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der deutschen Kolonien
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Von deutscher Pionierarbeit (Teil
3)
Der Arzt in den deutschen
Kolonien
Prof. Dr. med. Otto Fischer
Leiter des Tropen-Genesungsheims, Tübingen
Als das junge Deutsche Reich um die Jahrhundertwende in die Reihe der
Kolonialmächte eintrat, übernahm es mit dem neuerworbenen Recht
auf außereuropäischen Boden in vollem Bewußtsein der ihm
daraus erwachsenden Ausgaben die Pflicht der Sorge für seine farbigen
Untertanen. Die rasche Befriedung des Landes, die in wenigen Jahren
durchgeführt war, schuf die erste Voraussetzung seiner wirtschaftlichen
Entwicklung, die bisher durch die unaufhörlichen blutigen Stammesfehden
der Eingeborenen untereinander gehindert worden war. Ihrer tatsächlichen
Durchführung stellte sich aber noch ein anderes Hemmnis entgegen, dessen
Überwindung viel schwieriger war und weit größere Opfer
forderte. Fast alle deutschen Schutzgebiete lagen im Tropengürtel der Erde,
dessen mörderischem Klima auch die beste Gesundheit auf die Dauer nicht
zu trotzen vermochte. So mußte dem Arzte eine wichtige, wenn
nicht die grundlegende Aufgabe für die Eroberung dieser Länder und
ihre Eingliederung in den Wirtschaftskörper der Welt zufallen, er wurde der
Schrittmacher [359-360=Fotos] [361]
der Kultur, der seiner Tätigkeit erst einen Zugang bahnte, indem
sie den weißen Führer wie seine farbigen Mitarbeiter gesund und
leistungsfähig erhielt und damit eine Arbeit auch in verseuchten Gebieten
möglich machte.
Diese Aufgabe war allerdings in jenen Zeiten noch weit schwieriger als heute, da
damals die Kenntnisse der Wissenschaft über die Schädlichkeiten der
warmen Länder und ihre Ursachen noch sehr gering, in vielen Punkten fast
gleich null waren. Fielen doch erst in jene Jahre die gewaltigen Entdeckungen der
tropenmedizinischen Forschung, die heute aus dem anscheinend unlösbaren
Rätsel der tropischen Gesundheitsschäden ein wohlgeordnetes Bild
sicher erkannter und wohl umschriebener Krankheiten gemacht haben. Daß
hierbei deutsche Forscher auf deutschem Boden ein gut Stück
Arbeit geleistet haben, wird immer Stolz und Genugtuung der deutschen
ärztlichen Wissenschaft bleiben. Aber über den großen
Entdeckern darf nicht die gewaltige Zahl derjenigen vergessen werden, die in
treuer Kleinarbeit an den Ufern des Tanganjikasees, in den Steppen
Südwestafrikas, an den Fieberküsten Togos und Kameruns und auf
den einsamen Inseln der Südsee das, was in einem unglaublich raschen
Siegeslauf wissenschaftlicher Erkenntnis ersonnen und erarbeitet wurde, im
täglichen Leben, meist auf sich allein angewiesen, in die Praxis umsetzten,
zum Heile vor allem auch der Eingeborenen des Landes, die unter den
Geißeln der Tropenkrankheiten nicht weniger litten als der zugewanderte
Weiße. Dem unbekannten Soldaten, der als Arzt oder Heilgehilfe
tief im Innern des schwarzen Erdteils unverdrossen seinen Dienst tat, soll auch in
der Heimat ein stilles Gedächtnis bewahrt sein, wie es in den Herzen der
Eingeborenen noch heute lebt, wenn die Alten von der Zeit sprechen, in der die
Kolonien unter deutscher Herrschaft standen, und die sie alle zurücksehnen.
Wer einmal hat hören können, mit welcher Liebe die Schwarzen an
den Hängen des Kilimandscharo noch heute an ihren früheren
deutschen Stabsarzt in Moshi zurückdenken und nicht begreifen
können, warum er sie hat verlassen müssen, den wird es nicht
wundernehmen, wenn ihm vom ersten Tage seiner Tätigkeit auf
afrikanischem Boden das Vertrauen und die Liebe der Eingeborenen sicher
sind.
