Erstes Kapitel (Forts.)
Entwicklung der Deutsch-Polnischen Beziehungen
A. Der Kampf gegen das
Deutschtum in Polen II. Zum Vorgehen Polens in Danzig
Nr. 13 ..... Insbesondere steht die in den Artikel 100 bis 108 verlangte Preisgabe der rein deutschen Hansestadt Danzig und ihrer ebenfalls rein deutschen Umgebung in schroffstem Gegensatz zu allen in den Erklärungen des Präsidenten Wilson gegebenen Zusicherungen. Danzig wies nach der Zählung vom 1. Dezember 1910 eine verschwindende polnisch sprechende Minderheit von 3,5 v. H. auf, der Kreis Danziger Niederung l v. H., der Kreis Marienburg 3 v. H., auch der Kreis Danziger Höhe hatte nur 11 v. H. Selbst die Polen bestreiten nicht ernstlich, daß Danzig stets deutschen Charakter gehabt hat. Der Versuch, Danzig zu einer Freien Stadt zu machen, sein Verkehrswesen und die Vertretung seiner Rechte nach außen dem polnischen Staat auszuliefern, würde zu heftigem Widerstand und zu einem dauernden Kriegszustand im Osten führen. Dabei sind die wirtschaftlichen Maßnahmen so getroffen, daß für Danzig jeder Verkehr mit Deutschland aufs äußerste erschwert wird - offenbar zu dem Zweck, dieses rein deutsche Gebiet im Laufe der Zeit durch wirtschaftlichen Druck zu polonisieren. Die Deutsche Regierung muß darum die beabsichtigte nationale Vergewaltigung Danzigs ablehnen und die Forderung erheben, Danzig und Umgegend beim Deutschen Reich zu belassen. .....
[29]
Nr. 14
Anlage B der Entscheidung des Völkerbundskommissars in Danzig, 6. Dezember 1921 Liste der polnischen Behörden, die sich augenblicklich in Danzig und in den Vororten befinden
1. Diplomatische Vertretung der Republik Polen
..... Meine Entscheidung in diesem Fall lautet folgendermaßen: a) Der Post-, Telegraphen- und Telephondienst, zu dessen Einrichtung die Polnische Regierung auf Grund der Artikel 29 und 30 des Vertrages von Paris berechtigt ist, bedeutet ein Postamt im Hafen von Danzig. Dieses Postamt [30] ist dasjenige, das der polnischen Postverwaltung auf dem Heveliusplatz zugeteilt worden ist. b) Der durch diesen Postdienst von dem Gebiet der Freien Stadt nach Polen und umgekehrt bewirkte Verkehr muß von den unter a) erwähnten Gebäuden nach der einen oder mehreren auf polnischem Gebiete gewählten Stellen gehen, und keine postalischen, telegraphischen oder telephonischen Sendungen oder Mitteilungen oder sonstiges darf auf diesem Wege angenommenen oder ausgegeben werden, außer in der unter a) erwähnten Stelle. Die Ausdrücke "angenommen" (received) und "ausgegeben" (delivered) bedeuten Annahme oder Ausgabe durch irgendwelche dabei angewendeten Mittel und haben mit deutschen posttechnischen Ausdrücken nichts zu tun. c) Der Gebrauch von Briefkästen außerhalb der Grenzen des unter a) erwähnten Gebäudes oder der Gebäude und ein Einsammlungs- und Bestelldienst durch Briefträger in irgendeinem Teile des Gebietes der Freien Stadt ist unzulässig und widerspricht der Entscheidung vom 25. 5. 1922. d) Das unter a) erwähnte Postamt ist nicht dazu bestimmt, sich mit allen Briefen zu befassen, die an irgendeiner Stelle im Danziger Gebiete nach Polen oder dem Auslande von polnischen Staatsangehörigen oder anderen Einwohnern der Freien Stadt aufgegeben worden sind. Es ist vielmehr dazu bestimmt, den im Danziger Gebiet rechtmäßig errichteten polnischen Behörden zu ermöglichen, bei diesem Postamt und keiner anderen Stelle sonst Postsendungen zusammenzustellen und sie von dort unmittelbar nach Polen oder dem Auslande zu befördern, und sich des weiteren mit durchgehenden Postsendungen aus Polen über den Hafen von Danzig nach Überseeländern und umgekehrt zu befassen. e) Die Ziffern l und 2 des Abkommens vom 19. 4. 1923 über die Sichtungsstelle und das Abkommen vom 29. August 1924 über die Umschlagstelle für Überseesendungen im Hafen bleiben von dieser Entscheidung unberührt.
