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Zweites Kapitel   (Forts.)
Die Englische Kriegspolitik

A. Britische Aufrüstung und Hetze
gegen Deutschland
(September 1938 bis Juli 1939)

Nr. 244
Der Deutsche Konsul in Genf an das Auswärtige Amt
Bericht

Genf, den 24. Februar 1939

Das Völkerbundsekretariat hat in diesen Tagen bekanntgegeben, daß sowohl die Englische wie die Französische Regierung eine Note an das Völkerbundsekretariat haben gelangen lassen, wonach beide Regierungen nach dem am 16. August 1939 ablaufenden Termin der Generalakte für weitere fünf Jahre sich an diese Konvention für gebunden erklären. Diese Verbindlichkeitserklärung der Englischen und Französischen Regierung ist jedoch nur mit einer sehr bemerkenswerten Reserve gemacht worden, die folgenden Wortlaut hat:

    "Désormais ladite adhésion ne s'étendra pas aux différends relatifs à des événements qui viendraient à se produire au cours d'une guerre dans laquelle il serait impliqué."

Diese von englischer und französischer Seite vorgenommene Einschränkung des Anwendungsgebiets der Generalakte ist bezeichnenderweise von der englischen und französischen Presse in keiner Weise hervorgehoben und auch in der übrigen internationalen Presse nur kurz erwähnt worden. In der deutschen Presse hat man diesen Vorgang hauptsächlich dahin interpretiert, daß selbst England und Frankreich nunmehr von den Methoden der Genfer Institution abrückten und die Anwendung des Schiedsverfahrens für ein Gebiet wichtiger internationaler Streitfälle einschränkten.

Die Hauptbedeutung der englisch-französischen Reserve bezüglich der Anwendung der Generalakte ist jedoch darin zu sehen, daß beide Regierungen sich für den Kriegsfall gegenüber den Neutralen völlig freie Hand sichern wollen und sämtliche Streitfälle, die sich auf Grund des Neutralitätsrechts und insbesondere des Seekriegsrechts ergeben könnten, dem Schiedsgerichtsverfahren entziehen. Diese Haltung der Englischen und Französischen Regierung kann auch als Maßnahme gegen das Abrücken der Neutralen von der Sanktionspolitik angesehen werden und dürfte auf jeden Fall die Stellung der Neutralen im Kriegsfall außerordentlich schwächen.

Unter den Fachleuten der Genfer Delegation ist man sich allerdings über die folgenschwere Bedeutung der englisch-französischen Reserve gegenüber der Generalakte völlig im klaren. Ein Delegierter eines neutralen Staates hat [233] mir z. B. seine ernsten Besorgnisse über diese offenbar von England ausgehende "Kriegsvorbereitungsmaßnahme" ausgesprochen, die ihn sofort an die ablehnende Haltung der Englischen Regierung vor dem Weltkrieg erinnert habe, Streitfälle über das Prisenrecht mit neutralen Staaten einem internationalen Prisengerichtshof zu unterbreiten. Gleichzeitig wies mein Gesprächspartner auch beispielsweise auf die außerordentliche Bedeutung der englisch-französischen Reserve für diejenigen Mittelmeerstaaten hin, die bei einer kriegerischen Verwicklung in diesem Gebiet neutral bleiben wollten.

Krauel




Nr. 245
Der Deutsche Gesandte in Teheran an das Auswärtige Amt
Bericht
Teheran, den 4. März 1939

Seit einigen Monaten ist hier eine zunehmende Aktivität der englischen Politik festzustellen, die nicht zum wenigsten gegen Deutschland und unsere Position in Iran gerichtet ist.

Noch vor Jahresfrist war hier von einer nach außen in die Erscheinung tretenden englischen Betätigung auf politischem, wirtschaftlichem oder kulturpolitischem Gebiet nicht viel zu spüren. Auch der aufmerksame Beobachter mußte den Eindruck gewinnen, daß die englische Außenpolitik, die in früheren Jahren gerade in diesem Sektor eine besonders rührige Tätigkeit entfaltet hatte, die weitere Entwicklung der Dinge in dem schnell aufstrebenden Staatswesen zwar aufmerksam verfolgte, sich aber im übrigen starker Zurückhaltung befleißigte. Diese Zurückhaltung erfuhr auch keine sichtbare Änderung, als andere europäische Mächte, in erster Linie Deutschland, anfingen, dem neuen Iran besonderes Interesse zuzuwenden und ihre Beziehungen zu diesem Lande, vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet, zu festigen und auszubauen. So nahm man es auch mit Gleichmut hin, daß Deutschland als Lieferant und als Abnehmer Irans binnen weniger Jahre vom fünften auf den zweiten Platz vorrückte und England, das noch 1936/37 den zweiten Platz behauptet hatte, auf die vierte Stelle verwies. Selbst die Einrichtung einer deutschen Luftverbindung nach dem Nahen Osten, die sich bis hart an die Grenze Indiens, nach Afghanistan, erstreckte und nach dem ursprünglichen Plan unter Berührung wichtiger englischer Interessensphären in Zentralasien bis nach China vorgetrieben werden sollte, begegnete auf englischer Seite anfänglich nur geringem Widerstand. Die Beziehungen zwischen der deutschen und der englischen Vertretung, ebenso wie das Verhältnis zwischen den beiderseitigen Kolonien waren die denkbar herzlichsten und Äußerungen der Sympathie und Bewunderung für das neue Deutschland aus englischen Kreisen nicht selten.

Eine starke Abkühlung brachte dann zunächst die Heimkehr Österreichs ins Reich, die mit offensichtlichem Mißbehagen aufgenommen wurde. Während die Vertretungen anderer Länder ihrer Genugtuung darüber Ausdruck gaben, daß Volk sich wieder zu Volk gefunden hatte und eine ernste Bedrohung des europäischen Friedens ohne Blutvergießen behoben werden konnte, wurde von englischer Seite scharfe Kritik an den Methoden des deutschen Vorgehens geübt [234] und diese in weite Kreise bis in maßgebende Regierungsstellen hineingetragen. Die Lösung des sudetendeutschen Problems, die Feuerprobe der Achse Berlin-Rom und der von aller Welt anerkannte große Erfolg der deutschen Staatskunst als Ergebnis der Münchener Besprechungen löste in den hiesigen englischen Kreisen eine direkt feindselige Stimmung gegen Deutschland aus, die auch bei Gesprächen mit dem Personal der Gesandtschaft, vom Gesandten angefangen, bei aller Korrektheit in der Form, unverhohlen zum Ausdruck kam.

