[Anm. d. Scriptorium:
eine detaillierte Karte
der deutschen Kolonien
finden Sie hier.] |
Von deutscher Pionierarbeit (Teil
4)
50 Jahre Rotkreuzarbeit in den
Kolonien
Hildegard von Lekow,
Stellvertr. Vorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes,
Frauenverein für Deutsche über See
Bald nachdem Deutschland in die Reihe der Kolonialmächte eingetreten
war und von Schutzgebieten in Afrika und in der Südsee Besitz ergriffen
hatte, fand sich ein Kreis kolonialbegeisterter Frauen zusammen, die von dem
Wunsche durchdrungen waren, auch ihre schwachen Kräfte den Kolonien
widmen zu können, und so gründeten sie im Jahre 1886 den
Deutschen Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien.
Deutscher Frauen war es würdig, ihre Betätigung auf einem Gebiete
zu suchen, auf dem deutsche Frauen ihrem Volke gedient haben, seit man von
ihnen weiß, in der Pflege der Verwundeten und Kranken. Denn in den
ersten Jahren unseres Kolonialbesitzes waren wiederholt blutige Kämpfe
um die Behauptung des Besitzes zu bestehen. Auch forderten das Klima und die
noch unerforschten Tropenkrankheiten zahlreiche Opfer unter der geringen Zahl
von Pionieren.
Da war es natürlich, daß die deutsche Regierung sehr bald daran ging,
Ärzte hinauszuschicken und Krankenhäuser und Pflegestätten
zu bauen, und unser Verein erhielt die Aufgabe, für besonders gut
ausgebildetes Pflegepersonal zu sorgen. So kamen unsere ersten Schwestern 1887
nach Ostafrika und haben in treuer Mitarbeit die ersten schweren Zeiten
überwinden helfen.
Als Professor Robert Koch seine erste Reise zur Erforschung der
Malaria ins Innere von Deutsch-Ostafrika unternahm, begleitete ihn eine unserer
Schwestern und erwies sich als unentbehrliche Helferin der Expedition. Ebenso
haben unsere Schwestern später in den Schlafkrankheitslagern und bei
Seuchenbekämpfungen im Inneren Afrikas an der Seite deutscher
Ärzte wertvolle Arbeit geleistet.
Zunächst galt die Fürsorge unserer Schwestern nur Männern,
denn Furcht vor dem heißfeuchten Klima und den unerforschten
Tropenkrankheiten hinderte diese, Frauen mit in das Land zu bringen. Dies wurde
erst anders, als die Erschließung der Kolonien weitere Fortschritte machte
und wirksame Mittel gegen die besonders gefürchtete Malaria und andere
gefährliche Krankheiten gefunden worden waren.
[369] Mit der
Gründung von Familien fand auch die Arbeit des Deutschen
Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien eine weitere
Ausdehnung. Ihm fiel die schöne Aufgabe zu, über Leben und
Gesundheit der Frauen und jungen Mütter zu wachen, und er sandte in
kurzer Folge eine Reihe von Hebammenschwestern in alle Kolonien. Wie
nötig sich gerade diese Arbeit erwies, zeigt, daß bei Ausbruch des
Krieges von 66 Schwestern in allen Kolonien 40 Hebammenschwestern
waren. - Die Schwestern arbeiteten in Krankenhäusern und
Wöchnerinnenheimen, sie saßen tief im Innern der Kolonien auf
einsamen Stationen und ritten als Reisehebammen viele Tagereisen weit
über Land, um den Frauen auf abgelegenen Farmen Hilfe zu bringen. Ja,
der Verein ließ sogar Lehrschwestern ausbilden, um die eingeborenen
Frauen in deutscher Geburtshilfe und Wochenpflege zu unterrichten.
Als im Laufe der Jahre der Wohlstand der Pflanzer sich etwas gehoben hatte und
sie sich dann und wann eine Ausspannung gönnen konnten, errichtete der
Frauenverein in gesunder Höhenlage von Ostafrika und an der gesunden
Küste von Südwest, in Swakopmund, Erholungsheime. Ebenso baute
er Kindergärten, um die Frauen während ihrer Arbeitsstunden zu
entlasten.
All diese blühende Arbeit zerstörte der Krieg. Unsere
Krankenhäuser und Wöchnerinnenheime, Kindergärten und
Erholungsheime wurden mit allem Inventar von den Feinden beschlagnahmt und
unsere Schwestern mit den deutschen Familien aus den Kolonien ausgewiesen.