M. S. MacDonnell
(Übersetzung)
Genf, den 19. Februar 1925 Am 12. Dezember 1922 gab der Hohe Kommissar auf Grund des Artikels 39 des Vertrages vom 9. November 1920 zwischen Danzig und Polen folgende Entscheidung ab:
..... Der Vertrag von Versailles gab Polen in bezug auf Danzig gewisse Rechte, die den Zweck in sich schlossen, Polen einen freien Zugang zum Meere [31] zu sichern. Da die Zuerkennung dieser Rechte an Polen eine Abweichung von den herkömmlichen Regeln des Völkerrechts hinsichtlich der Beziehungen zwischen Staaten bedeutet, war es nötig, ihnen eine vertragsmäßige Grundlage zu geben. Man hat dieses in dem Vertrag von Versailles und den darauffolgenden Entscheidungen und Abkommen berücksichtigt. Polen hält die Meinung aufrecht, daß in den außergewöhnlichen Rechten, die ihm zuerkannt waren, das Recht auf eine Eisenbahnverwaltung auf Danziger Gebiet mit eingeschlossen war. Unter dieser Verwaltung sollten nicht nur die Danziger Eisenbahnen, die Polens Leitung anvertraut waren, sondern auch polnische Eisenbahnen außerhalb des Danziger Gebiets stehen. Beansprucht wird also, den Sitz eines Teils der Landesverwaltung auf fremdem Boden einzurichten, und wenn wir das Vorhandensein eines außergewöhnlichen Rechts anerkennen, so muß der Beweis zu liefern sein, daß es vertragsmäßig begründet ist. Der Juristenausschuß hat alle diesbezüglichen Schriften sorgfältig geprüft, hat aber keine Bestimmungen gefunden, die Polen folgerungsweise oder ausdrücklich ermächtigt, die Danziger Direktion mit der Verwaltung und dem Betriebe von Eisenbahnlinien auf polnischem Gebiete zu betrauen. .... ..... Irgendeine andere Verfügung, die Polen unterstützen könnte, hat der Juristenausschuß in den in Kraft befindlichen Verträgen, Entscheidungen und Abkommen nicht finden können. Unter diesen Umständen ist er der Meinung, daß die Entscheidung des Hohen Kommissars vom 12. Dezember 1922 mit den Verträgen, Entscheidungen und Abkommen, die in Wirksamkeit sind, übereinstimmt.
van Eysinga
C. Vivante A. Niquille
Nr. 17
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amts Berlin, den 8. Februar 1932
Der Polnische Gesandte, der mich heute aus anderem Anlaß aufsuchte, ist von mir auf die unerhörten Vorgänge bei der Zehnjahresfeier der polnischen Studentenvereinigung "Bratnia Pomoc" in Danzig aufmerksam gemacht worden. Ich habe ihn insbesondere darauf hingewiesen, daß die Ansprache des amtlichen polnischen Vertreters in Danzig Herrn Lalicki, in der von der Rückgabe Danzigs an das polnische Vaterland die Rede ist, sowie die Erklärung des polnischen Obersten Landau: "hoffentlich möchten bald von Danzigs Rathaus polnische Fahnen wehen", kaum geeignet wären, die Beunruhigung zu beseitigen, in der sich Danzigs Bevölkerung seit längerer Zeit wieder befände. Der Polnische Gesandte wich aus, indem er behauptete, ihm sei nichts über diesen Vorfall bekannt und fügte hinzu, daß er bei seiner persönlichen Bekanntschaft mit dem Rat Lalicki, der ein durchaus besonnener Mensch sei, sich derartige Erklärungen kaum vorstellen könne. Er würde seinerseits bemüht sein, die Angelegenheit aufzuklären.
Noebel
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Nr. 18
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 12. Januar 1933
Auf Einladung der polnischen Kriegervereine und der Organisationen für die polnische militärische Vorbereitung in Danzig, deren Komitee nach einer Notiz der Gazeta Gdanska aus folgenden Vereinen besteht:
Sportclub "Gedania", Ruderclub, Sportclub "Orzel", unter dessen Namen sich der Verein "Strzelec" (Schütze) verbirgt, Verband der Legionäre, Verband der Reserveoffiziere und Verband der Unteroffiziere der Reserve, hat am 5. d. M. im Werftspeisehaus in Danzig eine Feier der "Soldaten-Oblate" stattgefunden, bei der von den Rednern wiederum in unverantwortlicher Weise gegen Deutschland und Danzig gehetzt worden ist und offen die Einverleibung Danzigs in Polen in kurzer Zeit verheißen wurde. Nach dem Bericht eines absolut zuverlässigen Vertrauensmannes verdient die Rede des polnischen Geistlichen und Religionslehrers am hiesigen polnischen Gymnasium Nagorski besondere Beachtung, da sie die größten Beschimpfungen gegen Deutschland und Danzig enthält. Während der Rat Zielkiewicz, der Vertreter des Ministers Papée, die Versammlungsteilnehmer nur zur Einigkeit mahnte, brauchte der Vertreter des Marinedepartements Kommandore Kosianowski wiederum äußerst scharfe Worte gegen Danzig und hob dabei die Verdienste des Ministers Papée hervor, der ständig darauf bedacht sei, die Warschauer Regierung in ihrem Kampfe um Danzig aufzurütteln. Auch der Direktor der hiesigen polnischen Eisenbahnbezirksdirektion Dobrzycki gebrauchte in seiner Ansprache recht kriegerische Worte. Diese neue polnische Provokation hat hier naturgemäß Aufsehen erregt. Die hiesige Presse hat daher Veranlassung genommen, die breite Öffentlichkeit ausführlich über die Veranstaltung zu unterrichten und diese einmal auf das verantwortungslose Treiben der polnischen militärischen Organisationen auf Danziger Gebiet, die sich in letzter Zeit wiederum lebhaft zu rühren begannen, aufmerksam zu machen. Der Religionslehrer Nagorski hat zwar in einem Artikel erklärt, daß der veröffentlichte Wortlaut seiner Rede eine grobe Fälschung sei; der Aufforderung, der hiesigen Presse eine möglichst wortgetreue Übersetzung seiner Rede zur Verfügung zu stellen, ist er jedoch bisher nicht nachgekommen.
von Thermann
[33]
Nr. 19
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 24. Februar 1933
In der Anlage beehre ich mich, Abschrift eines Vermerks zu überreichen, der im Senat über die Danzig-polnischen Wirtschaftsbeziehungen, insbesondere die neuen polnischen Kontrollmaßnahmen, angefertigt worden ist.