Seither hat sich die antideutsche Stimmung der hiesigen englischen Kreise noch erheblich verstärkt. Die englische Vertretung und Kolonie entwickeln sich zum Herd einer Kriegspsychose, die ihre Fäden weit über das eigentliche Interessengebiet hinaus spinnt. Der gesamte Apparat der üblichen Rüstungshetze, wie er heute in der englischen Presse, im Rundfunk, in öffentlichen Reden der Wortführer der Kriegspartei mit der Frontstellung gegen Deutschland in die Erscheinung tritt, findet in der hiesigen englischen Vertretung und Kolonie sein getreues Spiegelbild... Wenn man in Gesprächen mit Engländern auf das Verwerfliche und Gefährliche dieser Methoden aufmerksam macht, begegnet man ablehnendem Achselzucken oder dem frostigen Hinweis, daß das Wettrüsten der Völker eines Tages zum Kriege führen müsse. Die Herren Eden, Churchill und Duff Cooper sind für diese Leute die eigentlichen Vertreter der englischen Nation und ihre künftigen Führer.

Die Auswirkungen dieser offenkundig gegen Deutschland gerichteten Stimmungsmache für unsere Arbeit und unsere Stellung in Iran sind nicht zu unterschätzen. Wenn es den hier zwar gefürchteten, aber keineswegs beliebten Engländern auch nicht so leicht gelingen wird, unsere günstige Position auf wirtschaftlichem und kulturpolitischem Gebiet ernstlich zu gefährden, so erzielen sie doch mit der Schaffung einer Kriegspsychose in den maßgebenden iranischen Kreisen einen Zustand der Unsicherheit und Besorgnis vor kommenden Dingen, der sich auf die Bereitwilligkeit der Iranischen Regierung, sich mit uns in größere und länger befristete wirtschaftliche oder verkehrspolitische Unternehmungen einzulassen, störend und hemmend auswirken kann.

Auch auf mancherlei anderen Gebieten macht sich neuerdings eine stärkere, gegen uns gerichtete Aktivität der Engländer bemerkbar. So wird heute nicht nur jeder neue Vorstoß der deutschen Wirtschaft in Iran mit Hilfe eines vorzüglich organisierten Nachrichtendienstes bis in alle Einzelheiten verfolgt und bespitzelt, sondern auch, wenn sich die Möglichkeit dazu bietet, sabotiert.

Smend




Nr. 246
Rede des Britischen Staatssekretärs für Krieg Hore-Belisha
im Unterhaus, 8. März 1939

Auszug
(Übersetzung)

Ich bin mir bewußt, daß in diesem Jahr das Haus am meisten die Frage bewegen muß, in welchem Umfange wir vorbereitet sein sollten, um im Falle eines Krieges mit unseren Landstreitkräften auf dem europäischen Kontinent Hilfe leisten zu können. ....

[235] Aus den strategischen Reserven im Vereinigten Königreich wird die Feldarmee aufgebaut, die jetzt sowohl aus regulären wie Territorialtruppen besteht. Die letzteren werden jetzt, wie ich dem Hause berichten kann, zufolge einer kürzlichen Entschließung der Regierung vorbereitet, ausgebildet und ausgerüstet, um im Kriegsfalle auf einem europäischen Kriegsschauplatz in Aktion zu treten. Zuerst möchte ich über die regulären Truppen berichten. Der neue Aufbau der Infanteriedivisionen und der Einheiten, aus denen sie bestehen, ist jetzt in dem Rahmen durchgeführt, wie ich ihn im vorigen Jahre umrissen habe. Alle Wehrdienstzweige wurden neu aufgebaut. Die Tabellen über dem Krieg dienende Einrichtungen und Ausrüstungen sind so aufgestellt und herausgegeben worden, daß sie eine rasche Mobilisierung gewährleisten. Es ist eine gewaltige Aufgabe gewesen, der sich die Armee mit dieser gründlichen Überholung unterzogen hat, und es ist mir von Seiten des Generalstabs gesagt worden, daß die Änderungen, die hier in einem Jahr durchgeführt worden sind, in normalen Zeiten viele Jahre in Anspruch genommen haben würden. ....

Es scheint mir zweckmäßig, Angaben über den Umfang der Streitkräfte der Feldarmee zu machen. Ihre Gesamtheit oder ein Teil derselben wird natürlich eingesetzt werden, je nachdem es die Zukunft erfordern sollte. Die Größe des Apparats, den wir aufzubauen im Begriffe sind, ergibt sich wie folgt: Reguläre Armee: 4 Infanteriedivisionen und 2 Panzerdivisionen; Territorialarmee: 9 Infanteriedivisionen, 3 motorisierte Divisionen und 1 Panzerdivision. Außerdem haben wir 2 Territorial-Kavallerie-Brigaden und eine Anzahl von nicht in Brigaden eingeteilten Einheiten. Insgesamt machen die regulären und Territorialtruppen mehr als 19 Divisionen aus. Herr Haldane hatte eine Feldarmee von nur 6 regulären Divisionen und l Kavalleriedivision vorgesehen. Er hatte die Territorialtruppen nicht für einen europäischen Krieg ausgerüstet. Unsere Territorialarmee wird aber die entsprechende Ausrüstung haben. ...

Ich spreche hier lediglich von der Feldarmee, die aus unseren eigenen strategischen Reserven im Lande gebildet worden ist. Herrn Haldane war die Aufstellung seiner Feldarmee nur dadurch möglich, daß er Truppen der Heimatverteidigung der Territorialarmee übertrug. Wir hingegen haben diese Heimatverteidigung einer neuen Armee übertragen, die ich Luftabwehr- und Küstenverteidigungsarmee genannt habe und die 7 Divisionen umfassen wird. Sie soll Einfälle von der See her oder aus der Luft abwehren. Andere Einheiten in der Heimat, und zwar reguläre und Hilfstruppen, sollen der Bevölkerung für den Fall von Luftangriffen Beistand leisten. ...

Mein sehr ehrenwerter Freund der Premierminister hat am 13. Dezember 1938149 eine Erklärung abgegeben und am 11. Februar dieses Jahres150 bekräftigt, die keinen Zweifel über die Haltung aufkommen läßt, die Großbritannien in gewissen Eventualfällen einnehmen würde. Bei der letzteren Gelegenheit sagte er: "er fühle sich verpflichtet klarzustellen, daß die Solidarität der Interessen, durch die Frankreich und dieses Land verbunden seien, von der Art sei, daß jede Bedrohung der Lebensinteressen Frankreichs, von welcher [236] Seite sie auch kommen möge, den sofortigen Beistand unseres Landes nach sich ziehen müsse". ...