Nur in Südwestafrika hatte die tüchtige Oberin Douglas es
verstanden, das Prinzessin-Rupprecht-Erholungsheim in Swakopmund gegen alle
Übergriffe der Engländer zu verteidigen und dem Verein zu erhalten.
Dies Heim ist denn auch nach dem Kriege der Ausgangspunkt für eine
erneute Tätigkeit des Vereins geworden.
Mit dem Verlust der Kolonien hatte unser Vereinsname seine Berechtigung
verloren und er nannte sich fortan Frauenverein vom Roten Kreuz für
Deutsche über See.
Nötiger und wichtiger als früher ist jetzt die Arbeit des Roten
Kreuzes unter unseren deutschen Volksgenossen in den alten Kolonien, seit diese
unter fremder Mandatsherrschaft stehen und jeder Schutz und jede Fürsorge
des einst starken Vaterlandes ihnen fehlen. Da gilt es denn für den
Frauenverein, den schwer um ihre Existenz ringenden Brüdern und
Schwestern in Krankheit und Not beizustehen, ihnen Hilfe und Trost zu bringen
und ihnen die Möglichkeit zu geben, in einem deutschen Mütterheim
ihre Kinder zur Welt zu bringen und unter der Pflege und Obhut unserer
Schwestern gesund zu werden und sich zu erholen.
Dem selbstlosen Opfergeist und der treuen Bereitschaft unserer Mitglieder, ihren
Landsleuten drüben zu helfen, ist es zu danken, daß wir in den Jahren
nach dem Kriege das oben erwähnte
Prinzessin-Rupprecht-Erholungsheim für Erwachsene in
Swakopmund neu ausstatten und ihm das
Herzogin-Adolf-Friedrich-Kinderheim mit 30 Betten und ein [370] kleines
Mütterheim mit 8 Betten angliedern konnten. Außerdem
unterhält unser Verein in Swakopmund einen Kindergarten.
In Windhuk betreut der Frauenverein das Elisabethhaus der
Deutschen Kolonialgesellschaft (Mütterheim und Frauenklinik) mit
angeschlossener Kinderstation für kranke und gesunde Kinder. Kommt es
doch häufig vor, daß Frauen, die das Elisabethhaus aufsuchen, ihre
Kinder nicht unversorgt und unbeaufsichtigt auf der Farm zurücklassen
können. Sie empfinden es dann sehr dankbar, ihre Kinder unter dem
sicheren Schutz einer Schwester im Kinderheim versorgt zu wissen.
Auch in Omaruru, Otjivarongo und Gibeon, Südwestafrika, hat
der Frauenverein kleine Kranken- und Mütterheime
gegründet, dem je eine Schwester vorsteht, die mit größter
Treue und Selbstaufopferung ihre nie abbrechende Arbeit versehen.
Welch ein unendlicher Segen diese Heime und die Rotkreuzschwestern für
die deutschen Frauen drüben sind, mag folgender Brief zeigen, den eine
Frau schrieb, die längere Zeit im Elisabethhaus gelegen hatte:
"...Schon lange ist es mir
Bedürfnis, Ihnen zu schreiben; ich möchte Ihnen meinen warmen
und herzlichen Dank aussprechen für eine große Freundlichkeit, die
mir im Elisabethhaus im Namen des Frauenvereins vom Roten Kreuz für
Deutsche über See erwiesen wurde. Ich habe dort mein erstes Kind, ein
liebes kleines Töchterlein, bekommen, und der Aufenthalt ist mir durch den
Fonds des Roten Kreuzes erst ermöglicht worden. Ich möchte Ihnen
im Namen all der Frauen, die diese Hilfe schon erleben durften, danken. Ich kann
gar nicht sagen, wie wertvoll für uns Südwester Frauen
solche Hilfe sein kann. Die Not ist ja so groß hier im Land, und ich kann
davon wohl sprechen, da ich sie so sehr erlebe. Seit drei Jahren arbeitslos, sitzen
wir nun schon ein Jahr ohne jeden Pfennig Verdienst auf der Farm eines
Bekannten, und es geht uns nicht gut, das kann ich wohl sagen, wenn wir auch
froh und dankbar sind, Kost und Wohnung zu haben. Wenn man dann ein
Kindchen erwartet, wird diese Freude, die doch so groß und rein sein will,
immer wieder gedämpft durch Sorgengedanken. Aber nun durfte ich die
letzten Tage vor meines Kindes Ankunft in dem wunderschönen
Elisabethhaus sein, wo man sich so wohl fühlt und nicht nur
körperlich, sondern auch seelisch ganz tief aufatmet. Ich möchte
Ihnen noch einmal ganz von Herzen danken, daß Sie durch Ihren
Unterstützungsfonds mir das ermöglichten.