Seit den Vorverhandlungen zum Versailler Vertrag bis heute hat Polen Danzig gegenüber seine Politik mit der größten Konsequenz durchgeführt. Nachdem es ihm nicht gelungen ist, durch den Vertrag von Versailles, durch den Pariser Vertrag und auch durch das Warschauer Abkommen die Polonisierung Danzigs zu erreichen, hat es dasselbe Ziel unter dem Druck wirtschaftlicher Maßnahmen verfolgt. Der Druck gegen Danzig verstärkte sich besonders im Jahre 1925, als der deutsch-polnische Zoll- und Wirtschaftskrieg einsetzte. Es wurde immer mehr versucht, es von seiner wirtschaftlichen und Kulturgemeinschaft mit dem Deutschen Reich abzudrängen und insbesondere den Bezug deutscher Waren nach Danzig, die die Freie Stadt Danzig auf dem Wege von Kontingenten und auf dem Wege des Veredelungsverkehrs beziehen konnte, zu unterbinden. Im Jahre 1929 nahm der Kampf Polens gegen Danzig bereits Formen an, die die Existenz der Freien Stadt in ihrer wirtschaftlichen und politischen Selbständigkeit gefährdeten. Von Jahr zu Jahr verstärkte sich dieser Kampf und hat zur Zeit seinen Höhepunkt erreicht. Wenn in der ersten Zeit nach der Abtrennung Danzigs vom Deutschen Reich Polen versuchte, Danzig dadurch zu erdrosseln, daß es die Lieferung von Lebensmitteln aus Polen nach Danzig sperrte, so ging es später dazu über, den Warenverkehr des Danziger Handels und der Danziger Industrie nach Polen zu unterbinden. Es benutzte hierzu im wesentlichen zwei Vorwände, und zwar: 1. den Danziger Veredelungsverkehr, der nach der Behauptung Polens in unzulässiger Weise von der Danziger Zollverwaltung geduldet wurde, und 2. die Kontingente, die Danzig aus dem Deutschen Reich und aus dem übrigen Auslande bezieht, wobei Polen behauptet, diese Kontingente flössen in großen Mengen nach Polen ab, obgleich sie nur für Danzig bestimmt seien, und indem es weiter behauptet, daß Kontingentwaren, auch wenn sie bearbeitet oder verarbeitet seien (nationalisiert), nicht nach Polen hineinkommen dürften. Mit diesen Fragen hat sich auf Grund von Danziger und polnischen Anträgen im Mai 1932 und im November 1932 der Völkerbundsrat beschäftigt und in den wesentlichsten Punkten dem Standpunkt der Danziger Regierung Rechnung getragen. Insbesondere hat der Völkerbund erklärt, daß Polen Waren, die aus dem Veredelungsverkehr stammen, nach Polen hineinlassen müsse, solange der schwebende Streit in dieser Angelegenheit nicht abgeschlossen sei. [34] Weiterhin hat der Völkerbundsrat bestimmt, daß Danziger Kontingentwaren, die in genügendem Umfange be- oder verarbeitet worden sind, als Danziger Waren angesehen werden müssen und daher freien Verkehr in dem gesamten Danzig-polnischen Zollgebiet genießen. Die Polnische Regierung hat sich um diese Entscheidungen des Völkerbundsrats nicht gekümmert und in den letzten Monaten ein System eingeführt, das nach der Ansicht der Danziger Regierung den bestehenden Verträgen widerspricht. Obgleich auf Grund des Art. 215 des Warschauer Abkommens der Warenverkehr zwischen Danzig und Polen mit ganz bestimmten Ausnahmen frei ist, verlangt jetzt Polen von jeder Ware, unabhängig davon, ob es sich um Kontingentwaren, um Danziger oder sogar um polnische Waren handelt, die Abstempelung der Fakturen durch polnische Behörden in Danzig, d h. Polen verlangt eine Einfuhrgenehmigung für sämtliche Waren, die aus Danzig nach Polen gehen soll. Die Einfuhrgenehmigung oder die Abstempelung der Fakturen wird davon, abhängig gemacht, daß sich die betreffenden Industrie- oder Geschäftsbetriebe einer Kontrolle durch polnische Beamte in weitgehendstem Umfange unterwerfen. Aber damit nicht genug, Polen verlangt von den Firmen, die sich schon tatsächlich solcher Kontrolle unter dem Zwange der Verhältnisse unterworfen haben, daß sie nur Waren beziehen, die wiederum von Firmen stammen, die sich ebenfalls von polnischen Beamten kontrollieren lassen. Weiterhin schreibt die Polnische Regierung den Danziger kontrollierten Firmen vor, von welchen Firmen sie in Danzig kaufen dürfen, und verweist sie in unzähligen Fällen auf den Einkauf von Waren aus Polen, obgleich die gleichen und bessere Waren in der Freien Stadt Danzig zu haben sind. In letzter Zeit werden an die Firmen auch dahingehende Forderungen gestellt, daß sie in einem gewissen Umfange polnische Arbeitnehmer einstellen müssen, da sie sonst Polen gegenüber als illegal gelten und mit dem Absatz ihrer Waren nach Polen nicht rechnen könnten. Wenn die Regierung der Freien Stadt dieses System weiterhin duldet und Polen mit seinen Forderungen in der bisherigen Weise fortschreitet, so ist klar ersichtlich, daß die gesamte Danziger Wirtschaft in wenigen Monaten unter polnischer Kontrolle steht, unter der Kontrolle polnischer Beamter und unter der Kontrolle polnischer Konkurrenten, und der Handelsspionage wird dadurch Tür und Tor geöffnet. Es ist die Zeit abzusehen, wo Polen von den Firmen verlangt, daß sie entsprechend ihres Absatzes nach Polen polnische Arbeitnehmer beschäftigen müssen, wenn sie ihr Leben in Danzig noch fristen wollen. Der Hohe Kommissar und der Völkerbundsrat stehen solchen Maßnahmen Polens machtlos gegenüber.