Diese Erklärung über die Gemeinsamkeit unserer Interessen mit Frankreich ist von größerer Bedeutung als jedwede frühere Erklärung. Sie legt uns die Verpflichtung auf, Pläne und Vorbereitungen für die Verwendung unserer Feldstreitkräfte in gewissen Fällen auszuarbeiten. Besprechungen zwischen uns und Frankreich haben uns in dieser Hinsicht zwar nicht gebunden, aber wenn man vorsichtig ist, muß man für alle Möglichkeiten gewappnet sein. Sollten wir in einen Krieg verwickelt werden, so wird unser Beitrag und die Art und Weise, wie wir ihn am besten leisten können, weder mit halbem Herzen noch unter Zugrundelegung irgendeiner Theorie der beschränkten Haftung gegeben werden. ...




Nr. 247
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswärtige Amt
Bericht
London, den 18. März 1939

Bei meinem heutigen Protest gegen Beschimpfung des Führers durch den Abgeordneten Duff Cooper habe ich Lord Halifax gegenüber folgendes ausgeführt:

Ich hätte wiederholt über schwere Verunglimpfungen des Führers Klage führen müssen; diese Beleidigungen seien in der Presse ausgesprochen gewesen, und man habe mir daraufhin geantwortet, daß die Britische Regierung diese Ausfälle zwar bedauert und in Aussicht gestellt habe, ihren Einfluß auf die Presse geltend machen zu wollen; da dieser Einfluß aber beschränkt sei und die gesetzlichen Handhaben zum Vorgehen gegen die Presseorgane fehlten, sei eine wirksame Abstellung nicht möglich. Ich wolle daher auf verschiedene schwere Beleidigungen des Führers, die in den letzten Tagen in der Presse wiedergegeben seien, nur hinweisen.

Bei Duff Cooper aber liege dieser Fall anders. Hier habe ein englischer Abgeordneter in einer Sitzung des Unterhauses den Führer in gemeinster Weise beschimpft, ohne daß der Speaker eingeschritten sei und ohne daß ein Mitglied der Regierung diese Sprache zurückgewiesen hätte. Es sei mir bekannt, daß das Unterhaus keine Geschäftsordnung wie andere Parlamente habe, sondern nach Gewohnheitsrecht geleitet werde. Ich müsse aber darauf hinweisen, daß laut einer Zeitungsnotiz das bekannte staatsrechtliche Werk von Erskine May es als üblich bezeichne, daß abfällige Bemerkungen über fremde Staatsoberhäupter nicht ausgesprochen werden sollten.

Lord Halifax erwiderte darauf, was den Abgeordneten Cooper angehe, so sei dieser vom Führer ebenfalls angegriffen und als Kriegstreiber bezeichnet worden. Es sei daher wohl verständlich, daß eine Reaktion seitens des Angegriffenen erfolge. Für die Mitglieder der Regierung sei es nach den geltenden Gepflogenheiten nicht möglich gewesen, einzugreifen und derartige Angriffe zurückzuweisen; der Speaker sei autonom in seinen Befugnissen und könne keine Weisungen hinsichtlich seiner Geschäftsführung erhalten.

[237] Ich fragte hierauf Halifax, ob die Britische Regierung jetzt auf dem Standpunkt stehe, daß fremde Staatsoberhäupter gewissermaßen vogelfrei seien.

Der Außenminister erwiderte, das habe er damit nicht sagen wollen.

Ich wies Lord Halifax darauf hin, daß eine Gleichstellung des Führers mit Duff Cooper wegen ihrer durchaus verschiedenen Stellungen nicht möglich sei. Außerdem habe der Führer Duff Cooper niemals beschimpft, sondern ihm nur den zutreffenden Vorwurf gemacht, daß die von Cooper befolgte Politik zum Kriege führen müsse. Da Cooper das Kabinett mit der Begründung verlassen habe, daß er die friedenserhaltende Politik Chamberlains nicht mitmachen könne, so hätten die Angriffe des Führers nur eine Darstellung eines vorhandenen Tatbestandes enthalten.

Ich gab meinem Befremden darüber Ausdruck, daß Lord Halifax nicht in der Lage sei, mir eine befriedigende Erklärung abzugeben; gerade England könne sich über unsere Haltung gegenüber der Hereinziehung des Staatsoberhauptes in die Tagespresse nicht beklagen. Dies ergebe sich aus der Diskretion unserer Presse während der Abdankung des früheren Königs. Nicht einmal die leitenden Staatsmänner der jetzigen oder einer vorherigen Regierung seien von amtlichen Persönlichkeiten angegriffen oder gar beschimpft worden.

Lord Halifax mußte dies zugeben. Er erklärte, daß er dem Premierminister Bericht erstatten werde.

Ich erwiderte, daß ich meiner Regierung ebenfalls einen Bericht über den Verlauf der Unterredung erstatten würde.

von Dirksen




Nr. 248
Erklärung des Britischen Premierministers Chamberlain
im Unterhaus, 29. März 1939

Auszug
(Übersetzung)

.... Das Haus wird sich erinnern, daß ich in einer kürzlichen Erklärung angekündigt habe, daß jede Seite unseres nationalen Lebens einschließlich des nationalen Verteidigungsprogramms überprüft werden würde. In Verfolg dieser Überprüfung hat die Regierung Seiner Majestät den Eindruck gewonnen, daß das Bedürfnis vorhanden ist, noch umfassender von dem Willen zum freiwilligen Dienst Gebrauch zu machen, der sich im ganzen Land bekundet; insbesondere glaubt sie nicht gestatten zu können, daß diejenigen, die als Rekruten in die Territorialarmee eintreten möchten, zurückgewiesen werden, weil die Einheiten, an die sie sich wenden, schon einen Bestand über ihre Sollstärke hinaus haben. Sie hat infolgedessen die Lage geprüft und ist zu den folgenden Beschlüssen gekommen:

    I. Die territoriale Feldarmee, die jetzt eine Friedensstärke von 130.000 Mann hat, wird sofort auf Kriegsstärke gebracht, was einen Zuwachs von etwa 40.000 Mann gegenüber der vorgenannten Zahl bedeutet.

    II. Die so auf Kriegsstärke gebrachte territoriale Feldarmee wird verdoppelt und wird so eine Stärke von 340.000 Mann aufweisen. .....

[238] Mr. Bellenger: "Wird diese Vermehrung irgendeine Änderung in den Plänen bringen, die kürzlich von dem Staatssekretär für Krieg hinsichtlich der Anzahl der Divisionen umrissen worden sind,151 die erforderlichenfalls als überseeische Streitkräfte in Bereitschaft zu halten sind?"

Der Premierminister: "Die von mir gemachte Ankündigung bringt es mit sich, daß eine doppelte Anzahl von Divisionen rechtzeitig zur Verfügung stehen wird."