[359]
Prof. Dr. Otto Fischer
bei der Krankenbehandlung in
Deutsch-Ostafrika.
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Dabei soll nicht übersehen werden, daß der
Tropenarzt sich
heute in einer besonders glücklichen Lage befindet. Er kann wirklich
heilen, und oft in wenigen Tagen ein vielleicht seit Jahren bestehendes Leiden
beseitigen. Der rasche sichtbare Erfolg, den ihm die gerade im letzten Jahrzehnt
erzielten Fortschritte auf therapeutischem Gebiet gestatten, erleichtert ihm seine
Aufgabe gewaltig, und es muß wiederum jeden Deutschen mit Stolz
erfüllen, daß es deutsche Wissenschaft war, die der Welt einen
großen Teil dieser Heilmittel schenkte, zu einer Zeit, in der Deutschland als
unwürdig und unfähig aus der Reihe der Kolonialmächte
ausgeschlossen war durch den Spruch derjenigen, die der Ausbreitung der
Seuchen gerade in den ehemals deutschen Schutzgebieten trotz
hochtönender Worte nicht entgegenzutreten vermocht haben.
Wir nennen das Plasmochin, das die bisher unbeeinflußbaren
Dauer- [362] formen der tropischen
Malaria in wenigen Tagen aus dem Blut zu beseitigen vermag, das
Atebrin, das, erst seit wenigen Jahren bekannt, durch seine rasche und
sichere Wirkung auch nach kurzer Anwendung in der Behandlung des
Wechselfiebers unentbehrlich geworden ist, das Yatren, mit dem die
Tropenruhr schnell und endgültig geheilt werden kann, das
Germanin, das die Schrecken der Schlafkrankheit bannte, die
Antimonpräparate, die eine bisher unrettbar zum Tode
führende Krankheit, den in Indien millionenfach vorkommenden
Kala-Azar, im Laufe kurzer Zeit zu beheben vermögen
(Neostibosan), und die in anderer Form (Fuadin) die
lästigen Bilharziaerkrankungen, vor allem die die Harnblase betreffende
Art, zu beseitigen in der Lage sind. Diese wenigen Beispiele, die noch durch
manches andere vermehrt werden könnten, müssen in diesem
Zusammenhang genügen. Sie zeigen der Welt, daß die deutsche
Wissenschaft nicht stillgestanden hat, auch wenn man ihr die Betätigung in
den Tropen unmöglich gemacht oder doch zum mindesten sehr erschwert
hat. Jedenfalls wird der Dank vieler geheilter Patienten gerade unter den
Ärmsten der Eingeborenen, von denen jeder in den Tropen arbeitende Arzt
berichten kann, eine beredtere Sprache reden als die Propaganda der
Kolonialschuldlüge.
Es geht nicht an, in diesen kurzen Zeilen die gesamten Probleme tropischer
Seuchenbekämpfung und ihre Handhabung in unseren alten Kolonien
aufzurollen. Dazu mangelt es an dem nötigen Raum. Es können hier
nur einige wichtige Einzelfragen herausgegriffen und aus persönlicher
praktischer Erfahrung, die ich selbst vor einigen Jahren bei einem längeren
Aufenthalt in Deutsch-Ostafrika gewinnen konnte, beleuchtet werden.