Nr. 20
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amts Berlin, den 2. März 1933
Innerhalb der letzten 10 Jahre hat sich Polen folgende besonders schwerwiegende eigenmächtige Eingriffe in die Hoheitsrechte Danzigs zuschulden kommen lassen: 1. Nichtzulassung eines Danziger Delegierten zur Berner Eisenbahnkonferenz (Entscheidung des Völkerbundskommissars vom 8. Januar 1924), [35] 2. einseitige Regelung der Ausstellung von Pässen für Danziger Staatsangehörige (Entscheidung des Völkerbundskommissars vom 28. Januar 1924), 3. Verhinderung der Teilnahme einer Danziger Delegation am Stockholmer Weltpostkongreß (Entscheidung des Völkerbundskommissars vom 10. November 1924), 4. eigenmächtige Einrichtung eines polnischen Postdienstes in Danzig (Entscheidung des Völkerbundskommissars vom 2. Februar 1925),13 5. Entsendung polnischer Marinepatrouillen an Land ohne Genehmigung der Danziger Regierung (Bericht des Völkerbundskommissars vom 15. August 1931), 6. eigenmächtige Erlassung des Finanzstrafgesetzes vom 21. April 1932 (vom Völkerbundsrat behandelt in seiner Sitzung vom 10. Mai 1932), 7. Anordnungen zur Verhinderung des von Danzig geübten, passiven Veredelungsverkehrs (als "action directe" gekennzeichnet in der Entscheidung des Völkerbundskommissars vom 29. März 1932), 8. eigenmächtige Einführung der polnischen Währung bei der polnischen Staatsbahn (Schreiben des Völkerbundskommissars an den Generalsekretär des Völkerbunds vom 4. November 1932).
von Lieres
Nr. 21
Schreiben des Völkerbundskommissars in Danzig an den Generalsekretär des Völkerbundes (Übersetzung)
Danzig, den 7. März 1933 Am 6. März morgens teilte mir der Diplomatische Vertreter der Republik Polen in Danzig Herr Minister Papée mit, daß die Polnische Regierung in Anbetracht der Sachlage, die durch die vom Senat kürzlich in der Frage der Hafenpolizei eingenommene Haltung geschaffen sei, und in Anbetracht der nach Ansicht der Polnischen Regierung bestehenden Gefahr eines Handstreichs auf die polnische Munitionsniederlage auf der Westerplatte seitens gewisser Elemente in Danzig beschlossen hätte, vorläufig die Wache der polnischen Munitionsniederlage auf der Westerplatte zu verstärken. Herr Papée hat hinzugefügt, daß diese Wachmannschaften nicht aus den Mauern der Westerplatte hinausgehen würden und daß sie ausschließlich mit der Aufgabe betraut seien, die der polnischen Wachabteilung durch den Ratsbeschluß vom 9. Dezember 1925 anvertraut sei. Ich habe die Aufmerksamkeit des Herrn Ministers Papée auf die geltenden Bestimmungen und besonders auf das Danzig-polnische Abkommen vom 22. Juni 1921 und auf den Bericht gelenkt, der dem Rate des Völkerbundes am [36] 9. Dezember 1925 unterbreitet wurde, sowie auf die Erklärungen, die von dem Vertreter Polens bei dieser Gelegenheit abgegeben wurden. Es geht klar aus diesen Bestimmungen hervor, daß der Bestand der Wache auf der Westerplatte nur verstärkt werden darf, wenn die Polnische Regierung ein dahingehendes Ersuchen an den Hohen Kommissar gerichtet hat und dieser die erforderliche Zustimmung gegeben hat. Ich habe Herrn Minister Papée erklärt, daß ich unter diesen Umständen gegen den Beschluß, den die Polnische Regierung gefaßt habe, ohne sich vorher an den Hohen Kommissar zu wenden, Einspruch erheben und ihn ersuchen müßte, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die geschaffene Sachlage richtigzustellen. Eine Stunde später richtete der Senat der Freien Stadt Danzig an mich ein Schreiben, in dem er mir mitteilte, daß der Senat festgestellt habe, daß die polnische Wache auf der Westerplätte um mehr als 100 Leute verstärkt worden sei, die mit Maschinengewehren und anderen Waffen ausgerüstet und am gleichen Tage mit dem Dampfer "Wilja" angekommen seien. Der Senat hat mich gebeten, ihm mitzuteilen, ob die Verstärkung mit Genehmigung des Hohen Kommissars erfolgte und, bejahendenfalls, aus welchen Gründen. Ich habe dem Präsidenten des Senats geantwortet, daß ich keine Erlaubnis hierzu gegeben hätte, und ich habe den Diplomatischen Vertreter Polens unter Übermittlung einer Abschrift des Schreibens des Senats gebeten, wenn die in dem Schreiben des Senats enthaltenen Nachrichten richtig seien, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die fraglichen Truppen von der Westerplatte unverzüglich zurückgezogen würden, da diese Verstärkung der Truppen erfolgt sei, ohne daß die Polnische Regierung vorher ein dahingehendes Ersuchen an den hohen Kommissar gerichtet habe und ohne daß dieser die erforderliche Erlaubnis gegeben habe. Am Abend hat mich dann der Senat gebeten, auf Grund von Artikel 39 des Pariser Vertrages zu entscheiden, daß die Polnische Regierung verpflichtet ist, unverzüglich die sich auf die