelung sein könne. Aus dieser unveränderten Haltung könne aber nach Auffassung der Regierung auch nach dem deutsch-belgischen Abkommen und den vorausgegangenen englischen und französischen Erklärungen unmöglich der Eindruck entstehen, als ob niederländisches Gebiet Europa als Schlachtfeld zur Verfügung stände.
Zech
Nr. 337
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts an die Deutschen Diplomatischen Missionen Erlaß Berlin, den 28. April 1938
Infolge der Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich haben wir mit Italien, Jugoslawien, der Schweiz, Liechtenstein und Ungarn neue Grenzen erhalten. Diese Grenzen werden von uns als endgültig und unantastbar betrachtet. Hierüber sind folgende besonderen Erklärungen abgegeben worden:
1. Italien:
Der Führer und Reichskanzler hat in seiner Reichstagsrede vom 18.
März d. J. auf seinen an Mussolini gerichteten Brief vom 11. März
d. J. Bezug genommen und dabei hervorgehoben, daß er hierin Mussolini
versichert habe, "daß sich in der Einstellung Deutschlands nach diesem
Ereignis Italien gegenüber nicht nur nichts ändern wird, sondern
daß genau so wie gegenüber Frankreich auch gegenüber Italien
Deutschland die dann bestehenden Grenzen als gegebene ansieht."In derselben Reichstagsrede hat der Führer weiter folgende Erklärung abgegeben: "Wir wissen, was die Haltung Mussolinis in diesen Tagen für Deutschland bedeutet hat. Wenn es eine Festigung der Beziehungen zwischen Italien und Deutschland hat geben können, dann ist sie jetzt eingetreten. Aus einer weltanschaulich und interessenmäßig bedingten Gemeinschaft ist für uns Deutsche eine unlösbare Freundschaft geworden. Das Land und die Grenzen dieses Freundes aber sind für uns unantastbar. Ich wiederhole es: daß ich Mussolini diese Haltung nie vergessen werde! Das italienische Volk aber kann wissen, daß hinter meinem Wort die deutsche Nation steht!"
2. Schweiz:
Der Deutsche Gesandte in Bern hat am 14. März Bundesrat Motta die
Versicherung über die Achtung der Unabhängigkeit und
Unverletzlichkeit der Schweiz in Erinnerung gebracht, die er bereits bei seinem
Amtsantritt mit [325] Ermächtigung des Führers und
Reichskanzlers Herrn Motta übermittelt hatte. Sachlich liefen diese
Versicherungen auf eine Wiederholung der bekannten Erklärung des
Führers und Reichskanzlers an den Altbundesrat Schultheß vom 23.
Februar 1937 hinaus, deren Kernsatz lautet: "Zu jeder Zeit, komme was da wolle,
werden wir die Unverletzlichkeit and Neutralität der Schweiz
respektieren." Die Schweizerische Regierung hat von diesen
Äußerungen des Deutschen Gesandten gegenüber Herrn Motta
am 15. März der schweizerischen Presse Kenntnis gegeben, von der sie
dann durchweg, wenn auch gelegentlich in nicht ganz zutreffender Form,
wiedergegeben worden sind.
3. Jugoslawien:
Der Jugoslawischen Regierung ist von maßgebender deutscher Seite
erklärt worden, daß die deutsche Politik nicht über Österreich
hinausziele und daß die jugoslawische Grenze in jedem Falle
unberührt bleibe. Der Führer und Reichskanzler hat dann in seiner
Rede in Graz vom 3. April d. J. ausgeführt, Jugoslawien und Ungarn
hätten zu der Wiedervereinigung Österreichs dieselbe Haltung
eingenommen wie Italien. Wir seien glücklich, hier Grenzen zu besitzen,
die uns der Sorge enthöben, sie militärisch beschützen zu
lassen.
4. Ungarn:
Der Ungarischen Regierung ist durch unseren Gesandten in Budapest mitgeteilt
worden, daß die Erklärungen, die wir bezüglich der neuen
Grenzen gegenüber Italien, Jugoslawien und der Schweiz abgegeben
hätten, selbstverständlich auch entsprechende Geltung für die
neue deutsch-ungarische Grenze hätten. Mit unserer Zustimmung hat der
Ungarische Außenminister Kánja in seiner Rede vom 23. März vor
den auswärtigen Ausschüssen des
Abgeordneten- und des Oberhauses darauf hingewiesen, daß die
Reichsregierung keinerlei Zweifel darüber habe bestehen lassen, daß
sie die gegenwärtige
deutsch-ungarische Grenze für ebenso unverletzlich halte wie die deutsche
Grenze mit Jugoslawien, Italien und der Schweiz.
Weizsäcker
184Vgl. Nr. 325. ...zurück...
185Gemeinsame Note des Britischen
und Französischen Botschafters in Brüssel an den Belgischen
Außenminister vom 24. April 1937, durch welche Belgien aus den im
Vertrag von Locarno und in den Londoner Abreden vom 19. März 1936
eingegangenen Verpflichtungen entlassen wurde, unter gleichzeitiger
Aufrechterhaltung der britischen und französischen Beistandsversprechen.
...zurück...
|