Teil 1: Vorwort weimal in diesem Jahrhundert, innerhalb eines Zeitraumes von nur 24 Jahren, fühlten sich die Herrscher Amerikas berufen, gegen den Willen ihres Volkes wegen einer angeblichen Bedrohung von Demokratie und Weltfrieden einen "Kreuzzug" in Europa zu führen. Zweimal traten sie mit ihren unerschöpflichen Hilfsmitteln, ihre Gründerideale verleugnend, an die Seite von Mächten, die in grausamen Kolonialkriegen die Welt unter sich aufgeteilt hatten - gegen ein Land, das nach dem Ersten Weltkrieg über keinerlei Besitz außerhalb seiner eigenen Volksgrenzen verfügte und von dem sie nur Gutes erfahren hatten. In entbehrungs- und verlustreichen Kämpfen hatten Deutsche einst dazu beigetragen, dem jungen Amerika seine Unabhängigkeit von der englischen Krone zu erringen. Der anschließende Aufbau des Landes aus primitiven Anfängen zu führender Weltmachtstellung in Industrie und Handel ist ohne den Fleiß, die Tüchtigkeit und die hohen sittlichen Tugenden der deutschen Einwanderer undenkbar. Doch die Deutschen waren als zahlenmäßig stärkste Volksgruppe der USA nicht nur führend beim materiellen Aufstieg Amerikas. In Lehre und Forschung waren Deutsche tonangebend, und so weit man von amerikanischer Kultur und amerikanischem Geistesleben sprechen kann, war es die Bereicherung durch die Deutschen mit ihrer natürlich-frohsinnigen Lebensart, vor allem aber ihrer einzigartigen Förderung des Musiklebens, die den öden Puritanismus des Angelsachsentums zum Wohle der Nation überwinden half. Die folgenden Ausführungen, auf den Berichten namhafter Auswanderer fußend, sollen einen Begriff von der Größe deutscher Errungenschaften in Amerika geben - und gleichzeitig von dem Verrat, den eine machtgierige finanzielle und politische Clique an den Ehrlichsten, Loyalsten und Anständigsten ihrer Bürger und an deren Mutterland verübt hat.
Aber an der Entdeckung Amerikas waren die Deutschen jedenfalls nicht beteiligt - oder doch? Abgesehen davon, daß Nordgermanen mit ihren Drachenschiffen lange vor Kolumbus in Grönland landeten, dort siedelten, weiter nach Neufundland fuhren und als erste Europäer die Neue Welt betraten, wäre dem berühmten Portugiesen nie das abenteuerliche Wagnis über den Atlantik gelungen, hätten ihm nicht von einem Nürnberger Karten und Aufzeichnungen, vor allem aber Meßwerkzeug und guter Rat zur Verfügung gestanden. Die ersten Deutschen treffen etwa gleichzeitig mit den Engländern in der Neuen Welt ein - aber nicht wie diese als Kolonisatoren! An der Erforschung und Erschließung des neuen Landes sind sie unabhängig voneinander beteiligt. 1614 erkundet Hendrik Christiansen aus Cleve den Hudson, und im niederländischen Neu-Amsterdam finden sich Deutsche aus dem mittel- und süddeutschen Raum. 1626 handelt Peter Menuit aus Wesel den Indianern für 60 holländische Gulden das vom Hudson und East River umschlossene Manhattan ab, das später zu der Riesenmetropole New York anwachsen soll - eine der bemerkenswertesten Investitionen der Weltgeschichte. Deutsche sowohl wie Holländer, die ja auch einmal zum Reich gehörten, werden von angelsächsischen Einwanderern gemeinhin als "Dutch" bezeichnet. Ein Captain John Smith aus Jamestown in Virginien, der ältesten der englischen Kolonien in Nordamerika, fordert 1629 von London an, man solle ihm doch weitere "damn Dutch" herüberschicken, da die sich vorzüglich zur Kolonisation eigneten, wie ihm eine Gruppe Glasschmelzer aus Böhmen bewiesen hatte. Wie heute die Schlepperbanden ihr Geld aus dem Asylantenstrom einstreichen, so waren gut verdienende Werbeagenturen in Europa schon damals tätig, oft mit denselben fadenscheinigen Tricks, unzufriedene Bürger zur Auswanderung ins "Gelobte Land Amerika" zu überreden. Weinbauern aus der Gegend um Heidelberg siedeln 1653 in Neu Niederland. 1669 stößt Johann Lederer aus Hamburg in den Südteil der Alleghenies vor. Ihm folgen Schweizer Taufgesinnte. 