Verträge gründende Rechtslage wiederherzustellen und die Wache auf der Westerplatte auf die festgesetzte Stärke zu vermindern. Der Senat hat mich des weiteren gebeten, die erforderlichen Maßnahmen zu der Feststellung zu treffen, daß die Verstärkung der Truppen auf der Westerplatte ohne Genehmigung des Hohen Kommissars eine action directe bedeutet. Bei Übermittlung dieses Antrages an Minister Papée habe ich die Hoffnung ausgedrückt, daß die Antwort, die ich von ihm auf mein Schreiben vom Tag vorher erwartete, den Antrag des Senats gegenstandslos machen würde. Da ich von der Polnischen Regierung nicht die Zusicherung erhalten habe, daß die fraglichen Truppen unverzüglich zurückgezogen werden, und in Anbetracht des Ernstes der gegenwärtigen Lage sehe ich mich unter Bezugnahme auf den Ratsbeschluß vom 13. März 1925, durch den der Rat sich grundsätzlich vorbehalten hat, selbst in den Fragen einer "action directe" zu entscheiden, gezwungen, Sie zu bitten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, daß die Frage der action directe, die mit dem Antrag des Senats vom 6. März 1933 gestellt wurde, baldmöglichst auf die Tagesordnung einer Sitzung des Rats gesetzt wird. Um das Verfahren zu vereinfachen and auf diese Weise dem Rat die Prüfung der Frage zu erleichtern, erlaube ich mir, dem Rate auch die Frage zu unter- [37] breiten, die den Gegenstand der Ziffer l des Antrages des Senats vom 6. März 1933 bildet,14 indem ich von dem Rechte Gebrauch mache, das mir Artikel 39 des Pariser Vertrages verleiht, die Fragen, die mir auf Grund dieses Artikels zur Entscheidung unterbreitet wurden, an den Rat zu verweisen.15
Helmer Rosting
Nr. 22
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 8. März 1933
Trotz der peinlichen Erfahrungen, die die Polnische Regierung in den letzten Monaten in den Fällen gemacht hat, in denen sie durch offenen Rechtsbruch und durch Hinwegsetzung über die Verträge und Entscheidungen der Völkerbundsinstanzen in Danzig vorzugehen versuchte, wie in dem Falle des unangemeldeten Einlaufens des Zerstörers "Wicher" in den Danziger Hafen und in der Anordnung über die Einführung polnischer Währung auf den Danziger Eisenbahnen, hat die Polnische Regierung einen neuen Rechtsbruch dadurch begangen, daß sie ohne Genehmigung des Hohen Kommissars die Besatzung der Westerplatte um etwa 100 Mann bewaffnete Polizei verstärkte. Was zunächst die Rechtslage betrifft, so ist in der zwischen Danzig und Polen am 22. Juni 1921 abgeschlossenen Vereinbarung festgelegt, daß der Hohe Kommissar das Recht hat, über die Stärke der polnischen Wachmannschaften für die Bewachung polnischen Kriegsmaterials im Danziger Hafen auf dem laufenden gehalten zu werden, wobei ausdrücklich betont wird, daß die Stärke der Besatzung im Einvernehmen zwischen dem Hohen Kommissar und der Polnischen Regierung festgelegt wird (vgl. Danziger Staats- und Völkerrecht, Stilke 1927, S. 610). Diese Vereinbarung ist dem Völkerbundsrat in seiner Sitzung vom 23. Juni 1923 zur Kenntnis gebracht worden und erneut durch den Beschluß des Völkerbundsrats vom 9. Dezember 1925, durch den auch die Stärke der Besatzung auf 2 Offiziere, 20 Unteroffiziere und 66 Mann festgelegt wurde, bestätigt worden (vgl. Danziger Staats- und Völkerrecht, S. 651). Damals hatte auch der Vertreter der Polnischen Regierung durch seine Erklärung, die Polnische Regierung behalte sich das Recht vor, dem Rat ein Ersuchen um Verstärkung des Bestandes der Wachmannschaft zu unterbreiten, wenn die Umstände es erfordern, selbst anerkannt, daß Polen nicht berechtigt ist, ohne Genehmigung der Völkerbundsinstanzen eine solche Verstärkung vorzunehmen. [38] Aus der Vorgeschichte dieser neuesten Aktion der Polnischen Regierung ist hervorzuheben, daß am 4. d. M. der hiesige Polnische Diplomatische Vertreter zunächst mündlich, dann schriftlich bei dem Hohen Kommissar angefragt hat, ob er das Vorgehen Danzigs in der Frage der Hafenpolizei als action directe ansehe. Der Hohe Kommissar hatte damals eine Antwort verweigert mit der Begründung, er sei Richter und könne daher eine solche Frage nicht ohne Antrag entscheiden, auch sei für eine Entscheidung über die Frage der action directe der Rat zuständig. Am Morgen des 5. März teilte Herr Papée dem Hohen Kommissar mit, daß die Polnische Regierung beabsichtige, die Garnison auf der Westerplatte zu verstärken. Auf die Einwendung Rostings, daß die Stärke der Besatzung eine bestimmte Zahl nicht übersteigen dürfte, erklärte Herr Papée, daß Polen nach den Verträgen berechtigt sei, die Besatzung im Falle einer Gefahr zu verstärken. Eine solche Gefahr läge jetzt vor, da die Polnische Regierung in Erfahrung gebracht hätte, daß ein militärischer "Run" auf die Westerplatte