Was die medizinische Organisation in unseren Schutzgebieten betrifft,
so überzog das ganze Land ein Netz ärztlicher Stationen, meist
errichtet im Anschluß an die militärischen und
verwaltungsmäßigen Regierungsstützpunkte, viel zu
weitmaschig noch zur Erzielung eines endgültigen Erfolgs, da ihre Zahl
naturgemäß beschränkt war durch den Umfang der zu diesem
Zwecke zur Verfügung stehenden Mittel. Hier fand sich ein Hospital mit
einem vielseitig ausgebildeten und vor allem in Tropenkrankheiten durch ein
gründliches Studium im Hamburger Institut für
Schiffs- und Tropenkrankheiten geschulten Arzte, dem ein kleiner Stab meist
eingeborener Gehilfen zur Seite stand. Es bildete zugleich den Mittelpunkt
für die Bekämpfung ansteckender Krankheiten in dem
zugehörigen, oft recht großen Bezirk. Ihm waren nicht selten kleinere
Zweigstationen unterstellt, in denen ein Sanitätsfeldwebel oder auch ein
eingeborener Heilgehilfe arbeitete, d. h. einfachere Fälle auf Grund
der ihm gegebenen Vorschriften behandelte, schwerere dem Arzte zuführte.
Ihre Bedeutung für die frühzeitige Erkennung eines
Seuchenausbruchs (Pocken, Typhus usw.) versteht sich von selbst.
[359]
Das Hospital der Brüdergemeinde in Sikonje,
Deutsch-Ostafrika.
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Eine wertvolle Ergänzung fand diese Grundorganisation durch die
Tätigkeit der Missionen, die sich sehr bald der ihnen durch die
große Krankheitsnot erwachsenden Aufgaben gegenüber den von
ihnen betreuten Eingeborenen [363] bewußt wurden
und ihnen im Laufe der Jahre immer größere Aufmerksamkeit
schenkten. Sie sandten nicht nur Ärzte aus, deren Zahl vor dem
Kriege allerdings noch recht klein war. Ebenso wertvoll und wichtig war die
Bereitstellung von Schwestern, die, in Krankenpflege und vor allem in
Geburtshilfe gründlich ausgebildet, zu selbständiger Tätigkeit
auf dem ihnen zugewiesenen Posten alle Voraussetzungen mitbrachten und hier
unschätzbare Arbeit leisteten. Sie sorgten ferner dafür, daß ihre
Missionare und deren Angehörige vor ihrer Ausreise gewisse grundlegende
Kenntnisse in der Tropenmedizin, wie auch in der ersten Hilfe in
Unglücksfällen erhielten, die sie dann im Falle der Not für
sich selbst verwerten konnten, die aber in erster Linie den von ihnen betreuten
Eingeborenen, die sich vertrauensvoll in jeder Frage, so vor allem auch in ihren
Krankheitsnöten, an sie wandten, zugute kamen. Zu diesem Zwecke werden
seit Jahren im Deutschen Institut für ärztliche Mission in
Tübingen und neuerdings auch im Missionsärztlichen
Institut in Würzburg besondere Kurse abgehalten.
Das Deutsche Institut für ärztliche Mission in
Tübingen wurde am 15. November 1906 ins Leben gerufen und
gegründet durch den bekannten Stuttgarter Kaufmann und Industriellen Dr.
e. h. Paul Lechler. Seine Aufgabe ist die Ausbildung von
Ärzten und Schwestern, vor allem auch Hebammen, die im Dienste der
deutschen evangelischen Missionsgesellschaften auf der ganzen Welt tätig
sein sollen. Das stattliche Haus wurde im Frühjahr 1909 von Studierenden
bezogen. Es bietet ihnen durch tropenmedizinische Vorlesungen und Kurse
neben dem Studium an der Universität und der Ausbildung in den
verschiedenen Kliniken besondere Möglichkeiten zur Erweiterung ihrer
Kenntnisse. Die Schüler des Instituts haben in den nunmehr 26 Jahren
seines Bestehens in allen Teilen der Erde der dort lebenden
eingeborenen Bevölkerung wie den eingewanderten Europäern
unendlich viel Gutes getan und gerade auch in den deutschen Kolonien
bis zum gegenwärtigen Augenblick wertvollste Arbeit geleistet.
Es ergab sich ganz von selbst, daß Kranke aus den Tropen hier, wo
erfahrene Tropenärzte wirkten, sich einfanden, um Rat und Heilung zu
suchen, und so entstand unabweisbar die Notwendigkeit, einzelne Zimmer des
Hauses für Schwerkranke zur Verfügung zu halten und zugleich eine
immer zunehmende poliklinische Tätigkeit zu entwickeln. Aus diesen
kleinen Anfängen erwuchs das
Tropen-Genesungsheim, das, am 15. November 1916 seiner
Bestimmung übergeben, ein mit allen modernen Mitteln für die
Erkennung und Behandlung tropischer Krankheiten eingerichtetes Haus darstellt.