Nr. 249
Der Deutsche Geschäftsträger in London an das Auswärtige Amt
Bericht
London, den 6. April 1939

Anläßlich einer Filmvorführung an Bord des britischen Flugzeugmutterschiffes "Ark Royal" am Abend des 4. April d. J. sagte der Erste Lord der Admiralität, Earl Stanhope, auf eine Reihe leerer Sitze hinweisend: "Kurz bevor ich die Admiralität verließ, war es nötig, Befehle zu geben, die Luftabwehrgeschütze der Kriegsmarine zu bemannen, und dies erklärt die leeren Sitze." Späterhin erklärte Lord Stanhope einem Berichterstatter, daß die Flotte alle Vorkehrungen treffe und stets bereit sei.

Auf Veranlassung der Admiralität wurde eine sogenannte "D"-Notiz ausgegeben, die besagte, daß es nicht im nationalen Interesse wäre, wenn die Rede Lord Stanhopes veröffentlicht würde. Die Rede Lord Stanhopes wurde dann nur von einem Teil der Morgenpresse in sensationeller Aufmachung gebracht. Times und Daily Telegraph enthielten sich jeder Bezugnahme.

Die Bemerkungen des Ersten Lords der Admiralität haben sowohl im Unterhaus als auch in den Redaktionen starkes Aufsehen hervorgerufen. Lord Stanhope soll angeblich dem Premierminister seinen Rücktritt angeboten haben, der jedoch nicht angenommen worden sei.

In der Unterhaussitzung vom 5. d. M. fragte daraufhin der Stellvertretende Führer der Opposition, Abgeordneter Greenwood, den Premierminister, ob er eine Erklärung zu dem offiziellen Ersuchen der Regierung abgeben könne, die Presse möge die von Lord Stanhope in seiner Rede erwähnten Anweisungen der Admiralität nicht veröffentlichen.

Der Premierminister wies darauf hin, daß die Rede anläßlich einer Zusammenkunft wegen der Organisation von Filmvorführungen auf Kriegsschiffen gehalten worden sei. Lord Stanhope habe unvorbereitet (unpremeditated) gesprochen. Er habe darauf hingewiesen, daß die Teilnehmer an der Veranstaltung nicht vollzählig wären, da eine Reihe von ihnen an Bord ihrer eigenen Schiffe zurückgehalten worden seien. Sie lägen in Bereitschaft, die Geschütze zu bemannen, was in Spannungszeiten eine Normalmaßnahme sei. Die Admiralität habe keine anderen Befehle ausgegeben, als daß diese Übung auch selbst bei einer so besonderen Gelegenheit nicht geändert werden solle.

Der Premierminister fügte hinzu, daß er die Presse habe bitten lassen, die Rede des Ersten Lords der Admiralität nicht zu veröffentlichen oder, wenn es geschehe, ihr keine besondere Bedeutung zuzuschreiben. Seine Bemühungen, dem Publikum eine unnütze Aufregung zu ersparen, seien erfolglos gewesen. Doch habe der Vorfall die stete Bereitschaft der Flotte bewiesen. Lord Stan- [239] hope habe ihm gegenüber sein Bedauern zum Ausdruck gebracht, daß seine Worte, die sicherlich nicht glücklich gewählt worden wären, so stark kommentiert worden seien. Er, der Premierminister, glaube jedoch nicht, daß ein Vorfall dieser Art die Eignung Lord Stanhopes als Leiter der Admiralität berühre.

Mit dieser Erklärung hat der Zwischenfall zunächst seine Erledigung gefunden.

Die Verordnung der Admiralität laßt sich nur mit der Unmenge der hier kürzlich kursierenden Gerüchte und Sensationsmeldungen und der hierdurch ausgelösten Übernervosität erklären. Erstaunlich ist jedoch, daß solche Bemerkungen aus dem Munde des Ersten Lords der Admiralität fallen können, fraglos eine "Gaffe" erster Güte. Es ist nicht zum ersten Mal, daß Stanhope durch Unbedachtsamkeit eine unbequeme Sensation heraufbeschwört.

Die Linkspresse hat den Zwischenfall aufgegriffen, vor allem, um gegen die Institution der sogenannten "D"-Notizen vorzugehen. Nach vorherrschender Auffassung kann ein Schriftleiter, der eine solche "D"-Notiz unbeachtet läßt, unter Umständen nach dem "Official Secrets Act" belangt werden. Nachdem nunmehr die Admiralität eine eigene Rede ihres Chefs, die dieser selber freigegeben hatte, unterdrückt hat, wird in der Presse gefordert, daß "D"-Notizen nicht mehr als offizielle Verbote angesehen werden sollen.

Im Auftrag
von Selzam




Nr. 250
Erklärung des Britischen Premierministers Chamberlain
im Unterhaus, 20. April 1939
(Übersetzung)

Mr. White richtete an den Premierminister die Frage, ob er jetzt in der Lage sei, irgendwelche weiteren Erklärungen über die Politik der Regierung Seiner Majestät in bezug auf ein Versorgungsministerium abzugeben.

Der Premierminister: Die Regierung Seiner Majestät hat beschlossen, baldmöglichst eine Gesetzesvorlage zur Errichtung eines Versorgungsministeriums unter einem Minister einzubringen, der Mitglied des Kabinetts sein wird. Die Gesetzesvorlage, die bezweckt, diesem Beschluß Geltung zu verschaffen, wird so formuliert sein, daß sie die Errichtung eines Versorgungsministeriums im vollsten Sinne des Wortes ermöglicht. Vorläufig wird aber das Arbeitsgebiet des neuen Ministeriums durch Verwaltungsanordnung auf folgende Angelegenheiten beschränkt werden:

    "(l) Es wird die auf den Heeresbedarf bezüglichen Aufgaben behandeln, die durch die kürzlich getroffenen Entscheidungen über die Erhöhung der Heeresstärke erheblich erweitert worden sind.

    (2) Das Ministerium wird die Verantwortung für gewisse, allgemeinen Verbrauchszwecken dienende Vorräte übernehmen, mit denen das Kriegsministerium heute schon andere Regierungsabteilungen beliefert, einschließlich gewisser der zivilen Verteidigung dienender Bedürfnisse. Es ist beabsichtigt, dieses System im Rahmen des Notwendigen fortschreitend zu erweitern.

    [240] (3) Das neue Ministerium wird auch die Verantwortung für den Erwerb und die Aufrechterhaltung von Reserven an wesentlichen Metallen und anderen Rohstoffen, die in Verbindung mit dem Verteidigungsprogramm benötigt werden, übernehmen."