beabsichtigt sei. Beweise konnte Herr Papée nicht erbringen, so daß der Hohe Kommissar von vornherein Widerspruch gegen jede Verstärkung der Besatzung auf der Westerplatte erhob. Tatsächlich sind die Behauptungen von Herrn Papée vollkommen aus der Luft gegriffen. Trotz dieses Widerspruchs des Herrn Rosting erklärte Herr Papée am Morgen des 6. März ihm gegenüber, daß die Polnische Regierung beschlossen hätte, die Besatzung auf der Westerplatte zu verstärken. Rosting erhob sofort Widerspruch gegen diesen Beschluß der Polnischen Regierung. Daraufhin versuchte Herr Papée einzulenken. Er machte den Vorschlag, daß man das polnische Versäumnis dadurch gutmachen könnte, daß Rosting die frühere Besprechung als Antrag auf Genehmigung der Verstärkung ansehen, diesen ablehnen, aber die vorübergehende Verstärkung der Besatzung stillschweigend dulden sollte. Erfreulicherweise hat Rosting dieses Angebot sofort abgelehnt. Inzwischen halte der Senat durch Pressemeldungen aus Warschau erfahren, daß 100 Mann polnischer Polizei aus Warschau nach Danzig in Marsch gesetzt worden seien, angeblich um die Besatzung der Westerplatte zu verstärken. Außerdem war der polnische Munitions- und Truppentransportdampfer "Wilja" von Gdingen kommend in das Munitionsbecken der Westerplatte eingelaufen, auf dem sich, wie der Polizeipräsident aus sicherer Quelle erfahren hatte, 100 Mann Polizei und 11 Maschinengewehre befanden. Daraufhin hat sich der Senat an den Hohen Kommissar gewandt und unter Darstellung des Sachverhalts diesen um Auskunft gebeten, ob er die Verstärkung genehmigt habe, was dieser umgehend verneinte. Da der Hohe Kommissar im Verlauf seiner weiteren Bemühungen von der Polnischen Regierung nicht die erbetene Zusicherung erhielt, daß die fraglichen Truppen unverzüglich zurückgezogen werden, hat er in Anbetracht des Ernstes der gegenwärtigen Lage den Generalsekretär des Völkerbundes gebeten, die Frage auf die Tagesordnung einer außerordentlichen Sitzung des Rats im Laufe dieser Woche zu setzen. Das Vorgehen Polens hat natürlich in Danzig sehr starke Erbitterung hervorgerufen. Infolgedessen hatte der Senat auf Anregung von Herrn Rosting vorsorglich einen Teil der Einwohnerschaft einberufen, um zu verhindern, daß unbesonnene Elemente sich zu Beschädigungen von polnischen Gebäuden, Briefkästen usw. und zu Angriffen auf polnische Personen hinreißen lassen könnten.
von Thermann
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Nr. 23
Der Deutsche Generalkonsul in Danzig an das Auswärtige Amt Bericht Danzig, den 15. März 1933
Das Verbleiben des Munitionstransportdampfers "Wilja" in dem Munitionsbecken auf der Westerplatte nimmt durch das Verhalten der polnischen Behörden eine Entwicklung, die man nur noch als grotesk bezeichnen kann. Wie bereits gemeldet, hatte Polen das Nichtauslaufen der "Wilja" mit der Angabe zu erklären versucht, daß das Schiff Maschinenschaden hätte. Zugleich wurde mitgeteilt, daß das Schiff nunmehr mit Schlepperhilfe den Danziger Hafen verlassen würde. Nachdem dies aber auch nach weiteren 72 Stunden nicht geschehen war, hat der Senat erneut Protest gegen die Verletzungen des Abkommens über die Westerplatte erhoben. Inzwischen teilte der hiesige Polnische Diplomatische Vertreter dem Senat mit, daß der Maschinenschaden auf der "Wilja" behoben sei, daß aber die "Wilja" noch verbleiben müßte, da ein schon vorher angekündigter Kriegsmaterialtransport von Dirschau kommend auf den Dampfer geladen werden sollte. Hierauf hat der Senat wiederum Protest dagegen erhoben, daß das Schiff im Munitionsbecken der Westerplatte von Polen zurückgehalten wird, ohne daß eine genaue Angabe über einen bevorstehenden Munitionstransport gemacht werden konnte. Der Senat bittet daher erneut, daß die "Wilja" unverzüglich das Becken verläßt. Bemerkenswert ist noch, weil darin der unerhörte Mißbrauch der Westerplatte durch Polen offen in Erscheinung tritt, daß der Kriegsmaterialtransport, der am Montag ankam und mit dessen Durchfuhr über die Westerplatte das Einlaufen der "Wilja" begründet worden war, am 11. d. M. durch einen Schlepper vom Munitionsbecken abgeholt, von diesem auf die Reede gefahren, dort auf das polnische Schiff "Słąsk" umgeladen und nach dem Ausland transportiert worden ist. Das ganze Vorgehen Polens bezweckt natürlich nur, unter irgendeinem Vorwand bis auf weiteres die "Wilja", auf der die Verstärkung der Besatzung der Westerplatte untergebracht ist, im Munitionsbecken liegenzulassen. Die einzige Genugtuung, die sich aus dem Verhalten Polens ergibt, ist die, daß jetzt die Polnische Regierung selbst die Unhaltbarkeit des in Verbindung mit dem Munitionstransport über Danzig geschaffenen Systems der ganzen Welt vor Augen führt.