Frau Oberin war so lieb und gut zu mir, wie eine Mutter.
Ich kann ihr das nie vergessen, und so wie mir wird es vielen Frauen hier gehen.
Man ist gerade dann so allein hier im Land, unsere Männer sitzen weit fort
auf der Farm und können nicht bei uns sein, und unsere Mütter sind
endlos fern in der alten Heimat. Da genießt man solche liebe Hilfe und
solchen feinen freundlichen Menschen ganz besonders.
Das alles wollte ich Ihnen doch sagen, damit Sie nicht
meinen, wir nehmen alles so selbstverständlich hin, was das Rote Kreuz
für uns hier tut...."
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Auch in Ostafrika wuchs die Not der deutschen Ansiedler in
Krankheitsfällen und bei bevorstehendem Familienzuwachs, je mehr
Pflanzer ins Land kamen. Unsere herrlichen Krankenhäuser in Tanga und
Daressalam sind in englischen Händen, und der Aufenthalt dort
ist für die noch im Aufbau begriffenen Pflanzer unerschwinglich. Die
Arbeit der deutschen Missionsärzte und Missionsschwestern erstreckt sich,
ihrer Bestimmung entsprechend, fast ausschließlich auf die [371] Eingeborenen und nur
im Notfalle kann sie auch von Deutschen in Anspruch genommen werden. Da
erwuchs unserem Verein die wichtige Aufgabe, die sanitäre Betreuung der
deutschen Ansiedler zu übernehmen.
1931 entsandten wir die erste Schwester nach Deutsch-Ostafrika und
gründeten die Pflegestation Mufindi auf dem
Iringa-Plateau. Seitdem sind in schneller Folge fünf weitere
Schwesternstationen errichtet worden, und zwar in Mbozi, im
äußersten Südwesten der Kolonie, in
Dabaga-Himbu, im Iringa-Bezirk, in Oldeani im Norden der
Kolonie, in Morogoro an der Mittellandbahn und im letzten Sommer im
Kilimandscharogebiet, denen je eine Schwester vorsteht. Diese Schwestern sind
nicht nur als Kranken- und Hebammenschwestern besonders erfahren, sie sind
auch im Mikroskopieren ausgebildet, um Blutuntersuchungen machen zu
können, und haben erste Hilfe bei Zahnleiden erlernt. Jede von ihnen hat
1 - 2 Krankenzimmer in ihrem kleinen Haus, um Frauen zur
Entbindung oder Kranke aufnehmen zu können. Wenn es aber aus
irgendeinem Grunde nicht geht, daß die Patienten zu ihnen kommen, so
gehen, reiten oder fahren die Schwestern auf die Pflanzungen. Es kommt vor,
daß sie oft wochen- und monatelang von Pflanzung zu Pflanzung unterwegs
sind, bevor sie wieder in ihr eigenes Heim zurückkehren. Wahrlich ein
schwerer und verantwortungsvoller, aber schöner Beruf im Dienste ihrer
Volksgenossen!
Neuerdings hat der Verein aus eigenen Mitteln ein Mutterhaus für
seine Schwesternschaft gegründet. Ein Mutterhaus, das die jungen
Schwestern für ihren verantwortungsvollen Beruf vorbereiten soll, das sie
zur letzten und tiefsten Verpflichtung an Volk und Staat erzieht, das aber auch den
Schwestern, die jahrelang in der Fremde gewesen sind, jahrelang allein auf sich
gestellt waren, Heimat ist und sie in warmer Gemeinschaft umschließt, bis
sie wieder auf einen anderen Posten ausgesandt werden.
So geht von der Heimat ein weitverzweigtes Netz aus, das die Kolonialdeutschen
untereinander und mit uns verbindet. Bringen doch unsere Schwestern ihren
Landsleuten nicht nur deutsche Hygiene und sorgsamste Krankenpflege, sie sind
auch Trägerinnen deutscher Kultur und Sinnesart, die die Ausgewanderten
in ihrer Treue zur Heimat stärken.
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