Zu den Abteilungen, die vom Kriegsministerium auf das neue Ministerium übergehen, gehören die Abteilung für Forschungen, Entwürfe und Versuche, die Abteilung für Produktion und Abnahme sowie die königlichen Waffenfabriken.

Die dem Parlament zu unterbreitende Vorlage wird unter anderem Bestimmungen enthalten, die bezwecken, Regierungsaufträgen den Vorrang zu sichern.

Es wird vorgeschlagen, einen ministeriellen Prioritäts-Ausschuß zu bestellen in der Art des Ausschusses, der gegen Ende des Weltkrieges die Aufgabe hatte, Prioritätsfragen, die sich aus den Anforderungen der verschiedenen Wehrdienstzweige ergaben, zu regeln.

Mit Zustimmung des Königs bin ich in der Lage zu verkünden, daß der mit der Leitung des neuen Ministeriums beauftragte Minister, mein sehr ehrenwerter Freund, der gegenwärtige Verkehrsminister ist.




Nr. 251
Aufzeichnung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
Berlin, den 26. April 1939

Der Britische Botschafter hat mir bei Mitteilung der zu heute bevorstehenden Chamberlain-Erklärung im Unterhaus über die Einführung der Dienstpflicht in England das beiliegende Aide-Mémoire hinterlassen.

Weizsäcker


Anlage

Aide-Mémoire

(Übersetzung)

An den Premierminister wird am 26. April im Unterhause die Frage gerichtet werden, ob er irgendeine weitere Erklärung abzugeben habe über die Absichten der Regierung Seiner Majestät im Vereinigten Königreich, die gewährleisten sollen, daß Großbritannien in einem Zustand der Bereitschaft und in einer Verfassung erhalten wird, daß es den kürzlich angekündigten neuen Verpflichtungen nachkommen kann.

In Beantwortung dieser Anfrage wird der Premierminister erklären, daß die Regierung Seiner Majestät Anordnungen zur Einberufung zum Militärdienst von Angehörigen der Flotten-, Heeres- und Luftwaffenreserven und zur Einberufung der Territorialarmee erwogen habe. Dies ist eine Angelegenheit, die schon seit einiger Zeit Gegenstand von Erwägungen gewesen ist. Die gegenwärtigen Anordnungen stützen sich auf gesetzliche Bestimmungen, die seit vielen Jahren in Kraft sind und den modernen Erfordernissen nicht entsprechen.

Infolgedessen ist beschlossen worden, eine Vorlage zur Vereinfachung des Verfahrens zur Einberufung dieser Reserven und Hilfsstreitkräfte einzubringen, [241] um das gegenwärtige umständliche Verfahren zu vermeiden. Es gehört mit zu diesem Verfahren, daß Bekanntmachungen erlassen werden müssen, in denen erklärt wird, daß ein Notzustand besteht. Es erscheint ganz offensichtlich wünschenswert, wenn möglich eine Störung des öffentlichen Vertrauens in Großbritannien und anderwärts zu vermeiden, die sich notwendigerweise aus einer solchen Erklärung ergibt. Das jetzt vorgeschlagene Verfahren wird die von Seiner Majestät Regierung getroffenen Vorkehrungen mit denjenigen in Übereinstimmung bringen, die in europäischen Ländern allgemein in Kraft sind.

Der Premierminister wird weiter die Absicht zur Einbringung einer zweiten Vorlage verkünden, die Maßnahmen zwangsweiser militärischer Ausbildung vorsieht. Der Beschluß zur Einbringung dieser Vorlage ist hauptsächlich auf einen Wandel in der öffentlichen Meinung zurückzuführen, der sich seit schon erheblicher Zeit stetig entwickelt hat. Es ist in weiten Kreisen der Auffassung Ausdruck gegeben worden, daß ein allgemeineres System der Ausbildung als das bei der Territorialarmee bestehende an sich wünschenswert erscheine. Die Vorlage wird die Einberufung von Männern im Alter von 20 bis 21 Jahren für eine Ausbildungszeit vorsehen, an die sich eine Dienstzeit bei den Territorial-Streitkräften oder bei der Ersatzreserve anschließt. Es ist beabsichtigt, daß die Ermächtigung zur Einberufung dieser Männer sich nicht über die nächsten drei Jahre hinaus erstrecken soll, es sei denn, daß beim Ablauf dieser Zeitspanne (nachdem selbstverständlich Erfahrungen über die Wirksamkeit des Plans gewonnen sein werden) das Parlament anderweitig entscheiden sollte.

Bei der Darlegung der Gründe für die Einbringung dieser Vorlage wird die Erklärung im Namen der Regierung Seiner Majestät sich selbstverständlich auf die neuen Verpflichtungen beziehen, die Großbritannien vor kurzem in Europa eingegangen ist. Es wird darauf hingewiesen werden, daß der Zweck der Versicherungen, die wir gewissen Ländern gegeben haben, wie auch der jetzt mit anderen Regierungen vor sich gehenden Besprechungen nicht ist, Krieg zu führen, sondern einen Krieg zu verhindern. Es herrscht das Empfinden, daß die Fähigkeit der Regierung Seiner Majestät, ihre Rolle in der Welt zu spielen, eine Schwächung erfährt, solange die Regierung die Verteidigung gänzlich einem Freiwilligensystem überläßt, um so mehr, als die Wehrpflicht auf dem Kontinent die allgemeine Regel ist.

Andererseits wird mit der Einführung dieser Maßnahme nicht eine allgemeine Abweichung von dem Freiwilligensystem bezweckt, das sich so gut bewährt hat. Der Grundsatz der Freiwilligkeit wird auch weiterhin bei der Rekrutierung für die Flotte, das reguläre Heer, die Luftwaffe und die Territorialstreitkräfte, wie auch für den nationalen Dienst Anwendung finden.

Britische Botschaft, Berlin, 26. April 1939




Nr. 252
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswärtige Amt
Bericht
London, den 10. Juli 1939

Die Hetz-Kampagne wegen eines angeblich geplanten deutschen Handstreichs gegen Danzig ist nach einigen Tagen an ihrer Verlogenheit zusammengebrochen.

Damit wäre an sich dieses neue Kapitel der Bemühungen unserer Feinde, Deutschland in einen Weltkrieg zu verwickeln, abgeschlossen. Aber diese [242] wenigen Tage haben eine stimmungsmäßige Lage der englischen Öffentlichkeit enthüllt, die ernste Aufmerksamkeit verdient.