Hier findet jedermann, der aus den Tropen zurückkommt oder in
die warmen Länder reisen will, in allen Fragen Rat und Hilfe.
Den gleichen Aufgaben für die katholische Mission dient das am 3.
Dezember 1922 eröffnete katholische Missionsärztliche Institut
in Würzburg, dem allerdings ein besonderes Tropenkrankenhaus nicht
angeschlossen ist. Das [364] Institut ist der
Mittelpunkt der katholischen missionsärztlichen Bewegung. Hier werden
Ärzte und ärztliche Hilfskräfte in den speziellen Aufgaben, die
die Tätigkeit auf dem Missionsfelde erfordert, geschult. Dabei werden in
der letzten Zeit tropenmedizinische Kurse durch Mitglieder des Hamburger
Tropeninstituts abgehalten.
Eines der wichtigsten Probleme, das in seiner für sämtliche Kolonien
gleich großen Bedeutung allerorts dieselbe Beachtung verlangte, stellt die
hohe Sterblichkeit der Eingeborenen im
Säuglings- und frühesten Kindesalter dar. Es hat von vornherein
die Aufmerksamkeit der Ärzte in unseren Kolonien erregt. Nach meinen
eigenen vor einigen Jahren aufgestellten Berechnungen wird z. B. in
Ostafrika in den Gebieten mit ausgesprochen tropischem Klima knapp die
Hälfte aller eingeborenen Kinder wirklich groß, und nach
ausgedehnten ähnlichen Untersuchungen vor dem Kriege findet sich in
manchen Dörfern eine sogar 80% übersteigende Kindersterblichkeit.
Daß diese Verhältnisse auch beim Vorliegen einer sehr hohen
Geburtenziffer eine Verminderung der eingeborenen Bevölkerung nach sich
ziehen müssen, ist selbstverständlich. Der Eingeborene stellt aber in
jedem Koloniallande das wichtigste Aktivum der Wirtschaftspolitik dar,
da seine Arbeitskraft gerade in den Tropen unentbehrlich ist und auf ihr die
Möglichkeit der Entwicklung des Landes beruht. So ist seine Erhaltung
ebenso wie die Besserung seiner gesundheitlichen Lage durch die damit
verbundene Steigerung seiner Leistungsfähigkeit der wesentlichste Faktor
zur Hebung des allgemeinen Wohlstandes und daher der Aufwendung selbst
erheblicher öffentlicher Mittel wohl wert. Es war daher eine
bedeutungsvolle Aufgabe, den Ursachen dieser hohen
Säuglingssterblichkeit nachzugehen, und nicht umsonst ist für eine
ausgiebige Bearbeitung dieser Frage schon vor dem Kriege ein wissenschaftlicher
Preis ausgesetzt worden. Aus der großen Zahl der Todesursachen im
zartesten Alter lassen sich in den Gegenden Ostafrikas, in denen ich selbst mich
mit diesen Dingen beschäftigen konnte, drei als besonders wesentlich
herausfinden: Malaria, Lungenentzündungen und
Ernährungsstörungen. Gegen diese Ursachen muß
sich denn auch der Kampf in erster Linie richten.
[108]
Vertrauen zum Arzt auch in Deutsch-Ostafrika:
Malariabekämpfung.
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In den heißen Sumpfgebieten spielt die Malaria wohl die
Hauptrolle. Jedes Kind wird schon gleich nach der Geburt durch unzählige
Stiche der das Wechselfieber übertragenden Mücken angesteckt und
im Laufe der Jahre durch die Krankheit immer wieder an den Rand des Grabes
gebracht. Hier kann auch eine kurze Behandlung, die in der Verabreichung von
2 - 3 Chinineinspritzungen besteht, das bedrohte Leben erhalten und
den Organismus zum weiteren Kampf gegen den ihn angreifenden Erreger
geeignet machen. In dieser Hinsicht bedeutet jede ärztliche Station, auf der
eine solche Behandlung durchgeführt werden kann, [365] einen wichtigen
Stützpunkt, um so mehr, wenn das Vertrauen zum Arzt die Leute
veranlaßt, die kranken Kinder früh genug zum Arzte zu bringen.