1676 wird Nikolaus de Meyer, ebenfalls aus Hamburg, Bürgermeister von New York. 1684 begründet eine von dem Theologen Peter Schlüter aus Wesel geführte kalvinistisch-urchristliche Labadistensekte eine Siedlung am Bohemia in Maryland, die weitere deutsche Einwanderer nach sich zieht. Forscht man danach, was die deutschen Auswanderer bewegte, ihre Heimat zu verlassen und eine scheinbar verlockende, aber auch gefährliche und ungewisse Zukunft zu suchen, so trifft man auf die verschiedensten Gründe. In den seltensten Fällen handelt es sich damals um Abenteuerlust. Am häufigsten sind es religiöse Intoleranz, bürokratische Schikanen, hohe Zins- und Steuerlasten, zuweilen bittere wirtschaftliche Not und Verzweiflung. Daneben geben aufgezwungene Kriegsdienste oder -kontributionen den Anstoß zu einem Entschluß, der zwar einigen wenigen das große Los bescheren soll, viele jedoch vom Regen in die Traufe führt und für viele den Verlust von Gesundheit und Leben bedeutet. Die deutsche Auswanderung nach Amerika wird noch verstärkt durch ein 1702 von Prof. Daniel Falckner geschriebenes "Handbuch für Auswanderungswillige", das "jetzo Teutschland" in Grund und Boden verdammt und das, im Verein mit ähnlichen Schriften, eine wahre Völkerwanderung über den Atlantik auslöst. Man scheut nicht vor den wildesten Versprechungen für die Amerikalustigen: "Wilde Tauben fliegen hier so niedrig, daß man sie mit dem Stock erschlagen kann, wilde Truthähne sind groß und fett, einige bis zu 46 Pfund. Die Indianer bringen oft sechs, sieben Rehe auf einmal..." Kein Wunder, daß Menschen, die nur Hunger und Elend kannten, bei solchen Verheißungen auf die Treibjagden menschenfischender Agenten hereinfallen. Die stärkste Auslichtung durch die Amerika-Auswanderung ins Gelobte Land erfährt der deutsche Südwesten, während Preußen und Österreich zu der Zeit wohlweislich ein Auswanderungsverbot erlassen hatten. Es sind vorwiegend protestantische Bauern, die mit nicht viel mehr als ihrem Gottesglauben und ihrem Arbeitswillen in William Penns "heiliges Experiment, das Musterland der religiösen und persönlichen Freiheit" drängen. Den Engländern liegt in ihren neuen Kolonien nicht nur an verstärkter deutscher Einwanderung als Gegengewicht gegen das französische Kanada, wofür sie sogar "freie" Überfahrt versprechen, sondern ebenfalls am Einsatz von deutschen Neuankömmlingen als "Grenzwächter gegen die Indianer". So erscheinen 30.000 Pfälzer in England zum Abtransport nach Übersee, Menschen, die so ärmlich sind, daß die Engländer sie mit Hohn und Spott bedenken. Die Bedingungen auf den Auswandererschiffen sind bei den sechs bis acht Wochen dauernden Überfahrten mit den damaligen langsamen und unzuverlässigen Segelschiffen oft noch grausamer als in den Auswanderlagern. "Über 17.000 auswanderwillige Pfälzer waren (um 1710) in England oder auf See gestorben", berichtet der Deutsch-Kanadier Bernd G. Längin in seinem äußerst lehrreichen Büchlein "Aus Deutschen werden Amerikaner". Der 1750 in die Kolonien gereiste Schulmeister Gottlieb Mittelberger schreibt: "Während der Seefahrt aber entstehet in den Schiffen ein jammervolles Elend, Gestank, Dampf, Grauen, Erbrechen, Fieber, Ruhr, Kopfweh, Hitze, Verstopfung des Leibes, Geschwulsten, Scharbock, Krebs..." Nicht zu vergessen eine ärmliche, kaum genießbare Kost und dazu Mißhandlungen durch die Mannschaften auf den überfüllten Schiffen! Zu der an den Küsten Amerikas angelandeten "Fracht" schreibt Friedrich Kapp: "Wenn es Grabsteine und Kreuze auf dem Ozean geben würde, wären die Routen der Auswandererschiffe schon lange ein übervölkerter Friedhof." Es ist eine irrige Annahme, daß das so viele Auswanderer erwartende Elend nur auf die ersten Einwanderwellen beschränkt war. Noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts erwartet so manchen Einwanderer das Los der "white slaves", der weißen Sklaven. Nach Joachim Fernau "landen Kinder meist in den Webereien, nachdem sie grausam von ihren Eltern getrennt worden waren... Wir haben rührende Photographien, die die 10jährigen in den Maschinensälen zeigen. Es gab zwei Millionen Kinder, die in der Industrie arbeiteten." Die Dienstverpflichtung mittelloser Einwanderer, die ihre Überfahrt nicht selbst hatten bezahlen können, wird zu einer Art Leibeigenschaft auf Abzahlung. Bei der Ankunft in Philadelphia werden die armen Einwanderer nicht eher von Bord gelassen, bis sie von einem Käufer vom Schiff losgemacht sind. "Viele Eltern müssen ihre Kinder selbst verhandeln und verkaufen wie das Vieh." Ab 1710 lassen sich deutsche und Schweizer Mennoniten und ebenfalls Pfälzer Hugenotten in Pennsylvanias Lancaster County nieder, denen später die aus einer Spaltung von Schweizer und südwestdeutschen Täufern hervorgegangenen Amisch folgen. Lancaster County wird durch diese Taufgesinnten, die trotz Ablehnung aller modernen Maschinen und Geräte als tüchtige und auch ehrliche Bauern gelten, mit ihren schwarzen Trachten und alten Pferdedroschken bis auf den heutigen Tag eine der besonderen Touristenattraktionen der USA. Auch kulturell und sprachlich bleiben diese "Pennsylvania Dutch" mit am längsten eine Insel des Deutschtums inmitten des sie umgebenden amerikanischen Schmelztiegels. 