von Thermann
Nr. 24
Der Deutsche Gesandte in Warschau an das Auswärtige Amt Bericht Warschau, den 11. März 1933
In der Frage der Westerplatte habe ich in den letzten Tagen Gelegenheit gehabt, mit den hiesigen Vertretern der wichtigsten Ratsmächte zu sprechen, und habe im Hinblick auf deren eventuelle Berichterstattung mich bemüht, teilweise vorhandene irrige Auffassungen richtigzustellen. [40] Übereinstimmend wird dieser neue Gewaltcoup als "echter Beck" angesehen, obschon dieses Mal - wohl im Gegensatz zu dem Fall "Wicher"16 - auch der Marschall Pilsudski vorher sein placet gegeben zu haben scheint. Als Zweck des Unternehmens wird in erster Linie die Regelung der Polizeifrage17 angesehen. Die polnische Behauptung von einer Gefährdung der Westerplatte hat anscheinend bisher nicht viel Glauben gefunden Wenn weiter vielfach gesagt wird, daß Beck mit seinem Vorgeben offenbar eine Antwort auf die deutschen Wahlen habe geben wollen, so mag es richtig sein, daß auch dieser Gedanke mitgespielt hat. Ich möchte aber eher glauben, daß als beabsichtigte Nebenwirkung der Wunsch im Vordergrund gestanden hat, den Vertretern des Revisionsgedankens in Europa ein Warnungszeichen zu geben. Ich habe unter den hiesigen Diplomaten kaum einen gefunden, der nicht mit mehr oder weniger scharfen Worten die polnische Handlungsweise kritisiert bzw. verurteilt hätte. Andererseits ist in den Unterhaltungen zuweilen auch darauf hingewiesen worden, daß man nicht recht verstehen könne, warum der Danziger Senat gerade jetzt das Arrangement bezüglich der Hafenpolizei aufgekündigt habe. Diese Vorwürfe, denen ich unter Verwendung der Berichte des Generalkonsulats Danzig entgegengetreten bin, wurden besonders stark hervorgehoben von Seiten des Englischen Botschafters, dessen Urteil mit Rücksicht auf die Rolle Englands als Berichterstatter in dieser Angelegenheit besonders wichtig erscheint, der aber leider in deutsch-polnischen bzw. Danzig-polnischen Angelegenheiten meistens eine starke Voreingenommenheit zeigt. Was die Frage anbetrifft, ob etwa dem polnischen Vorgehen ein provokatorischer Charakter zukommt, mit dem Ziel, Zwischenfälle hervorzurufen, oder faits accomplis zu schaffen, so herrscht in hiesigen diplomatischen Kreisen die Ansicht vor, daß derartige Absichten nicht vorliegen. Zur Begründung wird meistens angeführt, daß Polen kein Interesse daran habe, Situationen herbeizuführen, die zwangsläufig die Frage der deutschen Ostgrenzen aufwerten müssen. Selbst wenn man diese Auffassung für zutreffend ansehen wollte, wird man jedenfalls sagen müssen, daß demjenigen, der mit dem Feuer spielt, zum mindesten der Vorwurf eines dolus eventualis nicht erspart werden kann.