Noch wesentlicher ist es aber, selbst in die Dörfer der Eingeborenen zu
gehen und die Erkrankten sich vorführen zu lassen oder sie in den
Hütten zu besuchen. Hier eine gut arbeitende Organisation zu schaffen, in
der auch entsprechend ausgebildete verantwortungsbewußte
Heilgehilfen eine wichtige Rolle zu spielen berufen sind, ist der Anfang
einer wirklichen Bekämpfung dieser Ursache der
Säuglingssterblichkeit. Ihr diente der ganze medizinische Apparat in
unseren Kolonien, dessen Aufbau oben geschildert wurde. Es sei aber an dieser
Stelle besonders hervorgehoben, daß in Ostafrika z. B.
gerade in der letzten Zeit die seit 1925 in ihre alten Arbeitsgebiete
zurückgekehrten deutschen Missionsgesellschaften in dieser Hinsicht
geradezu Vorbildliches geschaffen haben. So sind etwa im Bereiche der Berliner
Mission, die in der weiteren Umgebung des Njassasees arbeitet, eine ganze Reihe
von Krankenschwestern tätig, die, dieser Aufgabe wohl
bewußt, durch ihr Eingreifen in ihren regelmäßigen
Sprechstunden, wie bei immer wiederholten Reisen im Lande, zahlreiche Kinder
vor dem Tode an Malaria retten. Dieses Netz durch Aussendung weiterer
Schwestern und Einreihung der entsprechend ausgebildeten Missionare, wie durch
Einsetzen von eingeborenen Heilgehilfen an nicht von Europäern
bewohnten wichtigen Punkten auszubauen, ist ein Ziel, dessen Erreichung nur
durch den Mangel an Mitteln hinausgezögert wird.
Es sollte das Bestreben jeder Regierung sein, diese Arbeit und ihre
Durchführung auf jede Weise, auch durch Bereitstellung von Geldmitteln
und Medikamenten zu fördern. Uns ist es aber eine Freude, daß
deutsche Missionen durch ihre deutschen Mitarbeiter an der
Lösung dieser grundlegenden Frage in einer alten deutschen
Kolonie so aktiv und erfolgreich tätig sind. In ihrem Dienste stehen
heute wieder fünf Ärzte, zwei Ärztinnen
und eine Zahnärztin, während ein weiterer Arzt
und eine Ärztin in
Deutsch-Neuguinea arbeiten. An sie schließt sich ein großer Stab
von Schwestern und Hebammen an, von denen nicht wenige auch
in den anderen Kolonien, in die Missionsärzte noch nicht ausgesandt sind,
z. B. in Kamerun, Südwestafrika und auf den
Südsee-Inseln tätig sind. Nicht unerwähnt darf aber bleiben,
daß in den letzten Jahren deutschen Ärzten auch ohne die Ablegung
einer Prüfung auf einer englischen Universität die Ausübung
der Praxis in Deutsch-Ostafrika gestattet ist und daß von dieser
Möglichkeit vielfach Gebrauch gemacht wurde. Ebenso sind auch in den
unter britischer Verwaltung stehenden Teilen von Kamerun und Togo seit diesem
Jahre wieder einzelne deutsche Ärzte tätig, während in
Deutsch-Südwestafrika immer ein gewisser zahlenmäßig
allerdings begrenzter Kreis von deutschen Ärzten gewirkt hat.