Durch eine Reihe von verschiedenen Faktoren: durch die gegen Deutschland gerichtete Einkreisungsaktion der Regierung, durch die Aufrüstungspropaganda, die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, die Luftschutzorganisation, vor allem durch die Flut antideutscher Propaganda in Presse, Kino, Theater und Rundfunk, ist die für emotionelle Reaktionen empfängliche öffentliche Meinung Englands in einen Geisteszustand versetzt worden, der den Begriff "Krieg" zum Mittelpunkt des Denkens und der Gespräche macht. Schattierungen bestehen nur in der Beantwortung der Frage: Ist der Krieg unvermeidlich oder nicht? Die Mehrzahl der Durchschnittsengländer bejaht diese Frage gefühlsmäßig; eine nachdenklichere Minderheit verneint sie in der Erkenntnis, daß im Rahmen der deutsch-englischen Beziehungen alle vorhandenen Streitfragen bei gutem Willen lösbar sein müßten und daß auch ein siegreicher Krieg niemanden Vorteile bringen würde. Aber auch diese an sich vernünftigen Kreise werden beeinflußt durch die Kenntnis der von der britischen Wehrmacht getroffenen Maßnahmen: Bereitschaft der Flotte für Ende Juli, Ausrichtung der militärischen Ausbildung und organisatorischer Maßnahmen für denselben Termin. In derselben Richtung wirken Pressemeldungen, daß deutscherseits militärische Maßnahmen für den August in Aussicht genommen seien. Jedenfalls wird auch in den verantwortlichen und nachdenklichen Kreisen der August als eine Krisenzeit erster Ordnung angesehen.

Die Stellungnahme zu dem Gedankenkomplex "Krieg" ist verschieden. Ein kleiner Teil der englischen Öffentlichkeit reagiert mit einer hysterisch anmutenden Sinnesart; diese Leute glauben jede Schauernachricht; sie rufen nach polnischer und russischer Hilfe und schwächen die taktische Position der Regierung in den Verhandlungen mit Rußland. Die Mehrheit aber nimmt eine männlichere Haltung ein und denkt: Wenn nun einmal der Krieg unvermeidlich ist, wollen wir ihn mit Entschlossenheit führen; je eher desto besser, damit wir die Sache hinter uns haben und ruhigere Verhältnisse eintreten. Die Pressemeldungen aus Deutschland, daß der Führer nach Berchtesgaden zurückgekehrt sei, daß der Herr Reichsaußenminister und Generaloberst von Brauchitsch ihren Urlaub angetreten hätten und daß die Urlaubszeit eingesetzt habe, haben die herrschende erregte Stimmung nicht wesentlich zu beruhigen vermocht.

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Gegnerschaft gegen Deutschland im Zunehmen begriffen ist; daß die Kampfbereitschaft sich gehärtet hat; daß das Gefühl zugenommen hat: wir dürfen uns nichts mehr gefallen lassen, unsere Ehre ist im Spiel; wir müssen kämpfen; die Regierung darf nicht nachgeben.

Der maßgebende Unterschied zwischen der englischen Stimmung im Herbst 1938 und jetzt ist der folgende: damals wollte die große Masse nicht kämpfen und war passiv; jetzt hat sie der Regierung gegenüber die Initiative übernommen und treibt das Kabinett vorwärts. So unbegründet und gefährlich diese Einstellung der englischen Öffentlichkeit ist, so sehr muß sie als eine ernste Realität gewertet werden, um so mehr in einem Lande, in dem die öffentliche Meinung eine so ausschlaggebende Rolle spielt, wie in England.

von Dirksen



[243]
Nr. 253
Der Deutsche Botschafter in London an das Auswärtige Amt
Telegramm
London, den 24. Juli 1939

Nachdem Sunday Times auf den dem Staatsrat Wohlthat angeblich vorgelegenen Plan hingewiesen hatte, bringen heutige Morgenblätter außer Times in größter Aufmachung angebliche Erklärungen von Hudson über seine Besprechungen mit Wohlthat.

Die bisher vorliegenden Informationen über Aktionen Hudson lassen darauf schließen, daß Gegner jeder Verständigung mit Deutschland Gelegenheit gekommen sahen, um durch Verbreitung phantastischer Ideen jede Möglichkeit einer Entwicklung konstruktiver Tendenz im Keime zu ersticken. Der von geradezu krankhaftem Geltungsbedürfnis geleitete Hudson hat dann durch seine Schwatzhaftigkeit kriegshetzerischen Korrespondenten und ihren Hintermännern (gewissen Persönlichkeiten im Foreign Office, Winston Churchill und seinem Sohn Randolph) Gelegenheit gegeben, Tendenzmeldungen in die Welt zu setzen.

Dirksen




Nr. 254
Rede des Britischen Staatssekretärs für Inneres Sir Samuel Hoare
im Unterhaus, 28. Juli 1939

Auszug
(Übersetzung)

..... Was wir zu tun versuchen ist, in Friedenszeiten britische Kultur im Auslande zu verbreiten und daselbst die britische Politik zu erläutern. Zweitens versuchen wir, in Friedenszeiten ein Schatten-Informationsministerium zu organisieren, das in Friedenszeiten nicht in Betrieb ist oder eine Tätigkeit auszuüben hat, das aber für den Fall eines Krieges sowohl für das Inland als auch für die überseeischen Gebiete die Informationszentrale sein würde. Die ehrenwerten Mitglieder des Hauses werden erkennen, daß diese beiden Ziele - die Tätigkeit des Außenamts in Friedenszeiten und die Tätigkeit des Informationsministeriums in Kriegszeiten - eng miteinander verbunden sind. Für jede Planung ist es wichtig, daß der Übergang von den friedensmäßigen Umständen auf die kriegsmäßigen so glatt und wirkungsvoll wie möglich vor sich geht. Für den Fall eines Krieges würde meines Erachtens das Informationsministerium zum Zentrum der Information werden und die Tätigkeit des Außenamts auf diesem Gebiet übernehmen. Unter solchen Umständen ist es wesentlich, daß in Friedenszeiten eine möglichst enge Verbindung zwischen den beiden Tätigkeiten besteht. Deshalb haben wir denselben Beamten dazu bestimmt, in Friedenszeiten als Sekretär und leitender Beamter in der Propagandaabteilung und in Kriegszeiten als Generalsekretär des Informationsministeriums tätig zu sein.

Weiterhin glaube ich, daß die ehrenwerten Mitglieder des Hauses erkennen werden, daß es, obgleich diese enge Verbundenheit zwischen den beiden Tätigkeiten besteht, trotzdem zwei scharfe Unterschiede zwischen der Tätigkeit des Außenamts in Friedenszeiten und der Tätigkeit des Schatten-Informationsministeriums in Kriegszeiten gibt. Der erste große Unterschied besteht darin, daß das Außenamt in Wirklichkeit jetzt in Friedenszeiten tätig ist, während [244] überhaupt keine Absicht besteht, das Informationsministerium in Friedenszeiten tätig sein zu lassen. ....