von Moltke
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Nr. 25
Aufzeichnung eines Beamten der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amts Berlin, den 3. Mai 1933
Die ständig wachsende Konkurrenz des polnischen Nachbarhafens Gdingen mit dem Danziger Hafen hat die Regierung der Freien Stadt schon im Mai 1930 genötigt, sich an den Hohen Kommissar zu wenden, um die Verpflichtungen Polens über die Frage der vollen Ausnutzung des Danziger Hafens zu klären. Eine Denkschrift des Senats in dieser Sache vom 9. Mai 1930 wird mit den folgenden grundsätzlichen Ausführungen eingeleitet: "Danzig war in der Zeit vor dem Kriege das Ideal eines in sich in der Einfuhr und Ausfuhr ausgeglichenen Hafens mit dem Verkehr hochwertiger Güter, deren Umschlag wie Handel in der Hand des Danziger Kaufmanns lagen. Die Hafeneinrichtungen Danzigs waren in langen Jahren gleichmäßigen Verkehrs diesem Güterumschlag angepaßt und auf ihn eingearbeitet und konnten ihn mühelos bewältigen. Diese harmonische Einheit zwischen Danziger Hafen und Danziger Handel ist durch die Auswirkung der Nachkriegszeit zerstört worden. Bei der Mehrzahl der Umschlaggüter des Danziger Hafens hat der Danziger Eigenhandel seine führende Stellung verloren. Der Danziger Hafen ist vom Handelshafen zum Speditionshafen herabgesunken. Die zahlenmäßige Vervierfachung seines Warenverkehrs beruht auf einer außerordentlichen Zunahme des Verkehrs geringwertiger Massengüter, insbesondere der Kohlenausfuhr, deren Wert 1927 bei einer Menge der Hälfte des Gesamtwarenumschlages nur 8% des Gesamtwertes des Ausfuhrverkehrs über den Danziger Hafen betrug. Geringwertiger Massengüterverkehr, deren Handel sich außerhalb Danzigs vollzieht, deren Umschlag kostspielige risikoreiche Neueinrichtungen des Hafens bedingt haben und deren für gewisse mit der Spedition und Schiffahrt zusammenhängende Wirtschaftszweige bestehender Nutzen in keiner Weise die Schädigungen der Ausschaltung des Danziger Hafens auf vielen Gebieten des Warenverkehrs auszugleichen vermag, sind die Kennzeichen des Wirtschaftslebens Danzigs in der Nachkriegszeit. Diese für Danzig in der Nachkriegszeit erwachsenen Nachteile sind in der letzten Zeit katastrophal verschärft worden, und es sind für den Danziger Handel und das gesamte Wirtschaftsleben schwere Depressionen eingetreten, deren Rückwirkung auf die Grundlagen des Danziger Staates gefahrdrohend sind. Die Ursachen hierzu sind nach Auffassung der Regierung der Freien Stadt Danzig darin zu erblicken, daß ein großer Teil des polnischen Handels von dem Wege über Danzig abgelenkt wird, da Polen die nach Danzig führenden Eisenbahnen und Wasserwege nicht in genügendem Maße ausbaut, da es den Ausbau des Danziger Hafens unzureichend fördert und da Polen unmittelbar neben Danzig einen eigenen Hafen in Gdingen erbaut und den Verkehr dieses Hafens in Gdingen mit allen Mitteln unter Hintansetzung des in Danzig geschaffenen freien Zuganges zum Meere fördert." In der Zwischenzeit hat die zielbewußt fortgeführte polnische Wirtschaftspolitik zu einem weiteren erschreckenden Rückgang der Umsätze des Danziger Hafens geführt, wie aus folgender Aufstellung zu ersehen ist:
[42]
Es betrug in Danzig in Tonnen:
Demgegenüber sind die Umschlagszahlen des Gdingener Hafens von besonderem Interesse: Es betrug in Gdingen in Tonnen:
Ein Vergleich der angeführten Zahlen ergibt einwandfrei, daß die von Polen mit allen Mitteln betriebene Begünstigung Gdingens mit dem fortschreitenden Niedergang des Danziger Hafens Hand in Hand geht.
von Lieres
10Anlage zur Note des Vorsitzenden der Deutschen Friedensdelegation in Versailles an den Präsidenten der Konferenz von Versailles vom 29. Mai 1919. ...zurück... 11Diese Entscheidung erging auf Ansuchen des Danziger Senats, nachdem die polnische Postverwaltung in Danzig am 5. Januar 1925 ohne vorherige Unterrichtung der Öffentlichkeit einen polnischen Post-, Telephon- und Telegraphendienst eingerichtet hatte. ...zurück... 12Vom Völkerbundsrat gebilligt am 13. März 1925. ...zurück... 13Vgl. Nr. 15. ...zurück... 14Unter Ziffer l ersucht der Senat "gemäß Artikel 39 des Pariser Vertrages zu entscheiden: Die Polnische Regierung ist verpflichtet, den auf den Verträgen beruhenden legalen Zustand unverzüglich wiederherzustellen und die Besatzung der Westerplatte auf die vorgesehene Stärke zurückzuführen". ...zurück... 15In Verfolg dieses Schreibens wurde die Angelegenheit auf die Tagesordnung der 71. (außerordentlichen) Session des Völkerbundsrats gesetzt. In der Sitzung des Völkerbundsrats vom 14. März erklärte der Polnische Vertreter, die Polnische Regierung habe beschlossen, die Besatzung der Westerplatte unverzüglich auf ihre Normalstärke zurückzuführen. Der Berichterstatter, der Britische Außenminister Sir John Simon, bemerkte hierzu vor dem Völkerbundsrat, daß die Polnische Regierung mit Vollendung der Rücknahme der Truppen dem Antrag des Völkerbundskommissars entsprochen haben werde. Die Angelegenheit war somit im Sinne Danzigs geregelt worden. ...zurück... 16Vgl. Nr. 22. ...zurück...
17Danzig und Polen hatten 1925
über die Einrichtung einer gemischten, aus Danziger und polnischen
Staatsangehörigen bestehenden Hafenpolizei ein Abkommen getroffen, das
bis 1927 gültig war. Der durch das Abkommen herbeigeführte
Zustand hatte nach Ablauf des Abkommens zunächst unverändert
fortgedauert, bis der Danziger Senat am 15. Februar 1933 in Verfolg des ihm im
Abkommen zugestandenen Rechts der Überprüfung der Lage die
Danziger Staatsangehörigen aus der Gemischten Hafenpolizei
zurückberief und die Polizeigewalt im Danziger Hafen durch die Danziger
Polizei übernehmen ließ, wodurch die Lage von 1925
wiederhergestellt wurde. ...zurück...
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