Noch ein Wort zu den Ernährungsstörungen. Sie sind zum
Teil wohl nur die Begleiterscheinung irgendwelcher fieberhafter Erkrankungen,
vor allem der Malaria, wenn sie auch letzten Endes in vielen Fällen als die
Ursache des Todes anzusehen sind. Zum anderen Teil aber haben sie ihren Grund
in der [366] unsinnigen
Art, in der die Eingeborenen ihre Säuglinge ernähren. Neben der
Muttermilch, die dem Kinde gegeben wird, sobald es schreit, erhält es
mindestens zweimal am Tage eine Breimahlzeit, meist aus einer
gerösteten Banane bestehend, die von der Mutter im Munde fein zermahlen
und gründlich eingespeichelt dem Kinde direkt eingespuckt oder auch unter
mehr oder minder großer Gewaltanwendung in den Mund eingerieben
wird.
[108]
Bekämpfung der Schlafkrankheit in
Deutsch-Ostafrika:
der Polizist bringt den Kranken ins Hospital.
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Ein Ruhmesblatt deutscher ärztlicher Kolonialarbeit ist die
Schlafkrankheitsbekämpfung in unseren afrikanischen
Schutzgebieten. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß wir vor
dem Kriege einen großen Teil Ostafrikas von der Seuche befreit hatten und
diese in den anderen Gebieten der Kolonie, ebenso wie in Kamerun, durchaus
beherrschten und ihrer Weiterverbreitung vorzubeugen in der Lage waren, und das
zu einer Zeit, wo man das wirksamste Schlafkrankheitsmittel, das
Germanin, noch nicht kannte. Dieser Erfolg ist nur der folgerichtigen
Durchführung der von den deutschen Schlafkrankheitsforschern unter
Führung von Robert Koch als notwendig erkannten
Maßnahmen zu danken, das sind - um es kurz zu
erwähnen - Isolierung und Behandlung aller Kranken, die durch
gründliche Untersuchung der verseuchten Dörfer (vor allem durch
Fahnden nach Leuten mit vergrößerten Nackendrüsen)
festzustellen sind, Abholzen der See- und Flußufer in den betroffenen
Gegenden, um der im Busch lebenden Tsetsefliege den Schatten zu nehmen und
ihr damit das Leben unmöglich zu machen, Verhinderung der
Abwanderung Schlafkranker in noch nicht von der Seuche erfaßte Gebiete,
in denen der Überträger, die Tsetsefliege, vorkommt, also strenge
Überwachung der Straßen und genaue Untersuchung der sich auf
ihnen bewegenden Bevölkerung.
Es ist ein Verdienst der deutschen Regierung, in ihren Schutzgebieten das
Auftreten großer Pockenepidemien, die früher von Zeit zu
Zeit immer wieder gewaltige Opfer forderten, verhindert zu haben. Sie hat durch
ihre Organe unter Zuhilfenahme der in jenen Gegenden arbeitenden
Missionsgesellschaften die Bevölkerung im Laufe der Jahre durch Ansetzen
immer wiederholter Impftermine fast völlig durchimmunisiert. Es ist damit
zwar noch nicht gelungen, die Seuche völlig auszurotten, denn der eine
oder andere entgeht doch der Impfung, aber ihre Ausbrüche nehmen keine
gefahrdrohende Ausdehnung mehr an und hören in kurzer Zeit von selbst
auf.
Endlich noch ein Wort über den Aussatz, jene furchtbarste
Seuche, die ihren Träger für sein Leben unglücklich macht.