Der zweite Unterschied zwischen diesen friedensmäßigen und kriegsmäßigen Tätigkeiten besteht darin, daß die friedensmäßige Tätigkeit in der Hauptsache für die Auslandsfront bestimmt ist; sie befaßt sich überhaupt nicht mit der Heimatfront, während, wenn man die während des Weltkrieges gemachten Erfahrungen heranzieht, der größere Teil der Tätigkeit des damaligen Informationsministeriums sich an der Heimatsfront abspielte. Da in Friedenszeiten die ausschließliche Tätigkeit eines Informationsministeriums an der Auslandsfront vor sich geht, ist es offensichtlich, daß der Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten der für solche Tätigkeit ausschließlich verantwortliche Minister sein muß. ...

Gestatten Sie mir, nach diesen allgemeinen Bemerkungen zur eigentlichen Vorlage überzugeben. Ich will damit beginnen, daß ich wiederhole, welches unsere Ziele sind. Sie bestehen darin, britische Kultur im Auslande zu verbreiten und den britischen Standpunkt dem Auslande zu erläutern. Angesichts der massenweisen Verdrehung von Tatsachen, mit denen die Welt überschwemmt worden ist, sind beide Notwendigkeiten höchst dringlicher Art. Ich wünschte, daß für irgendwelche amtliche Propaganda nirgends in der Welt eine Notwendigkeit bestanden hätte. Ich erwarte immer noch, lange genug zu leben, um das Ende dieses fragwürdigen Überbleibsels der Kriegsjahre zu erleben; so lange aber noch gewissenlose Behauptungen über unsere Politik und unseren allgemeinen Standpunkt verbreitet werden, ist es leider unvermeidlich, daß wir eine Organisation haben, die in der Lage ist, ihnen erfolgreich entgegenzutreten. Es ist auch wichtig, wie es mir scheint, der Welt das zu erklären, was meines Erachtens der größte Versuch auf dem Gebiete der verfassungsrechtlichen Entwicklung ist, den die Welt je erlebt hat, nämlich den britischen Staatenbund freier Nationen.

Schließlich ist es auch notwendig, der Welt ein zutreffendes Bild über die Leistungen zu geben, die wir heute tatsächlich vollbringen. Ich behaupte, daß es eine höchst bemerkenswerte Tatsache ist, daß wir hier in letzter Zeit, als Ergebnis einer die ganze Nation umfassenden Anstrengung, Schritt für Schritt mit unserem großen Wiederaufrüstungsprogramm vorgegangen sind, gleichzeitig aber unseren sozialen Fortschritt nicht vernachlässigt haben; noch haben wir - abgesehen von dem höchst seltenen Fall des Terroristen-Notstands - auf irgendeine unserer persönlichen Freiheiten zu verzichten brauchen. Das bedeutet eine wundervolle Leistung. Es ist eine Leistung, die wir der Welt bestimmt, leidenschaftslos und ohne Übertreibung schildern müssen. Dies sind unsere Ziele, und ich bitte den Ausschuß, die genauen Einzelheiten der Arbeit, die getan wird, um diese Ziele zu erreichen, einer Prüfung zu unterziehen.

Ich beginne mit dem Auswärtigen Amt. Der erste Betrag, um dessen Bewilligung wir heute ersuchen, ist ein solcher von £ 10.000 zur Erweiterung des Personals der Propagandaabteilung des Außenamtes. Das ist ein Erfordernis, dessen Erfüllung von größter Wichtigkeit ist. Die Propagandaabteilung des Außenamtes ist in den letzten Monaten stark überarbeitet gewesen. Ich weiß, daß an ihr von Zeit zu Zeit Kritik geübt worden ist, und ich möchte diese Gelegenheit benutzen, der von dieser Abteilung in der Vergangenheit mit einem ungenügenden Personal und unter größten Schwierigkeiten geleisteten Arbeit meine Anerkennung zu zollen. Diese Personalvermehrung wird es ermöglichen, die Tätigkeit der Abteilung zu erweitern und zu verbessern. Ferner ist ein Betrag von £ 100.000 vorgesehen für publizistische Tätigkeit verschiedener Art: Vorbereitung von Druckschriften, Filmen, Organisation von Auslands- [245] besuchen in unserem Lande und von britischen Besuchen im Auslande, die beide für eine Erweiterung der Kenntnis des britischen Standpunktes von großer Wichtigkeit sind, und Vorbereitung von Ausstellungen. Ebenso werden Vorbereitungen für die Tätigkeit von Rednern und für erweiterte Rundfunksendung getroffen.

Weiter ist dann ein Betrag von £ 150.000 für den "British Council" vorgesehen. Jedes ehrenwerte Mitglied des Hauses wird den Wert der vom "British Council" geleisteten Arbeit zu schätzen wissen, dessen rühriger und energischer Vorsitzender während der letzten 12 oder 18 Monate Lord Lloyd gewesen ist. Der "British Council" ist in der Tat derart erfolgreich gewesen, daß seine Tätigkeit erweitert werden muß. Der Zweck aller dieser Tätigkeiten ist, wie ich bereits sagte, dem Ausland ein Bild von unserem Lande zu geben, das verständlich, überzeugend und endgültig ist, damit die Welt erfährt, daß es einen besonderen britischen Standpunkt gibt, der der ganzen Welt erklärt werden muß.

Schließlich möchte ich mich den Bewilligungen für das Informationsministerium zuwenden und dem Ausschuß mit ein oder zwei Sätzen erklären, warum wir heute schon Geld für eine Organisation benötigen, die nur in Kriegszeiten in Tätigkeit treten wird. Zunächst einmal benötigen wir Personal zur Vorbereitung dieses Ministeriums. Ich möchte die ehrenwerten Mitglieder des Hauses bitten, einmal die Geschichte des Informationsministeriums im Weltkriege zu überblicken; Sie werden sich dann entsinnen, daß es sich zu einer großen, umfassenden Organisation entwickelte, das ein weites Tätigkeitsgebiet hatte und mit Aufgaben der verschiedensten Art beschäftigt war. Für mich ist es offensichtlich, daß im Falle eines größeren Krieges eine Organisation ganz ähnlicher Art erforderlich sein würde, eine Organisation mit großem Arbeitsgebiet und mit zahlreichem, nach jeder Richtung hin genügendem Personal. Wenn das zutrifft, dann liegt es auf der Hand, daß ein Ministerium in Kriegszeiten eine ganz erhebliche und äußerst sorgfältige Vorbereitung erfordert; und deshalb haben wir in den letzten Monaten eine Anzahl Beamter ausschließlich mit der Vorbereitung dieser Arbeiten beschäftigt. Wir werden sogar noch weitere Beamten benötigen, bis unsere Pläne fertiggestellt sind. Diese Beamten sind voll beschäftigte Beamte, die uns von anderen Ministerien für diese Arbeiten überlassen wurden.