1734 treffen neben Schlesiern und Sachsen Salzburger Protestanten ein, die als "Ketzer und Rebellen" aus ihrer Heimat vertrieben worden waren. Die Salzburger gehen in den amerikanischen Süden nach Georgia in "eine pure Wildnis" am Savannah. Wie zuvor schon aus Germantown westlich des heutigen Washington, geht auch von hier aus vom Pfarrer Boltzius ein scharfer Protest gegen die Sklavenhaltung aus. Es sind also vornehmlich und zuallererst Deutsche, die gegen die Haltung schwarzer Sklaven auf den großen Plantagen des Südens ihre Stimme erheben - nicht immer zu ihrem Vorteil. Der Auswanderungsgrund dieser Menschen ist wieder einmal Unterdrückung durch ihre weltliche oder geistliche Obrigkeit, was den Volkswirt Friedrich List zu dem Ausspruch verleitet: "Unsere Regierungen sind schuld, sie müssen weg!" Von den deutschen Fürsten sagt er: "Deutschland ist ein Arrestlokal mit Arrestanten, die so lange frei herumgehen dürfen, als es der Willkür der Regierung paßt!" Soweit sie in geschlossenen Gruppen in die Neue Welt ziehen, sind es Kirchen und Sekten, die die deutschen Auswanderer leiten und betreuen. Sie ersetzen zudem wenigstens teilweise den wegen der deutschen Kleinstaaterei fehlenden politischen Rückhalt und tragen zur Pflege deutscher Sprache, Sitte und Kultur bei. Andererseits verhindern gerade diese diversen Sekten eine Einheit unter der deutschen Volksgruppe im Gegensatz zu den Kirchen der Angelsachsen, die in patriotisch-britischer Haltung das Angelsachsentum fördern! Ihre durch diese mangelnde Einheit bedingte Schwäche macht die Deutschen in den von Angelsachsen dominierten Gegenden, wie z.B. deutsche Katholiken am Delaware, anfällig für gehässige Übergriffe. Andere werden abgelehnt, weil sie als pazifistisch und politisch desinteressiert gelten. Der sowohl als Erfinder wie auch als Staatsmann berühmte Benjamin Franklin spricht verächtlich von den "Pfälzer Bauernlümmeln" und hält sie für anmaßend, wenn sie sich nicht "von uns anglisieren" lassen. Die in deutschen Landen wuchernde Michelmentalität bringt die Deutschen gegenüber den Angelsachsen nur allzu leicht ins Hintertreffen. Und die deutschen Geistlichen und Prediger, die eigentlichen Führungskräfte der deutschen Auswanderer, sind "politisch neutral"; sie stehen in der Regel der angelsächsischen Dominanz unkritisch oder hilflos gegenüber. Jener abwertenden Bemerkung Franklins steht die Aussage des Gouverneurs vom damals noch französischen Louisiana über die deutschen Auswanderer vom Oberrhein entgegen, die, nachdem der größte Teil dieser Gruppe bei der Überfahrt verstorben war, am rechten Mississippi-Ufer aus fieberverseuchtem Sumpfland eine "deutsche Küste" geschaffen haben: "Was wir hier deutsche Küste nennen, ist der fleißigste, der am meisten sich vermehrende, der ehrlichste Teil unserer Bevölkerung." Deutscher Fleiß und deutsche Ehrlichkeit werden also gewürdigt, aber politischer Einfluß wird von den deutschen Einwanderern weder gesucht noch, wäre es der Fall gewesen, ihnen leichthin eingeräumt. Ein wesentlicher Grund besteht auch darin, daß bei den Deutschen "die kleinen Leute", Bauern und Arbeiter, neben dem gelegentlichen "Revolutionär" überwiegen, während die Engländer die reichen Großgrundbesitzer und die ebenso einflußreichen Geistlichen aus adligen oder anderen prominenten Kreisen stellen. Im Jahr 1733 trifft ein Johann Peter Rockefeller (auch Roggenfelder genannt) aus der Rheinpfalz in Amerika ein. 1740 läßt sich der Ahnherr von US-Präsident Herbert Hoover, ein Andreas Huber, in der deutschen Siedlung von Fredericksburg, Maryland, nieder.
Und im November 1741 findet sich ein Holzfäller namens Hans Nikolaus Eisenhauer in
Pennsylvania ein, ein Vorfahr Dwight D. Eisenhowers, der später einmal als
Oberbefehlshaber
der Alliierten Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg aus politischem Ehrgeiz seinen
Haß an
seinen Stammverwandten auslassen soll. - Österreichs Kaiser Joseph II. verbietet mittlerweile bei Androhung der Todesstrafe
den
Werbern ihre Tätigkeit.
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