Hier hat die deutsche Regierung den einzigen Weg beschritten, der eine
Verringerung ihrer Ausbreitung bewirken kann und der z. B. Deutschland
und den größten Teil Mitteleuropas im Laufe der Jahrhunderte von
der Lepra völlig befreit hat. Sie hat in allen ihren Schutzgebieten
Isolierdörfer angelegt, die zum Teil an Zahl und Umfang bei der
in manchen Gegenden recht erheblichen Verbreitung der Seuche sehr groß
sein mußten. In ihnen wurden die Kranken untergebracht, konnten sich
zusammen mit ihrer Familie ihre Hütten bauen, ihr Feld bestellen und nach
[367] gewohnter Art ihr
Leben führen. Sie waren aber von der Umgebung völlig
abgeschnitten, sie durften das von Polizeisoldaten bewachte Gebiet nicht
verlassen und anderen war der Zutritt zu ihnen verboten. Sie wurden hier von den
Missionsgesellschaften, denen die Sorge um das leibliche und geistige Wohl
dieser Armen übergeben war, betreut. Es ist verständlich, daß
eine starke Abneigung der Leute gegen die Übersiedlung in diese
Dörfer bestand, denn die völlige Trennung von ihrer ganzen weiteren
Verwandtschaft traf sie recht hart, und so suchten sie sich dieser Maßnahme
so lange wie nur möglich zu entziehen. Es gelang daher auf diese Weise im
allgemeinen mit Sicherheit nur die allerdings meist sehr ansteckenden
Spätfälle mit unverkennbaren Erscheinungen der Seuche zu erfassen.
Kranke in einem früheren Stadium konnten sich oft lange der Isolierung
entziehen, indem sie sich unter Umständen sogar verborgen hielten.
Nachdem nun aber ein geeignetes Vorgehen (Anwendung von
Chaulmoograöl) gerade hier am ehesten einen sicheren Heilungserfolg
versprach, schien ein Aufgeben oder doch eine Lockerung der Zwangsinternierung
aller erreichbaren Leprafälle eher geeignet, diese Leute zur
Durchführung einer solchen Behandlung zu veranlassen, und so wurde in
manchen Gegenden eine entsprechende Änderung der gesetzlichen
Maßnahmen durch die Mandatsverwaltung vorgenommen. Der Erfolg
entsprach aber nicht den gehegten Erwartungen und zeigte, daß das
Vorgehen der deutschen Regierung das Richtigere gewesen war. Die
Wiederherstellung der Freizügigkeit der Aussätzigen, wie sie
z. B. in Ostafrika am Nordufer des Njassasees erfolgte, bewirkte, daß
die Kranken sich über das ganze Land zerstreuten, wenn auch ein gewisser
Teil in den von der Regierung eingerichteten großen
Leprösenansiedlungen blieb, vielleicht von den ihnen dort gewährten
Vorteilen, vor allem Steuerfreiheit, Behandlungsmöglichkeit usf.,
festgehalten. Viele aber verließen dauernd oder auch nur
vorübergehend ihren bisherigen Wohnsitz, um wieder mit ihrer Sippe
zusammen zu sein. Sie wurden damit eine Quelle für die Verbreitung der
Seuche über das ganze Land, die trotz der mangelhaften Erfassung der
Frühfälle vorher mit Sicherheit verstopft war. Allerdings werden die
Folgen dieser Maßnahme bei der langen Zeit, die gerade beim Aussatz von
der Ansteckung bis zum Auftreten der ersten Erscheinungen vergeht, erst nach
Jahren bemerkt werden. Ihre Anfänge aber habe ich selbst schon feststellen
können, indem ich verschiedentlich leprakranke Kinder fand, als deren
Infektionsquelle ein auf Besuch befindlicher Aussätziger, der in der
gleichen Hütte gewohnt hatte, anzusehen war.
Der beschränkte Raum gestattet nur einige Probleme ärztlicher
Tätigkeit, mit denen sich die deutsche Kolonialverwaltung in der kurzen
Spanne ihrer Wirksamkeit auseinanderzusetzen hatte, zu berühren. Ihre
tatkräftige Durchführung und die dabei erzielten Erfolge sind der
anschaulichste Beweis für die Unrichtigkeit der Behauptung, der
Deutsche sei als Kolonisator ungeeignet. Wir Tropenärzte erheben
daher auf Grund persönlicher Erlebnisse und Erfahrungen unsere Stimme,
dem deutschen Volke den Weg zu eigenen Schutzgebieten in
Über- [368] see freizumachen
und damit unser gutes Recht wiederzugeben, eigenem Volk auf eigenem Boden
durch die Errungenschaften unserer Wissenschaft, die in der neuesten Zeit gerade
auf dem Gebiete der Tropenmedizin bahnbrechend waren, dienen zu
können.
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