Zweitens ist es von größter Wichtigkeit, daß wir zahlreiche Verbindungen mit anderen Kreisen herstellen, um sicherzustellen, daß wir, wenn der Notfall eintreten sollte, in der Lage sind, uns die Hilfe von Männern und Frauen der verschiedensten Auffassungen zu sichern, darunter Propagandisten verschiedener Art, mit deren Hilfe wir das Informationsministerium schaffen könnten, wie es sowohl für die Außen- als auch für die Heimatfront benötigt werden würde. Während der letzten Monate haben wir zahlreiche Verbindungen mit anderen Kreisen hergestellt und auch eine Anzahl Sachverständiger zur Anstellung besonderer Erhebungen verpflichtet. So haben wir beispielsweise eine Anzahl Sachverständiger, welche die notwendigen, eingehenden Vorbereitungen für die Herstellung von Beziehungen mit ausländischen Kreisen treffen, und, was die Heimatfront anbetrifft, haben wir die Fühlungnahme mit den Vertretern der hauptsächlichen Publikationsmittel, beispielsweise mit der Presse, aufgenommen. Ich selbst habe in ständiger Fühlung mit Vertretern der Presse gestanden, und diese haben aus eigener Anregung eine Verbindungsstelle geschaffen, die mit mir und anderen Ministerien über eine Anzahl technischer Fragen, beispielsweise über Zeitungspapier im Kriege, über Vertrieb und über Arbeiterfragen, verhandelt hat. Ich glaube berechtigt zu sein, [246] den ehrenwerten Mitgliedern des Hauses mitzuteilen, daß wir bei unseren Besprechungen große Fortschritte erzielt haben, und wir haben nunmehr, allgemein gesprochen, eine Grundlage für ein Übereinkommen erzielt, so daß, falls der Notfall eintreten sollte, die Organisation auf dem Gebiet in der Lage sein würde, schnell und wirksam zu arbeiten.

Sir Richard Acland: Die Anwendung des Ausdrucks "Notfall" wird bei dieser Debatte von dem Minister in der Bedeutung "Krieg" angewandt. Es wäre aber auch ein Unterschied zwischen einem Notfall in Friedenszeiten und dem Kriege.

Sir S. Hoare: Ich meine den tatsächlichen Krieg. Es handelt sich um eine Kriegsorganisation, die als eine formelle Behörde durch Kriegsgesetzgebung errichtet werden muß, die wahrscheinlich in den ersten Tagen eines Krieges angenommen werden würde.

Ich komme auf die Frage der Schaffung von Beziehungen zurück. Ich habe als Beispiel die Presse erwähnt. Mit den Vertretern der Presse habe ich eine Reihe von Besprechungen über die wichtige Frage der Pressezensur in Kriegszeiten gehabt und den Standpunkt vertreten, daß wir bei allen diesen Vorbereitungen die Erfahrungen, die das Informationsministerium in der Zeit von 1914 bis 1918 gemacht hat, voll und ganz berücksichtigen sollten. In der Tat erhalte ich von dem Herrn, der zu jener Zeit Sekretär dieses Ministeriums war, höchst wertvollen Beistand. Mir scheint es, als ob eine der Lehren, die wir ziehen sollten, darin besteht, daß eine von dem Ministerium getrennte Pressezensur, die von irgendeiner isolierten Außenstelle aus arbeiten würde, mit Gefahr verbunden ist. Es erscheint mir daher weit besser, daß, wenn es eine Pressezensur geben muß, was ganz offensichtlich erforderlich ist, diese Pressezensur als Teil des Informationsministeriums arbeitet und nach dem Grundsatz der Zusammenarbeit zwischen der Presse und der Zensurabteilung des Informationsministeriums tätig ist. In diesem Sinne arbeiten wir mit der Presse einen Plan für Zusammenarbeit aus, und wir haben bereits hinsichtlich der Erzielung eines Übereinkommens in dieser Angelegenheit große Fortschritte gemacht. Dieser Plan soll die letzte Sicherheitskontrolle in den Händen des Informationsministers belassen, der Presse jedoch eine genau festgelegte Verantwortlichkeit auferlegen und ihr soweit wie möglich erhebliche Bewegungsfreiheit bei der Behandlung von Presseangelegenheiten lassen, so daß die vorgesehene Zusammenarbeit nur in Notfällen oder einer einzelnen Zeitung gegenüber wirksam werden würde, die mit dieser Bewegungsfreiheit Mißbrauch treiben sollte.

Was für andere Publizitätsmittel gilt, das gilt auch für den Film. Wir haben zahlreiche Verbindungen mit den Vertretern der Filmwelt aufgenommen. Ich möchte mich heute nicht im einzelnen damit befassen, welcher Art die von uns getroffenen Vorbereitungen sind; ich kann aber den ehrenwerten Mitgliedern des Hauses mitteilen, daß diese Vorbereitungen weit genug vorgeschritten sind, um die Belieferung mit solchen Filmen sicherzustellen, wie sie in Kriegszeiten gebraucht werden. Ein drittes Publizitätsmittel ist der Rundfunk. Die Regierung plant nicht die Übernahme der Britischen Rundfunkgesellschaften in Kriegszeiten. Im großen und ganzen würde es aber klug sein, den Rundfunk genau so zu behandeln wie die anderen Publizitätsmittel, nämlich die Presse und den Film, und es der britischen Rundfunkgesellschaft zu erlauben, ihren Betrieb ruhig fortzusetzen; in Kriegszeiten kann dies aber natürlich nur in sehr enger Verbindung zwischen dem Informationsministerium und der Rundfunkgesellschaft geschehen, unter Berücksichtigung klar umgrenzter Vorschriften darüber, in welcher Weise die Tätigkeit durchgeführt werden soll. .....




149Am 13. Dezember 1938 hatte der Britische Premierminister Chamberlain in einer Rede vor der Vereinigung ausländischer Journalisten in London erklärt, die Beziehungen Englands zu Frankreich seien so eng, daß sie über bloße vertragliche Verpflichtungen hinausgingen, da sie auf einer Identität der Interessen beruhten. ...zurück...

150Gemeint ist wohl die Unterhauserklärung des Britischen Premierministers Chamberlain vom 6. Februar 1939; vgl. Nr. 267. ...zurück...

151Vgl. Nr. 246. ...zurück...


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